Als die Fraktionsvorsitzende der Grünen Katrin Göring-Eckardt vor einigen Wochen forderte, Klimapolitik müsse weiterhin auch aus Geboten und Verboten bestehen, war dies eine der infantilsten Einlassungen der für ihre kindergerechte Sprache berühmt-berüchtigte sogenannte Reala. Die verhinderte Pastorin unterstrich damit einmal mehr den Unterschied zwischen den paternalistischen Ansichten des linken Spektrums und dem, als was sich die Grünen in Verkennung der Realitäten sehen: liberal. Wohl wahr, die Deutschen lieben die exakte Ordnung, Vorschriften, die sie durchs Leben geleiten und klären, was man darf und vor allem, was nicht. Liberalismus und Markt haben seit jeher einen denkbar schlechten Ruf zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen und standen immer im Verdacht, dem Unsittlichen Vorschub zu leisten. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wenn auch die meisten ihr Kleingärtnergehabe modernisiert haben. Aus der Gartenlaube wird der Nachbar nicht mehr mit der Vermessung der Grundstücksgrenzen getriezt. Stattdessen hält ein altmodisches Wort wieder Einzug in den Sprachgebrauch: Scham. Es sind ausgerechnet die Jungen, welche die McCarthy-Ära im Westen wieder aufleben lassen und alles mit dem genierten Begriff belegen, was ihren Wertvorstellungen widerspricht. Vielleicht geben sich die jungen Aktivisten für Klima und Umwelt auch deswegen so unbedarft, weil sie nie die Wirkungslosigkeit von Verboten ausgetestet haben.
Ich bekenne: ich bin ein notorischer Regel- und Gesetzesbrecher. Verbote reizen mich, sie zu umgehen oder noch besser, zu übertreten. Selten, dass ich an einem Stoppschild vorschriftsmäßig anhalte oder an einer roten Ampel die Füße stillhalte. Trotz 15 Monaten Wehrdienst habe ich es nur zum Gefreiten gebracht und das auch nur, weil die Vorschriften es so vorsahen. Der eigentlich übliche Obergefreite blieb mir verwehrt, angeblich hätte ich zu häufig gegen Unteroffiziere aufbegehrt, die mir intellektuell nicht das Wasser reichen konnten. Auch wenn ich etwas von dieser Arroganz abgelegt habe, Verbote reizen zur Umgehung und Austesten der Möglichkeiten. Einst hätte ich fast meinen USA-Rückflug verpasst, weil ich die amerikanischen Sicherheitsbehörden ob meines Ärgers über die pingelige Abfertigung genervt hatte. Eine ansonsten hübsche Beamtin der Flugkontrolle drohte mir Gefängnis an, sollte ich noch einmal das F-Wort wiederholen.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich sehe einen Ordnungsrahmen im Leben für zwingend an, ohne Regeln und Disziplin geht es nicht. Ich arbeite mehr als die üblichen 40 Wochenstunden, ich gehe mit Anzug selbst dann ins Büro, wenn alle anderen leger tragen und ich dusche und frisiere mich selbst dann, wenn ich das ganze Wochenende nicht das Haus verlasse. Ich kann es nicht leiden, wenn Menschen sich gehen lassen. Der Unterschied zu den meisten meiner Mitmenschen liegt darin, dass ich sie nicht teilhaben lasse an meinen Vorstellungen von Ordnung.
Wer einmal Teenager war, weiß um die Fragwürdigkeit von Ge- und Verboten. Leider waren viele der heutigen Erwachsenen nie Kind. Möglicherweise liegt es an dieser Obrigkeitshörigkeit, dass junge Menschen heute später und weniger und manchmal keinen Sex haben. Andererseits zeigen ihre Eltern selbst dann Verständnis, wenn ihre Sprößlinge Gangbang-Filme auf dem Handy anschauen und wo bleibt da die Lust an der Übertretung eines nicht vorhandenen Verbots? Junge Leute sind heute spießiger als es ihre Großeltern sein könnten. Im Profifußball gilt inzwischen ein Spieler schon als exaltiert, wenn er sich die Haare färbt. Eine solche Biedermann-Jugend glaubt dann tatsächlich, wenn die Gesellschaft aus guten Gründen zum Schutze der Umwelt und der Nacherben alle denkbaren Aktivitäten der CO2-Erzeugung verbietet oder mit Schampflaster belegt, würde das das Klima retten.
Wie dieser neue Puritanismus funktioniert, konnte das interessierte Publikum bei der öffentlich gewordenen Abschlussfahrt Frankfurter Abiturienten studieren, welche sich eine kleine Kreuzfahrt in Nord- und Ostsee gönnten. Unter den Teenagern waren einige, welche in den Frühjahrsmonaten auf freitägliche Demonstrationen zur Rettung des Klimas gegangen waren, was dem Ganzen erst die Pikanterie gab. Unter Rechtfertigungsdruck rechneten Schulleitung, Teilnehmer und sympathisierende Kreise vor, wie wenig schädlich doch gerade diese Kreuzfahrt für das Weltklima gewesen sei, nicht der Rede wert. Das klingt dann schon so wie die keusche Magd, welche in enger Umarmung erwischt wurde und sich verteidigte, es sei doch gar nichts passiert.
McCarthy-Ära und Biedermann stehen nicht für Zeiten des Liberalismus, der Freiheit des Geistes und Innovationskunst. Sie wirken in der Rückschau so beklemmend, wie sie von den wenigsten Zeitgenossen wahrgenommen wurden. Die großen Entdeckungen und Erfindungen in der Geschichte wurden gemacht, als der Geist frei war. Es hat seinen Grund, warum islamische Länder irgendwann ihren historischen Entwicklungsvorsprung verloren und heute so mittelalterlich wirken, wie es das christliche nie war.
Verbote und Gebote entfalten nur dann Wirkung, wenn sie streng überwacht werden. Das ist in einer Ordnung von Millionen und gar Milliarden Menschen praktisch unmöglich und setzt gleichzeitig enge Grenzen. Denn die Macht des Staates über seine Bürger wird durch die Grundrechte und die Landesgrenzen beschränkt. Wie sehr das einigen Zeitgenossen missfällt, demonstrierte ein Kommentator, als er ernsthaft forderte, für die Überwachung eines möglichen Verbots von Kreuzschifffahrten den Geheimdienst einzusetzen. Dort, wo Verbote nicht effizient überwacht werden können, entfalten sie kaum Wirkung. Schließlich kann nicht an jeder Ampel gleichzeitig eine Blitzeranlage installiert werden.
Wenn es einen noch wichtigeren Grund gegen den breiten Einsatz von Verboten zur Rettung des Weltklimas gibt, dann ist es die Beschränkung des Geistes und der Phantasie. In einer Verbotsgesellschaft konzentrieren die Bürger einen wesentlichen Teil ihrer Energie auf die Umgehung der Verbote zum eigenen Vorteil ohne erwischt und bestraft zu werden. Der Staat wiederum setzt das Gros seiner Mittel und Energien ein, um wirksame Kontrollen zu errichten und die Bürger zu überwachen. Das ist Verschwendung von Zeit, Geld und Ressourcen. Diktaturen haben nicht umsonst ausgebaute Sicherheitsapparate und investieren den wesentlichen Teil des ohnehin schon wenig Erwirtschafteten in die Überwachung. Anders als der kleine Nachbar im Süden ist Nordkorea in den letzten Jahrzehnten nicht mit Ideen aufgefallen, die über den Abschuss von atomar bestückten Raketen hinausgehen. Wem das zu plakativ erscheint, bitte. Als der Bund während der Finanzkrise ein Konjunkturpaket für die Kommunen auflegte, nutzten viele Gemeinden die Steuermittel dazu, ihre Blitzer auf den neusten technischen Stand zu bringen und das Netz an Überwachung enger zu knüpfen.
Große Herausforderungen verlangen nach großen Freiheiten. Das war zu allen Zeiten so. Mit Verboten werden die klimatischen Veränderungen des Jahrhunderts nicht zu bewältigen sein. Nicht einmal ansatzweise. Nicht zufällig sind die Klimaaktivisten auch so ratlos ob der Frage, wie den eine CO2-neutrale Welt aussehen sollte. Jeder Wohlstand, den wir heute genießen, baut auf der Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff. Entwicklungsländer emittieren deswegen so wenig Kohlendioxid, weil sie kaum Wohlstand in Form von Energie, Wärme, Kühle, Mobilität besitzen. Verbote können nur in diese rückständige Welt führen, was genau deswegen von der überwältigenden Mehrheit in sämtlichen entwickelten Ländern abgelehnt wird
Es bedarf somit mehr Intelligenz als es sie die neue Spießergeneration aufzubringen vermag. Es hat seinen Grund, warum Freiheitsliebende wie Liberale so stark auf einen Zertifikatehandel für die Begrenzung des klimaschädlichen Emissionen setzen, zuletzt der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Paul Kirchhof. Allein ein einziges Regelsystem, großzügig angelegt, das dem Bürger ein Maximum an Freiheit gewährt und das Klimaschutzziel sichert. Für die Kohlendioxidkonzentration in der Luft ist es egal, ob jemand auf eine Kreuzfahrt verzichtet, mit einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug den Atlantik überquert oder mit dem Fahrrad einen 15km langen Schulweg zurücklegt. An der Unterstützung des Systems wie der Beschränkung des Regelungsbedürfnisses zeigt sich der wahre Liberale. Der Ordnungsliebende will die Feinsteuerung, zu der der Staat nicht gemacht ist. Jeder Eingriff der Politik in das angepasste Verhalten der Bürger führt zu ständig neuen Eingriffen. Die aus den linken Parteien SPD, LINKE und Grüne bestehende Koalition führt gerade im Berliner Rathaus vor, zu welchem Wahnsinn eine solche Feinsteuerung auf dem Wohnungsmarkt führt. Am Ende werden Probleme nicht gelöst, sondern verschärft.
Nicht Allmachtsphantasien, sondern Selbstbeschränkung und Mäßigung sind die wahren Stärken des gereiften Bürgers.
Hm, „Ich bekenne: ich bin ein notorischer Regel- und Gesetzesbrecher. Verbote reizen mich, sie zu umgehen oder noch besser, zu übertreten.“ Am Ende: „Nicht Allmachtsphantasien, sondern Selbstbeschränkung und Mäßigung sind die wahren Stärken des gereiften Bürgers.“ Dann muss man wohl schließen, dass sie nicht über „wahren Stärken des gereiften Bürgers“ verfügen.
😀 😀 😀
Ein Schelm, wer sowas dabei denkt 😉
Okay, jetzt muss ich doch auf den Unsinn antworten, den Linke natürlich nicht erkennen mögen. Erkennt man einen verantwortungsvollen, maßvollen Bürger wirklich daran, dass er möglichst viele Verbote benötigt? Die Antwort: wenn er ein Linker ist, schon. Wer spätabends auf einer menschenleeren Straße vor einer roten Ampel stehen bleibt, benötigt anscheinend diese Orientierung, weil er unfähig ist, selbst zu entscheiden, dass ihm kein körperliches Unheil droht, wenn er eine übersichtliche Straße überquert.
Schön, dass Sie alle drei so eindrucksvoll alle Vorurteile über Linke bestätigt haben. Ich denke, Sie werden bei dem Scheuklappendenken niemals verstehen, warum Liberale Verboten skeptisch gegenüberstehen.
In der Klimapolitik sind Verbote tätsächlich selten ideal. Aber auch nicht immer. Das Verbot besonders klimaschädlicher Kühlmittel halte ich z.B. für uneingeschränkt sinnvoll.
Aber in anderen Bereichen kann man m.E. Verbote nicht so verallgemeinernd ablehnen.
Verbote von FCKW, DDT oder verbleitem Benzin waren m.E. sinn- und wirkungsvolle Verbote im Bereich Umweltschutz. Das gleiche gilt für Asbest im Bereich Gesundheit oder allgemeinem Tempolimit auf Landstrassen im Verkehr.
Zum Thema rote Ampel. Ich würde vermuten, dass Linke eher bei Rot gehen als Konservative. Aber da kann ich mich auch täuschen.
All diesen Verboten war gemein, dass sie als völlig akzeptiert galten. Und: es gab Alternativen.
Es gibt weder eine Akzeptanz für das Verbot von Kreuzschifffahrten, Flügen oder Autos noch gibt es echte Alternativen. Die Alternative zum Tempolimit auf Landstraßen lautet „ohne Tempolimit auf Autobahnen“. Passt.
Ich habe meine liberale Einstellung zu roten Ampeln dargestellt. Weder spreche ich da für Konservative noch Liberale in der Gesamtheit. Was ich zeigen wollte: mein Geist ist frei genug um verantwortungsbewusst entscheiden zu können, was ich für vertretbar halte und was nicht. Dazu benötige ich kein Verbot. Als es bereits Alternativen zu den FCKW-Dosen gab, habe ich diese gekauft. Außerdem wurde dafür geworben. Wahrscheinlich hätte es danach keines Verbotes bedurft. Übrigens haben sich in der Nachschau die Prognosen zum Ozonloch nicht erfüllt. Anlass, vielleicht etwas skeptisch zu sein, was Prognosen für die zukünftige klimatische Entwicklung betrifft?
Niemand verbietet Kreuzfahrtschifffahrten, Flüge oder Autos. Genausowenig wie damals Kühlschränke verboten wurden. Aber in deinem blinden Wahn, nur ja nichts zu verändern, siehst du das nicht mal. Es geht um das Verbot besonders klima- und umweltschädlicher Antriebsmittel. Es gibt etwa sauberere Schiffsmotoren. Die kosten nur mehr, und deswegen werden sie nicht verbaut. Bei Autos wird mit Hochdruck an Alternativen zu fossilen Energieträgern geforscht. Bei Flugzeugen sieht das bisher schlecht aus, aber auch hier wird kein Flugverbot per se gefordert.
Unterhalte Dich darüber mit Ralf oder einer Tina Velo. Vielleicht beschreibst Du mal, was FFF aus Deiner Sicht fordert und wir überprüfen das dann. Ich glaube nämlich, dass Du Dir da etwas malst. Lass uns den Test machen, vielleicht Artikel und Replik? Deal?
Ich würde gerne noch auf Nina Treu hinweisen.
Was ich zeigen wollte: mein Geist ist frei genug um verantwortungsbewusst entscheiden zu können, was ich für vertretbar halte und was nicht.
Das zeigt nur, dass Sie sich mit Kognitionswissenschaft nicht befasst haben, sonst wüssten Sie, dass es die freie Entscheidung nicht gibt. Überträgt man das auf Ihr vehementes Eintreten für die Marktkräfte, widerlegen Sie damit Ihren eigenen Anspruch, denn die von Ihnen gepriesenen Marktkräfte postulieren ja gerade eine völlige Unwissenheit aller im Angesicht eines allwissenden Marktes. Die eigene soziale Lebenswelt wird dabei in grundsätzlicher Weise als undurchschaubar, unvorhersehbar, unberechenbar und durch eigenes Handeln nicht mehr beeinflussbar erklärt. Insoweit sind ihre Ansprüche ein freier Geist zu sein, ziemlich ramponiert.
„Übrigens haben sich in der Nachschau die Prognosen zum Ozonloch nicht erfüllt.“
Im Ernst?
Ich dachte immer die Maßnahmen hätten Erfolg gezeigt. Von alleine wäre das Ozonlochproblem nicht verschwunden.
https://www.focus.de/wissen/klima/klimaprognosen/panikmache-und-schreckensszenarien-waldsterben-ozonloch-klimawandel-waren-diese-aengste-alle-unbegruendet_id_4078250.html
Während wir heute feststellen können, dass sich das Ozonloch wieder geschlossen hat, waren die damaligen Prognosen weit weniger optimistisch. Aber ich schreibe das nur aus dem Gedächtnis.
Dass die Prognosen nicht eintreten liegt ja daran, dass die schädlichen Stoffe weitgehend verboten wurden.
Man kann die Qualität von Prognosen nicht einfach daran festmachen ob sie eintreten. Zumindest dann nicht wenn die Prognosen den Ausgang direkt beeinflussen.
Das stimmt nicht. Damals ging man davon aus, dass selbst bei einem Verbot das Ozonloch dauerhaft oder zumindest bis Ende des 21. Jahrhunderts (meine Erinnerung, bitte um Verzeihung) wieder geschlossen werden könnte. Die Annahme gründete auf dem Wissen, dass die Fluorchlorkohlenwasserstoffe noch zwischen 44 und 180 Jahren in der Atmosphäre verbleiben.
Die Prognosen waren Anfang der Neunzigerjahre, als ein weitreichendes Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffe beschlossen wurde, weit pessimistischer als sich die Realität heute herausstellte. Nun ist auch dann, wenn schlechte Erwartungen sich nicht bewahrheiten, eine Prognose schlecht, wenn sie zu stark vom späteren Ergebnis abweicht und fällt auf denjenigen zurück, der sie aufgestellt hat.
Aus diesem Beispiel können wir lernen, etwas vorsichtiger mit Prognosen zu sein, die uns den Weltuntergang ankündigen, wenn eine bestimmte politische Maßnahme nicht ergriffen wird.
Du vergisst dabei, dass Prognosen sich auch in die falsche Richtung irren können. Deine Analogie zu CO2 könnte auch sein, dass die heutigen Prognosen wesentlich zu OPTIMISTISCH sind. Wir müssen schlicht mit dem Konsens arbeiten, den wir haben, was besseres gibt es nicht.
Auch das ist eine schlechte Prognose. Aber Prognosen sollten nicht dem Prinzip folgen, ein möglichst hohes Maß an Aufmerksamkeit zu generieren. Auffällig ist jedoch, dass umweltpolitische Prognosen im Rückblick im Gros zu pessimistisch waren.
Bisher waren die Prognosen bezüglich des Klimawandels eher zu optimistisch.
Anstatt auf die Erinnerung zu vertrauen, könnte man auch nachlesen. Ich hatte ja sogar etwas leicht verdauliches zu genau dem Thema verlinkt.
Ansonsten meinte ich: Prognosen (können) zu Handlungen führen, die wiederum das Prognostizierte verändern.
Wenn mein Arzt mir rät abzunehmen, da ich sonst nicht mehr lange zu leben hätte, ich abnehmen und lange lebe, werfe ich dem Arzt ja auch nicht vor seine Prognose wäre falsch gewesen 🙂
Wenn mein Arzt sagt, selbst im besten aller Fälle haben Sie nur noch 5 Jahre und am Ende werden es 12, dann werde ich natürlich nicht gram sein. Die Prognose bleibt qualitativ bescheiden. Das ist in solch einem Bereich natürlich angenehm, aber wie sieht es beim Klimaschutz aus? Wenn wir von heute auf morgen mit jeder CO2-Produktion aufhören, nicht mehr fliegen, Autofahren etc., weil uns die Wissenschaft sagt, andernfalls ginge bei 2 Grad Steigerung die Welt unter, dann hoffen wir, dass damit das Ziel erreicht wird. Dafür nehmen wir ordentlichen Verzicht in Kauf, insbesondere in Bezug auf unser eigenes Leben. Nicht mehr Fliegen bedeutet ja, nicht mehr in entlegene Winkel der Erde zu kommen, die man gerne gesehen hätte.
Nach 30 Jahren stellen wir fest, wir haben nicht nur das Ziel von 2 Grad erreicht, die Erderwärmung hat nicht weiter zugenommen. Sondern, das Ziel wurde mit 1 Grad weit unterschritten. Wer würde da jubeln? Nur Masochisten. Wer würde ernsthaft sich freuen, wenn er zu Unrecht für 30 Jahre inhaftiert würde und danach ob der Falschbeschuldigungen eine Entschädigung von 3 Millionen gezahlt bekäme? Das Leben, die Chancen sind weg.
Obwohl 2 Grad gereicht hätte, haben wir Anstrengungen unternommen, um deutlich besser zu performen, ohne in unserem Leben noch davon etwas zu haben. Das ist Verschwendung. Deswegen ist die Validität von Prognosen so wichtig.
Der Konservative macht es, wenn es keiner sieht, und schimpft dann über andere, wenn er sich dadurch moralisierend in Szene setzen kann. Das ist der große Unterschied 😛
@ Stefan Sasse 2. Oktober 2019, 22:18
Der Konservative macht es, wenn es keiner sieht …
Na, na, ich muss doch bitten …
Als einer von zwei Konservativen in diesem Blog muss ich Einspruch erheben. Stimmt doch alles gar nicht (bzw. hat keiner gesehen 🙂 ).
… wenn er sich dadurch moralisierend in Szene setzen kann. Das ist der große Unterschied.
Bestenfalls ! (für die Linken) ist das mit dem Moralisieren kein Unterschied zwischen links und rechts. Die Moral bestimmt die gute Hälfte der Menschheit.
Selbstverständlich. Mich nervt auch nicht der Vorwurf, eine Moral zu vertreten, sondern der offensive Anspruch Stefans und anderer, das selbst nicht zu tun. Ich stehe zu meiner Moral.
@ Stefan Sasse 4. Oktober 2019, 15:22
Bestenfalls ! (für die Linken) ist das mit dem Moralisieren kein Unterschied zwischen links und rechts. Die Moral bestimmt die gute Hälfte der Menschheit.
Bestenfalls 🙂
Einspruch. Wir sind mindestens drei.
Sogar vier!
@ Peter Zeller 6. Oktober 2019, 09:30
@GerdHeiner 6. Oktober 2019, 13:28
Sogar vier!
🙂
Nun, du bestätigst hier auch permanent eindrucksvoll Vorurteile über Liberale. Sind wir doch froh, wie viel Eindruck wir alle hinterlassen.
Wenn Sie eine Ampel brauchen, um bei Rot über die Straße zu laufen, um zu beweisen, dass Sie kein Linker sind, dann stimmt mit Ihnen tatsächlich etwas nicht.
@ popper 3. Oktober 2019, 09:12
Wenn Sie eine Ampel brauchen, um bei Rot über die Straße zu laufen, um zu beweisen, dass Sie kein Linker sind, dann stimmt mit Ihnen tatsächlich etwas nicht.
🙂
Wir sind ja nicht immer einer Meinung, aber hier muss ich – Sorry, Stefan P. – zustimmen.
Ich fürchte das das angesprochene Regelsystems das dem Bürger ein Maximum an Freiheit gewährt und das Klimaschutzziel sichert. praktisch nicht zu realisieren ist. Den es bedürfte dann entsprechender allesumspannender Mechanismen diese Regeleinhaltung sicherzustellen. Die Aufwände wären bestimmt enorm. Insofern wird es eine Mischung benötigen – Regelungen dort, wo ein Gestaltungsraum erwünscht ist, Verbote dort, wo es zwingend um Vermeidung geht und die Gestaltungsräume explizit nicht zielführend sind. Das auszuhandeln wäre genau Gegenstand der Debatte.
Beispiel Verkehr: Ein Tempolimit von 130 auf der Autobahn wäre eine Regelung, die aber in der Umsetzung wegen der (im internationalen Vergleich) lächerlichen Strafen, sowie mangelnden Kontrollfähigkeit scheitern würde. Wirksam wäre es, den Autoherstellern aufzuerlegen, dass die Autos eben nicht mehr eine bestimmte Geschwindigkeit übersteigen können. Das wäre für viele ein Eingriff in die individuelle Freiheit und wäre abzuwägen und ist politisch auszuhandeln.
Im wesentlichen Stimme ich Ihnen aber zu, das Verbot ist immer das letzte Mittel, sinnvolle einfach und aufwandsarm verstandene, umsetzbare und kontrollierbare Regelungen wären vorzuziehen. Ich fürchte aber, dass wir den Spielraum für Letzteres durch konsequentes Ignorieren in den vergangenen Jahren insb. zur Überwindung der Klimawandelproblematik verwirkt haben und das Pendel, wenn es denn wirken soll, an einigen Stellen in Richtung Verbote ausschlagen muss.
Wirksam wäre es, den Autoherstellern aufzuerlegen, dass die Autos eben nicht mehr eine bestimmte Geschwindigkeit übersteigen können. Das wäre für viele ein Eingriff in die individuelle Freiheit und wäre abzuwägen und ist politisch auszuhandeln.
Nur mal so eingeworfen: das ist übrigens schon heute so, weiß nur keiner. Die Hoch-PS-Autos sind so abgeriegelt, dass sie bei ca 220kmh ihre Höchstgeschwindigkeit haben, auch wenn das Auto theoretisch viel mehr könnte.
Nicht ganz korrekt, Ariane, und wissen tun das alle Interessierten schon:
Auf Grund einer freiwilligen Uebereinkunft deutscher Automobilhersteller – ohne Porsche – gibt es eine Beschraenkung auf 250 km/h!
Wer’s gerne schneller hat, kann diese Abregelung jederzeit auf legalem Weg entfernen lassen.
Ich meine eher: wenn du durch eine 30er Zone fährst, regelt die Karre bei 30 ab.
Warum Autos überhaupt schneller fahren können als erlaubt ist mir eh unklar. Technisch wäre es ein Leichtes, das abzudrehen. Die aggressive Reaktion von Deutschen auf die Vorstellung, man würde ihnen die Möglichkeit wegnehmen das Gesetz zu brechen zeigt schon, dass hier was schief ist.
Schon mal den Film Minority Report von Steven Spielberg gesehen?
Ja, deswegen erkenne ich auch den Unterschied zwischen dem Einsperren von Leuten auf Basis von psychedelischen Visionen und der Geschwindigkeitsbegrenzung eines Autos. Die Maßstäbe scheinen dir dagegen eher abhanden gekommen zu sein.
@ Stefan Pietsch 2. Oktober 2019, 17:27
Schon mal den Film Minority Report von Steven Spielberg gesehen?
Ja, kenne ich. Passt nicht ganz, das Beispiel.
Aber Stefan, damit soll den Boliden-Fahrern doch die Möglichkeit gegeben werden, ihre Charakterstärke unter Beweis zu stellen: „Wir könnten, wenn wir wollten“. Reife Persönlichkeiten halt. Nur solche fahren solche Autos.
Interessant, danke. Aber trifft nicht.
Eine CO2-Steuer hat mindestens die gleichen Regelungsvoraussetzungen wie Cap & Trade. Wieso sollte der Aufwand dann unterschiedlich sein? Zertifikatehandel zeigt, dass er sich relativ leicht kontrollieren lässt, siehe Ancid Rain Program in den USA.
Mir erschließt sich der Sinn von Verboten nicht, abgesehen davon, dass Verbote zu den ineffizientesten Instrumenten gehören, um überhaupt ein beabsichtigtes Ziel zu erreichen. Alle Stakeholder – von den Wissenschaftlern über Klimaaktivisten bis hin zur Politik sind sich einig, dass wir noch ein großes Kontingent an zulässigen Emissionsmengen haben, die ohne Verfehlung des 2 Grad-Ziels in die Atmosphäre entlassen werden können. Ein Verbot setze ich aber ein, wenn nur Null Emissionen erlaubt sein dürfen, nicht 1 Tonne und nicht 500 Milliarden Tonnen. Wenn ich ein verfügbares Kontingent habe, stellt sich die Frage der Verteilung, und das möglichst intelligent. Wer könnte über die „richtige“ Zuteilung von Emissionen entscheiden? Sollen wir weiterhin wie gehabt Fleisch konsumieren dürfen, verringern dafür Flüge auf 10% des heutigen Volumens? Wie werden die Kontingente zwischen den Menschen auf dem Erdball zugeteilt? Bekommen Männer in Entwicklungsländern 100% mehr als heute, Frauen aber nur 50%, da sie weniger Fleisch esssen, Männer aber mehr arbeiten und mobiler sein müssen?
Machen Sie bitte sinnvolle Vorschläge für diese höchst komplexen Verteilungsfragen auf der Basis von Geboten und Verboten. Ich halte das für ein Ding der Unmöglichkeit.
Jedes Verbot ist, anders als bei Kindern, von der allgemeinen Akzeptanz abhängig. Es gibt viele Beispiele, wo Staaten versuchten, Verbote durchzusetzen und scheiterten. Am Ende werden Sie nicht Menschen dafür einsperren können, dass sie eine Kreuzfahrt unternommen haben, wie das hier schon zum Besten gegeben wurde.
Verbote sind häufig dort erfolgreich, wo ich Sie in Form von Vorschriften gieße, die eher auf die Eigenschaften eines Produktes oder Dienstleistung abzielen, als auf das individuelle Konsumverhalten des Verbrauchers.
Natürlich beeinflussen solche Verbote die Produktionsbedingungen und werden sich auf den Preis niederschlagen, und verändern damit das Konsumverhalten der Verbraucher. Aber ich verbiete eben nicht kategorisch den Konsum. Dort wo der Staat es heute bereits macht, wird dies aus übergeordneten Schutzzielen begründet. Der Staat sanktioniert den Gebrauch bestimmter Drogen, da diese schädlich und erhebliche Probleme verursachen. Solche Verbote sind notwendig und auch akzeptiert.
Ich denke aber auch, dass man mit dem Verbraucher in Dialog treten kann und wir als Gesellschaft zu Kompromissen in der Lage sind. Statt Fleischkonsum zu verbieten, sollten wir besser eine Debatte führen was artgerechte Nutztierhaltung bedeutet. Ich denke, dass man gute allgemein akzeptierte Regelungen finden kann, die es den Konsumenten erlauben weiterhin Fleisch zu konsumieren, dieses aber seltener, da der Preis angestiegen ist, weil wir es gesamtheitlich für sinnvoll erachten Nutztierhaltern entsprechende Vorgaben zu machen.
Konsumverhalten, welches den Klimawandel begünstigt, ist in der Regel keine bewusste Entscheidung. Es resultiert daraus, dass die Kosten eben nicht dem Individuum zugeschrieben werden können. Damit entsteht auch kein BEwusstsein, dass gutes Fleisch, oder sauberes Wasser ein grundlegender Wert an sich ist. Es wird vielmehr als gottgegeben wahrgenommen und führt zu den Abwehrreaktionen, die wir in der Öffentlichkeit beobachten können, wenn wir über BEschränkungen sprechen. Ich denke aber, dass mit Augenmaß eine Menge erreicht werden könnte und viel zu oft die Empörten mit ihrer Hysterie ein Ohr geschenkt wird.
Nein, Verbote hängen einzig an der Akzeptanz der Gesellschaft. Wird ein Verbot nicht allgemein als vernünftig angenommen, läuft der eigentliche Zweck ins Leere. Niemand zweifelt am Verbot zu morden und auch die Ahndung von Diebstahl ist gemeinhin akzeptiert. Beim Verbot von illegalen Musik- und Filmstreams sieht die Sache schon anders aus. Das illegale Streamen von Musikdateien wurde erst eingedämmt, als eine günstige, legale Alternative zur Verfügung stand.
Der Staat tritt mit dem Verbraucher in Dialog? Was ist denn das für ein seltsames Bild? Der Staat, das sind vom Bürger gewählte Abgeordnete, verpflichtet, seine Interessen zu vertreten. Der Staat, das sind noch die Beamten, die in der Pflicht stehen, die Gesetze, die von den Volksvertretern erlassen wurden, zu exekutieren – unabhängig, wie sie selbst dazu stehen. Wenn Sie also davon sprechen, der Staat solle mit dem Verbraucher (Bürger) in Dialog treten, hat das etwas Komisches. Denn da verwechselt jemand, wer Koch und wer Kellner ist.
Ich hatte bereits geschrieben: jede Tätigkeit, die der Wohlstandserzielung dient, baut auf CO2 auf. Je mehr Wohlstand, desto mehr Kohlendioxid, da besteht eine Korrelation. Im Groben, bitte ohne Feinheiten. Die Nutzung der Wohlstandsgewinne führt zu Emissionen, es geht heute nicht anders, das braucht man den Menschen nicht extra zu erklären. Vor ungefähr zwei Wochen machte eine junge Journalistin den Selbstversuch, für die Dauer einer Woche so emissionsarm wie möglich zu leben. Es scheiterte schon an einfachen Dingen. Wer will schon dauerhaft vegetarisch leben? Beim Einstieg in den Zug musste sie gleich wieder aussteigen: der Nahverkehr fährt nicht mit Erneuerbaren. Am Buffett auf der Party am Abend kapitulierte sie endgültig: Sch…. drauf. Es gibt Leute, die sich nicht so viele Gedanken machen wollen. Echt.
Der Staat, das sind vom Bürger gewählte Abgeordnete, verpflichtet, seine Interessen zu vertreten.
Nur mal Interesse halber: Wo steht das und welche Interessen sind gemeint? Haben alle Bürger die gleichen?
IN der Demorkratielektion von Herrn Sasse war noch zu lesen, das die Abgeordneten die Anzahl an Wählern vertritt, die es im Wahlkreis gibt, die Interessen kamen da gar nicht vor.
Wo nochmal wird der Abgeordnete verpflichtet, die Interessen zu vertreten?
Wer will schon dauerhaft vegetarisch leben?
Seltsame Frage, Vegetarier, nehme ich an.
Auch der Zug, der nicht mit erneuerbaren fährt, is immer noch weniger klimaschädlich als der Individualverkehr, soviel steht fest.
Wenn er deren Interessen nicht vertritt werden sie ihn ziemlich sicher abwählen, das ist zumindest die Idee. Aber die Feststellung, was diese Interessen überhaupt sind, ist Verantwortung des Abgeordneten, nicht der Demoskopen, Journalisten oder Blogkommentatoren.
Wenn er deren Interessen nicht vertritt werden sie ihn ziemlich sicher abwählen, das ist zumindest die Idee.
Ach ja, und was genau hat das mit er Aussage von Herrn Pietsch
[Der Staat, das sind vom Bürger gewählte Abgeordnete, verpflichtet, seine Interessen zu vertreten. ]
zu tun?
Wenn der Staat/Abgeordnete dazu verpflichtet ist, warum macht er das nicht, sondern muss abgewählt werden, damit darauf wieder einer oer eine folgt, die es ebenfalls nicht macht?
Aber die Feststellung, was diese Interessen überhaupt sind, ist Verantwortung des Abgeordneten, nicht der Demoskopen, Journalisten oder Blogkommentatoren.
Habe ich sowas gefordert oder geschrieben? Strohmann?
Wie können die denn dieser Forderung nachkommen, der oder die Abgeordneten? Mal rein Interessehalber.
Ich weiss nicht, ob es sich schon rumgesprochen hat, aber man kann niemanden abwählen, sondern nur vermeintlich einen anderen dranwählen (oder direkt die Partei ändern, ansosnten ist er wieder über die Liste drin, wenn es ein Direktkandidat war), bei dem dann wieder das gleiche gilt. Von Verpflichtung ist aber weit und breit keine Rede, ist aber ausser mir wohl keinem aufgefallen?
Der Job eines Abgeordneten ist das Repräsentieren seines Wahlkreises. Er trifft stellvertretend für diesen Wahlkreis Entscheidungen. Eine rechtliche Verpflichtung, die Interessen der Bürger zu vertreten, gibt es, egal was Stefan schreibt, nicht. Die sind politischen und gesellschaftlichen Normen sowie dem Selbsterhaltungstrieb geschuldet. Da der Wahlkreis aber keine Person ist, ist die Frage, was „seine“ Interessen sind, ohnehin Auslegungssache. Jede Interessengruppe wird Abgeordnete dabei davon überzeugen wollen, dass ihre jeweilige Interessenlage repräsentativ ist. Es ist am Abgeordneten zu entscheiden, wie zutreffend das ist.
Nochmal, ich fände es super, wenn auf mein frage geantwortet wird und kein volkommen anders Feld aufgemacht wird.
Da der Wahlkreis aber keine Person ist, ist die Frage, was „seine“ Interessen sind, ohnehin Auslegungssache.
VERSUS
Aber die Feststellung, was diese Interessen überhaupt sind, ist Verantwortung des Abgeordneten,
Wie lässt sich der Widerspruch auflösen?
Wie nochmal kommt das Volk da vor? So von wegen :
Alle Staatsgewalt geht von Volk aus?
Normen sind dem Selbsterhaltungstrieb geschuldet? Wessen Trieb?
Sollte da nicht mal ein Aufsatz kommen? Und zwar nicht, wie es ist, sondern wie die Aussage des GG in der Realtität aussieht ud wie der Wille des Volkes tatsächlich wiedergespiegelt wird in den Entscheidungen.
Ja, hab ich auf meiner To-Do-Liste. Aber ich mach das hier auch nur als Hobby und solche Artikel sind ziemlich aufwändig.
@ Sören Schmitz 2. Oktober 2019, 13:01
Ich fürchte das das angesprochene Regelsystems das dem Bürger ein Maximum an Freiheit gewährt und das Klimaschutzziel sichert. praktisch nicht zu realisieren ist.
Zustimmung.
Ich muss sagen, diese Debatte krankt an sovielen Stellen, dass ich sie als sehr müßig empfinde.
Zunächst funktioniert sie einfach nicht so generell. Jeder – wirklich jeder! – findet immer diejenigen Freiheiten und Verbote super, die seiner Meinung am ehesten entsprechen. Das gilt für Linke wie Rechte, Liberale und Konservative und auch alle anderen.
Genauso für dich Stefan, man wird hier nirgendwo große Reden über die Freiheit lesen, dass Homosexuelle heiraten und Kinder adoptieren. Oder Frauen die Pille danach einfach so in der Apotheke kaufen usw. Aber wenn jemand etwas Böses über SUVs sagt, geht natürlich sofort das Abendland unter.
Die zweite Schieflage besteht darin – wie oben schon erwähnt wurde – dass wir gerade im Bereich Umweltschutz bereits von Dutzenden Verboten und Richtlinien umgeben sind und trotzdem alle noch frei leben. FCKW ist verboten und wir haben alle in unserer Wohnung funktionierende Kühlschränke UND die Ozonschicht noch dazu^^
Man könnte auch die große Keule rausholen und beweinen, dass die persönliche Freiheit eingeschränkt ist, weil man nicht mal eben seinen alten Kühlschrank über die nächste Böschung in den Fluss werfen darf. Aber die Menschheit kann ganz hervorragend in Freiheit leben, ohne jedweden Müll und Abgase in der Gegend abzuladen, wo man geht und steht. UND sich beim Sonntagsspaziergang in der Natur erfreuen, ohne durch Müllberge und stinkende Flüsse zu waten. Von Millionen anderer Ver- und Geboten gar nicht zu reden, die gehören in Gesellschaften eben dazu. Und wenn du sämtliche Regeln für schädlich hältst, redest du auch nicht der Freiheit das Wort, sondern der reinsten Anarchie.
Das Grundgesetz ist eine Verfassung der Freiheit, nicht des Verbots. Wer zur Regelung des Zusammenlebens als erstes an Verbote denkt, hat den Geist der Verfassung nicht verstanden.
Das nun immer wieder angeführte Beispiel FCKW krankt an der Vergleichbarkeit, wie ich bereits darstellte. Es gab damals eine heftige Auseinandersetzung, ob und wann ein Verbot greifen sollte. Die Idee, Haargel als Alternative für Haarspray anzusehen, war damals nicht populär. Doch es gab schnell Alternativen, welche FCKW sowohl inhaltlich ersetzen konnten als auch kostengünstig waren. Auch das Beispiel Schweden mit seiner CO2-Abgabe zeigt, dass es preislich wettbewerbsfähiger Alternativen bedarf, damit die Menschen umsteigen. Denn verzichten werden sie nicht.
Ein Verbot setzt ein absolutes Stoppschild. Rien ne va plus. Eine solche Situation haben wir nicht, von daher gibt es nicht die Notwendigkeit eines Stoppschildes. Daher sind Deine Beispiele auch Käse. Es ist verboten, Kühlschränke über die Böschung zu entsorgen, weil wir nicht bereit sind, dass nur ein einziger (!) Kühlschrank unsere Umwelt verschandelt.
Die Grünen dagegen wollen, bitte korrigiere mich, ab 2030 Neuzulassungen von PKWs mit Verbrennungsmotoren verbieten. Woher wissen sie dass es dann keine Verbrennungsmotoren mehr geben darf? Übrigens können Verbrennungsmotoren mit den ziemlich klimaschonenden Kraftstoffen Wasserstoff und Power to liquid betrieben werden. Auch nach 2030 werden viele, sehr viele Menschen mit Verbrennungsmotor herumfahren. Das Verbot trifft also nur solche, die ein neues Fahrzeug kaufen wollen. Eine solche Segregation bedarf einer tieferen Begründung als der, wir müssen ja irgendwo anfangen.
Das Verbot ist auch an dieser Stelle das denkbar schlechteste Mittel. Deswegen werden die Grünen kritisiert. Wer zu dem ungeeignetsten Mittel greift, um ein Ziel zu erreichen, muss sich den Vorwurf der ideologischen Borniertheit gefallen lassen. Das einfachste Mittel ist auch hier, dass Kraftstoffe, die CO2 erzeugen einer marktwirtschaftlichen Erlaubnis bedürfen. Zertifikat. Dies wird einen Preis von wenigen Euros haben, wenn Alternativen vorhanden sind, die in Preis und Leistung konkurrieren können. Und der Preis wird hoch sein, wenn dies nicht der Fall ist. Das, Ariane, ist unideologisch.
P.S.: Natürlich kann ein Staat regeln, dass Homosexuelle heiraten dürfen. Das heißt nicht, dass Kirchen sich dem anschließen müssen. Ansonsten zählst Du Beispiele auf, wo die Rechte anderer berührt sind, es also einen Konflikt von Grundrechten gibt. Wertbasierte Menschen gehen darüber nicht hinweg.
Das Grundgesetz ist eine Verfassung der Freiheit, nicht des Verbots. Wer zur Regelung des Zusammenlebens als erstes an Verbote denkt, hat den Geist der Verfassung nicht verstanden.
Nun hol doch nicht immer gleich die ganz große Keule heraus *sfz*
Mal abgesehen davon ist das Beispiel auch nicht so gut. Die Verfassung schützt nämlich die Freiheit der Bürger, indem sie dem Staat sehr viele Verbote auferlegt. So gesehen eher ein Beispiel dafür, dass gewisse Verbote Freiheiten vergrößern können 😛
Das nun immer wieder angeführte Beispiel FCKW krankt an der Vergleichbarkeit, wie ich bereits darstellte. Es gab damals eine heftige Auseinandersetzung, ob und wann ein Verbot greifen sollte
Ich glaube eher, die vergangene Zeit verzerrt das. Beim FCKW-Verbot oder neuen Müll- oder Abgasrichtlinien haben ja nicht alle gejubelt und all überall nur Zustimmung. Es ist doch immer so, dass es eine politische Auseinandersetzung gibt, dann findet man einen Kompromiss und wenn dann alles fertig ist, stellt man fest, dass die Welt nicht untergegangen ist. Und man sogar Vorteile hat, wie die Ozonschicht oder wieder Fische im Fluss.
Und über genau sowas reden wir doch jetzt auch. Ja, die Grünen haben in ihrem Wahlkampfprogramm irgendwo stehen, dass sie ab 2030 keine Verbrennungsmotoren in Neuwagen mehr wollen. Da schreibt man eben das Optimum rein. Aber die Grünen und alle anderen wissen, dass das so nicht in einen Koalitionsvertrag kommt. Sondern eben wieder ein Kompromiss, wie zb eine Regelung mit Co2-Zertifikaten.
Das sind normale Aushandlungsprozesse und kein Kampf auf Leben und Tod.
Es rennt ja auch niemand rum und will gleichzeitig Autos, Flugzeuge und Schiffe verbieten. Ich halte es aber für falsch, beim Wort „Verbot“ direkt in Ohnmacht zu fallen, denn bei einigen Dingen bekommt man ein Problem so am schnellsten gelöst. Nehmen wir wieder das Beispiel „Kühlschrank über die Böschung werfen“. Es wurden Alternativen wie Abfallhöfe etc. geschaffen, aber das Ding irgendwo abzulegen wurde auch einfach verboten, da kann man mit Zertifikaten etc nämlich nicht mehr soviel regulieren.
Und da muss man in einer sachlichen Debatte schon unterscheiden. Es gibt Dinge wie Verkehr/Mobilität, die sind so elementar, da kann man nur regulierend in kleinen Schritten eingreifen. Und äh „Schnickschnack“ wie Q-Tips aus Plastik oder Silvesterfeuerwerk, da kann man durchaus über Verbote nachdenken, ohne dass elementare Bedürfnisse betroffen sind. Blöderweise kommt man nur selten dazu, das sachlich zu diskutieren, weil ja immer gleich das Abendland untergeht.
Mal abgesehen davon ist das Beispiel auch nicht so gut. Die Verfassung schützt nämlich die Freiheit der Bürger, indem sie dem Staat sehr viele Verbote auferlegt.
Vielleicht solltest Du aus Deinem Bücherregel nochmal das verstaubte Grundgesetz hervorholen. Das fängt schon mit einem geilen Satz an: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Wow! Das rockt! Stell‘ Dir vor da stände: Es ist verboten, die Würde des Menschen einzuschränken, es sei denn…
Weiter:
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (..).
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Ich bin jetzt schon ganz aus dem Häuschen! Mehr davon! Und es gibt mehr. Mir ist in den ersten Artikeln keine Norm erinnerlich, die etwas mit einem Verbot zu tun hat.
Ich bin den Linken, als ich erwachsen wurde, abtrünnig geworden. Denn Ihr habt nie verstanden, wie Werben und Bewerbung geht. Schon als Teenager bin ich nicht mit Mädchen ausgegangen, die gleich meinten klarstellen zu müssen: Anfassen ist nicht. Das ist kein Freifahrtschein zum Rumgrapschen gewesen, aber so beginnt man keine Beziehung. Wenn ich neu in ein Unternehmen komme, wird mir erzählt, was man alles machen kann, nicht, was man nicht machen kann. Würde sich jemand wohlfühlen, wenn er gleich am Eingangsschild ausgehändigt bekäme, was er alles nicht darf? Es ist verboten, die Arbeitszeit früher zu beenden als vertraglich vorgesehen. Wohl kaum.
Wenn Du Dir Werbeprospekte von BMW, Mercedes oder Audi ansiehst (ja, ich weiß, ist Euch Linken zuwider), dann sind da schöne Produkte und eine heitere Welt abgebildet. Das Auto ist schnell und kein Werber käme auf die Idee, einen Header zu machen: Die Geschwindigkeit wird bei 250 km/h automatisch abgeriegelt. Da steht, Ihr Auto verbraucht 80% weniger Kraftstoff, stößt kaum CO2 aus etc. und nicht, beim Gebrauch verpesten Sie die Luft und schädigen das Klima. Liebe Ariane, das weiß ich so, wie ich weiß, dass ein gemeinsames Dinner keine Einladung zu Anzüglichkeiten ist.
Das ist der Unterschied zwischen dem Freiheitsgedanken und den Verbotsfetischisten, wie Du es selbst beschreibst: Ja, die Grünen haben in ihrem Wahlkampfprogramm irgendwo stehen, dass sie ab 2030 keine Verbrennungsmotoren in Neuwagen mehr wollen. Da schreibt man eben das Optimum rein. Aber die Grünen und alle anderen wissen, dass das so nicht in einen Koalitionsvertrag kommt.
So werbe ich nicht, wenn ich an die Freiheit des Menschen glaube. Auch im FDP-Programm stehen Vorschläge für Verbote und Einschränkungen, aber in den Fußnoten. Ich möchte nicht wissen, was ich nicht darf, sondern wo’s hingehen soll. Woran erfreuen wir uns? Ich wiederhole: Verbote kommen und sind angemessen unter zwei Bedingungen. Erstens, das Verhalten ist absolut nicht tolerabel, vom Füße auf den Sitz der S-Bahn legen bis hin zu ungebremst durch die Stadt brettern. Und zweitens, es gibt Alternativen. Die Menschen waren nie in der Geschichte bereit, wesentliche Wohlstandseinschränkungen zu Gunsten eines höheren Ziels einzugehen. Eher haben sie ihrer Religion Adieu gesagt.
Auch in Spanien ist es verboten, Haustiere einfach so auszusetzen. Doch der Staat erhebt hohe Steuern auf den Besitz von Hunden und Katzen und so setzen die Spanier immer wieder Haustiere in großer Zahl aus, die dann herumvagabundieren. Ich denke nicht, dass ein Verbot ein wirksames Mittel sein kann, schnell ein Problem zu lösen. Entweder die Auflage eines Nicht-tun-dürfens ist ohnehin akzeptiert wie bei Mord oder Raub, oder die Überwachung eines Verbots führt zu hohen Kontrollkosten und weiteren Verlusten an Freiheit. Wer so wohlfeil mit Verboten hantiert, will meist weitergehende Einschränkungen bei Freiheitsrechten, weshalb den Grünen nicht zu Unrecht der Ruf als Verbotspartei anhängt. Oder, wie die Berliner Grünen das so schön beschreiben:
„Wenn wir jetzt die Mieten deckeln, wird später das Enteignen leichter.“
@ Stefan Pietsch
Wohlstand erfordert zwingend CO2-Emissionen? Eine seltsam rückwärtsgewandte Sichtweise.
Dass noch nicht alle Züge mit grünem Strom fahren, verdient keinen Spott, sondern Veränderungswillen.
Wasserstoff/Brennstoffzelle, Solarenergie (der Wüstengürtel würde genug davon bereitstellen), Windenergie, Biomasse oder wenigstens Erdgas statt Diesel – Wer will das, und wer bremst? Zeigen Sie mir den Grünen oder den oder die FfF-Teilnehmer, die sich dagegen stellen würden.
Es ist wirklich, wirklich zum Verzweifeln und Kopfschütteln: egal wie klar ein Sachverhalt ist, es kommt garantiert einer um die Ecke, der sich für besonders schlau hält und die allgemeinen Weisheiten bestreitet.
Wie lösen wir es? Sie könnten gerne eine 20-seitige Abhandlung schreiben, warum Entwicklung nicht mit der Entstehung von industriellem CO2 konform geht. Wohlgemerkt, keine absolut lineare Beziehung, aber im Prinzip. Damit wären Sie eine Weile beschäftigt. Andere Möglichkeit: ich schreibe einen Kommentar, wo ich Ihnen das argumentativ auseinandersetze. Habe ich ehrlich gesagt keine Lust zu. Dritte Möglichkeit: Sie nehmen sich einfach die Statistik aller Staaten und sortieren sie nach ihren Pro-Kopf-Emissionen. Keine Angst, hat Wikipedia bereits für Sie gemacht, Sie sind entlastet. Jetzt müssen Sie nur noch durchscrollen. Voila! Nehmen wir die erdölexportierenden Länder raus, die aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen einen exorbitanten Kohlendioxidkonsum aufweisen, die uns jetzt nicht zu interessieren brauchen, so stellt sich folgende Ordnung ein (müssen Sie mir nicht glauben, Sie haben ja die Liste): Industrieländer, Schwellenländer, Entwicklungsländer. Ist natürlich nur zufällig und besitzt (auch hier kommt garantiert jemand um die Ecke) keine Kausalität. Aber interessant ist es allemal.
Wissen Sie, warum Äthiopien und der Niger ganz unten stehen? Ich hab‘ keine Ahnung, Sie dürfen aber gerne besagte 20-Seiten-Abhandlung schreiben. Ich lese sie auch garantiert!
Kein Grund zum Verzweifeln, keep calm. Den Zusammenhang für Vergangenheit, Gegenwart und nahe Zukunft habe ich doch gar nicht bestritten. Kann man ja nicht, bin ja auch nicht besonders doof.
Also: Mein Beitrag zielte auf Ihren Vorwurf, die Klimaschützer, hätten keine Vorstellung von einer CO2-freien (oder -armen) Zukunft. Sie erwecken den Eindruck, die Grünen (und überhaupt alle Umwelt- und Klimaschützer) hätten überhaupt keinen Plan, seien utopische Träumer.
Seit vielen Jahren fahren H-betriebene Taxis von Daimler im Regelbetrieb, offenbar ohne Probleme. Auch die Japaner haben diesen Antrieb längst im Programm. Hätten die wirklichen Besonders-Schlauen ihre Energie und ihre Ingenieurskapazität auf diese Entwicklung konzentriert statt zur Weiter-Entwicklung des Diesels (mit den bekannten Folgen), wären wir der Zukunft ein ganzes Stück näher.
P.S. Haften die Auto-Vorstände eigentlich aktienrechtlich für die Milliarden an Straf- und Schadenersatz-Zahlungen als Folge ihrer Entscheidungen?
Es war spät und ich war geladen. Ihr Kommentar kam zur richtigen Zeit. Sorry!
Ja, ich vermisse bei den Aktivisten – von Greta und FFF bis zu den Grünen – eine schlüssige Idee, wie das Ziel erreicht werden kann. Und wir nicht ein bisschen hier und ein bisschen dort tun. Die Grünen wollen ausweislich ihres Programms eine CO2-Steuer einführen, müssten dafür aber nicht nur die Mehrheiten in der Bevölkerung umkehren, sondern auch noch gravierende verfassungsrechtliche Probleme lösen. Beides kommt in den Verlautbarungen der Partei nicht im Ansatz vor. Ihr Konzept seit 20 Jahren ist, die Stromerzeugung maßgeblich auf Windkraft umstellen. Es fehlt aber seit ebenso langer Zeit ein Konzept, wie eigentlich der Strom von der Erzeugung im Norden zu den Verbrauchern im Süden gebracht werden soll. Und außer einer Rechnung „Alles wird gut“ fehlt jede Plausibilität, dass mit erneuerbaren Energien zuverlässig die gesamte Stromversorgung bestritten werden kann. Die Grünen haben ein paar gute (Umwelt-) Ökonomen dringend nötig.
Die Autoindustrie in Frankreich, Großbritannien, Italien und den USA ist auch nicht weiter, eher im Markterfolg noch rückständiger. Chinesische Produzenten sind in China erfolgreich, aber nur dort. Nein, die Zukunft ist noch nicht entschieden.
Für die Schadenshaftung tritt automatisch die D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung) ein. Jedoch sind die Haftungssummen begrenzt. Der entstandene Schaden übertrifft bei weitem die Haftungsbeträge, die bei 1 – 10 Milliarden Euro liegen dürften. Darüber hinaus haftet der Vorstand direkt mit seinem Privatvermögen. Die D&O tritt nicht für Vorsatz, insbesondere strafrechtliche Vergehen ein.
Der Aufsichtsrat von VW ist schon aktienrechtlich verpflichtet, Regress bei Winterkorn & Co. zu nehmen. Doch es ist schon aus prozesstaktischen Gründen sinnvoll, das strafrechtliche Verfahren abzuwarten, bevor Zivilprozesse angestrengt werden. Im Zivilverfahren muss der Kläger, also VW, Beweis führen, dass der Manager untreu gehandelt hat. Ohne die Mittel der Staatsanwaltschaft wie Hausdurchsuchungen, Zeugenverhörungen, Einlassungen des Beschuldigten ist das weit riskanter. Nach Klärung des strafrechtlichen Verfahrens ist die Beweisführung einfach, der Kläger kann auf die Beweismittel bei der Verurteilung verweisen. Würde VW aufgrund ungenügender Beweise in einem solchen Verfahren unterliegen, wären die Kosten dafür immens. Für die Verteidigung von Winterkorn ist es damit absolut entscheidend, einer strafrechtlichen Verurteilung zu entgehen. Im Falle, dass im Strafverfahren eine eindeutige Schuldzuweisung gelingen würde, wären die Manager auch finanziell ruiniert.
Eine wirksame Vermögensübertragung zum Schutz des Vermögens vor Schadensforderungen war nur bis Ende September 2015 minus einige Wochen möglich. Von Winterkorn ist bekannt, dass er im Frühjahr 2015 gravierende Vermögensübertragungen an seine Ehefrau vorgenommen hat. Diese sind einer Schadensregulierung entzogen.
Danke für die Info. Ich suche aber immer noch nach einer Erklärung, wieso (pars pro toto) Winterkorn dieses hochriskante Spiel begonnen hat. Erfolgsrausch und Gefühl der Unverwundbarkeit? Und werden eigentlich die verantwortlichen Beamten im Kfz-Bundesamt disziplinarisch belangt? Gesetzeslücke, vermutlich. Die ganze Dimension dieser Geschichte ist, glaube ich, noch nicht verstanden.
Info-Frage: Peugeot war doch auch stark im Dieselgeschäft. Wie haben die das gemacht? Davon hört man nichts.
Offshore-Windstrom schnell nach Süden zu bringen scheitert an der Bürgerbeteiligung, also letztlich an der Demokratie. Die Chinesen hätten das längst hingekriegt – aber zu welchem Preis? Die „Techniker“ bei den Grünen (wie Fücks) präferieren ja ohnehin eine dezentrale Lösung. Da ist technisch wie unternehmerisch einiges auf dem Weg.
https://www.vde.com/resource/blob/792808/db366b86af491989fcd2c6ba6c6f21ad/etg-studie-dezentrale-energieversorgung2020-komplette-studie-data.pdf
In Augsburg fahren Busse mit Biogas (aus Stroh), angeblich CO2-neutral, die einen Bruchteil von E-Bussen kosten. Warum nur dort?
Gerade die Grünen weisen doch immer wieder darauf hin, dass sich mit deutscher Umwelttechnik in naher Zukunft Exportchancen bieten (wie einst den Dänen mit den Windrädern). Konservative und Liberale aber sehen vor allem Risiken und Nebenwirkungen.
Ihre Formulierung war so, was juristisch aus der Sache herauskommt.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stammt die Idee zur Täuschung nicht original von Martin Winterkorn. So läuft das nicht. VW hatte unzweifelhaft das Problem, Abgaswerte auf den höchst unterschiedlichen Märkten Nordamerika und Westeuropa nicht mit ein und dem selben Motor erfüllen zu können. Es wird sicher unzählige Runden mit Ingenieuren wie Managern gegeben haben, wie man dem Problem Herr werden könnte. In den vom Vorstand angeregten Alternativdebatten wird irgendjemand mit der Idee gekommen sein, das Problem von der Seite der Kontrolleure zu betrachten und es mit einer Steuerungssoftware zu lösen oder zumindest zu regulieren. So weit, so nicht weiter schlimm.
Dann wurde Legal (die Rechtsabteilung) hinzugezogen, das Resort ist bei VW im Vorstand vertreten. Und die werden mit Sicherheit ihre Bedenken angemeldet haben. Als sich der Fokus zunehmend auf die Softwarelösung verengte – ob sie technisch die leichteste Sache war, wirtschaftlich am günstigsten oder warum auch immer tut nichts zur Sache – wird man bei einem so sensiblen Thema (Legal hat darauf sicher hingewiesen) unabhängige Fachanwälte eingeschaltet haben. Spätestens da war der Vorstand auf einem gefährlichen Kurs. Und am Ende wird natürlich der Vorstandsvorsitzende entschieden haben, andernfalls sollte sich VW schleunigst von ein paar hundert Mitarbeitern trennen.
Die Strategie der Verteidigung ist eine andere: einige Techniker waren mit den Anforderungen des Vorstandes überfordert und sich der rechtlichen Sensibilität nicht bewusst, weshalb sie im Zusammenspiel mit dem Lieferanten Bosch die neu entwickelte Software verbaut hätten. Daraus hat die Leitung des Konzerns die richtigen Konsequenzen gezogen, alles gut. Diese Variante ist nicht unmöglich, wenn ich sie auch für nicht sehr wahrscheinlich halte. Winterkorn war sehr detailverliebt und kannte die Funktionsweise und Limitierungen der Motoren als gelernter Ingenieur nur zu genau. Außerdem war er sehr dominant. Eine solche sich verselbständigende Arbeitsweise ist zwar in so riesigen Gebilden durchaus typisch, genauso dass Techniker nicht unbedingt sensibel für rechtliche Einschränkungen sind. Dass aber niemand etwas über den Kurs mitbekommen hat, daran glaube ich nicht.
Martin Winterkorn ist kein überzeugter Krimineller. Er war Amateur. Niemand kommt in die Position eines DAX-Vorstandes ohne ein hohes Maß an persönlicher Integrität. Wie Anfänger im Kriminellen plante Winterkorn nicht damit, erwischt zu werden. Dazu wurden, als die Schlinge sich enger um den Konzern zog, zahlreiche Vertuschungsmaßnahmen eingeleitet. Erst dadurch wird eine möglicherweise kriminelle Handlungsweise zu einer Tat mit hoher krimineller Energie. Sollten Winterkorn die Vorwürfe nachgewiesen werden, hätte er eine Gefängnisstrafe zu erwarten, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.
Wenn es immer nur aufwärts geht, leiden Menschen leicht unter Hybris, wie Sie es ja schon angedeutet haben. Sie empfinden alles als gerechtfertigt, Thomas Middelhoff hat dies gut nachgezeichnet. Anders als beim inhaberkontrollierten BMW-Konzern gibt es bei VW keine ausreichenden Kontrollmechanismen. Der Staat verhält sich traditionell devot gegenüber dem Management, die Arbeitnehmerbank denkt nur an ihre eigenen Pfründe. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates muss daher in Wolfsburg grundsätzlich überdacht werden. Aktuell hat man eher den Bock zum Gärtner gemacht.
Peugeot ist nur auf dem europäischen Markt nennenswert vertreten. Dazu sind die Motoren klein, die Einhaltung von gesetzlichen Grenzwerten leichter. Zumindest standen die Franzosen nie wirklich vor dem Problem, Grenzwerte in unterschiedlichen Märkten einhalten zu müssen. Anders verhält es sich mit den zum indischen TATA-Konzern gehörenden Marken Jaguar / Landrover, die bei der Motorentechnologie seit einigen Jahren eine Partnerschaft mit BMW haben. Möglicherweise hat VW auch einfach Pech gehabt oder ist zu forsch aufgetreten.
Träger der Bürgerbeteiligungen sind nicht selten grüne Parteimitglieder und Funktionäre. Da agieren die Ökos so widersprüchlich (und zynisch) wie keine andere Partei.
Ich halte es für schwer, einzelne, regional begrenzte Beispiele zu Modellen zu machen. Wir sehen ja, dass wir klimaschonende Strategien aus Schweden, Schweiz und Frankreich nicht einfach auf Deutschland übertragen können.
Woher sollen ausgerechnet Grüne (oder Politiker generell) wissen, was eine Zukunftstechnologie ist und welche Exportchancen besitzt? Habeck ist gelernter Schriftsteller, Annalena Baerbock hat Politikwissenschaften und Völkerrecht studiert. Keiner aus der Grünen-Spitze war je nur für Episoden unternehmerisch tätig als dass so jemand einschätzen könnte, wie Märkte funktionieren und welche Marktchancen eine neue Technologie hätte. Alles, was die Grünen haben, sind nicht selten Auftragsstudien von wohl geneigten Instituten, die wiederum wenig marktnah sind wie Greenpeace oder Attac.
Um mit Christian Lindner zu sprechen: überlassen wir das Suchen nach Marktchancen doch den Profis.
@ Stefan Pietsch 6. Oktober 2019, 11:42
VW hatte unzweifelhaft das Problem, Abgaswerte auf den höchst unterschiedlichen Märkten Nordamerika und Westeuropa nicht mit ein und dem selben Motor erfüllen zu können.
So weit liegen die Werte zwischen USA und EU nicht auseinander; sie sind jedenfalls deutlich kleiner als die Unterschiede, die zwischen Original-Software und Update herausgekommen sind. Es war auch problemlos möglich, einen Motor zu bauen, der alles bequem unter einen Hut bringt – mit dem fahren die VWs ja derzeit durch die Gegend.
Was nicht funktioniert hat, war in erster Linie, einen Motor zu bauen, bei dem das für die Einhaltung der Schadstoff-Emissionen erforderliche AdBlue nur zu den Service-Intervallen durch die Werkstatt nachgefüllt wurde. Nicht unbedingt des Geldes wegen, dass die Werktstätten so zusätzlich einnehmen konnten – man wollte den Kunden einen zweiten Einfüllstutzen genauso ersparen wie ein Notlaufprogramm bzw. Zwangsfahrpausen, falls man das Nachfüllen von AdBlue versäumt hätte.
@ Stefan Pietsch 6. Oktober 2019, 11:42
Möglicherweise hat VW auch einfach Pech gehabt oder ist zu forsch aufgetreten.
Eine Kombination aus beidem 🙂
In den USA sind nicht nur die Verbrauchs-Testverfahren praxisnäher als hier, sondern auch das Produkthaftungsrecht deutlich schärfer. Eine Zeitschrift hatte den Verdacht, dass die Schadstoff-Ausstösse von VW höher als angegeben waren. Sie wandten sich an VW, die leugneten und in Windeseile ein neues Update in die Motoren einspielte. Das kam natürlich raus.
Hätte VW sinngemäß gesagt „wie interessant, ein kleiner Fehler in der Motorsteuerung, vielen Dank für den Hinweis, beheben wir sofort“, wäre deutlich weniger geschehen.
Auch blöd, dass Bosch, die diese Motorsteuerung entwickelt hatten, einknickten. In Kenntnis der Situation haben den Cheat entwickelt; dazu schrieben Sie einen Satz, dass man dieses und jenes nicht machen sollte, weil dann jenes und dieses passiert (eine deutlichere Produktwerbung gibt es nicht). Als Bosch an die Öffentlichkeit ging und auf diese
snFeatureFehler und die dazugehörige Warnung hinwies, war der schwarze Peter verteilt.Aus diesen beiden Infos war klar zu erkennen, dass VW die Lücke kannte, sie absichtsvoll nutzte, und versuchte, sie nachträglich zu vertuschen.