Lügen in der Politik, überzogene Sprachbilder und andere schockierende Entwicklungen – Vermischtes 25.06.2019

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Sie schaffen das, aber nicht allein

All die Artikel, Selbsttests und oberschlauen Klimazyniker im Internet gehen von der gleichen, grundfalschen Prämisse aus: Dass sich das Klimaproblem der Menschheit mit individuellen Entscheidungen lösen lässt. Das ist nachweislich Unsinn. Ich wage zu behaupten, dass noch kein grundlegendes Menschheitsproblem auf der Basis individueller Tugendhaftigkeit gelöst worden ist. Menschen wissen leider sehr oft einfach nicht, was gut für sie ist. Selbst dazu, sich im Auto anzuschnallen, musste man sie mit einem Gesetz zwingen, gegen heftigen Widerstand. Der damalige VW-Chef Kurt Lotz begründete 1970 die Tatsache, dass sein Unternehmen so ungern Gurte in Autos einbaute, so: „Sicherheit verkauft sich schlecht.“ Das passt ins Bild. 1971 gab es in Westdeutschland über 21.000 Verkehrstote, fast siebenmal so viele wie 2018. Mit einem Drittel der Autos von heute und deutlich weniger Menschen. Es ist wirklich ganz einfach: Weder freiwilliges ethisches Verhalten von börsennotierten Unternehmen noch individuelle Verhaltensänderungen einsichtiger Menschen werden uns retten. Es ist deshalb bewundernswert aber auch im Grunde irrelevant, ob Greta Thunberg nun Zug fährt oder fliegt. Wie groß glauben Sie, wäre das Ozonloch, wenn man es damals in den Achtzigern dem Konsumenten überlassen hätte, sich aus ethischen Erwägungen für Kühlschränke und Haarspray ohne Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zu entscheiden? Wie sähen die deutschen Wälder aus, wenn Katalysatoren und unverbleites Benzin private Lifestyle-Entscheidungen gewesen wären? Glauben Sie die Sklaverei wurde weltweit geächtet, weil eines Tages alle Sklavenhalter nacheinander mit entschlossen gerecktem Kinn erklärten, jetzt sei aber Schluss mit dieser Unmenschlichkeit? (Christian Stöcker, SpiegelOnline)

Als Ergänzung zum Fundstück aus dem letzten Vermischten hier noch eine weitere Argumentation für vernünftige Regulierung. Die manichäische Sicht, dass „Regulierung schlecht, Deregulierung gut“ (oder umgekehrt) sei ist Blödsinn. Es gibt weiß Gott genug Beispiele nutzloser und/oder schädlicher Regeln, von sinnlosen Verboten und und und. Und genauso gibt es massenhaft Beispiele für Dinge, die erlaubt sind, obwohl sie es nicht sollten. Anstatt das ständig von der ideologischen Warte zu betrachten (wie es gerade in konservativen Journalistenkreisen gerade Mode ist), sollte man sich lieber auf eine vernünftige Regulierungspolitik konzentrieren.

Ich vermute, dass dem auf beiden Seiten ideologische Grundreflexe im Weg stehen. Jede zusätzliche Regulierung stößt von liberaler und konservativer Seite sofort auf deren tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber dem Staat und dem Grundvertrauen gegenüber den Kräften des freien Marktes und dem Individuum. Umgekehrt steht der Abschaffung bestehender Regulierung oder gar Privatisierung seitens linker Kräfte ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber Unternehmen auf dem Tablett. Hier sind ständiger Austausch, Meinungsstreit und Konsensfindung gefragt.

2) Exclusive Poll Reveals Dems’ Sexism Problem in 2020

Sexism is weighing down the women running for the Democratic presidential nomination, a new public opinion survey conducted by Ipsos for The Daily Beast reveals. A full 20 percent of Democratic and independent men who responded to the survey said they agreed with the sentiment that women are “less effective in politics than men.” And while 74 percent of respondents claimed they were personally comfortable with a female president, only 33 percent believed their neighbors would be comfortable with a woman in the Oval Office. That latter number, explained Mallory Newall, research director at Ipsos, was a strong tell about how gender dynamics were souring voters on certain candidates. Asking respondents how they believe their neighbors feel about an issue is “a classic method to get around people being reluctant to admit to less popular views.” […] “People will lie to you when you ask them about gender and race,” said Steele. “They will not tell you what they really feel about those things.” The discomfort that voters have with female candidates helps explain one of the persistent undercurrents of the current election. In various hypothetical general election matchups, the male Democratic candidates have consistently done better against President Trump than their female counterparts. (Sam Stein, The Daily Beast)

Ich habe bereits vor einem halben Jahr auf das Problem aufmerksam gemacht. Vorhersehbarerweise stritten Kommentatoren hier diese Zusammenhänge ab, und ebenso vorhersehbarerweise stoßen die weiblichen Kandidaten nun wieder auf dieselben Probleme – was zeigt, dass es eben nicht (nur) Clintons besonders toxische Persönlichkeit, sondern eben (auch) ihr Geschlecht war, das viele Leute in dem von rechts geführten identity-politics-Wahlkampf abstieß.

Wie groß dieses Problem am Ende tatsächlich sein wird, ist naturgemäß unklar. Bedenkt man aber die knappe Natur von Trumps Wahlsieg 2016, der letztlich an gerade einmal 77.000 Stimmen hing, ist klar, dass es sich um eines handelt. Ich gehe davon aus, dass das Problem durch das amerikanische Wahlsystem verschärft wird, denn die Leute, die ihre Wahl von solchen Überlegungen beeinflussen lassen, sind ja nicht gleichmäßig übers Land verteilt. Man findet sie eher in Pennsylvania als in Kalifornien, und das Winner-takes-it-all-Prinzip sorgt dann dafür, dass sie dort – anders als etwa in unserem Verhältniswahlrecht, wo es sich im statistischen Mittel verlieren würde – einen disproportionalen Anteil haben können.

3) One year on from election, far right has transformed German politics

Since then, the once consensus-driven mood in the glass-domed Bundestag has given way to fierce debates peppered with taunts and calls to order. „They have changed the daily discourse, including in the Bundestag, with words like ‚knife migrants‘, ‚asylum flood‘ and ‚asylum tourism‘,“ Greens MP Renate Künast told the Frankfurter Allgemeine. The growing public acceptance of such language and the far-right taboos that are being smashed are „a bigger and more fundamental change than the changes brought by Germany’s reunification“, she added. „Verbal provocations are certainly one of our characteristics,“ AfD MP Rene Springer told AFP. […] But aside from the high-profile spats, the AfD has yet to make much of a mark when it comes to performing legislative duties. Several of its lawmakers „appear bored“ and show little interest for the minutiae of daily parliamentary business, the pro-business FDP party’s Marco Buschmann told the daily Süddeutsche Zeitung. AfD MPs are also routinely criticised for their lack of political experience and thin grasp of policy issues. „There’s a potential for more professionalism,“ one AfD lawmaker admitted. (AFP)

Die Verrohung der Sprache durch die AfD ist dieser Tage glücklicherweise deutlich ins öffentliche Bewusstsein gerückt, wenngleich es eine Tragödie brauchte, um diesen Sinneswandel herbeizuführen. Ich war von Anfang an skeptisch bezüglich der Idee, dass der Einzug der AfD in den Bundestag die Debattenkutur verbessern würde. Nur, weil man ein paar lärmende Anti-Demokraten ins Parlament lässt, verbessert sich da gar nichts, mögen sie noch so sehr den bestehenden Konsens angreifen. Die Berichte der Bundestagsjournalisten und  der Parlamentarier selbst jedenfalls geben nicht gerade Anlass zur Hoffnung.

4) Disaster Upon Disaster

No matter how bad things get, it may be easier, emotionally speaking, to connect the dots to the experience of the past, as distant and different as that experience may be, rather than to the future, which terrifies us so much we choose simply to not believe it — and look away from the events of the present that point unmistakably in that direction. By the end of the century, should unabated warming continue, a recent study suggested, parts of the planet could be pummeled by six climate-driven natural disasters at once. That kind of multiplying climate misery may seem still far away, but in fact we are seeing more and more instances of one disaster following directly in the footsteps of another, a whole new experience of sequential catastrophe, each making the impact of the next one worse. […] Last week, a study published in the journal Earth’s Future stated, definitively, that last year’s heat waves “could not have occurred without human-induced climate change” — in fact they don’t even show up in historical simulations. And although heat waves of this scale were “unprecedented prior to 2010,” the “four largest events in the observational record occurred within the last 12 years.” “The alarming part?” wrote the Washington Post. “There are signs record-setting heat waves are beginning anew this summer — signaling, perhaps, that these exceptional and widespread heat spells are now the norm.” The question is whether we normalize them ourselves. (David Wallace-Wells, New York Magazine)

Der hier angesprochene psychologische Effekt ist, fürchte ich, tatsächlich von großer Bedeutung. Bisher ging ich auch eher davon aus, dass wenn sich Desaster häuften schon ein Sinneswandel einsetzen würde, der zu mehr und entschiedeneren Maßnahmen führt. Aber die über Jahrzehnte wirkende Natur des Klimawandels steht entschlossenem Handeln auch hier im Wege, denn die Leute gewöhnen sich daran. Nur ein persönliches Beispiel: als ich ein Kind war, waren wir im Winter noch oft Schlitten fahren. Unser Schlitten steht seit Jahren ungenutzt in der Garage (mit einer Ausnahme eines Tags 2017). Es schneit einfach praktisch nicht mehr. Das ist das neue Normal, man hat sich dran gewöhnt und denkt schlicht nicht mehr darüber nach.

Auf die Art können sich schleichend neue Standards setzen, ob für Dürren, Hitzewellen („heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen“, Jahr für Jahr aufs Neue) oder Überschwemmungen. In New York denken sie über den Bau eines gigantischen Damms nach, um den Anstieg des Meeresspiegels zu überstehen – das wirkt für die meisten Leute rationaler als Maßnahmen gegen die Ursache für den Anstieg selbst. Wir handeln bezüglich des Klimawandels in einem Ausmaß irrational, das absolut schockierend ist.

5) No one should be a billionaire

Perhaps a way to cut through the murk would be to change the question: Once we’ve made the changes necessary to create a truly just society, would billionaires still exist? If we made a world where opportunity is abundant and prosperity is shared, would the rejiggering of resources and money flows still leave room for billionaires to become billionaires? I think it’s safe to assume the answer is „no.“ […] Defenders of the capitalist order will point out that anyone can be a farmworker or a dishwasher. These jobs are easily replaceable, which is why they are paid poorly. Not everyone can be CEO of Apple, thus the position pays more. It’s just a consequence of supply and demand. But that is not the question. A better thing to ask ourselves is: Does anyone need to be CEO of Apple? That company is staffed by thousands of workers and software engineers and more. They’re all perfectly intelligent people. Under a different arrangement, a form of worker-elected committee could run the company just fine. (Some oddball worker co-ops already operate this way.) Does anyone really think that Apple could not possibly function without Tim Cook, or some other individual of similar oligarchical baring, at its head? […] Corporate CEOs are not paid gobs of money because some god-like market mechanism adjudicated the value of their labor. They’re paid gobs of money because every company is a miniature society, and we design corporate governance in a way that gives CEOs vast and disproportionate power in those miniature societies. The money they take in is not from wealth creation they’re solely responsible for — it’s from their prerogative to dictate where the wealth created by the company and all its other workers goes. The same point applies to the shareholder class, whose Wall Street sandbox is now the premiere location for wealth extraction across the whole economy. (Jeff Spross, The Week)

Das Argument aus dem Artikel ist tatsächlich eines, das ich bedenkenswert finde. Ich würde wahrlich nicht durch die Straßen laufen und fordern, die Milliardäre zu enteignen. Aber es besteht ein fundamentaler Widerspruch zwischen Demokratie und solcher wirtschaftlicher Macht in den Händen einer Person. Notwendigerweise wird jemand, der über ein solches Vermögen verfügt – besonders dann wenn es aus ernsthafter wirtschaftlicher Tätigkeit kommt und nicht ererbt ist – über einen völlig disproportionalen Einfluss verfügen und jegliche Idee einer Gleichheit as absurdum führen.

Und dieser Sachverhalt skaliert mit dem entsprechenden Vermögen. Jemand, der hundert oder zweihundert Millionen Dollar besitzt ist zwar superreich, aber kein Vergleich zu jemandem, der über Milliarden verfügt. Man kann das ja gut daran sehen, wie beispielsweise Jeff Bezos einen Privatkrieg mit Trump unterhält, der ganze bundesstaatliche Volkswirtschaften mit betrifft. Es erinnert an die Zeiten der Monarchien, als die Privatfehden gekrönter Oberhäupter ganze Landstriche betrafen.

Was für mich völlig unklar ist ist, wie wir einerseits das Recht auf Privateigentum und die freie Marktwirtschaft und andererseits die Gleichheit vor dem Gesetz und „one person, one vote“ unter einen Hut bringen wollen. Letztlich wird es da, fürchte ich, immer Abstriche zur einen oder anderen Seite hin geben müssen. In den letzten 40 Jahren ging das Pendel deutlich in Richtung der Vermögenden, und es ist wohl an der Zeit, dass es wieder in die andere Richtung schwingt.

6) Gauck: Den Begriff rechts „entgiften“

Als Bundespräsident war Joachim Gauck sehr präsidial. Vielleicht zu präsidial, fanden manche. Etwas zu nett, zu predigend, vielleicht sogar etwas einschläfernd. Und nun, als Altbundespräsident? Unmöglich, sagen andere. Denn Gauck hat sich in einem Interview mit dem „Spiegel“ für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“ ausgesprochen. Toleranz fordere, „nicht jeden, der schwer konservativ ist, für eine Gefahr für die Demokratie zu halten und aus dem demokratischen Spiel am liebsten hinauszudrängen“. Es gelte, „zwischen rechts – im Sinne von konservativ – und rechtsextremistisch oder rechtsradikal“ zu unterscheiden. […] In der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ stellt Gauck nun klar: „Toleranz ist manchmal eine Zumutung.“ Und kündigt an, Begriffe entgiften zu wollen, etwa den Begriff „rechts“: „Rechts ist eine Verortung im politischen Raum, die noch nicht negativ ist“, sagt Gauck. Er kritisiert die „1968er-Kultur“, wonach überall, was nicht mehr links sei, bereits der Faschismus beginne. Für Gauck ist das Demokratie: das Aushalten verschiedener Strömungen und Meinungen. (Raphael Rauch, ZDF)

Ich stimme Gauck absolut zu; die Begrifflichkeiten sind ein einziges Chaos. Wir haben die Diskussion ja auch ständig hier im Blog: was ist rechts, was ist rechtsradikal, was ist rechtsextrem, reaktionär oder was auch immer. Wir haben eine recht klare Vorstellung davon, was der demokratisch legitime linke Teil des Spektrums ist – relativ; auch hier gibt es natürlich im Randbereich genug Streit, aber unvergleichbar zur Begriffsverwirrung von „rechts“.

Zum Teil liegt das natürlich auch daran, dass die CDU hier Opfer ihres eigenen Erfolgs ist. Die Partei hat sich über Jahrzehnte dezidiert ja nicht als „rechts“ bezeichnet, sondern immer die SPD, Grünen (und später die LINKE) als „links“ gebrandet, um für sich selbst das „Mitte“-Label in Anspruch nehmen zu können. Und sie war extrem erfolgreich damit. Nur besteht nun seit dem Auftauchen der AfD ein berechtigtes Interesse daran, zu markieren, welcher Teil des rechten Spektrums satisfaktionsfähig ist. Während die SPD vergleichsweise wenig Probleme damit hat, im „linken“ Raum zu operieren, fällt dies der CDU sehr schwer, weil der Begriff eben über mehrere Dekaden als catch-all für mögliche Konkurrenten genutzt wurde, die sie damit „an die Wand drücken“ konnte. Und erneut, es funktionierte sehr lang sehr gut. Aber jetzt schadet es sowohl der Partei als auch dem Diskurs. Es wird eine Weile brauchen, bis sich die Begriffe neu sortiert haben.

Von dieser Thematik einmal abgesehen finde ich Gauck extrem heuchlerisch. Er hat nun 30 Jahre lang mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die LINKE zu deligitimieren versucht und ihr ständig und emphatisch jeden Anspruch auf Vertretung im demokratischen Raum abgesprochen, und jetzt steht er moralisierend mit dem Zeigefinger da und erklärt, „Toleranz ist manchmal eine Zumutung“? Look who’s talking. Das stört mich an den oft berechtigten Forderungen nach mehr Diskussion und Toleranz aus dem konservativen Kreis auch: all die Beschwörungen von Meinungsfreiheit und Meinungspluralismus gelten nur, seit die eigene Meinung nicht mehr unumfochten dominiert und man sich plötzlich rechtfertigen muss. Als man selbst noch den gesamten Diskurs dominiert hat, war das für die Leute alles kein Problem. (Und ja, ich bin sicher, dass wenn der aktuell deutlich progressiver tickende Mainstream wieder nach rechts zurückschlägt, ich auch den Wert der Meinungsfreiheit stärker betonen würde. Comes with the territory :))

7) Tweet


Die BILD gehört einfach zu den größten Brandstiftern der Republik, daran ändert sich nichts. Davon abgesehen braucht es wohl wieder einmal die Erklärung: Niemand erteilt der AfD Redeverbot. Die können reden, so viel sie wollen. Aber sie haben kein Grundrecht darauf, auf dem Kirchentag zu sprechen. Ihre Abgeordneten haben das Recht, im Parlament zu sprechen, und niemand kann ihnen verbieten, im öffentlichen Raum ihren Mist abzusondern (oder privat). Aber es gibt keinerlei Notwendigkeit, ihnen ein Forum zu bieten.

8) Peter Tauber sieht Mitschuld bei AfD- und CDU-Politikern

Tauber schrieb nun in dem Gastbeitrag für die „Welt“, die AfD im Deutschen Bundestag und in den Länderparlamenten habe dazu beigetragen, dass sich das politische Klima verändert habe. „Sie hat mit der Entgrenzung der Sprache den Weg bereitet für die Entgrenzung der Gewalt.“ Indirekt verantwortlich für den Mord an Lübcke sieht Tauber unter anderen die AfD-Politiker Alice Weidel und Björn Höcke, aber auch das frühere CDU-Mitglied Erika Steinbach sowie das CDU-Mitglied Max Otte. Erika Steinbach, einst eine Dame mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf Twitter. Sie ist ebenso wie die Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes.“ […] Tauber wies zudem darauf hin, dass Lübckes Ermordung zahlreiche Angriffe auf Menschen, die sich für diese Republik und ihre Werte einsetzen, vorausgegangen seien. Tauber nannte dabei den Angriff auf Andreas Hollstein, CDU-Bürgermeister von Altena, der einen Mordversuch nur dank des beherzten Eingreifens zweier Mitbürger überlebt habe. Dass der Attentäter mit einer zweijährigen Haftstrafe davonkam, die noch zur Bewährung ausgesetzt wurde, „ist bis heute ein schlechter Witz“ so Tauber. (SpiegelOnline)

Es ist gut, dass die rhetorische Radikalisierung der letzten Jahre endlich auch in konservativen Kreisen anerkannt wird. Wie in Fundstück 3 bereits angesprochen hat der Aufstieg der AfD zu einer tiefen Veränderung der politischen Kulutr in Deutschland geführt, und wahrlich nicht zum Besseren. Genauso wie rhetorische Entgleisungen seitens der LINKEn (etwa, wenn es um die Relativierung kommunistischer Schreckensherrschaften geht) seitens der demokratischen Linken beständig angeprangert werden mussten, so muss auch die demokratische Rechte politische Hygiene im eigenen Stall betreiben.

Ich erinnerte mich noch an dieses Titelblatt der IG-Metall-Mitgliederzeitschrift 2005, das damals in die „Heuschreckendebatte“ in Deutschland stach und massive Abwehrrekationen hervorrief,  weil es antiamerikanische und antisemitische Bildsprache nutzte. Völlig zurecht übrigens. Die Kritik meine ich, nicht die Bildsprache. Genau diese Abwehrprozesse, dieses ständige Definieren dessen was innerhalb des politischen Spektrums Teil einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft sein kann und was nicht, muss ständig passieren – das auch als Ergänzung zu Gauck.

9) Tweet


Diese Umfrage zeigt, warum es schwierig ist, die Wähler von UKIP, AfD oder Republicans überhaupt noch als „konservativ“ zu bezeichnen. Denn bewahren wollen die nichts, sie haben einen ausgeprägten Zerstörungswillen, der mehr als nur verstörend ist. Die CDU ist eine konservative Partei. Die AfD? Sicherlich nicht. Und genauso gibt es nur wenig Konservative, die diese Parteien wählen. Ich bekenne mich da auch selbst schuldig, die Begriffe nicht trennscharf zu verwenden. Auch das gehört wieder zur Gauck-Debatte, es braucht da dringend bessere Idiome. Daher erneut der Aufruf: wer Ideen oder Definitionsversuche hat, gerne in die Kommentare.

Die beunruhigende Dimension dieses bekundeten Zerstörungswillen finde ich, dass es für diese Leute nur „siegen oder untergehen“ zu geben scheint. Entweder ihre spezifischen Forderungen kommen durch, oder das ganze System soll auseinanderbrechen. Wenn sie ihren Willen nicht kriegen, dann niemand. Es ist auf der einen Seite infantil und auf der anderen Seite ungeheuer gefährlich. Wir sehen das gerade in den USA, wo die Republicans völlig willens sind, die Grundlagen der Demokratie zu zerstören, um ihren Willen durchzusetzen, eine Bereitschaft, die ihren Gegnern bei den Democrats völlig abgeht. Ob die AfD und ihre Wähler bereits so weit radikalisiert sind weiß ich nicht. Die restlichen Parteien in Deutschland jedenfalls sind es sicher nicht – Anlass zur Hoffnung, so viel ist sicher.

10) Die wollen uns ja alles verbieten

Es sind Debatten von Vorgestern. Die Grünen haben sich längst von der alten apokalyptischen Untergangsrhetorik verabschiedet. Mehr noch: Bei den Wählern hat sich offensichtlich (auch dank „Fridays for Future“) die breite Erkenntnis durchgesetzt, dass Spaß künftig nur noch zu haben ist, wenn wir die Erde nicht vorher unbewohnbar machen. Wenn also schon der Verkäufer im Kiosk nur noch widerwillig die Tüte über den Tresen reicht und zum Abschied „Plastik ist vorbei“ sagt, dann muss man die Einwegtragetasche gar nicht mehr verbieten, es mag sowieso bald niemand mehr damit auf der Straße gesehen werden. Wenn niemand mehr Bewunderung dafür erntet, dass er mit dem Auto in unter fünf Stunden von Berlin nach München geheizt ist, sondern nur noch die irritierte Nachfrage hört, warum er nicht gleich den Zug genommen hat, dann kann den Verbrennungsmotor auch kein CSU-Verkehrsminister mehr retten. Wenn man die Bilder von der luxuriösen Fernreise keinem mehr zeigen mag, weil es peinlich geworden ist, mit seinem persönlichen Beitrag zur Klimakatastrophe auch noch zu protzen, dann wirkt das stärker als jede Erhöhung der Flugpreise. (Stefan Kuzmany, SpiegelOnline)

Ich glaube, CDU, SPD und FDP verschätzen sich massiv damit, wenn sie glauben, eine einfache Neuauflage des Wahlkampfs 2013 würde genauso funktionieren wie (dann) vor acht Jahren. Damals machten sie mit dem obskuren Vorschlag eines Veggie-Day in den Kantinen des öffentlichen Dienstes in den Untiefen des Wahlprogramms einen kompletten Wahlkampf. Im Guten wie im Schlechten hat das Branding der Bürgerlichen funktioniert: die Grünen sind die Verbotspartei. Ähnlich wie für das bei Gauck Gesagte gilt auch hier, dass sie vielleicht Opfer des eigenen Erfolgs werden könnten. Jeder, der die Grünen heute zu wählen bereit ist, hat die Verbote eingepreist. Zumindest ist das ein mögliches Szenario, das man nicht unterschätzen sollte.

11) Trump and the art of the lie

No, Trump’s only rival in this department — denying what everyone can see is true — was Sarah Palin, the lipsticked John the Baptist of the Trump cult. During the 2008 campaign, gobsmacked that this lunatic could be in line for the presidency, I began to keep track of everything she said out loud that was provably, empirically untrue. In the two months she was running to be vice-president, I catalogued 34 demonstrably untrue statements, which she refused to correct. She compiled nowhere near Trump’s volume of lies — it’s close to inhuman to lie the way he does — but her capacity to move swiftly on from them, along with the press’s supine failure to keep up, was very Trumpy. The short attention span of digital media has made this worse. And she got away with it. The base didn’t care; the media couldn’t cope. Trump, too stupid to ape Clinton, and far more accomplished a liar than Palin, combines the sinister Bush-era kind of lie — “We do not torture” — with the Palin compulsion to just make things up all the time to avoid any sense of vulnerability. What Trump adds is a level of salesmanship that is truly a wonder to behold. He is a con man of surpassing brilliance and conviction, and every time he survives the fallout of a con, he gets more confident about the next one. At some point, the law usually catches up with this kind of con artist, and Trump has had quite a few close calls over the years (and paid out a lot in settlements). But a presidential con man at this level of talent, legitimized by public opinion, enlarged and enhanced by the office and its trappings, is far harder to catch. (Andrew Sullivan, New York Magazine)

Es ist immer wieder faszinierend, wie sehr es Trump nicht schadet, dass er der schlimmste Lügner ist, der je im Weißen Haus saß. Der Mann lügt alle und jeden an, offen und wegen allem. Er ist ein zwanghafter Lügner. Und die gleichen Leute, die über Clintons Skandale so entrüstet waren, dass sie es als absolut unmöglich empfanden sie zu wählen finden nichts dabei oder lachen es als harmlosen Spleen weg. Ich glaube, das ist – neben dem offensichtlichen Messen mit zweierlei Maß – auch eine Folge des verdammten Zynismus, mit dem ständig über Politik gesprochen und der auch in so beliebten Serien wie „House of Cards“ oder „Veep“ gefeiert und in Comedy-Sendungen wie der unerträglichen „heute show“ dauerhaft rezipiert wird. Alle Politiker lügen eh, sind alle korrupt, und so weiter und so fort. Da emfindet man das Arschloch, das offen korrupt ist und lügt, dann als frischen Wind und merkt nicht mal, wie zutiefst bescheuert diese Haltung ist. Der gleiche Mechanismus ließ sich ja auch bei Berlusconi beobachten, und wenn mich nicht alles täuscht nutzte auch Chavez in Venezuela diesen „ein korruptes Schwein, aber unser korruptes Schwein“-Trick. Es ist zum Heulen.

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  • Stefan Pietsch 25. Juni 2019, 14:34

    1) Sie schaffen das, aber nicht allein

    Der Großteil unserer Regeln sind sogenannte „Durchführungsverordnungen“, d.h. der Gesetzgeber sagt, wie etwas zu vollziehen ist. Nur wenige haben etwas gegen Regeln, wir sind ja keine Anarchisten. Aber wenn der Schwerpunkt der Gesetzgebung sich auf Grenzen setzen beschränken würde, wäre das zum Gemeinwohl.

    In den letzten 15 Jahren hat der Gesetzgeber die Bauverordnungen von 5.000 auf über 20.000 ausgebaut. Gleichzeitig führt er eine Debatte über den Preis des Bauens. Das ist absurd.

    5) No one should be a billionaire

    Unternehmer wie Jeff Bezos haben ihr Vermögen selbst aufgebaut und nichts geerbt. Dazu wurden relativ hohe Unternehmenssteuern entrichtet. In einer freien und rechtsstaatlichen Gesellschaft sind die Mittel des Staates nicht unbegrenzt. Warum Google, Facebook und Amazon so reich werden konnten, liegt ja an neuen Marktstrukturen. Sie errichteten ein System und schufen die Infrastruktur und wurden so zu Monopolisten. Und Monopolisten schöpfen Monopolrenten ab. Was man dagegen tun könnte, weiß ich noch nicht.

    6) Gauck: Den Begriff rechts „entgiften“

    Nach dem 2. Weltkrieg wurde die NSDAP verboten als jene Organisation, welche eine Diktatur zu verantworten hatte. Das hätte nach der Wende auch mit der SED geschehen müssen. Es hätte nebenbei der SPD einiges erleichtert. Wenn sich danach wieder eine linkspopulistische Partei gebildet hätte, okay. Jedoch nicht mit dem historischen Ballast.

    7) Tweet

    Es gehört in einer Demokratie dazu, auch mit jenen zu reden, die man nicht mag. Hätten die AfD-Vertreter den Kirchtagsteilnehmern keinen Respekt gezollt, hätte man sie immer noch ausschließen können. In Talksendungen verhalten sich AfD-Repräsentanten ja auch zunehmend manierlich. Es werden halt auch nicht alle eingeladen.

    10) Die wollen uns ja alles verbieten

    Ich glaube Du unterschätzt die Beharrungskräfte in der Gesellschaft. Bisher sind AfD und Grüne nur Moden, die jeweils auf eine Welle der öffentlichen Erregung surfen. Trotz wochenlanger Fernsehdebatten haben wir nichts gehört, was konkret die Grünen tun wollen. Hier geht man mit den anderen Alternativen netter um als mit der AfD bei der Migrationsdebatte, wo man deren Vertreter gepusht hat, Absurdes zu sagen. Nur, sind Göring-Eckardts Ausfälle so vernünftiger, wenn sie beispielsweise meint: „Wir wollen, dass in diesen vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“?

    • Stefan Sasse 25. Juni 2019, 16:23

      1) Jupp. Und ich argumentiere seit über einem halben Jahrzehnt für Deregulierungen beim Baurecht.
      5) Ich bezweifle das ja gar nicht. Ich wollte nur auf die problematischen Begleiterscheinungen aufmerksam machen; eine Antwort habe ich wie du auch nicht.
      6) Jupp. Die SPD hat auch den Fehler gemacht, das Vereinigungsangebot mit den damaligen SED-Abweichlern abzulehnen. Das hätte die Partei wahrscheinlich direkt gekillt. Stattdessen hat man effektiv den Osten aufgegeben. Eine der schweren Fehlentscheidungen der 1980er und 1990er Jahre, an denen die SPD bis heute leidet.
      7) Klar, aber es ist halt nicht die Aufgabe des Kirchentags, die AfD einzuladen. Wäre das im Interesse des Pluralismus sinnvoll? Vielleicht. Ich denke nicht, aber man kann drüber argumentieren. Nur muss er es nicht.
      10) Sehe ich naturgemäß anders, und meine Hoffnung ist, dass deine Sicht mittlerweile eine Minderheit darstellt.

      • Stefan Pietsch 25. Juni 2019, 17:50

        5) Meine Meinung ist da im Wandel. Auch das interessiert mich.

        6) Als Zeitzeuge beurteile ich das anders. Die SPD wurde in den Unruhen nach den DDR-Kommunalwahlen im März 1989 gegründet. Damals hatte die SED die Knute noch fest in der Hand und es war keineswegs absehbar, wie die Geschichte ausgeht. Daher auch die spätere Unerbittlichkeit. Die Gründer der Ost-SPD hatten viel riskiert und am Ende gesiegt. Nur der Wähler belohnt sie nicht.

        Jedenfalls, eine Vereinigung der SPD mit der SED war aus diesen sowie der dunklen Geschichte undenkbar. Am Ende hätte es nur einen geben können. Natürlich, Rigorismus ist meist falsch, aber in diesem Fall mehr als verständlich.

        10) Welche meine Sicht? Ich bin Analytiker. Es würde mich durchaus freuen, wenn sich eine andere Umweltpolitik durchsetzen würde. Allerdings nicht die der Grünen. Wie 1994 – 1998 steht die Partei vor schwierigen Klärungsprozessen, und die Übernahme der politischen Naivität der FfF-Bewegung erleichtert diese nicht. In der jetzigen Form halte ich die Grünen für nicht regierungsfähig, da stehen den Beobachtern Debatten ins Haus wie 1999-2001.

        Ich hoffe, dass die CDU ihre Führungsfragen überzeugend klärt. Derzeit scheint die Union die einzige politische Kraft, die das Land führen kann.

        • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 07:13

          6) Ich verstehe die Mentalität der SPD damals völlig. Ich denke nur es war ein Fehler.
          10) Bezüglich der Beharrungskräfte.

          Ich denke, die Grünen könnten es auch. Wer es nicht kann ist die SPD.

          • Erwin Gabriel 28. Juni 2019, 15:47

            @ Stefan Sasse 26. Juni 2019, 07:13

            Ich denke, die Grünen könnten es auch. Wer es nicht kann ist die SPD.

            Derzeit kann es keiner

            • Stefan Sasse 29. Juni 2019, 09:47

              Warum?

              • Erwin Gabriel 30. Juni 2019, 06:37

                Ich sehe es zumindest nicht. Die SPD zerlegt sich selbst, die Linke verliert sich immer noch in Theorien, die AfD bietet nur Slogans, aber keine Politik, die Grünen phantasieren sich und ihre Anhänger in eine idealisierte „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Welt, die FDP definiert sich meist über Abgrenzung von den anderen statt über eigenständige Politik, und die CDU hat unter Merkel Deutschland weitgehend in den Rentenzustand überführt. Gemessen an den Ergebnissen schlägt sich die CSU in Bayern recht gut, aber ich bezweifle stark, dass sich das aufs ganze Land übertragen lässt.

                Diejenigen, die noch den größten Teil am immer noch vorhandenen Erfolg Deutschlands haben – die mittelständischen Unternehmen – kriegen auf die Nase, werden durch Vorschriften immer weiter eingeengt und langsam kleingemahlen. Da wirken ALLE Parteien (außer vielleicht der CSU) kräftig mit.

                • Stefan Sasse 30. Juni 2019, 07:57

                  Ah, ich sehe was du meinst.

                  • Erwin Gabriel 1. Juli 2019, 09:32

                    @ Stefan Sasse:

                    Anbei eine passende Ergänzung aus dem heutigen ‚Morning Briefing‘-Podcast von Gabor Steingart:

                    https://www.gaborsteingart.com/newsletter-morning-briefing/deutschland-die-unsichtbare-nation/?wp-nocache=true

                    Angela Merkel glaubt offenbar, dass man dem deutschen Interesse am besten dadurch dient, dass man es nicht durchsetzt. Beim europäischen Postenpoker gelang es ihr wieder nicht, einen deutschen Politiker an der Spitze der europäischen Exekutive zu platzieren. So geht das jetzt seit 14 Jahren.

                    Ausgerechnet die größten Wahlverlierer des europäischen Urnengangs, die Sozialdemokraten, die in Deutschland mit einem Minus von 11,5 Prozentpunkten und europaweit mit einem Verlust von 4,9 Prozentpunkten aus dem Rennen gingen, wollte Merkel mit dem Top-Posten des Europäischen Kommissionspräsidenten belohnen. Den eigenen Mann ließ sie beim ersten Gegenwind aus Frankreich fallen.

                    Merkel wollte das Spitzenkandidaten-Prinzip retten, denn der Niederländer Frans Timmermans war der Frontmann der Sozialdemokraten. Aber sie hat heute Nacht zugleich das demokratische Prinzip verraten.

                    Warum eine konservativ-bürgerliche Regierungschefin den Wahlverlierer zum Sieger erklären wollte, kann man nur mit Ingeborg Bachmann erklären: „Das Wenigste ist da, um uns einzuleuchten.“

                    Man muss kein Demokratieforscher sein, sondern nur die Chatrooms der großen Medienportale durchstreifen, um die abstoßende Wirkung solcher Art Hinterzimmer-Geschäfte auf das Publikum zu erfassen. Die ARD – daran erkennt man den treuen Johann des Parteienstaates – schloss kurzerhand auf ihrem Webportal die Kommentarfunktion, weil sich dort partout keine für Merkel günstige Sicht einstellen wollte.

                    Merkels Bilanz bei der Besetzung internationaler Posten lässt sich für die späteren Geschichtsbücher am besten in der Gleichung zusammenfassen: 14 x 0 = 0.

                    Deutschland in der Amtszeit von Angela Merkel: die unsichtbare Nation.

                    Man hat fast das Gefühl, die Kanzlerin geniert sich nicht nur ob der ökonomischen Kraft des Landes, sondern ist sogar bereit – zum Beweis unserer Harmlosigkeit – diese zu beschädigen

                    Doch das eben ist die Konstante der Merkelschen Kanzlerschaft: Sie betreibt den Zerfall nicht, aber sie lässt ihn geschehen.

                    Niemand, der bei klarem Verstand ist, wünscht sich ein Deutschland, das dröhnt und droht und große Töne spuckt. Aber ein Land mit schlaffem Händedruck und gesenktem Blick, das seine Wertvorstellungen unterdrückt und sich seines Spitzenpersonals schämt, ist mindestens genauso unheimlich.

                    Das beschreibt zumindest den Punkt ‚Regierungsfähigkeit der CDU‘ ziemlich treffend – leider!

                    • Stefan Sasse 1. Juli 2019, 16:47

                      Wenn man bei der Definition „deutsche Interessen“ Steingart zustimmt, dann ja.

                    • CitizenK 1. Juli 2019, 20:55

                      Wenn man wie Steingart kleinlich-national denkt statt europäisch und dann vollmundig drauflosschwadroniert.

                      Dass er mit seinem Untergangsszenario vor 15 Jahren so peinlich danebenlag, hält ihn offenbar nicht davon ab, den großen Zampano zu spielen.

                    • Erwin Gabriel 3. Juli 2019, 13:25

                      @ CitizenK 1. Juli 2019, 20:55

                      Wenn man wie Steingart kleinlich-national denkt statt europäisch …

                      Das hat weder mit kleinlich noch mit national zu tun. Dass Sie diese beiden Begriffe koppeln, zeigt bestenfalls, dass Ihnen nicht an einer Diskussion gelegen ist.

                      Es ist legitim, dass auch Länder ihre Interessen zu vertreten. Die Polen, die Ungarn, die Engländer, die Franzosen – jedes EU-Land vertritt seine Interessen. Und zu Recht.

                    • CitizenK 3. Juli 2019, 15:00

                      Europa ist nun mal ein transnationales Projekt. Wenn jeder Politiker nur daran gemessen wird, was er für sein Land herausholt, wird es scheitern. Die eigenen Interessen vertreten, aber dabei die der andere nicht ignorieren. Das sehe ich bei Steingart nicht.

                    • Erwin Gabriel 7. Juli 2019, 11:52

                      @ CitizenK 3. Juli 2019, 15:00

                      Europa ist nun mal ein transnationales Projekt. Wenn jeder Politiker nur daran gemessen wird, was er für sein Land herausholt, wird es scheitern. Die eigenen Interessen vertreten, aber dabei die der andere nicht ignorieren. Das sehe ich bei Steingart nicht.

                      Nun ja, ich schon.

                      Aber mal andersherum gedacht – welche europäischen nationen verhalten sich so (ausgenommen Deutschland und die Länder, die noch nicht in der EU sind, aber hineinwollen)?

                      Nicht mal Luxemburg…

  • CitizenK 25. Juni 2019, 14:37

    Zu 9) Erschütternd. Aber „konservativ“ war auch bei noch nie ein trennscharfer Begriff, sondern die Übernahme einer Selbst-Zuschreibung.
    . Die selbsternannten „Konservativen“ wollen ihre Privilegien bewahren bzw. die Gesellschaftsordnung, die das ermöglicht, sonst nichts.

    In der Umwelt-Debatte wurde immer wieder – aber mit wenig Resonanz- darauf verwiesen, dass die angeblichen Bewahrer ja die Lebensgrundlagen zerstören und eher die angeblichen Umstürzler diese erhalten wollen.

    Auch die AfD will ja was „bewahren“, „erhalten“: Die alte nationalistische Ordnung. Die Linken wollen die Rechte der Arbeitnehmer und andere zivilisatorische Fortschritte bewahren. Ich denke, wir müssen das Etikett also solches akzeptieren. Mit Etymologie oder Semantik kommt man nicht weiter.

    • Erwin Gabriel 25. Juni 2019, 15:17

      @ CitizenK 25. Juni 2019, 14:37

      „konservativ“ war auch bei noch nie ein trennscharfer Begriff, sondern die Übernahme einer Selbst-Zuschreibung.

      Naja. Dann beschreibt „links“ nur die Sitzordnung…

      Es sollte doch klar sein, dass keine Beschreibung einer politischen richtung exakt ist, sondern eben nur die grobe Richtung beschreibt.

      Die selbsternannten „Konservativen“ wollen ihre Privilegien bewahren bzw. die Gesellschaftsordnung, die das ermöglicht, sonst nichts.

      Die selbsternannten „Linken“ wollen denen, die mehr haben als sie selbst, den Überschuß wegnehmen und an andere verteilen, um sich als bessere Menschen zu fühlen und wiedergewählt zu werden …

      Sorry, Mr. Kane, das ist echt der größte und populistischste Bullshit, den ich je von Dir gelesen habe.

      Jeder (auch die Linke) will das bewahren, was gefällt, und das verändern, was nicht gefällt. ‚Konservativ‘ bedeutet doch nicht, dass wir allen Felle anziehen und sie wieder auf die Bäume schicken. Konservativ bedeutet auch nicht, dass man Autos verbietet und wieder auf Kutschen umsteigt.

      Für mich bedeutet der Begriff, erst mal zu schauen, was gut am aktuellen Zustand ist, und nicht aus Prinzip ständig alles verändern und sich dann wundern, was dabei herauskommt.

      • CitizenK 25. Juni 2019, 19:17

        Okay, in dieser Form ist die Aussage nicht haltbar, den letzten Teil des Satzes nehme ich zurück. Ich hatte gerade einen Bericht über die britischen Conservatives gesehen. Das zu verallgemeinern war falsch.

        • Erwin Gabriel 28. Juni 2019, 15:42

          Danke für die Klarstellung.

          Viele Grüße
          E.G.

    • Erwin Gabriel 25. Juni 2019, 15:22

      @ Stefan Pietsch 25. Juni 2019, 14:34

      In den letzten 15 Jahren hat der Gesetzgeber die Bauverordnungen von 5.000 auf über 20.000 ausgebaut. Gleichzeitig führt er eine Debatte über den Preis des Bauens. Das ist absurd.

      Das ist so der Horror.

      Ein Haus, nach den Regeln von 2014 gebaut, wäre etwa 30 % billiger als das gleiche Haus heute. Und Otto Normalbewohner täte sich entweder schwer daran, den Unterschied zu merken (und wenn, würde er sich im 2014-Neubau wohler fühlen – besseres Klima).

    • Stefan Sasse 25. Juni 2019, 16:23

      Klar. Aber es ist sinnvoll es zu diskutieren um Erkenntnisgewinn zu erzielen.

  • Stefan Pietsch 25. Juni 2019, 14:41

    11) Trump and the art of the lie

    Es ist immer wieder faszinierend, wie sehr es Trump nicht schadet, dass er der schlimmste Lügner ist, der je im Weißen Haus saß.

    Wie bei den Grünen. Die können in der Regierung die Arbeitsmarktreformen mitbeschließen und mit der Abwahl dagegen sein. Sie können die Rodung des Hambacher Forsts genehmigen und kurz danach dagegen demonstrieren. Sie können die höchsten Strompreise Europas verantworten und niemand bringt sie mit dem ökologischen und sozialen Desaster in Verbindung.

    Die Grünen werden gewählt, weil sie „fürs Klima“ sind. Die Begründungen ähneln sich zu den politischen Feinden auf der anderen Seite.

    • Erwin Gabriel 25. Juni 2019, 15:18

      witzig, aber wahr 🙂

    • Stefan Sasse 25. Juni 2019, 16:23

      Gott, ist das unter deinem Niveau. Das ist ja abartig.

      • Stefan Pietsch 25. Juni 2019, 17:37

        Oh, autsch! Warum? Wenn ich schon so angegangen werde, möchte ich zumindest wissen, warum. Deine Reaktionen geben da oft keine ausreichende Auskunft.

        Ich habe nichts überzeichnet. Alle 3 Vorgänge lassen sich direkt so auf grüne Funktionsträger zurückführen. Da ich bei den Grünen kein Konzept sehe, werde ich mich in nächster Zeit mal der Sache annehmen.

        • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 07:12

          Die Grünen mit Trump gleichzusetzen ist einfach Bullshit. Ich vergleiche auch Lindner nicht mit Pinochet. Trump ist ein zwanghafter Lügner, dem man Lügen permanent nachweisen kann, der betrügt, und so weiter. Die Grünen haben ihre Meinung geändert und versuchen, ihr Image durch Nicht-Erwähnen bestimmter Zusammenhänge aufzupolieren. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Es gibt im deutschen Parteiensystem aktuell keinen einzigen mir bekannten Spitzenpolitiker, nicht mal bei der AfD, der mit Trump vergleichbar wäre. Im gesamten westlichen System haben wir allenfalls Boris Johnson in so einer Kategorie, und selbst da würde ich zögern.

          • Stefan Pietsch 26. Juni 2019, 09:28

            Okay, verstanden. Ich habe aber keine Gleichsetzung von Trump und den Grünen im Sinn gehabt, sondern der Verhaltensweisen der Wähler. Du schriebst, Du könntest nicht verstehen, dass Trump seine Lügen nicht schaden (bei seinen Wählern). Ich meinte, den Grünen schadet ihr widersprüchliches Verhalten auch nicht bei den Wählern. So reden maßgebliche Repräsentanten immer noch davon, die gesamte Energieversorgung auf erneuerbare Träger (gemeint sind wohl Solar und Wind), obwohl weder Trends noch internationale Vergleiche noch die Mathematik dies möglich erscheinen lassen. Nur interessiert das die Anhänger der Partei nicht.

            Die Grünen sind immer guten Willens (Trump aus jeweiliger Sicht auch), aber die politischen Regierungszeugnisse lassen zweifeln, dass die Ansätze praxistauglich sind.

            • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 09:58

              Ok, dann hab ich dich da falsch verstanden. Aber ich halte die Gleichsetzung immer noch für grundfalsch, weil die Grünen widersprüchliches Verhalten haben (wie jede andere Partei auch). Trump LÜGT OFFEN. Das ist ein gigantischer Qualitätsunterschied. Vor Trump galt, dass ein bei der Lüge erwischter Politiker erledigt ist. Da ist hierzulande auch immer noch so.

              Du meinst, weil die CDU Ansätze wie die Pkw-Maut oder die Internet-Stoppschilder sich als so ungeheuer praxistauglich erwiesen haben? Im politischen Alltag prallen Sachzwänge und unvorhergesehene Ereignisse immer auf die Wünsche, das ist nichts Neues.

              • Stefan Pietsch 26. Juni 2019, 10:19

                Wie gesagt, ich werfe den Grünen nicht Lügen vor. Die Partei hat sehr honorige Vertreter, das respektiere ich. Aber: wie keine andere Partei steht sie für eine Stimmung. Wenn ich mir anschaue, welche Kompetenzwerte die Grünen inzwischen in Umweltfragen erreichen, frage ich mich, wodurch das gerechtfertigt ist. Die heutige Energiepolitik ist maßgeblich eine Konzeption der Grünen. Und wie ich diese bewerte, habe ich aufgezeigt. Die hohen Kompetenzwerte übrigens erreichen die Grünen bei jenen Erstwählern, die teilweise eine reine Spaßpartei wie DIE PARTEI vor die SPD setzen.

                Die Grünen haben damit etwas stark Populistisches, wenn man sich zu ihnen bekennt, fühlt man sich schon irgendwie besser. Dann werden die Wiesen ein bisschen grüner und die Luft reiner.

                Man sollte nicht vergessen, dass die Grünen 1999 stark am demoskopischen Absturz der Schröder-Regierung mitgewirkt haben. Ökosteuer, Einwanderungsgesetz, Ausbau der erneuerbaren Energien mit viel Subventionen waren nicht auf Anhieb populär. Und man muss wahrscheinlich lange suchen bis man auf ein Gesetz stößt, das unter der Ägide eines grünen Ministers „gut gemacht“ war.

                Die Pkw-Maut war ein Herzensanliegen der CSU, und die hat in Summe eine exzellente Regierungsbilanz in Bayern über Jahrzehnte zu verantworten. Ja, die Union tut sich mit Gesetzen, die auf neue Entwicklungen und Technologien, auf neue Verhältnisse passen, schwer. Das gilt nur für jede Partei. Die SPD lehnt sich dafür bei ihrem Handwerk an einer gesellschaftlichen Vorstellung an, die es so in der Realität nicht mehr gibt. Die FDP laviert, die AfD besitzt selbst für ihre Anhänger keine Regelungskompetenz und die Grünen werden von einer herrlichen Naivität getragen, die sich spätestens im Regierungsalltag in abstürzenden Umfragewerten ausdrücken wird.

                Die Grünen werden im Regierungsgeschäft dann als kompetent wahrgenommen, wenn sie sich möglichst unauffällig verhalten, wie in Baden-Württemberg und in Hessen. Wenn ihre Themen dominieren, wie in NRW, gehen sie ein und sind blank.

                • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 10:28

                  Die Parteien stehen alle irgendwie für Stimmungen. Die Partei, die eine Stimmung einfängt, gewinnt Wahlen. Das hat man bei der SPD zwar vergessen, aber das macht es nicht weniger wahr. Oder glaubst du ernsthaft, die FDP hat 2009 für ihre grandiosen policy-Konzepte 16% bekommen? Das den Grünen vorzuwerfen, ist wohlfeil. Ihr Kritiker aus der konservativ-liberalen Ecke tut immer so, als wären sie eine Partei sui generis, ein völlig einzigartiges Phänomen. Das mag euch helfen, die für irrelevant zu erklären und ihre Wähler gleich mit („wählen alle nur um sich gut zu fühlen“), aber das ist EXAKT DAS, was ihr mir im Hinblick auf Trump, Brexit und AfD vorwerft. Du missachtest und würdigst die Wähler der Grünen und ihre Anliegen herab. Das kannst du schon machen. Aber dann darfst du dich auch nicht über den Backlash wundern.

                  • Stefan Pietsch 26. Juni 2019, 11:56

                    Bei besagter Wahl 2009 gaben 70% der Grünen-Anhänger bei der Nachbefragung an, die Partei gewählt zu haben, weil sie „für Umwelt“ sei. Ein so undifferenziertes und gleichzeitig einseitiges Bild hatte keine andere Partei. Zum Vergleich: gut 30% der FDP-Wähler gaben an, die Partei wegen Steuersenkungen gewählt zu haben.

                    Auch die Liberalen hatten damals unter Westerwelle einen ganzen Schuss Populismus dabei, den, den ich den Grünen zuschreibe. Also gehst Du auch davon aus, dass die Stimmen für die Grünen nicht besonders stabil sind?

                    • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 13:49

                      Stimmen sind generell nicht sonderlich stabil. Mein Punkt ist einfach, dass sie keine Besonderheit sind. Und auf meinen Punkt mit der Wählerverachtung gehst du gar nicht ein.

                      Zu deinen Prozentangaben: Ich weiß nicht, wo du deine Prozente her hast, das einzige was ich gefunden habe (Tagesschau) war für neue FDP-Wähler:
                      FDP:
                      – Wirtschaft: 56%
                      – Steuerpolitik: 32%
                      Da erkenne ich keinen zentralen Unterschied. Ich kann natürlich Klima- und Umweltschutz in zwei Kategorien spalten, dann krieg ich wahrscheinlich auch eine stärkere Spaltung, aber der zugesprochene Markenkern ist ähnlich einseitig.

                    • Stefan Pietsch 26. Juni 2019, 15:22

                      Das war aus dem Wahlsonderheft des SPIEGEL zur Bundestagswahl 2009 (Ich bin Zahlenmensch und präge mir Zahlen und Vorgänge ein. Dafür ist mein Namensgedächtnis miserabel). Die Motive der Wähler sind in den typischen, verfügbaren Analysen nicht aufgeführt. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat eine detailliertere Studie veröffentlicht. So erzielten die Grünen bei der Frage „eine gute Umweltpolitik betreiben“ ähnliche Werte wie von mir genannt: 64%. Keine andere Partei hatte bei einem Thema so hohe „Kompetenzwerte“. Das deckt sich also mit dem von mir Gesagtem.
                      https://www.kas.de/einzeltitel/-/content/bundestagswahl-in-deutschland-am-27.-september-2009

                      Die Wähler der Grünen sind im Kern schon etwas besonderes. Das ist keine Wählerverachtung, wie Du sie manchmal bei der AfD an den Tag legst. Die Grünen werden weit überproportional von Jüngeren gewählt und junge Menschen sind weit stärker idealistisch gesinnt. Solche sehen über viele Ungereimtheiten hinweg, bis halt der Realitätstest kommt. Bei der AfD sind es Wut und Frustration, auch das ist eine sehr volatile Größe.

                    • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 17:06

                      Geht mir ähnlich. Zahlen und Fakten, kein Thema, aber Namen ist Höchstleistung. Jedes Schuljahr aufs Neue eine Herausforderung.

                      Nene, das ist was gaaaaaaaanz anderes, deines ist nämlich gut und meines ist schlecht. 😉

                • CitizenK 26. Juni 2019, 14:14

                  Umwelt ist ja nicht nur Klima. Massentierhaltung, gesundes Essen, Glyphosat, und fast vergessen: Atomkraft, Müll, Plastik. Bei den anderen Parteien steht Umweltschutz unter ganz vielen Vorbehalten.

                  • Stefan Pietsch 26. Juni 2019, 15:24

                    Zeigt nur, dass es dringend Zeit ist für einen Artikel über die Grünen.

                    Was meinen Sie mit „Vorbehalten“?

                    • CitizenK 26. Juni 2019, 16:50

                      Wettbewerb, Jobs, keine Verbote, kurz: es darf nicht weh tun. Das wird es aber, wenn es wirken soll.

                    • Stefan Pietsch 26. Juni 2019, 17:31

                      Wieso muss Umweltschutz weh tun? Schauen Sie sich doch mal um, Naturparks sind schlicht Genuss, Müll nicht einfach fallenzulassen, sondern im Papierkorb zu versenken, ist auch keine Einschränkung. Viele Menschen haben unheimlich Spaß daran, ihren Garten zu pflegen, zu entwickeln und noch mehr fahren einfach so Fahrrad. Weil’s Spaß macht, weil’s fit hält, weil man manchmal schneller vorwärts kommt ohne an eine Rechnung zu denken. Und dann gibt es unzählige junge Unternehmer, die eine Idee verfolgen, um damit auch noch reich zu werden, Investoren, die das gleiche Ziel haben.

                      Ich habe in meiner Serie zum Klimawandel zwei Beispiele genannt, die typisch deutsch vom Ordnungsrecht und Subventionspolitik dominiert sind: die Verkehrs- und die Energiepolitik. In beiden Bereichen muss man nach über 20 Jahren Klimaschutz die Ergebnisse nur als desaströs bezeichnen. Das ist nicht gerade ein Argument, so weiter zu verfahren.

                      Der Kirche hat man Verklemmtheit und Lustfeindlichkeit vorgeworfen, wenn sie die Menschen angehalten hat, ihren Trieben und Verlangen nicht ungehemmt nachzugeben. Und nun predigen die Ökos genau so eine Verzichtsideologie.

              • Erwin Gabriel 28. Juni 2019, 16:15

                @ Stefan Sasse 26. Juni 2019, 09:58

                Trump LÜGT OFFEN. Das ist ein gigantischer Qualitätsunterschied.

                Ich bin mir nicht immer sicher, ob er sich darüber im Klaren ist, oder ob er einer der schrägen Figuren ist, die anfangen zu glauben, was sie sagen.

                • Stefan Sasse 29. Juni 2019, 09:48

                  Selbst wenn das so wäre macht es keinen Unterschied für meine Aussage.

                  • Erwin Gabriel 1. Juli 2019, 09:34

                    Auch wieder wahr

        • Peter Zeller 26. Juni 2019, 07:38

          Dann erinnern Sie doch bitte an den Plan der Grünen , jeder solle 10 Jahre lang 5% seines Vermögens dem Staat schenken .
          Nach der anschließend verlorenen Wahl reden sie nicht mehr so gerne darüber, aber aufgegeben sind diese Pläne nicht.

          • Cimourdain 27. Juni 2019, 16:45

            Meinen Sie die Gesetzesvorlage von 2012 für eine zweckgebundene Vermögensabgabe zum Schuldenabbau, die über 10 Jahre auf Vermögen über eine Million Euro Freibetrag ( plus Sonderfreibeträge ) in Höhe von 1,5 % erhoben worden wäre ?

            • Peter Zeller 6. Juli 2019, 15:46

              Nein. Ich kann nicht genau sagen, wann das war, es war vor einer Wahl, bei der die Grünen dann eher schlecht abschnitten. Es wurde auch nicht näher ausgeführt, wie das genau gestaltet werden sollte, also wen es berifft usw.

              Bei solchen Ideen ist ja entscheidend, wie das letztlich gestaltet wird.

      • Erwin Gabriel 28. Juni 2019, 15:45

        Über ‚Niveau‘ kann man diskutieren. ‚Abartig‘ ist nicht angemessen.

        • Stefan Sasse 29. Juni 2019, 09:47

          Ich glaube das liegt am schwäbischen Idiom. Bei uns ist das umgangssprachlich einfach nur eine Steigerungsform. Sorry, hab ich beim Schreiben nicht drüber nachgedacht. Heute ist es beispielsweise „abartig heiß“ hier im Ländle. ^^

          • Erwin Gabriel 3. Juli 2019, 13:28

            @ Stefan Sasse 29. Juni 2019, 09:47

            Heute ist es beispielsweise „abartig heiß“ hier im Ländle.

            Verstehe. Da ist „heiß“ das entscheidende Wort. Lass es mal weg … 🙂

    • Dennis 26. Juni 2019, 08:14

      Die geschilderten Sachverhalte mögen ja zutreffen, indes stellt sich die Frage, ob der Begriff der LÜGE damit getroffen wird. IMHO eher nicht. Beim SOLLEN (das Hauptgeschäft in der Politik) kann man nicht lügen, nur beim SEIN. Beides wird zumeist vermischt, was das Lügenproblem erschwert.

      WAHRHEIT und LÜGE (eh problematische Begriffe) sind in der Politik ein Nebenthema und waren noch nie wichtig. Man kann das außerdem in der Praxis entschärfen: Belogen bin ich ggf. erst, wenn ich ’s glaube.

  • Cimourdain 25. Juni 2019, 19:20

    3) und 8) Wichtige Aussage: Rohe Sprache führt zu rohen Taten. Religionskriege, Revolutionsterror, Totalitäre Regimes, Terroristen: alle haben Sie sich erst mittels entmenschlichender Sprache in die Köpfe geschlichen, um die Menschen zu Unmenschen gegen ihre Mitmenschen zu machen. Passt auf andere auf, Passt noch mehr auf euch selbst auf, was andere entwürdigt, herabsetzt, entmenscht.

    • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 07:14

      Unterschreibe ich.

    • Erwin Gabriel 28. Juni 2019, 16:17

      Ich auch. Und die AfD geht gewollt in den Grenzbereich.

    • Erwin Gabriel 30. Juni 2019, 21:10

      Passendes Zitat aus der NZZ:
      Enthemmte Sprache macht aus denen, die sie benutzen, keine Mörder. Aber sie kann Menschen, die sich radikalisiert haben, das Gefühl geben, handeln zu müssen.

  • Cimourdain 25. Juni 2019, 19:47

    7) BILD-Hetze und AFD-Weinerlichkeit mal beiseite. Warum eigentlich ist der Kirchentag zu so einem Tummelplatz von Parteipolitikern geworden, dass die ein Anrecht auf einen Auftritt reklamieren können?
    9) Diese zerstörerische Haltung erinnert an die Durchhalteparole „Lieber tot als rot“ aus dem 2. Weltkrieg / den antikommunistischen Slogan „better dead than red“ der McCarthy Zeit.
    10) CitizenK hatte mich hier im Forum zu Herrn Pietschs „Tourismus“-Artikel auf die „Flugscham“ in Schweden hingewiesen, als ich ein ähnliches Szenario angedacht hatte. Gesellschaften können Ihre Werte verändern.

    • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 07:14

      7) Keine Ahnung. War das mal anders? Ernst gemeinte Frage.
      9) Gleicher Menalitätsbrunne, ja.

      • Cimourdain 26. Juni 2019, 18:14

        7) Meiner subjektiven Erinnerung nach begann es mit der Politik in den 80ern mit der Friedensbewegung für die der Kirchentag ein starkes Forum war. Protest-NGOs wie Greenpeace und Amnesty International kamen dazu. Die Protagonisten der Grünen ( die damals eine echte Protestpartei waren) wie Petra Kelly oder Jutta Ditfurth und SPD-Pazifisten wie Eppler waren beliebt, während Vertreter der Regierungskoalition ausgepfiffen wurden ( z.B. Süßmuth in Berlin 1989) .
        Richtig als Marktplatz aller Parteien habe ich zum ersten Mal die Doppelveranstaltung Weltjugendtag und Kirchentag 2005. Wahljahr und ‚Wir-sind-Papst‘ Kirchenbegeisterung bildeten den Bandwagon, an den sich alle angehängt haben.
        Der letzte Höhepunkt in dieser Hinsicht waren die überparteilichen Martin-Luther-Beweihräucherungs-Festspiele 2017.

        • Stefan Sasse 27. Juni 2019, 06:17

          Mhm, macht Sinn. Die Kirchen sind halt weltanschauliche Organisationen. Ich würde jetzt auch nicht erwarten, dass Abtreibungsbefürworter oder Atheisten da reden dürfen. Warum sollten Rechtsextremisten da ein Forum kriegen?

          • Dennis 27. Juni 2019, 10:20

            Uiii, an dieser Stelle werden Deine Erwartungen mal übertroffen. Okay, zur Hälfte, bei dem zweiten A-Wort.Vermutlich inkludiert das aber das erste.

            Guckst Du ?

            https://www.youtube.com/watch?v=x50JgSP1AO0

            Der große Auftritt des Atheisten von der Religionsgemeinschaft Giordano-Bruno-Stiftung kommt ab Min. 11:45.

  • Rauschi 26. Juni 2019, 07:38

    zu 6)
    Ich habe ja auch schon die Frage gestellt, ob rechts nicht auch eine legitime Sichtweise in einer Demokratie sein muss, wenn links eine ist. Hat mir allerdings niemand beantwortet. Womöglich, weil ich nicht Gauck heisse?
    Wenn ich allerdings sehe, wie viele dem Aufruf von „unteilbar gegen Rechts“ nachgekommen sind, kommen mir doch Zweifel am Urteilsvermögen der Teilnehmer, die den Widerspruch im Namen nicht mal erkennen. (Entweder unteilbar oder gegen etwas, aber niemals beides gleichzeitig)

    zu 8)
    Ich erinnerte mich noch an dieses Titelblatt der IG-Metall-Mitgliederzeitschrift 2005, das damals in die „Heuschreckendebatte“ in Deutschland stach und massive Abwehrrekationen hervorrief, weil es antiamerikanische und antisemitische Bildsprache nutzte. Völlig zurecht übrigens. Die Kritik meine ich, nicht die Bildsprache.
    Zuerst einmal, hat die IG Metal den begriff nicht erfunden, sondern von Muntefering übernommen. Da es diese Art von Unternehmen zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich in den USA gab, ist der Anitamerikanismus-vorwurf wirklich absurd.
    [Mit der Bezeichnung „Heuschreckenschwärme“ hatte SPD-Chef Franz Müntefering in einer aktuellen Stunde des Bundestages die Kapitalismusdebatte angeheizt. Um Widerspruch aus den eigenen Reihen zu begegnen, nannte er in einem internen Papier konkrete Namen…
    In dem Hintergrundpapier der Planungsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion, das Stern.de vorliegt, richtet Müntefering seine Kritik vor allem gegen die US-Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR). Sie hatte 1999 zusammen mit der US-Bank Goldman Sachs den Elektronik- und Geldautomatenhersteller Siemens-Nixdorf übernommen und 2004 an die Börse gebracht.
    SPD-Chef Müntefering: Internes Papier soll Fragen der SPD-Parlamentarier beantworten
    Von dem Erlös durch den Börsengang in Höhe von 350 Millionen Euro blieben der Firma selbst aber nur 125 Millionen, den Rest von 225 Millionen steckte unter anderem KKR ein. In den Jahren zwischen Übernahme und Börsengang ließen sich die Gesellschafter zudem Beteiligungen von 160 Millionen Euro auszahlen.
    Ein anderes Opfer von KKR sei der Hersteller von Kommunikationsprodukten Tenovis. Noch Ende 2002 hätten die Mitarbeiter auf 12,5 Prozent ihres Lohnes verzichtet, um ihre Arbeitsplätze für mindestens ein Jahr zu retten. Im Sommer 2003 aber habe Tenovis fast die Hälfte der Mitarbeiter entlassen. ]
    https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-353997.html
    So und nochmal für die Begriffstuzigen, wo ist da der Antisemtismus versteckt? Wenn niemand mehr von der Finanzindustrie sprechen darf, weil das angeblich antisemitisch ist, dann aber gute Nacht Aufklärung.
    Die Vorwürfe waren damals absurd und sind es heute immer noch.

    zu 11)
    als würde unsere Regierung nicht auch lügen. Zwar sehr verklausuliert, aber offensichtlich gelogen:
    https://www.youtube.com/watch?v=sdFWYkNrGqY

    • Erwin Gabriel 28. Juni 2019, 16:20

      @ Rauschi 26. Juni 2019, 07:38

      zu 6)
      Ich habe ja auch schon die Frage gestellt, ob rechts nicht auch eine legitime Sichtweise in einer Demokratie sein muss, wenn links eine ist. Hat mir allerdings niemand beantwortet.

      Hole ich gerne nach. Natürlich ist ‚rechts‘ eine genauso legitime Sichtweise wie ‚links‘.

      • Stefan Sasse 29. Juni 2019, 09:50

        Selbstverständlich ist eine rechte Sichtweise legitim, sonst hätten CDU und FDP ja auch ein Problem. Die Legitimitätsfrage richtet sich gegen Rechtsradikalismus (wo es debattiert werden kann und muss) und Rechtsextremismus (der außerhalb des akzeptablen Bereichs liegt). Aber da diese Begrifflichkeiten völlig undefiniert sind, fällt es so schwer, darüber zu reden. „Rechts“ wird ja immer mit „rechtsradikal“ gleichgesetzt, und das wiederum kaum von „rechtsextrem“ unterschieden. „Rechts“ sind immer nur so Neonazis, und für alles andere suchte man immer irgendwelche Ausweichwörter.

        • Stefan Pietsch 29. Juni 2019, 10:05

          Müsste spiegelbildlich auch für links gelten, bleibt aber in den Debatten völlig unerwähnt. Das zeigt sich in Vergleichen: während gegen Thilo Sarrazin ein Parteiausschlussverfahren nach dem anderen in die Wege geleitet wird, bleibt ein Kevin Kühnert völlig unbehelligt, wenn er Massenverstaatlichungen privater Unternehmen fordert, was konträr zum SPD-Parteiprogramm steht.

          • Stefan Sasse 29. Juni 2019, 13:04

            Ich kenn mich in den Strukturen nicht aus. Kühnert ist ja ein Juso. Ist das rechtlich überhaupt derselbe Laden?

            • Stefan Pietsch 29. Juni 2019, 17:26

              Diese politischen Organisationen sind rechtlich schwer zu verstehen. Als SPD-Mitglied unter 36 ist man anscheinend automatisch auch Mitglied der Jusos, einer eigenen Organisation. Jedoch: Kevin Kühnert ist SPD-Mitglied und unterliegt damit der Gerichtsbarkeit der Partei.

              Aus dem Hamburger Grundsatzprogramm von 2007:
              Für uns ist der Markt ein notwendiges und anderen wirtschaftlichen Koordinierungsformen überlegenes Mittel. (..) Damit der Markt seine positive Wirksamkeit entfalten kann, bedarf er der Regeln, eines sanktionsfähigen Staates, wirkungsvoller Gesetze und fairer Preisbildung.
              Damit der Markt seine positive Wirksamkeit entfalten kann, bedarf er der Regeln, eines sanktionsfähigen Staates, wirkungsvoller Gesetze und fairer Preisbildung.

              Vielleicht sollte man manche Sozialdemokraten wieder einmal an die eigenen Prinzipien erinnern…

              • Ralf 29. Juni 2019, 20:45

                während gegen Thilo Sarrazin ein Parteiausschlussverfahren nach dem anderen in die Wege geleitet wird, bleibt ein Kevin Kühnert völlig unbehelligt, wenn er Massenverstaatlichungen privater Unternehmen fordert, was konträr zum SPD-Parteiprogramm steht.

                Parteimitglieder sind nicht verpflichtet, das Programm ihrer Partei in allen Punkten stets richtig zu finden. Parteiprogramme sind auch so umfangreich und äussern sich zu so vielen Themen, dass es wohl in keiner Partei auch nur ein einziges Parteimitglied geben dürfte, das inhaltlich jedem Punkt des eigenen Parteiprogramms zustimmt.

                Gegen Sarrazin läuft deshalb auch nicht ein Ausschlussverfahren, weil er eine Meinung hat, die sich nicht mit dem Parteiprogramm deckt, sondern weil er wiederholt Meinungen geäussert und veröffentlicht hat, die zutiefst rassistisch, menschenverachtend und streckenweise deckungsgleich mit der Rassenideologie der Nationalsozialisten sind. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität konnte man online einen Test machen, bei dem man Dutzende Sätze vorgelegt bekam und raten musste, ob sie aus „Mein Kampf“ oder aus „Deutschland schafft sich ab“ stammen. Der Test war unerwartet schwierig. Bei etwa einem Drittel der Sätze habe ich falsch geraten.

                Kühnert hingegen vertritt keine menschenverachtende Ideologie. Der Besitz eines Großkonzerns ist kein Menschenrecht. Das Recht Wohnungen zu vermieten, ist ebenfalls kein Menschenrecht. Solche Fragen müssen in einer Gesellschaft ergebnisoffen diskutiert werden dürfen, so wie die Gurtpflicht, die Vorfahrtsregelungen oder das Rauchverbot in Gaststätten diskutiert werden dürfen. Und in einer sozialdemokratischen Partei, deren Zweck historisch eigentlich immer war, die Interessen der kleinen Leute gegen die Großkopferten zu stärken, sollten solche Debatten eine Selbstverständlichkeit sein. Dass es diese Debatten in den vergangenen Jahren nicht gegeben hat, findet seine Reflexion im beispiellosen Niedergang dieser einst stolzen Partei. Es wäre schön, wenn sich das endlich wieder ändern würde. Ob man Kevin Kühnert dann in seinen Punkten zustimmt, ist eine völlig andere Frage. Aber Kühnert hat keine menschenfeindlichen Standpunkte in ideologischer Nähe zu Extremisten, die für die industrielle Vernichtung von Millionen Menschenleben verantwortlich sind geäussert. Jeglicher Vergleich von Kühnert mit Sarrazin verbietet sich folglich.

                • Stefan Pietsch 29. Juni 2019, 20:56

                  Gegen Sarrazin läuft deshalb auch nicht ein Ausschlussverfahren, weil er eine Meinung hat, die sich nicht mit dem Parteiprogramm deckt, sondern weil er wiederholt Meinungen geäussert und veröffentlicht hat, die zutiefst rassistisch, menschenverachtend und streckenweise deckungsgleich mit der Rassenideologie der Nationalsozialisten sind.

                  Ganz offensichtlich nicht, denn sonst wäre ein Ausschluss nicht nur leicht, sondern Sarrazin auch schwerer Straftaten schuldig. Und damit bricht Ihre ganze Argumentation zusammen.

                  Wie gesagt, die SPD hat dies nun mehrfach und intensiv geprüft, ob Sarrazins Positionen zum einen mit den Parteistatuten, zum anderen mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen sind. Zumindest scheint das Gegenteil nicht beweisbar. Doch auch bei Kevin Kühnert gibt es nun Hinweise, dass er mit wesentlichen Parteistatuten über Kreuz liegt und Verfassungswidriges fordert. Ob dies so ist, müsste bei einer so klagefreudigen Partei wie der SPD durch ein Verfahren geprüft werden. Genau das ist meine Argumentation.

                  Jede Organisation in Deutschland, die eine eigene Gerichtsbarkeit unterhält (z.B. Sportverbände, aber eben auch Parteien) muss sämtliche rechtsstaatliche Prinzipien und Regeln einhalten. Nach diesen musste sich der SPD-Rebell mehreren Ausschlussverfahren stellen. Das sind ja nun auch keine Spaßveranstaltungen. Der Punkt ist halt, dass Kühnert Sozialismusphantasien, die Deutschland eine lang anhaltende Diktatur und der Welt Millionen Tote eingebrockt haben, vielen Genossen näher sind als migrationskritische, meinetwegen migrationsfeindliche Überlegungen.

                  Man muss Sarrazins manchmal wirre Argumentationen nicht folgen, aber in einem Rechtsstaat muss es eben auch mal heißen: Deckel drauf. Nennt sich Rechtsfrieden.

                  • CitizenK 29. Juni 2019, 21:09

                    Ein Parteiausschlussverfahren setzt „parteischädigendes Verhalten“ voraus.

                    Hat Kühnert der Partei durch das ZEIT-Interview geschadet? Zuerst dachte ich: ja, denn ich vermutete Reaktionen wie die Ihre. Die waren aber viel seltener als erwartet. Es zeigte sich, dass der Unmut über den real existierenden Kapitalismus auch in Deutschland groß ist, weit über SPD-Kreise hinaus. Kapitalismuskritische Einstellungen (die auch Enteignungen nicht ausschließen) sind weiter verbreitet als Sie denken.

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2019, 22:22

                      Laut neuesten Umfragen unterstützt nur gut jeder Fünfte Verstaatlichungen, ungefähr so viele, wie nach Meinung von Demoskopen Antisemiten herumlaufen. Wie der Fall Hohmann in der CDU zeigt, lässt sich ein Judenfeind schnell aus der Partei werfen.

                      Eine kapitalismuskritische Position ist nicht verfassungsfeindlich, wohl aber, extremistischen Positionen wie dem breiten Volkseigentum anzuhängen. Oder alles auch nicht. In der LINKEN kann man sogar Mitglied sein, wenn man Angriffe auf den eigenen (jüdischen) Parteivorsitzenden zulässt und man kann es sogar zur Fraktionsvorsitzenden bringen, selbst wenn man einem Holocaust-Überlebenden und Friedensnobelpreisträger den Respekt verweigert.

                      Lerne: bei linken Parteien schadet der Hang zum Diktatorischen wie Antisemitischen nicht, wohl aber „Das Boot ist voll“-Thesen.

                  • Ralf 29. Juni 2019, 21:46

                    Ganz offensichtlich nicht, denn sonst wäre ein Ausschluss nicht nur leicht, sondern Sarrazin auch schwerer Straftaten schuldig.

                    Leider nicht. Denn vor Gericht reicht es nicht zu verstehen, wie eine Aussage gemeint war, sondern man muss beweisen, wie sie gemeint war. Das macht es in der Praxis fast unmöglich jemanden zu verurteilen. Ansonsten säße die halbe AfD bereits im Gefängnis und die NPD wäre seit vielen Jahren verboten.

                    Doch auch bei Kevin Kühnert gibt es nun Hinweise, dass er mit wesentlichen Parteistatuten über Kreuz liegt und Verfassungswidriges fordert.

                    Wer definiert hier „wesentlich“? Sie? Kühnert fordert im übrigen nichts verfassungswidriges. Enteignungen sind im Grundgesetz erlaubt und geregelt. Kühnert hat nichts gefordert, was der Verfassung prinzipiell entgegenstünde.

                    Deshalb muss man nicht seiner Meinung sein. Ich teile im übrigen auch nicht alle seine Ansichten. Aber der Streit um seine Forderungen ist politisch nicht juristisch.

                    Ob dies so ist, müsste bei einer so klagefreudigen Partei wie der SPD durch ein Verfahren geprüft werden.

                    Da es wie gesagt bei diesen umfangreichen Parteiprogrammen kein einziges Parteimitglied geben dürfte, das in jedem Punkt dem Parteiprogramm zustimmt, müsste die SPD Ihrem Ratschlag folgend gegen jedes einzelne ihrer über 430.000 Mitglieder ein Ausschlussverfahren eröffnen. Sie scheinen es wirklich gut zu meinen mit den Sozialdemokraten.

                    Der Punkt ist halt, dass Kühnert Sozialismusphantasien, die Deutschland eine lang anhaltende Diktatur und der Welt Millionen Tote eingebrockt haben

                    ???

                    Das Wirtschaftskonzept von Vergesellschaftungen hat nirgendwo in der Welt Millionen Tote verursacht und Enteignungen führen auch nicht in natürlicher Linie, wenn konsequent zu Ende gedacht, zu Gulags, Arbeitslagern und rotem Faschismus. Sie mögen zu einem Wohlstandsverlust führen, zu einer Zerstörung der Unternehmenskultur, zu einem Rückgang der Investitionen. Über all das kann man diskutieren. Aber eine potentielle Vergesellschaftung von BMW kostet kein einziges Menschenleben und verletzt, wenn gewisse Standards eingehalten werden, auch weder Menschenrechte noch Grundgesetz.

                    Sarrazins Thesen hingegen führen, wenn konsequent zu Ende gedacht, direkt in die Eliminierung unwerten Lebens und in die Vernichtungslager. Deshalb werden seine Thesen mit aller Kraft bekämpft. Deshalb versucht die SPD den Mann seit Jahren loszuwerden.

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2019, 22:36

                      Denn vor Gericht reicht es nicht zu verstehen, wie eine Aussage gemeint war, sondern man muss beweisen, wie sie gemeint war.

                      Kurz: nein. Weder bei Aussagen wie der Holocaust ist ausgefallen noch beim Vergleich von Polizisten mit Tierarten muss nach dem Gemeinten geforscht werden. Aussagen, die nicht explizit verboten sind und die niemanden direkt beleidigen, fallen unter das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und dabei gilt es nach objektiven Tatbeständen zu forschen, nicht nach subjektiven.

                      Für die Verstaatlichung von Unternehmen wie BMW und anderen privaten Gesellschaften bietet die Verfassung keinen Anhalt, mit anderen Worten: sind verboten. Übrigens hat Kevin Kühnert BMW nur als Beispiel genannt, ihm schwebte er eher die Überführung von großen Unternehmen in Gemeinschaftseigentum vor. Da brauchen wir nicht zu diskutieren, das Grundgesetz schützt das Recht auf Eigentum und macht die nicht an Größenkriterien fest. Dass sich so jemand außerhalb des gesellschaftlichen wie rechtlichen Wertekanons stellt, sollte eigentlich unstrittig sein und wurde in großer Mehrheit auch so gesehen. Und das verträgt sich mit einer Volkspartei, ein Thilo Sarrazin aber nicht?

                      Breite Vergesellschaftung von Produktivvermögen ist Grundbedingung für den Sozialismus, zu dem sich ja wiederum Kevin Kühnert bekennt. Und die Geschichte des Sozialismus ist ausnehmend blutig. Das ist eine direkte Linie, mindestens so direkt, wie Sie sie gezogen haben:
                      Sarrazins Thesen hingegen führen, wenn konsequent zu Ende gedacht, direkt in die Eliminierung unwerten Lebens und in die Vernichtungslager.

                      Ergo: Parteiausschlussverfahren gegen den Juso-Chef.

                      Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich mag den jungen Kerl irgendwie und von Thilo Sarrazin habe ich sein Erstlingswerk in Teilen gelesen und sonst nichts. Aber die SPD erträgt ja heutzutage nicht einmal mehr einen ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundesminister wie Wolfgang Clement in ihren Reihen. Die Partei predigt in der Öffentlichkeit Meinungsfreiheit und Pluralismus und verengt doch nur permanent den Bereich des für sie Zulässigen.

                    • CitizenK 30. Juni 2019, 07:18

                      Clement hatte offen dazu aufgerufen, „seine“ Partei nicht zu wählen.
                      Sarazzin wurde nicht wegen „Boot ist voll“ kritisiert, sondern wegen Rassismus.
                      Kühnerts „Vision“ wurde in der SPD als so marginal wahrgenommen, dass man sie nicht für diskussionwürdig hielt („Was hat der geraucht“). Dabei ist der Einfluss von Großunternehmen auf das Leben der Menschen (von den Digitalkonzernen ganz zu schweigen) so groß, dass dies eine politische Dimension hat.

                      Gerade Sie führen ständig den „Souverän“ und die „demokratische Legitimation“ im Munde. Die Entscheidungen in Konzernzentralen betreffen das Leben vieler Menschen oft mehr als die im Bundestag. Das wollen Liberale nicht sehen oder reden es klein.

                      BMW oder Daimler als Genossenschaft oder als Regiebetrieb zu führen halte ich auch für Phantasterei, Spinnerei, jedenfalls keine positive Utopie. Ich halte es mit Gräfin Dönhoff: „Zähmt den Kapitalismus“. Über Art und Länge des Zügels kann und muss man streiten. Das nicht getan zu haben ist das Versagen der SPD in der „Causa Kühnert“.

                    • Ralf 29. Juni 2019, 23:02

                      Aussagen, die nicht explizit verboten sind und die niemanden direkt beleidigen, fallen unter das Recht auf freie Meinungsäußerung.

                      Die einschlägigen Kreise wissen sich so auszudrücken, dass klar ist, was sie meinen, aber die Überschreitung der Grenze hin zum Illegalen extrem schwierig nachzuweisen ist. In der Praxis führt das dazu, dass kaum jemandem eine Verurteilung droht. Sie sehen das wie gesagt unter anderem daran, dass noch nicht einmal eine offen nationalsozialistische Partei wie die NPD verboten werden konnte.

                      Für die Verstaatlichung von Unternehmen wie BMW und anderen privaten Gesellschaften bietet die Verfassung keinen Anhalt, mit anderen Worten: sind verboten.

                      Das entspricht Ihrer persönlichen Lesart der Verfassung, nicht einer definitiven Interpretation des Textes des Grundgesetzes.

                      Dass sich so jemand außerhalb des gesellschaftlichen wie rechtlichen Wertekanons stellt, sollte eigentlich unstrittig sein

                      Das jemand eine Minderheitenposition vertritt, ist völlig in Ordnung in einer Gesellschaft. Und vergessen Sie nicht: Jede moderne Mehrheitsposition war in der Vergangenheit mal eine Minderheitenposition.

                      Und das verträgt sich mit einer Volkspartei, ein Thilo Sarrazin aber nicht?

                      Richtig. Ein Rassenfanatiker verträgt sich in der Tat nicht mit einer Volkspartei.

                      Und die Geschichte des Sozialismus ist ausnehmend blutig.

                      Die Geschichte des Sozialismus ist nicht blutiger als die des Kapitalismus. Und Sozialismus führt auch nicht notwendigerweise zu Blutvergiessen. Das Kibbuz-System in Israel ist zum Beispiel zutiefst sozialistisch und hat den Ruf von friedlichen kollektiven Gemeinschaften.

                      Aber die SPD erträgt ja heutzutage nicht einmal mehr einen ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundesminister wie Wolfgang Clement in ihren Reihen.

                      Clement ist ein bedrückend schlechter Politiker und sicher keine Werbung für die SPD. Aber ich sehe wenig Grund den Mann rauszuschmeißen, wenngleich ich beim besten Willen nicht verstehe, was der in einer sozialdemokratischen Partei will. Aber Parteien müssen meiner Meinung nach mit lästigen Querulanten leben. Clement ist kein Rassist. Die Causa Clement und die Causa Sarrazin sind nicht vergleichbar.

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2019, 23:39

                      Die einschlägigen Kreise wissen sich so auszudrücken, dass klar ist, was sie meinen, aber die Überschreitung der Grenze hin zum Illegalen extrem schwierig nachzuweisen ist.

                      Äh, ja. Und was haben Sie dagegen? Wir haben kein Gesinnungsrecht, ein Straftatbestand muss objektiv feststellbar sein.

                      Aus den gleichen Gründen, weshalb Sie gegen ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump sind, ist es falsch die NPD verbieten zu wollen. Bei Parteien muss das der Souverän entscheiden.

                      Das entspricht Ihrer persönlichen Lesart der Verfassung, nicht einer definitiven Interpretation des Textes des Grundgesetzes.

                      Nein, das lässt sich aus den vielen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 14 klar herauslesen und dem schließt sich jeder renommierte Grundgesetzkommentar an.

                      Und vergessen Sie nicht:

                      Sind wir an der Stelle angelangt, wo wie allgemeine Plätzchen backen? 😉

                      Es geht darum: ist jemand verfassungskonform oder eindeutig außerhalb des Grundgesetzes mit seiner politischen Position? Linke Parteien vertreten deutlich häufiger verfassungsrechtlich nicht zulässige oder zumindest fragwürdige Positionen als Konservative oder Liberale. Während ich Ihnen aus dem Stehgreif bei SPD, Grünen und LINKEN (sowieso) zwischen 1 und 2 Händevoll Positionen dazu nennen kann, fällt mir bei den Rechten auf Anhieb zumindest keine einzige ein. Wer so tolerant ist, sollte es doch in beide Richtungen sein, oder?

                      Ein Rassenfanatiker verträgt sich in der Tat nicht mit einer Volkspartei.

                      Jetzt wüsste ich doch schon mal gerne 3-5 Zitate nebst Kommentierung, was Sie dem guten Mann eigentlich so Schlimmes vorwerfen. Wie gesagt, ich habe ihn ein Jahrzehnt nicht mehr gelesen und möglicherweise nicht auf dem aktuellsten Stand. Andererseits meine ich, wenn jemand sich bereits mehrfach dem gleichen Verfahren unterziehen musste, sollte man ihn irgendwann auch mal in Ruhe lassen. Thilo Sarrazin sieht sich offensichtlich als Sozialdemokrat und das Recht ist auf seiner Seite.

                      Die Geschichte des Sozialismus ist nicht blutiger als die des Kapitalismus.

                      Quatsch.

                      Das Kibbuz-System in Israel ist zum Beispiel zutiefst sozialistisch und hat den Ruf von friedlichen kollektiven Gemeinschaften.

                      Fällt im Grunde unter den gleichen Kommentar. Ich war ja vor wenigen Wochen in Israel und da entspann sich auch eine Debatte um genau dieses System. Es gibt kaum noch junge Leute, die unter dem Kibbuz leben wollen, weil es die Fleißigen ausbeutet und die Faulen belohnt. Eben wie im Sozialismus. Freiwillig macht das eben kaum jemand.

                      Aber ich sehe wenig Grund den Mann rauszuschmeißen

                      Clement ist 2008 aus der SPD ausgetreten, nachdem ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn angestrengt worden war. Einen 67jährigen, langjährigen und zweifellos verdienten Parteigänger aus der Partei drängen, das können nur solidarische Parteien.

                    • Ralf 30. Juni 2019, 07:45

                      Äh, ja. Und was haben Sie dagegen?

                      Ich habe nichts dagegen. Ich erkläre nur, weshalb kriminelle Äußerungen in der Praxis fast nie strafrechtlich verfolgt werden können. Und damit umgekehrt, weshalb man aus der Tatsache, dass eine Äußerung strafrechtlich nicht verfolgt werden kann, nicht schließen darf, dass sie nicht kriminell war.

                      das lässt sich aus den vielen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 14 klar herauslesen und dem schließt sich jeder renommierte Grundgesetzkommentar an.

                      Sie machen den Fehler eines Zirkelschlusses. Das Bundesverfassungsgericht ist im Wesentlichen zusammengesetzt auf Vorschlag von CDU/CSU und SPD. Beides sind Parteien, die in den vergangenen 15 Jahren in ihrer großen Mehrheit eine neoliberale, auf die Interessen der Wirtschaft fokussierte Politik vertreten haben. Und natürlich haben sie entsprechende Richter nach Karlsruhe geschickt. Wenig überraschend also, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner heutigen Zusammensetzung Enteignungen kritisch sieht. Sollten sich die politischen Verhältnisse in Zukunft ändern (völlig hypothetisches Szenario z.B.: Kevin Kühnert wird Parteivorsitzender der SPD, Robert Habeck wird der nächste Kanzler und es folgen 12 Jahre Grün-Rot-Rote Bundesregierung), wird sich auch die Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts ändern. Und damit seine Interpretation des Grundgesetzes. Enteignungen sind im Gesetzestext, wie bereits erwähnt, ausdrücklich erlaubt und geregelt.

                      Dazu kommt die Stimmung im Land. In den 70er und 80er Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen die Verstaatlichung eines großen Autobauers oder einer Wohnungsgesellschaft vorzuschlagen. Hätte damals auch wenig Sinn gehabt. Dass diese Vorschläge heute kommen, ist der Tatsache geschuldet, dass die Gesellschaft mehr als jemals zuvor in Arm und Reich auseinanderbricht und dass gewisse Konzerne mit ihrer Gier eine enorme Zerstörungskraft in unseren Communities entfalten, z.B. auf dem Mietmarkt. Dadurch erst dreht sich langsam die Stimmung. Und sollte in der Bevölkerung die Unterstützung für Enteignungen wachsen, dann werden diese drehenden Stimmungen traditionell auch in Karlsruhe Beachtung finden. Richter sind nicht abgekoppelt vom Rest der Gesellschaft. Oder anders ausgedrückt: Wenn sich die Gesellschaft ändert, ändert sich in der Regel – manchmal mit etwas Zeitverzögerung – auch die Rechtsprechung.

                      Es geht darum: ist jemand verfassungskonform oder eindeutig außerhalb des Grundgesetzes mit seiner politischen Position?

                      Wie wir eben geklärt haben, steht Kevin Kühnert mit seinen Forderungen nicht eindeutig außerhalb des Grundgesetzes, sondern lediglich außerhalb der gegenwärtigen Interpretation des Grundgesetzes durch die weitestgehend auf Vorschlag von CDU/CSU und SPD gewählten Richter, die momentan in Karlsruhe sitzen.

                      Linke Parteien vertreten deutlich häufiger verfassungsrechtlich nicht zulässige oder zumindest fragwürdige Positionen als Konservative oder Liberale.

                      Kunststück.

                      Linke Parteien streben an das System zu verändern, während Konservative und Liberale, die über die meiste Zeit der Geschichte der Bundesrepublik hinweg regiert haben, auf dem gegenwärtigen System beharren wollen. Es sind die Beharrungskräfte gewesen, die die Richter des Bundesverfassungsgerichts ausgewählt haben, die nun in Karlsruhe sitzen. Und nun wundern Sie sich, dass das Bundesverfassungsgericht häufiger die Meinungen dieser Beharrungskräfte stützt als die Meinungen der Systemveränderer.

                      Im übrigen musste trotz des obigen Effekts auch die CDU-Regierung Merkel vom Bundesverfassungsgericht zu ungeliebten Veränderungen gezwungen werden. Spontan fällt mir etwa die Berechnung der Hartz IV-Sätze bei Kindern ein.

                      Jetzt wüsste ich doch schon mal gerne 3-5 Zitate nebst Kommentierung, was Sie dem guten Mann eigentlich so Schlimmes vorwerfen.

                      Es ist das Gesamtwerk im Kontext, das so schlimm ist. Nicht eine einzelne Äußerung, bei der man immer argumentieren kann, man sei nur missverstanden worden.

                      Hier ist eine Liste der Zitate:

                      http://brandsaetze.blogsport.de/sarrazin-zitate/

                      Nach deren vollständigem Lesen von oben bis nach unten, dürfte kein normaler Mensch mehr Zweifel an der Gesinnung von Thilo Sarrazin haben.

                      Quatsch.

                      Interessanter inhaltlicher Punkt. Meist ein Zeichen, dass das eigene Argumentationskonstrukt zusammenbricht.

                      Es gibt kaum noch junge Leute, die unter dem Kibbuz leben wollen, weil es die Fleißigen ausbeutet und die Faulen belohnt.

                      Das mag sein, aber Ihr Punkt war nicht, dass Sozialismus ein suboptimales wirtschaftliches System ist, sondern dass Sozialismus pauschal zu Millionen Toten führt. In dem Kontext bitte ich Sie uns eine Liste der Millionen Toten zusammenzustellen, die das israelische Kibbuz-System produziert hat.

                      Einen 67jährigen, langjährigen und zweifellos verdienten Parteigänger aus der Partei drängen, das können nur solidarische Parteien.

                      Zweifellos verdient?

                      Clement hat aus eigener Kraft keine einzige Wahl gewonnen und war zuletzt mehr Wirtschaftslobbyist als Sozialdemokrat. Und ja, das widerspricht sich. Clement hat dadurch dem Ansehen der SPD geschadet. Der Mann hat auch öffentlich zur Nichtwahl der SPD aufgerufen. Das war der Gegenstand des Ordnungsverfahrens gegen ihn. Ergebnis dieses Verfahrens war dann trotzdem lediglich eine Rüge und nicht der Parteirausschmiss.

                    • Rauschi 1. Juli 2019, 07:30

                      Nein, das lässt sich aus den vielen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 14 klar herauslesen und dem schließt sich jeder renommierte Grundgesetzkommentar an.
                      Naja, es egth ja auch um Artikel 15.
                      [Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.]
                      https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_15.html
                      Steht ganz offensichtlich im GG, daran besteht ja nun kein Zweifel mehr.

                    • CitizenK 1. Juli 2019, 08:34

                      Auf die Enteignung von Wohngebäuden bezogen hieße das aber Entschädigung zu aktuellen Marktpreisen. Die Spekulanten erhielten so ihren Spekulationsgewinn aus der Staatskasse, steuerfrei.

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2019, 08:56

                      Artikel 15 GG sieht eben keine marktgerechte Entschädigung vor und stände damit formal in Konflikt mit Artikel 14 (3) GG. Daraus leiten vornehmlich Berliner Hobby-Verfassungsrechtler ein praktisches Wahlrecht ab – was es nicht geben kann.

                      Tatsächlich ist Artikel 15 GG ein Relikt aus der Zeit der Gründung der Bundesrepublik, ohne jede Bedeutung danach. Er ist aus seiner historischen Entstehung heraus zu verstehen, weshalb ihn die meisten Grundgesetzkommentatoren für überholt halten. So ist für die Enteignung Voraussetzung, dass eine Vergesellschaftung beabsichtigt ist, mithin eine breite Sozialisierung. Sie erinnern sich? Systemrechtliche Neutralität der Verfassung? Nun hat sich Deutschland aber seit Jahrzehnten für ein marktwirtschaftliches System entschieden. Die einfach Überführung einzelner Unternehmen zur weiteren Fortführung bei gewinnorientierter Wirtschaftsweise nur eben in staatlicher Hand ist keine Vergemeinschaftung. BMW einfach zu enteignen, weil einem die Eigentumsverhältnisse nicht passen, ist nicht möglich.

                      Wenn es so einfach wäre, müssten sich Generationen von Kämmerern, Finanzministern und Verfassungsrechtler fragen, warum man bei Enteignungen stets auf den vergleichsweise teuren Artikel 14 (3) Rückgriff genommen hat, und nicht einfach zur Anwendung von Artikel 15 übergegangen ist.

                    • CitizenK 1. Juli 2019, 09:31

                      Artikel 1 GG ist auch so ein „Relikt aus der Zeit der Gründung der Bundesrepublik“, unmittelbar aus der damaligen Situation nach der Nazibarbarei abgeleitet. Artikel 79 auch.

                      Nach der marktkonformen Demokratie jetzt auch das marktkonforme Grundgesetz?

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2019, 10:24

                      Nein, Artikel 1 ist das wesentliche Grundrecht, auf das regelmäßig Bezug genommen wird. Natürlich referiere ich in solchen Fragen nicht meine persönliche Meinung, sondern die Mehrheitsmeinung von renommierten Grundgesetzkommentatoren oder / und Urteile des BVerfG. Müssen Sie nicht akzeptieren, nur sind Klagen dagegen selten aussichtsreich.

                    • CitizenK 1. Juli 2019, 11:48

                      Womit Sie ungewollt Ralfs Aussage über die politische Rolle des BVerfG bestätigen. Einen klar und eindeutig formulierten Artikel in der Verfassung für obsolet zu erklären, das nenn ich Chuzpe. Ein politisch anders ausgerichteter Senat könnte das auch mit Artikel 14 tun.

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2019, 12:42

                      Ich schlage vor, Sie setzen sich mit Münch auseinander.

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2019, 12:50

                      Ansonsten völliger Quatsch. Ralf meint, Grundgesetzartikel ließen sich auch völlig anders interpretieren. Dazu vergisst man so einfach mal die Rechtstradition, was nebenbei bemerkt für jeden Rechtsstaat ein wesentliches Element ist. Kein Gericht, das ernstgenommen werden will, kann einfach mal etwas Gegenteiliges zu dem sagen, was es jahrzehntelang geurteilt hat. Aus diesem Grund gibt es übrigens im Angelsächsischen das Prinzip der Präzedenzfälle.

                      Doch wie gesagt, selbst als Laie müssten Sie über das Wort „Gemeinwirtschaft“ stolpern. Oder haben die Verfassungsväter sich dabei nichts gedacht. Wahrscheinlich. Gemeinwirtschaft wird in der Jurisprudenz als Gegenteil zur Gewinnorientierung verstanden. Nun sind Unternehmen prinzipiell gewinnorientiert, selbst VW. Es müsste folglich etwas anderes sein als VW, um Artikel 15 überhaupt in Erwägung ziehen zu können. Doch das sind keine Fragen einer Laiendebatte. Sie können sich im Netz auch schlau machen, nur sollten Sie das auf Fachseiten tun, sonst haben Sie den gleichen Käs‘. Und in jeder gut sortierten Fachbibliothek haben Sie auch Grundgesetzkommentare, da können Sie auch schmökern.

                      Ich werde Sie nicht überzeugen können, daher an dieser Stelle: Tschau!

              • Stefan Sasse 30. Juni 2019, 07:55

                Ich hab mich die letzten Wochen wenig mit Kühnert beschäftigt, aber mir wäre neu, dass er sich gegen den Markt generell ausspricht. Danke für die rechtlichen Infos!

  • Kning4711 26. Juni 2019, 08:19

    Zu 10 – ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass die Grünen bei Meinungsumfragen immer überperformen und die AfD immer ein Stück schlechter ist. Es ist gerade unglaublich hip grün zu sein – dabei bleiben im Wie die Grünen viele Fragen die Antwort schuldig und gebären sich bigott.
    Beispiel NRW – Tagebau Garzweiler inkl. Hambi wurde von einer rot-grünen Landesregierung durchgewunken. Beispiel Kohleausstieg: wie viele Länder haben überhaupt ein verbindliches Datum zum Ausstieg genannt? Der Konpromiss könnte besser sein, aber er ist ein Anfang. Die Grünen suggerieren, dass mit Ihnen der Klimaschutz gelingen könnte, bleiben aber insb. betreffend der internationalen Perspektive leider viele Antworten schuldig.
    Für mich ist das Dilemma, dass außer den Grünen keine Partei einen ädaquaten Umwelttexperten aufbieten kann, der in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielt. Daher erschöpft sich die Debatte in einem Wettlauf Verbote auszusprechen oder eben zu verhindern. Die Lösungsperspektive für das große Ganze bleibt im Hintergrund.
    Verkehr, Landwirtschaft, Umwelt in diesen Ressorts werden künftig die großen Fragen verhandelt. Es gibt derart viele Wechselwirkungen, dass man durchaus drüber nachdenken sollte diese Ressorts näher zusammenzuführen. Ich erkenne aber im aktuellen Spitzenpersonal der Parteien niemanden, der sich hier aufdrängt ( vielleicht noch am ehesten Herr Harbeck) – CDU, SPD, FDP sind hier erschreckend blank.

    • Stefan Sasse 26. Juni 2019, 09:56

      Ist so nicht richtig. Die Grünen haben etwa 2013 in den Wochen vor den Wahlen 9-10% in den Umfragen gehabt und erreichten 8,4%. 2009 lagen sie zwischen 10 und 11% und erreichten 10,7%. 2017 wurden sie UNTERschätzt, da lagen die Umfragen zwischen 7 und 8% und sie erreichten 8,7%. Insgesamt sind die Umfragen also a) sehr akkurat und b) bewerten die Grünen nicht über. Es gab Perioden zwischen den Wahlen, in denen sie besser waren, aber das sagt ja nur aus, dass sie ZU DER ZEIT stärker waren.

  • Stefan Pietsch 30. Juni 2019, 08:19

    @CitizenK

    Nach den Kriterien hätte Oskar Lafontaine nach seinen Rücktritten aus der Partei geschmissen werden müssen. Albrecht Müller hätte entfernt werden müssen. Auch in anderen Parteien haben Mitglieder immer mal wieder erklärt, ihre Partei bei der Wahl nicht wählen zu können, bei der FDP war dies beispielsweise bei der Möllemann-Affäre so. Doch bei den Personen und in den Parteien war man geduldsamer.

    Kevin Kühnert steht wenige Wochen nach dem Interview davor, sich um den Parteivorsitz zu bewerben. Marginal wahrgenommen ist da gut. Viele SPD-Wahlkämpfer haben gesagt, das habe ihnen geschadet. Geschadet, da war doch was, oder? Parteiausschluss- oder zumindest -ordnungsverfahren.

    Wenn es tatsächlich um eine Debatte um die Zähmung des Kapitalismus ginge, wäre BMW ein denkbar schlechtes Beispiel. Der Autobauer steht nämlich dafür, dass in Zeiten globaler Investoren ein heimisches Unternehmen noch familiär geführt werden kann. Doch während in Wolfsburg Managergehälter explodiert sind und Betriebsräte sich bestechlich zeigten, während die Margen der an ihrer Leistung gemessen überbezahlten VW-Mitarbeiter von Billigkräften in China und Südamerika erwirtschaftet werden müssen, gibt es diese Exzesse in München nicht. Nur ein Trottel oder ein politischer Aufwickler kann bei solchen Fakten „Enteignet BMW!“ rufen, statt den Teilstaatskonzern an die Kandare zu nehmen.

    • Glaukon 30. Juni 2019, 09:29

      Sie haben Recht damit, dass BMW ein schlechtes Beispiel ist, deshalb ist es in diesem Kontext wichtig, darauf hinzuweisen, dass es nicht von Kühnert kam sondern von seinen Interviewern.

      Man kann Kühnert sicher vorwerfen, es nicht sogleich vehement von sich gewiesen zu haben, aber bei aller berechtigten Kritik sollte man schon ein Stück weit fair bleiben.

      • Stefan Pietsch 30. Juni 2019, 09:54

        Mir ging es gar nicht so sehr um Kühnert als Person, sondern um das ungleiche Vorgehen von Linken, wenn es um formal vergleichbare Sachverhalte geht. Als Juso-Chef ist er allerdings schon qua Amt sozialistischen Phantastereien verpflichtet. Und welche ideelle Prägung ist zu erwarten, wenn jemand in einer Beamtenfamilie aufgewachsen ist, seit dem studiert und für 3 1/2 Jahre in einem Callcenter gearbeitet hat? Es würde mich sehr erstaunen, wenn dahinter ein Mensch stehen würde, der das Privateigentum besonders hoch hält und Loblieder auf die Risikobereitschaft von Unternehmern halten würde.

    • CitizenK 30. Juni 2019, 09:57

      Die Kibbuzim funktionierten anfangs durch ein gemeinsames Ziel, das eine damals intrinsische Motivation erzeugte. Und sie hatten große Erfolge: die Wüste fruchtbar machen. Wie in allen westlichen Ländern ging der Zeitgeist mehr zum Ich statt zum Wir. Wie anderswo bringt das technologische Spitzenleistungen hervor – und scharfe soziale Gegensätze, die Israel in seiner durch äußere Feinde gefährdeten Existenz eigentlich nicht gebrauchen kann.

      BMW ist kein gutes, aber ein von den Interviewern eingeworfenes Beispiel, und Kühnert war nicht clever genug, das zu erkennen. Ich erkenne an, dass BMW im Vergleich zu VW positiver zu beurteilen ist. Aus dem Pleitekandidaten ein weltweit erfolgreiches Unternehmen zu machen, war das Werk von privaten Unternehmern. Dass Sie aber jetzt plötzlich und nur bei VW auf die ausgebeuteten Arbeiter in Südamerika rekurrieren, zeigt die Absicht und man ist verstimmt.

      @ Ralf

      Zur Beurteilung von „Sozialismus“ muss man nicht den Gulag oder Hohenschönhausen heranziehen – das HO- und Intershop-System, der Trabi und die löchrigen Dächer genügen vollkommen. Wenn’s zur Wahrheitsfindung dient, darf’s vielleicht nochmal ein Anekdötchen sein? Noch zu DDR-Zeiten war ich mit einem Studienkollegen in Ost-Berlin. Der gläubige Sozialist und begeisterte Skifahrer wollte sich die sozialistischen Errungenschaften im Skisport ansehen – und war binnen Minuten „geheilt“,
      die Holzskier hatten nichtmal Stahlkanten!

      Mich hat deshalb sehr irritiert, was Kevin Kühnert da von sich gegeben hat. Die vorsichtigen Reaktionen und einige Pressekommentare (sogar in der FAZ) zeigen aber, dass von der SPD als Korrektiv ein ein deutlich „linkerer“ Kurs erwartet wird.

      • Stefan Pietsch 30. Juni 2019, 10:28

        Ich kann die Geschichte der Kibbuze nicht beurteilen, bezweifle jedoch erheblich Ihre Darstellung. Jedenfalls polemisierte Ephraim Kishon bereits in seinen Frühwerken gegen das Konzept, mit den gleichen Argumenten wie sie heute als Ursache des weitgehenden Scheiterns ausgemacht wurden. Israel besitzt die größte Start-up-Industrie außerhalb der USA. Unzählige junge Israelis, die permanent Neues entwickeln – das geht nicht in gemeinschaftlichen Systemen, das funktioniert nur bei Betonung des Individuums.

        Ja, Israel hat Probleme mit der Ungleichheit und mit exorbitant gestiegenen Wohn- und Lebenshaltungskosten. Der Staat raubt den Bürgern einen Großteil ihres Einkommens und wichtige Lebenszeit. Dennoch gibt es dort kaum Obdachlose – der familiäre Verbund fängt (fast) jeden auf. Es ist der familiäre Verbund, gegen den Linke in Europa seit Jahrzehnten ankämpfen.

        Wenn BMW ein so schlechtes Beispiel ist, warum kritisieren Linke dann vornehmlich das bayrische Unternehmen, wenn es um soziale und gesellschaftliche Missstände in Deutschland geht? Warum ist niemand der Genossen beigesprungen? Warum wurden zwar die Enteignungsfantasien kritisiert, nicht aber explizit das explizit angesprochene Unternehmen verteidigt?

        Die Antwort ist einfach: BMW mag vorbildlich geführt sein, aber der Reichtum der Eigentümer, die mit der Unternehmensführung natürlich nicht das Geringste zu tun haben, geht Linken grundsätzlich gegen den Strich. Dann doch lieber ein teilstaatlicher Konzern mit starken, aber korrupten Gewerkschaften.

        Kein anderer Konzern hat eine solche Imbalance wie VW zwischen Gewinnen im Heimatmarkt und solchen in Drittmärkten. Während die in Deutschland produzierten Modelle kaum Gewinn abwerfen und in der Profitabilität weit hinter den Mitbewerbern liegen, werden die Gewinne mit in Tschechien, China und Brasilien gefertigten Autos eingefahren. Dafür bekommen dann die VW-Angestellten in Wolfsburg fette Boni ausbezahlt.

        Das ist die betriebswirtschaftliche Wahrheit.

        • CitizenK 30. Juni 2019, 13:28

          Was für eine clevere Unternehmensführung: Nutzt die Kostenvorteile der Globalisierung, gibt dadurch auch noch Menschen Arbeit, die sonst arbeitslos wären, vermeidet Konflikte mit dem Betriebsrat und steigert die Verbundenheit der heimischen Belegschaft. Am Ende zählt das Ergebnis und die Marktstellung.

          So würden Sie vermutlich schreiben, wenn Ihnen der Laden politisch ins Konzept passen würde. Zur betriebswirtschaftlichen Wahrheit gehört auch: In diesem halbstaatlichen, ergo verkrusteten Laden wurde die Plattformstrategie erfunden und Lopez durfte die Kostenpeitsche schwingen.
          Müsste Ihnen doch eigentlich gefallen. Und Merz‘ Volkskapitalismus schon vor Jahrzehnten. Es geht also auch ohne Superdividenden an Erben von Rüstungsgewinnlern.

          • Stefan Pietsch 30. Juni 2019, 14:23

            Sie liegen ziemlich falsch: so werden ja nicht die Kostenvorteile der Globalisierung genutzt, sondern Arbeitsplätze subventioniert – und zwar von ärmeren Arbeitnehmern zu den bestens verdienenden Arbeitnehmern. Die Zeche zahlen darüber hinaus Leiharbeitskräfte und ungleiche Bezahlung (Auto 5000), was normalerweise in linken Kreisen auch nicht so hoch angesehen ist.

            Konfliktvermeidung durch Zukleistern zu Lasten Dritter ist nie eine gute Lösung, sondern verschleppt immer nur ein Problem. Sie scheinen weder viel von mir zu verstehen noch generell von Betriebswirtschaft. Ich wiederhole es gerne: ich bin ein vehementer Gegner von Subventionen aller Art, da dadurch tatsächliche Kosten und Preise verschleiert werden. Die AEG – in den Neunzigern ich wichtiges Prüfungsmandat von mir – ging wegen solcher permanenten Quersubventionierungen kaputt. Diese tiefen Überzeugungen sind der Grund, warum ich in meinem Berufsleben nicht für Unternehmen arbeiten würde, die von Subventionen abhängig sind.

            Die Kostenpeitsche des Herrn Lopez traf kleine Zulieferer, die häufig bis zur Insolvenz ausgequetscht wurden. Auch hier zahlte die Rechnung andere. Lopez legte sich nie mit dem mächtigen Wolfsburger Betriebsrat an, davor stand schon Piech. Daneben hat VW so ziemlich jeden automobilen Trend verpasst: SUVs, kleine SUVs, Minivans, Cabrios (Anfang der Nullerjahre), Elektromobilität, Car Sharing. Woher kommt es, dass VW in den vergangenen 25 Jahren nie Trendsetter war? Weil die Überversorgung und der Kuschelkurs Management und Belegschaft träge gemacht haben?

  • Stefan Pietsch 30. Juni 2019, 09:20

    Kriminell ist das, was im Strafgesetzbuch steht. Und sonst nichts. Und so lange jemand einer Straftat nicht überführt werden kann, ist er unschuldig. Und nicht kriminell. Einfachste Rechtsgrundsätze, willkommen in Deutschland!

    Das Bundesverfassungsgericht hat eine 70jährige Rechtstradition. Schon in den Fünfziger und Sechzigerjahren gab es Urteile zu Enteignungen. Ihre Verschwörungsgedanken sind schon extrem. Bisher haben sich Richter, waren sie mal in Karlsruhe, noch immer von der Politik emanzipiert. Denn es sind als erstes Juristen, die da urteilen. Und spätestens bei den Grundgesetzkommentatoren hört Ihre Argumentation auf. Die sind aber sehr maßgeblich im Justizwesen. Auch für einen Nicht-Juristen sollte es einsichtig sein: Artikel 14 zeigt eine klare Gliederung und Rangfolge: der Eigentumsschutz steht über allem (Muss-Vorschrift), Enteignungen sind nur eine Ultima-Ratio (Kann-Regel) und damit auf Ausnahmen beschränkt. Umfangreiche Enteignungen sind damit ausgeschlossen, zumal die angemessene Entschädigung dann noch faktische Grenzen setzt. Allein die beiden großen süddeutschen Autobauer besitzen einen Börsenwert von rund 160 Milliarden Euro.

    Übrigens: die Grünen treten dafür ein, den Anteil an der Deutschen Telekom zu veräußern. Nur mal so. Der Eigentumsschutz steht über allem, wenn linke Grundgesetzinterpreten darauf verweisen, die Verfassungsväter hätten systemneutral formuliert, so ist das nur ein Teil der Wahrheit. So wenig, wie es einen reinen Kapitalismus ohne soziale Flankierung auf deutschem Boden geben kann, so wenig ist eine Wirtschaftsordnung auf Volkseigentum möglich.

    Wie wir eben geklärt haben, steht Kevin Kühnert mit seinen Forderungen nicht eindeutig außerhalb des Grundgesetzes

    Doch, tut er. Und er hat sich parteischädigend verhalten.

    Linke Parteien vertreten deutlich häufiger verfassungsrechtlich nicht zulässige oder zumindest fragwürdige Positionen als Konservative oder Liberale.
    Kunststück.

    Ja, das ist ein Kunststück. Gerade die Europa- und Militärpolitik zeigt, dass die Verfassung genügend Spielraum bietet, die Gesellschaft zu verändern. Man muss dazu nicht Grenzen überschreiten. Die SPD bekommt es dieser Tage nicht mal hin, ein Wahlverfahren für den Parteivorsitz zu konzipieren, das nicht völlig fragwürdig ist. Und was hat die wahrscheinlich grundgesetzwidrige Erhebung des Solis im nächsten Jahr mit gesellschaftlichem Veränderungswillen zu tun?

    Im übrigen musste trotz des obigen Effekts auch die CDU-Regierung Merkel vom Bundesverfassungsgericht zu ungeliebten Veränderungen gezwungen werden.

    Ich lege Wert darauf, dass ich mich auf parteipolitische Forderungen bezog, nicht auf die Gesetzgebung. Zwischen beidem liegt ein himmelweiter Unterschied. Daneben verantwortete Ursula von der Leyen in dem von Ihnen angesprochenen Verfahren eine Regel, die von einer SPD-dominierten Bundesregierung ins Gesetzesblatt gehievt worden war. Da solche Vergleiche weitgehend unfair sind, lasse ich sie.

    Es ist das Gesamtwerk im Kontext, das so schlimm ist. Nicht eine einzelne Äußerung, bei der man immer argumentieren kann, man sei nur missverstanden worden.

    Das ist nicht Ihr Ernst: Wo Sie in anderen Bereichen solche Verallgemeinerungen und Pauschalverurteilungen ablehnen, reicht Ihnen das bei einem Ihnen missliebigen Politiker und Publizisten. Selbst diese von Ihnen verlinkte Sammlung enthält keine eindeutig rassistische Zitate.

    Beispiel:
    Integration ist eine Leistung dessen, der sich integriert. Jemanden, der nichts tut, muss ich auch nicht anerkennen. Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.

    Das ist nicht fern der Realität. Ist die Realität seit Neuestem rassistisch? Eindeutig: es ist polemisch und in Teilen herabsetzend, vielleicht auch niederträchtig. Aber rassistisch würde ich das nicht nennen.

    Okay, die folgen in späteren Teilen. Es hakt aber an etwas ganz Entscheidendem: die Zitate sind selbst im jüngsten Datum alle fast ein Jahrzehnt alt und älter. Nur eins ist mit knapp 4 Jahren relativ jung:

    Wenn die Kanzlerin der Meinung ist, dass der Islam zu Europas Tradition und Kultur gehört, hat sie nicht Recht.

    Der Ansicht sind sehr viele, die über jeden Zweifel erhaben sind. Kurz gesagt: Es gibt bei Sarrazin einige Ausfälle ins Völkische, am Rande des Verhetzenden. Das war sicher auch 2010 in Ordnung, dies zur Grundlage für einen Parteiausschluss zu machen. Nur: solche Dinge sind erstens verjährt und zweitens im Ausschlussverfahren abgearbeitet. Ich verstehe nicht, warum sich der Berliner nun einem weiteren Verfahren stellen muss.

    Quatsch.
    Interessanter inhaltlicher Punkt.

    Ist bei mir als sehr diskussions- und streitfreudigen Menschen der Punkt, wo die Position so fernab der Realität oder des rechtlich Zulässigen liegt, dass eine weitere Debatte darüber keinen Sinn ergibt.

    Das mag sein, aber Ihr Punkt war nicht, dass Sozialismus ein suboptimales wirtschaftliches System ist, sondern dass Sozialismus pauschal zu Millionen Toten führt.

    Nicht der Sozialismus an sich an getötet, sondern die Menschen in das System zu zwingen und darin zu halten. Sozialismus funktioniert nur unter Zwang. Das war mit der DDR nicht anders als mit den jüdischen Kibbuzen. Auch diese funktionierten lange mit großem Gruppendruck. In einer freien Gesellschaft funktioniert das nicht und Zwang bis hin zu Gewalt darf nur der Staat ausüben.

    Wer ein sozialistisches System errichten will, muss die Frage beantworten, wie er – außer mit Gewalt – die Menschen da reinzwingen will. Sie selbst haben das ja früher auch schon deutlich gemacht: Wer sich entzieht, wird enteignet.

    Wolfgang Clement gewann die Landtagswahl 2000 in NRW mit knapp 43%. Das war unter den damaligen Umständen ein ziemlich gutes Ergebnis und bis heute das beste der SPD in ihrem Stammland. Der gelernte Journalist ist damit einer der wenigen Politiker, die in der Regierungszeit der Sozialdemokratie Wahlen (überzeugend) gewinnen konnte.

    Auch ansonsten finde ich Ihre Argumentation sehr schräg. Clement war mit dem Ende der rot-grünen Bundesregierung 2005 wie hunderttausende andere Parteigenossen nicht mehr vorrangig Politiker. Ihm dies zum Vorwurf zu machen, ist absurd. Und wenn die Partei gegen jedes Mitglied, dass fehlende Unterstützung in Wahlkämpfen zeigt, ein Ordnungsverfahren anstrengen will, ist die parteiinterne Gerichtsbarkeit gut ausgelastet.

    Es gibt nicht nur bei einzelnen Personen den Grundsatz, das tut man nicht. Es gehört sich auch nicht, langjährige Personen, die unzweifelhaft der Partei gedient haben, mit fragwürdigen Rechtsmaßnahmen zu überziehen.

    • Stefan Pietsch 30. Juni 2019, 09:57

      Die Geschichte des Sozialismus ist nicht blutiger als die des Kapitalismus.
      Quatsch.

      Unter „Opfern des Kapitalismus“ verstehen Linke üblicherweise all jene gewaltsam zu Tode Gekommenen, welche nicht explizit sozialistischen Phantastereien zugerechnet werden (können). Wie sollte man das diskutieren?

    • Rauschi 1. Juli 2019, 07:52

      Nicht der Sozialismus an sich an getötet, sondern die Menschen in das System zu zwingen und darin zu halten. Sozialismus funktioniert nur unter Zwang.
      Im Gegensatz zum Kapitalismus, da steht ja jedem frei, dabei mit zu machen oder nicht.
      Solang dem das überleben nicht so wichtig ist, mag das sogar stimmen.

      Wie sollte man das diskutieren?
      Waren Sie nicht der mit den Zweifeln an Erkenntnissen? Wenn man über etwas nicht diskutieren kann, dann ist es eine Glaubensfrage und kein Fakt.

  • CitizenK 1. Juli 2019, 16:58

    HerrnPietschs liebstes Sach-Argument: „Quatsch“, und
    „Kein Gericht, das ernstgenommen werden will, kann einfach mal etwas Gegenteiliges zu dem sagen, was es jahrzehntelang geurteilt hat.“

    Ach? 180-Grad-Wende beim Thema Homosexualität
    1957:
    BVerfGE 6, 389 – Homosexuelle
    1. Die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität (§§ 175 f. StGB) verstoßen nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz der Abs. 2 und 3 des Art. 3 GG, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entscheidend prägt, daß etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten.

    Heute: Sogenannte Homoehen müssen nach dem Urteil auch vom Ehegattensplittung profitieren können. Die Ungleichbehandlung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnern sei verfassungswidrig, hieß es.

    So viel zum Thema „Fachmann“ und „Laien“.

    Das Gericht ist nicht politisch? Schon auf der Website des BVerfG findet sich der Hinweis: „Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung“

    Der Präsident dieses Gerichtes fordert etwas, was es nach Meinung von S. P. und E. G. gar nicht geben kann!

    „Ich glaube auch, dass es richtig ist, in einem gewissen Umfang soziale Gerechtigkeit anzustreben. Das ist sicherlich eine Idee, ein Ideal. Wenn wir diese Idee aber aufgeben, dann werden wir
    zynisch.“ https://www.cicero.de/innenpolitik/der-praesident-im-hintergrund/49091

    Auch bei der empfohlenen Lektüre von Grundgesetzkommentaren sollte man vorsichtig sein. Der führende Kommentator, Maunz, war nicht nur während der NS-Zeit ein vehementer Unterstützer der Nazis, sondern auch in der bundesrepublikanischen Zeit ein Anhänger rechtsradikaler Ideen:

    „….die rechtsradikale Deutsche National-Zeitung vierzehn Tage nach Maunz’ Tod engste Beziehungen zwischen Maunz und dem Verleger der Zeitung, Gerhard Frey, offenbarte“.
    Quelle: https://www.zeit.de/1994/07/maunz-raus

    Vollkommen unpolitisch, dieses Gericht?

    • Stefan Sasse 1. Juli 2019, 18:45

      Kein Bundesverfassungsgericht kann unpolitisch sein. Das ist eine gefährliche Illusion. Leute, die „unpolitisch“ fordern, wollen meist eh nur den Status Quo. Was ein legitimes politisches Ziel ist, aber halt nicht „unpolitisch“.

    • Stefan Pietsch 1. Juli 2019, 18:51

      Die vorgetragenen „juristischen“ Vorstellungen sind schlichter Quatsch. Dass in das Grundgesetz ein „Wahlrecht“ von Grundrechten reingeschrieben worden sei, entbehrt jeder Logik. Nach dem Motto, wenn Artikel 14 (3) für eine staatliche Einheit zu teuer kommt, nimmt man halt Artikel 15. Genauso muss es Gründe geben, warum sich staatliche Stellen 70 Jahre lang nicht auf die doch so günstige Norm berufen haben, sondern lieber die Dinge teuer und immer im Abgleich zum Eigentumsschutz geregelt haben. Sind halt alles Pfeifen.

      Jedes Gericht passt seine Rechtsprechung an veränderte Lebensbedingungen an. Das passiert jedoch sehr, sehr langsam und nicht revolutionär. Die Geschichte des Abtreibungsparagrafen bietet dazu genauso Anschauungsmaterial wie die Ausweitung des Eheinstituts auch auf homosexuelle Lebensgemeinschaften. Hier hatte der Staat vor fast 20 (!) Jahren eine neue Richtung eingeschlagen bis die obersten Verfassungshüter in ihrer Rechtsetzung nachzogen.

      Es mag sein, dass Deutschland sich irgendwann entschließt, die marktwirtschaftliche Ordnung aufzugeben und sich dauerhaft zu sozialistischen Idealen bekennt. Wenn dann dauerhaft über Regierungen hinweg der Kurs beibehalten und viele Unternehmen nicht nur in Staatsbesitz überführt, sondern auch gemeinnützig geführt werden, dann ist es keineswegs ausgeschlossen, dass Artikel 15 doch noch eine wichtige Rolle in der Verfassungstradition übernehmen wird. Aus heutiger Sicht ist das eine absolute Illusion und wer darauf aufbauend argumentiert, verdient das Verdikt: Quatsch.

      Wer fast 75 Jahre nach Ende der Naziherrschaft noch daran erinnern muss, welchen Ursprung Grundgesetzkommentare (Verabschiedung des GG: 1949) haben, ist argumentativ peinlich schwach ausgestattet. Auch das Einkommensteuergesetz mit der Idee der progressiven Besteuerung geht auf die Nazis zurück, ohne dass jemand auf den Gedanken käme, das Gesetzeswerk deswegen zu diffamieren.

      „Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung“

      Nicht das Recht ist politisch, sondern die rechtliche Interpretation des Gerichts hat politische Auswirkungen. Aber das ist wohl des intellektuellen Anspruchs zuviel.

      Ein bisschen darf das Niveau schon wieder hochgezogen werden.

      • CitizenK 1. Juli 2019, 20:15

        Einverstanden, ziehen Sie es hoch.

        Dass Sie Fehler und Irrtümer in der Argumentation nicht zugeben können, ist hier hinlänglich bekannt. Aber dass Sie diesen hohlen Überlegenheitsgestus immer noch für Stärke halten – also nee.

      • CitizenK 1. Juli 2019, 20:42

        „Genauso muss es Gründe geben, warum sich staatliche Stellen 70 Jahre lang nicht auf die doch so günstige Norm berufen haben“

        Einen möglichen Grund habe ich genannt. Wenn „der“ Kommentar von einem Mann mit geheimgehaltenen (!) engen Verbindungen zu Rechtsradikalen steht, würde ich keine „linken“ Interpretationen erwarten.

        Im Übrigen ging es mir nicht speziell um Enteignungen (die ich für sehr problematisch halte), sondern um den politischen Charakter jeder Verfassung und jedes Verfassungsgerichts. Siehe Beitrag Stefan Sasse.

        • Stefan Pietsch 1. Juli 2019, 21:50

          Ein guter Witz basiert auf einem realistischen Grund. Daneben gibt es zahlreiche Grundgesetzkommentare, einen habe ich genannt.

          Ich habe nüchtern den rechtlichen Unterschied zwischen 14 und 15 beschrieben, kein Grund mir ins Gesicht zu springen. Das befremdet mich bei aller Liebe zur Streitkultur.

          • CitizenK 2. Juli 2019, 06:48

            Sehen Sie wirklich nicht, dass Sie es waren, der mir „ins Gesicht gesprungen“ ist? Wenn’s sein muss, springe ich halt zurück. Viel lieber bleibe ich aber auf der Sachebene.

            Ein Kommentar wie „….das ist wohl des intellektuellen Anspruchs zuviel“ ist nun wirklich kein Sachargument. Sie werden bei mir (hoffentlich!) keine herabsetzenden Äußerungen dieser Art finden.

            Zur politischen Dimension des Rechts mein Lieblingszitat:

            „Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet es Reichen wie Armen, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“ (Anatole France“)

            Ich verstehe nicht, dass man dies nicht sehen kann. Sie verstehen nicht, dass man das so sieht. Austragen sollten wir diesen Unterschied ohne persönliche Angriffe.

            • Stefan Pietsch 2. Juli 2019, 08:02

              Nach meinem Kommentar vom 1. Juli 2019, 08:56 kamen Sie sofort pampig:

              Artikel 1 GG ist auch so ein „Relikt aus der Zeit der Gründung der Bundesrepublik“, unmittelbar aus der damaligen Situation nach der Nazibarbarei abgeleitet. Artikel 79 auch.

              Nach der marktkonformen Demokratie jetzt auch das marktkonforme Grundgesetz?

              Ja, als Relikt bezeichnen Verfassungsjuristen Artikel 15. Auch wieder nicht meine Worte, aber Sie dürfen’s mir um die Ohren hauen. Und was soll man auf so einen blödsinnigen (Entschuldigung für den Ausdruck) von der marktkonformen Demokratie mit dem marktkonformen Grundgesetz? Wenn man eine Debatte vergiften will, dann so.

              Und danach setzen Sie den Tonfall fort:
              Einen klar und eindeutig formulierten Artikel in der Verfassung für obsolet zu erklären, das nenn ich Chuzpe.

              Sie werden in denen, wo ich Ihnen geantwortet habe, nichts Vergleichbares von meiner Seite finden. Ihnen hat nur wieder nicht gepasst, was ich schrieb. Und als mir irgendwann die Hutschnur riss, bekamen Sie halt auch mal das Niveau reingedrückt. Nur, Sie haben das Pampige hochgezogen.

              Über die spätere Reputation von Maunz bestand kein Zweifel. Daneben heißen die Kommentatoren Maunz/Dürig/Herzog/Scholz. Und natürlich gibt es weitere. Sie sind nicht damit zurecht gekommen, dass ich Sachstand, nicht eine politische Meinung, referiert habe. Zu einer gesitteten Debatte gehört aber zwingend diese Unterscheidung.

              • CitizenK 2. Juli 2019, 14:52

                Zu einer „gesitteten Debatte“ gehört es sich jedenfalls auch nicht, sein Gegenüber einen Dummkopf zu nennen.

                In meiner Wahrnehmung war ich ironisch und vielleicht etwas polemisch, aber nicht „ausfällig, beleidigend, dreist, frech, unverschämt“ – das bedeutet „pampig“ lt. DUDEN. Da Sie wiederholt in Israel waren, nahm ich an, dass Sie „Chuzpe“ richtig verstehen.

                Ich bezweifele doch nicht Ihre juristische Kompetenz. Aber soviel weiß ich: Das Grundgesetz gibt keine Wirtschaftsordnung vor. Nur extreme Formen sind ausgeschlossen durch die Grundrechte und das Sozialstaatspostulat.

                Deshalb sind für mich juristische Kommentare nicht sakrosankt. Allein den Begriff „zum Wohle der Allgemeinheit“ mit Inhalt zu füllen ist Politik, nicht Juristerei. Ich mache vom Recht Gebrauch, mich meines eigenen Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen.

                Ich bin bei diesem Thema so engagiert, weil ich im Rechtspositivismus in seiner reinen Form eine große Gefahr sehe. Furchtbare Juristen mit „Gesetz ist Gesetz“ – „Befehl ist Befehl“ haben in der deutschen Geschichte viel Unheil angerichtet und monströse Verbrechen gerechtfertigt.

                • Stefan Pietsch 2. Juli 2019, 15:01

                  Zu einer „gesitteten Debatte“ gehört es sich jedenfalls auch nicht, sein Gegenüber einen Dummkopf zu nennen.

                  Da haben Sie Recht.

                  In meiner Wahrnehmung war ich (..) nicht „ausfällig, beleidigend, dreist, frech, unverschämt“

                  Nein, das ist Ihnen absolut fremd. Ich meinte damit auch eher die österreichische Bedeutung von „patzig“.

                  Aber soviel weiß ich: Das Grundgesetz gibt keine Wirtschaftsordnung vor.

                  Das ist richtig und behaupte ich auch nicht. Artikel 15 wurde unter anderem für diesen Zweck geschaffen. Doch in einer im wesentlichen marktwirtschaftlichen Ordnung hat er nach herrschender Meinung keinen Zweck. Er war der Tatsache geschuldet, dass man im Rat damals die Systemfrage offen halten wollte.

                  Ich sehe im Recht einen enormen Schutz – vor Willkür, vor Übergriffen, vor Mehrheitsentscheidungen, welche die eigene Lebensführung betreffen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich möchte niemanden ausgeliefert sein, weder dem Staat und seinen Beamten, noch irgendjemanden sonst. Davor schützt mich das Recht.

                  • CitizenK 2. Juli 2019, 15:17

                    D‘accord.

                    • Rauschi 3. Juli 2019, 07:24

                      Mich würde mal interessieren, warum die Mehrheit der Juristen das so sehen sollte, wie der eine Kommentar. Gibt es dazu Untersuchungen? Wieso hat hier die Mehrheit Recht, obwohl das eine Geisteswissenschaft ist, bei der Naturwissenschaft ist aber Zweifel das oberste aller Gebote (siehe Klima)?
                      Ich würde für Art. 15 in vielen Bereichen pldäsieren, die elementare Bedürfnisse der Menschen betreffen, wie z.B. das Wohnen und auch die Gesundheit.
                      Das darf nicht nur den Profitinteressen einzelner Unternehmer überlassen werden, es sollte auch Bereiche geben, die dem entzogen werden. Für die wohlhabende Klientel wird sich immer noch jemand finden, der den gewünschten Luxus baut

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