Menschen lügen, intelligentere mehr, weniger intelligente weniger. Doch obwohl die Lüge so menschlich ist wie Essen und Trinken, agieren die meisten erstaunlich ungeübt. Zumindest sind viele Lügen mit einem Minimum an Skepsis und dem Willen zur Überprüfung leicht erkennbar. Denn der Lügner steht vor einem praktisch nicht lösbaren Problem. Während die Realität plausibel und schlüssig wirkt, seien Vorgänge auf den ersten Blick noch so seltsam, wirft die veränderte Darstellung hässliche Dellen in die so harmonische Matrix und bricht das Licht. Da die meisten Menschen jedoch oberflächlich sind und ein enormes Bedürfnis nach Harmonie besitzen, sind glaubwürdige Lügen nicht besonders schwer, wenn ein paar Grundregeln beherzigt werden.
Wer lügt, steht unter Stress. Unser Bewusstsein weigert sich, die vom Gehirn übermittelten, den eigenen Erkenntnissen widersprechenden Fakten anderen Menschen zu übermitteln. Wir wissen um den Betrug und unser Gewissen schützt uns davor, andere, gerade vertraute Menschen zu betrügen. Die Stresssymptome machen sich sowohl automatisierte Lügendetektoren als auch professionelle Analysten zunutze, während der Großteil der Lügner ihre Unwahrheiten unvorbereitet äußert. Zu einer guten Lüge gehören eine lange Vorbereitung und das Trainieren von Gehirn und Körper auf die neu geschaffene Faktenlage. Gute Lügen bestehen aus scheinbaren Details, fügen sich in die vorgefundene Wirklichkeit ein, verändern diese wenig in dem eigenen Gespinst und konditionieren das eigene Ich neu auf das gewollt Gelogene. Plumpe Lügen sind das Gegenteil, grob auf das Bekannte aufgesetzt, ohne Anpassung an Umstände und garniert mit Holzhammermaßnahmen, unterlegt mit der eigenen vermeintlichen Glaubwürdigkeit. Ein guter Lügner ist darauf vorbereitet, entdeckt zu werden. Doch die meisten sind wie Kleinkriminelle, die sich immer für klüger als andere halten und nicht an ein Entdeckungsrisiko glauben.
Der Blick des breiten Publikums auf Unternehmen und ihre Protagonisten ist widersprüchlich. Während der eigene Arbeitgeber hohes Vertrauen und Glaubwürdigkeit genießt, ist das öffentliche Image von anonymen Unternehmenslenkern und Managern traditionell mies. Dabei verpflichtet schon der Gesetzgeber handelnde Personen von Kapitalgesellschaften zu größtmöglicher Ehrlichkeit. Selbst eine Mini-GmbH ohne Angestellte und 100 € Umsatz darf keinen vorbestraften Betrüger für die Dauer von 5 Jahren beschäftigen. Organe von Banken und Versicherungen unterliegen einer noch weit strengeren Aufsicht durch das Bundesamt für Finanzdienstleistungen (Bafin). Gesetze zur Publizität verlangen ein hohes Maß an Ehrlichkeit, das von unabhängigen Sachverständigen jederzeit überprüft werden kann.
Die Anforderungen an herausgestellte Personen sind dabei unterschiedlich. Von Vertriebsleitern wird gemeinhin ein deutlicher Schuss Optimismus in die eigenen Absatzmöglichkeiten verlangt, eigene Fähigkeiten überbetont, die der Konkurrenz unterbewertet. Bei Finanzvorständen sind die Anforderungen deutlich versetzt. Buchführung und Finanzberichte unterliegen den Erfordernissen einer fairen Darstellung (True and Fair View) und müssen ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ vermitteln. Dazu sind die Bewertungsregeln in den letzten Jahrzehnten stetig verschärft und eingeengt worden. Entgegen dem allgemeinen Volksempfinden sind die Möglichkeiten von Unternehmensleitung wie Finanzchefs die tatsächliche Lage zu verschleiern sehr begrenzt. Wenn dies heute geschieht, nicht selten im Vorfeld von Insolvenzen, laufen solche Betrüger dem Staatsanwalt direkt in die Arme.
Solch strengen Verpflichtungen stehen nicht selten im Konflikt mit den Erfordernissen der Planbarkeit von institutionellen Investoren. Egal ob Aktienanleger, Private Equity-Unternehmen oder Konzernholdings: das finale Testat, der Jahresabschluss, soll keine Überraschungen bereithalten, sondern möglichst exakt dem Plan entsprechen. Leider gibt es in manchen Branchen Geschäftsverläufe, die sich schlechter als das Wetter planen lassen. Für alle Parteien eine unangenehme Wahrheit, denn nicht nur börsennotierte Gesellschaften unterliegen einer implizierten Verpflichtung zur Gewinnwarnung. Doch ab wann werden die Pferde scheu gemacht? Und auf der anderen Seite gilt ein Finanzchef als unprofessionell, der die monatlichen Ergebnisse schwanken lässt wie die Titanic kurz vorm Untergang. Im Ergebnis werden Reserven gebildet, die es nicht geben darf, die nicht nachgewiesen werden können und wo trotzdem bei Bedarf zurückgegriffen wird. Alle Beteiligten wissen um die Lüge. Gefährlich wird es, wenn übergeordnete Stellen und Investoren die Aufdeckung solch geheimer Reserven verlangen, die nur einem sehr engen Kreis von Personen genau bekannt sind.
Die Dilemmata der meisten sind dagegen weit profanerer Natur. So gibt es wohl in jedem etwas größeren Unternehmen eine hartnäckige Schicht von sogenannten Krankmachern. Das sind Mitarbeiter, die sich neben ihrem regulären 6-Wochen-Urlaub noch die ein oder andere bezahlte Auszeit gönnen, nicht selten strategisch geschickt um Wochenenden, Feiertage und Urlaube platziert. Das Unrechtsbewusstsein für den schweren moralischen wie wirtschaftlichen Betrug ist den wenigsten bewusst.
Bei der vorgetäuschten Krankmeldung tritt ein grundsätzliches Problem von Lügnern hervor. Sie müssen nicht nur mit dem Stress des illegalen Handelns fertig werden, sie empfinden sich unter einem Rechtfertigungsdruck, dem der Ehrliche nicht ausgesetzt ist. Das Unrechtsbewusstsein signalisiert dem Lügner die Sorge, dass andere die Geschichte nicht abkaufen. Amateurlügner neigen dann zur Überkompensation. Im Falle von Krankmachern äußert sich das schlechte Gewissen in ausschweifenden Horrorgeschichten über das gesundheitliche Unglück. Typisch war hierfür das Verhalten einer jungen Frau, die sich bei ihren Kolleginnen für ihre Fehlzeit in den folgenden Tagen entschuldigte. Gerade erst aus einer langen Auszeit zurückgekehrt, sprach sie ihren Kolleginnen ihre Erkrankung in die interne WhatsApp-Gruppe. Ein zögerlicher Beginn, eine lange Entschuldigungslitanei zeigten überdeutlich: diejenige lügt. Die Krankheit, die von einer meldepflichtigen Vireninfektion handelte, die in der Zeitrichtung gegenwärtig nicht vorkam, deren Symptome sich nicht in der schnellen Abfolge entfalten und die eher im Winter auftritt, passten nicht. Das gesamte Setup war falsch gewählt, die Lüge blinkte wie eine rote Warnleuchte.
In den Medien waren in den letzten Tagen zwei Lügen präsent. Zum Ende der Fußballweltmeisterschaft in Russland hatte der Manager der deutschen Nationalmannschaft Oliver Bierhoff deutlich geäußert, dass die Nominierung des türkisch stämmigen Spielmachers Mesut Özil ein Fehler gewesen sei, der während des gesamten Turniers wegen einer Fotosession mit Erdogan in der Kritik stand. Nach interner und medialer Ablehnung behauptete der gewiefte Medienfachmann, dass er sich in seiner eindeutigen und klaren Aussage missverständlich ausgedrückt habe. Die Entschuldigung passte nicht zu den Umständen.
Noch irrwitziger treibt es der notorische Lügner Donald Trump. Dessen Lügen sind meist so abstrus, dass der US-Präsident regelmäßig an Glaube und ideologisches Gewissen seiner Anhänger appellieren muss. Was nicht passt, wird mit dem Etikett „Fake News“ betitelt. So brachte es der irrlichtende Milliardär fertig, sein eigenes, autorisiertes Interview mit dem britischen Boulevardblatt Sun als eben solches abzutun, Fake News. In dem Plaudergespräch hatte der Mann aus Big USA die engste Verbündete seines Landes, die englische Premierministerin Theresa May, als unfähig abgekanzelt und den Chef der BREXIT-Kampagne als Nachfolger empfohlen. So ungefähr bereiten sich dem Leben entrückte Menschen auf eine Einladung zu einem Festessen vor.
Wer dachte, es geht nicht dreister, wurde dieser Tage eines Schlechteren belehrt. Zum Ende seiner Horrortour durch Europa traf sich Trump mit seinem russischen Amtskollegen im finnischen Helsinki vor den Toren von Putins Heimatstadt. Die Gespräche wurden als „privat“ deklariert, eine absolute historische Besonderheit, wenn sich die zwei Präsidenten treffen, die 90% des weltweiten Atomwaffenarsenals kontrollieren. Verabredet wurde angeblich nichts außer dem Austausch der privaten Handynummern. Und Onkel Donald fragte höflich und freundlich, ob eventuell Russland Einfluss auf dem US-Wahlkampf 2016 genommen habe, da ihm solche Gerüchte zugetragen worden wären. Die Sache war erledigt, als der ehemalige russische Spion im treuem Augenaufschlag versichert habe, dass Russlands niemals, unter keinen Umständen irgendwo auf der Welt manipulativ tätig sei.
Das war selbst dem reaktionären US-Sender FOX News zuviel der Unterwürfigkeit. Nach einer Twitterlawine, die ausnahmsweise nicht von dem New Yorker Tycoon ausgelöst worden war, las sich der 71jährige noch einmal die relevanten Passagen der gegebenen Pressekonferenz durch. Und voila, der beste Dealmaker auf Gottes Erdboden erkannte nach eigener Aussage, dass er sich versprochen habe. Er habe das glatte Gegenteil des Gesagten gemeint und nur statt „would’nt“ die letzten beiden Buchstaben verschluckt.
Bei Putin kann man stets sehen, dass er ein Lügenprofi ist. So erklärte der russische Präsident klar, sein Land habe mit den Hackervorwürfen nichts zu tun. Dies geschah just an dem Tag, als in den USA 8 russische Geheimdienstmitarbeiter mit schwerwiegenden Anklagen verhaftet wurden. Immerhin ließ sich Putin die Hintertür offen, selbstverständlich könnten Russen mitgemischt haben, nur nicht in offiziellem staatlichem Auftrag. Das erinnert an die Mission Impossible-Reihe mit Tom Cruise als Agent der US-Regierung: „Sollten Sie oder ein Mitglied Ihres Teams gefangen genommen oder getötet werden, wird die Regierung jede Beteiligung abstreiten.“ Wurde schon erwähnt, dass Putin langjähriger KGB-Agent war?
Dennoch musste auch der Kreml-Herrscher zuletzt alle Tricks in die Waagschale werfen. Ein solcher ist der Kniff mit der rhetorischen Frage verknüpft mit der eigenen Glaubwürdigkeit. Wenn der Lügner seine Felle davonschwimmen sind, fragt er seinen Gegenüber: „Sie glauben doch nicht etwa?“ Wer würde in einer solchen Situation mit „Ja“ antworten? Oft, wenn eine solche Frage kommt, steckt eine Lüge dahinter. Ein bekanntes Beispiel war der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der in der denkwürdigen Berliner Runde nach der Bundestagswahl 2005 seine Kontrahentin Angela Merkel damit herabwürdigte, dass seine Partei niemals sie zur Bundeskanzlerin wählen werde. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt.
Das politische und mediale Echo auf den Gipfel von Helsinki war verheerend und vor allem einhellig. Es ist keine typische Situation, wenn Journalisten in Nordamerika, Ostasien, West-, Süd- und Osteuropa zu der gleichen Bewertung kommen. Da ist der Sachverhalt eindeutig. Doch die Nachdenkseiten entblödeten sich nicht, daraus einen Niedergang des seriösen Journalismus abzuleiten, da allein Albrecht Müller und Jens Berger im Besitz der totalen Wahrheit sind. Der Lügner mag nicht zugeben erwischt worden zu sein.
Eine Methode um Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu ringen, ist die Formulierung einer Generalnorm, wie es Juristen ausdrücken. Unser Grundgesetz würde ohne Artikel 1 seiner zentralen Aussage beraubt. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Bürger haben ein Recht auf Ehe und Familie, doch gilt dies auch, wenn ein Kind geschlagen wird? Die Generalnorm kassiert den familiären Schutz wieder ein, wenn die Würde nicht gewahrt bleibt. Wohlhabende Bürger mögen Häuser besitzen, doch ihr Nutzen ist eingeschränkt, wenn die Würde anderer, beispielsweise der Mieter, verletzt wird.
Auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (Sittenwidrigkeit von Geschäften) und im Handelsgesetzbuch finden wir solche Generalklauseln, die alles noch einmal auf den Prüfstand stellen. Denn darum geht es: alles mag regelkonform sein, doch dann ist es nochmals einer höheren Kontrolle zu unterziehen. Erst dadurch gewinnen Regeln an Gewicht. Wer sich als Christ bezeichnet, der nach höheren ethischen Normen handelt, muss sich bei seinem Tun daran wieder messen lassen. So richtig einzelne Handlungsweisen im Rahmen von Gesetzen oder Zwängen sein mögen, so ist die Frage, ob sie auch übergeordneten Weihen standhalten.
Der Trick von Lügnern und Betrügern ist, sich dieser erhöhten Glaubwürdigkeit durch Generalnormen zu bemächtigen, dabei aber die Verhältnisse umzukehren. Wer erklärt, gegen alles Ungerechte dieser Welt zu sein, will nicht gegen das Unrecht aufstehen. Er will sich selbst gegen jeden Anwurf immunisieren. Doch ein Impfschutz gegen alles gibt es nicht. Die Aktionisten der deutschen Friedensbewegung behaupteten stets, gegen weltweite Kriege zu protestieren. Doch in der gesamten Nachkriegszeit gab es zwar Massenveranstaltungen gegen den NATO-Doppelbeschluss, den Zweiten Golfkrieg, den Kosovokrieg, den Irakkrieg und das Vorgehen Israels gegen Palästinenser, doch nie nennenswerte Proteste gegen die Niederschlagung der Proteste in Ost-Berlin im März 1989, die Bombardierung Tschetscheniens, das jahrelange Schlachten auf dem Balkan durch Serben, den furchtbaren Krieg in Syrien oder den Abschuss einer Zivilmaschine mit 300 Menschen an Bord über dem Gebiet ukrainischer Separatisten. Alle diese Konflikte haben einen entscheidenden Makel: Deutschland, die USA, die NATO oder Israel können nicht als eindeutige Täter angeklagt werden. Die Friedensbewegung lebt immer nur auf, wenn die westlichen Protagonisten involviert sind. So handeln Parteien, aber so handelt keiner, der von höheren Werten geleitet ist.
Noch ein Stilmittel des Lügners: er überzieht seine Gegner mit einer Kaskade von Beschimpfungen, die doch nur eine Reaktion auf das unmögliche Verhalten des Delinquenten seien. Der tatsächliche Anlass ist jedoch typischerweise, dass der Betrüger sich in die Enge getrieben fühlt. Dabei ist solches Verhalten alles andere als klug, missachtet es doch gleich mehrere Lebensweisheiten. Die eine lautet, wo Rauch ist, da ist auch Feuer und wer sich wie eine Furie gebärdet, heizt das Feuer an, statt die glühende Kohle ausgehen zu lassen. Und die andere Lebensregel besagt, wer schreit, hat Unrecht, gerade wenn das Schreien nicht aufhören will.
Die Mehrheit hat zumindest ein gutes Bauchgefühl für die Lüge. Viele Krankmacher sind in ihren Unternehmen wohl bekannt und selten beliebt. Donald Trumps Popularitätswerte sind im In- und Ausland historisch schlecht, Glaubwürdigkeit besitzt er ebenso wenig wie der neue Zar in Moskau. Und Schreihälsen wird im Netz Stück für Stück der Saft etwas abgedreht.
„So gibt es wohl in jedem etwas größeren Unternehmen eine hartnäckige Schicht von sogenannten Krankmachern.“ – Als Gewerkschaftsfuzzi regt das meinen Widerspruchsgeist an. (Ich bin Metaller, aber im Vorruhestand.)
Aaaaaalso: wenn die „Krankmacher“ eine „hartnäckige Schicht“ bilden, dann ist nicht ihre Krankmacherei das Problem, sondern ihr Defizit an Motivation. Wer „krank macht“, hat innerlich längst gekündigt; das einzige, was ihn noch hält, ist das monatiliche Salär. Eine zuverlässige Folge von sinnleeren „Ordres di mufti“, bei denen dem Kollegen die Entscheidungskompetenz genommen wird und er zum gehorchenden Sklaven degradiert wird.
Gibt’s eigentlich Zahlen dazu wie verbreitet das ist?
Ich stimme Wolf-Dieter hier übrigens zu.
Was es an objektiven Zahlen gibt, steht im Jahresreport der GKVs. Da steht im Grunde das, was ich gesagt habe: je größer das Unternehmen, desto mehr Krankmacher. Ansonsten hilft Beobachtung, und wenn Du behauptest, noch nie einen Krankmacher erlebt zu haben, dann gibt es dafür eigentlich nur zwei Gründe: Du schaust nicht wirklich hin oder Du möchtest nicht wahrhaben, was Du siehst.
Es gibt ja den Grundsatz der Gutmenschen: wer krank ist, ist krank. So, als würden Menschen immer ehrlich sein, immer altruistischen Motiven folgen und niemals egoistisch, zynisch oder niederträchtig sein. Oder dieser Menschenschlag kommt in Unternehmen und Bertrieben nicht vor.
Stefan-Pietsch-Bullshit-Bingo. Gutmenschen, ich als Mensch der Marktwirtschaft, Öffentlicher Dienst voll fauler Leute, junge Frauen schlechte Arbeitnehmer – BINGO 🙂
Aber klar hab ich schon Krankmacher erlebt. Ich wollte nur wissen ob es Zahlen über die Anteile gibt.
Du weißt doch, dass ich Probleme mit Sachen habe, wo ich den Inhalt nicht verstehe. Erst Strohmann und nun Bullshit-Bingo. Ich habe in meinem Leben ein einziges Mal Bingo gespielt, ich weiß nur, dass man da irgendwann „hier“ rufen muss. Sagen wir es so: es gibt Bereiche, wo Krankmacher möglicherweise häufiger anzutreffen sind z.B. im Sozialen. Überhaupt: je sozialer sich manche gerieren, desto egoistischer habe ich das häufig erlebt. Einen geschlechtlichen Unterschied mache ich da nicht. Das beste Mittel gegen Krankmachen ist sozialer Druck, vor allem durch Kollegen.
Die eine ehemalige Mitarbeiterin war selbst für mich eine harte Nuss. Ich bin dabei bis an das rechtlich Zulässige gegangen und habe sie letztendlich auch wegen ihren hohen Fehlzeiten in der Leistungsbeurteilung zurückgestuft – was für sie finanzielle Auswirkungen nach IG Metall-Tarifvertrag hatte. Natürlich wurde das kritisiert, doch jemand, der häufig krankheitsbedingt fehlt, kann weniger Projekte durchführen, auf ihn / sie kann weniger gebaut werden. Folglich ist auch eine Schlechterbewertung zulässig.
Über Krankmacher gibt es ebenso wenig Zahlen wie über Rassisten. Gemessen werden kann es nicht, schon weil Atteste meist ohne Krankheitsursache daherkommen. Und Befragungen sind, genauso wie die, ob jemand Rassist sei, unehrlich. Folglich lässt sich das wie bei Rassismus nur durch indirekte Vergleiche wie eben die nach Branchen umreißen. Das ist nicht präzise, da andere Faktoren (z.B. Altersstruktur) unberücksichtigt bleiben. Aber für wen wäre das auch von Nutzen, ob Rassist oder Krankmacher? Der Gesetzgeber gibt Arbeitgebern praktisch keine Handhabe, gegen den Betrug im Unternehmen vorzugehen. Wo gibt es sonst so eine Nachlässigkeit?
Mein Wissensstand ist, dass sehr hohe Krankenstände durchaus ein Kündigungsgrund sind. Und deine Schlechterstellung ist ja auch eine zulässige Maßnahme. Man muss ja nicht übertreiben.
Und im Sozialen Bereich haben Leute (surprise) mit Menschen zu tun und daher wesentlich mehr Ansteckungsherde. Dazu haben sie oft genug mit kranken Menschen zu tun. Das sollte eigentlich nicht überraschen.
Theoretisch hast Du nicht mal unrecht. Aber, so die Rechtsprechung, regelmäßige Krankenstände sind noch längst kein Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Arbeitnehmer dauerhaft nicht in der Lage sind, seine Tätigkeit auszuüben. Das ist häufig nicht möglich, wenn nicht der Arbeitnehmer selbst ein entsprechendes Attest vorlegt oder seinen Arzt von der Schweigepflicht entbindet. Ersteres ist mir in den Jahrzehnten nur ein einziges Mal passiert, da wollte ein Techniker mit dem Attest erzwingen, vom Außen- in den Innendienst versetzt zu werden.
Krankheiten folgen einer Saisonalität. Wenn Krankenstände sich deutlich von der Saisonalität abkoppeln, ist das ein deutlicher Hinweis auf Krankmachen. Übrigens, bei der angeblichen Diskriminierung von Frauen bezüglich Karriere und Einkommen akzeptierst Du ja auch statistische Anomalien als Beleg. Ich rede von jungen Menschen (nicht selten Frauen), die über Jahre höhere Krankenstände als ihre älteren Kolleginnen aufweisen. Nein, diese waren auch nicht in jüngeren Jahren häufiger krank. Ich habe im Artikel darauf Bezug genommen, wie einen Lügen regelrecht anschreien.
In einer mir bekannten Einrichtung werden 5 Hauswirtschaftskräfte beschäftigt. Eine Mitarbeiterin treibt es besonders arg, statistisch arbeitet sie seit fast 10 Jahren nur die Hälfte der geschuldeten Zeit. Dennoch hatte der Leiter aus sozialen Gründen ihre Arbeitszeit vor Jahren von Teilzeit auf Vollzeit angehoben. Soviel zum „Sozialen“. Selbst in den Sommermonaten kommt es wochenlang (!) vor, dass alle 5 Kräfte „krank“ sind. Meist beginnt die Woche damit, dass 2 sich krank melden und bis Mittwoch weitere nachziehen. Die Leitung jedenfalls ist unfähig, gegen solch offensichtliche Betrügereien vorzugehen. Eben sozial: „Wir nehmen jeden mit seiner Krankheit ernst.“ Im Ergebnis müssen dann die Fachkräfte die Arbeiten machen, wofür üppig Personal eingestellt ist.
Gerade in Kindertagesstätten schicken Eltern ihre Kinder krank in die Einrichtung – ein Fakt, den Du vor Monaten bestritten hast. Oft sehr rabiat und uneinsichtig versuchen sie die Erzieherinnen zu überzeugen, dass das Kind ja nicht wirklich krank sei. Der Gesetzgeber gibt in solchen Fällen der Einrichtung alle Möglichkeiten in die Hand, die Kinder zurückzuschicken. Aber, suprise, man ist ja so sozial.
Danke für die Info.
Ein Indiz, ja, aber natürlich folgen Krankheiten nur im Schnitt der saisonalen Entwicklung. Stimme dir aber grundsätzlich zu.
Wenn das so ist wie du es beschreibst ist das ein offensichtlicher Missstand, aber wie willst du solche Leute treffen ohne diejenigen mit zu erwischen, die unverschuldet und echt krank sind? Das ist ja immer das Problem bei so was.
Erinnere mich nicht mehr daran, aber du hast Recht dass das passiert. Auf der anderen Seite würdest du die Mitarbeiter, die wegen kranken Kindern zuhause bleiben, dann am liebsten entlassen oder anderweitig maßregeln wollen, also wundert es dich? Dazu kommt, dass wenn jemand wegen der kranken Kinder zuhause bleibt er deutlich weniger Geld bekommt als per ordentlicher Krankmeldung für sich selbst. Das ist natürlich auch krank machen, aber kaum verwunderlich. Wenn das System völlig behämmerte Fehlanreize setzt, was willst du machen? Ich habe schon so oft erlebt, was für einen Druck Arbeitgeber auf Eltern aufbauen, wenn deren Kinder krank sind – kein Wunder, dass die mit allen Mitteln versuchen, Fehlzeiten zu vermeiden. Das ist nämlich die andere Seite dieser Medaille. Wie du siehst, ist die Lage da nicht gar so schwarz-weiß, wie du das darstellst, und es wird keine Lösung geben, die dieses Problem tatsächlich behebt. Ich schleppe lieber ein paar Minderleister durch das System mit als einige Hochleister mit der kollektiven Keule zu treffen, wenn sie unverschuldet in das Problemfeld rutschen. Das magst du anders sehen. Aber ich hoffe dass du mir zustimmst dass keiner unserer beiden Ansätze ideal ist.
Meine Formulierungen klingen des Öfteren holzschnittartig, weil ich ein Problem herausarbeiten will. Der Ansatz war ja, wie wir lügen. Bei Trump hat jeder, der sehen wollte, letzte Woche erkannt, dass er unheimlich dreist lügt.
Nein, dagegen gibt es keine Gesetze und ich will auch keine Rechtsreform. Kranke sind zu recht in unserem Sozialsystem gut geschützt und das will niemand ernsthaft ändern. Ich rede von Dingen, die sich nicht durch Gesetze regeln lassen. Im Falle von Krankmachern sind als erstes die Kollegen angesprochen. Sie müssen deutlich machen, Drückebergerei nicht zu dulden. Erst danach greift die nächste Stufe, der Vorgesetzte. In meinem Bereich waren auch schon echte soziale Härtefälle. Ein Familienvater, dessen Tochter durch eine schwere chronische Krankheit in den Rollstuhl gezwungen ist. Er selbst wiederum litt auch unter chronischen Erkrankungen. Stuft man so jemanden irgendwann zurück? Verdammt schwere Entscheidungen, da brauche ich nicht noch echte Krankmacher dazu. Und das ist der Punkt, Stefan, weshalb ich Deine Position nicht teilen kann: Wenn wir denjenigen es durchgehen lassen, die ein soziales System / Denken ausnutzen, bringen wir alles ins Wanken. Denn Menschen lassen ihre Gutmütigkeit höchst ungern ausnutzen.
Natürlich kenne ich auch die Gegenseite. Aber auch da hilft nichts anderes als „zu stehen“. Heute sind Unternehmen eher auf gute Fachkräfte angewiesen als umgekehrt, oft faucht hier ein zahnloser Löwe. Aber: ein undenkbar hoher Prozentsatz dieser besonders gut situierten Eltern nutzt die Verhältnisse zur eigenen Bequemlichkeit. Sie arbeiten tatsächlich lieber als ihr krankes Kind zu betreuen, verabreichen Kleinkindern fiebersenkende Mittel, lügen über die Umstände. Wer so etwas bei den eigenen Kindern kann, ist für mich schlicht herzlos.
Ich glaube wir sind bei der Frage echt nicht weit auseinander, das sind nur Zwischentöne.
Metaller – ganz schlimme Sorte. 🙂
Ich denke, das siehst Du zu sehr aus Gewerkschaftersicht. In den Unternehmen, wo ich gearbeitet habe, konnten die Kollegen sehr wohl diejenigen identifizieren, die im Geruch des Krankfeierns standen. Und wie wäre auch zu erklären, dass der Krankenstand in Abhängigkeit zur Größe des Unternehmens und dem Eigentümer steigt? Kleinunternehmen haben meist Stände von 2-3 Prozent, Mittelständler irgendwo 4-6 Prozent und am Ende thront der Öffentliche Dienst.
Der Klassiker sind die Urlaubserweiterer. Ihr Jahresurlaub im Sommer oder Frühherbst sind nicht selten 3 1/2 – 4 Wochen und dann ist nur wenig Resturlaub für den Rest des Jahres übrig. Folglich muss das Kontingent aufgefüllt werden. Anhaltspunkte sind, wenn die Zahl der Krankheitstage über die Jahre relativ konstant ist und häufig in die selben Jahreszeiten fällt. Anderes Beispiel: ich hatte mal eine junge Mitarbeiterin, gerade frisch aus der Ausbildung. Die schaffte es in den Folgejahren regelmäßig auf 20-25 Krankheitstage. Nur damit Du eine Vorstellung hast: ein junger Mensch in seinen 20igern ohne erkennbares Leiden fällt im Jahr neben den üblichen 8 Wochen wegen Urlaub und Feiertagen noch weitere 4-5 Wochen wegen Krankheit aus. Und zur Ergänzung dieser Erinnerung: das Jahr hat nur 52 Wochen, abzüglich 13 Wochen bleiben gerade noch 39. Es lag auch nicht am Vorgesetzten, das war schon vor meiner Zeit so gewesen und auch danach. Neben einer gewissen Mentalität, die Krankmacher haben, trat bei ihr möglicherweise ein anderes Motiv: sie studierte nebenbei und brauchte einen Teil ihres Jahresurlaubs für Klausuren und Vorbereitung.
Typischer Fälle sind auch die psychisch Schwachen, die mit gezielt gesetzten Krankheiten versuchen, unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. Bei diesen Leuten lässt sich sehr genau berechnen, wann eine Krankheit ausbricht: wenn ein kritisches Gespräch ansteht, wenn derjenige um einen Vortrag oder ähnliches gebeten wird oder er gerade ein belastendes Gespräch erleben musste.
Und bitte verschone mich mit dem Käse von Motivation. Solche Leute haben genügend Motivation, jeden Monat ihr Geld abzukassieren und jahrelang trotz angeblich fehlender Motivation im Unternehmen zu verbleiben. Sie besitzen aber keine Motivation, den Aufgabenbereich auszufüllen, der in ihrem Arbeitsvertrag steht. Wenn 20, 22, 28jährige junge Frauen – also im allerbesten Alter – regelmäßig hohe Fehlzeiten aufweisen, dann haben sie möglicherweise eher ein Problem mit Arbeitsethik. Und woher auch soll die kommen? Wer bekommt heute noch als Kind, als Jugendlicher gelehrt, „was sich gehört“? Die meisten Arbeitnehmer tragen heute mehr Verantwortung als vor 25, 30 Jahren. Den Krankenstand signifikant gesenkt hat es nicht. Jetzt könnte ich über Verantwortungsethik räsonieren, aber da mache ich lieber Schluss. 🙂
Widerspruch aus ganzem Herzen: die Metaller sind nicht schlimm. Der einzig Schlimme bin wohl ich oder was ist?
Und dass wir uns nur richtig verstehen: in meiner Firma war ich ca. 15 Jahre lang „Technologie-Führer“ und habe mehr als reichlich Arbeitsstunden illegal geführt. Also solche, die auf dem Stundenzettel nie aufgeführt wurden. Das konnte schon mal Mitternacht werden, bis ich heim fuhr. Dass wir uns richtig verstehen: mich hat keiner überredet, sondern wir Männer sind so.
Dann kam eine Übernahme durch ein anderes Unternehmen, meine Kompetenz begrenzte sich auf kompetente Übergabe des Bestandes, im Übrigen wurde ich auf eine Bürokratie verpflichtet, die nicht mal meine Vorgesetzten (1. und 2. Ebene) auch nur verstanden hätten. Widersprüchlich in sich, also schlicht nicht erfüllbar.
Ich habe mich krank gefühlt, und ich habe – aus bloßer Depression – mehr als nur einmal „krank gefeiert“ – nie als Urlaubserweiterung, sondern aus innerer Kündigung. Aus der später eine reale solche wurde – mit einem Kuss auf die Stirn.
Metaller im Vorruhestand, wie angedeutet.
Und dass wir uns nur richtig verstehen: in meiner Firma war ich ca. 15 Jahre lang „Technologie-Führer“ und habe mehr als reichlich Arbeitsstunden illegal geführt. Also solche, die auf dem Stundenzettel nie aufgeführt wurden. Das konnte schon mal Mitternacht werden, bis ich heim fuhr. Dass wir uns richtig verstehen: mich hat keiner überredet, sondern wir Männer sind so.
Sic! Es geht mir nicht darum, alle in einen Pott zu werfen. Es geht darum, die faulen Äpfel von den tollen Mitarbeitern zu trennen.
Ich habe mich krank gefühlt, und ich habe – aus bloßer Depression – mehr als nur einmal „krank gefeiert“ – nie als Urlaubserweiterung, sondern aus innerer Kündigung. Aus der später eine reale solche wurde – mit einem Kuss auf die Stirn.
Metaller im Vorruhestand, wie angedeutet.
Das ist der typische Verlauf und ab einem bestimmten Punkt zwangsläufig. Das tut mir ehrlich leid für Dich, in jeder Hinsicht, vor allem, dass Du so Deinen Job verloren hast.
Danke für die Blumen. Es ist nicht mein Ding, meine Vita in den Vordergrund zu stellen, und in aller Deutlichkeit, ohne familiären Rückhalt hätte ich das nie geschafft.
Pietsch meint.
Sic! Es geht mir nicht darum, alle in einen Pott zu werfen. Es geht darum, die faulen Äpfel von den tollen Mitarbeitern zu trennen.
Der Artikel legt aber zu sehr das Gewicht auf die „faulen Äpfel“. Ich erlebe gerade einen Fall, wo zwei Firmen fusionierten und die Personalabteilungen zu einer Abteilung verschmelzen. Bei der Firma A sind Personaler beschäftigt, deren Job nicht nur in der reinen Abrechnungsarbeit von Löhnen und Gehältern besteht, sondern im Erstellen von Auswertungen für den kaufmännischen Vorstand, für die Finanzverwaltung und andere operative Bereiche etc. Aktualisierung der Stellenpläne. Die selbständige Erstellung von Arbeits- bzw. Dienstverträgen und deren Abwicklung bei Beendigungen des Arbeitsverhältnisses. Die Bearbeitung von Inkassoverfahren, Lohnpfändungen, sowie eigenständige Maßnahmen im Personal- und Ausbildungsmanagement. Dem ging eine klare Erarbeitung und Ausformulierung von Arbeitsprozessen voraus, sodass bei gegenseitigen Urlaubs- Vertretungen keine Einarbeitung mehr erforderlich ist, nach der Devise: Alle können alles. Das alles fand seine Fortführung und Verbesserung in permanenten Weiterbildungsseminaren bei Haufe, AOK u.a.m.
Die Personalabteilung der Firma B besteht aus sogenannten „Einhackern“, die nur abrechnen können und darüber hinaus nichts tun, was das Verständnis für Prozess- bzw. Arbeitsabläufe fördern würde. Dazu kommt ein nun für alle zuständiger Personalchef, der Herrschaftswissen pflegt und die Allrounder von A dazu verdonnert, ihre erworbenen Qualifikationen in die „Mülltonne“ zu treten zu treten und nur noch den Erbsenzähler zu geben.
Jeder, der sich schon einmal eingehender mit Personalentwicklung und Unternehmenskultur befasst hat, wird verstehen, dass bei den Personalern der Firma A sich ein enormer Frust breit macht, weil man ihnen das nimmt, über was sich gute Arbeitnehmer identifizieren, ihr Selbstwertgefühl in Bezug auf den Wert und die Anerkennung ihrer Arbeit im sozialen Gefüge eines intakten Unternehmens. Was jetzt passieren könnte, ist völlig klar. Einige werden sich mit der Situation arrangierend und sich in die innere Kündigung verabschieden, andere werden so sehr daran scheitern, dass ihr psychisches Gleichgewicht ins wanken gerät, was zu ansteigenden Ausfallzeiten führt.
Nun muss man sich fragen, ob eine solche Entwicklung, wenn sie denn darin bestehen sollte, dass durch die völlige Inkompetenz des Personalleiters, sich Frustration in der Abteilung ausbreitet, die dann auch noch zu krankheitsbedingten Fehlzeiten führt, den Arbeitnehmern anzulasten ist. Aus Sicht der Arbeitgeber ist die Sache meistens klar. Der Arbeitnehmer schuldet aus Vertrag seine Arbeitskraft; die Umstände müssen ihn nicht interessieren. Er hat zwar eine Fürsorgepflicht, aber diese kommt meist erst dann zum Tragen, wenn der Wagen schon ziemlich tief im Dreck steckt. Und gerade im öffentlichen Dienst, wo die Krankenstände traditionell hoch sind, feiert die Gleichgültigkeit des Führungspersonals Urstände. Aber auch in anderen Unternehmen, insbesondere in prekären Arbeitsverhältnissen, wird mit der körperlichen und psychischen Gesundheit Schindluder getrieben. Deshalb finde ich den Artikel von Pietsch wenig hilfreich, er bietet leider nur ein einseitig gewichtetes Bild der Arbeitswelt.
Sie beschreiben den öffentlichen Dienst als einen Bereich, wo nicht nur weit überdurchschnittlich viele inkompetente Führungspersonen arbeiten, sondern auch ein hoher Anteil frustrierter Mitarbeiter mit hohen Fehlzeiten – wo sie nicht für den Bürger zur Verfügung stehen. Daraus ergeben sich mehrere Fragen: Warum arbeitet ein so hoher Anteil wenig geeigneter Führungsleute für den Staat? Und warum heben Sie trotz dieser verherenden Bilanz den Staat so als Dienstleister hervor?
Weil diese verheerende Bilanz deiner Einbildung entspringt.
Das war nicht meine Beschreibung, zur Erinnerung.
Und gerade im öffentlichen Dienst, wo die Krankenstände traditionell hoch sind, feiert die Gleichgültigkeit des Führungspersonals Urstände.
Wie gesagt, die Krankenstände im Öffentlichen Dienst haben viele Ursachen, die unter privaten Dienstleistern dieser Leistungen genauso auftreten würden. Grund Nummer 1 ist Arbeiten mit Menschen, oft genug mit solchen, die nicht super gesund sind. Das ist halt in nur wenigen Privatunternehmen so der Fall. Ich bezweifle im Übrigen nicht, dass Krankmachen und Kranksein im Öffentlichen Dienst im Schnitt leichter ist als in der Privatwirtschaft, ich finde nur den Unterschied nicht gar so abgründig und schändlich wie du das darstellst.
Guter, sehr guter Punkt. Z.B. arbeiten im öffentlichen Dienst deutlich mehr Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Jetzt die schwierige Frage an Dich: findest Du es richtig, dass Menschen mit Behinderungen eigentlich nur der Öffentliche Dienst offen steht? Und wenn nein, was würdest Du dagegen tun?
Die bestehenden Gesetze zur Inklusion deutlich stärken natürlich. Bessere Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung erlassen. Du?
Und Du meinst, das bewirkt etwas? Wir haben sehr scharfe Gesetze bezüglich Anti-Diskriminierung. Besonders wirksam scheinen sie in der Hinsicht, die Jobchancen von Behinderten zu verbessern nicht zu sein. Übrigens: bevor ein Behinderter vor Diskriminierung im Unternehmen geschützt werden soll, muss er erst einmal eingestellt werden. Hier scheinst Du den fünften Schritt zu machen, bevor Du ein Stück gegangen bist.
Nein, du missverstehst mich. Ich will nicht schärfere oder härtere Gesetze im Sinne dass man die Strafen erhöht oder sagt „jetzt aber einstellen sonst sind wir richtig böse!“ oder so was. Aber du stellst ja korrekterweise die Frage, warum der Öffentliche Dienst so unglaublich viel besser in der Integration benachteiligter Gruppen ist als die öffentliche Wirtschaft. Das geht ja schon Jahrzehnte zurück. Wer war denn der Pionier in der Frauenförderung für Spitzenpositionen? Das war der Öffentliche Dienst („Frauen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt“ und so). Wer war es bei Behinderten, bei Migranten und zahlreichen anderen Gruppen? Stets der öffentliche Dienst. Ich kenne mich in dessen Strukturen zu wenig aus (ich arbeite ja in der Privatwirtschaft, stichel stichel), aber offensichtlich liegt es nicht an den Gesetzen, sondern an der Ausführung.
Es ist spät am Abend und Du haust so etwas raus:
Aber du stellst ja korrekterweise die Frage, warum der Öffentliche Dienst so unglaublich viel besser in der Integration benachteiligter Gruppen ist als die öffentliche Wirtschaft.
Du vergisst eine elementare Lebenserfahrung, die ich schon verbreitet habe: Es gibt nichts Unsozialeres als das, was sich sozial gibt. Ich bin seit meinem Erwachsenensein mit dem Thema Schwerbehinderung sowohl beruflich als auch privat befasst.
Die Unternehmenssicht
Ich hatte sicher mal erwähnt, dass ich bereits während meines Studiums in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet und dort Unternehmen geprüft habe. Diese umfassten nicht nur Bilanzen und Jahresabschlussprüfungen, sondern auch Due Diligence im Rahmen von Unternehmensübernahmen, bei denen alle Aspekte unternehmerischer Tätigkeit einer genauen Durchsicht unterzogen werden.
In den Achtziger und Neunzigerjahren zahlte praktisch jedes Unternehmen die bereits erwähnte Schwerbehindertenabgabe. Selbst der SPIEGEL musste dies einräumen. Der Grund ist denkbar einfach: die Kosten für Schwerbehinderte insbesondere bei Kündigungen sind unkalkulierbar hoch, weshalb die Abgabe immer die weit günstigere Alternative darstellt. Eine Unternehmensleitung, die Schwerbehinderte einstellt, muss mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Deswegen kommt das auch selten vor. Der öffentliche Dienst hat nicht das Problem von Entlassungen, deswegen lässt sich damit gut protzen. Das hat aber nichts mit Sozial zu tun.
Die Schwerbehinderten in Unternehmen sind Erbmasse. Mit zunehmender Betriebszugehörigkeit und Alter des Beschäftigten steigt natürlich auch das Risiko einer dauerhaften Behinderung. Zudem befördert nichts so sehr den Anstieg des Behindertenanteils wie eine bevorstehende Entlassungswelle in größeren Unternehmen. Bei mehr als 50% Schwerbehinderung greift der erweiterte Kündigungsschutz.
Bei meiner ersten verantwortlich durchgeführten Re-Strukturierung stand ich vor der Schließung einer hochdefizitären Filiale in einer strukturarmen Gegend. Während die einfachen Angestellten des Verkaufspunkts aufgrund des geschlossenen Kreises leicht abgefunden werden konnten, war dies bei dem Niederlassungsleiter äußerst schwer. Mit 80% Schwerbehinderung konnte er ohne Einverständnis des Wiesbadener Integrationsamt nicht gekündigt werden. Eine Entlassung war nur mit erheblichem Druck und Tricks möglich. Das funktionierte so, dass dem Leiter der Dienstsitz in der nächstgelegenen Filiale in 80 km Entfernung angeboten wurde. Natürlich war das nicht attraktiv. Verbunden mit einem hohen Abfindungsangebot (meiner Erinnerung nach so 150% pro Beschäftigungsjahr) stimmte das Integrationsamt mit seinem Einverständnis zu. Nur, wenn Du schon in so einem eindeutigen Fall betrieblicher Notwendigkeit große Schwierigkeiten der Umsetzung von Neuorganisationen hast und dies mit exorbitanten Kosten (normal sind 50%) umsetzen kannst, ist jede kalkulierbare Kostengröße der Einstellung eines Schwerbehinderten vorzuziehen.
Die persönliche Sicht
Meine gleichaltrige Schwägerin ist aufgrund einer falschen Impfung in der Kindheit und der damit verbundenen Knochenerkrankung seit ihrer Kindheit kleinwüchsig und damit schwerbehindert. Nach ihrer erfolgreich abgeschlossenen Lehre fand sie jedoch nur beim örtlichen Amtsgericht eine Anstellung. Sie hat eine geradezu preußische Arbeitsauffassung und auch sonst genügend Intelligenz für anspruchsvolle Arbeiten. Dennoch wird sie auch nach über 30 Jahren wesentlich schlechter vergütet als ihre Kollegen, da ihr formal die juristische Ausbildung als Rechtsgehilfin fehlt. Ein Unding, in der Privatwirtschaft wäre sie längst nicht mehr nach Ausbildungstitel, sondern Position und Aufgabenbereich entlohnt worden.
Während ihre Kollegen mit teils absurden Begründungen absurd lange ausfallen, weist die Schwerbehinderte kaum Fehlzeiten auf. Nach der Rückkehr benötigen diese dann besondere Schonung, mit Gewichten muss auch vorsichtig umgegangen werden. Wusstest Du eigentlich, dass in deutschen Behörden echt noch regelmäßig Akten gewuchtet und herumgeschoben werden? Jedenfalls, viele sind krank, nicht mehr richtig einsatzfähig. Aber es gibt ja die vorbildliche Mitarbeiterin und nicht wenige sind dann auf den naheliegenden Gedanken, dass ja die Gesunde die schweren Akten umheben könne. Also die Person, die zum Ein- und Ausstechen einen Tritt benötigt, weil die Kollegen sich gesträubt haben, den Zähler versetzen zu lassen.
Es gibt viele solcher Geschichten, wie unsozial sich sozial gebende Menschen verhalten.
Nichts von dem was du sagst ist falsch, aber war die Frage nicht eigentlich, wie das Problem zu lösen ist? Wenn niemand „so doof“ ist, Schwerbehinderte einzustellen, was machen wir dann?
Kommt darauf an, was Dir wichtig ist. Wie immer im realen Leben kannst Du nicht alles haben. Geht es darum, Schwerbehinderte im Unternehmen besonders vor Entlassungen zu schützen, so ist die geltende Rechtslage sicher angemessen. Daran siehst Du, worum es im Kern geht. Ist uns jedoch wichtig, Behinderte als gleichwertig und gleichberechtigt zu betrachten, so sind Schutzmaßnahmen der denkbar falsche Ansatz. Wir schützen Kinder besonders, weil sie eben nicht gleichgestellt zu Erwachsenen sind. Doch warum schützen wir eigentlich Behinderte und Frauen?
In Deutschland liegt die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten bei gerade bei 4,7%, in den USA ohne weitreichenden Kündigungsschutz (aber Verbot der Diskriminierung!) bei 18,7%. Damit findest Du eigentlich die Antwort auf Deine Frage in der genauen Beschreibung der IST-Situation. Das geltende Recht schützt die Insider und diskriminiert die Outsider. Willst Du das ändern musst Du den Kündigungsschutz gleich und berechenbar machen. Alternative 1 wäre, Behinderten im Unternehmen grundsätzlich keine gesonderten Schutzrechte einzuräumen. Soweit diese wünschenswert sind, kann dies über erhöhte Lohnersatzleistungen erfolgen. (2) Die andere Alternative wäre, Entlassungen nicht eng eingegrenzt zu ermöglichen, sondern im Falle des Falles die Abfindungsvergütung festzulegen. Das machen die meisten Länder und die Union war 2004 auch mal auf dem Trip.
Meine Schwägerin erhält bei einem Neuwagen einen erheblichen Zuschuss. Dieser wird aber vom Integrationsamt, also von der Allgemeinheit, geleistet und nicht von Unternehmen. Wenn Du bestimmte Beschäftigtengruppen besonders teuer machst, brauchst Du Dich nicht zu wundern, dass dies Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeiten hat.
Wir schützen Menschen besonders, die struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind. Das gilt für Schwerbehinderte, das gilt für Frauen, das gilt für Migranten. Es gilt auch für Homosexuelle, Transsexuelle etc., aber für die gibt es meines Wissens nach aktuell keine entsprechende Schutz- und Föderpolitik.
Frauen sind nicht struktureller Diskriminierung ausgesetzt und Behinderte auch nicht. Aus der Verschiedenartigkeit von Menschen strukturelle Diskriminierung abzuleiten, halte ich für an den Haaren herbeigezogen. Diskriminiere ich ernsthaft jemanden, weil ich mir mit Blick auf die wesentlich höheren Kosten die Frage stelle, ob ich mir denjenigen wirklich leisten kann? Ich durchlaufe zur Erlangung neuer Jobs / Aufträge auch weit mehr Kontrollen und Hürden als, sagen wir, ein Logistikmitarbeiter. Werde ich deswegen diskriminiert? Quatsch.
Mir ist nicht bekannt, dass Homosexuelle eine geringere Erwerbstätigkeit aufweisen oder ein geringeres Einkommen beziehen. Aber ich habe keine Sorge, dass wir das noch hinbekommen.
Das Gefühl dafür, dass es da keine guten Antworten gibt, vermisse ich bei Stefan etwas 🙁
Den Punkt, den Pietsch hier zu machen versucht, entspricht nicht ganz der Rechtslage. Denn private und öffentliche Arbeitgeber müssen auf wenigstens 5 % der Arbeitsplätze Schwerbehinderte beschäftigen, sofern sie über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen. Tun sie das nicht können/müssen sie stattdessen eine sog. Ausgleichsabgabe zahlen ( $ 77 SGB IX). Ich war übrigens fast 40 Jahre im öffentl. Dienst tätig. Es führt kein Weg daran vorbei, dass dort auf Krankenstände und ihre Ursachen kein großes Augenmerk gelegt wird, wie in der Privatwirtschaft. Die Signifikanz kann man bedauern, bestreiten lässt sie sich nicht.
Inwiefern widerspricht das dem von mir Gesagten?
Gar nicht, daher auch meine andere Antwort.
Im ÖD arbeiten nicht mehr Behinderte und chronisch Kranke als anderswo. Und wenn, dann meistens in Hiwidiensten. Ich habe Sie so verstanden, als würde das für Sie den hohen Krankenstand im ÖD erklären.
Ich bin auch davon überzeugt, dass der Anteil derer, die medizinisch krank sind und trotzdem zur Arbeit gehen wesentlich höher ist als der der tatsächlich krank Gemeldeten.
Laut DAK-Gesundheitsreport schon.
Wie hoch der Anteil derer ist, die sich trotz Krankheit zur Arbeit schleppen, lässt sich so schwer ermessen wie der Anteil der Krankmacher. Ich habe als Personalverantwortlicher immer sichtbar Kranke nach Hause geschickt und eine entsprechende Kultur gepflegt. Das ist schlicht rational, Kranke schädigen ihre Kollegen, sie verhalten sich höchst unsozial. Zudem ist krank zur Arbeit zu gehen schlicht unvernünftig in Bezug auf die individuelle Gesundheit als auch die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers.
Sicher, ich bin auch schon krank zur Arbeit gegangen, das begrenzt sich aber auf Sonderfälle, so z.B. während einer Jahresabschlussprüfung. Nur steht mir die Möglichkeit offen, mich abzukapseln und die Ansteckungsgefahr für andere auf ein Minimum zu begrenzen. Ansonsten liege ich bei Fieber auch lieber im Bett als im Bürostuhl zu hängen.
Ich sprach hier konkret von einem Personalleiter. Dass die meisten Vorgesetzten, ob öffentlich. oder privat über eine mangelnde Führungskompetenz verfügen, halte ich für systemimanent. Das Missverhältnis besteht darin, dass bei vielen das Hierachie-Denken aus gelernten „Angebern“ per defintionem Koryphäen machen will. Gerade im Kulturbereich Theater, wo ich lange tätig war, erlebt man am Beispiel kaffeeholender Regie-Assistenten, die nach ihrem Kunststudium und einigen Pirouetten zu Intendanten mutieren, [], die kraft ihres Amtes auf einmal zu Alleskönner werden. Aber auch, wenn ich mir die [] in der Wirtschaft ansehe, die Bilanzen für Erfolgsgeschichten halten und in Davos um einen Präsidenten herumschawenzeln und das beklatschen, was bei sachlicher Analyse sich als ausgemachter Blödsinn herausstellt, geht mir jeder Respekt vor der Metapher Führungskompetenz verloren. Eitles Geschwätz, wo man hinschaut.
Ich habe auf den Satz Bezug genommen:
Und gerade im öffentlichen Dienst, wo die Krankenstände traditionell hoch sind, feiert die Gleichgültigkeit des Führungspersonals Urstände.
Ansonsten wiederhole ich meine Bitte an Sie, sich im Ton zu mäßigen. Es steht Ihnen nicht.
Lesen Sie mal ihre Artikel, die strotzen vor despektierlichen Zuschreibungen. Gerade Sie wollen andere zur Mäßigung im Ton aufrufen, da kann ich nur schallend lachen. Ordnen Sie erst mal ihr Verhältnis zu sich selbst und ihrer überheblichen Diktion, bevor Sie andere in grotesker Manier schulmeistern.
Egal wie Sie das sehen. Ich kann bestimmte Worte und Formulierungen nicht ausstehen, schon gar nicht, wenn Menschen mit Schulhofbegriffen tituliert werden. Sie sind eigentlich klug genug, um mehr als einen Zug zu denken. Wenn ich solche Worte lese, fliegen sie sofort raus und Sie handeln sich einen Rüffel ein. Diese Übung hatten wir nun schon oft. Was haben Sie also davon, immer das Gleiche zu probieren? Nichts, Schimpfkanonaden stehen gerade ein paar Minuten im Blog. Und im Zweifel fliegt ein ganzer Text raus und Sie haben sich die ganze Mühe umsonst gemacht.
Seien Sie clever.
Im echten Schulhof-Sprech, müsste ich Sie jetzt fragen: Was, Lan? Wenn ihnen egal ist, wie ich das sehe, dann kann mir ja auch ziemlich egal sein, dass Sie Probleme mit bestimmten Worten und Formulierungen haben. Was aber daran scheitert, dass Sie am längeren Hebel sitzen und jederzeit den Stecker ziehen können.
Damit das Ganze nicht gar zu blöd daherkommt, versuchen Sie ihr Vorgehen mit einer soziologischen Betrachtung, zu camouflieren. In Wahrheit geht es ihnen gar nicht darum, ob jemand sagt: alle X sind A…löcher, was noch nicht einmal den Tatbestand einer Beleidigung erfüllen würde, sondern um inhaltliche und intellektuelle Exklusion. Und spielen sich dann auch noch als Sachwalter Menschen auf. Dies glauben Sie dadurch zu erreichen, dass Sie ihre Diskussionspartner und Mitmenschen allgemein kategorial verorten. Doch gerade den Attributen Respekt, Fairness etc. die Sie einfordern haben für Sie dann keine Gültigkeit mehr. Sie sind der erklärte Boss und haben das Sagen. Das bezeugen Sie bei anderen mit dem Verdikt: erbärmlich, schludrig usw. und arbeiten in Wirklichkeit damit nur ihre Vorurteile ab. Sie ertragen nicht die Ironie der Worte, diese stören ihr Verständnis von Hierarchie und den Kontrollwillen über andere. Ziemlich durchsichtig, muss ich sagen. Da setzt ihr altväterlicher Rat, Cleverness an den Tag zu legen, der Sache nur noch die Krone auf. Glauben Sie, dass tatsächlich jemand über dieses Stöckchen springt. Respekt und Achtung in der Sache könnten Sie von mir nur dann erwarten, wenn Sie die Ironie der Worte ertragen würden und ihre Argumente konsistenter wären. Ohne die Anspielungen uns Seitenhiebe, die Sie bei anderen so eilfertig konfiszieren.
Ein eklatantes Beispiel zeigt sich in der von ihnen weiter oben zitierten Lebenserfahrung: „Es gibt nichts Unsozialeres als das, was sich sozial gibt.“
Damit präjudizieren Sie eine ziemlich wirre Exklusion, die Sie zunächst moralisierend mit Erfahrungen in ihrem beruflichen und privaten Bereich zu begründen suchen. Um dann etwas weiter unten doch noch die Katze aus dem Sack zu lassen: „Eine Unternehmensleitung, die Schwerbehinderte einstellt, muss mit dem Klammerbeutel gepudert sein.“ Klar, wer bei seine soziale Verantwortung für die Gesellschaft ausschließlich wirtschaftlichen Interessen verfolgt, wird zum Heuchler, wenn er seiner vom Gesetzgeber aufgetragenen Beschäftigungspflicht per „Scheck“ nachkommt. Und ich bitte Sie, ihr Hinweis auf den erweiterten Kündigungsschutz, ist doch realiter kein Argument. Ich könnte ihnen x-Fälle nennen, wo die Zustimmung des Integrationsamtes, die in den meisten Fällen erfolgte, nur eine Formsache war, um den Schwerbehinderten zu kündigen.
Unter der Rubrik „Die Unternehmersicht , arbeiten Sie einen Sachverhalt ab, der viel über ihre Denkstrukturen aussagt. Wenn ein Unternehmen unrentabel geworden ist und aufgelöst werden muss, hat das Integrationsamt keine Chance, die Zustimmung zu verweigern, wenn die Kündigung eines Schwerbehinderten nach § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IX abläuft und ihm noch für eine Zeit von mindestens drei Monaten nach dem Tag der Kündigung Arbeitsentgelt gezahlt wird. Insoweit handelt es sich hier um einen Einzelfall mit berechtigter hoher Abfindung bei Schließung der Filiale. Das als mit exorbitanten Kosten verbundene Umstrukturierung zu bezeichnen, die als Grundlage herhalten soll, die Einstellung von Schwerbehinderten als eine unkalkulierbare Größe zu bezeichnen, ist doch sehr übertrieben und zeigt lediglich das unsoziale Verhalten von Unternehmen, wenn es darauf ankommt Gesetze mit Inhalt zu füllen.
Eine Antwort auf die Hintergründe und Problematiken der Krankenstände ist das alles nicht. Im Übrigen sind Krankenstände von 6 Wochen jährlich nach dem Gesetz dem Arbeitgeber zumutbar, egal warum und weshalb.
Was aber daran scheitert, dass Sie am längeren Hebel sitzen und jederzeit den Stecker ziehen können.
… woran ich nicht das geringste Interesse habe. Ich schätze Ihre Beteiligung, nur habe ich meine Tabuwörter und -Formulierungen, die Ihnen durchaus bekannt sind.
In dem von mir angeführten Beispiel ging es um die Schließung einer Filiale / Betriebsstätte, wobei die rechtliche Einheit des Betriebs gewahrt blieb. Damit war der Schwerbehinderte mit anderen Mitarbeitern in anderen Filialen sozial vergleichbar, weshalb wir eine alternative Beschäftigung anbieten mussten. Eine der vornehmsten Aufgaben des Integrationsamtes ist es, die Abfindungen hochzutreiben. Der Schwerbehinderte bleibt dabei immer Herr des Verfahrens.
Klar, wer bei seine soziale Verantwortung für die Gesellschaft ausschließlich wirtschaftlichen Interessen verfolgt, wird zum Heuchler, wenn er seiner vom Gesetzgeber aufgetragenen Beschäftigungspflicht per „Scheck“ nachkommt.
Ein Unternehmen hat in einer Marktwirtschaft ausschließlich einen wirtschaftlichen Zweck. Wird dies mit anderen Aufgaben aufgeladen, leidet ein Zweck / Ziel. Ralf hat dies gerade in Bezug auf Mesut Özil dargestellt: Fußballspieler seien allein dazu da, gut Fußball zu spielen, selbst wenn sie für das eigene Land auflaufen.
Das als mit exorbitanten Kosten verbundene Umstrukturierung zu bezeichnen, die als Grundlage herhalten soll, die Einstellung von Schwerbehinderten als eine unkalkulierbare Größe zu bezeichnen, ist doch sehr übertrieben und zeigt lediglich das unsoziale Verhalten von Unternehmen, wenn es darauf ankommt Gesetze mit Inhalt zu füllen.
Der entscheidende Punkt ist: Bei einer Umorganisation ist eine der ersten Fragen der übergeordneten Einheiten / Investoren: was kostet das? Beim Gros der Mitarbeiter lässt sich das einigermaßen zuverlässig kalkulieren, bei einigen Gruppen jedoch nicht. Ohne das Mittun eines Schwerbehinderten geht in der Regel nichts, folglich müssen die Alternativen so ungemütlich wie möglich gemacht und Druck aufgebaut werden. Das macht keinen Spaß. Typischerweise wird die Zustimmung des Integrationsamtes benötigt, was wiederum kostet. So verursacht die Entlassung eines Schwerbehinderten nicht selten Aufwendungen in Höhe von 250-300 Prozent des letzten Monatsbruttoentgelts – wenn mitgespielt wird. Das tun vor allem ältere Beschäftigte, wobei die potentielle Abfindung die Zeit bis zum Rentenbeginn überbrücken muss. So wird regelmäßig von beiden Seiten kalkuliert. Denn genau wegen dieser Kosten hat ein Schwerbehinderter praktisch keine Möglichkeit mehr auf eine Neueinstellung.
Im Übrigen sind Krankenstände von 6 Wochen jährlich nach dem Gesetz dem Arbeitgeber zumutbar, egal warum und weshalb.
Absolut. Was nicht zumutbar ist, ist Betrug und bei vermutetem Betrug kaum eine Handhabe zu haben, dagegen vorzugehen.