Das Oberlandesgericht Düsseldorf tat diese Woche etwas Bemerkenswertes: Die Richter verpassten dem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine so schallende Ohrfeige, dass die Zurechtweisung seinen Ambitionen auf das Bundeskanzleramt erheblich schaden dürfte. Der SPD-Parteivorsitzende hatte etwas getan, was in der Nachkriegsgeschichte höchst selten vorgekommen ist. Er setzte sich über ein Verdikt der Kartellwächter hinweg und erlaubte den Zusammenschluss der Handelsketten EDEKA und Kaiser’s Tengelmann. Dabei hatte der Vizekanzler mehr sein Image als Arbeitsplatzretter denn seinen Amtsauftrag im Blick, den Wettbewerb und damit das Gemeinwohl zu fördern.
Sigmar Gabriel steht dieser Tage gewaltig unter Druck. Seine Ministererlaubnis für die Übernahme des Lebensmittelhändlers Kaiser’s durch den Wettbewerber EDEKA wurde gerichtlich für nichtig erklärt. Die Richter am OLG Düsseldorf beschuldigen den Verantwortlichen für den Wettbewerbsschutz sich Mafiamethoden bedient zu haben. Der Minister soll Geheimabsprachen mit den Konspirativen EDEKA und Kaiser’s geführt haben, von denen der Marktführer REWE ausgeschlossen blieb. Zum Schluss stellte Gabriel den Schutz von Arbeitsplätzen über seine Amtspflicht. Entsprechend harsch war die Replik des Niedersachsen auf die politisch vernichtenden Vorwürfe. Das Gericht habe falsch geprüft und natürlich seien die Vorwürfe unzutreffend. Politisch strittiger war jedoch die Behauptung, der Schutz von Arbeitsplätzen sei im Gemeinwohlinteresse.
Kaiser’s gehört als Lebensmitteleinzelhändler seit Jahren zum Tengelmann-Konzern, unter dessen Dach zahlreiche Marken wie KiK, OBI und Netto vereint sind. Da aufgrund des anhaltend ruinösen Preiswettbewerbs im Lebensmitteleinzelhandel die Margen dünn sind und Kaiser’s Verluste abwirft, will Tengelmann sich von dem Filialbetrieb mit seinen 450 Häusern trennen. Doch das ist gar nicht so einfach, schließlich hat die Branche zahlreiche Marktkonzentrationen hinter sich. Der Markt ist „eng“, es gibt nur noch wenige unabhängige Unternehmen. Die Absage des Kartellamtes an die Übernahme durch EDEKA kam daher fast zwangsläufig:
“Das Vorhaben hätte nach Auffassung des Amtes zu einer erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen auf zahlreichen ohnehin stark konzentrierten regionalen Märkten und Stadtbezirken im Großraum Berlin, in München und Oberbayern sowie in Nordrhein-Westfalen geführt. Mit der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann wären die Auswahl- und Ausweichmöglichkeiten der Verbraucher vor Ort stark eingeschränkt und aufgrund der Beseitigung einer bedeutenden Wettbewerbskraft für die verbliebenen Wettbewerber zukünftig entsprechende Preiserhöhungsspielräume eröffnet worden.
Auch im Bereich der Beschaffung hätte das Vorhaben wettbewerbliche Probleme verursacht. Den Herstellern von Markenartikeln würde nach einer Fusion ein bedeutsamer unabhängiger Abnehmer nicht mehr zur Verfügung stehen. Die bei der Beschaffung insbesondere von Markenartikeln ohne-hin schon große Verhandlungsmacht der Spitzengruppe bestehend aus EDEKA, REWE und der Schwarz-Gruppe mit Kaufland und Lidl gegenüber ihren Wettbewerbern wäre weiter gestiegen.
(..) Die umfangreichen Ermittlungen haben gezeigt, dass die geplante Übernahme zu einer erheblichen Verringerung des Wettbewerbsdrucks in zahlreichen Markträumen führen würde. Teilweise wäre die bereits mit Abstand führende Marktposition von Edeka weiter verstärkt worden.
Die Wettbewerbshüter haben damit sehr schön das Gemeinwohlinteresse an dem Verbot umrissen: niedrige Lebensmittelpreise und verschiedene Anbieter sind wesentlich für die Versorgung der Bürger und Konsumenten. Gabriel und seine neuen Buddys von der zuständigen Gewerkschaft ficht das nicht an. Sie empören sich, dass nicht dem Schutz von Arbeitsplätzen Vorrang vor dem Interesse aller Bürger habe. Die Gewerkschafter versteigen sich dazu, ihre Lobbyinteressen zum Gemeinwohl zu verklären.
Soweit ist das wettbewerbspolitische Gewissen in Deutschland verkommen, dass sich der Staat zum Büttel von klassenkämpfenden Fahnenschwenkern macht. Eine Marktkonzentration in Form weniger Anbieter und höherer Preise mag im Lebensmittelbereich zwingend sein. Bei stagnierenden oder gar schrumpfenden Märkten ist es notwendig, dass Unternehmen ausscheiden, was entweder über Insolvenzen oder Betriebsaufgaben erfolgt. Es kann auch sein, dass neue Dynamik und Wachstum einkehren. Der Onlinehändler Amazon steht bereit, die Branche mit einem völlig neuen Geschäftsmodell aufzurollen. Doch es ist nicht Aufgabe des Staates darüber zu befinden, welche Arbeitsplätze erhaltenswert sind und welche nicht. Es steht den Behörden nicht zu, Einfluss auf Marktanteile und Gewinne von freien Unternehmen zu unternehmen. Der Staat überschreitet Grenzen einer freien Gesellschaft, will er den Bürgern vorschreiben, welche Geschäfts- und Vertriebsmodelle akzeptabel sind.
Ein Unternehmen, das regelmäßig Verluste schreibt, hat keine Existenzberechtigung und muss aufgeben. Das gilt ebenso für die Arbeit der Angestellten, deren Tätigkeit hinfällig ist, wenn andere es besser können. Greift eine Regierung an dieser Stelle ein, schwingt sie sich zum Schiedsrichter über Jobs und am Ende Lebensmodelle auf. Bleiben Jobs erhalten, die sich nicht tragen, geht das zu Lasten der Beschäftigten bei REWE, Lidl und EDEKA. Sie büßen für die Selbstsucht von Politik und „Arbeitnehmervertretern“ durch eigenen Arbeitsplatzverlust und geringere Verdienstmöglichkeiten.
Sigmar Gabriel hat seinem Amt massiv geschadet und der Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass er nichts weiter als ein kleiner SPD-Vorsitzender ist. Zu klein für ein Ministeramt und erst recht zu klein für die Führung des Landes. Zeit abzutreten.
>> Zeit abzutreten.
Wie bei Baschar al-Assad, Wladimir Putin, Barack Obama und Angela Merkel erkenne ich auch bei Sigmar Gabriel die Schwächen, fürchte aber mehr als den Verbleib im Amt das, was dann folgt.
Sigmar Gabriel dürfte in seinen Ämtern leicht ersetzbar sein. Die Frage nach der Alternative darf nicht den Blick verstellen, wann jemand für ein Amt untragbar geworden ist. Meiner Erinnerung nach ist es einmalig, dass ein Gericht eine Ministererlaubnis kassiert hat. Ich hatte immer ein gewisses Maß an Sympathie für die „Rampensau“. Aber Gabriel hat eklatant seinen Amtseid verletzt. Das ist in diesem Fall keine politische, sondern eine juristische Bewertung.
Wenn einem Vorstand eines Konzerns so ein Lapsus passiert, ist er reif für den Abschuss. Da dürfen für Politiker keine mildernden Umstände gelten.
Da mögen Sie Recht haben; ich habe nicht juristisch korrekt, sondern pragmatisch zu urteilen versucht. Ist halt personell wirklich Tote Hose bei der SPD
Mit Verweise auf unsere andere Diskussion weiter unten möchte ich anmerken, daß die Verhinderung von Kartellen eine wichtige Motivation beim Entstehen des neoliberalen Gedankenkonzepts war. Gewisse Leute können sich jetzt also mal ganz legitim darüber freuen, daß ein Minister den Neoliberalen die Grenzen aufgezeigt hat. 🙂
Dieser Fall ist ein Ideal um seine Überzeugungen zu zeigen. Glauben wir an die Freiheit und Verantwortung der eigenen Entscheidung oder akzeptieren wir das Untertanentum? Treten wir für die Freiheit des Wettbewerbs ein oder soll der Staat bestimmen, was erhaltenswert ist?
Es steht den Behörden nicht zu, Einfluss auf Marktanteile und Gewinne von freien Unternehmen zu unternehmen.
Die freien Unternehmen haben sich zu einem Zusammenschluss entschlossen, die jedoch vom Kartellamt untersagt wurde. Herr Gabriel hat mit seinem Veto versucht, dieses Verbot aufzuheben. Er hat also in ihrem Sinne des freien Marktes gehandelt. Wieso kritisieren sie das? Sind sie für strikte Marktregulierung durch strenge Kartellauflagen? Das wäre aber eine Abkehr von ihrem Glauben!
Grundlage freien Wettbewerbs ist das Verbot von Kartellen und Preisabsprachen. Davon ist jeder (!) Liberale überzeugt. Monopole sind Spielzeuge von rechten und linken Nationalisten.
Unternehmen haben ein Interesse an Monopolen, die hohe Preise ermöglichen. Genau aus diesem Grund sind Marktgläubige gegen Monopole und Kartelle. Eigentlich sehr einfach.
@ Marc
Die freien Unternehmen haben sich zu einem Zusammenschluss entschlossen, die jedoch vom Kartellamt untersagt wurde. Herr Gabriel hat mit seinem Veto versucht, dieses Verbot aufzuheben. Er hat also in ihrem Sinne des freien Marktes gehandelt.
Im Sinne eines freien Marktes, wie er von Vertretern des Laissez-faire bis sagen wir mal 1930 gepredigt wurde. Dann kamen (u.a. als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise) die Neoliberalen, die genau in solchen Monopolbildungen eine Gefährdung des Marktes sahen.
Die beste neoliberale Wirtschaftspolitik ist natürlich, den politischen Ordnungsrahmen so zu gestalten, daß die Unternehmen sich gegenseitig immer größtmögliche Konkurrenz machen. Exakt das passiert aber nirgendwo, weil Einflußgruppen den Wettbewerb zu ihren Gunsten zurückschneiden. Fast überall lassen sich Staaten von (meist) großen Unternehmen einspannen und machen ihnen das Leben bequemer. Aktuelles Beispiel eben: Gabriel kämpft für Goliath Edeka. Und das, obwohl die Regulierung im Lebensmitteleinzelhandel (und zuliefernden Branchen) sowieso schon so strikt ist, daß kleine Läden oder Ketten nur noch wenig Chancen haben.
(Exkurs Bankenwesen: Dort ist es durch überbordende Regulierung inzwischen praktisch unmöglich geworden, eine neue Bank zu gründen, wenn man nicht schon eine Bank ist. Anti-neoliberaler geht es nicht.)
Der Jammer ist, daß neoliberales Denken heute praktisch nirgendwo vertreten ist.
Der Jammer ist, daß neoliberales Denken heute praktisch nirgendwo vertreten ist.
Das ist ja auch kein Denken, sondern pure Unlogik.
Im Sinne eines freien Marktes, wie er von Vertretern des Laissez-faire bis sagen wir mal 1930 gepredigt wurde. Dann kamen (u.a. als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise) die Neoliberalen, die genau in solchen Monopolbildungen eine Gefährdung des Marktes sahen.
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Fast überall lassen sich Staaten von (meist) großen Unternehmen einspannen und machen ihnen das Leben bequemer. Aktuelles Beispiel eben: Gabriel kämpft für Goliath Edeka.
Ja was ist den nun? Wo ist da bitte schön eine Logik? Produziert der Laissez-fair Markt die Monopole oder der Staat mit seinen Eingriffen? Können sie das bitte für sich einmal klären, bevor sie weiter argumentieren? Auf dieser wirren Basis ist keine sinnvolle Diskussion möglich.
Produziert der Laissez-fair Markt die Monopole oder der Staat mit seinen Eingriffen?
Wie ich schon oben schrieb: Die Neoliberalen waren der Ansicht, daß der Laissez-faire-Liberalismus gefährliche Monopole hervorbringt und daher Kartellrecht notwendig ist.
Aber natürlich kann der Staat es auch übertreiben und weit über das Kartellrecht hinaus Märkte regulieren oder in sonstiger Weise eingreifen, so daß große Unternehmen bevorteilt werden und wieder monopolartige Strukturen entstehen. Dann neigt sich die Waage in Richtung Staatskapitalismus. Das Extrembeispiel sind Staatsmonopole wie früher z.B. das Postwesen.
Lassen wir Mal das absurde Argument des Staatskapitalismus beiseite – Woran erkenne ich einen überregulierten Markt? Am neoliberalen Bauchgefühl oder gibt es da doch valide Kriterien?
Gegenfrage: Woran erkenne ich einen sozialdemokratischen Markt?
Solche Fragen sind natürlich unsinnig. Es gibt keine festen Kriterien, weil Menschen unterschiedliche Überzeugungen haben. Es gibt weder einen neoliberalen noch einen sozialdemokratischen Papst, der endgültige Dogmen aufstellt. Hast Du aber auch nicht ernsthaft angenommen, nehme ich an. Die Frage war rein polemisch.
Als Neoliberaler vertrete ich die Überzeugung, daß neue Marktteilnehmer es immer möglichst einfach haben sollten, um den Platzhirschen in einem Markt das Leben unbequem zu machen. Darum finde ich den Banksektor zum Beispiel kraß überreguliert. Das Ausmaß an Regulierung ist so groß, daß eigentlich nur große Institute eine Chance haben können, d.h. die Regulierung hebelt den Wettbewerb aus. Ähnlich schlecht reguliert sind meiner Meinung nach der Energie“markt“ und der Gesundheitssektor, wodurch beide unnötige Wohlstandsverluste produzieren.
Wohin es führt, wenn man den Wettbewerb zugunsten vermeintlich hehrer Ziele Schritt für Schritt beseitigt, kann man seit 15 Jahren in seltener Klarheit in Venezuela beobachten.
Solche Fragen sind natürlich unsinnig.
Im Gegenteil. Diese Frage führt ins Epizentrum des Versagens der Ökonomie. Die Ökonomie kann nicht erkennen, ob ein Markt über- oder unterreguliert ist. Sie kann nicht einmal feststellen, ob er kurz vor dem Zusammenbrechen ist oder nicht. Die Ökonomie hat dafür keine einzige valide Kennzahl!
Ähnlich schlecht reguliert sind meiner Meinung nach der Energie“markt“ und der Gesundheitssektor, wodurch beide unnötige Wohlstandsverluste produzieren.
Aha, Bauchgefühl, wie vermutet. Vielleicht gibt es dazu sogar noch eine Excel-Studie, bei der man nach 5 Jahren merkt, dass die Sekretärin ein paar Spalten verwechselt hat. Die Formeln haben ohnehin nichts mit der Realität zu tun.
Was ist das Wesensmerkmal eines Marktes? Das freie Verhandeln von Preisen und Leistungen. Beides ist im Gesundheitswesen nicht im Ansatz gegeben.
Damit dies gewährt werden kann, sind die Marktbarrieren niedrig zu halten. Jede Zugangsschranke bedarf einer guten, Allgemeinwohlorientierten Begründung. Der Meisterzwang bei vielen Handwerksberufen ist so eine Barriere, der es an Begründung mangelt. Sie ist eine nicht notwendige Regulierung. Genau das gleiche gilt für die Gebührenkatalog der Gesetzlichen Krankenkassen. Ob eine kurze Beratung beim Arzt 10 oder 50 Euro kosten darf, ist nicht regulierungsbedürftig.
Wenn Sie also wissen wollen, was überreguliert ist, finden Sie die Antwort in diesen Kriterien.
P.S.: Diskreditiere ich die Psychologie anhand von Freud’s Irrtümern und Fehlern?
@ Marc
Und was ist am Vorwurf des Staatskapitalismus absurd? Wir sehen nur zu oft Kumpaneien zwischen großen bzw. einflußreichen Unternehmen und dem Staat. Subventionen für die Automobilindustrie, Bailouts im Bankwesen, Champion-Picking in Frankreich … Das ist doch fast epidemisch. Gerade hier kämpfen Linke und Neoliberale doch eigentlich gegen denselben Gegner.
Dann fordern wir beide höhere Steuern auf Vermögen und Gewinne?
Was hat das Eine mit dem anderen zu tun?
Nein, das ist ein klassischer liberaler Streitpunkt (ähnlich wie die Frage des Notenbankmonopols). Eine, heute überwiegende Zahl der Liberalen, insbesondere der deutsche Ordoliberalismus betonen die Bedeutung des Kartellrechts als Instrument zur Sicherung des Wettbewerbs.
Eine radikalere Lesart (in älteren Jahrgängen dieses Blogs übrigens vertretene Gruppe, siehe Tobias Fuentes) hält indessen Kartellbehörden für eine unzulässige Einmischung in die Freiheit des Marktes, der auf lange Sicht auch für im Wettbewerb entstandene Monopole neuen Wettbewerb schafft.
@In Dubio
Ihre Argumentation ist grotesk. Offensichtlich haben Sie das Urteil nicht gelesen. Gabriel wurde von Kaiser über den Tisch gezogen. Das hat das Gericht mit seinem Urteil zugunsten der Mitarbeiter verhindert. Ihr substanzloses Gefasel ist auch hier nur Unsinn.
Oha, ein wirtschaftspolitischer In Dubio Artikel, dem ich im Grossen und Ganzen zustimmen kann. Besonders der Forderung nach Gabriels Ruecktritt, wenn ich auch das Amt als SPD Vorsitzender dazu ergaenzen moechte. Dann koennte man sich ja fast ueberlegen, auf Bundesebene wieder SPD zu waehlen.
Ein Siechtum, dass bereits seit 1999 seinen Anfang nahm, steuert seinem unvermeidlichen Ende entgegen, das Ende des Lebensmitteleinzelhändlers Kaiser´s Tengelmann.
Ich gehe davon aus, dass der BHG das Urteil des OLG Düsseldorf nicht mehr kippen wird und am Ende die Zerschlagung des Handelsunternehmens droht.Laut Handelsblatt werden die Hälfte der rund 16.000 Arbeitnehmer auf der Strecke bleiben.
Ordnungspolitisch war Gabriels Entscheidung (wie die Holzmann Rettung von Schröder) falsch. Auf der anderen Seite ist Sie zu tiefst verständlich wenn jemand 8.000 Arbeitsplätze erhalten möchte. Gabriels Kanzlerkandidatur ist damit entgültig gestroben.
Oh Gott – nicht mal auf Linke ist hier mehr Verlass. 🙂 Kein Widerspruch nirgendwo.
Revision ist nicht zugelassen aus formalen Gründen. Die Bundesregierung muss erst diese Hürde nehmen. Ich denke, es handelt sich um Rückzugsgefechte des Bundeswirtschaftsministers. Denn wenn das Urteil Bestand hat, bleibt ihm nur der Rücktritt. Das weiß er.
Der Staat kann keine Arbeitsplätze schaffen oder erhalten. Diese Selbstbeschränkung fällt Politikern immer schwer. Nur vernünftige Menschen fesseln sich selbst.
Nein, sicher ist nur, dass es Tengelmann nicht mehr geben wird. Die Frage ist lediglich, welcher Einzelhändler die Supermärkte übernimmt: Edeka, Rewe oder verschiedene Einzelhändler. Die Jobs in der Zentrale sind in allen drei Fällen futsch, allen Beteurungen Edekas zum Trotze.
In der Bewertung von Gabriels Hinterzimmerpolitik sind wir, glaube ich, einig.
Dazu diese Ergänzung, vordergründig argumentiert Gabriel, er habe mit dem Käufer Arbeitsplatzsicherung ausgehandelt; das Gericht stellt fest, dass nur die Arbeitsplätze des Käufers gesichert seien, nicht aber die beim Gekauften. Billig-billig wie von Gabriel nicht anders zu erwarten.
Trotzdem zu deiner Wortwahl: „Ein Unternehmen, das regelmäßig Verluste schreibt, hat keine Existenzberechtigung“ – nicht Existenzberechtigung, sondern Marktfähigkeit. Seine Existenz ist durchaus berechtigt, nur eben nicht rentabel. Der Markt taugt nicht für moralische Kategorisierung.
Ich halte die Entscheidung Gabriels für eine schwere Fehlentscheidung.
Aber ist die Gerichtsentscheidung richtig? Das ist für mich weniger einfach zu beantworten. Das Gesetz gesteht dem Minister zu, andere Gemeinwohlgründe über den Schutz des Wettbewerbs zu stellen. Daher ist es für die Gerichtsentscheidung nicht entscheidend, ob der Zusammenschluss wettbewerbsschädlich ist, das setzt die Ministererlaubnis bereits voraus, kann also nicht zu ihrer Beurteilung herangezogen werden.
Zunächst werden Verfahrensfehler benannt. Was wurde besprochen? Das ist tölpelhaft. Es ist doch nicht schwer, konsistente Aktenvermerke zu verfassen. Der Punkt klingt berechtigt, kann aber natürlich durch eine Abgabe an einen nicht Befangenen und erneute Entscheidung übergangen werden.
Schwach wirkt die Einlassung, der Schutz von Arbeitsplätzen dient nicht dem Gemeinwohl. Da ist dem Gericht wohl angesichts des Zorns über Gabriels Entscheidung die Sicherung durchgebrannt. Eine echte Schwachstelle der Entscheidung.
Die Entscheidung hat aber auch einen sehr starken Punkt: Gabriel hat nicht überzeugend erklärt, wieso im konkreten Fall durch den Zusammenschluss Arbeitsplätze gesichert werden, wo doch Wettbewerber mit weniger Marktanteil das gleiche angeboten haben. Das ist der springende Punkt, mit dem Rewe letztlich Erfolg haben könnte.
Alles in Allem: Gabriel kriegt hier die Volle Retourkutsche einer eigenen Fehlentscheidung verbunden mit schlechter Handwerksarbeit zu spüren.
Falsche Fragestellung. Richtiger wäre: „ist die Kartellamtsentscheidung richtig?“
Warum sollte sie falsch sein?
Das Kartellamt ist dem Wettbewerb verpflichtet, der Zusammenschluss von EDEKA und Kaiser’s hätte die marktbeherrschende Stellung des Übernehmenden verstärkt. In einem solchen Fall wo der Wettbewerb eingeschränkt wird, ist eine Fusion zwingend zu untersagen.
Mit dem Entscheid ist ja nichts über das Schicksal von Kaiser’s und der Mitarbeiter gesagt. Fakt ist, der Filialist schreibt seit Jahren rote Zahlen, Restrukturierungsmaßnahmen sind ausweislich des Jahresabschlusses in vollem Gange. Es steht Tengelmann frei, nochmals in die Tochter zu investieren. Nur müssen solche Maßnahmen nicht auf Kosten des Wettbewerbs gehen.
Und wenn sich trotzdem herausstellt, dass Kaiser’s nicht überlebensfähig ist, dann ist das so. Aber es ist keine Entscheidung, worüber der Staat richten darf.
Nicht, dass wir aneinander vorbei sprechen. Meine „richtigere“ Fragestellung bedeutet nicht, dass ich die Kartellamtsentscheidung falsch finde. Sondern schlicht, dass ich ohne es besser zu wissen auf dessen Kompetenz vertraue.
Oder kurz: ich finde sie zunächst richtig.
In meiner Wahrnehmung ist das Kartellamt eine der nicht-fremdbestimmten, neutralen, autonom agierenden Einrichtungen.
(Natürlich nur so lange, wie ich nicht eines Besseren belehrt werde.)
Das Kartellamt besteht aus Beamten, die durch Gesetz enge Vorgaben haben. Deswegen stehen Sie fast nie im politischen Fokus.
Schwach wirkt die Einlassung, der Schutz von Arbeitsplätzen dient nicht dem Gemeinwohl.
Wieso ist das schwach?
Tja, Gemeinwohl, watt is datt eigentlich?
Leider halt ein Wischi-waschi Begriff. Jeder hat so sein eigenes Gemeinwohl 😉
There is no such thing as Gemeinwohl, pflegte schon Mrs Thatcher zu sagen.
Okay, gut, das ging etwas anders, verweist aber auf die grundlegende Schwierigkeit von platonischen Idealbegriffen.