Über 60% der Griechen haben im Referendum vom vergangenen Sonntag die Forderungen der Institutionen abgelehnt. Welche Forderungen das im Detail waren und ob die Griechen sie genau verstanden haben, ist dabei ziemlich irrelevant. Das Angebot der Institutionen lag ohnehin nicht mehr auf dem Tisch, und so oder so wurde das Referendum von allen Seiten mit einer ganz anderen Bedeutung aufgeladen: ein „Nein“ ist ein „Nein“ zur bisherigen und künftigen Griechenlandpolitik der EU und des IWF, ein „Ja“ wäre, unabhängig vom genauen Inhalt, der bedingungslosen Kapitulation gleichgekommen. Die Sackgasse, in der sich die Politik bis letzten Sonntag befand, ist ein Resultat einer schlechten Politik, in der mal die eine, mal die andere Seite mehr Verantwortung trug, am Ende aber niemand mit einer reinen Weste herauskommt, egal, wie markig die Statements der Beteiligten nun auch klingen. Das Referendum hat jedenfalls den gordischen Knoten durchhauen, und nur ein Narr kann glauben, dass das Resultat daraus in einem brauchbaren, glatten Seil besteht.
Ja, die bisherige Griechenlandpolitik der Institutionen ist nicht gerade etwas, was eine Auszeichnung verdient. Die wirtschaftliche und soziale Lage in Griechenland ist katastrophal, und sie verschlimmert sich stetig. Die Renten immer weiter zu kürzen und immer mehr Menschen aus der Krankenversicherung zu drängen ist kaum etwas, das die Wirtschaft ankurbeln wird. Gleichzeitig steht auch nicht zu erwarten, dass die bisher durch die Bank gescheiterten Verwaltungsreformversuche der Griechen besonders viel Zutrauen erwecken und das Land für die Investoren viel attraktiver machen, die jede wirtschaftliche Gesundung benötigt. Die Griechen haben Recht, den Forderungskatalogen der Institutionen zu misstrauen. Die Institutionen haben Recht, den Reformversprechen der Griechen zu misstrauen. Aber zwischen 2010 und 2014 hatte sich ein Modus herausgearbeitet, der berechenbar war: Griechenland brauchte Geld, wurde zu Austerität gezwungen, wurde ärmer und brauchte mehr Geld, worauf mit mehr Austerität reagiert wurde. Begleitet wurde dies von einem Trommelfeuer pejorativer Medienberichte über Griechenland, die diese Politik moralisch aufluden und damit einer sachlichen Debatte weitgehend entzogen.
Jedem konnte dabei klar sein, dass dieser Prozess für extreme soziale Verwerfungen sorgen und das Land in Armut stürzen würde. Das wurde auch von niemandem ernsthaft bestritten. Die Protagonisten dieser Politik argumentierten allerdings, dass diese Anpassungen notwendig seien, weil Griechenland durch die verfehlte Aufnahme in den Euro über seine Verhältnisse gewirtschaftet hatte, eine Annahme, die zuletzt auch in eher progressiveren Kreisen Anklang fand. Sobald also ein Equilibrium erreicht sei, würden die niedrigen griechischen Löhne und Sozialstandards einen Neuanfang und Aufschwung ermöglichen. Nun ist das unzweifelhaft wahr. Eine Volkswirtschaft kann nicht unendlich schrumpfen; irgendwann ist finis graecae erreicht. Nur wie die Deutschen aus eigener Erfahrung wissen sollten ist es unwahrscheinlich, dass das Volk sich bei den Kürzern bedanken wird. Denn wenn mein reales Einkommen um mehr als die Hälfte fällt und ich von einer Mittelschichtenexistenz unter die Armutsgrenze rutsche, während meine Kinder nur die Arbeitslosigkeit und dieselbe Armut als Aussicht haben, ist es mir relativ egal, ob es in 20 Jahren wieder besser aussieht. Ich will, dass es jetzt besser aussieht. Zu denken, dass rein ökonomietheoretische Argumentationen per Fiat ins griechische Bewusstsein zu befehlen sind, war einer der größten Irrtümer der Institutionen. Schon Marx wusste, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt.
Der Wahlerfolg von Syriza im Januar 2015 war das sicherste Zeichen, dass die Griechen mehrheitlich nicht länger bereit waren, das europäische Narrativ und die daraus resultierenden Maßnahmen zu ertragen. Obgleich Tsipras und Varoufakis von Anfang an das Ziel betonten, Griechenland im Euro zu halten, hatte sich das Spiel geändert. Von Anfang an war die Möglichkeit von radikaleren Maßnahmen eingebaut. Das lag in der Natur der Sache, war Syriza doch eine radikale Partei. Jede Beteuerung, mit Europa und im Euro arbeiten zu wollen, hatte auch zugleich eine implizite Ankündigung inbegriffen, im Zweifel zu radikalen Maßnahmen zu greifen. Syriza beging ironischerweise den gleichen Fehler wie die Institutionen und glaubte, mit ökonomischer Logik eine politische Krise lösen zu können. Die Annahme Varoufakis‘ und Tsipras‘, man könne in Europa eine Allianz gegen das deutsche Dogma der Austeritätspolitik finden, war von Anfang an hoffnungslos naiv (ich habe das im April beschrieben). Die Argumente für und gegen einen Schuldenschnitt waren auch in Brüssel bekannt. Niemand brauchte einen Varoufakis, um sie erklärt zu bekommen, und die Vorstellung, dass man in den Hinterzimmern des EU-Parlaments oder des IWF eine offene Debatte über die Zukunft Griechenlands austragen könnte, war geradezu albern, schien aber tatsächlich geglaubt worden zu sein. Die Einschätzung des Bloomberg Magazine, Tsipras regiere Griechenland wie einen Studentenprotest, geht an der Wirklichkeit nicht allzuweit vorbei.
Nun hatten die Institutionen zwei Dinge, die die Griechen nicht hatten: Zeit und Geld. Sie spielten ihr Spiel daher weiter. Forderungen, kleine Zugeständnisse, Verhandlungen. Syriza aber hatte einen Wandel versprochen. Und den konnte sie nicht liefern. Das Unvermögen, eine europäische Allianz aufzubauen, die auch nur kurz gegen die Deutschlands und der Institutionen bestehen könnte, verschloss sämtliche Möglichkeiten. Was blieb waren schöne Reden und gute Debattenbeiträge, gemischt mit Ausweisen politischer Unerfahrenheit, die allesamt letztlich irrelevant waren. Syriza fand sich, getrieben vom Druck der Innenpolitik von der einen und der unbeweglichen Front der Gläubiger auf der anderen Seite, in derselben Sackgasse, in der sich Papandreou und Samaras auch schon gefunden hatten. Syriza allerdings hatte keine Skrupel, die im Wortsinne populistische Karte zu spielen und den gordischen Knoten zu durchschlagen. Das Referendum ist eine klare Absage an die Institutionen und eine Stärkung des Syriza-Mandats.
Sollten Tsipras und Varoufakis ihre eigene Rhetorik allerdings tatsächlich glauben und davon ausgehen, dass eine Einigung nun wahrscheinlicher geworden ist, so sind sie schief gewickelt. Sie teilten dann den typischen Irrtum der Linken zu glauben, dass nur linke Politik demokratische Legitimation besitzen kann. Auch die 18 anderen Eurostaaten haben demokratisch legitimierte Regierungen, und es kann wohl kaum ein Zweifel bestehen, wie eine Volksabstimmung in der Slowakei, Deutschland oder Finnland bezüglich Griechenlandhilfen oder Schuldenschnitten aussehen würde. Hätten die Regierungen Europas die populistische Karte gespielt, die Tsipras jetzt gezogen hat, so wäre Griechenland bereits 2010 aus dem Euro ausgeschieden. Vielleicht wäre das das beste gewesen – das ist eine Frage, die Historiker werden klären müssen. Aktuell spielt Syriza nur Le Pen, Fortuyn und Farage in die Hände und bedient niedere Instinkte jeder Demokratie.
Dass es soweit gekommen ist ist auch die Schuld einer moralistisch überhöhten EU-Politik, die Griechenland so lange an die Wand gedrückt hat, bis es für die Griechen attraktiver schien, den Sprung ins Dunkle zu wagen als weiter die bekannten Pfade zu gehen. Die Vorstellung, dass diese Krise auf Griechenland beschränkt bleiben und den Rest der EU unangetastet lassen würde, ist, vorsichtig ausgedrückt, mindestens ebenso naiv wie die von Syriza, eine Volksabstimmung in Griechenland würde Wählerpräferenzen in Deutschland ändern. Das europäische Projekt ist so gefährdet wie nie zuvor, und seine Gegner stehen schon in den Startlöchern. Sie stehen dort schon seit Jahren, warten nur auf eine Gelegenheit wie die, die ihnen Syriza gerade geliefert hat. Das macht auch die ungewöhnlich scharfe Rhetorik überzeugter Europäer wie Martin Schulz deutlich. Demokratie bedeutet Kompromisse, und die Europäische Union bedeutet die Aufgabe von Souveränität unter die der Gesamtheit, ob einem das im Einzelfall passt oder nicht. Syriza hat einen Konsens, den die Institutionen bereits ins Wanken gebracht haben, damit vollends aufgelöst. Die Gewinner sind die Feinde der Demokratie. Das Referendum war nicht der Beginn eines neuen, besseren Europa. Wenn wir Pech haben, war es der Schwanengesang des Alten.
Ich folge dem Kommentar in allen Punkten, jedoch fehlt mir der Bezug zu USA und der NATO die dort hinter der Bühne auch mitmischen. ( Siehe 21.April 1967 in Griechenland )
Big „H“
Häh?
Stimme zu großen Teilen zu, gerade was die Naivität auf beiden Seiten angeht.
Nur im letzten Absatz… ich verstehe Martin Schulz immer noch nicht. Der Mann ist angeblich Sozialdemokrat und zeigt trotzdem mit keinem Wort die Einsicht, dass Demokratie nur dann tragbar ist, wenn es den Menschen auch (innerhalb der Möglichkeiten) gut geht.
Dass die Entscheidung der Griechen nicht die (m.E. irre geleitete, aber zu akzeptierende) Mehrheitsmeinung in Deutschland übertrumpfen kann ist klar, aber dann muss man eben auch akzeptieren, dass der Euro in seiner jetzigen Form gescheitert ist.
Der beste Weg vorwärts m.E.: Griechenland beim Austritt helfen, und gleichzeitig Reformen umsetzen, die eine Wiederholung des Theaters mit anderen Ländern verhindert. Reformen heißt dabei ganz konkret: (1) scharfe und zwingende Mechanismen, um Handelsungleichgewichte auszugleichen, insbesondere die automatisierte finanzielle Bestrafung von Handelsüberschüssen, und (2) Maßnahmen, damit der Bankrott einer Regierung kein Leid mehr auslöst; das erfordert u.a. die konsequente Bankenunion (damit die Liquidität der Banken und die Einlagensicherung eines Landes nicht mehr wie jetzt von der Zahlungsfähigkeit der Regierung abhängen) und vor allem gemeinsame europäische Sozialsysteme.
Das wäre mal ein sinnvolles sozialdemokratisches Projekt unserer Zeit – aber stattdessen haben Schulz und Gabriel nichts besseres zu tun als die CDU rechts zu überholen. Dafür fehlt mir wirklich jegliches Verständnis.
Ja, aber da ist Schulz in einer Pfadabhängigkeit. Der Fehler der SPD läuft ja seit vielen Jahren, da jetzt im Zuge der Griechenlandkrise die Kehrtwende einleiten ist politischer Unfug. Wenn man in Europa tatsächlich was verändern will muss man warten bis die unmittelbare Krise in Griechenland vorbei ist, weil es sonst so aussieht, als würde man Syriza doch noch die Forderungen erfüllen. Und das ist gerade unmöglich.
Hach ja, am Stolz der Politiker geht Europa noch zugrunde… bei uns heißt es immer, ein denkender Mensch ändert seine Meinung.
Aber es erklärt tatsächlich etwas besser, weshalb sich Schulz so verhält, auch wenn es ihn nicht entschuldigt. Der Verdacht, dass ein schneller Grexit schon allein deshalb gut für Europa wäre, weil dann die Ruhe einkehrt um notwendige Reformen am Euro umzusetzen, hat mich in der Tat auch schon umgetrieben.
Das hat in dem Fall echt wenig mit Stolz zu tun. Niemand ist geholfen, wenn jetzt auch noch ein politisches Erdbeben durch Europa geht und überall die populistischen Parteien Zuwachs oder sogar an die Macht kommen.
Wenn alle jahrelang auf dem falschen Dampfer waren und jetzt umsteuern müssen dann ist das natürlich ein politisch signifikantes Ereignis. Aber man kann doch nicht einfach weiter in die falsche Richtung gehen, nur weil man davor Angst hat? Ich verstehe auch die vorgebliche Logik zu Zuwachs von Populisten überhaupt nicht.
Szenario: Martin Schulz führt ein ausführliches Interview mit einer großen deutschen Zeitung. In diesem Interview beharrt er wie gehabt darauf, dass man Griechenland nicht einfach Geld geben kann, erwähnt aber auch, dass man „vielleicht Fehler gemacht hat“ und dass „die Prognosen des IWF über die Wirksamkeit der Sparpolitik zu optimistisch waren“.
Behutsame Schritte nach dem Motto, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Warum sollte das so unmachbar sein? Gerade in Deutschland, wo es eine große Koalition gibt, brauchen die herrschenden Politiker nicht einmal Angst vor Rücktrittsforderungen durch eine Opposition haben.
Ich würde davon ausgehen, dass das so in der Art schon passiert, nur eben nicht sofort.
Der Artikel geht leider von einigen sehr falschen Grundannahmen aus.
Es wird so getan, als wäre 2010 eine stabile Normalsituation gewesen, und seitdem hätte es „Verarmung“ gegeben.
Das ist falsch. Wenn man als Bezugspunkt die Euro-Einführung nimmt, dann sieht man über 10 Jahre ein völlig unrealistisches „Wachstum“ von 45% (!).
Mit entsprechenden Steigerungen bei Löhnen und Renten.
Nur wenig davon war aber wirklich gewachsene Wirtschaftsleistung, der Rest einfach nur ein Strohfeuer, ein Konsum finanziert durch ausländische Kredite.
Diese Spekulationsblase ist 2010 geplatzt, mußte irgendwann platzen. Und entsprechend mußten Bruttosozialprodukt, Löhne und Renten wieder auf das reduziert werden, was die griechische Wirtschaft wirklich hergeben kann. Das ist also keine „Verarmung“, sondern nur eine Normalisierung. Auf ein Niveau, das immer noch höher liegt als 2000!
Der Umschwung war Anfang 2015 fast schon erreicht: Ein ausgeglichener Staatshaushalt (ohne Schuldendienst) und wieder Wirtschaftswachstum. Aber diesmal ein reales!
Das hat Syriza dann wieder kaputt gemacht: Rückdrehung von Reformen, Einstellung tausender Sympathisanten in den Staatsdienst und jetzt die echte Staatspleite.
Griechenland geht es beim Lebensstandard immer noch besser als diversen anderen EU-Staaten und ist deswegen auch nicht hilfsbedürftig.
Wenn es nun „Nein“ sagt zu weiteren Geldhilfen aus Europa, dann muß halt mit Bordmitteln gewirtschaftet werden. Das wird noch ein Stück Sparen bedeuten, das ohne Syriza nicht nötig gewesen wäre.
Ich verstehe deine Kritik nicht. Auf genau diese Punkte nehme ich doch im Artikel Bezug:
„Jedem konnte dabei klar sein, dass dieser Prozess für extreme soziale Verwerfungen sorgen und das Land in Armut stürzen würde. Das wurde auch von niemandem ernsthaft bestritten. Die Protagonisten dieser Politik argumentierten allerdings, dass diese Anpassungen notwendig seien, weil Griechenland durch die verfehlte Aufnahme in den Euro über seine Verhältnisse gewirtschaftet hatte, eine Annahme, die zuletzt auch in eher progressiveren Kreisen Anklang fand.“
Mein Punkt im gesamten Artikel ist der, dass diese ökonomische Argumentation keine politische Relevanz besitzt. Niemand interessiert, ob meine Armut relativ zu vor 15 Jahren gesehen eigentlich gar nicht so schlimm ist. Jeder Grieche nimmt es als Armut wahr, und da kannst ihnen nochmal so oft erzählen dass ihr Wirtschaftssystem das nicht hergibt. Diese politische Dimension zu verkennen ist ein Kardinalsfehler der gesamten EU-Retter gewesen, der uns jetzt teuer zu stehen kommt.
Sofern man den Schlamassel noch irgendwie konstruktiv lösen möchte, sehe ich eigentlich nur zwei Wege:
a) Wir halten Griechenland im EURO, was gleichbedeutend wäre mit einem Schuldenschnitt – ggf. kann man das ganze als Aufschub verkaufen, aber ohne deutlich Zugeständnisse der Gläubiger wird sich an der verfahrenen Situation nichts änden
b) Wir führen Griechenland zurück zu Drachme und müssten den historischen Kunstgriff machen, dass zum ersten Wahl eine derartige Währungsveränderung gelingt, ohne dass die ökonomischen und sozialen Lasten zum Großteil von der Masse der abhängig Beschäftigten und den reinen Geldvermögensbesitzern getragen wird.
Ich fürchte aber, es ist niemand an der konstruktiven Lösung interessiert, sondern jetzt geht es nur noch um Risikominimierung und schwarzer Peter zuschieben – die Zeche zahlen, wie immer, die kleinen Leute…
Ich gehe davon aus, dass die Gläubiger bereits lange mit einem Schuldenschnitt rechnen. Die Frage ist nur zu welchem Preis. Seit Januar war einer dieser Preise das Abtreten von Syriza, was sich mit dem OXI eher verbaut. Aber auch so enthalten die ganzen „Reform“pakete ja diverse Sachen von der Wunschliste. Die Frage ist daher, wie viele Wünsche abgehakt werden bevor er kommt.
Schlechte Tage für Etatisten und Zentralisten.
Der Autor schreibt:
„Dass es soweit gekommen ist ist auch die Schuld einer moralistisch überhöhten EU-Politik, die Griechenland so lange an die Wand gedrückt hat, bis es für die Griechen attraktiver schien, den Sprung ins Dunkle zu wagen als weiter die bekannten Pfade zu gehen.“
Und:
„Das Referendum war nicht der Beginn eines neuen, besseren Europa. Wenn wir Pech haben, war es der Schwanengesang des Alten.“
Das alte System hat katastrophal gewirkt, ja.
Aber es war doch gut…
Wie meinen?
Ich meine, dass Sie als Etatist wirklich nicht sehen (können), dass und wie Sie sich widersprechen:
Ja, die Euroeinführung in Griechenland und der politische Weg der „ever-closer-union“ haben zur Katastrophe in Griechenland geführt. (Und zwar zwangsläufig und vorhersagbar.)
Und: Ja; dieses „Europa“, die heutige Europäische Union ist gut und alternativlos.
Ein Problem war doch, dass union gerade nicht ever close enough war.
@ Stefan Sasse
Ja, die Lage wäre übersichtlicher, wenn IWF, EZB und Frau Merkel in Griechenland „alternativlos“ „duchregieren“ könnten. Die Befragung des griechischen Volkes war wirklich „nicht hilfreich“.
Ich sehe nicht wo aus der Ablehnung des einen die Unterstützung des anderen folgen muss. Diese Schwarz-Weiß-Malerei hilft nicht weiter.
> Ich verstehe deine Kritik nicht.
Sorry, dann habe ich den Bezug wohl nicht deutlich gemacht.
Letztlich geht es um folgende Aussagen:
> Die wirtschaftliche und soziale Lage in Griechenland ist katastrophal,
> und sie verschlimmert sich stetig.
Nein, ist sie nicht. Ich gebe Dir recht, daß die „gefühlte Armut“ politisch mehr zählt als die faktische. Aber erst einmal muß man wissen, was die richtigen Rezepte sind, dann kommt die politische Vermittlung. Und die Politik nach Troika war langwierig und (für uns) teuer, aber grundsätzlich hat sie funktioniert!
> dass die bisher durch die Bank gescheiterten
> Verwaltungsreformversuche der Griechen
So ganz schlimm war es doch nicht. Sie haben den Transportsektor liberalisiert (ganz entscheidende Basis für die übrige Wirtschaft), sie haben die unsinnigen Abgrenzungsgesetze gegenüber der Türkei gekippt (ganz wichtig für die Inseln), die Finanzverwaltung ist besser geworden (die Schonung gewisser Steuerzahler ist politisch gewollt).
Griechenland hat immer noch heftige Strukturprobleme – aber es ist kein hoffnungsloser Fall.
> Griechenland brauchte Geld, wurde zu Austerität gezwungen, wurde ärmer
> und brauchte mehr Geld, worauf mit mehr Austerität reagiert wurde.
Nein. Griechenland brauchte nicht mehr Geld, weil die Austerität schlecht gewesen wäre. Sondern das Abschmelzen der Spekulationsblase war unvermeidlich, und wurde durch die EU-Hilfen abgefedert. Mit einem echten Bankrott 2010 und ohne EU wäre die soziale Lage wirklich krass geworden.
> Sobald also ein Equilibrium erreicht sei, würden die niedrigen griechischen
> Löhne und Sozialstandards einen Neuanfang und Aufschwung ermöglichen.
Und das ist nicht Theorie, das hat auch funktioniert. Mit ein paar weiteren Reformen (z. B. Etablierung eines Sozialsystems anstatt überhöhter Renten) wären Griechenlands Aussichten recht ordentlich geworden.
Aber Syriza hat ja nicht einmal ansatzweise strukturell etwas gemacht.
> Die Annahme Varoufakis’ und Tsipras’, man könne in Europa eine Allianz
> gegen das deutsche Dogma der Austeritätspolitik finden, war von Anfang
> an hoffnungslos naiv (ich habe das im April beschrieben).
Das war ein sehr guter Artikel.
Inzwischen bin ich mir aber nicht mehr sicher, ob eine solche Allianz wirklich geplant war. So doof und erfolglos kann man das eigentlich gar nicht angehen – die Differenzen innerhalb der übrigen 18 sind ja eigentlich immens und ausnutzbar.
Mir scheint immer mehr, Syriza wollten den Karren von Anfang an absichtlich an die Wand fahren. Dazu paßt auch das provokative Auftreten von Varoufakis und die unglaublich dilettantische „Vorbereitung“ der Sitzungen. Um dann in allerletzter Sekunde ein „Referendum“ durchzudrücken, das formal und inhaltlich schwachsinnig war.
> Das europäische Projekt ist so gefährdet wie nie zuvor, und seine
> Gegner stehen schon in den Startlöchern.
Exakt das.
Und das ist Syriza m. E. sowohl bewußt wie sehr recht. Vor politisch „ungewöhnlichen“ (sprich rechtsradikalen) Bündnissen schrecken sie ja nicht zurück.
Es sind halt klassische Linksradikale. Mit einem Extremismus, den man hierzulande nur noch in verwirrten Studentensekten findet.
Das kapitalistische System kaputt zu machen ist das wesentliche Ziel, da spielen Kleinigkeiten wie die Probleme griechischer Arbeitsloser oder das Bündnis mit Nazis keine Rolle.
„Und die Politik nach Troika war langwierig und (für uns) teuer, aber grundsätzlich hat sie funktioniert!“
Ich verlinke dazu einfach mal einen Vergleich zwischen den Porgnosen des IWF und der tatsaechlichen Entwicklung:
http://www.interfluidity.com/uploads/2015/07/troika-forecasts-large.png
Wie man sieht, verlief alles nach Plan. Und „fuer uns“ war da (bisher) ueberhaupt nichts teuer; schliesslich wurden Griechenland Kredite gewaehrt, auf die Zinsen „an uns“ gezahlt werden muessen.
> Wir halten Griechenland im EURO, was gleichbedeutend wäre mit
> einem Schuldenschnitt
Der Schuldenschnitt ist eine reine Ablenkungsdiskussion.
Die ESM-Schulden sind in ihrer Höhe derzeit überhaupt kein Problem – die Zinsen sind minimal und Tilgung erfolgt erst ab 2020.
Die aktuellen Haushaltsprobleme, die den regelmäßigen neuen Milliardenscheck aus Brüssel nötig machen, haben derzeit recht wenig mit einem fehlenden Schuldenschnitt zu tun, als damit, daß Syriza ordentlich Geld für seine Wahlgeschenke verpulvert hat.
Kleine Klarstellung:
Ansonsten stelle ich das so dar, wie ich die Fakten sehe.
Der letzte Absatz im vorletzten Beitrag ist dagegen reine Spekulation. Die eigentliche Motivation und die Ziele von Tsipras und Co. sind schwer zu verstehen. Ich bin auch sonst ein großer Anhänger von „Versuche nie mit einer Verschwörungstheorie zu erklären, was man auch mit normaler Dummheit erklären kann“.
Aber das taktische Verhalten von Tsipras und Varoufakis in den letzten Monaten kann ich mir eigentlich mit Dummheit überhaupt nicht erklären (im Gegensatz zum sehr erklärbaren Verhalten der Gegenseite).
Daher der Rückgriff auf die Vermutung, daß es ihnen nicht um Reform, sondern um Revolution geht.
Vielleicht. Ich hab die Theorie jetzt schon mehrfach gelesen, aber mir scheint, da braucht es schlichtweg Forschung zum Gegenstand, um das genauer aufdröseln zu können.
Dass eine Stabilisierung und Erhohlung mit der Troika-Politik eingetreten wäre bezweifle ich nicht, das sage ich ja auch im Artikel. Ich gehe aber (und da fühle ich mich in der Mehrheit) davon aus, dass die Maßnahmen insgesamt kein durchschlagender Erfolg waren.
@ Stefan Sasse
Jedem konnte dabei klar sein, dass dieser Prozess für extreme soziale Verwerfungen sorgen und das Land in Armut stürzen würde. Das wurde auch von niemandem ernsthaft bestritten. Die Protagonisten dieser Politik argumentierten allerdings, dass diese Anpassungen notwendig seien, weil Griechenland durch die verfehlte Aufnahme in den Euro über seine Verhältnisse gewirtschaftet hatte, eine Annahme, die zuletzt auch in eher progressiveren Kreisen Anklang fand. Sobald also ein Equilibrium erreicht sei, würden die niedrigen griechischen Löhne und Sozialstandards einen Neuanfang und Aufschwung ermöglichen. Nun ist das unzweifelhaft wahr.
Ganz so „unzweifelhaft wahr“ ist das nicht:
http://krugman.blogs.nytimes.com//2015/07/05/austerity-arithmetic/
Auch die 18 anderen Eurostaaten haben demokratisch legitimierte Regierungen, und es kann wohl kaum ein Zweifel bestehen, wie eine Volksabstimmung in der Slowakei, Deutschland oder Finnland bezüglich Griechenlandhilfen oder Schuldenschnitten aussehen würde. Hätten die Regierungen Europas die populistische Karte gespielt, die Tsipras jetzt gezogen hat, so wäre Griechenland bereits 2010 aus dem Euro ausgeschieden.
Du extrapolierst hier die „Stimmung in Deutschland“ auf die „Stimmung in Europa“. Dabei ist unklar, wie solche „Volksabstimmungen“ bezueglich des Merkel-Austeritaetseuropas in Italien, in Spanien, in Frankreich, in Portugal ausgehen wuerden. Ein europaweites Referendum waere mal eine wirklich spannende Sache. Das ist ja auch gerade der positive Punkt des Griechenland-Referendums (auch wenn ich normalerweise kein grosser Anhaenger von Volksabstimmungen bin – aus dem selben Grund wie Du). Aber in Griechenland haben wir jetzt endlich Klarheit! Was ist nicht alles spekuliert worden, was die Griechen wollen. Und alle Parteien haben immer so spekuliert, dass die Spekulationen ins eigene Programm passen. Damit ist jetzt Schluss. Jetzt wissen wir wie die Griechen denken. Vielleicht sollten wir wirklich mal auch die anderen europaeischen Buerger befragen, welches Europa sie wollen. Oder ob sie Europa ueberhaupt wollen.
Aktuell spielt Syriza nur Le Pen, Fortuyn und Farage in die Hände und bedient niedere Instinkte jeder Demokratie.
Das Argument ist ziemlich unfair, ganz egal ob man die Politik von Syriza mag oder nicht. Wenn eine Partei nicht mehr dafuer einstehen darf, was sie richtig findet, wenn eine Partei nicht mehr dafuer einstehen darf, was auch das Volk fuer richtig haelt, wie wir jetzt wissen, nur weil dann Applaus potentiell auch aus der falschen Ecke kommen koennte, dann ist unsere Demokratie bankrott. Denn die daraus folgende Alternative ist dann, dass Parteien das Gegenteil dessen umsetzen, was sie fuer richtig finden und was das Volk und die Waehler fuer richtig finden. Der Wahlbetrug wird zum „alternativlosen“ Regelfall, der Preis fuer etwas Applaus aus der „richtigen Ecke“. So wie bei all den Vorgaengerregierungen in Griechenland, die ihre Unterschrift unter Abmachungen gesetzt haben, bei denen von vorneherein klar war, dass sie zu einer sozialen Katastrophe fuehren wuerden. Unter Applaus von IWF, Banken und Merkel.
Syriza hat einen Konsens, den die Institutionen bereits ins Wanken gebracht haben, damit vollends aufgelöst. Die Gewinner sind die Feinde der Demokratie.
Europa kann noch immer als Gewinner vom Feld gehen. Aber nur dann, wenn die Verantwortlichen sowohl in Griechenland als auch in Deutschland verbal abruesten und einen tragfaehigen Kompromiss suchen. Tsipras hat nie gefordert Geld ohne Gegenleistungen zu bekommen, auch wenn das in den deutschen Medien anders dargestellt wird. Aber er benoetigt einen Schuldenschnitt. Und selbst der IWF sieht nun die Notwendigkeit eines solchen Schuldenschnitts – Schulden wohlgemerkt, die ohnehin nie zurueckgezahlt werden koennen. Wenn Merkel wirklich die Pragmatikerin ist, fuer die sie immer gehandelt wird, dann gibt es einen klaren Weg. Und Europa koennte gestaerkt aus der Nummer hervorgehen. Die Zeichen in Deutschland stehen dafuer eigentlich sogar ganz gut, denn die europakritischste Partei, die AfD, hat sich gerade selbst zerlegt und befindet sich in Aufloesung.
Wenn man in Europa tatsächlich was verändern will muss man warten bis die unmittelbare Krise in Griechenland vorbei ist, weil es sonst so aussieht, als würde man Syriza doch noch die Forderungen erfüllen. Und das ist gerade unmöglich.
Das ist aber ein trauriges Argument, Millionen Griechen zu sozialem Elend zu verdammen, nur weil es politisch gerade unvorteilhaft waere sich kompromissbereit zu zeigen.
Oh, klar darf man für das einstehen, was man für richtig hält. Nur ist es halt nicht so, dass Idealismus vor Konsequenzen schützt. Und ich verlange auch nicht, dass jede Partei totalopportunistisch für nichts steht, keinesfalls. Generell will ich nicht den Eindruck erwecken, ich wäre ein Fan davon, wie es aktuell läuft. Ich sehe nur nicht, wie Syrizas Strategie daran etwas ändert.
Um das noch einmal klar zu machen: die Troika hat fünf Jahre lang eine dumme Politik gefahren. Griechenland braucht einen Schuldenschnitt. Es braucht Wirtschaftshilfen. Wir müssen generell innerhalb der EU oder zumindest des Euroraums ein Transfersystem und eine gemeinsame Wirtschaftspolitik einrichten. Alles keine Frage. Nur – das Referendum der Griechen erreicht davon nichts.
Nur – das Referendum der Griechen erreicht davon nichts.
Gerade da bin ich gaenzlich anderer Meinung. Bis zum Referendum hat sich die EU wieder und wieder vor Entscheidungen gedrueckt. Der griechische Konkurs ist immer weiter verschleppt worden. Es ging nur um’s Zeit gewinnen. Nie um eine Loesung. Die Frage, was fuer ein Europa wir wirklich wollen, ist in die immer fernere Zukunft vertagt worden. Wenn der Merkel-Club sich durchgesetzt haette und die griechische Regierung wie ihre Vorgaenger eingeknickt waere (oder die Buerger im Referendum mit JA gestimmt haetten), wuerde noch mehr Zeit verschwendet. Alles wuerde im Endeffekt noch teurer werden, das Leid der Griechen wuerde noch groesser werden, und eine endgueltige Loesung wuerde noch weiter in die Zukunft verschoben werden.
Dank des Referendums ist damit jetzt Schluss!
Die EU muss sich jetzt – und zwar sehr schnell – entscheiden, was sie sein will. Eine wirkliche Union, die zusammen steht, eine Union der Solidaritaet, eine Union die mutig nach vorne blickt? Dann wird sie nun enger zusammenruecken muessen. Griechenland wird sie zaehneknirschend entgegenkommen muessen und fuer einen grosszuegigen Schuldenschnitt echte Strukturreformen aushandeln. Ich bin ueberzeugt, dass Tsipras einen solchen Deal unterschreiben wuerde. Oder die EU moechte ein loser Verbund egoistischer Staaten bleiben, die nur dann zusammenarbeiten, wenn es gerade allen passt. In dem Fall wird man Griechenland die Tuer zeigen. Andere werden folgen. Die EU, oder zumindest der EURO, wird dann am Ende zerbrechen.
Wie auch immer die Entscheidung faellt – Es wird jetzt endlich eine Entscheidung fallen. Allein dafuer muss man den Griechen dankbar sein.
> Ich verlinke dazu einfach mal einen Vergleich zwischen
> den Porgnosen des IWF und der tatsaechlichen Entwicklung
Das sagt nichts.
Denn die Prognosen bauten natürlich darauf auf, daß die vereinbarten Maßnahmen auch umgesetzt würden. Was in Griechenland immer nur sehr halbherzig und verzögert geschah.
Bei konsequenter Umsetzung wäre die Krise vielleicht in zwei bis drei Jahren durchgestanden gewesen – nicht in mehr als fünf.
> Aber in Griechenland haben wir jetzt endlich Klarheit!
Welche Klarheit hat man denn jetzt?
Daß die Griechen (wie jeder) gerne möglichst viel Geld bekommen möchten, bei möglichst minimalen Gegenleistungen – das ist trivial.
Aber welchen realistischen (!) Weg sie bevorzugen würden, das ist weiterhin völlig offen, weil Tsipras absichtlich ein völlig unbrauchbares Referendum durchgezogen hat.
> Tsipras hat nie gefordert Geld ohne Gegenleistungen zu bekommen
Selbstverständlich hat er das. Ein Schuldenschnitt ist nichts Anderes als ein Milliardengeschenk – und von irgendeiner Gegenleistung war bei Syriza nie die Rede.
Und die ganzen Verhandlungen der letzten Monate gingen immer nur darum, daß Griechenland weitere zusätzliche Milliarden haben wollte.
Welche Klarheit hat man denn jetzt?
Die Klarheit werden wir spaetestens bis zum 20. Juli haben. Bis dahin muss geklaert sein, ob Griechenland im Euro bleibt oder den Euro verlaesst, denn an diesem Tag wird das Land entweder offiziell bankrott oder mit neuen Geldern versorgt sein.
Aber welchen realistischen (!) Weg sie bevorzugen würden, das ist weiterhin völlig offen, weil Tsipras absichtlich ein völlig unbrauchbares Referendum durchgezogen hat.
Allen Berichten zufolge waren Tsipras und die Glaeubiger schon recht nahe bei einander bevor das Referendum initiiert wurde. Wuerde dieses Angebot durch einen Schuldenschnitt ergaenzt, wie ihn der IWF mittlerweile fordert und wie ihn mittlerweile auch italienische und franzoesische Offizielle ins Spiel bringen, koennte ein Deal stehen.
Selbstverständlich hat er das. Ein Schuldenschnitt ist nichts Anderes als ein Milliardengeschenk – und von irgendeiner Gegenleistung war bei Syriza nie die Rede. Und die ganzen Verhandlungen der letzten Monate gingen immer nur darum, daß Griechenland weitere zusätzliche Milliarden haben wollte.
Ueber einen Schuldenschnitt ausserhalb eines Reformpaketes ist nie diskutiert worden. Ein Schuldenschnitt, so er kommt, wird mit Sicherheit nur gegen Strukturreformen auf der griechischen Seite durchgesetzt werden koennen. Das weiss auch Tsipras. Geld ohne Gegenleistung hat NIEMALS jemand gefordert.
> Dank des Referendums ist damit jetzt Schluss!
> Die EU muss sich jetzt – und zwar sehr schnell – entscheiden,
> was sie sein will.
Das kann sein (obwohl es derzeit eher danach aussieht, als würde man einfach weiterwurschteln).
Nur: Diese Entscheidung wird sicher nicht in Richtung Transferunion oder gemeinsame Wirtschaftspolitik gehen (was ich persönlich durchaus gut finde).
Syriza hat nie ernsthaft versucht, eine Alternative aufzuzeigen, die auch für andere in Europa attraktiv wäre. Sondern völlig egoistisch immer nur die eigenen Forderungen in den Vordergrund gestellt.
Es gäbe ja durchaus eine Reihe Staaten, die bei einer Tranferunion profitieren würden und entsprechende Vorschlägen gegenüber offen wären. Sondern es ging immer nur um Griechenland, nur um Geld für Griechenland. Geld sogar von Staaten, die ärmer sind und eher Anspruch auf Solidarität hätten.
In gewisser Weise haben Tsipras und Varoufakis ziemlich viel für die europäische Einheit getan: Die ansonsten ziemlich uneinigen Staaten sind sich alle einig, daß sie die griechischen Vorschläge und noch mehr das griechische Vorgehen ablehnen.
[i]Nur: Diese Entscheidung wird sicher nicht in Richtung Transferunion oder gemeinsame Wirtschaftspolitik gehen (was ich persönlich durchaus gut finde). [/i]
Ich persönlich sehe schon eine große Notwendigkeit, dass man nach der gemeinsamen Währung, die fiskalische und wirtschaftspolitische Steuerung des Wirtschaftsraums der Europäischen Währungsgemeinschaft besser koordinieren, vereinen und steuern muss, wie es heute der Fall ist. Mir ist es nämlich ein Rätsel wie man einen Währungsraum ohne abgestimmte Wirtschafts- und Fiskalpolitik steuern will und ich glaube die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass ganze bestehende Konstrukt für Schön-Wetter taugt, aber bei Sturm einfach nicht funktioniert.
Den Weg dahin zu beschreiten ist ein gewaltiger Prozess und die jetzige Krise kann allenfalls der Anstoß sein, die Dinge regeln zu wollen, jedoch erwarte ich in der aufgeheizten Stimmung keine Lösung. Aus meiner Sicht muss man sich über eine Stundung der Griechischen Schulden bis zum Zeitpunkt x, die notwendige Zeit erkaufen, dass man sich in den Euro Staaten einig wird, wie man künftig als Währungsraum funktionieren will. Im Zuge der Woche zu Woche Krisendiplomatie wird man das nicht lösen können.
Bedauerlicherweise sehe ich auch auf der europäischen Ebene keinen Staatsmann von Format, der diesen Prozess moderieren könnte. Merkel hätte vor einigen Jahren hier ihre Autorität und ihr Ansehen nutzen sollen , um diesen Prozess anzustoßen – es hätte Ihr Platz in den Geschichtsbüchern sein können – aber es fehlte Ihr an Mut und Phantasie. Die Union wird aller Voraussicht auch den nächsten Kanzler stellen: ein überzeugter Europäer, der das Erbe von Adenauer, Schmitt und Kohl weiterführen würde ist nicht in Sicht.
Ich bin mittlerweile überzeugt – Europa wird scheitern, weil der Euro scheitert, weil es am Willen fehlt die nächsten einigenden Schritte zu gehen.