Die Zukunft der Arbeit (1)

Im Herbst letzten Jahres erschien eine Studie der Oxford University mit dem Titel „The Future of Employment: How susceptible are jobs to computerisation?“. Die Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne gehen dabei der schon von John Maynard Keynes aufgeworfenen Frage nach, inwieweit technologischer Fortschritt herkömmliche Arbeit verdrängt und neue Möglichkeiten der Beschäftigung geschaffen werden. Der große österreichische Ökonom Joseph Schumpeter fasste das unter seinem Begriff der schöpferischen Zerstörung zusammen.

Die Forschungsarbeit verursachte kaum Aufhebens. Zwar widmete der britische Economist dem Werk eine große Titelgeschichte und auch der deutsche SPIEGEL zog im Februar 2014 nach. Eine politische Debatte hatte die in seinen Implikationen aufsehenerregende Studie jedoch nicht zur Folge. In den Monaten danach beschäftigte sich die Politik beispielsweise in Deutschland mit der Einführung des Mindestlohnes, höheren Einkommensteuern, Frühverrentungen und anderen Gerechtigkeitsfragen. Doch all diese Themen sind entweder rückwärtsgewandt oder versuchen den Status quo zu verteidigen.

Doch wohin außer ins politische und ökonomische Nirwana führen Fragen nach der Vermögensverteilung? Mindestlohn und Rente mit 63 mögen zum Spektrum der langsam überhöhten Fragen der sozialen Gerechtigkeit sein. Zukunftsvorbereitend sind sie nicht. Wie entsteht Vermögen, wie sieht Arbeit in 20 Jahren aus, wie können wir uns auf die sich immer schneller wandelnden Anforderungen vorbereiten und welche Schlüsse ziehen wir aus der digitalen Revolution?

Die Erträge dieser digitalen Revolution sind bisher sehr einseitig zu Gunsten von Gründern, Shareholdern und anderen langfristigen Investoren verteilt. Arbeitnehmer finden sich meist als Opfer, wenn die Verlierer des Wandels zur Kürzungsprogrammen greifen und am Ende aufgeben. Ikonen der Industrie wie Kodak, Nokia, Microsoft, Hewlett Packard, Sony oder Heidelberger Druckmaschinen hatten und haben darunter zu leiden, sie schrumpfen wie ihre Branchen, an deren Ende meist der Exitus steht. Hervor treten junge Start-ups, an deren Spitze WhatsApp oder Instagram stehen, die Milliarden US-$ erlösen und Millionen Kunden bedienen, aber nur ein paar Handvoll Mitarbeiter beschäftigen. Es verwundert daher nicht, wenn die Gewinne der digitalen Veränderungen bei jenen landen, die sich auf den Wandel eingestellt haben, Kapital und Know-how anzubieten haben, das gefragt ist.

Die Politik und die öffentliche Debatte kreisen in Verkennung der Realitäten um die wirtschaftliche Entwicklung der Spitzenunternehmen. Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass die heutigen Spitzenreiter in 20 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Bedeutungslosigkeit versunken sein werden. In der Folge der großen Wirtschaftskrise 2008 ging die Beschäftigung in der OECD um 2% zurück, was vor allem etablierte Unternehmen betraf. Junge Firmen, nicht älter als 5 Jahre und mit weniger als 50 Beschäftigten, weisen jedoch einen deutlich positiven Beschäftigungssaldo auf. Obwohl auf sie nur 11% der Arbeitsplätze entfallen, trugen sie 33% zum Beschäftigungsaufbau bei. Allein diese wenigen Zahlen zeigen die Dynamik des Wirtschaftens.

Die Oxford-Wissenschaftler Frey und Osborne kommen zu dem Resultat, dass in den nächsten 20 Jahren 47% der heutigen Arbeitsplätze nicht mehr existieren werden, weil ihre Aufgaben automatisiert werden. Roboter und Computerprogramme werden an ihre Stelle treten. Die Arbeitswelt der Zukunft wird möglicherweise eine sein, in der ein Teil der Beschäftigten Computern sagt, was die Automaten zu tun haben und ein anderer Teil, der ausführt, was Computer vorgeben. Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass die einen dann noch weit besser als heute und die anderen weit nur sehr gering entlohnt werden dürften.

Bedroht von der fortschreitenden Digitalisierung unserer Welt sind vorrangig Routinetätigkeiten der arbeitenden Mittelklasse, die heute noch den Großteil der Workforce ausmachen. Ihre Arbeitsplätze und ihre Einkommen sind bedroht, wenn wir uns nicht vorbereiten. Die Einkommensunterschiede werden daher eher wachsen und der Politik werden die Möglichkeiten fehlen, diese Dynamik aufzuhalten.

Wenig bedroht sind dagegen Aufgaben, die viel Fingerfertigkeit, Originalität, technisches und theoretisches Können zum Erstellen von Produkten und soziale Kompetenz voraussetzen. Mehr und mehr wird die Kreativität des Menschen gefragt. Das, was uns ausmacht, was uns von Robotern unterscheidet und einzigartig macht. Das beginnt beim Tischler, der individuell fertigt und zukünftig höhere Preise und Löhne verlangen kann und geht mit zu risikoaffinen jungen Leuten, die unternehmerische Ideen entwickeln und ein Gespür für neue Produkte besitzen. Während die Verwaltung von Arbeit verschlankt wird, gewinnt die persönliche Note an Bedeutung.

Die Veränderungen sind längst sichtbar. Fahrerlose Autos sind längst keine Utopie mehr, zunehmend werden einfache Haushaltstätigkeiten durch technische Gimmicks ersetzt. Amazon erprobt den Einsatz von Drohnen zur schnellen Belieferung seiner Kunden. Roboter als Assistenten in Kliniken und Altenheimen halten Einzug und vernichten gleichzeitig arbeitsintensive Beschäftigung. Ebenso geht es im Handel, wo der Kunde von Robotern betreut wird und der Scanner die Kassiererin ersetzt.

Die Ergebnisse der Studie sind kein Untergangsszenario, sondern der Auftrag, sich Neuem zu öffnen. Die Arbeit ist den Menschen noch nie ausgegangen. Während 1970 die Erwerbsquote in der OECD bei 67% lag, ist sie inzwischen auf 71% gestiegen, in Deutschland sogar auf 77%. Es liegt auf der Hand, dass nicht jede Arbeit gut entlohnt werden kann, vor allem dann nicht, wenn sie leicht ersetzbar erscheint.

Die Voraussetzungen, an der Dynamik der digitalen Entwicklung zu partizipieren, ja, Vorreiter und Gestalter zu sein, dafür ist die Politik mitverantwortlich. Steuererhöhungen und die Einschränkung der Mobilität von Kapital würden einen Bumerang Effekt auslösen. Es ist heute weder nötig, an dem Ort zu produzieren, wo verkauft werden soll, noch dort überhaupt Dienstleistungspersonal vorzuhalten. Die Entwicklung führt zu ganz anderen Konsequenzen, nämlich der Frage, wo neue Unternehmer überhaupt die Fähigkeiten finden, welche die neue Welt fordert.

Schulen und Ausbildungsstätten in der OECD bereiten den Nachwuchs nicht auf die neuen Erfordernisse vor. Lehrer und Professoren haben die Arbeitswelt vor Augen wie sie ist, nicht wie sie sein wird. Doch das Lernen am bestehenden Objekt ist unproduktiv, wenn Abstraktion und Kreativität gefragt sind. Denn hier liegt der Schlüssel.

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  • Stefan Sasse 20. Juli 2014, 16:30

    Guter Artikel. Bin gespannt auf mehr.

    • In Dubio 20. Juli 2014, 18:15

      Kommt. Und Du kannst dazu beitragen.

  • ernte23 20. Juli 2014, 17:06

    Der Witz am Industriekapitalismus war doch, die Produktivität aufgrund der Konkurrenz steigern zu müssen, bis wie sich jetzt herausstellt, in der stofflichen Warenproduktion kaum noch Leute benötigt werden, was in den späten 1970ern einsetzte. Die Reaktion darauf war die sog. angebotsseitige Wirtschaftspolitik, die etwa ein Drittel der Bevölkerung prekarisiert hat, weswegen wir so ein tolles Jobwunder in Deutschland feiern. Arbeit um jeden Preis könnte man das auch nennen.

    Die Reaktion auf die weiteren Rationalisierungsschübe soll dann die schulische und universitäre Produktion von lauter Unternehmern sein oder wie soll man dieses Fazit verstehen? Hat je ein Bildungssystem sowas fertig gebracht? Ganz davon abgesehen, dass sich daran zweifeln ließe, inwieweit so etwas tatsächlich sinnvoll ist.

    • techniknoergler 4. August 2014, 21:39

      „Die Reaktion darauf war die sog. angebotsseitige Wirtschaftspolitik, die etwa ein Drittel der Bevölkerung prekarisiert hat, weswegen wir so ein tolles Jobwunder in Deutschland feiern.“

      Wenn der heutige Mindestlebensstandard „prekär“ ist, dann wird man mit dem Lebensstandard von vor mehreren Jahrzehnten erst recht nicht glücklich.

      Die „Armutsgrenze“ ist eine relative und steigt mit dem Medianeinkommen. Und diese Grenze wurde auch noch von 40% auf dann 50% bis zu den heutigen 60% erhöht – bei sowieso steigenden Medianeinkommen.

      Man definiert sich die Armut herbei. Und zwar schneller als die Marktwirtschaft den Wohlstand erhöhen kann. Das ist die neuste Taktik, seit dem die Zentralverwaltungswirtschaft offen gescheitert ist: An die Marktwirtschaft schneller wachsende Ansprüche zu stellen, als die Wirtschaft wachsen kann.

  • In Dubio 20. Juli 2014, 18:14

    Der Witz am Industriekapitalismus war doch, die Produktivität aufgrund der Konkurrenz steigern zu müssen, bis wie sich jetzt herausstellt, in der stofflichen Warenproduktion kaum noch Leute benötigt werden, was in den späten 1970ern einsetzte.

    Jepp, das ist der Sinn der Sache: mit immer weniger Anstrengung ein Ziel erreichen. Die meisten Menschen sehen das als sinnvoll an. Mancher Linker frönte in der Geschichte eine andere Vorstellung, die Ergebnisse jedoch solch praktischer Politik waren eher enttäuschend.

    Die Reaktion darauf war die sog. angebotsseitige Wirtschaftspolitik, die etwa ein Drittel der Bevölkerung prekarisiert hat, weswegen wir so ein tolles Jobwunder in Deutschland feiern.

    Eine Behauptung und eine unfundierte Zahl. Da lässt sich nichts darauf erwidern.

    Die Reaktion auf die weiteren Rationalisierungsschübe soll dann die schulische und universitäre Produktion von lauter Unternehmern sein oder wie soll man dieses Fazit verstehen?

    Nepp. Unternehmer lassen sich nicht „produzieren“, das ist eine Charakter- und Mentalitätssache. Die wichtigste Unternehmereigenschaft ist Risikobereitschaft zum Leben und Aufgeschlossenheit zu Neuem. Das lässt sich nicht lernen, wohl aber kann die Gesellschaft Bedingungen schaffen, wo Scheitern als etwas Natürliches begriffen wird und Menschen, die probieren und aufstehen, bewundert werden.

  • Ralf 20. Juli 2014, 21:50

    Sollte die Ueberschrift hier nicht eher sein „Keine Zukunft der Arbeit“? Wenn man ihrer Argumentation folgt, werden in den kommenden Jahren immer weniger Arbeitnehmer benoetigt. Jede Welle von Fortschritt bedeutet dann, dass wieder ein paar hunderttausend Menschen obsolet werden. Und am Ende bleibt nur noch eine Handvoll Buerger mit Teilhabe (Arbeit) uebrig, die einem Heer von Arbeitslosen gegenuebersteht.

    Eine solche Entwicklung bedeutet notwendigerweise, dass der Sozialstaat immer teurer werden wird, denn es werden immer mehr Menschen unterstuetzt werden muessen. Und da immer weniger Buerger noch Arbeit haben, und nur die, die noch Arbeit haben, den Sozialstaat finanzieren, wird deren individuelle Belastung in die Hoehe schiessen. Der Staat wird dann vermutlich reagieren mit einer Erhoehung der Steuern/Sozialbeitraege auf der einen Seite und einer Reduzierung der Sozialleistungen auf der anderen Seite. Das wird die Spannungen in der Gesellschaft erwartbar verschaerfen, vor allem wenn man das Szenario konsequent zu Ende denkt. Die Armen werden zunehmend Probleme bekommen sich noch ausreichend zu ernaehren. Und die schrumpfende Mittelklasse wird sich Belastungen ausgesetzt sehen, die in keinerlei fairem Verhaeltnis mehr stehen. Wie die folgenden Verteilungskaempfe aussehen, kann man sich dann wohl ausmalen. Positionen wie von Sarrazin, nach denen Arme genetisch vermurkst sind, weshalb sich deren Unterstuetzung nicht weiter lohnt oder von Heinssohn, nach denen man Arme am besten aushungert um ihre Fortpflanzung zu unterdruecken, wuerden wahrscheinlich auf der einen Seite immer populaerer werden. Auf der anderen Seite kaeme es wohl bald zu Gewalt. Die Gesellschaft wie wir sie kennen, wuerde zusammenbrechen.

    Entgegenwirken kann einer solchen Entwicklung im Endeffekt wohl nur der Staat. Ich sehe zumindest keinen anderen Weg, wie ein Absacken von Millionen Menschen in Hilfsbeduerftigkeit und Arbeitslosigkeit verhindert werden koennte, wenn tatsaechlich Computerisierung und Roboter mehr und mehr Arbeit verdraengen. Wie Sie ja selbst schreiben, schaffen die „neuen Unternehmen“ nur einen Bruchteil der Arbeitsplaetze, die durch sie vernichtet wurden. Sie nennen WhatsApp und Instagram als Beispiele. Es gibt also ein systematisches Problem.

    Wenig bedroht sind dagegen Aufgaben, die viel Fingerfertigkeit, Originalität, technisches und theoretisches Können zum Erstellen von Produkten und soziale Kompetenz voraussetzen. Mehr und mehr wird die Kreativität des Menschen gefragt. Das, was uns ausmacht, was uns von Robotern unterscheidet und einzigartig macht. Das beginnt beim Tischler, der individuell fertigt und zukünftig höhere Preise und Löhne verlangen kann und geht mit zu risikoaffinen jungen Leuten, die unternehmerische Ideen entwickeln und ein Gespür für neue Produkte besitzen. Während die Verwaltung von Arbeit verschlankt wird, gewinnt die persönliche Note an Bedeutung.

    Vielleicht verstehe ich Sie hier auch falsch, aber Ihr Loesungsansatz scheint zu sein, Faehigkeiten wie „Fingerfertigkeit“, „Originalitaet“, „technisches und theoretisches Koennen“ und „soziale Kompetenz“ zu foerdern, weil dies die Faehigkeiten seien, die uns von Robotern unterscheiden.

    Nun, erstens halte ich das nicht fuer einen praktikablen Ansatz fuer die Massen. Die meisten Menschen sind nunmal nicht Albert Einstein oder Bill Gates. Sie sind „durchschnittlich“ und nicht zu Hoechstleistungen berufen. Wenn wir nicht fuer eine Gesellschaft sorgen, in der man auch mit der Ausuebung einfacher Taetigkeiten (Kassierer, Postbote, Lagerarbeiter, Reinigungskraft) ueberleben kann, bedeutet das, dass praktisch Millionen Menschen, die halt einfach nicht mehr als das koennen, voellig ohne Perspektive zurueckgelassen und aufgegeben werden. Es kann doch nicht jeder ein Unternehmen gruenden oder eine tolle Erfindung machen. Das waere einfach bei Millionen Menschen nicht realistisch.

    Darueber hinaus waere ich mir bei mehreren Ihrer genannten Faehigkeiten garnicht so sicher, dass Roboter und Computer da nicht schon erheblich weiter sind, als Sie hoffen. In Sachen Fingerfertigkeit beispielsweise sind Roboter nicht zu schlagen. Sie werden deshalb etwa in der Herzchirurgie eingesetzt:

    http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/zukunftsmedizin/news/herzchirurgie-roboter-operiert-am-offenen-herzen_aid_461978.html

    Im Schachspiel haben wir schon seit langem keine Schnitte mehr gegen Computer und moderne Lernsysteme, die Computern erlauben Schritt fuer Schritt zu lernen und besser zu werden, eroeffnen ganz unglaubliche Perspektiven fuer die Zukunft. In meinem eigenen Bereich, werten Computer heutzutage etwa bereits Mikroskopie-Daten aus, erkennen zellulaere Strukturen, ordnen Phaenotypen zu etc.. Was frueher Heerscharen von Wissenschaftlern erfordert haette, macht der Computer heute alleine. Innerhalb von Minuten.

    Das Problem in Ihrer Argumentation ist, dass Sie offensichtlich glauben, dass es etwas Grundsaetzliches gibt, das uns Menschen von Robotern unterscheidet. Leider ist das falsch. Unser Gehirn ist auch nur ein Computer. Und es ist absehbar, dass wir in nicht allzuferner Zukunft Computer bauen werden koennen, die die Leistungsfaehigkeit des Gehirns in jeder Hinsicht weit uebertreffen. Computer werden dann auch origineller und kreativer sein als wir. Spaetestens dann muessen auch Sie sich Gedanken ueber Ihren Arbeitsplatz machen …

  • In Dubio 21. Juli 2014, 08:47

    Sie haben einen sehr pessimistischen um nicht zu sagen unrealistischen Blick auf die Zukunft. Nirgends in dem Beitrag steht, dass weniger Arbeit benötigt wird, nur andere. So war das zu allen Zeiten. Sie sind mit Ihrer Sichtweise ungefähr 200 Jahre alt, denn so argumentierten die Theoretiker schon beim Wandel von der Agra- zur Industriegesellschaft. Und so argumentierte man in den 1970er Jahren, die Arbeit ginge aus, weshalb Arbeitszeitverkürzungen das Gebot der Stunde seien. Fakt ist: seit dieser Zeit ist die Erwerbstätigkeit deutlich gestiegen statt gesunken.

    Wir sind uns schon mal einig, dass Arbeit abzuschaffen der falsche Weg ist. Da sind wir schon einen Schritt zusammen. Doch was folgt dann aus der digitalen Revolution?
    Ich sehe zumindest keinen anderen Weg, wie ein Absacken von Millionen Menschen in Hilfsbedürftigkeit und Arbeitslosigkeit verhindert werden könnte, wenn tatsächlich Computerisierung und Roboter mehr und mehr Arbeit verdrängen.

    Dann fehlt Ihnen die Phantasie, die Sie von jedem Unternehmer (wieso eigentlich nur von denen?) einfordern. Jeder junge und mittelalte Mensch muss sich überlegen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse in ein paar Jahren gefordert sein könnten und sich dahin entwickeln. Und zwar ohne dass ihn gerade sein aktueller Arbeitgeber anstupst.

    Sie haben darüber hinaus ein sehr gewerkschaftlich orientiertes, wenn nicht linkes Menschenbild. Die meisten Menschen sind in ihren Charakteristika, in ihrem Können, Wissen, der Art wie sie etwas anpacken usw. gleich oder vergleichbar. Ich kenne kein anderes Menschenbild, das so fehlgeleitet ist. Das wird auch nicht vom Homo Oeconomicus getoppt, das ja lediglich ein abstrahiertes Theoriegebilde ist.

    Jeder Mensch ist einzigartig in dem, wie er etwas tut. Die Komposition aus Motivation, Können, Kreativität, Ehrgeiz und sozialen Komponenten führen immer zu einer individuellen Leistung. Erst die Anleitung durch Maschinen zwingen sie zu einer Gleichförmigkeit. Ich habe nicht umsonst den Tischler angeführt. Die Frankfurter Möbelkette Kontrast wird von einem Unternehmen beliefert, dass individuell und auch auf Auftrag fertigt. Diese persönliche Note ist nicht ersetzbar, hier sagt der Schreiner oder Zimmermann ggf. der Maschine, was sie zu tun hat. Es gibt keine „Massen“, das ist allein ein linker Begriff, um Einheitlichkeit vorzutäuschen.

    Es stimmt, Roboter können heute schon eigenständig Operationen durchführen. Erstaunlicherweise hat dies jedoch nicht zu sinkenden Gehältern bei der Chirurgen und weniger OPs geführt, das Gegenteil ist der Fall. Die plastische Chirurgie z.B. ist so speziell und individuell, dass sie auf absehbare Zeit eben nicht automatisiert werden kann. Ähnlich verhält es sich übrigens mit Managementaufgaben: Wie soll ein Roboter auch wissen, wie sensible Gebilde wie Abteilungen organsiert werden müssen, wie Kunden anzusprechen und Aufträge nachzuhalten sind? Das lässt sich nicht in Algorithmen pressen.

    • Ralf 21. Juli 2014, 19:12

      @ In Dubio

      Sie haben einen sehr pessimistischen um nicht zu sagen unrealistischen Blick auf die Zukunft. Nirgends in dem Beitrag steht, dass weniger Arbeit benötigt wird, nur andere.

      Im Beitrag steht richtigerweise, dass neue Unternehmen wie WhatsApp und Instagram, nur einen Bruchteil der Arbeitsplaetze schaffen, die sie vernichten. Fuer andere Branchen gilt aehnliches. Zwischen der heute nachgefragten Arbeit und der in der Zukunft nachgefragten Arbeit gibt es also nicht nur einen qualitativen, sondern auch einen ganz erheblichen quantitativen Unterschied. Was sollen denn die Millionen Menschen, die absehbar auf dem Abstellgleis landen werden machen? Sie bieten das Tischlerbeispiel an. Nun, viele Tischler gibt es nicht mehr, denn sie wurden von Branchenriesen wie IKEA fast voellig verdraengt. Uebrigens ebenfalls unter dem Verlust vieler Arbeitsplaetze. Als die Pumuckl-Geschichten geschrieben wurden, war der Schreinerberuf noch ein ganz normaler Beruf. In jeder Stadt gab Schreiner. Wenn in zwanzig Jahren jemand diese Geschichten liest, werden die Kinder fragen, was der Schreinermeister Eder denn beruflich machte, denn den Beruf des Schreiners wird kein Mensch mehr kennen. Moebel kauft man heutzutage im Moebelhaus. Wenn die Moebel kaputt gehen, laesst man sie nicht reparieren, sondern schmeisst sie weg und kauft neue. Das ist die Realitaet unserer Wegwerfgesellschaft. Die Nachfrage nach Tischlerprodukten mit Originalitaet kommt bestenfalls noch aus einem extrem schmalen und wohlbetuchten Kaeufersegment. Mit solchen Taetigkeiten sind mit Sicherheit nicht Jobs fuer Millionen zu holen.

      Folglich warte ich nach wie vor auf einen praktikablen Vorschlag von Ihnen, was denn die Millionen Menschen, die von Computern und Robotern verdraengt werden, machen sollen.

      Dann fehlt Ihnen die Phantasie, die Sie von jedem Unternehmer (wieso eigentlich nur von denen?) einfordern. Jeder junge und mittelalte Mensch muss sich überlegen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse in ein paar Jahren gefordert sein könnten und sich dahin entwickeln. Und zwar ohne dass ihn gerade sein aktueller Arbeitgeber anstupst.

      Ich befuerchte, dass die Mehrheit der jungen und mittelalten Menschen damit ueberfordert ist.

      Sie haben darüber hinaus ein sehr gewerkschaftlich orientiertes, wenn nicht linkes Menschenbild. Die meisten Menschen sind in ihren Charakteristika, in ihrem Können, Wissen, der Art wie sie etwas anpacken usw. gleich oder vergleichbar. Ich kenne kein anderes Menschenbild, das so fehlgeleitet ist.

      Quatsch. Das ist weder mein Menschenbild, noch habe ich ein solches Menschenbild anklingen lassen.

      Es stimmt, Roboter können heute schon eigenständig Operationen durchführen. Erstaunlicherweise hat dies jedoch nicht zu sinkenden Gehältern bei der Chirurgen und weniger OPs geführt, das Gegenteil ist der Fall.

      Ja, weil heutzutage noch Chirurgen zur Bedienung der Roboter benoetigt werden. Aber wie lange noch? Vor nicht allzulanger Zeit waren selbstfliegende Drohnen, selbstfahrende Autos etc. noch Science Fiction. Heutzutage ist es Alltag oder wird bald Alltag sein. Auch die Chirurgieroboter werden weiterentwickelt werden. Irgendwann wird dort keine Bedienung mehr benoetigt werden. Und dann brauchen wir auch keine Chirurgen mehr.

      Ähnlich verhält es sich übrigens mit Managementaufgaben: Wie soll ein Roboter auch wissen, wie sensible Gebilde wie Abteilungen organsiert werden müssen, wie Kunden anzusprechen und Aufträge nachzuhalten sind? Das lässt sich nicht in Algorithmen pressen.

      Selbstverstaendlich laesst sich das in Algorithmen pressen. Lediglich eine Frage der Rechenleistung. Wie gesagt, unser Gehirn ist auch nur ein Computer. Ein sehr leistungsfaehiger halt. Aber die Entwicklung von Rechnern zeigt einen fast beaengstigenden Zuwachs an Leistungsfaehigkeit. Es ist absehbar, dass Computer irgendwann, und zwar in nicht allzu ferner Zukunft, das menschliche Gehirn uebertreffen werden. Computer werden dann origineller sein als wir. Sie werden kreativer sein als wir. Und sie werden bessere Manager sein als wir. Und anschliessend sind auch Sie Ihren Job los.

      Aber vielleicht koennen Sie ja Tischler werden …

      • In Dubio 21. Juli 2014, 20:34

        Als Akademiker sollten Sie gelernt haben, dass eine Theorie nix wert ist, die Sie nicht einem empirischen Belastungstest unterziehen und bestätigen oder falsifizieren können. Es gibt historische Beispiele: der Wandel von der Agra- zur Industriegesellschaft, die Veränderung der USA von Industrie- zur Dienstleistungs- und Finanzgesellschaft und heute zum Vorreiter der digitalen Veränderung. Google beschäftigt heute 40.000 Menschen, Veränderung braucht also Zeit. Folglich haben wir nicht die Zeit, an Bestehendem festzuhalten und die Evolution aufzuhalten.

        Ökonomisch gesprochen geht es lediglich um die weitere Zunahme von Kapitalakkumulation und die hat in keiner längeren Phase der Menschheitsgeschichte zu Massenarbeitslosigkeiten geführt. Warum also in den nächsten 20 Jahren?

        Sie kleben sklavisch an Beispielen und vergessen Wesentliches: Die durchschnittliche Lebensdauer von Unternehmen beträgt weniger als 20 Jahre, die durchschnittliche Beschäftigungszugehörigkeit liegt unter 10 Jahren. Schon heute muss jemand, der 40 oder auch nur 35 Jahre arbeiten will, mehrmals Arbeitgeber und Tätigkeit wechseln. Das gelingt, sonst hätten wir ganz andere Arbeitslosenraten. Warum trauen Sie den Menschen nicht grundsätzlich zu, sich so verändern zu können?

        Unser Gehirn ist weit mehr als ein Computer, es produziert darüber hinaus Kreativität und soziales Verhalten. Und selbst wenn wir annehmen würden, das ließe sich jemals in Computern abbilden, heißt das längst nicht, dass dies zu tragfähigen Kosten möglich ist. Wir können auch heute schon Autos fliegen lassen. Wir tun es nicht, weil es ökonomisch eine riesen Verschwendung wäre. Aber wie kommen Sie darauf, dass ein Computer menschliche Bedarfe der Zukunft antizipieren und die dazu passenden Produkte kreieren könnte? Es gelingt ja bis heute Unternehmen nicht mal, zuverlässig Trends vorherzusagen, dass immer eine Sorte von Unternehmen an der Spitze steht. Es gibt, wie schon zuvor, keinen Anhaltspunkt für Ihre Thesen.

        • Ralf 21. Juli 2014, 22:31

          @ In Dubio

          Sie gehen auf keine meiner Kernfragen ein.

          Sie selbst haben richtigerweise festgestellt, dass die neuen Unternehmen, die gegenwaertig entstehen (sie nannten WhatsApp und Instagram, aber es liessen sich zig andere Beispiele nennen), kaum nennenswert Arbeitsplaetze schaffen, dafuer aber massenhaft bestehende Arbeitsplaetze vernichten. Wenn dies so weitergeht, und Sie betonen ja, dass dies so weiter gehen wird, dann sieht die Zukunft so aus, dass irgendwann Millionen Menschen obsolet sein werden. Was mit diesen Menschen geschehen soll, darauf haben Sie keinerlei praktikable Antwort. Dass der Tischlerberuf nicht Zukunft fuer Millionen sein kann, habe ich oben bereits dargelegt und aehnliches laesst sich fuer alle anderen Berufe formulieren, die nur fuer ein extrem schmales Kundensegment produzieren. Dies ist also keine Loesung fuer die Massen von Menschen die vermutlich in Zukunft ohne Arbeit dastehen werden.

          Sie haben also folglich keine Loesung. Sie berufen sich auf die Geschichte, nach der doch immer irgendwie irgendwann Arbeitsplaetze entstanden sind. Woher diese kommen sollen, koennen Sie nicht benennen. Sie verlassen sich also auf das koelsche Grundgesetz, in dem es heisst: „Et hät noch immer jot jejange“. Ein solcher Optimismus ist zwar ganz nett, aber wenn er nicht zu den gegenwaertigen Fakten passt, dann ist er nutzlos. Und die Fakten sind nunmal, dass voraussichtlich Millionen Menschen bald obsolet sein werden und keine plausible Loesung absehbar ist, wo die Betroffenen Arbeit finden koennten. Sorgen vor der Zukunft sind also voellig angebracht.

          Stefan Sasse schlaegt in seinem Artikel fuer diese wichtigen Fragen gar keine Loesung vor. Und Ihnen faellt nur der Tischler ein. Und wolkiges Blabla, dass die Arbeitnehmer sich irgendwie auf die Zukunft vorbereiten sollen. Was soll die Kassierin im ALDI denn konkret tun? Oder der Postbote? Oder der Lagerarbeiter?

          Aber wie kommen Sie darauf, dass ein Computer menschliche Bedarfe der Zukunft antizipieren und die dazu passenden Produkte kreieren könnte? Es gelingt ja bis heute Unternehmen nicht mal, zuverlässig Trends vorherzusagen, dass immer eine Sorte von Unternehmen an der Spitze steht.

          Computer werden zumindest alles leisten koennen, was ein menschliches Gehirn leisten kann. Alles nur eine Frage der Rechenleistung und der Programmierung. Und da ein Computer extrem viel mehr an Wissen und Erfahrung speichern kann, als ein menschliches Gehirn (an Speicherkapazitaet sind Maschinen uns schon heute hoffnungslos ueberlegen), und darueber hinaus viele Prozesse auch schneller rechnen kann, ist es naheliegend, dass Computer in nicht allzu ferner Zukunft auch besser planen koennen werden, als wir Menschen.

          • In Dubio 21. Juli 2014, 22:59

            Habe ich geschrieben, WhatsApp hätte Kodak ersetzt? Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich habe lediglich gesagt, dass Sie heute große Werte und Bedeutung durchaus mit wenigen Beschäftigten erreichen können. Was glauben Sie, wie wohlhabend heute jeder der 13 Instagram-Angestellten ist?

            Ich bin weder Personalberater noch arbeite ich bei der Bundesagentur für Arbeit. Wäre es nach den Super-Beamten dort gegangen, wäre ich heute Angestellter mit 08/15-Gehalt und meine Frau unglücklich im Job. Sorry, nur Sie wissen am Besten, welche Aufgabe am geeignetsten für Sie ist. Da kann Ihnen kein In Dubio helfen. Fakt ist: Die New Economy hat heute weit mehr Jobs geschaffen, als sie vernichtet hat. Das ist eine mathematische Tatsache, wenn ältere, große Unternehmen per Saldo Jobs vernichten die Erwerbstätigkeit aber dennoch steigt.

            Eine bessere Antwort kann ich Ihnen nicht geben, wo die Kassiererin landen soll. Ich weiß es nicht, habe das aber auch nie behauptet. Sie wissen es auch nicht, ergo landet sie nach Ihrer Definition in der Arbeitslosigkeit. Da muss ich einwenden: das ist gegen jede Erfahrung.

            Was ich sage: ob Manager, Buchhalter, Einkäufer, Logistiker, Designer oder Kassierer – alle müssen sich damit beschäftigen, dass ihre Aufgaben in 20 Jahren ganz andere sein können. Die Idee, 40 Jahre einen Beruf bei einem Unternehmen zu erledigen, hat sich seit über 20 Jahren schon erledigt. Es scheint aber immer noch Ihr Ideal zu sein. Das ist lebensfremd.

            Natürlich beschäftige ich mich mit meiner Zukunft und stelle mir die gleichen Fragen. Fakt ist allerdings auch: ich tue etwas sehr Individuelles, was sich deswegen schon theoretisch nicht automatisieren lässt.

          • Ralf 22. Juli 2014, 00:25

            Was glauben Sie, wie wohlhabend heute jeder der 13 Instagram-Angestellten ist?

            Was tut das zur Sache? Natuerlich gibt es immer einzelne Profiteure in der Folge von gesellschaftlichen oder oekonomischen Umwaelzungen. Hier geht es aber um die Frage, was machen wir mit den Millionen Menschen, die durch die Computerisierung und durch den staerkeren Einsatz von Robotorn in der Produktion aus ihrem Beruf verdraengt werden. Deren Problem wird doch nicht dadurch geloest, dass 13 Instagram Mitarbeiter Multimillionaere werden.

            Eine bessere Antwort kann ich Ihnen nicht geben, wo die Kassiererin landen soll.

            Eben.

            Wenn die Kassiererin ueberhaupt noch einen Job findet, dann sicher nicht in einer der Wachstumsbranchen. Sie kann ja schliesslich mit ihren 50 Jahren nicht zum Spezialisten fuer Raumfahrttechnik oder Pearl-Programmierung umschulen. Ihre einzigen plausiblen Optionen werden wieder im Bereich einfacher Taetigkeiten liegen. Das Problem ist aber, dass es ja gerade die einfachen Taetigkeiten sind die fast grundsaetzlich von der Rationalisierung betroffen sind. Das heisst etwa Reiningungskraft ist dann moeglicherweise gar keine Option mehr, da hier in Zukunft eher Reinigungsroboter eingesetzt werden. Pfoertner ist dann moeglicherweise ebenfalls keine Option mehr, da hier stattdessen automatisierte Kamerasysteme eingesetzt werden. Fuer andere Optionen gilt aehnliches.

            Natuerlich haben sich aehnliche Probleme auch schon in der Vergangenheit gestellt. Wenn ein Produkt A von einem Produkt B am Markt verdraengt wird, dann verlieren die Produzenten von A ihren Arbeitsplatz. Dafuer sucht die Produktion von B neue Arbeitskraefte. Idealerweise ist das arbeitsplatzmaessig ein Nullsummenspiel und moeglicherweise kommt es sogar zu einem Netto-Hinzugewinn von Arbeitsplaetzen. Das wird nicht allen helfen und manche ehemaligen Arbeitnehmer des Unternehmens A werden auf der Strecke bleiben. Solange nicht Massen betroffen sind, ist das fuer die Gesellschaft insgesamt aber ein bewaeltigbares Problem. Und es kommt zu Fortschritt.

            Das Problem mit der gegenwaertigen Entwicklung ist aber, dass die neuen Technologien leider kaum noch Arbeitsplaetze schaffen. Alles ist so durchrationalisiert, dass wo immer moeglich Menschen durch Maschinen ersetzt werden. Und dieser Trend nimmt immer weiter zu. Mir ist deshalb nicht klar woher diesmal die Arbeitsplaetze kommen sollen, die die wegbrechenden Stellen kompensieren koennten. Ganz besonders nicht in einer Zeit, in der das Wachstum an seine Grenzen stoesst, vielerorts Realloehne sinken oder auf niedrigem Niveau verharren, die Wirtschaft in weiten Teilen Europas und den USA stockt, die Arbeitslosigkeit gerade auch in den USA kontinuierlich hoch ist und selbst in den gegenwaertig erfolgreicheren Laendern wie etwa Deutschland in erster Linie der Niedriglohnsektor blueht. Ausserdem gibt es jetzt schon sehr intensive Erfahrungen mit einem Phaenomen, das frueher gaenzlich unbekannt war: Anaemisches Wachstum, das nicht mehr dazu fuehrt, dass sich nennenswert die Arbeitslosenzahlen verbessern. Es gibt aus meiner Sicht folglich erheblichen Grund zu zweifeln, dass die alte Rechnung, nach der Fortschritt immer noch ausreichend neue Arbeitsplaetze geschaffen hat, heute noch Gueltigkeit hat.

            Was ich sage: ob Manager, Buchhalter, Einkäufer, Logistiker, Designer oder Kassierer – alle müssen sich damit beschäftigen, dass ihre Aufgaben in 20 Jahren ganz andere sein können.

            Sorry, aber das ist voellig lebensfremd und uebersteigt die Moeglichkeiten der meisten Menschen massiv. Natuerlich muss man versuchen in seinem Job up-to-date zu bleiben, aber Flexibilitaet hat deutliche Grenzen. Eine 50-jaehrige Kassiererin kann nicht nochmal komplett von Null anfangen und etwas voellig anderes lernen. Und selbst wenn sie das taete, sagen wir Ingenieur studieren wuerde, wer wuerde denn die dann 56-jaehrige frische Uniabsolventin einstellen?

            Natürlich beschäftige ich mich mit meiner Zukunft und stelle mir die gleichen Fragen. Fakt ist allerdings auch: ich tue etwas sehr Individuelles, was sich deswegen schon theoretisch nicht automatisieren lässt.

            Moeglicherweise werden Sie nicht mehr betroffen sein. Aber mit Blick auf die rapide Entwickling in der Computertechnik bezweifele ich, dass es in 20-30 Jahren noch Taetigkeiten gibt, die sich nicht guenstig automatisieren lassen …

          • In Dubio 22. Juli 2014, 07:28

            Berlin hat sein Pro-Kopf-Einkommen seit Beginn des Jahrtausends binnen einer Dekade verdoppelt, was vor allem auf die vielen jungen Unternehmen in der Stadt zurückzuführen ist. So wurde die Hauptstadt zum Magnet für Entrepreneurs, Risikokapitalgeber und zur europäischen Kapitale für Internet-Unternehmen. Das wiederum schuf Beschäftigung und wachsende Einkommen. Es geht nicht um ein paar Arbeitsplätze, es geht um sehr viele kleine Unternehmen mit wenigen Arbeitsplätzen, die in Summe große Bedeutung haben. Wie gesagt, Sie denken viel zu sehr in Strukturen, die in Deutschland gar nicht dominierend sind.

            Die Nachfrage nach einfacher Arbeit liegt relativ konstant über die Jahre bei 6-8 Prozent. Und es ist nichts Neues, das Beschäftigung in einfachen Tätigkeiten permanent unter starkem Druck ist, weil in Deutschland beispielsweise so 10-12 Prozent der Erwerbsfähigen nur für diese Jobs in Frage kommt. Mit dem (hohen) Mindestlohn verschärft die Politik den Druck auf diese Stellen, es ändert aber an dem Fakt wenig.

            Wieso wollen Sie eigentlich ein Konzept ausgebreitet haben, wo viele Jobs herkommen sollen? Reicht es nicht, dass wirtschaftlicher Wandel allein in der langen Historie genau das bewirkt hat? Und reichen nicht Beispiele wie Berlin, Toronto und nicht zu vergessen Kalifornien, um zu belegen, dass wirtschaftlicher Wandel so dynamisch ist, neue, ausreichende Beschäftigung zu schaffen? Reichen nicht die Beispiele in Kontinentaleuropa oder in Deutschland in NRW um zu belegen, dass rigide Schutzmaßnahmen zum Erhalt von Gewerbestrukturen das Gegenteil von dem bewirken, was sie sollen?

            Sie bleiben in Ihren Denkstrukturen. Es kommt weniger denn je auf gelernte Berufe an, denn darauf, bestimmte Fähigkeiten und Spezialisierungen zu besitzen. Derzeit stehe ich z.B. vor einer Aufgabe im Wandel (das ist mein Spezialgebiet):

            Eine Person in meiner Abteilung / Bereich arbeitet als Buchhalter / -in mit der Aufgabe der Kreditorenbuchhaltung. Eine ERP-Erweiterung würde dazu führen, dass seine / ihre Aufgabe weitgehend überflüssig würde. Da sich die Kosten für die technische Erweiterung auf einmalig 20.000 EUR belaufen, die Buchhaltungsposition jedoch 32.000 EUR zuzüglich Sozialabgaben und Ausfallkosten verursacht, ist die Rechnung einfach.

            So könnten Sie sich bestätigt fühlen. Der Umbau der Abteilung sorgt jedoch für zusätzlichen Bedarf in Controlling-Funktionen. Dazu benötige 1-2 Personen, die analytische Fähigkeiten und perspektivisches Denken besitzen, also das Gegenteil von einem Buchhalter. Buchhaltungskenntnisse sind allerdings auch erforderlich.

            Diese neue Position ist aufgrund persönlicher Eigenschaften nicht ideal für die bisherige Person und wäre sie 20 Jahre älter, würde ich mich eher von ihr trennen. Möglicherweise finden sich andere Aufgaben, da bastel ich dran.

            Was hier im Kleinen passiert, geschieht auch im Großen: der Wandel der Aufgaben, nicht die Vernichtung von Arbeit.

            Seit ich arbeite, basteln die Automobilhersteller an Wasserstoffantrieben zum Ersatz des Benzinmotors. Bis solche Antriebe in der Serienfertigung einsatzfähig sein werden, wird es wohl noch bis zu meiner Rente dauern.

          • Ralf 22. Juli 2014, 22:36

            Wieso wollen Sie eigentlich ein Konzept ausgebreitet haben, wo viele Jobs herkommen sollen? Reicht es nicht, dass wirtschaftlicher Wandel allein in der langen Historie genau das bewirkt hat?

            Nein, reicht nicht. Denn ich habe Ihnen ja im letzten Post dargelegt, weshalb sich argumentieren laesst, dass es diesmal eher unwahrscheinlich ist, dass der wirtschaftliche Wandel ausreichend Arbeitsplaetze schaffen wird, um fuer diejenigen Stellen zu kompensieren, die vernichtet werden.

            Und reichen nicht Beispiele wie Berlin, Toronto und nicht zu vergessen Kalifornien, um zu belegen, dass wirtschaftlicher Wandel so dynamisch ist, neue, ausreichende Beschäftigung zu schaffen?

            Nein, reicht nicht. Es gibt ausreichend Gegenbeispiele, in denen der wirtschaftliche Wandel keinerlei positive Dynamik bewirkt hat. Nehmen Sie etwa Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Abgesehen von ein paar Leuchtturmstaedten sind heutzutage ganze Regionen entvoelkert oder ueberaltert. Die gut Ausgebildeten alle weg. Zurueck bleiben die Alten und die Chancenlosen. Und die NPD. Oder nehmen Sie das Ruhrgebiet. Trotz des enormen Vorteils, dass der Umwaelzungsprozess enorm viel Zeit hatte, weil Bergbausubventionen den Weiterbetrieb mancher Bergwerke noch fuer eine gewisse Zeit ermoeglichten, ist kaum positiver Wandel feststellbar. Und das ist auch kein Wunder. Bergleute sind nicht einfach woanders reintegrierbar. Sie haben nunmal Bergmann gelernt und koennen nichts anderes. Und wenn die Minen schliessen, dann gehen auch bei zig Unternehmen die Lichter aus, die zuvor in verschiedenen Funktionen fuer die Bergbaufirmen taetig waren. Da haengt ein ganzer Rattenschwanz dran. Und die dabei entstehenden Arbeitslosen sind oft nicht mobil, weil etwa Ehepartner in der Region noch Arbeit haben, pflegebeduerftige Eltern betreut werden muessen, Kinder nicht aus ihrem Umfeld gerissen werden wollen oder ein Haus bzw. Wohnung gekauft worden ist. Flexibilitaet ist nunmal begrenzt. Und es ist auch nicht gerade so, als ob „neue dynamische“ Unternehmen in Massen nach Duisburg, Gelsenkirchen oder Essen stroemen. Und so verfaellt eine ganze Region. Versinkt in Armut. Moeglicherweise ein gutes (und abschreckendes) Beispiel dafuer, was wir bei Massenentlassungen, wenn die Computerisierung und Roboterisierung so weitergeht, erwarten koennen …

  • ernte23 21. Juli 2014, 15:00

    Sehr geehrter Zweifler,
    meine Schätzung beruht darauf, dass ich zu den offiziell ausgewiesenen Niedriglohnzahlen nochmals ca. 10 Prozentpunkte draufgeschlagen habe, die vielleicht statistisch nicht mehr zum Niedriglohnbereich zählen, aber es deswegen noch lange nicht dicke haben. Siehe z.B. hier.
    Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik erleben wir seit nunmehr dreieinhalb bis vier Jahrzehnten (je nach dem, ob man die Zäsur ab Schmidt oder ab Kohl setzt); durch die erste rot-grüne Koalition wurde sie noch verschärft und der Niedriglohnsektor geschaffen. Sollten Sie dazu Literaturangaben brauchen, helfe ich Ihnen gerne damit aus.

    Sie haben eine wichtige Frage Ralfs übrigens nicht beantwortet: Was ist mit den Menschen, denen keine zündende Idee kommt, die ihnen langfristig ihren Lebensunterhalt sichert? Sie scheinen nur Menschen der Premiumklasse zu kennen, die sich eine Schönheits-OP und individuell gefertigte Möbel leisten können.

    • In Dubio 21. Juli 2014, 15:39

      Meine Schätzung beruht darauf, dass ich zu den offiziell ausgewiesenen Niedriglohnzahlen nochmals ca. 10 Prozentpunkte draufgeschlagen habe, die vielleicht statistisch nicht mehr zum Niedriglohnbereich zählen, aber es deswegen noch lange nicht dicke haben.

      Der Niedriglohnsektor umfasst so 23%. Der Niedriglohn ist definiert weniger als 2/3 des Medianlohns. Ein Niedriglöhner ist also jemand, der ein Drittel weniger als der Einkommensbezieher erhält, der in der Mitte steht. Schlagen Sie folglich auf den statistischen Wert noch 10% drauf, dann sagen Sie, wer bereits ein durchschnittliches Gehalt in Deutschland bezieht, verdient zu wenig.

      So kann man die Welt natürlich auch sehen. Und ich muss Ihnen gestehen: auch ich könnte noch viel mehr verdienen. Das wäre toll, dann könnte ich mir viel mehr leisten.

      Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik erleben wir seit nunmehr dreieinhalb bis vier Jahrzehnten

      Dann scheint sie dem Land sehr gut getan zu haben, denn wir sind eines der reichsten Länder der Welt und jeder Mensch kann sich heute mehr leisten als 1970.

      Wie schafft man eigentlich einen „Niedriglohnsektor“? Und wie schafft man ihn ab? Wahrscheinlich, in dem alle Beschäftigten fast das Gleiche verdienen müssen. Dann gibt es keinen Niedriglohnsektor. Das sagt allerdings noch nichts darüber aus, was sich der Einzelne tatsächlich leisten kann.

      Was ist mit den Menschen, denen keine zündende Idee kommt, die ihnen langfristig ihren Lebensunterhalt sichert?

      Hatte ich tatsächlich von „Ideen“ geschrieben? Ich meine, ich sprach von „Fertigkeiten“ und „Fähigkeiten“. Das ist für mich etwas ganz anderes. Ja, tatsächlich, auch in 30 Jahren wird es zahlreiche Menschen geben, die unterhalb dem Median verdienen, ungefähr 50% der Beschäftigten. Und darunter werden Menschen sein, die mit Sozialleistungen ihren Unterhalt werden aufstocken müssen. Das würde ich garantieren. Nur, das sagt nichts darüber aus, wie gut es den Menschen gehen wird, wieviele Kühlschränke, Tablets und neue Zähne sie sich davon leisten werden können. Ja, es ist anzunehmen, dass auch 2044 nicht jeder individuell gefertigte Möbel besitzen wird, sondern auf das IKEA-Regal oder sonstige Standardprodukte wird zurückgreifen können. Doch was sagt das aus? Auch heute kann sich nicht jeder ein Armani- oder Zenga-Hemd leisten, denn sonst würde ich es mir nicht kaufen.

    • In Dubio 21. Juli 2014, 15:48

      Ich habe auf Ihrer Internet-Seite einen schönen, weil ökonomisch und mathematisch unsinnigen Satz:

      Mit minimalem Einsatz ein maximales Ergebnis erzielen.

      Falls Sie mir zeigen können, wie ich eine Kurve maximiere und im selben Punkt minimiere, wäre ich Ihnen dankbar.

      P.S.: Mein Pseudonym ist aus meinem liebsten juristischen Spruch abgeleitet: In Dubio (pro reo). Heißt zu Deutsch: erst abwägen, bevor man zu einem Urteil kommt.

  • Ant_ 21. Juli 2014, 18:10

    Wenn ich da mal aushelfen darf:
    Einsatz und Ergebniskurve müssen keineswegs 100% miteinander korrelieren.
    Ist keine besonders neue Erkenntnis und wird in Ökonomie und Ingeneurswissenschafts bereits sehr lange praktiziert:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Pareto_efficiency
    Auf Englisch, für den kürzeren Weg hier noch auf Deutsch:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Pareto-Optimum

    • In Dubio 21. Juli 2014, 20:17

      Ein Pareto-Optimum ist etwas anderes als „mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Ertrag erzielen“. Pareto versucht den Optimalpunkt zu finden, das andere eine Kurve gleichzeitig zu minimieren und zu maximieren. Eine mathematische und logische Unmöglichkeit. Tragen Sie das auf einen Graphen mit Ertrag auf der Y-Achse und Aufwand auf der X-Achse ein.

  • Oskar 21. Juli 2014, 22:14

    1) „Ich habe auf Ihrer Internet-Seite einen schönen, weil ökonomisch und mathematisch unsinnigen Satz:

    Mit minimalem Einsatz ein maximales Ergebnis erzielen.

    Falls Sie mir zeigen können, wie ich eine Kurve maximiere und im selben Punkt minimiere, wäre ich Ihnen dankbar.“

    Gerne doch, sogar unendlich viele kann ich Ihnen zeigen. Beispielsweise f von R nach R mit f(x) = const für irgendeine Konstante const. Und Ihnen fallen bestimmt noch mehr ein, nachdem Sie Ihre Urkunde in Vulgärmathematik verbrannt haben.

    2) „Und so argumentierte man in den 1970er Jahren, die Arbeit ginge aus, weshalb Arbeitszeitverkürzungen das Gebot der Stunde seien. Fakt ist: seit dieser Zeit ist die Erwerbstätigkeit deutlich gestiegen statt gesunken.“

    Weil es politisch gewollt war.

    • In Dubio 21. Juli 2014, 22:49

      Woah! Sie haben es, ohne es zu merken! Sie müssen eins konstant halten, um den anderen Punkt zu maximieren bzw. zu minimieren. Das bedeutet:

      Mit einem gegebenen Aufwand ein Maximum an Ertrag erzielen.
      Einen gegebenen Ertrag mit einem Minimum an Aufwand erzielen.

      Herzlichen Glückwunsch! Matheaufgabe gelöst ohne gewusst wie!

      Fakt ist: seit dieser Zeit ist die Erwerbstätigkeit deutlich gestiegen statt gesunken.” Weil es politisch gewollt war.

      Wenn es denn so ist, hört sich das für mich nach einem vernünftigen politischen Willen an. Mehr Menschen haben eine Aufgabe und ein Einkommen. Was kritisieren Sie eigentlich?

  • Phil 22. Juli 2014, 03:36

    Wenn es denn so ist, hört sich das für mich nach einem vernünftigen politischen Willen an. Mehr Menschen haben eine Aufgabe und ein Einkommen. Was kritisieren Sie eigentlich?

    Dass das auf dem Rücken regulärer Arbeitsplätze passierte und diese durch prekäre Arbeitsplätze ersetzt wurden.

  • Satch 22. Juli 2014, 08:16

    Was fehlt: Das Motiv.
    Wann und warum forciert ein Unternehmer die Technologisierung der Produktion? Weil und sobald die Produktion dadurch billiger wird. (Lassen wir mal Qualitätssteigerungen raus.) Und wann ist das der Fall? Wenn die Löhne steigen oder wenn die Technik einen Sprung macht.
    In dieser Situation wird dann aber durch die Investition des Unternehmers mehr produziert (oder die gleiche Menge billiger). Damit sind dann aber auch mehr Waren da, die verteilt werden können.
    Warum also sollten in einer solchen Konstellation automatisch die Jobs, die nicht direkt mit der techisierten Güterproduktion in Verbindung stehen, immer schlechter bezahlt werden? Doch nur weil dies gewollt ist. (Außer man geht von der steilen These aus, dass der Lohn immer nur von der Produktivität der Arbeit abhängt. Wie ermittle ich dann die Produktivität der Arbeit eines Lehrers oder einer Krankenschwester/Altenpflegerin?)
    Und hier wäre der Ansatz zur Lösung. Die Löhne der „einfachen“ Jobs dürfen nicht weiter von der Entwicklung der Löhne in der technisierten Produktion abgehängt werden, was zwar zum Anstieg der Preise einzelner Produkte und Dienstleistungen führen wird, gleichzeitig mehr Menschen durch höhere Gehälter die Nutzung dieser Angebote erlaubt.
    Wie sich das mit der Tarifautonomie verbinden lässt, ist natürlich eine andere Frage.

    • In Dubio 22. Juli 2014, 09:36

      Die Technisierung der Produktion ist ein permanenter Prozess, nicht eine Sache des Motivs. Mikroökonomisch gesprochen handelt es sich um Kapitalakkumulation, zu der allerdings nur Branchen und Unternehmen in der Lage sind, entsprechende Kapitalrenditen zu erwirtschaften. Deswegen technisieren Unternehmen mit dünner Kapitaldecke und kritischer Ertragslage wenig und deswegen sind viele Dienstleistungen wie Putzdienstleistungen nicht hoch technisiert. Sie werfen demgemäß wenig Renditen ab und bieten kein Potential für hohe Löhne.

      Wollen Sie also diese Löhne „entkoppeln“, geht das nur über Umverteilung. Doch warum sollte ein Mechatroniker für eine Putzfrau bei WISAG Lohn abgeben?

      Durch eine höhere Kapitalakkumulation steigt nicht zwingend der mengenmäßige Output, sondern die Produktqualität. Diese wiederum rechtfertigt höhere Preise und höhere Löhne. Exemplarisch steht dafür die Pharma- wie Automobilindustrie. BMW z.B. hat mit dem i3 einen Kleinwagen (!) auf den Markt gebracht, der sich im Preis auf einem Niveau bewegt, der vor 2 Dekaden Luxuskarossen in der Größenordnung von Flagschiffen zugebilligt wurde. Das Ziel des i3 ist nicht, mehr Autos auf die Straße zu bringen, sondern andere, bessere.

      • Satch 23. Juli 2014, 07:27

        Das ist Kokolores.
        1. Qualitätssteigerung und Produktivitätsentwicklung sind zwei verschiedene Dinge.
        2. Die „Technisierung der Produktion“ erfordert Investitionen. Die müssen sich rentieren. Das tun sie solange nicht, wie die Löhne niedrig sind.
        3. Die letzten 20 Jahre sollten doch eigentlich ausgereicht haben, um nachvollziehen zu können, dass die Kapitaldecke der Unternehmen nichts mit ihrer Investitionstätigkeit zu tun hat. Die Kapitaldecke ist gestiegen, die Investitionen gesunken, und das stärker als etwa in Frankreich. Investiert wird eben nicht einfach, weil ich Geld übrig hab, sondern weil ich denke, dass ich nach der Investition mehr Geld verdiene als vorher. Das hängt an der Lohnentwicklung im Betrieb und der Nachfrage nach den produzierten Produkten.
        4. Auch der Anreiz eines Unternehmers „bessere“ Produkte auf den Markt zu bringen hängt doch allein davon ab, ob es dafür dann einen Markt gibt. Wenn der 3er BWM von heute noch die Qualität des 3er von 1975 hätte, würde ich noch den alten fahren. (Wobei ich BMW eh nie fahren würde 😉 )
        Ps: Gibt es denn belastbare Hinweise dafür, dass die Automatisierung der KFZ-Produktion die Ursache für die Qualitätssteigerungen der KFZ ist? Ich halte das erst mal für unwahrscheinlich. Schließlich ist das eine die technische Entwicklung des Produkts selbst, das andere die des Produktionsverfahrens.

        • In Dubio 23. Juli 2014, 12:20

          Qualitätssteigerung und Produktivitätsentwicklung sind zwei verschiedene Dinge.

          Volkswirtschaftlich betrachtet nicht.

          Die “Technisierung der Produktion” erfordert Investitionen. Die müssen sich rentieren. Das tun sie solange nicht, wie die Löhne niedrig sind.

          Wieso nicht? Ich hatte ein direktes Beispiel genannt. Der Lohn ist relativ niedrig und dennoch macht die technische Erweiterung Sinn. In ihrer Pauschalität trifft ihre Aussage nicht zu.

          Die letzten 20 Jahre sollten doch eigentlich ausgereicht haben, um nachvollziehen zu können, dass die Kapitaldecke der Unternehmen nichts mit ihrer Investitionstätigkeit zu tun hat. Die Kapitaldecke ist gestiegen, die Investitionen gesunken, und das stärker als etwa in Frankreich.

          Sie haben einen Zusatz vergessen: die Investitionen in Deutschland. Betrachten Sie die Unternehmen als Konzern, so ist die Investitionstätigkeit von BMW, SAP und RWE keineswegs zurückgegangen. Es wird nur woanders investiert.

          Auch der Anreiz eines Unternehmers “bessere” Produkte auf den Markt zu bringen hängt doch allein davon ab, ob es dafür dann einen Markt gibt.

          Nö. Es hängt von der Wettbewerbsintensität ab, die natürlich einen Markt voraussetzt. In wettbewerbsintensiven Bereichen wird viel, in vermachteten Märkten wenig investiert. Da sind wir wieder beim Markt und der Verantwortung des Staates, Marktzugangsbarrieren niedrig und den Kapitalzufluss hoch zu halten.

          Gibt es denn belastbare Hinweise dafür (..).

          Der Markt ist kein juristische Prozess und Unternehmer entscheiden nicht nach gerichtsverwertbaren Beweisen, sondern nach Annahmen über zukünftige Entwicklungen. Konkret: Ich hatte in den 1990er Jahren das Vergnügen, die Produktion der damaligen S-Klasse in Sindelfingen inspizieren zu dürfen. Die Anpassung der Ausstattung erfolgte schon damals durch Roboter, die eine Präzision herstellten, die ein Mensch niemals erbringen kann. Automatisierung gleich Qualitätssteigerung.

          • Satch 23. Juli 2014, 14:47

            Volkswirtschaftlich soll es keinen Unterschied geben zwischen Qualitätssteigerung und Produktivitätsentwicklung? Ist das ein Witz?
            Beispiel: Ich habe eine Drehbank von 1980, damit mache ich einfache Drehteile, 10 Stück in der Stunde. Jetzt kaufe ich eine CNC-Maschine um die gleichen Teile herzustellen, allerdings 100 Stück in der Stunde. Wo hat das mit Qualität zu tun?

          • Satch 23. Juli 2014, 15:00

            Nachtrag: wenn ich mir folgenden Link anschaue:
            https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Volkswirtschaft-Kompakt/VK-Nr.-35-Januar-2014.pdf
            weist auch nichts darauf hin, dass (außer ein paar Riesen) die Investitionen ins Ausland besonders gestiegen wären.

          • In Dubio 23. Juli 2014, 17:53

            In den Grundzügen der Makroökonomie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz lesen wir zum technischen Fortschritt:

            Technischer Fortschritt kann viele Dimensionen haben:
            • Mehr Produktion bei gegebenem Kapital und Arbeit.
            • Bessere Produkte.
            • Eine größere Produktvielfalt.

            Die volkswirtschaftliche Funktion lautet:
            = F(K, AN)

            Das ist VWL-Grundstudium. Was Sie beschreiben, ist eine betriebswirtschaftliche Sichtweise.

            Ihr Link untersucht das Verhalten des Mittelstandes. Ihre Behauptung war jedoch, dass die Investitionen rückläufig seien. Von 2005 bis 2012 sind die Direktinvestitionen ins Ausland um 50% gestiegen, nämlich von 800 Mrd. EUR auf 1200 Mrd. EUR. Im gleichen Zeitraum stiegen auch die Direktinvestitionen des Auslandes um den gleichen Faktor, allerdings auf niedrigerem Niveau, nämlich von 400 Mrd. EUR auf 600 Mrd. EUR. Dies wird zwar saldiert, um die Kapitalflüsse abzubilden, sie heben sich aber nicht gegenseitig auf. Fakt ist: die deutsche Industrie investiert mit hoher Rate steigend im Ausland. Das widerlegt kaum meine Aussage und bestätigt Ihre nicht.

  • Oskar 22. Juli 2014, 21:55

    „Woah! Sie haben es, ohne es zu merken! Sie müssen eins konstant halten, um den anderen Punkt zu maximieren bzw. zu minimieren. Das bedeutet:

    Mit einem gegebenen Aufwand ein Maximum an Ertrag erzielen.
    Einen gegebenen Ertrag mit einem Minimum an Aufwand erzielen.

    Herzlichen Glückwunsch! Matheaufgabe gelöst ohne gewusst wie!“

    Sie haben es nicht verstanden.

    „Wenn es denn so ist, hört sich das für mich nach einem vernünftigen politischen Willen an. Mehr Menschen haben eine Aufgabe und ein Einkommen. Was kritisieren Sie eigentlich?“

    Nein. Weniger Menschen haben eine „Aufgabe“ und weniger Menschen haben ein Einkommen.

    [Ich bin raus. Das bringt alles nichts hier.]

  • ernte23 23. Juli 2014, 12:25

    Zu meinem Ihnen unverständlichen Satz. Er ist nur die Verkürzung meines ersten Beitrages hier: Mit möglichst geringen Kosten, möglichst viel Gewinn einfahren, ist vielleicht wirklichkeitsnäher als die an Lionel Robbins angelehnte Formulierung auf meiner Internetseite.

    Zu den Auswirkungen der Automatisierung hat Ralf schon das notwendige gesagt. Ihr Credo scheint einfach zu sein: Solange es mir gut geht, ich mir teure Waren kaufen kann, die mich vom Pöbel abgrenzen, ist alles in Butter. Für den Rest mahnen Sie an Kohl erinnernde Zuversicht an und basta.

    P.S.: Natürlich kenne ich den Spruch „in dubio pro reo“, habe mir aber den Latein-Lapsus erlaubt, weil Sie offenbar Zweifel an der Marktwirtschaft in Zweifel ziehen wollen.

    • In Dubio 23. Juli 2014, 13:15

      Wie bereits dargestellt reden Betriebswirte eben nicht davon, das eine zu maximieren, während das andere im gleichen Zeitpunkt minimiert wird. Diese Aussage ist zwar populär, aber unsinnig. Tatsächlich wird in der Unternehmenswirklichkeit auch so vorgegangen: wie erreiche ich das Beste mit meinen Mitteln? Was muss ich tun, um ein vereinbartes Ziel zu erreichen?

      Solange es mir gut geht, ich mir teure Waren kaufen kann, die mich vom Pöbel abgrenzen, ist alles in Butter.

      Wenn Sie den lateinischen Begriff meinen, meinetwegen. Tatsächlich gehört es zu unserem Wesen, uns abgrenzen zu wollen. Das ist natürlich und ist ein herausragendes Merkmal der auf Sexualität beruhenden Evolution. Und ich will mich nicht nur vom „Plebs“ abgrenzen, sondern generell von meinen Mitmenschen, selbst wenn ich Anzug und Krawatte trage. Ich bin individuell und das trage ich zur Schau.

      P.S.: Das P.S. war erklärend gemeint.

    • techniknoergler 4. August 2014, 22:30

      „Ihr Credo scheint einfach zu sein: Solange es mir gut geht, ich mir teure Waren kaufen kann, die mich vom Pöbel abgrenzen, ist alles in Butter. Für den Rest mahnen Sie an Kohl erinnernde Zuversicht an und basta.“

      Und das ist einfach nur eine absurde Unterstellung, die Sie vollkommen aus der Luft gegriffen in dubio an den Kopf werfen.

      Die politische Linke hat keine Lösungen, nur Vorschläge wie man die Wirtschaft ineffizienter gestallten kann, und die Fähigkeit sich die Welt schlecht zu definieren.

      Man nutzt relative Definitionen, um trotz höherem Lebensstandard als in den 70ern von mehr Armut und prekären Verhältnissen reden zu können, dehnt diese relativen Definitionen dann noch aus – und dann steigt beispielsweise der Anteil an sogenannten Niedriglohnbeschäftigten an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen nicht einmal nennenswert an, trotz aller Tricks um die Zahlen auf dem Papier ins dramatische steigen zu lassen!

      (Dann sind natürlich die bösen Neoliberalen schuld, die Statistiken schönen würden. Dabei hilt das irreleitende Gefühl vieler Menschen, früher sei alle besser gewesen, natürlich deutlich.)

      Und wofür das ganze? Was für konkrete Vorschläge hat man nun? Durch Eingriffe wie Mindestlöhne die als prekär abgestempelten Arbeitsplätze verbieten. Manche werden dann etwas mehr verdienen, andere werden arbeitslos. Man glaubt auf der linken Seite des politischen Spektrums offenbar ernsthaft, damit würde man unter dem Strich mehr Wohlstand schaffen: in dem man Arbeitskraft brachliegen lässt. Nichteinmal die nominale Kaufkraft steigt damit unter dem Strich, geschweige denn die Produktion, deren Produkte angeboten werden können. Wie soll das mehr Wohlstand schaffen? Egal, hauptsache die bösen Kapitalisten machen weniger Profite, Ziel erreicht, bösen Unterdrückern eins ausgewischt. Toll. Und jeder Linke weiß – oder besser gesagt: meint zu wissen – wenn er nur den Unterdrückern eins auswischt, dann geht es den Unterdrückten besser. Ja, so schlicht scheinen die zu denken. Aber in Wirklichkeit erhöht es die soziale Spaltung natürlich, nämlich zwischen denjenigen, die dann denn Mindestlohn verdienen und denjenigen, die ihren Job verlieren. Und letzteren kann man nicht einfach dasgleiche und Arbeit als Gegenleistung garantieren, die denjenigen die dann noch arbeiten (können). Zum einen wegen des Lohnabstandsgebotes, zum anderen weil nach der Mindestlohnlogik um so weniger den Mindestlebensstandard erwirtschaften dürfen, je höher er angesetzt wird.

      Und das wird dann mit persönlichen Angriffen kaschiert und in dem Vorwürfe, die auf Linke viel eher zutreffen, von diesen allen anderen an die Backen geworfen werden.

      Der Sozialstaat vor den HartzIV-Reformen hat beispielsweise gar keinen höheren Mindestlebensstandard für Erwerbstätige vorgesehen, im Gegenteil: Er sah einen niedrigeren Mindestlebensstandard vor. Das war bloß vielen egal, denn dafür hatte er mit der Arbeitslosenhilfe einen vom einmal erreichten Lohnniveau abhängiges Statussicherungsnetz aufgespannt. Es sicherte nicht den kompletten Status, aber je höher der einmal erreichte Status, destso höher der auch bei Verlust der Arbeit weiter garantierte Lebensstandard (für deutlich mehr als 1 Jahr). Bloß, ein allgemeingültiger Mindestlebensstandard war das nicht. Aber wissen sie, was das war, lieber „früher war alles besser und sozial gerechter“-Linke? Ein standesabhängiger „Sozial“staat. Ein Status, Schichtzugehörigkeit und Standesdenken absichernder Ständesozialstaat. Das vermissen Sie. Und werfen Standesdenken nun den anderen vor, denen die den Ständesozialstaat mehr zu einem Sozialstaat mit gleichem Recht und Ansprüchen für alle abgändert haben.

      Was die Frage aufwirft, ob die spaltenden Effekte eines Mindestlohns nicht vielleicht unter dem Tarnmantel der Menschlichkeit und sozialen Gerechtigkeite bewusst oder unbewusst gewollt sind…

  • Phil 23. Juli 2014, 23:39

    Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass die einen dann noch weit besser als heute und die anderen weit nur sehr gering entlohnt werden dürften.

    Bundesbank und DIW: Deutschland braucht höhere Lohnabschlüsse
    http://www.stern.de/news2/aktuell/bundesbank-sieht-spielraum-fuer-hoehere-lohnabschluesse-2125295.html

  • techniknoergler 4. August 2014, 22:42

    @Phil:

    Ja, um die Inflation anzutreiben. Das ist aber ein Spezialfall der aktuellen Situation und der einzige (dafür aber notwendige) Nutzen liegt in der Deflationsvermeidung und dem, was daraus folgt (-> Inflation entlastet Schuldner, aktuell ein politisch gewünschter Effekt).

    Was daraus aber nicht folgt ist, in das relative Lohngefüge eingreifen zu können, ohne Schaden anzurichten..

    Das nominale Niveau ist ja erst einmal willkürlich, worauf es ankommt ist die richtige Relation der einzelnen Preise und Löhne untereinander.

    Aber das Lamento der Linken über Niedriglöhne, Armut, etc… basiert ja gerade auf relativen Definitionen. Das löst sich dadurch nicht. Kann es nicht.

    Entweder alle Preise (auch Löhne) steigen und die Relationen bleiben erhalten. Oder man verzerrt die Relationen durch staatliche Eingriffe oder sich nicht zurückhaltende Kartelle/Monopole (wie die Gewerkschaften), woraus sich eine höhere Arbeitslosigkeit ergibt.

    Andere Optionen gibt es ja gar nicht: Wenn die Relationen der angeordneten oder kartellmäßig erzwungenen Einkommen nicht mehr der Relation des Wertes der Güter (samt Arbeitskraft) entspricht, dann ist das gar nicht anders möglich, als dadurch, das Resourcen (wie Arbeitskraft) brachliegen und ungenutzt bleiben – oder im Falle der Arbeitskraft von einem Staat als Beschäftigungstherapie ohne viel produktiven Nutzen aufgekauft werden.

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