In Frankreich hat ein islamistischer Terrorist den Geschichtslehrer Samuel Paty ermordet. Abgesehen von der persönlichen Betroffenheit, die das bei mir als Geschichtslehrer auslöst, hält der Mord ein Brennglas über ein Problem, das seit Jahren vor sich hinköchelt und das von der Klima- und Coronakrise zwar zeitweise überdeckt, aber nie gelöst wurde. Es geht um das leidige Thema der Integration von Muslimen in die liberalen Gesellschaften Europas. Und ich muss ehrlich sagen, dass sich meine Perspektive auf dieses Thema langsam aber sicher zu wandeln beginnt. Nicht so sehr wegen dieses Mordes; der packt, wie gesagt, eher das Brennglas darüber. Nein, hier ist mehr am Werk, und ich will hier versuchen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit meine Gedankenprozesse deutlich zu machen und hoffentlich eine interessante und gewinnbringende Debatte zu starten.
Zuerst einmal dazu, warum ich mich mit dem Thema so schwer tue und überhaupt einen Bewusstseinswandel habe. Ich betrachte mich grundsätzlich als einen progressiven und liberalen Menschen. Allein schon deswegen konnte und kann ich mit dem Leitkultur-Geschwurbel, das so häufig in dieser Debatte bestimmend war, wenig anfangen.
Ich bin fundamental der Überzeugung, dass DeutscheR zu sein unabhängig von Migrationshintergrund, Hautfarbe oder Religion ist. Ich glaube nicht daran, dass es einen Buy-In in eine spezifische „Leitkultur“ braucht, ob Goethe oder Oktoberfest, um vollwertig StaatsbürgerIn dieses Landes zu sein. Was zählt ist die Akzeptanz des Rechtsstaats und der in der Verfassung niedergelegten Werte. Alles andere ist optional.
Leider wir die Integrationsdebatte schon immer durch diejenigen vergiftet, die eigentlich kein Interesse an Integration haben, weil sie fundamental daran zweifeln, dass bestimmte eingewanderte Gruppen – seien es türkisch-, afghanisch-, somalisch- oder syrischstämmige Gruppen – einen Platz in diesem Land und dieser Gesellschaft haben. Dass diese Leute so tonangebend waren und die Debatte so lange vergiftet haben, ist ein Versagen der gesamten liberalen Mehrheitsgesellschaft.
Aber: Auch die progressive Seite hat versagt. Seit dem spektakulären Scheitern der Multi-Kulti-Idee in den 2000er Jahren ist keine alternative Erzählung vertreten worden, wie Integration eigentlich funktionieren sollte, ist der Ablehnung von rechts zwar ein grundsätzlich diffuses Willkommenheitsgefühl von links entgegengesetzt worden, aber nie eine positive Vision davon, wie eine gelungene Integration aussehen kann. Es fehlt, gewissermaßen, an einer progressiven Leitkultur. Diese Kritik ist nicht neu, ich habe sie hier schon mehrfach geäußert.
Ich frage mich allerdings in letzter Zeit häufiger – und hier kommen wir zum vorliegenden Fall – ob ich es mir nicht zu bequem darin gemacht habe, diesen Zustand zu analysieren, und den ein oder anderen Lösungsvorschlag zu machen. Ich glaube, in meiner Frontstellung gegen all die Rechten, die vor allem seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 rassistische Parolen in die Welt trompetet haben, bin ich allzu nachlässig gegenüber den „bad apples“ geworden, die leider ungeachtet selbiger rassistischer Parolen tatsächlich existieren und die ein gewaltiges Problem darstellen. Ich habe, kurz gesagt, das Gefühl, auf diesem Feld genau den Fehler begangen zu haben, den ich immer Leuten wie Stefan Pietsch oder R.A. im Umgang mit den Rechtsextremisten vorgeworfen habe. Viel zu häufig „ja, aber“ zu sagen, wegzuschauen, zu verharmlosen, das Thema zu wechseln.
Denn ich kann einfach nicht verleugnen, dass in den Ländern Europas – nicht nur Frankreich, sondern auch hier in Deutschland – Subkulturen unter Leuten entstanden sind, die Migrationshintergrund aufweisen. Subkulturen, die es weder mit dem Rechtsstaat, noch mit der Demokratie, noch mit den Werten des Grundgesetzes haben. Subkulturen, in denen eine virulente Ablehnung zu diesen Werten hochkocht. Und Subkulturen mit genügend Mitgliedern, die gewaltbereit sind.
Diese Subkulturen lassen sich nicht über einen Kamm scheren, und ich bin sicher kein Experte für das Thema. Deswegen sollten alle folgenden Ausführungen dazu als Beobachtungen eines beobachtenden Laien betrachtet werden, die durch meine eigenen Erfahrungen geprägt sind. Anekdotische Evidenz also. Es gibt diverse ForscherInnen, die das wesentlich strukturierter auf der Platte haben als ich hier. Ich will daher einige Beispiele geben.
Unter Deutschtürken, besonders jungen, männlichen Deutschtürken, verbreitet sich in den letzten Jahren immer mehr der aus der Türkei gesteuerte Osmanenkult. Mir fällt das im Geschichtsunterricht auf, wo ich immer mehr Fragen zu Glanz und Glorie des Osmanischen Reichs bekomme, das mit der modernen Türkei ebenso gleichgesetzt wird wie mit den nahöstlichen Großreichen vorher – ein brillanter Propagandaerfolg Erdogans und der AKP. So erfuhr ich jüngst von einem Schüler, dass die chinesische Mauer zur Abwehr der Osmanen gebaut worden sei. Er war geradezu entsetzt als ich ihm auf der Karte zeigte, wie weit Istanbul von Westchina entfernt liegt, und glaubt mir immer noch nicht, dass die Mauer rund 1000 Jahre vor der Etablierung Osmans erbaut wurde – was den Chinesen beeindruckende Voraussicht in zukünftige Bedrohungen attestieren würde.
Derart krude Propaganda, so fruchtbar sie auch ist, ist aber leider nicht alles, was aus Ankara in die türkische Diaspora fließt. Zunehmend gilt die offizielle Parteilinie der AKP – eine Verherrlichung Erdogans und eine Absolutsetzung dessen, was er als „türkische Interessen“ sieht – als Grundpfeiler türkischer Identität. Zunehmend muss man sich im Klassenraum AKP-Propaganda erwehren und sieht sich Schülern (alle männlich) gegenüber, die die Größe der türkischen Nation verteidigen, als ob sie sie persönlich beträfe – obwohl sie oft schon in der vierten Generation hier leben! Gleichzeitig geht damit eine Verherrlichung patriarchalischer Lebensformen einher. Ich bemerke im Unterricht etwa zunehmend offen, geradezu herausfordernd vorgetragene Forderungen nach der Entrechtung von Frauen. Die Vorstellung, dass Homosexuelle Rechte hätten, wird geradezu mit Abscheu begegnet.
Doch damit nicht genug. Der wohl gefährlichste Einfluss Erdogans und der AKP hier in Deutschland ist in der Auswahl der Imame, die die Moscheen im Land kontrollieren. Diese Leute kommen aus der Türkei und wurden auf die religiöse und politische Linie eingeschworen, die sie an die türkischstämmigen Westeuropäer weitergeben – gerade an die jüngeren Leute. Alternativen gibt es nicht. Nicht zuletzt die Konservativen im Land haben immer wieder verhindert, dass es eine vernünftige staatliche Aufsicht und Ausbildung von Imamen in Parallele zum Religionsunterricht an Schulen und der staatlichen Aufsicht darüber gibt. Stattdessen driftete muslimischer Religionsunterricht in den privaten, unkontrollierten Bereich ab.
Nicht vergessen sollte man auch, dass die mit 20.000 Mitgliedern größte rechtsextreme Gruppe in Deutschland aus Deutschtürken besteht, die einer faschistischen Ideologie anhängen. In all diesen Fällen hat der deutsche Staat viel zu lange still gesessen. Und das kann man eben nicht nur auf die Blockierhaltung von konservativen und rechtsdemokratischen Elementen in Deutschland schieben, wenngleich die sicher ihren Anteil haben. Aus falsch verstandener Toleranz und dem Glauben, es sei rassistisch entsprechende Forderungen zu erheben, haben wir Progressiven selbst viel zu lange all das laufen lassen.
Ich will auch gar nicht zu sehr auf den Einfluss der Türkei abheben, das ist ja nur eine dieser Subkulturen. Es ist auch nein anhaltendes Thema etwa unter den mehrheitlich jungen und männlichen Geflüchteten. Was mir hier besonders auffällt – vor allem aus Erzählungen von KollegInnen, die im Geflüchtetenbereich arbeiten – ist einerseits die identitätspolitische Dimension dieser Überzeugung, die wie im Fall der Deutschtürken solche Haltungen und ihre aggressive Zurschaustellung als essenziellen Teil ihrer Identität sieht.
Auffällig ist dabei, dass diese Leute keine Ahnung von ihrer eigenen Religion haben. So erzählte mir eine Kollegin jüngst, dass sich bei ihr im Religionsunterricht Geflüchtete weigerten, am Unterricht teilzunehmen. Ihre Religion verbiete ihnen, sich über andere Weltreligionen zu informieren (was der Bildungsplan sinnvollerweise vorsieht). Es ist schwer zu sagen, ob das nur als vorgeschobenes Argument betrachtet wird, um auf einfache Art Unterricht schwänzen zu können, oder ob echte Überzeugung dahintersteht. Eine entsprechende Sure zu zitieren ist den Leuten aber sicherlich nicht möglich.
Generell gibt es praktisch keine Kenntnis bei diesen Leuten über den Koran; das haben sie mit vielen religiösen FanatikerInnen gemeinsam. Viele Evangelikale haben ja auch sehr merkwürdige Vorstellungen dessen, was angeblich in der Bibel steht. So ist das auch hier. Nicht, dass eine bessere Korankenntnis das Problem grundsätzlich angehen würde; mir fällt nur auf, dass meine Grundthese seit vielen Jahren, dass es nicht um Religion, sondern Identität geht, fundamental bestätigt ist. Der Islam per se, so viel sei den rechten Freunden gesagt, ist nicht das Problem.
Wohl aber, dass der Islam – hier mal mit breitem Pinsel gezeichnet – bereit ist, diese beknackten Identitätskrieger ebenso in seiner Mitte zu dulden wie die politischen Imame. Dass er kein Problem damit, extremistische Salafisten in Fußgängerzonen als offizielles Aushängeschild der ganzen Weltreligion herumlaufen zu lassen. Und dass die Islamkonferenz ebenso wie der Zentralrat der Muslime weiterhin enorme Schwierigkeiten haben, selbst das absolute Mindestmaß zu erfüllen, wie die Anerkennung des Existenzrechts Israels und ähnlicher Selbstverständlichkeiten.
Ihr merkt schon beim Lesen, dass dieser Artikel insgesamt etwas strukturlos ist, fürchte ich. Ich schreibe meine Gedankenprozesse auf, mir quasi etwas von der Seele (das klingt so pathetisch…). Ich bin froh, dass ich da im linken Spektrum nicht der Einzige bin, wenngleich das Erscheinen der folgenden Artikel während meiner Arbeit an diesem hier natürlich auch auf meine mangelnde Arbeitsdisziplin in diesem Fall hindeutet. So hat Kevin Kühnert in einem Gastartikel für den Spiegel sehr deutliche, klare und wohl formulierte Worte gefunden, besser vermutlich, als ich das kann. Und Sascha Lobo, der das Thema in seinem Buch „Realitätsschock“ (hier besprochen) bereits untersucht und da für meine Gedankenprozesse wertvolle Grundlagenarbeit gelegt hat, hat auch mit einem eigenen Artikel nachgelegt. Aber zurück zum Thema.
Diese Subkulturen haben sich natürlich auch bei den Geflüchteten gebildet und verfestigt. Es schmerzt, diese Erkenntnis auszusprechen. Einerseits, weil die Entwicklung generell traurig und schrecklich ist, und weil so viele Unschuldige mit den in den Strudel gezogen werden – guilty by association. Andererseits, weil das der Dauertenor der Rechten war, die Warnungen vor Parallelgesellschaften und irgendwelcher düsterer, integrationsunwilliger Subkulturen. Natürlich auch, weil es immer doof ist, wenn der Gegner mal mit was Recht hatte, aber hauptsächlich deswegen schmerzhaft, weil man sich eingestehen muss, eher reflexhaft darauf reagiert zu haben.
Damit meine ich nicht, dass meine Kritik grundsätzlich falsch gewesen wäre, schließlich ging es diesen Leuten ja nicht darum, eine bessere Integration zu erreichen. Sachlich gesehen stehe ich zu meiner Kritik. Nein, der Punkt ist, dass ich mich selbst nicht genug mit dem Problem auseinandergesetzt habe. Anstatt nur festzustellen, was diese Leute alles nicht sind und tun – etwa die Anwesenheit von MigrantInnen auf einem fundamentalen Level überhaupt zu akzeptieren – und das zu kritisieren, hätte auch die Anerkennung des trotzdem bestehenden Problems stehen müssen. Aber die kam nicht, aus Angst vor der Assoziierung, aus Bequemlichkeit vermutlich auch, auch aus falsch verstandenem Idealismus vielleicht.
Die Struktur dieses Artikels ist eh nicht mehr zu retten, daher komme ich an dieser Stelle noch einmal auf den konkreten Fall Paty zurück. Obwohl das in Frankreich passiert ist, hält er viele Lektionen für uns hier in Deutschland bereit. Paty unterrichtete im Rahmen des Geschichte-/Politikunterrichts die Mohammedkarikaturen. Das Thema war Meinungsfreiheit, und er nutzte sie als Fallbeispiel. Nach allem, was man liest, machte Paty alles richtig. Wichtiges Normenthema, check. Aktueller Bezug, check. Er hat seinen muslimischen SchülerInnen sogar angeboten, den Raum zu verlassen, wenn sie Karikaturen nicht sehen wollten. Rücksicht und Respekt, alles da.
Es ist auch auffällig, dass der Mörder kein Schüler Patys war. Stattdessen wurde Paty zum Gegenstand einer Hetzkampagne innerhalb dieser Subkulturen, wie man sie aus anderem Kontext auch kennt – man denke nur, um ein berühmtes Beispiel aufzugreifen, den QAnon-Blödsinn von Hillary Clintons Kinderporno-Ring unter einer Washingtoner Pizzeria. Wie in den USA führte die Verschwörungstheorie auch hier zu Gewalt. Die erwähnten unkontrollierten Subgruppen teilten auf Facebook – wo auch sonst? – die offensichtlich bescheuerte Lügengeschichte, Paty habe Pornographie gezeigt.
Das ist ein identitätspolitischer Faktor. In der Kulturkrieger-Ideologie, in der diese Subgruppen mariniert sind, ist die eingebildete bewusste Blasphemie der „Ungläubigen“, ihr gezielter Versuch, Ehre und Integrität „der Muslime“ zu beschädigen, fest eingebaut. Wer sich in solchen Kreisen bewegt, glaubt daran, dass das staatliche Schulsystem jungen Muslimen im Unterricht Pornos zeigt. Oder dass Joe Biden das Blut von Kindern auf einem satanistischen Altar opfert. Die Mechanismen sind in all diesen Spinnergruppen dieselben.
Aber, und das sei zum Abschluss noch einmal eindringlich wiederholt, die Gefahr bei diesen spezifischen Gruppen ist ihre wesentlich zu große Verankerung in der weiteren Kultur. Wo Attila Hildemann sich zwar als Stimme der Mehrheitsdeutschen aufspielen kann, aber genug Pushback aus allen möglichen Richtungen der Gesellschaft bekommt, haben diese Fanatiker es geschafft, allzu unwidersprochen als Stimme „des“ Islams gelten zu dürfen. Das liegt auch daran, dass wir mit rassistischer Ablehnung bis wohlmeinender, aber fehlgeleiteter Indifferenz dem Islam gegenüberstehen. Aber eben nicht nur.
Wichtiges Thema. Guter Artikel, stimme Dir zu. Hoffentlich kommt die Diskussion (siehe auch Lobo und Kühnert) nicht zu spät. Mit Corona ohnehin noch schwieriger. Die Strukturen sind seit Jahrzehnten bekannt, wurden aus den von Dir genannten Gründen (Geschichte/Toleranz) ausgeblendet. Das geht jetzt nicht mehr.
Wenn Lehrer (oder Richter oder Sozialamt-Mitarbeiter oder Bürgermeister) bedroht werden, ist die liberale Demokratie in Gefahr.
Frankreich will Gefährder ausweisen. Aber wohin, wenn kein anderer Staat sie aufnimmt oder ihnen dort Strafen drohen, die unseren Werten widersprechen? Sie mangels Lösung einfach gewähren zu lassen wie bisher, kann es auch nicht sein. Viel zu bedenken zu zu bereden.
@ CitizenK 22. Oktober 2020, 10:17
Grundsätzliche Zustimmung.
Frankreich will Gefährder ausweisen. Aber wohin, wenn kein anderer Staat sie aufnimmt oder ihnen dort Strafen drohen, die unseren Werten widersprechen?
Mit der Lösung hätte ich wahrscheinlich weniger Probleme als die meisten anderen hier. Wer sich derart gewaltsam gegen die Gesellschaft stellt, darf gerne dahin zurück, wo er herkam; der Rest ist dann sein Problem.
Gefühlt: Ja. Aber dem steht Art. 1 GG im Weg. Wollen wir den aufgeben?
Die Verfassung sichert auch Verbrechern (inländischen wie ausländischen) das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu. Moralisch ist es in höchstem Maße zu verabscheuen, wenn Migranten Verbrechen in einem Land begehen, das sie aufgenommen hat. „Raus, raus, raus…“ ist da gefühlsmäßig verständlich. Aber wie bei der Todesstrafe setzt das Grundgesetz eine absolute Grenze. Wir brauchen also andere Lösungen.
@ CitizenK 22. Oktober 2020, 12:10
Gefühlt: Ja. Aber dem steht Art. 1 GG im Weg. Wollen wir den aufgeben?
Genau das ist der Zwiespalt. Meine Meinung
zugegen Gewalt ist halt sehr, sehr klar ausgeprägt.Die Verfassung sichert auch Verbrechern (inländischen wie ausländischen) das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu.
Nun ja, das Grundgesetz gilt nur hier.
Moralisch ist es in höchstem Maße zu verabscheuen, wenn Migranten Verbrechen in einem Land begehen, das sie aufgenommen hat. „Raus, raus, raus…“ ist da gefühlsmäßig verständlich.
Was mich wirklich stört, ist, dass viele gewalttätige Migranten (soll heißen: des Teils der Migranten, die gegen andere Gewalt ausüben bzw. Gewaltverbrechen begehen) sich diese Gewalttaten im eigenen Land nicht trauen würden. Da steht eine Respekt- und Rücksichtslosigkeit gegenüber unserer Gesellschaft im Raum, die mich wirklich ärgert.
Ansonsten ist es mir eigentlich egal, wer der Gewalttäter ist, oder ob die gewalt politisch / religiös / identitär /sportlich / rassistisch begründet ist. Gewalttäter gehören der Gesellschaft entzogen.
Hast du mal so einen Aufmarsch der Muslimbrüder gesehen? Ich halte die These, dass die sich das da nicht trauen, für gewagt.
@ Stefan Sasse 22. Oktober 2020, 14:23
Hast du mal so einen Aufmarsch der Muslimbrüder gesehen? Ich halte die These, dass die sich das da nicht trauen, für gewagt.
Auch wahr, in etwa Ägypten.
Aber diese Typen mit dicken Eiern, die sich hier allzu oft mit dem von Dir beschriebenen Hintergrund aufblasen, sind gemeint.
Klar, das sind einfach nur Jungs voll toxischer Maskulinität.
@ Stefan Sasse 22. Oktober 2020, 16:41
Klar, das sind einfach nur Jungs voll toxischer Maskulinität.
Du immer mit Deinem linken Buzzword-Bingo. Hab meinen Zettel gleich voll… 🙂
Toxische Maskulinität benutze ich nun wahrlich oft genug, und es ist eine sinnvolle analytische Kategorie.
Ja, ich mag diesen „Draufschlagen“-Reflex auch gar nicht. Der steht nämlich außerhalb des liberalen Rechtsstaats, den wir ja gerade verteidigen wollen.
Ich verstehe sehr gut, warum man das machen will. Aber die Probleme verschwinden dadurch ja nicht wirklich. Selbst wenn das Aufnahmeland auch demokratisch ist.
Es gab vor ein paar Jahren einen Attentäter in Deutschland, der eigentlich bereits nach Norwegen hätte abgeschoben werden können. Dieses Versäumnis wurde der Regierung damals vorgeworfen. https://www.ksta.de/politik/versaeumnis-bamf-haette-hamburger-attentaeter-nach-norwegen-abschieben-koennen-28102196
Ich fand die Lösung, dass der dann uns hier in Norwegen gefährdet hätte irgendwie auch nicht so prickelnd.
Und selbst wenn es nur um den Schutz Deutscher geht, gibt es so viele deutsche Touristen hier, dass die Wahrscheinlichkeit deutscher Opfer auch hier hoch gewesen wäre.
@ derwaechter 22. Oktober 2020, 12:48
Ich verstehe sehr gut, warum man das machen will. Aber die Probleme verschwinden dadurch ja nicht wirklich. Selbst wenn das Aufnahmeland auch demokratisch ist.
In dem von Dir genannten Fall würde ich den Kerl nach Norwegen liefern, wenn die Bestrafung dort härter wäre; ist sie es hier, fährt er hier ein.
Ich verstehe ja Deinen Punkt, auch den von Citizen. Und ich weiß, dass ich beim Thema Gewalt eher meinen Gefühlen als meinem Verstand folge.
Absolut.
Die ganze Abschiebediskussion ist viel zu oft ein naives „aus den Augen aus dem Sinn“.
„Abschieben“ ist nur eine Chiffre, eine Ersatzbefriedigung. Der hilflose Wunsch nach Härte, Strafe, Vergeltung. Ein sehr menschlicher Reflex, aber kein hilfreicher.
Die Abschiebe-Praxis ist ein Trauerspiel. Hier in der Region wurden mehrere bestens integrierte Familien abgeschoben. Die Eltern in Jobs, vom Arbeitgeber gelobt und der Verlust beklagt, die Kinder im Sportverein. Weil sie vor vielen Jahren bei der Einreise irgendeinen Punkt verschwiegen hatten oder so.
Weil man die Problematischen nicht kriegt oder nicht abschieben kann, hält man sich an die Harmlosen? Damit man Zahlen vorweisen kann?
Und Die Polizei kam morgens vor 6 Uhr. Zwei Stunden später saßen sie im Flieger.
Pfad zur Staatsbürgerschaft, ich sag’s immer wieder.
It’s not a bug, it’s a feature.
Man darf nicht vergessen, dass es genügend Leute vor allem am rechten Rand (aber leider nicht nur dort) gibt, die einfach ganz grundsätzlich niemanden hier wollen, den sie als „nicht zugehörig“ empfinden.
Es wird zwar immer von kriminellen Ausländern gesprochen, das ist aber eine Dog-Whistle, gemeint sind alle Ausländer und ausländisch Aussehende.
Insofern empfindet diese Klientel das Abschieben bestens integrierter Familien nicht nur nicht als Verlust, sie begrüßen es ausdrücklich. Auch wenn das verpackt wird in Prinzipien wie „der Rechtsstaat darf keine Unterschiede machen, eine falsche Angabe ist Betrug und muss, leider, leider sanktioniert werden“, ist damit in Wirklichkeit viel zu oft einfach nur gemeint: „Die sollen hier weg.“
Genau.
Das ist so, leider. Auch im grün-schwarz regierten BW.
Das ist das was mich so aufregt. Ausweisungen etc., dieser ganze Strafenkatalog, reflexhaftes Draufhauen – das ist der Kram von Rechts, der aber nichts hilft. Mein Fehler war halt, das zwar zu erkennen, aber nicht genug an einer Lösung mitzuarbeiten.
@ Stefan Sasse on 22. Oktober 2020
Vorab: Ich bewundere immer wieder Deine Bereitschaft, immer wieder Dich und Dein Weltbild auf den Prüfstand bzw. in Frage zu stellen, und Dir tief in die Seele schauen zu lassen, um uns an Deinen Denkprozessen, Ängsten, Prozessen, unfertigen Meinungen, (Vor-)Urteilen etc. auch zu kontroverse diskutierten Themen teilhaben zu lassen. Das finde ich mutig. Dennoch werden Dir von mir kritische Bemerkungen nicht erspart bleiben, aber die sind nicht bös gemeint 🙂
Allein schon deswegen konnte und kann ich mit dem Leitkultur-Geschwurbel, das so häufig in dieser Debatte bestimmend war, wenig anfangen.
Wenn Du die gesamte Leitkultur-Diskussion „Geschwurbel“ nennst, dann hast Du entweder nur den extremen Rand des Themas mitbekommen, oder nicht richtig zugehört.
Ich glaube nicht daran, dass es einen Buy-In in eine spezifische „Leitkultur“ braucht, ob Goethe oder Oktoberfest, um vollwertig StaatsbürgerIn dieses Landes zu sein. Was zählt ist die Akzeptanz des Rechtsstaats und der in der Verfassung niedergelegten Werte. Alles andere ist optional.
Dem letzten Satz kann ich nicht zustimmen. Das mag an meiner Interpretation dieser Aussage liegen: „Wenn eine Person den Rechtsstaat und die in der Verfassung niedergelegten Werte akzeptiert und lebt, müssen die MitbürgerInnen alles andere klaglos hinnehmen“.
Das geht so natürlich nicht. Selbst wenn ich keinem muslimischen Zuwanderer gegenüber die Erwartungshaltung habe, dass er von nun an jeden Sonntag Schweinsbraten mit Knödel und Kraut essen muss, darf der halt auch nicht erwarten, dass er offen aufgenommen wird, wenn er ein paar Mal am Tag vor der Haustür den Gebetsteppich ausrollt. Man muss sich, wenn man in eine Gemeinschaft will, der Gemeinschaft anpassen; will man das nicht, will man man kein Teil der Gemeinschaft sein.
Dein vermutliches Argument, dass das für alle gilt, nicht nur für Migranten, ist natürlich unwiderlegbar. Aber die Unterschiede zwischen den meisten Migranten und den meisten Deutschen sind (meist) größer als zwischen Friesen und Franken, die Wege in die Gemeinschaft also weiter. Und natürlich sind die Gesellschaften in Städten und auf dem Land unterschiedlich.
Leider wir die Integrationsdebatte schon immer durch diejenigen vergiftet, die eigentlich kein Interesse an Integration haben, weil sie fundamental daran zweifeln, dass bestimmte eingewanderte Gruppen – seien es türkisch-, afghanisch-, somalisch- oder syrischstämmige Gruppen – einen Platz in diesem Land und dieser Gesellschaft haben.
Ich mag es nicht, wenn Du Begriffe wie „vergiftet“ benutzt, da Du in der Regel in diesen Fällen einseitig und unscharf argumentierst. Vergiftet wurde die Debatte auch von Leuten, die jedem einen Platz (vielleicht nicht in ihrer eigenen, direkten Nachbarschaft, aber doch) in unserer Gesellschaft zuweisen wollen – auch dann, wenn die von Dir genannten Kriterien nicht erfüllt sind.
Problematisch auch, wenn die von Dir genannten Gruppen von sich aus kein Teil unserer Gesellschaft sein wollen, sondern auf „unserem“ Grund, in „unseren“ Städten „ihre“ Gesellschaft fortführen wollen.
… aber nie eine positive Vision davon, wie eine gelungene Integration aussehen kann. Es fehlt, gewissermaßen, an einer progressiven Leitkultur. Diese Kritik ist nicht neu, ich habe sie hier schon mehrfach geäußert.
Zustimmung. Ich habe mich mehrfach angeschlossen und tue es gerne wieder. Ist einer meiner Hauptkritikpunkte an der Regierung Merkel, dass sie in dieser wichtigen Frage Migranten und Einheimische sich selbst überlässt; beide Seiten sind davon häufig überfordert.
Ich habe, kurz gesagt, das Gefühl, auf diesem Feld genau den Fehler begangen zu haben, den ich immer Leuten wie Stefan Pietsch oder R.A. im Umgang mit den Rechtsextremisten vorgeworfen habe. Viel zu häufig „ja, aber“ zu sagen, wegzuschauen, zu verharmlosen, das Thema zu wechseln.
Danke fürs gutgemeinte Weglassen, aber da gehöre ich auch zu.
Ansonsten: Zustimmung; solche grundsätzliche Fehler werden immer von beiden Seiten gemacht.
Zunehmend muss man sich im Klassenraum AKP-Propaganda erwehren und sieht sich Schülern (alle männlich) gegenüber, die die Größe der türkischen Nation verteidigen, als ob sie sie persönlich beträfe – obwohl sie oft schon in der vierten Generation hier leben! … Ich bemerke im Unterricht etwa zunehmend offen, geradezu herausfordernd vorgetragene Forderungen nach der Entrechtung von Frauen. Die Vorstellung, dass Homosexuelle Rechte hätten, wird geradezu mit Abscheu begegnet.
Die angesprochene Altersschicht macht das Ganze so ungemein gefährlich. Der Verstand beginnt bereits zu arbeiten, „Logik“ funktioniert, aber eigene Erfahrungen fehlen, und dann setzen sich solche Bilder für den Rest des Lebens fest – rein in die Birne geht stets leichter als später wieder raus. Und wenn ein derart geprägter pubertierender Halbstarker dann Ablehnung durch ein Mädel erfährt, ist garantiert aus seiner Sicht das Mädel rassistisch oder lesbisch oder sonst etwas (an ihm in seiner eigenen Großartigkeit kann es ja nicht liegen). In diese Richtung haben meine beiden jüngsten Töchter mehr einschlägige Erfahrungen, als ihnen und mir lieb sein kann.
Der wohl gefährlichste Einfluss Erdogans und der AKP hier in Deutschland ist in der Auswahl der Imame, die die Moscheen im Land kontrollieren. Diese Leute kommen aus der Türkei und wurden auf die religiöse und politische Linie eingeschworen, die sie an die türkischstämmigen Westeuropäer weitergeben – gerade an die jüngeren Leute.
Danke – mein Reden seit Jahren.
Nicht zuletzt die Konservativen im Land haben immer wieder verhindert, dass es eine vernünftige staatliche Aufsicht und Ausbildung von Imamen in Parallele zum Religionsunterricht an Schulen und der staatlichen Aufsicht darüber gibt.
Auch hier wieder: Die Infos aus betroffenen „konservativen“ Kreis- und Landesverbänden sagen etwas anderes. Das Festhalten am Procedere trotz der inzwischen vorliegenden Erkenntnisse wird aus dem Bundeskanzleramt gesteuert. Man will keinen Streit mit der Türkei, weil die uns ja die Flüchtlinge vom Hals hält etc. Und mit einem Außerminister (alles außer Minister) wie Heiko Maas kann man in der Türkei keinen Staat machen.
Dazu kommt das agieren von rechtsextremen türkischen Gruppierungen (nicht nur die Wölfe), die hier die Leute einschüchtern, Spitzeldienste leisten, bei Wahlen „beratend“ zur Seite stehen und auf Erdogan-Kritiker schon mal handgreiflich reagieren.
Der Islam per se, so viel sei den rechten Freunden gesagt, ist nicht das Problem.
Der Islam per se, soviel sei den linken Freunden gesagt, ist deshalb ein Problem, weil er von rechtsextremen und islamistischen Populisten derart erfolgreich instrumentalisiert wird, und von Mitte bis links alle wegschauen, um ja den „guten“ Muslimen“ nicht auf die Füße zu treten.
…mir fällt nur auf, dass meine Grundthese seit vielen Jahren, dass es nicht um Religion, sondern Identität geht, fundamental bestätigt ist.
Volle Zustimmung. Die in diesem Themenkomplex eigentlich unvermeidliche Frage Ist die Grenze zwischen Religion, Weltanschauung und Ideologie so klar, wie es den Anschein hat? hatte kürzlich ja auch schon cimourdain aufgeworfen. Ich denke, dass es bei allem genau um die von Dir angesprochene „Identität“ geht.
Danke für einen wirklich wichtigen Beitrag!!
Auch hier wieder: Die Infos aus betroffenen „konservativen“ Kreis- und Landesverbänden sagen etwas anderes. Das Festhalten am Procedere trotz der inzwischen vorliegenden Erkenntnisse wird aus dem Bundeskanzleramt gesteuert. Man will keinen Streit mit der Türkei, weil die uns ja die Flüchtlinge vom Hals hält etc. Und mit einem Außerminister (alles außer Minister) wie Heiko Maas kann man in der Türkei keinen Staat machen.
Dazu kommt das agieren von rechtsextremen türkischen Gruppierungen (nicht nur die Wölfe), die hier die Leute einschüchtern, Spitzeldienste leisten, bei Wahlen „beratend“ zur Seite stehen und auf Erdogan-Kritiker schon mal handgreiflich reagieren.
Volle Zustimmung. Manche sagen wir machen eine Appeasment Politik gegenüber Putin. Wie nennen wir dann unsere Politik gegenüber Erdogan?
Arschkriechen, kommt dem ganzen schon recht Nahe, finde ich.
Hallo Jens,
Wie nennen wir dann unsere Politik gegenüber Erdogan?
Arschkriechen, kommt dem ganzen schon recht Nahe, finde ich.
ein fettes „JA!„.
Ich fand Erdogan als Ministerpräsident wirklich Klasse. Aber je weniger er innenpolitisch zu bieten hat, um so extremer und radikaler wird er. Ich hatte da ja auch ein paar Beispiele genannt.
Viele Grüße
E.G.
Jepp. Aber was sind die Alternativen?
@ Stefan Sasse 22. Oktober 2020, 14:20
Jepp. Aber was sind die Alternativen?
ich muss nicht immer ein guter Koch sein, um zu erkennen, dass das Essen nicht schmeckt. So, wie es Maas macht, schon mal nicht.
Der ist so ein bisschen der Maßstab für „so nicht“. Um bei der Koch-Metapher zu bleiben: der serviert Tütensuppen.
Da muss man aber auch ehrlich sagen: Der letzte deutsche Außenminister, der irgendeinen Eindruck hinterlassen hat, war Joschka Fischer (und das vor allem durch die Reaktion in der UN-Sitzung zum Irak-Krieg).
Jepp.
@ TBeermann 23. Oktober 2020, 07:50
Westerwelle, mit seinem „Nein“ zum Angriff auf Libyen.
Danke.
Vermutlich trifft der Verdacht zu, dass ich vor allem die extremen Ausläufer der Debatte kenne. Damit meine ich aber schon so Wortmeldungen von Roland Koch et al.
Bezüglich der Gemeinschaft: Du hast da völlig Recht, das hätte ich mit reinnehmen sollen.
Merkel würde ich da auch genug Schuld vor die Haustüre legen, ja.
Dich hab ich nicht rein, weil du wenigstens bereit warst darüber zu diskutieren und die Möglichkeit zuzulassen, da zu weit gegangen zu sein. 🙂
Ich sehe das Bundeskanzleramt durchaus als konservative Institution, weil CDU-kontrolliert.
Islam per se: Da sagen wir ja beide das Gleiche, nur mit unterschiedlichen Worten.
Moin Stefan,
finde mich in deinem Artkel zu sehr großen Teilen wieder.
Das strukturlose liegt daran, dass das Thema extrem vielschichtig ist und mittlerweile gerade in Intelektuellen Kreise Denkverbote herrschen. Denken darf man es vielleicht noch, aber wenn man es äußert gibt es einen Shitstrom erster Klasse.
Das hat deswegen so lange „funktioniert“, weil die etablierte Mitte und Oberschicht in ihrem täglichen Leben, mit den Problemen von massenhaften Sozialhilfemissbrauch von kriminellen ausländischen Clans, Gewalt, Kleinkriminalität und dem zunehmendem Problem mit den türkischen Zuwandern der 3. Generation nichts mit bekommt. Die wohnen in komplett anderen Vierteln.
So war es leicht alle Kritiker gleich in die rechte Ecke zustellen und sich selbst als aufgeklärten liberalen Menschen zu fühlen. Die Silvesternacht in Köln war ein kurzer Weckruf, a la Houston wir haben ein Problem. Aber was ist danach passiert? Welche Konsequenzen haben wir gezogen?
Keine!
Dabei ist es eigentlich recht simpel. Der allergrößte Teil der Zugewanderten ist hier gut integriert. Viel besser als in anderen europäischen Staaten. Deutschland mancht es Zugewanderten recht leicht sich hier z.B. selbstständig zu machen. Ich kenne in meinem Bekanntenkreis z.B. einen Jordanier Taxiunternehmer mit mehreren Angestellten und Fahrzeugen, einen türkisch stämmigen der ein Elektrounternehmen hat mittlwerweile ca. 20 Angestellte, einen Zugewanderten aus Osteuropa ebenfalls Elektroinstallation mit ca. 8 Angestellten. Auch in größeren Betrieben werden Zugewanderte in Deutschland häufiger angestellt als in vielen euopäischen Ländern, z.B. Schweden.
Es gibt leider eine Minderheit von Zugewanderten die Kriminell und asozial sind. Und gegen die muss viel mehr vorgeangen werden. Von der Polizei, von der Staatsanwaltschaft, von der Legeslative, den Medien und der Politik.
(Legeslative) Um die kriminellen Banden zu bekämpfen müssen wir dem italienischen und amerikanischen Vorbild folgen und endlich viel aktiver gegen Geldwäsche vorgehen. Es braucht hier bei erheblichen Zweifeln an dem erworbenen Besitz von Tätern eine Beweisumkehr. Wer nicht nachweisen kann, woher er das Geld hat muss es abgeben. Und wegen Steuerhinterziehung zusätzlich in den Knast. Klassische Polizeimethoden sind in bei den Clans nur minimal erfolgreich. Gegen die Mafia übrigens auch nicht (Al Capone wurde wegen Steuerhinterziehung lebenslang in den Knast gesteckt). Die fühlt sich hier wegen der laxen Geldwäsche Gesetze sehr wohl. Hier stemmen sich meist die Konservativen und Liberalen dagegen. Die härteren Strafen, die sie als Alternative fordern, werden nichts bringen.
Die Linke muss mal endlich ihre Scheuklappe ablegen. Kühnert hat ja schon mal einen ersten Schritt gewagt.
https://www.zeit.de/politik/2020-10/kevin-kuehnert-islamismus-anschlag-frankreich-linke
Die Politik muss gegen Erdogan die Glace Handschuhe ausziehen und sich besinnen, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist und so auch handeln. Die Politik läßt sich von Erdogan am Nasenring durch die Manege ziehen, nur wegen der Flüchtlinge. Wer sich einmal erpressen läßt, läßt sich immer wieder erpressen. Erdogan braucht Feuer aus allen Rohren. Waffenembargo, Wirtschaftssanktionen, Schluß mit den türkischen Imanen, wer hier türkische oder kurdische Mitbüger bespiztzelt und dies tükischen Diensten mitteilt muss erst in den Knast und dann Entzug der Aufenthaltserlaubnis. Deutsche Staatsbürgerschaften müssen erst mal auf Probe erteilt werden. Wir schauen vor den Problemen weg und nennen das dann Toleranz.
Asylbewerber die hier Sozialhilfe ergaunenen sind keine Erfindung der Rechten. Deswegen darf man nicht alle Asylbewerber als kriminell bezeichen, aber es muss viel mehr dagegen vorgegangen werden OHNE, dasss gleich Behörden die dass dann auch mal versuchen sich zig Tausende Vorwürfe anhören müssen sie seien rassisitisch.
Das gilt auch bei den Rassismusvorwürfen gegen die Polizei. Natürlich müssen die untersucht werdern, aber die Linke tut ja so, als wäre die Polizei mittlerweile eine Wehrportgruppe Hoffmann.
Viele Polizeibeamte sind tief frustriert, weil sie die Probleme jeden Tag vor der Nase haben aber so dermaßen aufpassen müssen nicht sofort als rechtsextrem dargestellt zu werden, wenn sie mal zwei Zugewanderte mehr einkassieren als ihre Kollegen.
Es ist eben ein strukturelles Problem, dass unser Rechstsystem grundsätzlich die reintegration von Kriminellen als Ziel hat. Das soll auch so bleiben, aber es funktioniert halt nicht bei Kriminellen, die sich niemals in unser System intgerieren wollten. Hier müssen Lösungen gefunden werden. Ich habe auch keine. Aber der erste Schritt muss nun mal sein festzustellen: „Houston wir haben ein Problem!“.
Gruß Jens
Ich wehre mich gegen „Denkverbote“. Ich sehe das als blinde Flecken. Denken durfte man das ja. Man tat es nur nicht.
Ich teile ansonsten deine Ansichten größtenteils. Ich würde vielleicht die Schwerpunkte anders setzen, aber die Probleme sind natürlich da. Auf der anderen Seite möchte ich nur anmerken, dass die gerade auch hier im Blog geäußerte Vorstellung, die Polizei sei eine saubere Truppe und Rechtsextremismus kein Problem genauso Schwachsinn ist. Ich konnte aber mit der Antifa-ACAB-Rhetorik noch nie viel anfangen…
Die Polizei ist Spiegel der Gesellschaft. Da es in der Gesellschaft Rechtsextreme gibt, wird es auch welche in der Polizei geben, das steht für mich außer Frage.
Da Rechtsextreme einen Hang zu Waffen haben, vielleicht sogar ein paar mehr als im Rest der Gesellschaft. Dürfte troztdem eine extreme Minderheit sein.
Ich hatte die Denkverbote ja eingeschränkt. Erst wenn man sie äußert geht der Shitstorm los. Ich fand den Umgang mit Wagenknecht, wie sie in die rechte Ecke gestellt wurde schon extrem. Vieleicht sollte ich sagen Diskussionsverbote anstelle Denkverbote.
Aus u.a. den von dir erwähnten Gründen würde mich eine Überrepräsentation nicht wundern. Eine Studie würde das feststellen und die Diskussion dazu beenden.
Ich finde es gibt diese Verbote einfach nicht. Es gibt eben teilweise starken Pushback, aber damit muss man halt leben. Meinungsfreiheit heißt nicht Widerspruchsfreiheit.
Es fehlt, gewissermaßen, an einer progressiven Leitkultur.
Die progressive Leitkultur ist die grundgesetzlich gewährte Freiheit. Das Problem ist das innerhalb dieser Freiheit Angriffe auf diese Freiheit ermöglicht werden. Das Progressive dieses Thema negieren, ist gelogen, sie haben nur kein Patentrezept gefunden und, so vermute ich, es gibt auch keines.
Der Ansatz, dass z.B. Geheimdienste als Frühwarnsystem fungieren könnten, hat sich als Fehlschlag erwiesen. Auch die Zivilgesellschaft allein kann die Auswüchse nicht unter Kontrolle bekommen.
Wohl aber, dass der Islam – hier mal mit breitem Pinsel gezeichnet – bereit ist, diese beknackten Identitätskrieger ebenso in seiner Mitte zu dulden wie die politischen Imame. Dass er kein Problem damit, extremistische Salafisten in Fußgängerzonen als offizielles Aushängeschild der ganzen Weltreligion herumlaufen zu lassen. Und dass die Islamkonferenz ebenso wie der Zentralrat der Muslime weiterhin enorme Schwierigkeiten haben, selbst das absolute Mindestmaß zu erfüllen, wie die Anerkennung des Existenzrechts Israels und ähnlicher Selbstverständlichkeiten.
Zustimmung. Ich will hier noch an die Idee der ideologischen Nachbarschaft anknüpfen. Wenn wir es nicht als religiöses Thema ansehen, sondern als eine Spielart der Verschwörungstheorie, wird die Verbindung zu Rassismus, Antisemitismus und die ganzen anderen Idiotien deutlich. Jemand verrennt sich in eine Ideologie und wird durch deren Anführer aufgehetzt und ist zu Gewalttaten bereit. Das Ergebnis ist statistischer Terror: Es gibt keine Terror Strukturen an sich, aber viele gewaltbereite Mitglieder, die mehr oder weniger zufällig zuschlagen. Solche Strukturen sind leider sehr effektiv und werden in den extremen Kreisen gerne genutzt. Darin sehe ich Parallelen zum Mord am französischen Lehrer, antisemitischen Anschlägen, Schusswaffengebrauch gegen politische Gegner in den USA, …
Die entscheidende Frage ist, wie kann eine freiheitliche Gesellschaft dieser gefährlichen und leider eher zunehmenden Gefahr des ideologischen Terrors begegnen. Die Freiheit opfern, um Sicherheit zu bekommen – sagen die Rechten. Für Progressive ist das Irrsinn. Vor allem, weil das Opfern der Freiheit nicht zur versprochenen Zunahme der Sicherheit führen wird. Der Kampf gegen gewaltbereite Ideologien kann nur gesellschaftlich gefochten werden.
Für uns in Deutschland ist das Problem mit der Türkei, ihrer Politik und den hier lebenden Türken existentiell. Die osmanischen Großmachtfantasien, der Kurden-Konflikt und die Flüchtlingskrise sind nur eine Auswahl der Probleme. Aber daran sieht man, wie schwer das zu lösen ist. Sollen wir eine harte Kante gegen Erdogan fahren? Er wird die Grenzen öffnen und wir haben die nächste Flüchtlingswelle! Einfache Lösungen gibt es nicht, wird es auch in Zukunft nicht geben.
Ich finde, als Progressive sollten wir nicht den Vorwurf annehmen, dass wir hier Schweigen. Denn Merkel hat mit ihrer Politik klar Fakten geschaffen. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, bessere Lösungen zu finden und die Probleme offener anzusprechen. Progressive hätten das auch gekonnt, aber der Vorwurf sollte zuerst immer die Regierung treffen.
Ja zur Verantwortung Merkels, aber: Aufgabe der Opposition ist es, Alternativen anzubieten und die Regierung zu kontrollieren.
Jens Happel 22. Oktober 2020, 11:43
Zustimmung.
Die härteren Strafen, die sie als Alternative fordern, werden nichts bringen.
Es ist ein Trugschluß zu glauben, dass härtere Strafen allein reichen, irgendeinem Problem Herr/Dame zu werden. Wenn mich keiner kontrolliert, kann mich keiner erwischen, und dann interessiert mich nicht, wie viele Jahre ich bekomen hätte. Die Strafverfolgung muss deutlich ausgebaut werden, und ja, ganz klar auch im Bereich geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Und noch viel wichtiger: schnelle Prozesse. Strafen müssen auf dem Fuß folgen, sonst wirken sie nicht.
Hallo Erwin!
Man muss unterscheiden, bei sogenannten Kleindelikten, Ladendiebstahl etc. muss eine schnelle Strafvervolgung und Verurteilung erfolgen. Wie auch Sasse schreibt.
Bei den Clans ist es viel vetrackter. Die Beweissicherung ist kaum möglich. Wenn man nicht dem Geld folgt und es daran festmacht, wird es nahezu unmöglich sein die Clans mit Rechtstaatlichen Methoden dranzukriegen.
@ Jens Happel 22. Oktober 2020, 18:10
Man muss unterscheiden, bei sogenannten Kleindelikten, Ladendiebstahl etc. muss eine schnelle Strafvervolgung und Verurteilung erfolgen. Wie auch Sasse schreibt.
Genau
Bei den Clans ist es viel vetrackter. Die Beweissicherung ist kaum möglich. Wenn man nicht dem Geld folgt und es daran festmacht, wird es nahezu unmöglich sein die Clans mit Rechtstaatlichen Methoden dranzukriegen.
Das meinte ich doch. Wenn es nahezu unmöglich ist, haben wir die falschen Tools. Das kann und muss man ändern.
Mein eigentlicher Punkt war, das nicht an Migranten oder an Clans mit Migrationshintergrund festzumachen. Nur das Verhalten zählt, nicht die Herkunft. Und wie gesagt, kommt man mit solchen Tools vielleicht auch gegen die Finanzierung rechtsextremer Gruppierungen an.
Nur das Verhalten zählt, nicht die Herkunft.
Wichtiger Punkt. Deshalb stört mich immer, wenn so getan wird als sei „Clan-Kriminalität“ ein fundamental neues Problem. Deutschland ist schon seit Jahrzehnten, u.a. aufgrund der laxen Geldwäsche-Gesetze, ein Paradies für das organisierte Verbrechen. Hat bei der italienischen, chinesischen, russischen, etc. Mafia nur immer überraschend wenige interessiert.
Es müsste sich da bei der Bekämpfung grundsätzlich viel mehr tun, und da schließe ich übrigens auch ähnlich gelagerte rechtsextreme Strukturen mit ein. Sich allein auf arabische Großfamilien zu kaprizieren, greift deutlich zu kurz.
Deckt sich aber praktischerweise mit der eigenen Identitätspolitik.
@ Dobkeratops 23. Oktober 2020, 08:54
Hat bei der italienischen, chinesischen, russischen, etc. Mafia nur immer überraschend wenige interessiert.
Alles Ausländer 🙂
@ Stefan Sasse 23. Oktober 2020, 11:33
Deckt sich aber praktischerweise mit der eigenen Identitätspolitik.
Nein, bzw. nicht mit meiner. Daraum darf es nicht gehen.
Nein, im
Ja, aber mit der der CDU Berlin.
@ Marc 22. Oktober 2020, 12:48
Das Progressive dieses Thema negieren, ist gelogen, …
Da kenne ich genug von, die negiert haben, und der Rest hat großflächig ignoriert.
…sie haben nur kein Patentrezept gefunden und, so vermute ich, es gibt auch keines.
Boah, der Spruch ist so niedlich, den muss ich mir merken:
„Die Konservativen haben nur kein Patentrezept gefunden, also vermute ich, es gibt auch keines“ – klingt gut :-).
Ich finde, als Progressive sollten wir nicht den Vorwurf annehmen, dass wir hier Schweigen.
Das ist aber so. Nicht, dass es trösten mag, aber das gilt ja auch für die breite Mitte. Die Einzigen, die zu dem Thema die Klappe nicht zu kriegten, waren die Rechten. Aber von denen haben viele das Thema über den betroffenen Personenkreis hinaus (also gegen ALLE Migranten) instrumentalisiert, was natürlich auch nicht immer zielführend ist.
Man muss aus der Haltungsdebatte raus, hinein in den Pragmatismus. Migration egal, aber wie kommt man an Kriminelle ran, die sich so oder so verhalten? Welche Gesetze braucht man gegen „Clan“-Kriminalität (egal welche Rasse / Religion etc., mag gerne auch für rechtsextreme Gruppierungen greifen)?
Denn Merkel hat mit ihrer Politik klar Fakten geschaffen. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, bessere Lösungen zu finden und die Probleme offener anzusprechen. Progressive hätten das auch gekonnt, aber der Vorwurf sollte zuerst immer die Regierung treffen.
Na ja, wenn Du „Progressive“ sagst, bist Du wieder auf einer Haltungs-Ebene.
Aber ganz klar, hier muss ich Dir zustimmen: In den Zustand hat uns die Bundeskanzlerin hineingeritten, und sie wird abtreten, ohne uns da wieder herausholen zu können.
Man muss aus der Haltungsdebatte raus, hinein in den Pragmatismus.
Ich kenne viele Linke, die im professionellen Kontext Handeln müssen, die Integrationsprobleme benennen und aktiv nach Lösungen suchen. Zu sagen, das würde Verschwiegen, ist daher gelogen. Auf der pragmatischen Handlungsebene passiert schon immer viel.
Welche Gesetze braucht man gegen „Clan“-Kriminalität (egal welche Rasse / Religion etc., mag gerne auch für rechtsextreme Gruppierungen greifen)?
Mehr Gesetzte bringen mehr Bürokratie, bei der Integration helfen sie nicht.
@ Marc 22. Oktober 2020, 15:05
Ich kenne viele Linke, die im professionellen Kontext Handeln müssen, die Integrationsprobleme benennen und aktiv nach Lösungen suchen. Zu sagen, das würde Verschwiegen, ist daher gelogen. Auf der pragmatischen Handlungsebene passiert schon immer viel.
Ja, wenn man individuelle Probleme lösen wollte, unbestritten. Ich meinte das strukturelle Problem. Hab ich vielleicht nicht so klar rübergebracht.
Mehr Gesetze bringen mehr Bürokratie, bei der Integration helfen sie nicht.
Wenn ich die Gesetze zur Steuerhinterzeihung und zu Schwarzgeld-Aktivitäten auf einen funktionierenden Stand bringe, wird die Integration einzelner Personen doer Familien nicht behindert. Und die Clans sind hochintegriert, sonst könnten sie ihre kriminellen Machenschaften nicht so effizient ausüben.
Aber ganz klar, hier muss ich Dir zustimmen: In den Zustand hat uns die Bundeskanzlerin hineingeritten, und sie wird abtreten, ohne uns da wieder herausholen zu können.
Hier muss ich dir widersprechen. Wenn man das immer nur an einer Person festmacht greift man fast immer zu kurz.
Diese „einzelnen“ Personen machen, das ja nie aus Jux und Dollerei. Das steckt in der Regel Kalkül dahinter. Bei Merkel sind es meist die Umfragewerte. Die Frage müßte also sein, wieso die öffentliche Meinung ist, wie sie ist oder war ??
@ Jens Happel 22. Oktober 2020, 18:13
Hier muss ich dir widersprechen. Wenn man das immer nur an einer Person festmacht greift man fast immer zu kurz.
Grundsätzlich richtig. Aber die Entscheidung, die Flüchtlingslager nicht angemessen zu unterstützen, war Merkel. Die Entscheidung, die Budapester Flüchtlinge aufzunehmen, war Merkel. Die Entscheidung, die Tür anschließend offenuzulassen, war Merkel. Die Entscheidung, Sebastian Kurz anzugreifen, als er die Grenzen dichtmachte, war Merkel. Mit Erdogan zu verhandeln war auch Merkel.
Wie gesagt, die Partei CDU an sich war in ganz vielen Fällen anders drauf als die Kanzlerin.
Angela Merkel mag in dieser Zeit Kanzlerin gewesen sein, aber so zu tun, als wäre das alles auf ihrem Mist gewachsen, ist lächerlich. Ganz Europa hat die Länder in der Peripherie mit den Flüchtlingen allein gelassen und das schon seit Jahren. Ja, Deutschland hatte da immer eine besonders große Klappe (ein paar Aussagen von Schäuble fallen mir ein), aber eben nicht nur Merkel.
Bei der Entscheidung, die grenze im September 2015 nicht dicht zu machen, wurde Merkel von den Österreichern bekniet. Sie hat dem schmierigen Fatzke, der da jetzt auf harten Kerl macht, damals den Arsch gerettet, auch wenn er jetzt gerne so tut, als wäre er schon immer gegen offene Grenzen gewesen.
Mit der Türkei hatten Frans Timmermans und Donald Tusk schon verhandelt, bevor Deutschland mit eigenen Verhandlungen begann. Die Idee dazu hatte ein gewisser Gerald Knaus.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das abkommen ist in jeder Hinsicht unterirdisch. Aber weder ist Angela Merkel allein die Urheberin, noch hatte sie überdurchschnittlichen Anteil am Zustandekommen der Situation. Hätte sie die Ösis abblitzen lassen…was wären dann wohl an der Österreichisch-Ungarischen Grenze passiert?
Man hat kurzfristig den Druck vom Kessel genommen. Dann aber auch nichts mit der gewonnen Zeit getan. Das liegt aber auch nicht mehr an Merkel, als an jedem anderen EU-Regierungschef.
Bei der berechtigten Kritik an der Politik finde ich die Konzentration auf die Person auch befremdlich.
@ TBeermann 22. Oktober 2020, 20:45
Man kann natürlich auch die Sichtweise einnehmen, dass selbst eine katastrophale Entscheidung Merkels Helfer braucht, um sich umsetzen zu lassen.
In den von mir angesprochenen Punkten war die Bundeskanzlerin die ausschlaggebende Person.
Sie hat ohne Rücksprache oder Rückhalt in ihrer Partei die Aufnahme der Budapester Flüchtlinge beschlossen. Sie hat gegen den ausdrücklichen Willen von CDU und CSU verhindert, dass anschließend Grenzkontrollen durchgeführt wurden (@ Stefan Sasse: ja, das ist legal, wird bei jedem internationalen Fußballspiel gemacht). Sie hat sich direkt in die hängenden Verhandlungen eingemischt, die eigentlich Tusks und nicht ihre Ausgabe waren, und hat den Sack zugemacht. In jedem dieser Fälle war sie die ausschlaggebende Person.
Es war auch keine Zeit, den CSU-Vorsitzenden aus Hintertupfingen zu fragen, was er von der Aufnahme der Flüchtlinge hält. Und Seehofer hat sich ja in den entscheidenden Phase tot gestellt.
Abgesehen davon ist eine Regierung im Zweifelsfall dafür da, um Entscheidungen zu treffen. Und in dem Fall in Absprache mit Österreich, auch wenn der zu kurz Gekommene das heute leugnet.
Und noch mal: Was wäre in der konkreten Situation die Alternative gewesen? Nach Österreich hätten es die Flüchtlinge auf jeden Fall geschafft. Da ist viel zu viel grüne Grenze, als dass man das hätte anriegeln können (was man ja in Deutschland auch gemerkt hat, nachdem man ab 13.09. die Grenze zu Österreich geschlossen hat, also so ganz akkurat kann deine Erinnerung zu dem Thema dann auch nicht sein).
Der Deal mit Erdogan wäre auch unter Leitung der EU nicht so dramatisch anders ausgefallen. Deutschland war bereit, etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen, um das Problem wieder aus der Sichtweite zu schieben. Die Abhängigkeiten wären aber die Gleichen gewesen und das Problem natürlich so oder so nicht gelöst.
Ich hab auch immer das Gefüh, das ist vorgeschoben. Aber ich mag mich irren.
Ich habe nie verstanden, warum so viele Linke die offensichtliche Diskrepanz zwischen ihren Werten und den oft sehr konservativen Milieus nicht sehen (wollen).
In meiner Jugend waren wir langhaarige, links-alternative bei der traditionellen Dorfjugend nicht gerade hoch im Kurs. Bei den türkischstämmigen Jungs die abends auf dem Marktplatz abhingen aber auch nicht. Die hatten ganz andere Ansichten als wir und eine andere Bereitschaft diesen auch mit körperlichem Einsatz Nachdruck zu verleihen.
Ich kann doch nicht der einzige Linke sein, der so aufgewachsen ist.
Auch auf weltpolitischer Ebene sind die Maßstäbe oft eigenartig.
Ich erinnere mich an Diskussionen die ich mit Kommilitoninnen nach den Anschlägen 9/11 hatte.
Sie teilten die verbreitete Ansicht, das sei ein Anschlag auf die USA und nicht auf „uns“ gewesen.
Mein Punkt war, dass diese Leute nicht nur die USA ablehnen, sondern fundamental unsere liberale Art zu leben. Zum Beispiel die Tatsache, dass Frauen studieren und hier mit fremden Männern, unverschleiert, Bier trinkend und über Politik diskutierend am Tisch sitzen dürfen. Ich glaube der Punkt kam an.
Oh Gott, Anti-Amerikanismus…da könnte ich auch ganze Artikel drüber schreiben. Moment, hab ich gemacht: 😀
http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/11/der-ursprung-des-anti-amerikanismus.html
@ Stefan Sasse 22. Oktober 2020, 14:24
Oh Gott, Anti-Amerikanismus…da könnte ich auch ganze Artikel drüber schreiben. Moment, hab ich gemacht:
Grad gelesen – nicht mehr ganz auf einem aktuellen Stand 🙂
Nope. Guter Punkt, könnte ich mal updaten.
Mein Lieblingsmoment mit einem antiamerikanischen Linken war mal, als mir ein entfernter Bekannter entsprechender Haltung erklärte, seine Ablehnung des Irakkrieges wäre nur deshalb, weil die Amerikaner ihn führten. Hätte Putin bombardiert, wäre das okay gewesen. Fällt unter: Kannste Dir nicht ausdenken.
@ Pirat 22. Oktober 2020, 19:26
… seine Ablehnung des Irakkrieges wäre nur deshalb, weil die Amerikaner ihn führten. Hätte Putin bombardiert, wäre das okay gewesen. Fällt unter: Kannste Dir nicht ausdenken.
Echt schräg. Wäre nie darauf gekommen, dass man so ticken kann …
@Erwin: Wenn ich mir manche Einlassungen selbst aus gemäßigteren Reihen der Linkspartei z.B. beim Thema Syrien so anschaue, scheint das aber durchaus nicht ohne Verbreitung zu sein. Zähl einfach mal nach, wie oft die Linken die NATO-Lufteinsätze gegen den IS verurteilt haben, und wie oft sie die anscheinend vorsätzlich auf Krankenhäuser zielenden Einsätze der russischen Luftwaffe in Syrien verurteilt haben. Da kriegt der Begriff zweierlei Maß eine ganz neue Bedeutung.
Völlig.
http://www.nachdenkseiten.de
Immerhin ehrlich.
Richtig dumm wird es werden, wenn die Rechten und die islamischen nationalen Fundamentalisten merken, dass sie oft die gleichen Ziele verfolgen und dann entsprechende Zweckallianzen entstehen. Man kann sich dazu die Kommentare unter Martin Sonneborns Youtubekanal beim Thema Bergkarabach anschauen. Da wird auch gerne mal die SS und die SA verherrlicht. „Die haben uns damals sogar schweinefleischfrei bekocht…“
Diese zynische Art der Kritik an allem ist ohnehin ein Riesenproblem…
Also ganz allgemein fand ich die Diskussion zu dem Thema, ins besondere über die Reaktion „der Linken“ eher schräg. Zum einen haben in den letzten Tagen so viele gefragt, warum von „den Linken“ keine Reaktion kommt, dass sich jetzt doch reichlich Leute geäußert haben (freilich, ohne selbst wirklich viel zu sagen). Zum anderen geht die Behauptung, bei einem rechten Anschlag wäre die Reaktion anders, auch fehl. Über welchen rechten Anschlag außerhalb Deutschlands wurde denn (besonders von Linken) in den letzten Jahren lange oder immer wieder gesprochen? Selbst die Vorfälle hierzulande sind ja nach wenigen Tagen schon wieder aus der Diskussion verschwunden, allein weil es ständig Nachschub gibt.
Auch die progressive Seite hat versagt. Seit dem spektakulären Scheitern der Multi-Kulti-Idee in den 2000er Jahren ist keine alternative Erzählung vertreten worden, wie Integration eigentlich funktionieren sollte, ist der Ablehnung von rechts zwar ein grundsätzlich diffuses Willkommenheitsgefühl von links entgegengesetzt worden, aber nie eine positive Vision davon, wie eine gelungene Integration aussehen kann. Es fehlt, gewissermaßen, an einer progressiven Leitkultur. Diese Kritik ist nicht neu, ich habe sie hier schon mehrfach geäußert.
Ich hab da (nicht zum ersten Mal) den Eindruck, mich in komplett anderen linken Kreisen zu bewegen und bewegt zu haben, als du. Diese Idee, dass Linke komplett naiv an das Thema herangegangen wären und meinten, die Integration würde sich schon allein ergeben, kann ich aus meinen Beobachtungen so gar nicht in Einklang bringen.
Da war die Perspektive: Das wird Zeit, Geld und Nerven kosten. Die Versuche, Integration aber wo immer möglich zu verhindern, kam von rechts. Und das ist ja nun auch seit rund 60 Jahren der Standard, dass sich NUR links überhaupt Gedanken gemacht werden, wie Integration gelingen könnte. Da fällst du glaube ich (wie auch bei der Strohmann-Version von „Multi-Kulti) eher auf rechte Narrative herein. (Dass die Ideen oft nicht weit genug gehen oder das Problem nicht vollends lösen, ist natürlich richtig.)
Unter Deutschtürken, besonders jungen, männlichen Deutschtürken, verbreitet sich in den letzten Jahren immer mehr der aus der Türkei gesteuerte Osmanenkult.
Und da wäre doch jetzt die Frage: Woher kommt jetzt diese Empfänglichkeit? Wie kann es sein, dass Teile der dritten und vierten Generation schlechter integriert sind, als ihre Eltern bzw. das Interesse verlieren, Teil der Gesellschaft zu sein…oder aber die Möglichkeit für sich nicht mehr sehen.
Und das über weite Strecken eher, was ich vermute. Es gab ja in den letzten Monaten einige Wellen in den sozialen Medien, in denen Menschen „mit Migrationshintergrund“ sich geäußert haben und was da relativ durchgehend kam, war die Wut darüber, nie als gleichwertig anerkannt zu werden, egal was sie machen oder erreichen. Erfolgreiche Menschen mit türkischen Wurzeln etwa gehen seit Jahren eher verstärkt in die Türkei. Da sind sie dann zwar „die Deutschen“, aber sie haben zumindest einen gesellschaftlichen Status.
Klar, es gibt das ideologische Angebot aus der Türkei, aber der Grundstein dafür, dass es so gerne angenommen wird, obwohl es ziemlich tumber Unsinn uns offensichtlich fabriziert ist, wurde hier gelegt.
Nicht zuletzt die Konservativen im Land haben immer wieder verhindert, dass es eine vernünftige staatliche Aufsicht und Ausbildung von Imamen in Parallele zum Religionsunterricht an Schulen und der staatlichen Aufsicht darüber gibt.
Ja, das ist wahrlich kein Ruhmesblatt. Genau so, wie es durchgehend konservative Innenminister waren, die seit 2006 allein die ebenfalls konservativen bis islamistischen Verbände zu den Sprachrohren „des Islam“ erklärt haben, während progressive oder laizistische Stimmen konsequent außen vor gehalten wurden.
Das ganze ist ein Erbe des „Gastarbeiter-Denkens“, als man die (hoffentlich bald ausreisenden) Gästen nicht zu sehr von ihrer „Heimat“ entfremden wollte.
Auffällig ist dabei, dass diese Leute keine Ahnung von ihrer eigenen Religion haben.
Kann ich von der Feldforschung zu meiner Magisterarbeit (über Muslime im deutschen Jugendstrafvollzug) bestätigen. Es ist in der Regel eher eine Identitätsbeschreibung, als ein ernsthaftes Auseinandersetzen mit der Religion. Das war übrigens bereits im Jahr 2008/2009 so.
Wohl aber, dass der Islam – hier mal mit breitem Pinsel gezeichnet – bereit ist, diese beknackten Identitätskrieger ebenso in seiner Mitte zu dulden wie die politischen Imame. Dass er kein Problem damit, extremistische Salafisten in Fußgängerzonen als offizielles Aushängeschild der ganzen Weltreligion herumlaufen zu lassen.
Was, außer selbst nicht mit zu laufen, sollten sie denn dagegen tun?
Ich sehe das als Subkulturen-Thema. Genauso wie Neonazis und Proud Boys.
Subkulturen stehen aber unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen.
Der Vergleich zu Neonazis und Proud Boys passt in gewisser Weise, weil alle drei Gruppen sich (mal mehr, mal weniger berechtigt) als Opfer der Gesellschaft begreifen und sich über die Selbstzuschreibung Status verschaffen wollen.
Ja, darauf will ich ja auch raus. Der Islam ist nur die Begründung, die Hintergrundbemalung. Das eigentliche Phänomen hat mit Religion wenig zu tun.
Ich kenne den Islam viel zu schlecht um das beurteilen zu können.
Aber kann die schiere Menge an islamischen Terroristen, Kriegern und Gewalttätern wirklich nur Zufall sein?
Was heißt Zufall?
Andere Religionen wurden und werden nicht weniger als Begründung für Gewalt genommen.
Wie in den meisten anderen Fällen ist die Religion eher ein Mittel der Rekrutierung und Motivation, aber nicht die Ursache.
Das klingt ja nett. Aber zumindest im Moment ist das schlicht falsch.
Es gibt keine CS als Pendant zum IS, es gibt keine jüdischen Selbstmordattentäter die Flugzeuge in Hochhäuser fliegen, Mormonen greifen keine Theater an (selbst die nicht, die sich über die Lustig machen), haben die Zeugen Jehovas überhaupt jemals jemanden angegriffen? Ich habe gerade mal Hindu Terrorist gegoogelt und es gibt immer noch eine Debatte, ob es das überhaupt gibt. usw. usf.
Es gibt natürlich auch religiöse Gewalt andere Herkunft in der Welt, aber im Vergleich zu islamischen sehr viel seltener. Und weniger Brutal.
Die Welt am Sonntag hat letztes Jahr islamistischen Terror der letzten 18 Jahre gezählt und kam seit 9/11 auf 31.221 Anschläge mit 146.811 Toten!
Selbst wenn nur die Hälfte davon stimmen würde, gäbe es nichts vergleichbares. Nicht mal annähernd.
„Wie in den meisten anderen Fällen ist die Religion eher ein Mittel der Rekrutierung und Motivation, aber nicht die Ursache.“
Wenn etwas „Motivation“ ist, ist es auch (mindestens ein Teil der) Ursache.
Über massive Gewalt von buddhistischen oder hinduistischen Extremisten haben wir hier ja schon gesprochen. Du pickst aber halt auch sehr gezielt die „richtigen“ Religionen raus.
Wobei…Nordirland ist jetzt zum Beispiel auch noch nicht so lange ruhig und eignet sich da recht gut als Beispiel. Natürlich ging es nicht um die Religion. Aber die Religion wurde für die Definition der Frontstellung „wir gegen die“ genutzt.
Was im Moment in vielen Ländern Osteuropas passiert, ist religiös motiviert (auch wieder die „friedlichen“ Christen), von den USA ganz zu schweigen.
Aber ja, „Religion“ ist die Ursache. Die meisten Religionen können dafür aber in ähnlichem Maß verwendet werden. Deshalb müssen wir von allen weg, damit der Unsinn endlich aufhört.
Above us only sky? Dann noch weg von den anderen Gewaltursachen: Habgier, Machtgier, Geldgier, Eifersucht. Imagine, it’a easy, if you try.
Wenn wir zumindest Religionen und andere totalitäre Ideologien eliminieren oder zu Folklore zurechtstutzen könnten, wäre viel gewonnen.
Im Sinne des Steve Weinberg-Zitats: “With or without religion, good people can behave well and bad people can do evil; but for good people to do evil – that takes religion.”
Religionen (und andere totalitäre Ideologien) bringen Menschen dazu, furchtbare (oder im besten Fall nur dumme) Dinge zu tun und dabei noch zutiefst überzeugt zu sein, das einzig Richtige zu machen.
Wir reden jetzt aber über zwei unterschiedliche Dinge, und das ist letztlich der Kritikpunkt, den Kühnert und Lobo machen: Du gehst in die linke Fundamentalkritik an Religion. Die unterstütze ich zwar, aber damit lenkst du vom Thema ab.
@ Stefan Sasse: Nein, du gehst gerade (zudammen mit Kühnert und Lobo) den Rechten auf den Leim.
Religionskritik, die den Islam (auch gerne explizit) einschließt ja, Islamkritik allein nein.
Der ganze Vorwurf trägt nicht. Es sind nicht die Linken, die Erdogan seit Jahren in den Arsch kriechen. Es waren nicht die Linken, die reaktionäre Verbände zu „den Sprachrohren“ des Islam erklärt haben.
Die Linken fordern seit Jahren, progressive und laizistische Akteure mit den Tisch zu holen, die sie schon lange unterstützen usw.
Aber irgendwie setzt dann immer dieser Pawlowsche Reflex ein, von den Rechten akzeptiert zu werden und man plappert das Narrativ nach (und Lobo ist teilweise eh auf einem etwas seltsamen Trip, bei dem Thema).
Wer den Islam hervorheben will, will vor allem ausgrenzen.
Du machst dir was vor. Ja es gibt religiös motivierte Gewalt auch von anderen Religionen. Habe ich immer gesagt.
Aber nicht annähernd in dem Ausmass und in der Brutalität wie von Islamisten.
Die Rechnung funktioniert aber auch nur, wenn wir jede Gewalttat in den entsprechenden Krisengebieten von Gruppen, die gerade nicht mit uns verbündet sind, als islamistischen Anschlag werten und sämtliche anderen Ursachen und Motivationen ignorieren.
Um mich vielleicht noch etwas verständlicher zu machen:
Ich habe nichts dagegen, dem politischen Islam klare Grenzen aufzuzeigen, im Gegenteil. Wo ich allerdings ein Problem habe, ist wenn Leute das tun, die gleichzeitig ein politisches Christentum vertreten, Kreuze in Amtsstuben fordern und im Prinzip eine sehr ähnlich frauenfeindliche oder homophobe Politik wollen und ihre Liebe zu Minderheiten immer nur dann entdecken, wenn sie das als Waffe gegen andere Religionen einsetzen können.
Nein. Die Rechnung ist schon korrekt. Natürlich gibt es Grauzonen aber die Richtung ist eindeutig.
Kann man ja auch akzeptieren und trotzdem andere Religionen nicht deshalb unkritisch sehen.
Es gibt keine CS als Pendant zum IS
Die LRA scheint mir in Zielsetzung und Methoden nicht weit davon entfernt zu sein.
Danke!
Sehr weit weg.
Ein Thema, das mich eigentlich schon sehr lange umtreibt. Ich schätze jeden freundlichen Menschen in meinem Umfeld, dazu gehören auch Muslime. In der Schule hatte ich viele muslimische Mitschüler aus dem halben Sammelsurium islamisch geprägter Staaten. Und von denen hab ich viel gelernt. Auch weil deshalb nicht alle Migranten für mich einfach „Alis“ sind, sondern Menschen, habe ich gewisse Entwicklungen sehr genau beobachtet. Folgende Problemfelder haben meiner Meinung nach in den letzten 20 Jahren zu wenig Beachtung erfahren: 1. Opferhaltung. Viele Muslime hierzulande verspüren im Zweifel eine Solidarität gegenüber anderen Muslimen, weil sie sich ihnen immer noch näher fühlen als den christlichen Mitteleuropäern. Sie verbinden das mit der Vorstellung, dass ein Muslim im Zweifel der bessere Mensch und deshalb im Grunde nie Schuld an was bösem ist. Deswegen werden Muslime grundsätzlich eher als Opfer als als Täter gesehen. Der Sprung zu Verschwörungstheorien um widersprechende Fakten wegzureden ist dann nicht weit. Das hab ich mir nicht einfach ausgedacht, ich habe diesen Sachverhalt schon in den 2000er Jahren mit Abiturkameraden aus Iran, Türkei und Afghanistan diskutiert, die in der Beschreibung des Sachverhalts prinzipiell zustimmten. Uneinigkeit war eher darin, wie groß das Problem ist. 2. Der liberale Kern unserer Gesellschaft hat den rechten und islamistischen Radikalen die Deutungshoheit überlassen. Ich zähle hier beide in einem Satz auf, weil sie sich gegenseitig befeuern. Vor einigen Jahren hatte ich mal einen bekennenden Salafisten als Kollegen, der mir (abgesehen von seine „Wenn wir die Macht haben müsst ihr konvertieren oder sterben“-Kram) auf den Kopf zusagte, dass in seinen Kreise die Rechten eigentlich gut gefunden werden. Nicht nur, weil es Ansichten gibt, die man teilt. Sondern auch, weil die Rechten mit ihren Aktionen immer super Propagandamaterial für in der Moschee liefern. Damit könne man den Neulingen super vor Augen führen, warum man die deutsche Mehrheitsgesellschaft bekämpfen muss – die wäre ja schließlich gegen die Muslime, siehe die Aktionen der Rechten. Umgekehrt freuen sich die AfDler ja nachgewiesenermaßen über jede islamistische Aktion, aus ähnlichen Gründen. Quasi Gegner in der Ideologie, Brüder im Geiste. 3. Der Quatsch kommt auch, aber nicht nur aus den Herkunftsländern. Stattdessen muss man gerade auch bei hier geborenen oder von klein auf aufgewachsenen Muslimen sagen, dass ihre Haltungen natürlich auch eine Sozialisierung hier in Deutschland und da AUCH durch unsere Gesellschaft wiederspiegeln. Natürlich gibt es große langzeitkulturelle Einflüsse über die Familienschiene. Aber über Medien, die Schule, Freunde, Begegnungen in U-Bahn und Supermarkt gibt es eben auch Einflüsse vom Rest Deutschlands auf die Sozialisierung dieser Menschen, die es so nicht gäbe, wenn sie, sagen wir mal, in Ankara aufgewachsen wären. Deshalb muss man sich verdeutlichen, dass das nicht einfach ein Problem von „denen da“ ist, das uns erst was angeht, wenn wieder jemand erstochen wird. Muslime der zweiten, dritten, vierten Generation sind am Ende eben hier in unserem Land sozialisiert und damit sind ihre problematischen Vertreter in starkem Maße auch ein hausgemachtes Problem (so wie bei allen anderen integratorischen Problemfälle auch, wie z.B. den hausbesetzenden Autonomen oder den stramm rechten Reichsbürgern). Die Sache wird man nicht mit einer einfachen Frontstellung „wir – die“ in den Griff kriegen. Die Herkunftskultur zu verstehen, ja klar, das hilft schon. Aber man muss auch die Erfahrungen der Betreffenden hierzulande miteinbeziehen und wie diese mit der Herkunftskultur interagieren. Sonst wird das nichts. 4. Unsere gesamte Gesellschaft muss eine andere Haltung zu Integrationsfragen kriegen. Bisher werden sie vor allem als die Bringschuld der anderen aufgefasst. Stattdessen müsste es zu einer Bringschuld von allen werden. Denn es bringt die beste Integrationsanstrengung eines Mehmet nix, wenn der Dieter nicht seinerseits seinen Teil beisteuert. Alle müssen an der Integration aller arbeiten. Dazu braucht man klare Ansagen, die dann eben auch fixe Grundlage sein müssen – z.B. eine gemeinsame Sprache und das GG. Geächtet müssen die sein, die diese Grundlagen und die gemeinsame Integrationsarbeit ablehnen, egal aus welcher Richtung. Für diesen Ansatz kann man z.B. Kanada als ein Beispiel nennen.
Hi Pirat,
willkommen in der Kommentarspalte!
1) Geht uns ja ähnlich, ich beschreibe das für mich ja im Artikel.
2) Zustimmung.
3) Meine Rede!
Eine kleine Anmerkung zu deinem chinesische-Mauer-Osmanen Spezialisten: Hast du ihm auf der Karte auch die Ausdehnung des (präislamischen und präosmanischen) Göktürken-Kaganats vom Schwarzen Meer bis in die Mandschurei gezeigt? Erdogan wird das tun, bei der Gelegenheit dem Jungen noch die Asena-Legende (Graue Wölfe!) einimpfen und darauf rumreiten, dass der deutsche Lehrer nur die halbe Wahrheit erzählt.
Ich hab Bezug auf die Mongolen genommen, aber nicht im Kontext des Kaganats^^
Worauf ich rauswollte, ist, dass bei dem historischen Hintergrund der eigenen ‚Identität‘ (wie auch immer verstanden) ein ähnlicher Mangel an „kontrollierter“ seriöser Bildung besteht wie beim religiösen. Das lässt Tür und Tor offen für den BS, den sich Ideologen zusammenzimmern.
Aber unernst (und etwas zynisch) gesprochen: Warum indoktrinierst du nicht die entsprechenden Kandidaten mit den Ideen von Panturkismus und Turanismus ? Dann müssen sich Russland und China mit dem Problem von lauter Möchtegern-Khanen rumschlagen.
Ja, da hast du völlig Recht.
Und nein, müssen sie nicht. Die Leute sind ja Deutsche!
Danke für den Artikel. Nicht zu vergessen, dass es hier in Deutschland häufig noch in harmloseren Bahnen verläuft, vor einigen Jahren gab es einen ziemlich krassen Terrorfall in Brüssel und in meiner Mädels-Whatsapp-Gruppe ist ja auch jemand von da und da saßen wir zusammen am Handy und haben mit ihr gebangt, bis sie von allen Rückmeldungen hatte, obs denen gut geht :/
Und ja, es ist mehr Identitätspolitik, die auch nicht auf die Türkei beschränkt ist, in Frankreich und Belgien sind es eher Nordafrikaner oder ich möchte auch nochmal an diese krassen Straßenschlachten mit Tschetschenen erinnern. Da wird oft so eine Fantasie-Ideologie gemischt aus Religion und Herkunftsgebiet.
Und darüber ist häufig auch sehr wenig bekannt, ich meine Lobo hatte das auch in seinem Artikel erwähnt, dass hierzulande kaum jemand die Grauen Wölfe kennt. Erinnert mich ein bisschen an den Taz-Artikel, dass viele über den Widerspruch stolpern, dass man gleichzeitig von Rassismus betroffen sein kann und selbst faschistoide Tendenzen haben kann.
Ich glaube die Debatte ist ein bisschen eingeschlafen, aber ich fand damals die Idee sehr gut, dass in Deutschland selbst Imame ausgebildet werden und muslimischer Religionsunterricht angeboten wird, es fehlt unbedingt an Reflektionsräumen wo die ganze Propaganda mal dekonstruiert werden kann. Gerade weil AKP, IS etc enorm auf diese Schiene aufgesprungen sind.
Es sind ja auch oft gemäßigte Muslime, die zb von Drohungen betroffen sind, siehe zb Özdemir. Was im Übrigen auch weniger bekannt ist als dass er auch von Rechtsradikalen Morddrohungen erhält.
Ich hätte noch zwei Ergänzungen:
Zum Einen lehnen viele Linke Religion an sich ab, egal welche. Das halte ich für problematisch, weil ich nicht glaube, dass man damit weiterkommt, man überlässt das Feld nur noch mehr den Ideologen und da herrscht dazu noch oft erschreckendes Unwissen.
Und das nächste ist, sagte ich neulich schon in anderem Zusammenhang, dass es eben eine enorme Sehnsucht nach diesen patriarchalen Konzepten von Ehre, Stärke, Glorie etc gibt – nicht nur bei Ideologien, sondern auch in der Kultur, ob alt oder neu. Deswegen bin ich auch kein Freund dieser Leitkultur-Sache, die zieht das Konzept einfach einer anderen Kultur über und fertig ist die Sache.
Ich glaube, wir müssen stärker daran arbeiten, konstruktivere Beispiele dafür zu suchen. Diese Sehnsucht danach verschwindet ja nicht einfach so von der Bildfläche, genausowenig wie die Suche nach der Identität übrigens, die gehört imo zum Leben dazu. Das ist natürlich eine Sisiphos-Arbeit, aber ich glaube das ist eine Leerstelle, die eben gerade die Machokulturen füllen – und zwar mit Erfolg.
Opfer sein macht einen nicht zu einem guten Menschen, das ist eine zentrale Erkenntnis, die man immer wieder hervorklauben muss, fürchte ich.
Linke und Religion: Ja.
Identität und Religion sind Bedürfnisse, die anzuerkennen sind wie andere Bedürfnisse auch. Sie dürfen aber nicht zu Lasten anderer gehen. Nur langfristig wirksame Lösungen wie z. B. hier ausgebildete Imame reichen nicht aus. Der brutale Mord an Touristen in Dresden zeigt aktuell, dass es in D doch nicht so harmlos ist.
Hat der Rechtsstaat gegen polizeibekannte Gefährder wirklich keine Mittel? Nur, dass jeder einzelne von Dutzenden Polizisten im Schichtdienst überwacht wird? Müssen wir hinnehmen, dass offen für ein politisches System geworben wird, das unsere liberale Ordnung zerstören will? So lange das keine unmittelbaren Folgen hatte, ja. Die hat es aber, wie man sieht.
Auch bei Rechtsextremisten nahm man die Gesinnung – ganz liberal – hin, so lange darauf keine Taten folgten. Nun wird ein Waffenlager nach dem anderen entdeckt. Der („lastwagenweise“) Fund von Kriegs!waffen in der Nähe von Stuttgart war meiner Lokalzeitung eine kleine Meldung auf der 5. Seite rechts unten wert.
Auch die Idee der Wehrhaften Demokratie müssen wir wieder „hervorklauben“.
Müssen wir hinnehmen, dass offen für ein politisches System geworben wird, das unsere liberale Ordnung zerstören will?
Nein, das ist nicht der Fall. Wenn ein Aufruf zur Gewalt erfolgt und Gewalttaten vorbereitet werden, darf der Staat eingreifen und bestrafen. Es gibt dafür ausreichend Gesetze und Rechtsgrundlagen.
Wenn es nur um ideologische Aussagen geht, inklusive Hasspredigen, kann der Staat nicht eingreifen. Dafür kann jeder einzelne jederzeit widersprechen. Hier ist aber das Konzept der ideologischen Nachbarschaft wichtig. Wenn der Staat seine Propaganda zum Besten gibt, interessiert das auch nicht, nur wenn die eigene Gruppe den Mund aufmacht, können Einzelne wieder eingefangen werden.
Das Problem ist die Grauzone. Die Prediger benutzen nur Codes / Dog Whistles, die indirekt zu Gewalt aufrufen und daher harmlos wirken, ihre Anhänger aber den Gewaltaufruf verstehen.
Auch das teilen sie mit vielen anderen gewalttätigen Subkulturen.
„Hat der Rechtsstaat gegen polizeibekannte Gefährder wirklich keine Mittel?“ Ein Oxymoron. Sobald du den Gefährderbegriff verwendest (Das zahnlose Instrument der Gefähderansprache mit Rechtsfolgenbelehrung mal außen vor), entfernst du dich von positivistisch rechtsstaatlichen Ideen, wie Handlungsstrafbarkeit und Willkürverbot. Deshalb sind entsprechende Landesgesetze (BayPAG von 2018) in ihrer Verfassungskonformität anhängig (Normenkontrollantrag mehrerer Fraktionen); Deshalb wurde auch ein entsprechender (Bundes-)Gesetzesvorschlag (Bundestagdrucksache 19/931 von 2018) mit großer parlamentarischer Mehrheit zurückgewiesen.
leider im Baum falsch positioniert. eigentlich Antwort auf
CitizenK 23. Oktober 2020, 08:26
Zitate Stefan Sasse:
„Ich betrachte mich grundsätzlich als einen progressiven und liberalen Menschen. Allein schon deswegen konnte und kann ich mit dem Leitkultur-Geschwurbel, das so häufig in dieser Debatte bestimmend war, wenig anfangen.“
………
„Es fehlt, gewissermaßen, an einer progressiven Leitkultur. “
Hmmm……wie passt das eigentlich zusammen? Mal Geschwurbel, mal nicht……..,rätsel.
Es nutzt IMHO nicht viel, den Begriff Leitkultur in den Giftschrank zu stellen, denn in dem Fall, über den wir hier diskutieren, wurde ja eine Leitkultur identifiziert…….von denen, die sich außerhalb derselben erleben um sich bewußt kämpferisch abzugrenzen. Nach Auffassung derer, die beispielsweise in den Mordfall Paty wie auch immer befürwortend verwickelt sind, haben wir also eine Leitkultur – nur halt die falsche.
Zitat:
„Ich bemerke im Unterricht etwa zunehmend offen, geradezu herausfordernd vorgetragene Forderungen nach der Entrechtung von Frauen. “
Typischer Fall von Kulturkampf. Dagegen zu argumentieren ist nichts anderes als Leitkultur-Verteidigung, es sei denn, du gibst den Jungs zu verstehen, dass ihre Auffassungen akzeptabel sind und nichts dagegen spricht, dergleichen zu praktizieren. Man kann den Kuchen nicht gleichzeitig essen und aufbewahren. Entweder in dieser Sache Multikult oder Monokult. Entweder man hat was zu verteidigen oder nicht. Und das, was man zu verteidigen wünscht, ist logischerweise nicht disponibel, also LEITEND und nicht leidend.
Es ist exakt anders herum. Die Entrechtung der Frauen ist eine toxische Leitkultur. Der Kampf um Frauenrechte ist der Kampf gegen eine Leitkultur. Die Grundrechte als Kultur aufzufassen, halte ich für falsch. Es sind universelle Grundrechte, die jedem zustehen. Ein Kulturkampf sollte sich innerhalb dieser Grundrechte vollziehen. Leider ist das in diesen Zeiten nicht mehr der Fall, da diese Grundrechte aktiv aus vielen Richtungen unter Beschuss sind.
Umgekehrt: DASS die Grundrechte jedem und jeder zustehen, ist der Kern der (Leit-)Kultur. Da hat Dennis einen Punkt getroffen – und die Häme über die Leitkulturdebatte ein Defizit.
Kultur verstanden als: Aus Wert-Entscheidungen abgeleitete Normen.
Ich meine, das ist ja letztlich auch nur Semantik oder?
Kann ich nicht sehen. Wenn die Normen aus zwei Kulturen sich gegenseitig ausschließen, kommt die Toleranz an ihre Grenze bzw. an ihr Ende. Beim Händedruck kann man das noch überbrücken, beim Schwimm-Unterricht für Mädchen mit dem Ganzkörper-Badeanzug krampfhaft zur Not auch noch, bei Mono-/Polygamie schon nicht mehr.
Und was machst du, wenn einer offen sagt: Im Zweifelsfall folge ich meiner Religion, nicht dem Grundgesetz? Nimm Deine eigenen Beispiele aus dem Unterricht.
Ich sehe da keinen Konflikt. Diese konfliktträchtigen Normen werden von deutschen Gesetzen ausgeschlossen.
Glaub mir, das ist das Letzte, was ich denen zu verstehen gebe.
Klar, glaub ich dir und hab ich eh vermutet. Hut ab vor dem schwierigen Job, denn Auseinandersetzungen mit Jungs dieser Art sind sicherlich nicht nur nicht vergnüglich sondern im Extremfall evtl. sogar gefährlich, wie der hier besprochene Fall ja zeigt.
Auf die schwierige Frage: Was kann man durchgehen lassen und was nicht? hat schon CitizenK hingewiesen. Patentantworten hab ich auch keine 🙁 , gibt es wohl auch nicht. Schon die Händedruckfrage zum Beispiel ist nicht so einfach. Disponible Lappalie des Alltags oder Angriff auf Art. 3 (2) GG ?
Insoweit Mann einerseits (also, bestimmte Männer) hier nach Geschlechtern unterscheidet würd ich eher auf Letzteres tippen und die Frage stellt sich, ob Mann und Frau andererseits an dieser Stelle nur kultursensibel (is bei denen nu mal so üblich) schmunzeln sollten.
Im Übrigen ist die links-interne Debatte um die Frage, harte islamische Ansprüche entweder in einer Art Weichspülgang kompatibel zu machen versus andererseits diese als Kampfansage zu betrachten, nicht neu. Vor dreißig Jahren hatten linke Publizistinnen und Publizisten in Frankreich, darunter die feministische Ikone Elisabeth Badinter, einen heftigen Streit mit dem damaligen sozialistischen Minister Jospin anlässlich der Frage: Kopftücher an den Schulen? Minister Jospin (war später Premierminister und Präsidentschaftskandidat) neigte der Weichspülfraktion zu und wollte das durchgehen lassen, der alt-linke Régis Debray et al. nannten das „Munich de l’École“ (analog zum Münchener Abkommen).
„Lehrer, kapituliert nicht“ kann man hier im damals noch weiter links positionierten Magazin l’Obs (heutiger Name) nachlesen, wer will:
https://www.laicite-republique.org/foulard-islamique-profs-ne-capitulons-pas-le-nouvel-observateur-2-nov-89.html
Kernsatz:
„Neutralität heißt nicht Passivität und Freiheit nicht einfach Toleranz. Die laïcité war schon immer ein Kampf. “
oder :
„Verhandeln, so wie Sie das machen, und gleichzeitig zu verstehen geben, dass man nachgeben wird…das hat einen Namen: Kapitulieren.“
Es wurde hier im Blog schon darauf hingewiesen: Dass die christlichen Kirchen einigermaßen erträglich sind, ist auch nicht darauf zurückzuführen, dass die das von sich aus angeboten hätten.
Absolut wahr. Um ein Beispiel zu bringen: Ich halte das Kopftuchverbot weiterhin für eine rattige Idee. Einerseits, weil es kein Erkennungsmerkmal von Islamistinnen ist; ich hatte mittlerweile genug bekopftuchte Schülerinnen, die sehr offen und liberal waren. Andererseits, weil es eine transparente Unterdrückungsmaßnahme gegen eine religiöse Minderheit ist; die hier aufgestellten Grundsätze gelten ja nicht für Kreuze in bayrischen Klassenzimmern.
@ Stefan Sasse
Gesetze reichen doch nicht aus, um kultrell bedingte Konflikte wegzuräumen.
Wie siehst du gemischten Sport- und Schwimm-Unterricht? Ist die Befreiung muslimischer Schülerinnen nun Rücksicht auf deren Kultur (könnte ich ein Stück weit verstehen) oder müssen die Mädchen die Schule halt verlassen (Leitkultur, pardon).
Selbst erlebtes Beispiel: Nach langem Zureden erlauben die Eltern (Akademiker, Pakistani) einer Schülerin die Teilnahme an einer Klassenfahrt. Abends ist das Mädchen weg – die Eltern waren da, sahen Jungen und Mädchen im Gemeinschaftsraum und nahmen ihre Tochter mit, ohne uns Lehrern Bescheid zu sagen.
Ich habe da vermutlich einen deutlich weiter gefassten Rechtsbegriff. Für mich sind diese Beispiele Verstöße gegen die gesetzlich vorgeschriebene Gleichbehandlung und die weltanschauliche Neutralität.
Aber Beispiele wie das von dir beschriebene machen deutlich, wie schwierig das ist. Denn wie geht man mit so was um? Konstruktiv, meine ich?
In dem Fall führte der Schulleiter ein Gespräch mit dem Vater. Danach erschien das Mädchen nicht mehr in der Schule.
Großartig. Das ist das was ich meine – wie kriegst du es hin, dass wir bei unserem erwünschten Ergebnis ankommen?
So dass beide Seiten zufrieden sind, vermutlich gar nicht.
Jepp. Aber zwingen kannst sie ja nicht sinnvoll.
Doch und man muss es auch.
So viel Freiheiten wie möglich ja, aber da müssen wir auch gewisse Linien in den Sand ziehen und Standards definieren, die nicht verhandelbar sind. Und da gehört der Schulbesuch an sich mindestens.
Ich sehe es etwas weniger eindeutig. Für mich ist das Kopftuch ein Scheiß-Symbol und ich lehne sowohl das Frauen- als auch das Männerbild zutiefst ab, das es vermittelt. Aber es kann nicht die Rolle des Staates sein, es zu verbieten. (Ganz sicher nicht, solange die gleichen Vertreter des Staates christliche Symbole in Schulen und Amtsgebäuden fordern.)
Ich als Einzelperson werde aber immer dagegen argumentieren, genau wie gegen jedes andere religiöse Symbol und Religion an sich.
Der bisherige Konsens unter den Liberals war: Die zu verteidigende ‚Leitkultur‘ ist die Anerkennung der grundlegenden Regeln dieses Staates. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört klar dazu. Die Bestrebungen, eine faktische Gleichstellung in möglichst vielen Lebensbereichen herzustellen, nicht, weswegen sie auch kontrovers diskutiert werden. Deshalb ist das einzige Problem bei dieser Trennlinie Stefan Sasses (mild schwurbelige) Vokabel ‚Entrechtung‘, bei der nicht klar ist, auf welche dieser Sichtweisen sie sich bezieht.
Ein zynischer Lacher zu Leitkultur: Der Satz ‚In Deutschland zeigt man das Gesicht und gibt sich die Hand‘ gilt auch im Coronajahr: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/warum-einem-libanesen-die-einbuergerung-verweigert-wurde-17007954.html
Dietmar Bartsch hat sich mittlerweile eingereiht:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/dietmar-bartsch-ueber-islamismus-kritik-die-linke-sollte-ihre-falsche-scham-ablegen-a-168b3951-73bd-407a-8c48-c98ddc1a5d41#ref=rss
Sehr gut das auch aus der LINKEn zu hören.
Die Idee der wehrhaften Demokratie ist mit der Globalisierung begraben worden. Internationale Unternehmen, die mehr Geld als alle Staaten zusammen haben, determinieren jede Staatsform, außerhalb des Feudalismus. Corona führt es einem gerade zu wieder vor Augen. Z. B. Ostwestfalen! Gütersloh war schon zu Bertelsmannzeiten kein Hort der Demokratie, seit Tönnies weiß man das noch etwas besser. Was meint die schweigende, demokratische Mehrheit dort? Man müsse Tönnies einen Orden für gelebte Demokratie und 2000 plus Milliarden vermachen plus dem Integrationsorden für Osteuropa. Das läuft deutschlandweit so ab. Was meint der Laschet dazu? Och joar…Laschet so…Mit solchen Leuten willst Du keinen Staat machen. Solche Leute willst Du bestenfalls eigenhändig erwürgen! Gebe Gott, dass sowas niemals Kanzler wird!
Ich meine…ich teile einige deiner Kritikpunkte, aber weder hat deine Wutrede was mit dem Artikel zu tun noch finde ich die Gewaltphantasien akzeptabel.
Hier eine ziemlich giftige Gegenrede zu Kühnerts ‚Sinneswandel‘:
https://www.heise.de/tp/features/Islamismus-und-postlinke-Ignoranz-4937609.html
Heise halt…
Die Selbstreflexion ist natürlich zu loben. (Mehr aber nicht.) Denn überfällig war diese schon vor locker drei Jahren.
…herrlich wie die „Progressiven“ sich winden weil ihre eiapopeia Migrationsideologie so langsam aber sicher unverkennbar implodiert…
Ich hab mir für doie Zukunft schon Chips und Cola bereitgestellt für den nächsten Akt dieser eindrucksvollen Darbietung.
So seid ihr Nicht-Progressiven: Zynismus anstelle von Lösungsvorschlägen.
Was ist eigentlich so schwer an „Don’t feed the Trolls“?
Offensichtlich wurde der Text in irgendeiner rechten Kloake geteilt und das entsprechende Klientel taucht hier jetzt auf. Je weniger man auf sie eingeht und Stefan Sasse ihre Beiträge löscht (unwahrscheinlich, ich weiß) desto schneller verschwinden sie auch wieder.
Bereits der Einstieg macht doch ohne jeden Zweifel klar, dass an einer inhaltlichen Diskussion kein Interesse besteht.
Got it.
@CitizenK – „Zynismus anstelle Lösungsvorschläge“ – du weichst ein paar Problemen aus.
Übergehen wir den Französischen Kolonialismus, der in Folge Frankreich seit Jahrzehnten mit Zuwanderern (speziell Algerien) flutet.
Schaun wir stattdessen auf Deutschland, speziell seit 2015: widersprichst du, dass das Problem „unserer“ Zuwanderer künstlich produziert ist? Dass diese massiv (ausdrücklich!) hier angelockt werden?
Angesichts dessen hat deine Forderung nach „Lösung“ ausgerechnet vom Gegenlager einen strengen Geruch. Klingt böse, aber so bin ich halt.
Für Rückfragen jeder Art stehe ich immer zur Verfügung. Ernsthaft.
Ich bin zwar nicht gefragt, aber ich würde dir emphatisch widersprechen, ja.
2015 hab ich die als Flüchtling angenommenen durchaus begrüßt. Mein erster persönlicher Eindruck geschah, als ich ein Gebrauchtfahrrad für 30€ der Gemeinde verkaufte zugunsten eines Zugereisten. Ich hab ihm (auf Deutsch) alles Gute gewünscht, ihm zugelächelt, und der Blitz soll mich treffen, wenn er nicht tatsächlich ganz kurz zurück gelächelt hat.
Ansonsten Enttäuschung auf seinem Gesicht. Ich sag das bei meiner Ehre.
Mittlerweile weiß ich aus anderer Quelle, dass deren Verhältnis der Geschlechter 8 Männer auf 1 Frau beträgt, deckt sich mit meiner Wahrnehmung. Für echte Flüchtlinge stark unglaubwürdig.
Ich habe keine Ahnung was du mir sagen willsz.
Eine sehr persönliche Erfahrung.
Ich sollte das ausführen.
Meine persönliche Erfahrung ist natürlich Anekdote, nicht Argument. Trotzdem trage ich sie vor. Sie ist beteiligt an meiner Meinung. Und geeignet, diese in fassliche Form zu bringen. Widerspruch gerne!
Nur, was habt ihr anderes anzubieten als Mitgefühl auf große Distanz? Kann keiner als Argument verkaufen.
Und das Erlebnis ist nicht mal getrübt durch Konflikt, der Deal mit dem Rad ging zu meiner Zufriedenheit aus. (Dass ich bei Privat höheren Preis verlangt hätte ist meine Entscheidung und zählt nicht.)
Ich versuchs spieltheoretisch zu fassen: mein Erlebnis und eure Empathie sind beide außerhalb Argument, also ein Patt. Sortieren wir uns neu. Ok?
(Meine Fresse ich musste mich eben echt sammeln.)
Ich meine, ich verstehe die Anekdote nicht ^^ Du hast ein Fahrrad quasi für Benefiz 30 Euro verkauft oder wie?
Und was hat das mit irgendwelchen Männerverhältnissen zu tun?
Haben wir uns, nachdem der Deliberation-Daily-Tichy weg ist, den DD-Franz-Joseph-Wagner eingefangen oder ist das so eine Art Performance-Kunst für die ist als Nicht-Kiffer einfach kein Verständnis aufbringen kann?
Man kann das Pferd zum Wasser zwingen, aber nicht zum Saufen. Ich habs versucht. Mehr geht nicht.
Wenn Du mit „angelockt“ die deutlich besseren Lebensbedingungen meinst als in Syrien oder in jordanischen und türkischen Flüchtlingscamps oder in Noria: Ja. Sonst: Nein.
Aus welchen Löchern kommt ihr denn plötzlich gekrochen?
Als alter Sack erinnere ich mich noch sehr gut an die Zusammenarbeit mit „Gastarbeitern“. Schon damals hat sich dieses Land nach Kräften gewehrt eine Diskussion um Jene zu führen, die nicht eines Tages in ihr Heimatland zurückkehren.
Gerade die Türken hätte man seinerzeit sehr leicht abholen können, in dem man zuerst den hier Geborenen automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft zugebilligt hätte.
Aber schon in den 60er und 70er Jahren hat Links den Elefanten im Raum nicht sehen wollen. Weil man niemanden die ungeliebte deutsche Staatsbürgerschaft „aufzwingen“ wollte, hat man zum Einen den Rechten die Deutungshoheit über Deutsch oder Nicht-Deutsch überlassen und zum Anderen eine Generation von Menschen heran wachsen lassen, die nicht wusste wo sie hin gehört.
Ich stimme völlig zu, dass man das hätte tun sollen, aber das Beispiel Frankreich zeigt deutlich, dass es zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung ist.
Warum 》Deutschtürken《? – Es gab Deutschamerikaner, die in die USA ausgewandert waren. Dann gab es Rußlanddeutsche, die aus der Sowjetunion und RUS nach Deutschland emigrierten. Die Sprache ist ja so biegsam.
Mir fällt kein besseres Wort ein. Türken sind sie ja nicht, sie haben die deutsche Staatsbürgerschaft und sind hier geboren. Wie also benennen?
Das ist mir noch nicht aufgefallen, sprachlich konsequent wäre Turkdeutsche. Vielleicht würde das die Sichtweise ändern ( ähnlich wie sich der Begriff Afroamerikaner durchgesetzt hat)
Aber ist das nicht eher ethnisch? Deutschtürken nimmt eher Bezug auf das Herkunftsland und würde auch sowas wie Kurden einschließen. Macht das Turkdeutsche auch?
@ TBeermann
Ja, wenn. Ist ja alles richtig.
Aber: Religion ist, ob es uns gefällt oder nicht, ein Phämomen der menschlichen Existenz. Weder die Aufklärer noch später die Religionskritik (Nietzsche, Feuerbach) brutale Unterdrückungsregimes haben es aus der Welt geschafft. Das gilt es anzuerkennen, sonst führen wir einen Kampf gegen Windmühlen.
Statt „Folklore“ würde ich allerdings „Privatsache“ sagen und „Toleranz“ (das heißt „aushalten“, nicht „gut finden“ oder „gleichgültig sein“). Aktuell das dringendste Problem: Was bedeutet Toleranz im Umgang mit Intoleranten?
Ich würde die letzten 100 Jahre anders beurteilen. Der (relativ) laizistische Staat von heute wäre bei unseren Urgroßeltern noch undenkbar gewesen. Warum sollte Ähnliches nicht aus in Islam (oder Osteuropa oder den USA) möglich sein?
Lobo und Kühnert gehen niemandem auf den Leim. Hör dir den Podcast an, den sie zusammen gemacht haben.
Der ist super, wie immer!
„Wer den Islam hervorheben will, will vor allem ausgrenzen“
Es geht nicht um wollen, es geht um Fakten. Der Islam hebt sich selbst hervor.
Die Frage, die sich daraus ergibt ist, liegt es (zum Teil) am Islam an sich oder gibt es andere unterliegende Faktoren?
Sehe ich ähnlich. Es ist das Problem mit der ideologischen Nachbarschaft.
Es geht nicht um wollen, es geht um Fakten. Der Islam hebt sich selbst hervor.
Jede Religion hebt sich selbst hervor, stellt sich über andere und grenzt diese aus.
Die Frage, die sich daraus ergibt ist, liegt es (zum Teil) am Islam an sich oder gibt es andere unterliegende Faktoren?
Wie gesagt, es liegt an der Eigenschaft Religion. Jede Religion grenzt aus und hat dies immer auch schon im Laufe der Geschichte mit barbarischer Gewalt durchgesetzt. Da gibt es nichts Spezielles.
Wenn man aber an die Radikalisierten heran möchte, um sie in die Gesellschaft zurück zu holen, dann muss man sich auf die jeweilige Radikalisierungsursache beziehen. Dann wird die Kenntnis des Islam wichtig, um Kontakt und Austausch herstellen zu können. Daher ist der Ansatz der ideologischen Nachbarschaft so wichtig, weil diese genau die Voraussetzungen mitbringt, um Radikalisierungen entgegen zu wirken.
„Es geht nicht um wollen, es geht um Fakten. Der Islam hebt sich selbst hervor.“
„Jede Religion hebt sich selbst hervor, stellt sich über andere und grenzt diese aus“
Da fehlt leider der Zusammenhang. Das war eigentlich als Antwort weiter oben gedacht und das Hervorheben bezog sich auf Terrorakte.
Zum Thema:
In vielen islamisch geprägten Staaten gehen zehntausende gegen Macron auf die Strasse, verbrennen Bilder von ihm und boykottiere französische Waren usw. Regierungen dieser Länder springen auf den Zug auf.
Da wird also ein Lehrer brutal ermordet weil er in den Augen des Täters den Islam beleidigt hat. Und die haben nichts besseres zu tun als Macron symbolisch zu verbrennen weil er in ihren Augen den Islam beleidigt.
https://www.aljazeera.com/news/2020/10/26/french-president-comments-over-islam-keep-sparking-outrage
Es ist relativ simpel: Wenn wir in einen heißen Kulturkrieg führen, wird Europa brennen. Daher sollte man auf Deeskalation setzen.
Wir reden nicht von heißem Kulturkrieg, sondern das Minimum zu verlangen.
Die Rechtsaußen wollen nichts anderes als den heißen Kulturendkampf und dafür werden sie alles tun.
Ja, aber das kann ja kein Grund sein ein Problem zu ignorieren.
Zwischen Ignorieren und Eskalieren gibt es noch Abstufungen.
Sicher. Aber ich hoffe, du wirfst mir (und Kühnert und Lobo) hier keine Eskalation vor, oder?
Nein. Aber meine Befürchtung ist, dass diese merkwürdige Diskussion, Linke würden schweigen, dazu dienen soll, bereitwillige Linke ins Eskalationslager zu locken.
Zum Punkt Schweigen der Linken hab ich unten einen SPON Artikel verlinkt, auf den ich hier auch nochmals hinweisen will:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/islamistischer-terror-links-wird-nichts-verschwiegen-a-e3b922b1-a512-4f88-81ad-789b78d8e191
Und wer wäre die Kraft hinter den Kulissen, die das orchestriert?
Ich habe den Artikel gelesen, aber ich sehe ihn nicht im Widerspruch zu Lobo und Kühnert, eher ergänzend.
Was ein einzelner fanatischer Verbrecher auslösen kann.
Frage: Deeskalation = Appeasement? Oder verantwortungsethisch: Hätte Macron die zu erwartende Reaktion der anderen Seite einkalkulieren müssen? Dann wäre er auch verantwortlich für das, was möglicherweise noch kommt?
Was ein einzelner fanatischer Verbrecher auslösen kann.
Der Kulturkrieg wird von beiden Seiten seit langer Zeit aktiv befeuert. Ich darf an Huntington erinnern.
Frage: Deeskalation = Appeasement? Oder verantwortungsethisch: Hätte Macron die zu erwartende Reaktion der anderen Seite einkalkulieren müssen?
Die Interpretation, dass Macron Muslime in Sippenhaft für die verwerfliche Tat nimmt, ist aufgrund der Repressionen in Frankreich eine naheliegende Interpretation. Erdogan hat darauf überdeutlich reagiert. Ich denke, Macron hat das einkalkuliert.
Dann wäre er auch verantwortlich für das, was möglicherweise noch kommt?
Er ist für die Abberufung des französischen Botschafters der Türkei verantwortlich. Im Mittelmeer gibt es auch genügend militärische Optionen, die allzuviele Akteure ausspielen können. Zur Eskalation gehören beide seiten. Wer mitspielt, ist nicht allein verantwortlich, aber auch nicht unschuldig.
Die Türkei und Frankreich haben ja gerade aus völlig anderen Gründen noch Beef…
„Was ein einzelner fanatischer Verbrecher auslösen kann.
Der Kulturkrieg wird von beiden Seiten seit langer Zeit aktiv befeuert.“
Ein islamischer Terrorist enthauptet einen Lehrer wegen Karrikaturen.
Da von beiden Seiten und Kulturkampf zu sprechen ist sehr befremdlich.
Warum?
Wenn ein französischer Innenminister Halal-Produkte im Supermarkt als Unding bezeichnet, dann geht das schon sehr in die Richtung.
Und in Deutschland haben sich da alle Parteien außer den Grünen auch auch nicht lumpen lassen und das schon seit mindestens den späten 80ern.
Weil Halalal-Produkte zu verurteilen und Lehrer zu ermorden nicht ganz das Gleiche ist?
Das behauptet ja auch niemand, aber es ist beides Kulturkampf.
Unser Kerbholz hat schon noch ein paar Kratzer mehr. Unsere Kriege führen wir gegen die muslimische Welt und wie u.a. collateral murder zeigt, sind diese nicht sauber. Sie werden als heißer Kulturkampf interpretiert und das nicht ohne Grund.
Man muss für den Terroristen also Verständnis aufbringen weil wir („unser Kerbholz“) noch viel schlimmer sind. Verstehe.
Welche Kriege führen „wir“ eigentlich gegen die „muslimische Welt“. Meistens stehen doch muslimische Länder auf beiden Seiten, auch auf „unserer“.
Ich habe nichts von schlimmer gesagt. Nur darauf hingewiesen, dass wir nicht unschuldig sind.
Welche Kriege? Oh, echt? Tja, Keine Ahnung. Aber irgendwo steht unser Militär in der Welt herum und ballert.
Mal ein aktuelles Beispiel für so eine Ballerei: 7 Gefangene, aber der Helikopter hat nur Platz für 6. Was tun? Exakt:
https://www.abc.net.au/news/2020-10-21/soldiers-killed-man-who-could-not-fit-on-aircraft-says-us-marine/12782756
Sehe ich auch so.
Liess doch die Frage mal komplett und nicht nur bis zum vierten Wort, und dann Antworte gerne noch mal:
Welche Kriege führen „wir“ eigentlich gegen die „muslimische Welt“. Meistens stehen doch muslimische Länder auf beiden Seiten, auch auf „unserer“.
„Ich habe nichts von schlimmer gesagt. Nur darauf hingewiesen, dass wir nicht unschuldig sind.“
Was soll denn immer dieses ominöse „wir“
War der ermordete Lehrer auch Teil von „uns“? War der jetzt etwa auch mitschuldig? Weil er auch „Kulturkrieg“ betrieben hat? Oder weil Franzosen, zusammen mit den brutalen Australiern aus deinem Artikel, in Afghanistan stationiert sind?
@derwaechter
Thema ist der Kulturkrieg und da gibt es ein „wir“ und ein „die“ und das ist nicht ominös. Und in diesem Kontext werden auch die heißen Kriege gesehen.
Ich will kein Teil dieses Kulturkriegs sein und finde es bedenklich, wie du mich hier einfach einsortierst.
„Thema ist der Kulturkrieg und da gibt es ein „wir“ und ein „die“ und das ist nicht ominös. Und in diesem Kontext werden auch die heißen Kriege gesehen.“
Thema war der „Tod eines Lehrers“
Also noch mal ganz konkret:
„War der ermordete Lehrer auch Teil von „uns“? War der jetzt etwa auch mitschuldig? Weil er auch „Kulturkrieg“ betrieben hat? Oder weil Franzosen, zusammen mit den brutalen Australiern aus deinem Artikel, in Afghanistan stationiert sind?“
Du schreibst „werden gesehen“
Das ist genauso ominös.
Und es gibt dieses Wir gegen Die Muslime in den heißen Kriegen eben doch nicht. Bei den meisten dieser Kriege, auch im von dir verlinkten Afghanistankrieg, kämpfen islamisch geprägte Länder und Truppen auf beiden Seiten.
Das gilt für alle Irakkriege, für Syrien, Jemen, den kalten Krieg mit dem Iran usw.
Mir fällt ehrlich gesagt kein einziger ein in dem Wir (also christliche Staaten?) eindeutig gegen Die (einen islamischen Staat/Gruppierung quasi als Vertreter der „muslimischen Welt“) kämpfen. Gibt es da ein Beispiel für?
@derwaechter
Es gibt tatsächliche und mystifizierte Vorfälle, in denen Ungläubige ( = ominöses „wir“ ) Gläubige ( = ominöses „die“) in den heißen Kriegen töten, foltern, vergewaltigen. Diese Geschichten spielen bei der Radikalisierung der Islamisten eine Rolle.
Das ist aber weit entfernt von einem heißen Krieg von „uns“ gegen die muslimische Welt.
Sehe ich auch so.
@derwaechter
Macron sagte heute: „Ganz Frankreich wurde angegriffen“. Verbal wird der Kulturkrieg „von uns“ angenommen und heiß geredet. Und so wird es auch von allen Seiten verstanden. Wenn das weiter eskaliert, wird ein Corona-Lockdown das reinste Paradies sein.
Der Ex-Premier Malaysias sagte heute:
„Muslime haben das Recht, wütend zu sein und Millionen Franzosen für die Massaker der Vergangenheit zu töten.“
@ Stefan: Hast du dazu eine seriöse Quelle?
Ich hab das gegoogelt und bisher finde ich dazu nur etwas bei RT oder irgendwelchen Blogs.
Ich hab den Tweet selbst gesehen und retweeted, bevor er gelöscht wurde.
Empfinde ich auch so.
Depressing.
Das ist aber wenig überraschen. Das hatten wir ja schon bei den ersten Karikaturen.
Das ist das Wesen totalitärer Ideologien. Der Höhepunkt war (und wird auch dieses Mal sein), dass viele dieser Demonstranten die Karikaturen nie gesehen haben (oder zusätzlich Bilder, die gar nicht zu den ursprünglichen Zeichnungen gehören), aber sich trotzdem aufwiegeln lassen.
„Das ist aber wenig überraschen. Das hatten wir ja schon bei den ersten Karikaturen.
Das ist das Wesen totalitärer Ideologien.“
Also ist der Islam doch (zum Teil) das Problem?
Ich werde aus der Diskussion nicht schlau.
Ein Teil der Muslime macht aus dem Islam eine totalitäte ideologie. Das sind insbesondere die Wahhabiten. Lustigerweise werden diese von uns gehätschelt. Die Gefahr ist also nicht der Islam, sondern es sind totalitäre Strömungen innerhalb des Islams.
P.S: Eine schöne Stellungnahme aus linker Sicht:
Links wird nichts verschwiegen
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/islamistischer-terror-links-wird-nichts-verschwiegen-a-e3b922b1-a512-4f88-81ad-789b78d8e191
Jede Religion ist eine totalitäre Ideologie, die – ernst genommen – keinen Widerspruch und keine Abweichung duldet.
Was bei uns als „Christentum“ bezeichnet wird, funktioniert ja auch nur deshalb, weil sich die Allermeisten „Christen“ nur die Rosinen aus der Bibel raus picken und den Großteil, der mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung (oder schlicht mit einem normalen modernen Leben) nicht vereinbar ist, ignorieren.
Die Sanktionen für Abweichlertum unterscheiden sich aber mittlerweile doch sehr. Man vergleiche einfach die Reaktionen auf Karikaturen.
Jein. Die radikaleren Muslime und die Islamisten sowieso betreiben ja auch krasse Rosinenpickerei, das ist nicht der ausschlaggebende Grund.
Doch, ist es.
Wenn die „Christen“ ihr Buch ernst nehmen würden, wären sie mit unserer Gesellschaft nicht mehr zu vereinbare. Sie müssen so tun, als gäbe es weit über die Hälfte der Inhalte nicht oder sie wären maximal als Gleichnis gemeint und würden eigentlich etwas ganz anderes aussagen.
Ein Bisschen Bergpredigt, ein paar Gleichnisse – der barmherzige Samariter hier, der geheilte gelähmte da – dann wird es aber selbst im neuen Testament auch ganz schnell ganz eng.
Klar betonen auch die Islamisten Extreme. Wenn des Islam zu unserer Gesellschaft passen soll, müssen die Muslime ihn genau so lax sehen, wie die meisten „Christen“ ihre Religion.
Angenommen, Christen und Muslime nähmen ihr jeweiliges heiliges Buch ernst und handelten danach. Welches erzeugte eine bessere Welt?
Der Unterschied dürfte sich in Grenzen halten. Der Koran besteht ja zu wesentlichen Teilen aus den Texten der Bibel, so wie das neue Testament auf den jüdischen Tanach aufgepfropft wurde.
Der Tanach trieft halt schon für Grausamkeit und Irrsinn. Es ist einerseits ein Schöpfungsmythos und ein Ansatz einer Chronologie, die (vermutlich nicht all zu viele reale Anteile von) eine Geschichte eins Stammes in Falbeln verpackt und darüber hinaus viele (oft wenig sinnvolle) Regeln für das Zusammenleben aufstellt.
Das neue Testament richtet sich (ernsthaft und vollständig gelesen) an einen Endzeit-Kult, der einerseits den Tanach nach wie vor als gültig ansieht und gleichzeitig davon ausgeht, dass viele seiner Leser die Apokalypse sogar noch erleben werden.
Der Koran weicht davon wieder ab und geht eher wieder zum jüdischen Ursprung zurück, indem er wieder viele Regeln für den Alltag und für das Lenken der Gesellschaft als Ganzes aufstellt. Der Zweck ist dabei ziemlich eindeutig, auch Gesetzbuch für einen sich bildenden und ausdehnenden Vielvölkerstaat zu sein.
Unsinn sind alle Drei. Alle, die daran mitgeschrieben haben, wussten weniger über die tatsächlichen Abläufe der Welt, als ein Grundschüler heute. Die Aufklärung und die Entwicklung der wissenschaftlichen Methoden haben unseren Horizont immens erweitert. Ein paar orientalische Märchenbücher von den Bronzezeit bis zum Frühmittelalter sollten heute nicht mehr sein, als historische Dokumente.
Das ist mir zu kultur-philosopisch. Ich meine die konkreten Verhaltensanweisungen. In einem Fall wird für den Nicht-Glauben oder die Abkehr von der Religion die Strafe ins Jenseits verlegt, bei der anderen ist sie konkret im Diesseits zu vollziehen. Das macht schon einen Unterschied.
Ich stimme zu, dass nur die laxe Anwendung der Regeln beider Religionen die Diskrepanz zur Realität erklären kann. Im Falle des Christentums geht das aber in eine andere Richtung. Kulturphilosophen vor Dir 😉 haben auf die Parallelen zwischen Urchristentum und Marxismus hingewiesen. Zum Beispiel wäre ein zentrales „Gebot“ durchaus kompatibel mit Art. 14 II GG.
Aber mein zentraler Punkt ist ein anderer: Die Anwendung der Religionskritik (Feuerbach und Marx) auf die eine Religion anwendet, erntet vielleicht Kritik im Feuilleton oder in Leserbriefen, bei der anderen lebt er gefährlich, wie wir gesehen haben. Das macht in einer liberal-säkularen Gesellschaft einen großen Unterschied.
Ich meine die konkreten Verhaltensanweisungen.
Z.B. wie lange ich mein Smartphone pro Tag nutzen darf? Die Verhaltensanweisungen haben doch mit dem heutigen modernen Leben nichts mehr gemein und müssen daher immer interpretiert werden. Und da ist von totalitär bis aufgeklärt alles möglich.
Nein, es macht keinen Unterschied. Dem Text nach müsste ein Häretiker in jeder der drei ambrahamitischen Religionen getötet werden. Und auch so ziemlich jede andere Abweichung steht die Todesstrafe.
Dass das im Judentum und Christentum heute seltener durchgesetzt wird bzw. versucht wird, es durchzusetzen, als in Islam, ergibt sich nicht aus den Texten oder einem „Charakter“ der Religion, sondern darauf, dass diese Religionen überwiegend in Teilen der Welt praktiziert werden, die durch ein Zeitalter der Aufklärung gegangen sind, in dem gerade die Religion an die Leine gelegt wurde.
Als besonders das Christentum noch konnte, wie es wollte, war da auch nicht viel mit friedfertig und gnädig.
Das Gleiche gilt aber auch für die allermeisten Muslime im Westen. Das sollte man eben nicht vergessen.
„Das Gleiche gilt aber auch für die allermeisten Muslime im Westen. Das sollte man eben nicht vergessen.“
Und wieder zurück am Start. Es geht auch nicht darum das zu vergessen. Die Outlier sind es doch, nicht der Durchschnitt oder die Mehrheit, die den Unterschied machen.
Die allermeisten weißen Amerikaner erschießen auch keine Schwarzen (und umgekehrt). Die allermeisten Männer vergewaltigen auch keine Frauen.
Mein Punkt ist dass die Muslime ihr Buch ganz überwiegend auch nicht kennen. Deren unvereinbare Vorstellungen sind nicht spezifisch muslimisch.
Genau das sage ich hier doch die ganze Zeit.
Ein Antwort auf Kühnert, der sein Brandmarken des linken Schweigens als das Tappen in eine Falle sieht:
https://www.zeit.de/amp/politik/2020-10/umgang-islamismus-kevin-kuehnert-linke-kritik-muslime-rechtsextremismus