Trump. Sehr viele erste Gedanken

logo_general_fin_webTrump also.

Es folgen weitgehend unsortierte Gedanken, lose verknüpft. Was folgt, ist lang, roh und unbehauen. Und auch nicht erschöpfend. Aber ich musste das alles einmal aufschreiben, um mich zu sortieren.

1 Historisch ohne Beispiel

So oft habe ich gelesen und gesagt bekommen, jetzt solle man nicht überreagieren. Vielleicht werde alles halb so schlimm. Ja, möglich.

Doch diese Wahl ist einzigartig. Es gibt in der Geschichte kein Beispiel, nichts Vergleichbares, um daraus irgendetwas abzuleiten für die kommenden vier Jahre.

Ein bisschen mehr als 200 Jahre hat die moderne Demokratie jetzt hinter sich. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wirkt sie sehr stabil, getragen von den USA und Europa. Seitdem wurde keine der großen Demokratien jemals von einem autoritären (also: anti-demokratischen) offen minderheitenfeindlichen Mann regiert und keine von einem Narzissten.

Reagan war nicht Trump. George W. Bush war schon gar nicht Trump. Nicht einmal Nixon war Trump.

Und die USA sind nicht irgendein Staat dieser Welt. Sie sind politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit vor allen anderen Staaten der Erde, dass ein Flügelschlag dort weltweit Chaos auslösen kann.

Kein Staat und keine Allianz dieser Welt, kann ernsthaft Einfluss nehmen. (Die einzigen, die etwas tun können, sind die Menschen in den USA – aber nur organisiert. Nur in Massen. Nur als, ja: das Volk. Aber Organisation ist schwierig und kann durch Gegenorganisation gekontert werden.)

Natürlich können die kommenden vier Jahre weitgehend ereignislos verstreichen. Vielleicht geht alles gut. Das muss nicht das Ende des demokratischen Zeitalters sein, an das wir uns gewöhnt hatten.

Aber niemand sollte sich etwas vormachen: Das kann das Ende des demokratischen Zeitalters sein, an das wir uns gewöhnt hatten.

2 Wir kennen Trump – deshalb müssen wir alles für möglich halten

Anders gesagt: Wir haben keine Ahnung, was passieren wird. Aber wir müssen fast alles für möglich halten. Das ist keine Apokalyptik oder Lust am Untergang, sondern ehrliche Analyse der Wirklichkeit.

Nach allem, was wir wissen, giert Trump nicht nach zusätzlichem Lebensraum für sein Volk oder nach Krieg. Doch für ihn spielt all das keine Rolle spielt, was internationale Politik ausmacht: Beziehungen, Verbindlichkeiten, Vertrauen, Berechenbarkeit. Seinen ganzen Status hat er erworben, indem er den eigenen Nutzen auf Kosten aller anderen mehrte.

Er arbeitete mit der Mafia zusammen, beutete Arbeiter aus, zahlte Rechnungen nicht, zahlte vermutlich fast keine Steuern, griff sich Steuernachlässe, wo es ging, log, drohte und klagte, wenn ihm jemand gefährlich wurde.

Die Nato will er in eine Art Schutzgeldsystem umbauen. Schutz gibt es nur gegen Geld, nicht, weil es gut, richtig, notwendig oder strategisch klug ist. Japan und Südkorea sollen sich selbst um ihre Sicherheit kümmern. Den Iran-Deal will er zurücknehmen.

Allein dadurch ergeben sich mindestens drei brandgefährliche Szenarien:

Russland bedroht Nato-Staaten wie das Baltikum.
Was passieren könnte?
Grüne Männchen tauchen in Estland auf. Andere Staaten wie Polen reagieren panisch, schicken Militär. Es kommt zu Scharmützeln. Trump droht, vergeblich. Fühlt sich von Putin verraten und muss eingreifen, um sein Gesicht zu wahren.

Das nationalistisch regierte Japan rüstet, wie einmal von Trump gefordert, atomar auf, um sich gegen Nordkorea zu schützen.
Was passieren könnte?
China fühlt sich bedroht, zieht Truppen zusammen. Irgendwann kommt es zu einem Zwischenfall in den umstrittenen Inselgebieten.

Nach dem Ende eines Atomdeals treibt Iran seine nukleare Aufrüstung wieder voran.
Was passieren könnte?
Israel greift an. Es kommt zum Krieg im Nahen Osten, während der Syrien-Konflikt noch nicht vorbei ist. Dort sind immer noch iranische, russische und amerikanische Truppen aktiv. Die USA wollen einen Angriff von Revolutionsgarden aus dem syrischen Norden auf Israel verhindern und bombardieren versehentlich russische Truppen.

Ja, all das sind Szenarien. Sie sind nicht sehr wahrscheinlich. Aber sie sind plausibel.

Und man muss, um sie plausibel zu halten, Trump nichts unterstellen. Keine Kriegslüsterneheit, keine Vernichtungsfantasien, keine verborgenen Charakterzüge. Man muss nur ernst nehmen, wer er ist und immer war.

Wir wissen nämlich sehr gut, wer Trump ist. Er ist 70 Jahre alt und seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit. Er hat aus seinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. Seine programmatischen Aussagen mögen widersprüchlich und konfus gewesen sein, seine Charakterzüge sind bemerkenswert stabil.

Er liebt sich selbst, er fürchtet und verachtet Schwäche, er ordnet dem “Gewinnen” alles unter, er hat kein Verständnis für das Allgemeinwohl und keine Empathie für die Bedürfnisse anderer, er liest nicht und hat wenig historisches Verständnis, wenig Ahnung von praktischer Politik und Konzentrationsprobleme, er lechzt nach Aufmerksamkeit, er scheut keine Beleidigung und keine Schmähung, wenn er sich angegriffen fühlt, sondern schlägt so hart zurück wie möglich.

Seine Minderheitenfeindlichkeit war früher weniger deutlich, zugegeben. Im Wahlkampf war sie aber die einzige inhaltliche Konstante.

Nichts, gar nichts deutet darauf hin, dass sich daran etwas ändert wird.

3 Ja, jetzt kann die Welt aus den Fugen geraten

Oh, ja, das heißt auch: Jetzt kann die Welt wirklich aus den Fugen geraten. Genau genommen ist sie das schon. Ist das ein Widerspruch zu meiner Analyse aus dem Sommer? Nein.

All das gilt immer noch.

Aber Trump ändert potentiell alles.

4 No such thing as teleology

Und wieder einmal müssen wir verstehen: Geschichte hat kein Ziel. Sie wird nie an ihr Ende kommen. Es gibt keine Teleologie.

5 Wo sind die Anfänge?

Wenn es kein Ende gibt, gibt es dann Anfänge?

Es ist schon erstaunlich. Ich bin aufgewachsen umgeben vom Mantra: Nie wieder, es darf nie wieder geschehen, wehret den Anfängen! Man muss ja gar nicht vom historisch ebenfalls beispiellosen Vernichtungswahn der Nazis sprechen, es reicht zu sagen, nie wieder soll es Diktatur und Verfolgung von Minderheiten geben.

Alles schien stabil, ordentlich, fast langweilig. Wir eine Generation, die für nichts von Bedeutung kämpfen können wird.

Ich bin Journalist geworden mit dem Gefühl, weder ein Held zu sein noch einer sein zu wollen, aber Teil eines Systems, das dazu beitragen wird, autoritäre Exzesse zu verhindern.

Vor anderthalb Jahren habe ich noch Freund_innen darauf hingewiesen, dass es gar keinen kontinuierlichen Aufstieg der extremen Rechten gibt und dass auch die Wirtschaftskrise nicht dazu geführt habe. Das war damals auch richtig.

Und jetzt?

Plötzlich war da Trump, plötzlich war er Frontrunner in den Vorwahlen, plötzlich Kandidat, plötzlich Präsident.

Wo sind die Anfänge, denen man wehren könnte? Wo war die kontinuierliche Entwicklung in den USA, die man hätte stoppen können?

Was hätte man tun können? Ich bin sehr ratlos.

6 Schuld sind die Medien! Ritualisierte Medienkritik

Ich frage das ehrlich und ratlos als Beobachter und als Journalist: Was hätte man tun sollen?

Trumps Wähler_innen ernst nehmen, die Großstädte verlassen und aufs Land gehen, sagen viele. Nur ist das passiert. Es gab unheimlich viele großartige Geschichten, vor allem in US-Medien. Viele Spurensuchen, Gespräche, Kampagnenbesuche. Viele geschrieben von Menschen, die offen und ehrlich auf der Suche waren.

Die Forderungen Trumps mehr repräsentieren, sagen manche. Nur wie soll ein demokratisch gesinnte Medienöffentlichkeit das tun? Wie soll sie Forderungen repräsentieren, die entweder vollkommen unrealistisch sind (Mexiko wird die Mauer bezahlen!), minderheitenfeindlich (wir dürfen keine Muslime ins Land lassen!), ungerichtet (die Elite muss – ja, was?) oder widersprüchlich (Japan braucht Atomwaffen / Japan braucht keine Atomwaffen)?

Ich kann nur noch einmal auf die Transkripte von Trump bei Washington Post und New York Times verweisen. Zweimal eine Stunde im Gespräch mit kundigen, klugen, kritischen Fragesteller_innern. Zweimal vollkommen inhaltsleeres Gerede.

Trump weniger harsch kritisieren, sage manche. Denn jede Kritik habe seine Anhänger_innen bestätigt – was die verhassten Medien geißeln, müsse ja richtig sein!
Aber glaubt jemand wirklich, ihn nicht zu kritisieren, hätte einen gegenteiligen Effekt? Wenn die verhassten Medien ihn loben, dann muss er falsch liegen? Ich halte das für absurd.

Trump weniger Öffentlichkeit geben, sagen viele. Das ist die einzige Position, die einige Überzeugungskraft hat. Je präsenter ein Kandidat ist und je präsenter Themen sind, desto eher bewerten die Wähler_innen sie als wichtig. Je mehr man also darüber spricht, dass er darüber spricht, dass Einwanderer ein Problem sein, desto eher machen Menschen Einwanderung zu ihrem wahlentscheidenden Thema.

Leider ist unklar, was daraus folgt. Welche Äußerungen eines relevanten Politikers soll man dann ignorieren? Trump wie alle extrem Rechten derzeit schlägt die demokratische (Medien-)Öffentlichkeit hier mit den eigenen Waffen,

7 Von wegen zwangloser Zwang des besseren Arguments

Es tut mir weh, das zu schreiben, aber wenn dieser Wahlkampf eines gezeigt hat, dann, dass Politik nicht mit der Kraft des besseren Arguments zu machen ist. Oder jedenfalls nicht vor allem.

Fast war es ein sozialwissenschaftliches Experiment: Was passiert, wenn ein Kandidat in etwa drei Viertel seiner Aussagen lügt, Versprechen macht, die überwiegend nicht zu halten sind, und wenn die andere Kandidatin so gut wie jedes einzelne gute, schlüssige, widerspruchsfreie und zutreffende Argument auf ihrer Seite hat?

Was passiert, wenn bis auf sechs Ausnahmen alle großen Zeitungen und Zeitschriften eine Kandidatin unterstützen, wenn selbst Fox News nicht bedingungslos hinter dem rechten Kandidaten steht, wenn New York Times, Washington Post, New Yorker, Atlantic, Politico, Mother Jones und andere eigene Rechercheteams zusammenstellen, wenn ein Reporter wochenlang hunderte NGOs abklappert, um eine Aussage Trumps zu überprüfen, wenn Factchecker ihn wieder und wieder der Lüge überführen, wenn, anders gesagt, der Journalismus alles tut, was in seiner Macht steht, mit grandioser, engagierter, minutiöser, aufreibender Arbeit und flammenden Appellen, wenn er alle Pfeile abschießt, die er hat und den Bogen und Köcher hinterherwirft?

Nun, wir haben das Ergebnis gesehen. Der Lügner hat gewonnen.

(Trump hatte freilich ein nicht zu widerlegendes Argument: Ich mag keine Menschen, die anders sind. Das ist nämlich nicht begründbar und deshalb nicht argumentativ angreifbar. Nur: Die Mehrzahl der Wähler bestreitet ja, dass sie einfach keine andersartigen Menschen mögen. Damit geht auch dieses Argument flöten.)

Vor allem hat Trump zwar die erwarteten 60 Millionen + Stimmen bekommen. Clinton aber noch einmal ein gutes Stück weniger als Obama, trotz recht ähnlicher Politik. Sie hat in den Staaten, die Obama noch gewann, zu wenig mobilisiert.

Was sagt uns das?

Mehrheiten werden nicht mit Fakten gewonnen, sondern mit Geschichten. Oder mit Stimmungen.

(Und: Wir müssen getrennt analysieren, warum Trump so viele Stimmen bekommen konnte und warum Clinton so wenig Stimmen bekommen hat, nicht in erster Linie absolut, sondern vor allem in den Schlüsselstaaten.)

8 Stimmungen als politische Kategorie

Zum ersten Mal habe ich Heinz Bude den Begriff der Stimmungen systematisch verwenden hören. Mir scheint, da ist etwas dran.

Ich habe das noch nicht wirklich durchdacht, aber es gibt da irgendetwas, das nicht rational ist, nicht gut begründet, aber wirkungsvoll.

Ist die Welt aus den Fugen? Gibt es mehr Terrorismus und mehr Krieg? Nein, aber es fühlt sich so an.
Leben wir in ganz und gar krisenhaften Zeiten? Nein, aber es fühlt sich so an, und deshalb reden wir seit Jahren über Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Schuldenkrise, Eurokrise, Ukraine-Krise, Krise der Repräsentation, Krise der Institutionen.
Sind “die Medien” heute sensationalistischer und nicht mehr verlässlich? Ignorieren sie Trump-Wähler? Nein, aber es fühlt sich so an.
Darf man heute nichts mehr sagen? Nein, aber es fühlt sich so an.

Gibt es einen guten Grund, gerade jetzt den Großangriff auf das Establishment für notwendig zu halten, dass überall im Westen auf diesem Ticket Bewegungen Erfolge haben? Gibt es eine greifbare Erklärung, warum plötzlich immer mehr zuvor Unsagbares sagbar wird? Warum sich so viel Hass und Zorn entladen? Warum Fremdenhass wieder gesellschaftsfähig wird? Teilweise, aber teilweise ist das alles gar nicht greifbar. Nicht verstehbar. Nicht erklärbar. Nicht verhinderbar?

Es gibt solche Stimmungen auch in anderen Zusammenhängen: Wenn sich Proteste zu Massenprotesten zu Revolutionen auswachsen. Als im Sommer 2013 die Welt fiebrig auf Obamas Intervention in Syrien wartete.

Wahrscheinlich auch im Jahr 1914, als auch Künstler wie Franz Marc den großen Krieg herbeisehnten. Ich habe die Beschreibung dieses Kriegsfiebers nie wirklich verstanden. Ich glaube, ich verstehe es heute besser.

9 Die Bewegung hat gerade erst begonnen

In seiner insgesamt recht zurückhaltenden Sieges-Rede[1. Interessant: Trump sprach sehr langsam, sehr bemüht, klang anders als bei seinen Wahlkampfreden. Außer in dem kurzen Nebensatz, als er sagt: auch die, die mich nicht unterstützt haben – “und davon gab es einige”. Da blitze der normale Trump auf.] sagte Trump: Das sei mehr gewesen als eine normale Kampagne, mehr als ein Wahlkampf. Es sei eine Bewegung!

Am Ende fügte er hinzu: Die Bewegung hat gerade erst begonnen. Jetzt heißt es, er wolle auch künftig weiter große Kundgebungen veranstalten und sein Team überlege, wie das machbar sei.

Trump hat ja recht: Seine Unterstützer waren in Teilen wie eine Bewegung. Bedingungslos loyal, dem Führer in Liebe ergeben, egal was er sagt. Rotmützen, könnte man sie nennen. Dass er diese Bewegung offenbar am Leben halten will, muss beunruhigen.

Üblicherweise sind Parteien in Demokratien keine Bewegungen. Parteien sind stabil, uneinig, ringend um Positionen, sie funktionieren unabhängig von Führungsfiguren und vor allem organisieren sie Alltag. Bewegungen dagegen sind dynamisch, einig, auf ein Ziel fokussiert, sie bewegen sich hin zur Lösung eines Problems. Welches Problem soll das in einem demokratischen Alltag sein? Nicht fehlende Größe Amerikas?

Bewegungsparteien machen Sinn, wenn sie als Nischenparteien entstehen: Wie die Grünen, wie Podemos aktuell. Aber eine Bewegung der Mehrheit? Das gab es als dezidierte Selbstbezeichnung vor allem in Form von faschistischen Parteien.

10 Cholera, White Trash, Skandale: Die Zeit der Mythen

Nein, Hillary Clinton war nicht immer schon historisch unbeliebt. Nein, es gab keine “Skandale”. Nein, der Journalismus hat die Trump-Wähler_innen nicht ignoriert.

Nein, nein, nein.
Schluss damit!

Es kursieren jetzt einige Mythen über diese Wahl, die keine Begründung in der Wirklichkeit haben.

Es heißt, Clinton sei schon immer unbeliebt gewesen. Jeder habe das wissen können. Man hätte es kommen sehen müssen. Clinton sei eben roboterhaft, zwielichtig, eine Karikatur der Establishment-Politikwelt. Man hätte Sanders aufstellen müssen. Der hätte gewonnen, ganz klar.

Tatsächlich war Clinton lange eine der beliebtesten Politiker_innen der USA. Sie schied aus dem Amt als Außenministerin mit historischen Zustimmungsraten: Drei Viertel der Amerikaner bewerteten sie als gut.

Erstmals sanken ihre Beliebtheitswerte etwa im Juni 2013. Es war die Zeit der Benghazi-Anhörungen. Da gaben die Republikaner ihr die Schuld am Anschlag auf die Botschaft in Benghazi und sie übernahm politische Verantwortung. Inhaltlich war der Vorwurf natürlich unsinnig, aber er wirkte.

Dann brachen ihre Beliebtheitswerte Ende März 2015 erstmals wahrnehmbar ein: Da wurde bekannt, dass sie die Mails auf ihrem privaten Mailserver gelöscht hatte. Mehr als 30 000 Mails mit Bezug zu ihrer Arbeit hatte sie da den Ermittlungsbehörden schon zukommen lassen. Aber natürlich konnte jetzt niemand mehr überprüfen, ob da vielleicht noch mehr Mails waren.

Den letzten Einbruch, an dem sich nie wieder etwas änderte, gab es um den 1. September 2015 herum. Da hatte das Außenministerium ihre Mails veröffentlicht und die Medien berichteten detailliert über amüsante Details – wirklich Belastendes fand sich nicht.

Derselbe Skandal hat Clinton zweimal bei zehn Prozent der Bevölkerung in Ungnade fallen lassen. Obwohl es nichts Neues gab. Gut möglich deshalb, dass die Comey-Ankündigung, es gebe neue Mails, wirklich wahlentscheidend war, wie Clinton heute behauptet.

Aber: Es ist derselbe Skandal. Ein, übrigens, vergleichsweise geringer. Das Problem war zu diesem Zeitpunkt längst erkannt und behoben. Eine Präsidentin Clinton hätte den selben Fehler wohl nicht noch einmal gemacht. Das FBI hat keinen Hinweis auf strafbares Verhalten gefunden (dass geheime Dokumente über nicht sichere Kanäle laufen, ist untersagt, aber üblich und wohl unvermeidlich).

Ein relativ harmloser Vorwurf hat einer historisch beliebten Politikerin dreimal massiv geschadet. Obwohl es nichts Neues gab.

Das hätte man wissen sollen? Vorhersehen sollen?

Und man hätte angesichts dessen sicher sein sollen, dass einem nicht historisch beliebten Politiker wie Sanders, der sich selbst als Sozialist bezeichnet, nicht auch noch Anwürfe dazwischen gekommen wären?

Möglich, aber absolut nicht bewertbar.

Jenseits davon gab es keine “Skandale” – im Plural -, so oft man es auch las.

Es gab Vorwürfe gegen ihre Stiftung, die schlecht belegt waren und inhaltlich verpufften.

Es gab erneuerte Vorwürfe gegen Bill Clinton wegen sexueller Gewalt. Bill Clinton, nicht Hillary.

Es gab die Reden vor Wall-Street-Bankern, die derart unspektakulär waren, dass es lachhaft ist. Sie findet Freihandel gut? Das kann man ja falsch finden, aber es ist doch so sehr Mainstream wie nur irgendetwas. Sie findet, Banker sollten sich mehr einbringen? Anderswo heißt das Stakeholder-Ansatz. Oder auch einfach nur: Interessenvertretung. Sie habe eine öffentliche und eine private Meinung: So wie jede_r Poltiker_in jemals. Wie gesagt: Es war lachhaft.

Die hundertfach wiederholte Aussage, Clinton sei “wegen ihrer Skandale” historisch unbeliebt, ist deshalb nur als Meta-Kommentar wahr. Sie war historisch unbeliebt, weil die Trump-Kampagne es schaffte, alle Welt glauben zu machen, es gebe viele Skandale.

Dazu kommt die merkwürdige Metapher von der Wahl zwischen “zwei schlechten KandidatInnen” oder “zwischen Pest und Cholera”. Wie oft ich das gehört habe! Niemand, der nicht sagte: Aber Clinton ist auch nicht gut!

Da hat sich die Welt in einen Wahn geredet, Wahrheiten erzeugt, die mit der Wirklichkeit wenig gemein haben.

Und in der Nachwahlanalyse geht das weiter.

Die Medien hätten sich zu wenig bemüht, Trumps Wähler_innen zu verstehen. Auch das: lachhaft. Ich habe so viele ellenlange Texte über Trumps Wähler gelesen, Besuche, Analysen, Reisen, dass ich oft das Gefühl hatte, ich sollte auch mal wieder etwas anderes tun.

11 It’s just not the economy – und sie war es nie

Das zeigt: Es kursieren sehr viele Behauptungen, die von informierten, reflektierten Menschen für wahr gehalten werden.

Eine andere solche, nicht tot zu bekommende Wahrheit ist: Trump wurde von der weißen Unterschicht gewählt, die abgehängt ist und wirtschaftlich prekär lebt. Dasselbe wird seit Jahren über die extreme Rechte in Europa erzählt.

Studien zeigen: Das stimmt nicht. In Europa hatten Rechsextreme in der Nachkriegszeit während Wirtschaftskrisen und bei hoher Arbeitslosigkeit nicht besonders viel Erfolg. Richtig ist, dass Arbeitslose und Geringverdiener häufiger extrem rechts wählen als Besserverdiener. Vor allem aber ist es die untere Mittelschicht, das Kleinbürgertum.

Nachwahlbefragungen belegen: Wenn man für andere Faktoren kontrolliert, hat Einkommen keinen nennenswerten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, Trump zu wählen. Mehr noch. Trump hatte eine Mehrheit in der reicheren Hälfte der Bevölkerung, Clinton hatte eine Mehrheit in der ärmeren Hälfte der Bevölkerung.

Richtig ist: Trump hat in der weißen Unter- und Mittelschicht in einigen wahlentscheidenden Rust-Belt-Staaten stark gewonnen; es gibt einen Trend hin zum rechten Rand in der klassischen Arbeiterschaft. Und diesem Trend wird die Linke mit Wirtschaftspolitik und Wahrnehmung der Klassen begegnen müssen, das glaube ich auch.

Nur war Wirtschaftspolitik für die meisten Trump-Wähler_innen nachrangig. Das sagen die Menschen, wenn man sie fragt. Ihnen ging es eher im Einwanderung und Identitätsfragen – und einen Angriff auf das als feindselig verstandene System. Ja, aber, entgegnet da ein marxistisch geschulter Analytiker, die Ursache für die Hinwendung zu Minderheitenfeindlichkeit und zu Identitätsfragen folge aus der wirtschaftlichen Prekarität!

Das Sein bestimmt ja bekanntlich das Bewusstsein!

Nur müssten sich dann ja entsprechende Muster zeigen. Sie zeigen sich aber nicht. Das belegen die Wählerprofile, wie sie aus Nachwahlbefragungen hervorgehen. Das war auch beim Brexit nicht anders.

Man könnte das zur Kenntnis nehmen. Und erst danach gerne noch einmal fragen, wo Ökonomie und Armut eine Rolle spielen und was dagegen zu tun ist.

12 Es gibt keine weibliche Coolness

Ich glaube, der Wahlkampf zeigte eines: Es gibt keine weibliche Coolness. Inhaltlich sind sich Obama und Clinton ähnlich. Doch Obama hatte Clinton eines voraus: Er wirkt cool und lässig. Allerdings sind das männliche Konzepte. Clinton wurde wahlweise als eiskalt und künstlich wahrgenommen, oder als zu emotional.

Frauen können keck-cool sein wie etwa Emma Watson, oder kokett-lässig, wie viele kluge und schlagfertige Popstars und Schauspielerinnen – aber abgebrüht, ruhig, eigenständig, ohne als entweder flirtend oder eisig abweisend verstanden zu werden? War nie vorgesehen. Gibt es dafür ein Beispiel? (Nein, Michelle Obama ist es nicht. Sie gibt dafür viel zu sehr die First Lady und First Mom).

13 Eine weiße Identität entsteht

Weiße Männer wie Frauen haben mehrheitlich Trump gewählt. Alle Nicht-Weißen haben deutlich mehrheitlich Clinton gewählt. Einen klugen Gedanken habe ich noch in der Wahlnacht aufgeschnappt: Es entstehe, so die These, eine weiße Identität.

Nachdem sich Weiße lange als Norm und als nicht-markiert verstanden haben, was zu recht problematisiert wurde, entwickeln sie in den USA zunehmend eine Wahrnehmung ihrer selbst als Gruppe. Als solche reagieren sie auf die wahrgenommende Zumutung einer Welt, in der sie nicht mehr die Norm sind, mit aggressiver Verfolgung der eigenen Interessen.

Sie verstehen sich zunehmend als Mehrheit in der Minderheit. Und sie handeln als Minderheit. Nur dass das in diesem Fall bedeutet, die eigene Stellung in der Gesellschaft zu verteidigen.

Ob das wirklich so ist, weiß ich nicht. Es kommt mir aber zunächst schlüssig vor.

14 Die Methode Richard: den Vorwurf vorwegnehmen

Ich habe dieser Tage Richard III. in der Schaubühne gesehen. Und ich habe mich die ganze Zeit an Trump erinnert gefühlt.

Hier ist jemand, der schamlos lügt, nur auf den eigenen Vorteil schaut und damit durchkommt. Vor allem die Methode, mit der Richard sich auf den Königsthron intrigiert, ist erhellend: Wann immer er einen Mord begangen, angeordnet oder eine Verleumdung verbreitet hat, wirft er sich als Reaktion auf einen Vorwurf, noch besser aber präventiv in die Pose des Angegriffenen. Er schleudert den Vorwurf zurück, er ist dabei schneller als die anderen, er ist schamlos dabei, sich als Opfer zu behaupten.

Damit erreicht er, dass die Gegenseite keine Argumente mehr hat, die nicht klingen wie: selber! Er delegitimiert Kritik im Vorfeld.

Das ist Trumps Methode, aber auch die aller rechter Bewegungen. Ich bin ein Opfer! Ihr unterdrückt, zensiert, diktiert eure “Political Correctness”! Ihr seid intolerant, verlogen, schlechte Verlierer!

Wer sagt da schon ja?

Dort ist die Elite, dort sind die Abgehobenen, sie haben das Volk vergessen! (Um nicht zu sagen: verraten. Auch so ein Wort aus der Ideenwelt Richards).

Dann aber muss man den Beweis antreten, dass man es wirklich nicht ist. Dann will man Trump eine Chance geben, dann mahnt man zur Fairness, dann fragt man, ob man zu wenig über die Trump-Anhänger_innen geschrieben hat.

Trump hat dabei zusätzlich einen schwachen Punkt der Linken ausgenutzt. Weil sie überwiegend wirklich an Fairness, Rationalität, Ausgewogenheit glaubt, daran, sich nicht bedingungslos gemein zu machen, auch die eigenen Vertreter_innen zu kritisieren, immer skeptisch zu sein und nie apologetisch, nicht voreingenommen und unfair, weil sie all das glaubt, ist sie anfällig für Selbstkritik.

Ist Clinton nicht wirklich schlecht? Was, wenn sie wirklich korrupt ist? Was unterscheidet uns dann von denen? War wirklich alles sauber mit der Foundation?

Es ist das Spiel eines Bullys.

Und er kommt damit durch. Wieder einmal. Am Ende sitzt Richard übrigens auf dem Thron. Und bis zu seinem Tod auf dem Schlachtfeld tut er, was vorher alle wissen konnten – obwohl sie sich vorgemacht haben, sie könnten ihn einhegen.

15 Der beleidigte Narziss: Hürden für die Diplomatie

Frank-Walter Steinmeier hat Trump als “Hassredner” bezeichnet. Er wird jetzt mit ihm zusammenarbeiten müssen. Und so geht es vielen anderen auch[2. Dasselbe gilt natürlich für US-Journalist_innen. Aber zwischen ihnen und Trump darf die Stimmung düster sein. In der internationalen Politik ist das problematischer.]. Sie haben im nachvollziehbaren Bemühen, eine Katastrophe zu verhindern, sich klar positioniert; aber sie haben damit auch einen Narzissten beleidigt. Das wird diplomatisch noch eine Herausforderung.

{ 57 comments… add one }
  • sol1 14. November 2016, 23:39

    „Das ist Trumps Methode, aber auch die aller rechter Bewegungen. Ich bin ein Opfer! Ihr unterdrückt, zensiert, diktiert eure “Political Correctness”! Ihr seid intolerant, verlogen, schlechte Verlierer! “

    Interessant dazu:

    http://geschichtedergegenwart.ch/verkehrungen-ins-gegenteil-zur-karnevalisierung-von-politik/

  • CitizenK 15. November 2016, 08:36

    Angesichts der Lage finde ich diese Gedanken schon ziemlich gut sortiert. Guter Beitrag.

  • Tim 15. November 2016, 08:56

    Die Nato will er in eine Art Schutzgeldsystem umbauen. Schutz gibt es nur gegen Geld, nicht, weil es gut, richtig, notwendig oder strategisch klug ist. Japan und Südkorea sollen sich selbst um ihre Sicherheit kümmern.

    Wenn Länder ihre eigenen Verteidigungsausgaben im wesentlichen selbst finanzieren sollen, handelt es sich um ein „Schutzgeldsystem“? Das ist ja nun etwas überzogen. Schon lange wird den USA ja der (absurde) Vorwurf des Imperialismus gemacht, eben weil sie den Großteil des Verteidigungsaufwandes bestimmter Regionen übernehmen. Wie sie es machen, machen sie es falsch. 🙂

  • Jonas Schaible 15. November 2016, 09:43

    Ich habe ihnen diesen Vorwurf so nie gemacht 😉

    Und ja, ich bleibe dabei: Gäbe es kein Bündnis, wäre es vollkommen klar, dass sich jeder um sich selbst kümmert. Aber wenn der Initiator eines Bündnisses, das unter anderem der Grund dafür ist, dass die anderen Staaten eben *nicht* aufgerüstet und sich z.B. atomar bewaffnet haben (z.B. Japan, Südkorea, auch Deutschland), der mit weitem Abstand stärkste Spieler sagt: Das Bündnis bleibt nur, wenn die anderen viel mehr zahlen, weil bisher profitieren wir nicht und das kann nur heißen: wir profitieren nicht materiell (denn als Bündnis, Sicherheitsgarant und Organisationsplattform funktioniert die Nato und nützt auch den USA), wenn seit dem Ukraine-Krieg gleichzeitig Russland von zahlreichen Nato-Staaten nachvollziwehbarerweise als konkrete Bedrohung empfunden wird, wenn die Situation sich also so darstellt – dann hat das für mich viel von einem Schutzgeldsystem.

    • Stefan Pietsch 15. November 2016, 09:55

      Der NATO-Vertrag sieht vor, dass die Mitglieder 2% des BIP als Verteidigungsausgaben tragen. Die meisten Mitglieder erfüllen diese Selbstverpflichtung nicht. Die Ersparnis stecken die westeuropäischen Demokratien in ein Plus bei den Sozialausgaben, sie machen sich einen schlanken Fuß. Wieso gereicht es dem zukünftigen Präsidenten zum Vorwurf, dass er die Einhaltung des völkerrechtlich bindenden Vertrages einfordert? Weil uns die Selbstverpflichtung unangenehm ist und wir sie nicht mehr als durchsetzbar in unseren Gesellschaften ansehen?

      Die Europäer gefallen sich vor allem darin, die Amerikaner zu kritisieren. Nur zu, sollen sie doch mal zeigen, dass sie es besser können! Jugoslawien, Syrien, Türkei, der Nahe Osten zeigen eher, dass die Europäer es viel schlechter können.

      • Jonas Schaible 15. November 2016, 16:24

        Das stimmt nicht: Es steht nicht im Nato-Vertrag. Es ist auch nicht rechtlich bindend.

      • R.A. 16. November 2016, 10:02

        > Der NATO-Vertrag sieht vor, dass die Mitglieder 2% des
        > BIP als Verteidigungsausgaben tragen.
        Das steht nicht im NATO-Vertrag, aber das haben die Mitglieder einstimmtig so beschlossen. Ist also durchaus eine ernst zu nehmende Verpflichtung – und die Europäer verstoßen sehr krass dagegen.

        Fast unabhängig von der Trump-Wahl war zu erwarten, daß die Amerikaner sich das nicht unendlich lange gefallen lassen.

        • Stefan Pietsch 16. November 2016, 10:18

          Stimmt.

        • Erwin Gabriel 17. November 2016, 20:02

          Stimmt.

      • Rauschi 17. November 2016, 09:04

        Nur zu, sollen sie doch mal zeigen, dass sie es besser können! Jugoslawien, Syrien, Türkei, der Nahe Osten zeigen eher, dass die Europäer es viel schlechter können.
        Was sollen die besser können? Kann die USA besser Krieg führen, wie an den blühenden Landschaften und stabilen Demokratien in Syrien, Libyen, Irak und Afghanistan zu besichtigen? Als Oberhammer habe ich aber die Aussage von Obama bei seinem Berlinbesuch empfunden, das die meisten Konflikte sich ohne Gewalt lösen lassen. Das sagt der Mann, der Drohnenmorde befiehlt und keinen einzigen Konflikt gelöst hat, weder ohne noch mit Gewalt.
        Wasser predigen, Wein trinken, das bringt die Menschen gegen das System auf.

  • Stefan Pietsch 15. November 2016, 09:44

    Interessante Gedanken, aber wieder mache ich Dir zum Vorwurf, Dich zu sehr von Deinen persönlichen Einstellungen und Vorlieben leiten zu lassen. Ist Donald Trump ein Unfall der Geschichte? Eher nein, die Amerikaner neigen dazu, bei der folgenden, meist jedoch der übernächsten Wahl die Gegenseite zu wählen. Checks & Balances. Auf 8 Jahre Reagan, verlängert um Bush sen., folgten 8 Jahre Clinton und darauf wieder 8 Jahre Bush und 8 Jahre Obama. Zudem, die Amerikaner mögen keine Dynastien, weswegen Jeb Bush im Vorwahlkampf pulverisiert wurde.

    Hillary Clinton wollte mit dem Kopf durch die Wand. Schon vor 8 Jahren war sie nicht der Favorit der breiten Massen, sondern eine Kandidatin der Eliten. Während meiner Südamerika-Kreuzfahrt im Frühjahr habe ich mir praktisch jeden Abend die Vorwahlkämpfe und Berichte aus den USA angesehen. Als Hillary einen Super-Tuesday triumphal gewann, hielt sie selbstverständlich ihre Siegesrede. Danach war mir klar: die Frau wird niemals Präsidentin. Mit Ausnahme von Bush sen. konnten seit Reagan alle Präsidenten enorm begeistern, die Menschen emotional packen. Hillary kann es definitiv nicht.

    Man sagt, die Menschen wählen nach dem Bauch das Richtige. Da ist viel dran. Die Deutschen ahnten, dass die Eurorettungspolitik sie Milliarden kosten würde, obwohl die Politik unisono das Gegenteil behauptete. So entstand die AfD. Politiker (fast) aller Couleur fanden es unmöglich, in der heutigen Zeit noch die eigenen Grenzen vor ungewünschter Zuwanderung zu schützen. Seitdem scheint die ausländerfeindliche Alternative ein demokratisches Fakt.

    Gibt es eine Parallele zu Trump? Interessanterweise ja. Aber sie findet sich nicht in der amerikanischen Geschichte, sondern in der Antike. Das Alte Rom war nach dem demokratischen Prinzip gegründet und nahezu 500 Jahre geführt worden. In dieser Zeit wurde die Stadt am Tiber zum Machtzentrum der bekannten Welt. Das römische Reich dehnte sich in nie zuvor gekanntem Ausmaße, während die Demokratie verkam. Populisten manipulierten das einfache Volk. Rom schien zu groß und zu bedeutend geworden für eine demokratische Regierung, so zumindest einige Historiker. An die Stelle der Demokratie trat eine Mischform aus Kaisertum und parlamentarischer Gesetzgebung.

    Eine zunehmende Zahl von Menschen in den westlichen Demokratien sehnt sich nach einer starken, ja autokratischen Führung. Trump steht nur in einer Reihe, die mit Viktor Orban in Ungarn begann, sich über Polen mit Beata Szydło fortsetzte und Erdogan in der Türkei zu immer neuen Zustimmungsrekorden führt.

    Was haben dem überzeugte Demokraten entgegenzusetzen? Aktuell einen ausgekungelten Bundespräsidenten, eine demokratische Präsidentschaftskandidatin, die für viele Amerikaner für die Verquickung von Geld, Macht und Eliten steht sowie ein französischer Präsident, der vor seiner Wahl nur durch Mauscheleien bekannt geworden war.

    Für wen sollen solche demokratischen Bewerber attraktiv sein? Dann doch lieber ein Donald Trump im Weißen Haus.

    • Blechmann 16. November 2016, 13:24

      „Eine zunehmende Zahl von Menschen in den westlichen Demokratien sehnt sich nach einer starken, ja autokratischen Führung. Trump steht nur in einer Reihe, die mit Viktor Orban in Ungarn begann, sich über Polen mit Beata Szydło fortsetzte und Erdogan in der Türkei zu immer neuen Zustimmungsrekorden führt.“

      Nur sind Polen, Ungarn und Türkei keine westlichen Demokratien. Oder nur, wenn man den Begriff weit auslegt. Polen vielleicht noch am ehesten.

  • Kirkd 15. November 2016, 10:10

    Mich hat der Trump Sieg auf dem falschen Fuss erwischt und er ist sicherlich eine krachende Niederlage für die Demokraten.
    1 Historisch ohne Beispiel
    Man sollte mal die Kirche im Dorf lassen. Ein den eigenen Auffassungen von Politik und Still diametral entgegenstehender politischer Gegner hat gewonnen. Das kommt in der Politik vor. Die absoluten Wählerzahlen sind jedenfalls keine plattentektonische Verschiebung.
    2 Wir kennen Trump – deshalb müssen wir alles für möglich halten
    Schlechter wäre es, kannte man ihn nicht.
    3 Ja, jetzt kann die Welt aus den Fugen geraten
    Mein zynisches Alter-Ego sagt, die Welt ist bereits aus den Fugen. Realpolitisch sage ich:D ie Wahl eines Präsidenten wirft sie aber nicht aus den Fugen. Sein Handeln kann es möglicherweise.
    4 No such thing as teleology
    Das ist nichts Neues.
    5 Wo sind die Anfänge?
    In Alabama in den 60ern. George Wallace. Die Mutter aller modernen republikanischen Kampagnen.
    6 Schuld sind die Medien! Ritualisierte Medienkritik
    Die Medien sind nicht schuld haben aber ihren Anteil. Sie sollten Kandidaten ernst nehmen und dekonstruieren, was sie sagen. Sie sollten nicht jeden Pfurz verstärken. Sie sollten die Selbstgewissheit der eigenen Position hinterfragen.
    7 Von wegen zwangloser Zwang des besseren Arguments
    Wenn Du zu dem Schluss kommst, dass Deine Kandidatin „in fast jedem einzelnen Punkt das widerspruchsfreie und zutreffende Argument auf Ihrer Seite“ hat, dann solltest das zukünftig als Indiz nehmen, dass Dir bei der Beurteilung schwere methodische Fehler unterlaufen sind. Gute politische Argumente sind in der Regel nie widerspruchsfrei und objektiv zutreffend. Das liegt daran, dass politische Ziele in der Regel aus der Anwendung von Wertüberzeugungen auf Sachverhalte gewonnen werden.
    8 Stimmungen als politische Kategorie
    Erfolgreiche Politiker haben meist ein gutes Gespür für Stimmungen, oder jedenfalls Berater mit einem solchen. Camp Hillary hatte das sicherlich nicht.
    9 Die Bewegung hat gerade erst begonnen
    Siehe auch: George Wallace. Sie hat schon lange begonnen. Oder sie war nie weg. Es ist das Wesen der Demokratie, dass der politische Gegner nie besiegt ist. Oder er wird durch einen neuen ersetzt. Siehe auch: Ende der Geschichte.
    10 Cholera, White Trash, Skandale: Die Zeit der Mythen
    Ich habe noch nie einen Republikaner getroffen, der Hillary gut fand. Und zumindest von mir aus schliesse ich: nein, Hillary ist auch unter Linken nicht uneingeschränkt beliebt.
    11 It’s just not the economy – und sie war es nie
    Korrekt.
    12 Es gibt keine weibliche Coolness
    Ob das so ist, lasse ich mal dahingestellt. Die meisten Präsidenten zeichnen sich auch nicht durch Coolness aus. Aber natürlich war Hillary’s unausgesprochene Attitüde „By right of birth and reason I shall be the first female president“ eines ihrer grössten Probleme und eine ziemlich uncoole Attitüde.
    13 Eine weiße Identität entsteht
    Das ist letztlich der inhärente Widerspruch jeder Minderheitenpolitik, dass sie Identitäten betont, auf die es eigentlich nicht mehr ankommen soll.
    14 Die Methode Richard: den Vorwurf vorwegnehmen
    Man besiegt den politischen Gegner nicht dadurch, dass man jedes seiner Argumente widerlegt. Die Kunst der politischen Kampagne besteht darin, die geeigneten Mittel zu finden, das eigene Narrativ zum Gegenstand des Wahlkampfs zu machen. Camp Hillary hat das erstere mit Leidenschaft betrieben und sich damit letztlich sich auf Trumps Narrativ eingelassen. Das war ein Kapitalfehler. Das Clinton Narrativ in Wahlkampf wurde so zu einem „Wir haben schon gewonnen“ und „Bloss nicht Trump“ reduziert.
    15 Der beleidigte Narziss: Hürden für die Diplomatie
    Die Reaktionen von Angela Merkel, Steinmeier und von der Leyen sind schlicht unprofessionell. Wenn man der FAZ glauben schenken darf, hat Merkel keine Einladung zum Antrittsbesuch erhalten sondern wird Trump erst auf dem G20 Gipfel im Juli treffen.

    • CitizenK 15. November 2016, 12:44

      „…schlicht unprofessionell“?

      Ist Authentizität in der Politik unprofessionell? Wollten wir nicht immer „authentische“ Politiker? Menschen, nicht Roboter mit Sprechblasen?

      Trump spielt außerhalb der Regeln. Aus meiner Sicht spricht das eher gegen ihn als gegen die Regeln.

      Gut, Politiker müssen auch mit Diktatoren, selbst Massenmörern irgendwie umgehen und können persönliche Abneigungen in ihrer Rolle oft nicht zeigen, im Interesse ihres Auftrags. Aber die USA sind Teil der sogenannten „westlichen Wertegemeinschaft“. Da darf, ja: muss man zeigen dürfen, dass man „not amused“ ist. Als Denkanstoß, mindestens.

      • Kirkd 15. November 2016, 13:39

        Es geht um Diplomatie, nicht um Wahlkampf. Es ist die erste diplomatische Reaktion. Da gebietet das Protokoll höfliches Gratulieren und alles andere halte ich für unprofessionell.

        Was für ein Statement will den Merkel bei der nächsten Wahl beim Bündnispartner Türkei abgeben?

    • Erwin Gabriel 15. November 2016, 15:46

      @ Kirkd

      Volle Zustimmung, besonders, was das albern-moralisierende Getue der Deutschen Regierung angeht.Frau Merkel ruft zum Gratulieren nicht an (wahrscheinlich hatte man es nicht für nötig gehalten, sich die Telefonnummer zu besorgen), verbindet einen unfreundlichen Glückwunsch mit Ermahnungen und Bedingungen, unsere Verteidigungsministerin konstatiert gar einen Schock – viel dämlicher geht es wirklich nicht mehr. Ein(e) Demokrat(in) muss doch mit einem Wahlergebnis in einem anderen Land klarkommen, ohne beleidigt zu sein, wenn das Ergebnis nicht passt.

      Dann scheint mir, dass viele in Deutschland (die Medien vorneweg) die grundlegenden, historisch begründeten Unterschiede zwischen den USA und der BRD nicht verstanden haben.

      Die USA stellten nach ihrem Kampf um die Unabhängigkeit die individuelle Freiheit über alles, während in Deutschland, nach all den Greueln der Nazi-Zeit, die Würde des Menschen wichtiger als die individuelle Freiheit ist. In den USA darf man deshalb Sachen behaupten, für die man hier vor einen Richter treten müsste.

      Wenn dann das gesunde Selbstbewußtsein eines Amerikaners, die grobe Sprache New Yorks, das schlichte Weltbild eines Bauarbeiters, das Bewundertwerden eines TV-Stars durch normale Menschen und die Macht eines Milliardenvermögens aufeinander treffen, hat man Donald Trump.

      Das Ergebnis muss man nicht mögen, aber verteufeln braucht man es auch nicht.

    • Erwin Gabriel 15. November 2016, 15:48

      12 Es gibt keine weibliche Coolness

      Michelle Obama 🙂

      • Jonas Schaible 15. November 2016, 16:35

        „(Nein, Michelle Obama ist es nicht. Sie gibt dafür viel zu sehr die First Lady und First Mom)“

  • Wolf-Dieter Busch 15. November 2016, 14:45

    Zu 6 – „… als Journalist: Was hätte man tun sollen?“ – Nichts. Erstens, wir leben in Deutschland, und zweitens, bist du Journalist oder Wahlkampfmanager?

    Zu 7 – „… dass Politik nicht mit der Kraft des besseren Arguments zu machen ist“ – das war noch nie so, und es überrascht mich, dass du dem Irrtum aufsitzt. Für Wahlentscheidung gibt es zwo Motive: relative Zufriedenheit → Beibehalten der Verhältnisse: kein wirkliches Wahlverhalten, sondern Starre; Unzufriedenheit → Protestwahl (Aufbäumen). Die Stunde des Populisten.

    Zu 10 – „… Hillary Clinton war nicht immer schon historisch unbeliebt“ – war auch nicht nötig. Das amerikanische Volk verelendet derart, dass es – schon länger – nach Protestwahl riecht. Und in meiner Wahrnehmung hat Hillary im TV – vielleicht rhetorisch brillant, keine Ahnung – etwa 2cm überm Teppich geschwebt.

    Zu 10 – „… not the economy …“ oha. So entstehen politische Verlierer. Generell vermisse ich bei dir ein wenig den Aspekt der realen Verelendung als Motiv.

    Klar, der Präsident ist nicht der Herr König, der ein Erlassjahr befehlen kann. Aber im Wahlkampf sollte das zumindest Thema sein.

  • Wolf-Dieter Busch 15. November 2016, 15:05

    So, und jetzt ein paar „erste Gedanken“ von mir. Ich will nicht lügen, mulmig war mir schon zumute, als Antje mir frühmorgens das Wahlergebnis durchsagte.

    Zu Trump. Seine Kernkompetenz ist die: er weiß, wo das Geld her kommt (von dir und mir, beispielsweise). Was seine politische Kompetenz anbetrifft: ich denke, er glaubt an das, was er da erzählt, und wird demnächst von der Realität auf dem linken Fuß erwischt.

    In Praxis heißt das, es geht ab wie unter G. W. Bush (dessen Kompetenz die war: er wusste präzise, wo der Alk rein muss) – die „Berater“ bestimmen die Praxis.

    Ganz so freie Hand wie unter G. W. haben die Berater nicht. Trumps zweiter Vorname ist, wie wir alle wissen, „you are fired“.

    • Wolf-Dieter Busch 15. November 2016, 15:19

      Nachtrag, er hat sich frühzeitig gegen das Freihandelsabkommen TTIP ausgesprochen. Speziell die Einrichtung der außerstaatlichen Schiedsgerichte zur Sicherstellung entgangener Profite sind ja, wie es neuerdings durchscheint, Kopfgeburten der EU gewesen.

      Wenn mich nicht alles täuscht, ist dieser Alp dank Trump beerdigt.

  • Erwin Gabriel 15. November 2016, 15:15

    Für mich erstaunlich ist die Verteufelung von Donald Trump. Er hat die Wahl gewonnen gegen die Demokraten (die sich so gar nicht demokratisch verhalten haben), gegen das republikanische Establishment, gegen die Medien. Seine Gegner haben ihn verleumdet, seine Parteifreunde verraten und bekämpft, die Medien verfälscht, gelogen oder mit Halbwahrheiten gearbeitet, dass es kracht. Und dennoch hat Trump sich durchgesetzt.

    Sind nun alle Wähler geistig minderbemittelt, ungebildet, uninformiert? Das mag ich nicht glauben. Meiner Einschätzung nach wurde Trump trotz seiner bekannten, immer wieder verbreiteten (und oft auch übertrieben dargestellten) Schwächen gewählt. Und die, die seine Parolen und Angriffe verdrehten, verzerrten und übertrieben, haben die Trump-Fans bestätigt: Genau diese verdrehte Darstellung der Realität hatte ein Großteil der Leute satt.

    Was stimmt: Noch nie zeigte ein Wahlkampf so offenkundig, dass es nicht auf Fakten, sondern auf Emotionen ankommt. Die überspitzten Parolen eines Donald Trump, etwa der angekündigte Mauerbau zwischen den USA und Mexico, machten den Punkt klar: „Ich, Donald Trump, werde die illegale Einwanderung stoppen“.

    Die fälschliche Darstellung und bewusste Verdrehung dieser ruppig vorgetragenen Forderung als „rassistische Äußerungen“ durch die Medien (schließlich hat Trump nichts grundsätzlich Böses gegen Latinos gesagt, und die legalen US-Latinos immer als Teil von „Team America“ bezeichnet) hat die Trump-Wähler immer wieder in dem Glauben bestärkt, dass nur Trump für Sicherheit an der Grenze sorgen könne. Eine sachliche Diskussion wurde auch von demokratischer oder medialer Seite nicht geführt (und hätte angesichts der entsprechenden Kriminalstatistiken aus den Grenzgebieten auch kaum erfolgreich geführt werden können).

    Zu vielen anderen Themen ließ das Schema ähnlich ab: Trump sagte etwas Provozierendes, seine Gegner verdrehten und verstärkten die Aussagen, klebten ihm Etiketten auf, urteilten nach den Etiketten, und bestätigten ihn so.

    Für die Gemütslage seiner Wähler hatte niemand Verständnis, Empathie, oder gar Lösungen. Im Gegenteil, immer lief es auf Beleidigungen der Trump-Fans hinaus, auf von linker Seite organisierte Handgreiflichkeiten bei Trump-Veranstaltungen etc. Immer tiefer trieb man die verunsicherte, abrutschende Mittelschicht in Trumps Arme.

    Dazu ging mit der demokratischen Gegenkandidatin Hillary Rodham Clinton die unbeliebteste Politikerin an den Start, die man sich nur denken kann. Über ihre Altlasten hinaus (demonstrierte Unfähigkeit bei Bill Clintons Gesundheitsreform, Korruption, Vetternwirtschaft etc.) erzeugte sie mit aggressivster Anti-Putin-Propaganda durchaus Kriegsängste. Ihr „weiter so“ für die Nahost-Politik bestätigte die Befürchtung, dass das im Nahen und Mittleren Osten angerichtete Chaos nicht als solches wahrgenommen wurde, sondern als Erfolg: Saddam Hussein weg, Ghadaffi weg, Assad ohne Macht und Einfluss – bis auf die Herrscher im Iran sind alle amerikanischen Feinde im Nahen Osten tot oder geschwächt.

    Dann die Fehler im Wahlkampf: Hatte Barrack Obama als schwarzer Präsidentschaftskandidat noch damit gepunktet, dass er die Hautfarbe als relevantes Kriterium ausschloss, konnte Hillary sich nicht verkneifen darauf herumzureiten, dass Sie eine Frau sei, jetzt mal eine Frau an der Reihe wäre, und Frauen vieles sowieso besser können als Männer. Eine entsprechende Behauptung über Männer aus Trumps Mund (oder damals eine Aussage Obamas, dass jetzt mal ein Farbiger „an der Reihe“ wäre) hätten eine gewaltige landesweite Empörung ausgelöst.

    Das einzig Gute ist: Bei Donald Trump ist man schon froh, wenn es nicht ganz so schlimm kommt wie befürchtet. Hillary Clinton wäre wohl eine Präsidentin geworden, die, wie bereits Barrack Obama, ein gutes Stück hinter den Hoffnungen und Erwartungen zurückgeblieben wäre. Das – bei objektiver Betrachtung – zwei Kandidaten zur Wahl standen, die beide viel zu alt, viel zu ideologisch und moralisch viel zu fragwürdig sind, zeigt wohl das eigentliche Problem der USA.

    Eine Anmerkung noch hierzu:

    „Wir wissen nämlich sehr gut, wer Trump ist. Er ist 70 Jahre alt und seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit. Er hat aus seinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. Seine programmatischen Aussagen mögen widersprüchlich und konfus gewesen sein, seine Charakterzüge sind bemerkenswert stabil. Er liebt sich selbst, er fürchtet und verachtet Schwäche, er ordnet dem “Gewinnen” alles unter, er hat kein Verständnis für das Allgemeinwohl und keine Empathie für die Bedürfnisse anderer, er liest nicht und hat wenig historisches Verständnis, wenig Ahnung von praktischer Politik und Konzentrationsprobleme, er lechzt nach Aufmerksamkeit, er scheut keine Beleidigung und keine Schmähung, wenn er sich angegriffen fühlt, sondern schlägt so hart zurück wie möglich.“

    Die Schlussfolgerung daraus kann nur lauten, dass Trump sehr berechenbar ist.
    🙂

    Drücken wir uns die Daumen …

    • Jonas Schaible 15. November 2016, 15:36

      Trump wurde nicht verleumdet und seine Positionen wurden auch nicht verzerrt dargestellt. Wenn wir uns darauf nicht einigen können, ist leider jede weitere Diskussion zum Scheitern verurteilt, fürchte ich.

      Zur Beliebtheit Clintons habe ich, denke ich, oben ausführlich geschrieben.

      • Wolf-Dieter Busch 15. November 2016, 16:25

        Verleumdet ist sowieso ein starkes Wort … aber dass er kampagnenmäßig niedergemacht wurde, musst du anerkennen.

        Bitte richtig verstehen. Ich bin kein Fanboy von Donald, bedaure aber von Herzen, dass bei der eigentlich großartigen Niedermache unsere Hillary deutlich zu kurz kam.

        • Jonas Schaible 15. November 2016, 16:53

          Niedermachen heißt ja nur: Es wurde wieder und wieder darauf hingewiesen, was er freiwillig und laut verkündet hat.
          Anderswo nennt man das: Berichterstattung.
          Für die Skandalträchtigkeit seiner Aussagen kann niemand etwas außer ihm.

          • FrageZeichen 15. November 2016, 17:28

            Dein Spin-Doctoring ist ja ganz nett. Aber es hat doch noch nicht einmal beim amerikanischen Wähler verfangen.

            Stattdessen fühlt man sich dabei an die deutsche Nachkriegszeit erinnert. Da wollte man auch den ehemals gleichgesinnten Kriminellen unbedingt Persilscheine ausstellen.
            Man hatte ja identische Erfahrungswelten und wollte natürlich eines unbedingt nicht: Verantwortung übernehmen.

            Ich denke nicht, das es euch gut tut, wenn ihr jetzt den Eid auf die Führerin Hillary ablegt. Ganz im Gegenteil: Es wird Zeit den korrupten Laden aufzuräumen. Auch hierzulande.

          • Kirkd 15. November 2016, 18:30

            Man hätte sich als Journalist natürlich fragen können, ob solche Dauer – „Berichterstattung“ einschließlich der damit verbundenen Empörungsmeldung nicht genau das ist, worauf der politische Gegner abzielt und man eben genau sein Geschöft besorgt. Es haben letztlich alle für Trump apportiert und kamen sich dabei noch besonders klug vor. Dein Beispiel zeigt, dass man das offenbar nicht einmal im Nachinein kapiert, dass man besser interessante Sachen über Clinton und ihr Team geschrieben hätte als den 1000. Aufschrei, dass Trump ja nun wirklich unmöglich ist. Die große Kunst reaktionärer Kräfte war schon immer, die Opfer ihre Gröber selbst schaufeln zu lassen.

          • Wolf-Dieter Busch 15. November 2016, 22:51

            Habe den Vorgang aus sicherer Distanz mitgekriegt (nicht mal mit Absicht beobachtet, weil unappetitlich). Zu seinem Spruch mit pussy grabbing habe ich auch die Darstellung gelesen, dass der Spruch aus dem Gesamtzusammenhang gerissen sei; dass er u. a. anekdotisch berichtet, dass er bei einer Traumfrau trotz Großzügigkeit abgeblitzt sei.

            Ehrlich? Ich geb nichts drauf. Dass er ein Gauner ist, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Dafür brauchts keine Zitatsammlung.

            Andererseits, Gauner heißt nicht viel im Kongress. Beispielsweise hat Nixon den Vietnamkrieg (den er nicht begonnen hat!) beendet.

          • Erwin Gabriel 16. November 2016, 23:38

            >> Für die Skandalträchtigkeit seiner Aussagen kann niemand etwas außer ihm.

            Das ist genau das, worauf ich hinaus wollte. Der eine hält seine Aussagen für skandalträchtig, der andere hält sie für wahr.

            Ist eine Frage des individuellen Standpunkts, ob man Trumps wettern gegen illegale Einwanderung für skandalträchtig oder für (tendenziell) wahr hält.

  • FrageZeichen 15. November 2016, 16:48

    Es sind ja viele Falschmünzereien während dieser Wahl (und im Vorfeld bei der Bestimmung der Präsidentschaftskandidaten) gelaufen.
    Gerade die Intrigen um Bernie Sanders haben die Democrats in der Öffentlichkeit noch mal (für alle offensichtlich) als eine korrupte Partei präsentiert.
    Insofern gesehen ist es schon eine steile These, wenn man bei den „Hillarys“ von Demokraten spricht und gleichzeitig die „Außenseiter“ als Demokratiefeinde darstellt. Als ob die Korruption der Demokratie noch etwas mit Demokratie zu tun hätte. Letztere dokumentiert doch eben antidemokratisches Verhalten: Man möchte sich keiner fairen Wahl stellen, da man diese verlieren würde.

    • Erwin Gabriel 17. November 2016, 20:09

      Zustimmung!

  • R.A. 15. November 2016, 19:30

    > Doch diese Wahl ist einzigartig.
    Geht so. Die USA hatten im 19. Jahrhundert diverse merkwürdige Präsidentenwahlen, in anderen Ländern gab es noch viel krassere Sachen.

    > Ein bisschen mehr als 200 Jahre hat die moderne Demokratie
    > jetzt hinter sich.
    Eine Krise der Demokratie kann man postulieren. Aber die gibt es dann schon einige Zeit und nicht nur in den USA. Die Trump-Wahl wäre da nur ein Indiz von vielen.

    > Seitdem wurde keine der großen Demokratien jemals von
    > einem autoritären (also: anti-demokratischen) offen
    > minderheitenfeindlichen Mann regiert und keine von
    > einem Narzissten.
    Autoritäre gab und gibt es viele, anti-demokratisch ist Trump nicht, über das „minderheitenfeindlich“ läßt sich streiten und Narzissten gibt es in der Politik überreichlich.

    > Reagan war nicht Trump. George W. Bush war schon gar nicht Trump.
    Aber die Aufregung war ganz ähnlich. Wenn es nach den deutschen Medien gegangen wäre, hätte die Reagan-Wahl direkt den dritten Weltkrieg bedeutet.

    > Das kann das Ende des demokratischen Zeitalters sein, an das
    > wir uns gewöhnt hatten.
    Extrem unwahrscheinlich.

    > Doch für ihn spielt all das keine Rolle spielt, was internationale
    > Politik ausmacht: Beziehungen, Verbindlichkeiten, Vertrauen,
    Aber überhaupt nicht. Trump ist kein politisches Establishment, aber ansonsten Establishment pur, bestens vernetzt, hat sein ganzes Leben über Beziehungen Geschäfte gemacht. Und dabei ist er auch berechenbar. Die „Unberechenbarkeit“ bezog sich nur im Wahlkampf auf einige starke Sprüche.

    > Seinen ganzen Status hat er erworben, indem er den eigenen Nutzen
    > auf Kosten aller anderen mehrte.
    Das ist antikapitalistischer Stammtisch und fernab der Realität.

    > Er arbeitete mit der Mafia zusammen, …
    Weniger als John F. Kennedy. Und den Rest der Vorwürfe sollte man wieder in die Schublade mit den dümmlichen Wahlkampflügen zurückstecken.

    > Die Nato will er in eine Art Schutzgeldsystem umbauen.
    Nein. Er will nur, daß die übrigen NATO-Partner ihre Verpflichtungen erfüllen. Damit hat er recht.

    > Den Iran-Deal will er zurücknehmen.
    Und das ist gut so.

    > Russland bedroht Nato-Staaten wie das Baltikum.

    > Trump droht, vergeblich.
    Genau das ist eben nicht zu befürchten.
    Sondern dieses Risiko hatten wir die ganze Zeit, weil Obama immer nur leere Drohungen ausgestoßen hat und inzwischen bei Putin als Lachnummer gilt. Wenn Trump droht, wird Putin das ernst nehmen.

    > Die USA wollen einen Angriff von Revolutionsgarden aus dem
    > syrischen Norden auf Israel verhindern und bombardieren
    > versehentlich russische Truppen.
    Das ganze Nahost-Szenario ist Murks. Was immer die Iraner machen – die Israelis können sich selber verteidigen, auch gegen Revolutionsgarden in Syrien.

    > Wo sind die Anfänge, denen man wehren könnte?
    Man hätte die Exzesse der PC-Kultur stoppen können und die elitäre grüne Politik der Verachtung von breiten Schichten der Bevölkerung.
    Die Aggression ist von links ausgegangen, und erst lange danach hat sich die Antwort rechts formiert.

    > Schuld sind die Medien!
    Zum einem großen Teil. Die Medien haben aufgehört, nur Beobachter sein zu wollen. Sie haben vernachlässigt, daß sich ein Journalist nie mit einer Sache gemein machen darf, auch nicht mit einer guten. Sie wollten selber politisch agieren und Positionen durchsetzen.
    Und dabei haben sie ihre Glaubwürdigkeit ruiniert und die demokratische Diskussionskultur abgewürgt.
    Wenn heute selbst wichtigste Themen nicht mehr kontrovers im Bundestag diskutiert werden, ist das ganz wesentlich Schuld der Medien.

    > Wie soll sie Forderungen repräsentieren, die entweder vollkommen
    > unrealistisch sind …
    Sie soll sie NICHT „repräsentieren“. Genauso wenig wie sie sich zum Repräsentanten der Gegenseite hätte machen dürfen.
    Sie soll einfach nur berichten. Ob die Forderung unrealistisch etc. ist, das werden die Leser dann schon selber beurteilen – jeder Versuch von Volkspädagogik ist kontraproduktiv.

    > Aber glaubt jemand wirklich, ihn nicht zu kritisieren, hätte
    > einen gegenteiligen Effekt? Wenn die verhassten Medien ihn
    > loben, dann muss er falsch liegen?
    Das Gegenteil von Trump-Bashing ist nicht loben. Sondern neutrale Berichterstattung.
    Wobei die Glaubwürdigkeit der Medien schon Jahre vorher im Keller war, das kann man dann nicht in einem Wahlkampf ausgleichen.

    > Trump weniger Öffentlichkeit geben, sagen viele.
    Eine abstruse Idee, die die Aufgabe von Journalismus konterkariert.

    > Es tut mir weh, das zu schreiben, aber wenn dieser Wahlkampf
    > eines gezeigt hat, dann, dass Politik nicht mit der Kraft des besseren
    > Arguments zu machen ist.
    Es gab Argumente in der Anti-Trump-Kampagne von Hillary?
    Wohl eher nicht. Seinen Gegner als plumpen Idioten zu beschimpfen ist auch dann kein Argument, wenn es teilweise wahr ist.
    Real bestand die Clinton-Kampagne fast nur aus Emotionen und Schmutzwerfen. Und die von Trump aus Emotionen und Schmutzwerfen PLUS Inhalten. Und zwar zu Inhalten wie Jobs und Wirtschaft, die demokratischen Stammwählern auf den Nägeln brannten.

    > Was passiert, wenn bis auf sechs Ausnahmen alle großen Zeitungen
    > und Zeitschriften eine Kandidatin unterstützen, …
    Dann ist die Medienlandschaft kaputt. Weit sind wir in Deutschland auch nicht mehr von so einem Szenario.

    > Mehrheiten werden nicht mit Fakten gewonnen, sondern mit
    > Geschichten. Oder mit Stimmungen.
    Natürlich. Wobei es aber Fakt ist, daß viele Leute wirtschaftlich von der Obama-Zeit enttäuscht wurden und die Washingtoner Elite konsequent an der Stimmung im Lande vorbeiregiert.

    > Sind “die Medien” heute sensationalistischer und nicht mehr verlässlich?
    Ja.

    > Ignorieren sie Trump-Wähler? Nein, aber es fühlt sich so an.
    Sie ignorieren sie nicht, sondern sie beschimpfen sie.

    > Gibt es einen guten Grund, gerade jetzt den Großangriff auf
    > das Establishment für notwendig zu halten, …
    Ja. Weil der Abstand zwischen den Problemen und Themen der Bevölkerung und denen des politischen Betriebs immer größer geworden ist. Politiker glauben, sie wüßten ohnehin alles besser, bräuchten keine Rückkopplung mehr mit der Basis und könnten auch gröbsten Unsinn erzählen, nur weil ihnen im öffentlichen Diskurs keiner mehr widerspricht.

    > Die Bewegung hat gerade erst begonnen
    Ja. Und die Feudalherren sitzen im Schloß von Versailles und begreifen nichts.

    > Üblicherweise sind Parteien in Demokratien keine Bewegungen.
    Sie sind es nicht mehr. Ein Teil des Problems.

    > Parteien sind stabil, uneinig, ringend um Positionen, sie
    > funktionieren unabhängig von Führungsfiguren …
    … und immer stärker unabhängig von Wählern und Wahlergebnissen.
    Selbst katastrophale Wahlausgänge wie in Sachsen-Anhalt werden ignoriert, die Karawane zieht einfach weiter und beschäftigt sich mit internen Themen.

    > Es heißt, Clinton sei schon immer unbeliebt gewesen.
    Nicht schon immer, aber in den letzten Jahren ist sie es geworden. Und nein, Sanders hätte natürlich nicht gewonnen. Die Demokraten hätten aber auch Kandidaten außerhalb des Fossilparks gehabt.

    > Sie war historisch unbeliebt, weil die Trump-Kampagne es schaffte,
    > alle Welt glauben zu machen, es gebe viele Skandale.
    Das ist falsch. Die Clinton-Skandale waren schon lange Thema, bevor Trump überhaupt seine Kampagne begann. Und sie schadeten ihr, weil die eigenen Medien und Wähler sich darüber ärgerten – was Trump dazu sagte war nebensächlich. Auf den haben doch Demokratenwähler nicht gehört.

    > Dazu kommt die merkwürdige Metapher von der Wahl zwischen
    > “zwei schlechten KandidatInnen” oder “zwischen Pest und Cholera”.
    War halt so.
    Gegen jeden vernünftigen Demokraten-Kandidaten hätte Trump fett verloren.

    > Die Medien hätten sich zu wenig bemüht, Trumps Wähler_innen
    > zu verstehen.
    Sie haben Trump-Wähler im Detail beschrieben um „nachzuweisen“, daß die alle blöde sind und ihre Sorgen unbegründet sind.
    Ist doch wie in Deutschland mit der AfD: Es gibt sehr viele „Reportagen“, die beschreiben den abartigen Teil der AfD-Wähler, als ginge es um primitive Volksstämme im Dschungel. Da kommt nie als Ergebnis raus, daß einige der von den (Millionen!) AfD-Wählern gebrachten Bedenken berechtigt sein könnten. Schlichtes Medienversagen.

    > Ich glaube, der Wahlkampf zeigte eines: Es gibt keine weibliche Coolness.
    Thatcher war cool.

    > Als solche reagieren sie auf die wahrgenommende Zumutung einer
    > Welt, in der sie nicht mehr die Norm sind, mit aggressiver Verfolgung
    > der eigenen Interessen.
    Richtig ist: Nachdem die Linken Rasse immer stärker zum politischen Faktor gemacht haben, und sich diverse andere ethnische Gruppen organisiert und erfolgreich Sonderinteressen durchgedrückt haben – haben nun auch die weißen Wähler reagiert und verfolgen ihre Interessen.
    Das ist erst einmal legitim. Und das als „aggressiv“ zu denunzieren ist auch ein rassistisches Denkmuster.

    > Trump hat dabei zusätzlich einen schwachen Punkt der Linken
    > ausgenutzt. Weil sie überwiegend wirklich an Fairness, Rationalität,
    > Ausgewogenheit glaubt, …
    Die Linke nimmt für sich in Anspruch, Fairness und Rationalität zu vertreten. Aber sie tut das Gegenteil. Und dieser Widerspruch ist ein schwacher Punkt und wird von vielen Wählern kritisch gesehen.

    > Frank-Walter Steinmeier hat Trump als “Hassredner” bezeichnet.
    Ein Kardinalfehler für einen Diplomaten. Was zeigt, daß er sowohl als Außenminister ungeeignet war wie er als Präsident ungeeignet sein wird.

  • R.A. 15. November 2016, 19:49

    Nur zur Klarstellung:
    Ich hätte Clinton gewählt.
    Ich glaube daß Trump ein schlechter Präsident sein wird.

    Aber das Problem ist nicht Trump. Das Problem ist die Krise der westlichen Demokratien und Medien. Trump ist nur ein Symptom dieser Krise.

    Und bisher haben die westlichen Polit-Eliten ALLE Warnschüsse ignoriert: Die Fast-Wahl von Le Pen in Frankreich, den Brexit, die Fast-Wahl von Hofer in Österreich, die übrigen Wahlerfolgen von AfD und Konsorten.
    Und jetzt wird auch Trump ignoriert nach dem Motto: Die sind halt alle doof, und eigentlich machen wir alles richtig, und wir müssen es nur besser erklären.

    Und diese Ignoranz ist gefährlich. Weil die zu Ergebnissen führen wird, die viel schlimmer sind als Trump.

    • Stefan Sasse 17. November 2016, 18:46

      Ich hätte gerne mal kohärent erklärt, wie man den „Warnschuss“ denn nun ernst nimmt.

  • FrageZeichen 16. November 2016, 18:19

    Hier ein Beispiel für eine etwas intelligentere Analyse:
    https://le-bohemien.net/2016/11/14/donald-trump-ist-die-quittung/

    Nichts könnte die Ignoranz der liberalen Meinungselite mehr verdeutlichen als eben solche Reaktionen auf Trumps Wahlsieg, die jetzt plötzlich die Demokratie gefährdet sehen. Geflissentlich übersehen wird dabei, dass an den sogenannten „Checks und Balances“ in den westlichen Demokratien schon seit Jahrzehnten gefeilt wird. Nicht von irgendwelchen Populisten, nicht von dem Volk oder dem „angry white man“, sondern von den wirtschaftlichen und politischen Eliten höchst selbst.

  • FrageZeichen 17. November 2016, 17:54

    Und wenn man meint, der hysterische Schwachsinn unserer Journaille gerät langsam wieder ins hintertreffen, dann kommt der Augstein daher:
    Alle reden vom Rechtspopulismus – blanke Verniedlichung. Donald Trump ist kein Rechtspopulist – er ist ein Faschist. Marine Le Pen ist keine Rechtspopulistin – sie ist eine Faschistin. Und was Frauke Petry ist, das werden wir noch sehen.
    aus: Gefahren für die Demokratie; Trump ist ein Faschist
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/donald-trump-wie-seine-wahl-die-demokratie-gefaehrdet-kolumne-a-1121716.html

    Ob der Augstein auf diese Art und Weise jemals zu einem Erkenntnisgewinn kommen wird? Ich bezweifle das.

    • Erwin Gabriel 17. November 2016, 20:16

      Tolle Replik. Volle Zustimmung.
      Vielen Dank!

    • bevanite 18. November 2016, 01:34

      Schon mal näher mit dem Front National beschäftigt? Da ist der Faschismusvorwurf leider gar nicht so daneben. Die Partei hat Wurzeln, die bis zur Action Française reichen. Ihr Gründer Jean-Marie Le Pen hat die Existenz von Konzentrationslagern angezweifelt, die Vichy-Zeit verharmlost; einer ihrer führenden Figuren und Parteitheoretiker, der Europabgeordnete Bruno Gollnisch, vertritt krude Rassentheorien. Marine Le Pen hat in den letzten Jahren recht erfolgreich den FN als populistische Kraft etabliert, aber im Kern ist das Programm immer noch so, wie es ihr Gründer formulierte: ni droite, ni gauche, français. Und ta tun sich nunmal tatsächliche Parallelen zu französischen Vordenkern des Faschismus wie Charles Maurras oder Georges Sorel auf. Bei der Vorstellung, dass im nächsten Frühjahr der Front National den Elysée-Palast pachten könnte, sollten jedenfalls allen Demokraten in Europa die Alarmglocken angehen.

    • Blechmann 18. November 2016, 08:28

      Aus dem Artikel: „Man hat uns gesagt, Trump wird nicht Kandidat. Dann hat man uns gesagt, er werde keinesfalls Präsident. Wenn man uns jetzt sagt, es wird nicht so schlimm, dann sollten wir nicht mehr zuhören…“

      Nur haben diejenigen welche geschrieben haben, er wird nicht Kandidat und er wird nicht Präsident auch gesagt: Es WIRD schlimm.

  • Erwin Gabriel 17. November 2016, 20:17

    >> Ob der Augstein auf diese Art und Weise jemals zu einem
    >> Erkenntnisgewinn kommen wird? Ich bezweifle das.

    🙂

  • tre 18. November 2016, 09:09

    Tut mir Leid wegen der Ehrlichkeit, aber so einen haufen verdrehten Stuss habe ich schon lange nicht gelesen und das nicht mal in einer Bild-„Zeitung“. Erschreckend.

    Die Seite geht sofort auf meine Blacklist, damit ich nicht versehentlich wieder mal hier lande und euch unverdiente Klicks schenke.

  • chriwi 18. November 2016, 11:46

    Ich habe die Wahlberichterstattung des Aufwachen Podcast gehört und war über den Erfolg Trumps nicht überrascht. Gerade die deutschen Medien waren so auf Clinton fokussiert, dass sie nicht im Ansatz an einen Gewinn Trumps hätten denken können.
    Auch wahr wohl die Zahl der Wählerstimmen viel niedriger als in den letzten Wahlen. Beide Kandidaten waren unbeliebt. Trump hat weniger verschreckt. Auch gab es auf Seiten Clintons wahltaktische Fehler.

    Das Drama was jetzt daraus gemacht wird verstehe ich nicht. Die Welt wird sich weiter drehen. Bei Obama fehlte in der Berichterstattung am Anfang seiner Präsidentschaft nicht viel und er hätte über das Wasser laufen können. Trump wird Politik machen. Er wird eventuell weniger aggressive Außenpolitik betreiben. Das wäre für die Welt sicher nicht schlecht. Innenpolitisch will er in die Infrastruktur investieren. Das ist auch nicht so schlecht. Mit seinen eigentlichen Zielen setzt sich zumindest in Deutschland kaum jemand auseinander. Man muss einfach mal abwarten. Und am Ende gibt es noch einen Senat und ein Abgeordnetenhaus.

    • bevanite 18. November 2016, 12:26

      Trump wird Politik machen. Er wird eventuell weniger aggressive Außenpolitik betreiben. Das wäre für die Welt sicher nicht schlecht. Innenpolitisch will er in die Infrastruktur investieren. Das ist auch nicht so schlecht. (…) Und am Ende gibt es noch einen Senat und ein Abgeordnetenhaus.

      Und dadurch wird das mit dem „in die Infrastruktur investieren“ schon mal schwer. Eine starke Fraktion der Republikaner im Kongress besteht aus absoluten Markt-Mullahs, für die sind jegliche Staatsaufgaben außerhalb des Militärs ein No-Go. Da werden auch die Debatten zum Mauerbau interessant.

      Das mit der weniger aggressiven Außenpolitik ist inzwischen schon ein Running Gag, denn mit Newt Gingrich, John Bolton oder Rudy Giuliani als Außenminister dürfte das schwer fallen. Die werden halt andere geopolitische Schwerpunkte setzen. Abgesehen davon verstehe ich nicht, wieviele Leute auch in Deutschland auf die Online-Groupies von Trump reingefallen sind – glauben die ernsthaft, Clinton hätte einen Krieg mit Russland gestartet? Wie auch immer, in Lettland (EU- und NATO-Mitglied!) würde man jedenfalls über einen Newt „Estonia is in the suburbs of St. Petersburg“ Gingrich als Secretary of State weniger erfreut sein.

      Anhand der bislang kolportierten Namen für Trumps Regierungsmannschaft vermute ich eher, dass seine Präsidentschaft mehr der von Bush ähneln wird als einem kompletten „Relaunch“. Warten wir’s ab.

      • bevanite 18. November 2016, 13:39

        Hoppla, meinte natürlich Estland, nicht Lettland. Mein Gary Johnson-Moment.

      • chriwi 21. November 2016, 12:20

        Die Aussagen Trumps stehen im Gegensatz zu den diskutierten Personen, welche die Arbeit dann machen sollen. Diese Personen sind teilweise sehr lang in der Politik dabei. Daher verstehe ich die Schnappatmung vieler Medienvertreter nicht.

        Darum ist die Aussage
        „Warten wir’s ab.“
        gut auf den Punkt gebracht.

  • lemmy caution 20. November 2016, 18:50

    Außenpolitische Spekulationen halte ich für ziemlich verlorene Zeit. Dafür ist das einfach alles zu unberechenbar. Ich halte Putin für nicht so verrückt, mal zu versuchen, was so im Baltikum geht.
    Wenn wir als Deutschland einen höheren Beitrag für unsere Verteidigungskosten entrichten müssten, fänd ich das irgendwie auch fair.
    Sollte die USA ihr Engagement im Mittleren Osten herunterfahren, würd ich das sogar begrüssen. Die passive Politik der US of A in Lateinamerika hat in den letzten 15 Jahren viel positivere Ergebnisse gebracht als der Aktionismus im Irak und Libyen.

    Für dringlicher bewerte ich die Frage, warum so viele Amerikaner Trump gewählt haben. Hier ein längerer Artikel über die möglichen Ursachen, der mich sehr überzeugt hat: https://hbr.org/2016/11/what-so-many-people-dont-get-about-the-u-s-working-class
    Einen ähnlichen Artikel würd ich mal gern zu dem Le Pen Phänomen bei unseren Nachbarn, den Franzosen, lesen.

    Ich denke für Deutschland sollten die Vorschläge zur Kompensation der Auswirkungen der Kalten Progression mit höchster Eisenbahn umgesetzt werden. Die Profiteure einer solchen Maßnahme wären nämlich genau unsere möglichen Trump-Wähler.

    • Blechmann 21. November 2016, 07:39

      „Wenn wir als Deutschland einen höheren Beitrag für unsere Verteidigungskosten entrichten müssten“

      Was denn für Verteidigungskosten? Gegen wen verteidigen wir uns denn? Polen oder Frankreich? Und welchen Beitrag leistet die USA zu den Kosten? Die USA haben ihre Eingreiftruppen in Deutschland stationiert und von hier verlegen sie die ins Einsatzgebiet, fliegen Luftangriffe, machen die Logistik und hören uns ab.Wenn sie da mehr Geld für haben wollen als ohnehin schon, dann sollten wir Putin fragen, was er dafür verlangt, Deutschland als Einsatzbasis zu nutzen und uns zu bespitzeln. Kommt uns vielleicht billiger.

      „Hier ein längerer Artikel über die möglichen Ursachen, der mich sehr überzeugt hat:“
      Hm, wenn ich das recht verstehe, die US-Mittelschicht verachtet die Armen, hasst die Intellektuellen und bewundert die Reichen. Da Trump ein nicht-intellektueller Reicher ist wählen sie ihn. Naja zumindest benimmt er sich wie ein Nicht-Intellektueller, eigentlich ist er ja Akademiker.

      Frage ist, ob sich das auf Deutschland so übertragen lässt. Die AfD-Wähler werden doch eher dem Prekariat zugerechnet als der Mittelschicht.

      • Lemmy Caution 21. November 2016, 09:43

        Blechmann,

        wir sitzen hier alle vorm Internet. Ein schneller Fakten-Check der eigenen Aussagen ist eine google-Suche entfernt.
        Hier zum Bleistift http://www.stern.de/politik/deutschland/afd-waehler-gehoeren-zu-den-besserverdienern-6802994.html
        Eine Forsa-Studie belegt, dass die AFD Wähler eher zu den besser verdienenden. Ich vermute es handelt sich oft um das gleiche Klientel, das im oben von mir verlinkten Artikel angesprochen wird. Eben im Wertschöpfungsprozess stark angepasste und oft sehr hart arbeitende Menschen (eigene Vermutung), die keine starken Ambitionen haben, intellektuell besonders tief zu bohren. Hab so AFD-Sprüche in letzter Zeit in Büros öfters gehört. Stets von solchen Leuten. Ich seh die auch von der immer kompler-technisierteren Art, in der wir die Arbeit erledigen, besonders bedroht.

        Wenn sich die USA als Schutzmacht des repräsentativ-demokratischen Europas zurückzieht, werden wir die Verteidigungsausgaben erhöhen müssen. Davon gehe ich aus.

        • Blechmann 22. November 2016, 06:32

          Deswegen schrieb ich ja, sie „werden dazu gerechnet“. Allgemein ist das dass Erklärungsmuster, jedenfalls wenn ich darüber lese oder Expertenmeinungen höre, was man gegen die AfD machen könnte. Vielleicht ist denen das aber einfach nur zu peinlich zuzugeben, dass die Wohlhabenden AfD wählen, die Schmuddelpartei. 🙂

          • bevanite 22. November 2016, 10:03

            Wenn man sich das wirtschaftspolitische Programm der AfD anschaut, dürfte klar sein, wer ihre eigentliche Hauptzielgruppe ist. Niedrigere Steuern für Besserverdienende, Stellenabbau im öffentlichen/staatlichen Sektor, Abschaffung des Mindestlohns, weniger Sozialhilfe, niedrigere Renten, Förderung von Privatisierung im Bildungsbereich – viele Menschen in den neuen Bundesländern, die es mit einer Stimme für die AfD „denen da oben“ mal so richtig zeigen wollten, würden dies jedenfalls bei einer möglichen AfD-Regierungsbeteiligung noch bitter bereuen.

            • CitizenK 22. November 2016, 11:27

              „….noch bitter bereuen.“

              Höchstwahrscheinlich. Wie die Briten ihr Exit-Votum. Wie manche Trump-Wähler. Nicht alle, dafür sind die ideologisch zu verbohrt oder intellektuell dazu nicht fähig.

              Das hilft jetzt aber nicht. Es geht darum, eine AfD-Regierungsbeteiligung zu verhindern. Oder müssen wir da durch?

              • bevanite 22. November 2016, 17:53

                Das hilft jetzt aber nicht. Es geht darum, eine AfD-Regierungsbeteiligung zu verhindern. Oder müssen wir da durch?

                Ich selber will da nicht durch müssen – für unmöglich halte ich in diesen Zeiten aber nichts mehr. Die CDU koalierte in Hamburg mit der Schill-Partei, wer sagt, dass sie nicht auch mit der AfD Gespräche suchen wird? Zumindest auf Länderebene würde ich das nicht ausschließen, etwa in Sachsen (hier ist die CDU ohnehin fast so rechts wie anderenorts die AfD) oder Bayern. Auf Bundesebene 2017 freilich nicht, dazu ist die AfD noch nicht so lange etabliert wie ihre ideologischen Schwesterparteien in Dänemark, den Niederlanden oder Österreich. Aber wenn in Zukunft mittelfristig nur noch mit einer Großen Koalition regiert werden kann, dann sind österreichische Verhältnisse denkbar. Und da Le Pen, Wilders, Kjaersgaard, Strache usw. nach dem Trump-Sieg alle Blut geleckt haben, habe ich ein mulmiges Gefühl.

      • lemmy caution 21. November 2016, 10:00

        quote
        Hm, wenn ich das recht verstehe, die US-Mittelschicht verachtet die Armen, hasst die Intellektuellen und bewundert die Reichen. Da Trump ein nicht-intellektueller Reicher ist wählen sie ihn. Naja zumindest benimmt er sich wie ein Nicht-Intellektueller, eigentlich ist er ja Akademiker.
        /quote

        Ich verstehe das leicht anders.
        Mir sind berufliche Situationen durchaus vertraut, in denen Leute über mir oft aus fehlender Detailkenntnis Entscheidungen treffen, die meine Arbeit behindern oder auch obsolet machen. Nun konnte ich mir in den letzten Jahren wirklich locker immer ein neues Projekt finden. Ich verdien in dem Prozess auch ziemlich gut. Nur sind aber nicht alle Leute so nerdig neugierig auf fachlich Neues und so flexibel wie ich.

        Oder nimm etwa sowas hier: http://blogs.faz.net/stuetzen/2016/11/14/trumps-sieg-handgemacht-in-den-usa-7115/

  • CitizenK 21. November 2016, 08:17

    „Die AfD-Wähler werden doch eher dem Prekariat zugerechnet als der Mittelschicht.“

    Ja, aber diese Zurechnung ist falsch, wie man mittlerweile weiß.
    Die Befunde können sicher nicht 1:1 auf D übertragen werden. Nicht alle Hartz4-ler sind durch die Globalisierung freigesetzte Facharbeiter.

    Wenn Demokratie weiterhin auf der Gleichwertigkeit jeder Stimme beruht (und damit will niemand ernsthaft rütteln), dann muss man Konsequenzen ziehen. Weder der linksliberale Hochmut („If they go low…“) noch die neoliberale Arroganz (Nur die „High Potentials“ zählen) helfen jetzt weiter.

    Die Frage bleibt: Was tun?

    • Blechmann 22. November 2016, 06:53

      „Wenn Demokratie weiterhin auf der Gleichwertigkeit jeder Stimme beruht (und damit will niemand ernsthaft rütteln)“

      Wollen tun sie das schon. Die Wahl des EU-Parlaments beruht nicht auf der Gleichwertigkeit jeder Stimme und die der EU-Kommission auch nicht. Die sollen gestärkt werden, wenn es nach den Eliten geht. Die marktkonforme Demokratie, wo eben nicht jede Stimme zählt, ist das Ziel so denke ich. Allerdings ist es natürlich schwieriger die Mittelschicht vom wählen abzuhalten, als die Unterschicht.

      Vielleicht verschwindet das Problem mit dem Verschwinden der Mittelschicht. Ein Teils steigt ab und wählt dann die LINKE und der Rest steigt auf und wählt CDU/FDP. Wobei die Linke für die Eliten vermutlich bedrohlicher ist als die AfD. Daher, besser Trump als Sanders, wird man vermutlich garnix machen, sondern sich mit der AfD und Trump arrangieren.

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