Merkwürdige Bettgenossen

Im Kulturkampf gegen Amazon kommt es zu manchen merkwürdigen Bündnissen. Dass sich das FAZ-Feuilleton an vorderster Front in den Kampf um eine nebulöse „Buchkultur“ wirft, die irgendwie untergeht wenn die Buchpreisbindung fällt, ist ja noch halbwegs nachvollziehbar. In seinem derzeitigen Oswald-Spengler-Gedächtnis-Modus ist das nur konsequent. Auch dass die großen Verlage genausowenig Freude an Amazons Preispolitik haben wie kleinen Buchläden ist nachvollziehbar. Sie gehören schließlich zu den Verlierern des Wandels, den Amazon durchaus rücksichtlos betreibt. Nun haben die Verlage neue Verbündete gefunden: Bestsellerautoren. 909 Autoren aus den USA haben in der New York Times einen offenen Brief an Jeff Bezos unterschrieben, er möge doch bitte aufhören, so böse zu sein. Nur, warum sollte mich als Kunde das interessieren?

Als Kunde habe ich bisher von Amazon ausschließlich Vorteile erlebt. Sie sind gut sortiert. Ihre Preise sind günstig. Ihr Versand ist schnell und meist kostenlos. Ihre Rückgabepolitik ist exzellent. Ihr Interface ist benutzerfreundlich. Kindle ist eine Offenbarung, verglichen mit den Konkurrenzprodukten auf epub und mobi. Was tut Amazon denn nun eigentlich, was diesen harten Widerstand hervorruft? Die Antwort ist einfach: das, was große Player gerne tun: die Preise drücken. Amazon tut das, was beispielsweise Aldi ebenfalls macht, nämlich die Zulieferer auspressen bis nichts mehr übrig bleibt. Nur dass es im Falle Amazons nicht die armen Milchbauern und Legehennenbatteriebetreiber trifft, sondern die Verlage.

Die Methoden Amazons sind alles andere als fein. Die Aufforderung für bessere Margen wurde von Hachette, einem der Big 5 der amerikanischen Verlagslandschaft, abgelehnt. Amazon deaktivierte daraufhin schlicht die Vorbestellfunktion für Hachetteprodukte und verzögerte deren Auslieferung, um Druck zu machen. Hier zeigt sich klar die Marktmacht Amazons: obwohl sie „nur“ rund 20% des Buchhandels kontrollieren, ist ein Verzicht auf den Vertrieb über Amazon keine Option. Viele der äußerst bösen Unterschreiber des offenen Briefs sehen auch keinerlei Widerspruch, ihre Werke weiterhin bei Amazon zu vetreiben und geben auch rundheraus zu, dass es ihnen halt Kohle bringt. Sie hätten halt nur gerne etwas mehr davon.

Wer ist jetzt der Böse in diesem Spiel? Und gibt es überhaupt einen? Um das klarzustellen: Amazon sind keine good guys. Von allem, was man hört, ist Jeff Bezos so ziemlich der letzte Chef, den man sich wünschen würde, und die Zustände in Amazons Vertriebslagern vor dem öffentlichen Druck, der einen Kurswechsel erzwang, dürften ebenfalls hinreichend bekannt sein. Aber die Verlage taugen genausowenig als Helden dieser Geschichte. Sie halten den Löwenanteil ihrer Autoren bei winzigen Provisionen (2%-5% sind die Regel) und streichen die Differenz ein. Am deutschen Markt profitieren sie im ebook-Geschäft von der Buchpreisbindung, die völlig überteuerte Preise für ebooks erzwingt (ich meine ernsthaft, 17-20€ für ein ebook?), und selbst die deutlich billigeren US-Preise sind dafür, dass es sich um kein physisches Produkt handelt, das Produktion und Lagerung nötig machte, noch relativ hoch. Amazon hat also durchaus Recht mit seinem Druck für niedrigere Preise, umso mehr, als dass ich als Kunde auch davon profitiere.

Und damit kommen wir zum letzten Stückchen: die Autoren profitieren überwiegend auch davon, nur eben nicht die Bestsellerautoren. Denn Amazons erklärte Absicht ist es, alle Verlage auf das gleiche Modell zu verpflichten, das es auch im Kindle Self-Publishing fährt: 35-35-30. Das heißt, 35% der Gewinne gehen an den Verlag, 35% an den Autor, und 30% an Amazon. Letzteres ist übrigens Standard, Apple und Google treiben für ihre Appstores gleiche Provisionen ein. Wenn man bei Amazon ein ebook selbst veröffentlicht, erhält man 70% der Gewinne. Das ist mehr als fair, und für viele Autoren sind die 35%, die Amazon ihnen für das normale ebook-Geschäft zuschanzen will ebenfalls ein traumhafter Deal. Für die Verlage natürlich weniger, und für die Bestsellerautoren, die bessere Deals gewöhnt sind (der Initiator des Briefs hat eine eigene Schreibhütte, vor der er sich fotographieren lässt!) genausowenig. Aber warum die Masse der Autoren oder die Kunden für die Gewinne der Verlage einen Kulturkampf gegen Amazon führen sollten, ist mir schleierhaft.

Go Amazon!

{ 14 comments… add one }
  • Soulsurfer 15. August 2014, 13:02

    Guter Artikel! Mich stört das ständige Gebashe auch…nur eine Frage: Wie stehst du zu der Ausbeutungspraxis in den Amazon Versandzentren in Deutschland…

    Gruß
    Soulsurfer

    • Stefan Sasse 15. August 2014, 13:48

      Es ist Aufgabe der Politik, so etwas zu unterbinden, nicht der Unternehmen, Wohlfahrt zu spielen.

  • Manfred Peters 15. August 2014, 17:38

    „… alle Verlage auf das gleiche Modell zu verpflichten, …“
    und wo bleibt der Wettbewerb?
    Das auf einem Blog, wo laufend das Hohelied auf perverse neoliberale Praktiken gesungen wird. Irgendwann musst Du Dich aber für ein gesellschaftliches Geschäftsmodell entscheiden. 🙁

    • Stefan Sasse 15. August 2014, 18:18

      Das hat doch damit nichts zu tun? Und ich singe kein Hohelied auf perverse neoliberale Praktiken. Dafür ist der andere Stefan zuständig.

      • techniknoergler 18. August 2014, 10:22

        Ups, das waren auffülige Rechtschreibfehler:

        Wow, mich überrascht es wirklich immer wieder, WIE unglaublich sensible Linke sind. Selbst dieser Blog, in dem regelmäßig verschiedene Sichtweise zu lesen sind, der wird als beinahe unerträglich wahrgenommen.

        • techniknoergler 18. August 2014, 10:24

          „auffülige“

          auffällige…

          Ich sollte meine Kommentare in Open Office schreiben. Tippfehler geschehen auf die Schnelle einfach zu leicht.

      • In Dubio 20. August 2014, 22:43

        Unter „pervers“ verstehe ich etwas anderes als Bücher kaufen und lesen. Aber das ist ein anderes Thema…

    • techniknoergler 15. August 2014, 23:47

      Wow, mich überrascht es wirklich immer wieder, WIE unglaublich sensible Linke sind. Selbst dieser Blog, in der regelmäßig verschiedene Sichtweise zu lesen sind, der wird als beinahe unerdräglich wahrgenommen.

  • Stefan Sasse 15. August 2014, 18:36

    Nur ein Beispiel für die Preise btw:
    Gebundene Ausgabe – 19,99€
    Kindle – 17,99€
    http://www.amazon.de/Das-Hohe-Haus-Jahr-Parlament-ebook/dp/B00GSG1AGI/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1408127751&sr=8-1&keywords=das+hohe+haus
    Wen wollen die verarschen? Schafft endlich die Buchpreisbindung ab.

  • techniknoergler 15. August 2014, 23:41

    @Sasse:

    Sagen Sie das keinem Verlger. Sie wären schnell als uninformierter Kulturbaunause dargestellt, der keine Ahnung vom harten Leben sich für die Sache aufopfernder Verleger hätten.

  • Kning 17. August 2014, 08:18

    Im Endeffekt haben die Verlage einen Trend verschlafen – man hätte ein eigenen Vertriebskanal etablieren müssen und ebenso eine E-Book Technologie prägen sollen.
    Aber Amazon konnte als Händler die Lücke clever schließen und so schauen die Verlage jetzt in die Röhre. JEff Bezos daraus einen Vorwurf machen zu wollen zielt zu kurz – der Mann hat einen Plan und setzt diesen sehr erfolgreich um. Am Ende schmollen jene, die eben nicht so gute Ideen haben und es schlicht verpennt haben.

  • In Dubio 20. August 2014, 22:47

    Amazon stellt die richtigen Fragen und zieht die richtigen Schlussfolgerungen: Wozu bedarf es Verlage? In einer Marktwirtschaft muss jeder ständig seine Existenz rechtfertigen. Und oft kommt man zu dem Punkt, dass etwas überflüssig geworden ist, etwas Neues aber nun gebraucht wird. Man belegt so etwas in der Biologie mit dem Wort „Evolution“, man kann auch Dynamik dazu sagen. Oder schöpferische Zerstörung, mein Lieblingsbegriff. 😉

    Amazon bietet den Autoren weit höhere Honorare als dass die Verlage tun. Der Kreative soll belohnt werden, das Verwaltende auf ein Minimum reduziert werden. Wer kann dagegen etwas haben?

  • Kirkd 27. August 2014, 08:59

    Ich stimme Dir zu, dass es verfehlt ist, Amazon einseitig als Bösewicht hinzustellen. Der Buchhandel ist schlicht nicht gewohnt, Verhandlungen mit starken Gegenspielern zu führen, wie das die Konsumgüterindustrie von Kleidung, Elektrogeräten und Nahrungsmitteln seit langem gewöhnt ist. Edeka hat eine weit größere Marktmacht als Amazon und listet regelmäßig Produkte vorübergehend aus, wenn die Verhandlungen schwierig werden.

    Ob eine Umsatzteilung nach dem Modell 35-35-30 fair ist, würde ich derart pauschal nicht sagen, nur weil annähernd Zahlen gleich sind, sind sie nicht fair. Bei Markenkleidung gliche eine Aufteilung 35-35-30 zwischen Modedesigner-Hersteller-Einzelhändler einem Akt des Wahnsinns. Zunächst ist es überhaupt nicht Amazons Sache, zu bestimmen, was Autor und was Verlag bekommt. Das wäre in der Tat eine kartellrechtswidrige Vertikalbeschränkung. Ob 30% für Amazon gerechtfertigt ist, hängt ganz wesentlich vom Kapitaleinsatz von Amazon für seine Vertriebsplattform ab, wie auch von seinen sonstigen verkaufsfördernden Tätigkeiten. Da Amazon hier erhebliche Innovationsleistungen erbracht hat, kann durchaus ein stärker Anteil gerechtfertigt sein. Dauerhaft dürfte er aber nicht zu halten sein, weil -harte Verhandlungen vorausgesetzt – Teile der mittelfristig erheblichen Kostenvorteile durch Wegfall der physischen Logistik – entweder zu Preissenkungen führen oder aber an die Verlage weitergegeben werden müssen. Ob Autoren und Verlage den gleichen Anteil am Umsatz haben sollen, hängt sehr davon ab, welche Leistungen der Verlag erbringt. Da bei digitalen Büchern der Kapitaleinsatz des Verlages für die Herstellung wie die Vorratshaltung wegfällt, spricht alles dafür, dass das Küchenstück des Verlages am Umsatz im Vergleich zum gedruckten Buch sinken muss (wahrscheinlich sogar weit stärker, als das des Händlers, der eine IT Infrastruktur erhalten und weiterentwickeln muss). Anders dürfte dies nur dann laufen, wenn die Verlage ihren Beitrag zur Absatzförderung erhöhen. Deshalb sind auch Vergleiche mit ITunes nur bedingt tauglich, denn auch dort sind die Gebührenstrukturen trotz völlig anderem Kapitaleinsatz als zu Zeiten des Vinylhandels nicht in die eigentlich zu erwartende Richtung gegangen. Eines steht jedenfalls fest: der Wertschöpfungsbeitrag der einzelnen Player in der Kulturindustrie ist seit Jahren im Umbruch. Eine feste Verteilung des Umsatzes auf die einzelnen Player nach starren Quoten ist daher nicht angezeigt, weil sie Umsatzgarantien ohne Gegenleistung bewirkt. Ob die von Amazon propagierte Quotierung fair ist, lässt sich ohne Analyse der Kostenstrukturen und Leistungen nicht beurteilen.

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