Trump und Lindner im chinesischen Umfragetief wegen häuslicher Gewalt und KSK – Vermischtes 02.07.2020


Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) US v China: is this the start of a new cold war?

The US is demanding that its allies not only admit to previous naivety but join it in an anti-China alliance. China, perhaps less overtly, is lobbying countries to to join its rival power bloc. Many countries are trying to hedge, but the scope for neutrality or non-alignment is narrowing. India, for instance, long proud of what its former national security adviser Shivshankar Menon calls its strategic autonomy, is reeling at the implications of the brutal Chinese clubbing of its soldiers in the Galwan valley, an act Menon regards as unprecedented in its scope and implications for relations between the two neighbours. Menon has long argued that India should eschew permanent alliances: “The ideal position for India, of course, is to be closer to both China and the US than they are to each other,” he says. But as the rhetoric and the threats escalate, it is becoming ever harder to navigate between China and the US in this way. It feels instead as if a new cold war is brewing, fought as much through technology and tariffs as with conventional weaponry. […] A few years ago, many thought these might be questions for later in the decade. A superpower rivalry had been brewing slowly, after all, under Barack Obama. But it took on a new urgency with the advent of the Trump administration. In the words of one of Donald Trump’s discarded advisers, Steve Bannon, “these are two systems that are incompatible. One side is going to win. The other side is going to lose.” Coronavirus, the Great Accelerator, has brought the issue to a head earlier than expected. According to Kishore Mahbubani, a fellow at the Asia Research Institute, Trump has prepared for this battle chaotically. “The fundamental problem is that the US has decided to launch a geopolitical contest against China, the world’s oldest civilisation, without first working out a comprehensive strategy on how it is going to manage this contest. It is quite shocking. These are not abstract issues for Korea and Japan. America wants them both to decouple from China, but for them that is economic suicide.” (Patrick Wintour, The Guardian)

Wir beschäftigen uns heute in den Fundstücken noch öfter mit China, daher hier erst einmal die grundsätzliche Idee der Machtblöcke in der Region. Das große strategische Problem für die USA ist, dass zwischen ihnen und China ein Ozean liegt. Auch die Nutzung ihrer örtlichen Verbündeten Japan und Südkorea sowie in geringerem Maße Australien kann kein vollwertiger Ersatz dafür sein, dass China nun einmal die beherrschende Regionalmacht ist. Peking baut diese Stellung seit vielen Jahren aggressiv aus, man denke nur an das Aufschütten künstlicher Inseln, um das Völkerrecht auf diese Weise in ihrem Sinne zu biegen.

Ich finde allerdings den Vergleich vom Kalten Krieg problematisch, denn um bei der Geographie zu bleiben: Im Kalten Krieg hatten die USA den Vorteil, dass ihre Verbündeten in Europa – vor allem Deutschland und Großbritannien – keine extensiven Handelsbeziehungen zum Ostblock hatten. Korea und Japan dagegen sind wirtschaftlich eng mit China verflochten (wie auch die EU), was die Lage der USA deutlich verkompliziert. Wir kommen später noch auf mögliche Lösungen, aber diese Schwäche der USA wirkt sich schwerwiegend auf Reaktionszeiten und -potenziale aus, vor allem in dem Maß, in dem die chinesische Marine an Stärke gewinnt.

2) Amthor vs. Steinmeier

Ich finde den Kontrast auffällig zur Reaktion auf die Weingeschenke des Rüstungslobbyisten und Waffenhändlers Ahmad El Husseini an Frank-Walter Steinmeier, die wir im vergangenen September aufdeckten. Damals meldete sich ein Politiker der Grünen zu Wort – sonst schwieg Berlin. Von unseren Recherchepartnern Stern und Frontal21 abgesehen griffen andere Medien die Geschichte nicht weiter auf. Wie ist dieser Unterschied zu erklären? Schließlich war Steinmeier zur Zeit der Weingeschenke Außenminister und genehmigte in diesem Amt Rüstungsgeschäfte, von denen der Lobbyist El Husseini wiederum profitierte. Aufgrund seines Amts steht zudem ein Verstoß gegen das Ministergesetz im Raum – Steinmeier hatte die Geschenke nicht angemeldet. Ich glaube, dass die verhaltene Reaktion auf unsere Steinmeier-Recherche drei Gründe hatte. Erstens griff die AfD die Recherche sofort auf, vermutlich dankbar für jede Ablenkung von ihrem eigenen Parteispendenskandal. Andere Parteien dürften daraufhin gezögert haben, auf den Zug aufzuspringen. Zweitens: Es fehlen Fakten. Wir dokumentierten lediglich die Bestelllisten aus dem Luxuskaufhaus KaDeWe – und haben aber Grund zur Annahme, dass die Weine im Abgeordnetenbüro von Steinmeier auch ankamen. Drittens ist Steinmeier inzwischen Bundespräsident, womit Medien durchaus eine höhere Schwelle an Kritik anlegen. Amthor hingegen ist ein aufstrebender Jungpolitiker, dem viele eine große Karriere zutrauen, der aber auch in den sozialen Medien schon vor der Affäre polarisierte und damit Aufmerksamkeit auf sich zog. Zudem liegen die Fakten über seine Nebentätigkeit durch die Recherche von Der Spiegel auf dem Tisch. (Frederik Richter, Correctiv)

Ich halte diesen Vergleich für an den Haaren herbeigezogen. Die Vorstellung, Steinmeier genehmige Rüstungsexporte, weil er ein bisschen Wein geschenkt bekommen hat, ist absurd. Rüstungsgeschäfte werden in den letzten Jahren generell sehr liberal genehmigt, das ist eine Konstante der deutschen Außenpolitik in den Merkel-Kabinetten (und keine, die man besonders positiv sehen muss). Das gilt, gleich wer die entsprechenden Schaltstellen besetzt hält. Sigmar Gabriel hält den traurigen Rekord der genehmigten Rüstungsgeschäfte mit irgendwelchen Diktaturen, aber vorherige Entscheider waren da nicht viel wählerischer.

Auch das Argument, die AfD hätte den Skandal quasi „verbrannt“, ist Quatsch. Die BAMF-Affäre wurde auch nicht kleiner, weil die AfD sie gepusht hat. Das ist einfach nur Propaganda. Punkt zwei ist der entscheidende: Es gibt keinerlei Beweise für irgendwas, nur das Raunen irgendwelcher Rechtspopulisten. Unfug wiederum ist die angeblich höhere Hürde, die beim Bundespräsidenten angelegt würde. Darf ich an Christian Wulff erinnern? Was für ein blödsinniger Artikel.

3) China and the Trans-Pacific Partnership: In or out?

With the United States on the CPTPP sidelines, a Chinese application to join the club would put other CPTPP countries in an awkward position. Most CPTPP countries would not want to say “no” to China given their dependence on the Chinese economy but also would not want to say “yes” given the likely US reaction. As Singapore Prime Minister Lee Hsien Loong wrote in a Foreign Affairs op-ed, Asia-Pacific countries do not want to choose between the United States and China; they want to cultivate good relations with both. Thus, a push by China to join the CPTPP would put a real squeeze on existing members. US allies would probably try to string out negotiations with China and escalate efforts to get the United States back in the CPTPP. US presidential candidate Joe Biden said that he would consider US participation in the TPP if the terms were revised. In fact, some of the issues that the Democrats objected to, and that led the Obama administration to delay bringing the deal to Congress, have been expunged from the revised CPTPP, including investor-state dispute settlement and data exclusivity for biologic drugs. CPTPP members may warmly welcome the return of the United States and likely would accept further changes, for example, on digital trade and labor and climate issues, to make the deal attractive to a Biden administration. If the United States rejoins the CPTPP in 2021 or 2022, American officials could block efforts to water down CPTPP standards and would have a veto on Chinese entry terms. From the US perspective, that is clearly the best policy. From the Chinese perspective, a decision by the next US administration to ignore the CPTPP would offer an opening for China to negotiate the terms of entry—and solidify Beijing’s position as the dominant economic player in Asia. (Zhiyao (Lucy) Lu, Peterson Institute for International Economics)

Es ist das Problem mit Trumps Außenpolitik, dass er zwar den richtigen Instinkt gegenüber China hat – ein potenziell schädlicher Einfluss – aber so unglaublich falsche Instinkte dabei, wie man hier am besten vorgeht, so irre wenig Sachkenntnis und dazu einen pathologischen Obama-Hass. Denn Obamas „pivot to Asia“ hatte die Herausforderung durch China bereits klar als größte außenpolitische Aufgabe der USA erkannt, und das TPP-Handelsabkommen wies eindeutig in eine vernünftige strategische Richtung. Stattdessen entkoppelte Trump sich völlig von der Region und versuchte Schutzgeld von Korea und Japan zu erpressen. Die Folge ist, dass zu der in Fundstück 1 beschriebenen geographischen Distanz zwischen Südostasien und den USA nun auch noch eine politische kommt. Mit so unberechenbaren „Partnern“ ist es sinnvoller, sich mit China gutzustellen. Genau das sehen wir gerade. Es ist ein geopolitisches Desaster.

4) What If I Told You Joe Biden Is Actually Running a Great Campaign?

For all the derision that has surrounded Biden’s generally low profile, it is the broadly correct move. Trump is and always has been deeply unpopular. He managed to overcome this handicap in 2016 because Hillary Clinton was also deeply unpopular, though somewhat less so, and turning the election into a choice allowed anti-Clinton sentiment to overpower anti-Trump sentiment. The fact that Biden has attracted less attention than Trump is not (as many Democrats have fretted) a failure. It is a strategic choice, and a broadly correct one. Second, Biden’s isn’t just hiding out. He is doing some things. He has delivered speeches, given interviews, and met with protesters. These forums have tended to display his more attractive qualities, especially his empathy. Only one of them (his Breakfast Club interview) yielded a major gaffe. And third, Biden has managed to communicate a coherent campaign theme. This is often a challenge for Democrats, who usually want to change a whole bunch of policies (health care! environment! progressive taxation!) that resist a simple unifying slogan. But Biden has been able to carry forward the message he used to start his campaign, which he built around Trump’s shocking embrace of racist supporters at Charlottesville, into a promise of healing racist divisions. Biden surely benefitted from good luck, in that he chose a theme more than a year ago that happened to anticipate the current massive social upheaval. But it wasn’t just luck to predict that Trump’s divisive racism would continue to flare up. Instead, pundits have repeatedly predicted that Trump would use Nixonian law-and-order themes to rally a silent majority against Black Lives Matter protests. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Ob Joe Biden einen großartigen Wahlkampf macht oder nicht ist die falsche Frage. Wahlkampfstrategien sind immer Wetten darauf, welche Koalitionen am Wahltag die relevanten sein werden und was ihre Wahlentscheidung motiviert. Clintons Wahlkampf 2016 setzte darauf, dass die Abneigung gegen Trump genügend republikanische Wähler in die Arme einer moderat progressiven, aber offensichtlich kompetenten Alternative treiben würde. Das stellte sich am Ende als unerfolgreich heraus. Joe Bidens Wette ist, dass Trump alle Aufmerksamkeit in negativer Weise auf sich zieht und deswegen alle Unzufriedenen ihre Wünsche auf Joe Biden projizieren können, der quasi Schrödingers Kandidat ist.

Das kann klappen oder auch nicht. Aktuell ist es eine Wette, genauso wie Trumps Strategie, die Wählerschaft so stark wie möglich mit rassistischer Identitätspolitik aufzuheizen und so an die Wahlurnen zu motivieren, eine Wette ist. Einer von beiden wird am Ende falsch liegen. Wer das sein wird, ist völlig unklar, einfach weil wir Anfang Juli haben und im November gewählt wird. Da kann noch viel passieren. Jede Analyse, die das aktuell bewerten will, ist daher ein fool’s errand. Biden hat eine Strategie, und die zieht er durch. Nicht mehr, nicht weniger.

5) Democrats are finally taking their Senate problem seriously

However, that may be changing. America is in the grips of a world-historical crisis. It will need a stupendous amount of work to even get back to the pre-coronavirus status quo, let alone address other festering disasters like police brutality, extreme inequality, climate change, and so on. It will be all but impossible to fix this country with Republicans able to jam up the wheels of government whenever they want. Thus as Ed Kilgore writes at New York, previous stalwart defenders of the filibuster, like Sen. Chris Coons (D-Del.), are beginning to change their tune. Coons, a close Biden ally, told Politico this week: „I will not stand idly by for four years and watch the Biden administration’s initiatives blocked at every turn… I am gonna try really hard to find a path forward that doesn’t require removing what’s left of the structural guardrails, but if there’s a Biden administration, it will be inheriting a mess, at home and abroad. It requires urgent and effective action.“ Meanwhile, the movement for D.C. statehood has gotten fresh momentum lately. The House is expected to pass a bill granting statehood on Friday, and while it will certainly not be passed by the Senate or signed by Trump, it could be if Biden wins, Democrats take the Senate, and they abolish the filibuster. Even moderate Democratic elites are getting behind this move. The most important consequence would obviously be to provide congressional representation for the roughly 700,000 Americans who are currently treated like quasi-colonial subjects, but of course it would also add two Senate seats that would be safely Democratic and help redress that chamber’s partisan skew somewhat. Adding Puerto Rico as a state as well (so long as its residents agree) would help even more. Democrats have often been queasy at the prospect of doing what is both morally right and helps them politically — as if it’s somehow illegitimate to enfranchise your own voters, or provide benefits for them. (Republicans, of course, think nothing of outright cheating by disenfranchising Democratic constituencies — indeed, it has become their key strategy for holding power.) But the plain fact is that the United States simply cannot afford another presidential term of do-nothing legislative gridlock. As historian Patrick Wyman writes, Trump’s smoking ruin of a presidency has compounded a generation of previous mistakes and atrocities that now have us dangerously close to a full-blown crisis of legitimacy. Other countries in similar straits have seen mass political violence, civil wars, or simply fallen to pieces. If Democrats don’t want to oversee the demise of the American republic, they better choose to govern, and fix the Senate. (Ryan Cooper, The Week)

Ich hoffe, dass sich bei den Democrats wirklich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass sie strukturell von den Republicans an die Wand gespielt worden sind. Es ist völliger Blödsinn, es als gottgegebenes Fakt anzunehmen, dass sie 5% mehr Stimmen als die GOP gewinnen müssen, nur um gleichzuziehen. Das ist schlichtweg undemokratische Verzerrung. Gleiches gilt für die lächerliche Überrepräsentation leeren Landes im Senat gegenüber den Orten, an denen tatsächlich Menschen wohnen. Allein diese wahlrechtlichen Dynamiken müssen von der Partei angegangen werden, mit einem konzisen Plan. Gleiches gilt für die Judikative. Man hat sich die im Endeffekt stehlen lassen, und es wird Zeit, dass die Democrats endlich anerkennen, dass ihre Gegner sich nicht an Regeln halten. Ständig die andere Wange hinzuhalten in der Hoffnung, die Wähler mögen es gouttieren, funktioniert offensichtlich nicht.

6) Kannste dir echt nicht ausdenken

Die Kolumne erschien nicht im luftleeren Raum. Der ganz konkrete Anlass war: rassistisch motivierte Polizeigewalt in Deutschland, relative Straffreiheit und rechtsextreme Strukturen innerhalb der Staatsorgane. Also wer betreibt hier eigentlich Identitätspolitik: staatliche Organe, die offen zugeben, racial profiling zu betreiben? Oder Linke, die darauf beharren, das zum Thema zu machen? […] Die ganz besondere Pointe an diesem Text ist, dass er den Rassismus nicht nur benennt und verarbeitet, sondern auch zum Vorschein bringt. Identität spielt in der Kolumne überhaupt keine Rolle. Es waren dann viele, viele Kritiker*innen, die das in die Diskussion eingebracht haben; mit genau dem Move, den sie selbst gleichzeitig geißeln. Satirischer als die Kolumne sind all die halbgaren Solidarisierungen, die keine sein wollen, von Leuten, die einst mit Inbrunst das französische Satireblatt »Charlie Hebdo« und die dänische Tageszeitung »Jyllands-Posten« (die 2005 die sogenannten Mohammed-Karikaturen publizierte) verteidigt haben. Sowas kannste dir echt nicht ausdenken. (Frédèric Valin, Neues Deutschland)

Ich weise immer wieder darauf hin, dass diese ganze Debatte völlig schief ist. Identitätspolitik wird von jedem und immer betrieben, aber es ist eben ein sehr erfolgreicher politischer Angriff, der seitens des konservativen und rechten Spektrums benutzt wird. Das ist auch kein Problem, das gehörte schon immer zum Repertoire. Nur wird so getan, als ob es nur eine Seite mache und es irgendwie igitt sei, was an der problematischen Vorstellung liegt, man selbst sei der Standard und stehe darüber, weswegen dann auch immer aggressiv reagiert wird, wenn man darauf hingewiesen wird.

Gleiches gilt für die Beschwörung von Meinungs- und Pressefreiheit. Noch der größte Müll aus Pegida- und AfD-Kriesen wurde als unbedingt notwendige Auseinandersetzung mit den Themen und Leuten beschworen. Aber vom Chefredakteur der Cicero über den Vorsitzenden der Werteunion, zum Innenminister, zu Ulf Poschardt, als ein beknackter Artikel der anderen Seite das Thema war, waren die vormaligen Verteidiger der Presse- und Meinungsfreiheit vor allem mit Häme, Vernichtungswünschen oder gar offener politischer Gewalt (im Falle Seehofers) zur Stelle.

7) Why almost no conservative criticism can harm Trump

But Trumpsters, in general, are not interested in qualified or contingent support. They don’t want to be told that there is a case for Trump as the lesser evil. They demand total loyalty, loud enthusiasm, a readiness to shift your own views whenever the president shifts his. Hence, I suspect, the disproportionate rage directed at the handful of politicians and commentators who, sticking to what was an almost universal conservative position before and during the 2016 primaries, keep their distance from the White House. These figures — Joe Scarborough, Jonah Goldberg, Bill Kristol, Jay Nordlinger, Mitt Romney, David French — are so few that they hardly represent a threat. If Bolton really is “a disgruntled boring old fool,“ he is hardly going to swing the November election. My hunch is that anti-Trump conservatives are the bad conscience of the wider movement, that they force others to acknowledge trade-offs that they would rather not think about. To put it another way, they are living reminders of what the Republican Party used to be until four years ago. No wonder they get so much flak. (Dan Hannan, Washington Examiner)

Ich hatte die Diskussion über diesen Artikel bereits mit Der Wächter auf Twitter, aber hier noch mal die Kurzform: Four years ago? Sorry, Leute, aber die Fäulnis in der republikanischen Partei geht wesentlich tiefer zurück als vier Jahre. Ich habe darüber ausführlich geschrieben. Das ist problematisch, weil es zu der Idee führen könnte, dass Trump die Wurzel allen Übels ist und dass man quasi nur ihn abwählen müsse, um es zu lösen. Aber das ist es nicht, und es wäre sehr gefährlich, das anzunehmen.

Auf der anderen Seite, und das war Wächters Punkt, ist es natürlich wichtig, potenzielle Verbündete nicht zu vergraulen und Konvertiten gegenüber offen zu bleiben. Das ist absolut richtig, und ich bilde mir ein, hier auch fair zu sein (siehe Frum, Nichols, Wilson et al). Aber mit Bolton sucht sich Wächter den falschen Angeklagten aus.

Nicht nur ist Bolton eine geradezu karikaturhafte Übersteigerung des Neocon, den uns gerade Trump vom Hals schaffen sollte (wenn man seinen idiotischen linken Verteidigern wie Jakob Augstein zuhört); er diente Trump auch als Sicherheitsberater und war SCHLIMMER als die wandelnde Katastrophe im Oval Office. Zudem war sein Verhalten während des Impeachment-Prozesses absolut indiskutabel. Bolton ist der falsche Mann, um hier ein solches Argument aufzumachen. Er gehört in den Orkus des Vergessens gestoßen, und die Aussicht, dass er jetzt als Bestsellerautor Millionen aus seiner Quisling-Karriere macht, bereitet mir Magenschmerzen.

Einen Schwerpunkt bei der Extremismusabwehr bildet dabei nach wie vor das KSK, wo wir weiterhin rund 20 Personen bearbeiten. Hier ist es uns gelungen, Schritt für Schritt durch stille Operationen mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Auch wenn wir mit unserer Arbeit noch nicht am Ende sind, wurden in zahlreichen Fällen personelle und disziplinare Maßnahmen ergriffen, die von der Versetzung aus dem KSK bis zur Entlassung aus der Bundeswehr reichen. Spektakulär war der Munitions-und Waffenfund bei einem KSK-Angehörigen vor einigen Wochen. Auch wenn jetzt die Strafverfolgungsbehörden am Zuge sind, ist unsere Operation nicht abgeschlossen. Vor allem interessiert uns natürlich die Frage, ob es Mitwisser oder gar Mittäter gab. Die neue Dimension des Rechtsextremismus begründet sich in der Bundeswehr aber auch daraus, dass wir gerade im KSK nicht nur von Einzelfällen ausgehen können. Eine Untergrundarmee haben wir bislang zwar nach wie vor nicht entdeckt, aber Beziehungsgeflechte – oder wenn sie so wollen Netzwerke bzw. Strukturen – mit unterschiedlicher Qualität finden wir sehr wohl. (Thomas Wiegold, Augen Geradeaus)
Wenn ich mich an die engagierte Widerrede Stefan Pietschs zu eben dieser Problematik in den vergangenen Jahren erinnere, bleibt eigentlich nur der Verdacht, dass der MAD irgendwie zu einer linksradikalen Spinnerorganisation geworden ist. Oder man erkennt halt endlich an, dass vielleicht – vielleicht – doch etwas dran ist an dem strukturellen Rechtsextremismusproblem. Inzwischen haben das ja selbst wirklich sehr bundeswehrnahe Personen eingesehen.

9) Stadt in Angst

Nach außen inszeniert sich die KP als Anhängerin von internationaler Zusammenarbeit und Multilateralismus, sogar als Freund Europas. Peking weiß, was seine europäischen Partner hören wollen. Doch spätestens seit Xi chinesischer Präsident ist, hat es Europa mit einem anderen Partner zu tun. Das neue China ist nach innen und außen aggressiv wie nie: die Masseninternierung von Muslimen in Westchina. Tibet. Die Gängelung anderer Länder, das aggressive Verhalten im Südchinesischen Meer, Drohungen Richtung Taiwan. Hinzu kommt die mangelnde Transparenz im Umgang mit dem Coronavirus. Europas Schwäche ist zum Teil eine Folge dieser Politik. Gezielt hat Peking die europäische Einheit mit seinen Staatsinvestitionen, bilateralen Deals und Dialogforen unterwandert. Peking spürt nun Gegenwind. Das ist der Grund, warum es Kritik an seinem Auftreten als „antichinesisch“ bezeichnet oder als „Kalter-Krieg-Mentalität“. Doch nicht das Ausland oder die USA sind die Treiber hinter der Entfremdung. Chinas Öffnung ist seit Jahren nicht voran gekommen. Europäische Firmen dürfen bis heute zum großen Teil nur in Bereichen investieren, in denen chinesische Firmen die Marktmacht haben oder es nichts mehr zu gewinnen gibt. Chinas digitales System ist abgeschotteter denn je. Visa werden nur noch selektiv vergeben. Peking fordert Offenheit von anderen. Selbst nimmt es sich, was es will. Verträge, internationales Recht, Regeln und Standards, das alles ist nur etwas wert, wenn es dem Regime nutzt. Der Versuch, die aufsteigende Wirtschaftsmacht einzubinden, war richtig. Er ist aber gescheitert. Es ist Zeit für eine ehrliche Bilanz. Und klare Konsequenzen. (Lea Deuber, Peking)

Und noch einmal China. Die Vorgänge in Hongkong sind beunruhigend genug, aber die Nachrichten, die aus dem abgeschirmten Westen des Landes bezüglich des Genozids an den Uiguren kommen, sind mehr als bedrückend. Die jüngste Schreckensnachricht ist, dass ganze Ladungen voll Menschenhaars aus den Konzentrationslagern an die Industrie weitergegeben werden, was aus deutscher Perspektive besonders erschütternd sein sollte. Es steht zu hoffen, dass der „Gegenwind“, von dem im Artikel gesprochen wird, mehr als ein laues Lüftchen ist.

Ich sehe allerdings nicht wirklich, wie China Einhalt zu gebieten wäre. Nicht nur seine aggressive, expansionistische Außenpolitik ist Anlass zu großer Sorge, auch der Umgang mit Minderheiten und der eigenen Bevölkerung wäre Anlass für Intervention. Aber die Machtstellung des Landes und seine herausragende wirtschaftliche Bedeutung für den Westen machen das mehr als unwahrscheinlich. Es ist äußerst deprimierend, und wahrlich keine schöne Aussicht, dass China in den nächsten beiden Dekaden rapide an Einfluss gewinnen wird. Wir werden uns noch sehnlichst die Tage des so harsch kritisierten „US-Imperialismus“ zurückwünschen…

10) Häusliche Gewalt in Berlin um 30 Prozent gestiegen

Zum Höhepunkt der Lockerungen im Juni 2020 habe die Gewaltschutzambulanz zum Beispiel einen Anstieg von 30 Prozent der Fälle im Vergleich zum Juni 2019 verzeichnet. Die Zahl der Kindesmisshandlungen sei im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Fünftel gestiegen (23 Prozent). […] Zunächst hatten die Behörden während des Lockdowns weniger Fälle registriert. Das habe aber daran gelegen, dass kaum jemand vor die Tür gegangen sei. Mit den Lockerungen seien die Fallzahlen sofort in die Höhe geschnellt. (dpa, Tagesspiegel)

In unseren Artikeln zu Corona im Frühjahr hatten Ariane und ich diese Entwicklung auch schon prophezeit. Solche Zeiten bringen das schlechteste im Menschen hervor, und da das Thema häusliche Gewalt und toxische Maskulinität ohnehin genauso wie der aktuell hervorbrechende strukturelle Rassismus zu den Themen gehört, die in Deutschland sehr ungern diskutiert werden, gab es auch kaum Problembewusstsein und noch weniger Hilfs- und Lösungsangebote.

11) Intellektuell blank

Möglicherweise liegen die Ursachen der liberalen Existenzkrise ganz woanders. Vielleicht wiegt die intellektuelle Leere, die sich rund um die FDP ausgebreitet hat, schwerer als alle politischen Versäumnisse und strategischen Fehler der vergangenen Jahre. Die besten Ideen nützen schließlich nichts, wenn sie sich nicht zu einer populären Erzählung zusammenfassen lassen. Nicht bunte Werbeslogan und auch nicht Schwarz-Weiß-Bilder mit Drei-Tage-Bart generieren Gestaltungsmacht. Wer politisch wirksam sein will, muss die Gesellschaft durchdringen. Die Grünen, der ewige Widerpart der FDP, sind nicht deshalb wesentlich erfolgreicher, weil Parteichef Robert Habeck der schönere Cover-Boy ist, sondern weil die grüne Erzählung anders als die liberale populär ist. Grüne Politik hat ein Ziel, die Energiewende zum Beispiel. Forschende diskutieren darüber, Thinktanks unterstützen das Projekt. Die Grüne Jugend mobilisiert den Protest gegen die fossile Energiegewinnung auf der Straße. Man muss die Ziele der Grünen nicht teilen, aber wer sich fragt, warum die eine Oppositionspartei in der aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach bei 18,5 Prozent steht und die andere bei 4,5 Prozent, warum die Grünen ihren Wähleranteil seit der Bundestagswahl 2017 mehr als verdoppelt haben und die FDP ihren im selben Zeitraum halbiert hat, findet hier eine Antwort. Die Grünen wollen das 21. Jahrhundert zum ökologischen Jahrhundert machen. Und was will die FDP? In diesen Tagen hat Christian Lindner der Rheinischen Post ein Interview gegeben. „Mein Ziel ist es, die FDP in Regierungsverantwortung zu führen und etwas für das Land zu bewirken“, sagt er darin. Und dann? „Mehr Chancen durch mehr Freiheit“, so ist das gerade überarbeitete Leitbild der Partei überschrieben. „Umfassende gesellschaftliche und politische Herausforderungen wie der Klimawandel, das Erstarken der politischen Ränder aber auch die Corona-Pandemie wollen wir (…) mit unseren Konzepten bewältigen“, heißt es darin und weiter: „Mit weltbester Bildung, Selbstbestimmung für Jeden und Chancen auf Vorankommen durch eigene Leistung.“ Geht es noch etwas konkreter? „Durch die Gestaltung fairer Spielregeln für Alle: In einem Rechtsstaat mit Sozialer Marktwirtschaft, starken Bürgerrechten und einem handlungsfähigen Staat.“ Wie eine liberale Idee, die angesichts der Bedrohung der Demokratie durch autoritäre politische Führer und angesichts eines außer Kontrolle geratenen globalen Kapitalismus die Massen ergreifen könnte, klingt das nicht. (Christoph Seils, ZEIT)

Ich bin immer etwas skeptisch, wenn Kritik an der FDP sich auf die Freiburger Thesen beruft; das sind mittlerweile etwas olle Kamellen. Aber die grundsätzliche Beschreibung der Problemlage der FDP ist sicherlich nicht komplett falsch, auch wenn ich denke, dass sich ihre Lage diesbezüglich nicht sonderlich von der LINKEn unterscheidet. Die Unterschiede zwischen den Umfrageergebnissen dieser Parteien können nicht ausschließlich in der linken Stammwählerschaft und ihrer Loyalität zu suchen sein.

Ich denke auch nicht, dass die FDP grundsätzlich ideenlos ist. Klar haben sie sich auf den Personenkult um Christian Lindner konzentriert, aber das war eine Strategie, die sie triumphal zurück in den Bundestag brachte. Ich halte es für schwierig, das grundsätzlich zu verdammen. Die Probleme fingen ja erst deutlich später an, um 2019 herum und seit Corona mit unverminderter Wucht. Aber die Wurzeln liegen eben schon vor Corona, denn sonst sollte die FDP nicht so tief fallen, wie sie das gerade tut.

Meine These wäre, dass die FDP eher zu viele Ideen als zu wenig hat. Lindner hat sich 2017 als Personifizierung der Modernisierung Deutschlands wählen lassen; Digitalisierung und Bildung waren seine großen Themen, dazu noch ein wenig unappettitliches Blinken nach rechts, um vielleicht ein paar enttäuschte CDU-Wähler abzufangen. Das war erfolgreich. Aber seither ist mit Bildung und Digitalisierung nicht mehr viel, was sicherlich auch darin begründet liegt, dass die Regierungsbeteiligung ausgeschlagen wurde – im Rückblick sicherlich wenigstens ein taktischer Fehler, der die Partei schwer kostet.

Aber seither ist Lindner zwar immer präsent und gegen was auch immer die Regierung gerade tut, aber sonderlich viel Konsistenz außer dem Versuch, mit maximalem Lärm die Oppositionsführerschaft zu übernehmen – angesichts der taktischen Zurückhaltung der Grünen und der praktischen Irrelevanz der LINKEn ist sie da auch nur mit der AfD in Konkurrenz, was weder Lindner und der Partei gut tut. Aber „was auch immer Merkel gerade macht, nur das Gegenteil“ ist natürlich nichts, woraus sich eine sonderlich gute Erzählung entwickeln ließe. Dazu kommt eine mangelnde Machtperspektive durch die Ablehnung von Jamaika, die Linder inzwischen ja sogar wieder zurückgenommen hat – ohne eine Erklärung, warum die Koalition 2017 falsch regieren wäre, aber 2021 nicht.

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  • derwaechter 2. Juli 2020, 20:06

    7) Stimmt. Bolton wollte ich auch gar nicht besonders verteidigen. Er ist mir allerdings immer noch lieber, als diejenigen die den Mund auch nach ihrem Abgang nicht aufmachen.

    Meine Kommentare waren unter dem Einfluss der Kampagne des Lincoln Projects geschrieben, die ich im Moment sehr geniesse. Von denen handelt der Artikel allerdings gar nicht. Das habe ich in meinem Kopf nur vermischt 🙂

    • derwaechter 2. Juli 2020, 20:15

      10) „gab es auch kaum Problembewusstsein“
      Das ist interessant. In meiner (sozialen)Medienblase und auch persönlichem Umfeld, war das Problem häufig Thema.
      Allerdings meist in Form von Besorgnis, weniger mit gangbaren Lösungsansätzen. Ausser dass man Schul- und Kindergartenöffnung hohe Priorität einräumt

      • Ariane 3. Juli 2020, 02:34

        Wie genau sollen Kindergarten/Schulöffnungen da helfen? Sind Männer dann weniger aggressiv? Es geht hier ja explizit um häusliche Gewalt (gegen Frauen und Kinder)

        Das ist ja noch etwas anderes als die allgemein belastende Schul/KiTa-Situation.

        • derwaechter 3. Juli 2020, 08:06

          Als Orte an denen Kinder sich aufhalten, anstatt zu Hause. Das Potenzial steigt ja deutlich wenn die Familien zu Hause „eingesperrt“ sind und die elterlichen Nerven blank liegen.
          Und als Orte an denen Probleme erkannt (blaue Flecken, Verhaltensauffälligkeiten, Vertrauenslehrer etc.) und gemeldet werden können.

          • Ariane 3. Juli 2020, 23:22

            Ah ok, ja das ist ein Problem. Nicht nur bei den Schulen. Eine Freundin von mir, die ist Sozialpädagogin. Mittlerweile oft Schulbegleiterin für autistische Kinder, vorher aber sowas wie die Supernanny nur ohne Fernsehen.
            Das war ja genau die Hilfe der Behörden, die haben sich auch ein bisschen wieder berappelt (aber das ist wirklich ein Problem, dass wir nicht sowas wie einen Ausnahmezustand haben)

            Und da kommt dann auch wieder der Datenschutz ins Spiel, bei so einem Problem ist es absolut tödlich, wenn eine Behörde sich sklavisch an sämtliche Formalien halten will. Alleine schon, dass wir kein Identitätsverfahren haben, das mal ohne echte Unterschrift auskommt. JEDES Mal: Bevor wir auf persönliche Treffen verzichten, müssen sie übrigens persönlich etwas unterschreiben! (das ist total lächerlich)

        • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 08:13

          Natürlich. Die Kinder 24/7 zuhause sind eine enorme Belastung, das macht durchaus Sinn.

      • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 08:11

        Das ist halt mehr Symptombekämpfung.

        • derwaechter 3. Juli 2020, 09:23

          Klar. Ist aber in einer akuten Notlage, sprich Pandemie, naheliegend.

      • Ralf 3. Juli 2020, 22:24

        Ich erinnere mich auch an unzählige Talk-Shows, wo dieses Thema wieder und wieder und wieder diskutiert wurde. Das Problem war halt, dass es während des Lockdowns mit Social Distancing-Vorschriften unmöglich war vielen praktisch zu helfen. Hotlines für Problemfälle sind in dieser Zeit z.B. intensiv beworben worden. Aber eine Hotline kann in der Praxis nicht Gewaltprobleme lösen. Ich erinnere mich an ein Interview damals mit einer Betreiberin eines Frauenhauses, die sagte, dass während der Lockdownzeit einfach keine neuen Bewohnerinnen aufgenommen werden konnten. Über echte Lösungen der Probleme ist wenig diskutiert worden, weil es schlicht keine Lösungen gab.

        • Ariane 3. Juli 2020, 23:26

          Ja, die Debatte ist irgendwie so steckengeblieben. Wie gesagt, die NGOs und Regierungsinitiativen haben echt extrem viele Werbekampagnen gefahren, auch gerade ähnlich wie Männerwelten so Programme die eher Kinder, Jugendliche und Frauen gucken.

          Nur – altes Thema – das kostet vor allem Personal und das ist nicht da und kostet vor allem Geld. Da kann man ja nicht einfach ne Studentin hinsetzen, die noch überhaupt keine Lebenserfahrung hat, das braucht ja durchaus Schulung und Ausbildung. Und da gucken alle in die Röhre. Und das Problem lässt sich auch nicht durch ne Lockerung hier und da lösen.

    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 08:08

      Ah, das erklärt das. Nein, die habe ich immer in Schutz genommen.

      • derwaechter 3. Juli 2020, 08:16

        Die haben übrigens auch einen eigenen Podcast. Gut wer hat das nicht? Aber es macht echt spaß zu zu hören. Auch wenn ich politisch nicht unbedingt mit denen auf einer Wellenlänge bin macht es doch spaß der geballten politischen Erfahrung dieser Leute zuzuhören, etwas zu lernen, und den gemeinsamen Gegner (hoffentlich) verlieren zu sehen

        • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:32

          Ich hab Wilsons erstes Buch gelesen. Das war sehr unterhaltsam. Aber ich will mich nicht mit dem Zeug überfüttern; letztlich ist es das politische Äquivalent von Junkfood.

          • derwaechter 3. Juli 2020, 12:53

            Ich fand die Analysen von Mike Madrid (was für ein Name !) in der letzen Folge ganz interessant. Im Pod wird ja wirklich inhaltlich diskutiert.
            Die Videos und Tweets vom Lincoln Project an sich sind natürlich „junk food“. Aber lecker 🙂

  • Ariane 3. Juli 2020, 03:28

    Danke für die Liste, hab da selbst noch ähm viele Tabs rumliegen, aber man kommt ja zu nichts.

    1) China/USA
    Ich würde hier auch noch Russland mit reinnehmen, das ist schon teilweise eine Art merkwürdiger Dreikampf, was die Geopolitik angeht und Russland ist so gesehen auch noch näher dran bzw genau in der Mitte zwischen NATO-Asien-USA. Eventuell müsste man die Saudis wegen der Rohstoffe auch noch als eigenen Player sehen.

    Das ist meiner Meinung nach insofern schon kein Kalter Krieg, weil das so durcheinander ist aktuell. Kommt mir vor als wären wir jetzt endgültig in so einer Übergangsphase, irgendwie gibt es die NATO und inoffiziell den Warschauer Pakt noch, aber die sind total überholt. Gestern irgendwo ne Kurzmeldung gelesen, dass sich die Franzosen (mit einem Marineschiff im Mittelmeer wohl) bedroht von den Türken fühlten! Die Serben wollen lieber Chinesen sein und Ungarn sein eigenes Großreich.

    Ist auch total unberechenbar, eigentlich kann man nur hoffen, dass das nicht total explodiert in dieser Lage. Die USA werden von einem Verrückten regiert, die EU/NATO ist mit sich selbst beschäftigt, Russland ist angeschmiert, Pandemie, Feuer, Atomunfälle (irgendwie Schweden hat erhöhte Werte festgestellt, vllt wieder irgendein Experiment), Rohstoffe kosten nichts mehr, usw.
    China hat gute Karten, weil alle Welt so abhängig von ihnen sind. Aber die haben jetzt schon wieder Peking abgeriegelt, bei Medikamenten (und wohl auch anderem Medizinzeugs) herrscht immer noch Mangel. Das ist halt auch gefährlich. Die anderen sind ja nicht blöd, nicht nur Deutschland ist aufgefallen, dass es gut wäre, Zeug selbst herzustellen und dass man wirtschaftlich unabhängiger werden sollte. Kann halt auch passieren, dass man die anderen dann gegen sich zusammenschweißt, wenn man entweder seine Pandemie nicht in den Griff bekommt oder andererseits zb Medikamente nicht oder nur an bestimmte Leute liefert (was ja ein totales Dilemma ist). Und siehe Uiguren, Hongkong, etc. Es ist China. Eine Kolonie von China zu sein, ist vielleicht gar nicht so gut (looking at you Serbien!)

    Ich denke, da wird man abwarten müssen, bis Ende des Jahres und einfach hoffen, dass 2020 nicht noch andere Katastrophen bereit hält.

    2)Amthor vs Steinmeier

    Es ist übrigens insofern völliger Blödsinn, weil bei offiziellen Staatsbesuchen diplomatische Regeln gelten. Der Wein wurde Deutschland, nicht Steinmeier geschenkt. Glaub so verderbliche Waren dürfen verbraucht werden und der Rest landet im Keller (siehe die West Wing-Episode dazu, da gibt es wirklich irgendwie komische Regeln)
    Und Wein! Das ja ähnlich bekloppt wie Wulffs Bobbycar!

    4)deswegen alle Unzufriedenen ihre Wünsche auf Joe Biden projizieren können, der quasi Schrödingers Kandidat ist.

    Sehr schön, ist ja auch die beste Strategie gerade und einfach. Reicht ja, wenn er zwischendurch mal erzählt, dass er seine Briefings liest und ne Maske trägt. Gibt es eigentlich schon nähere Informationen zur Vizepräsidentschaft? Wenn Biden schon Schrödingers Kandidat ist, wird die Vizepräsidentin vermutlich bedeutsamer denn je. Und wäre auch ein Hinweis darauf, wie integrativ das Democrats-Establishement funktioniert. Ich meine, die Favoritinnen sind Harris oder Warren? Oder nicht so?
    Hauptsache ne junge Frau, da kann am wenigsten schiefgehen! Wie alt ist Harris, die ist doch wirklich jung oder also so noch nicht im Rentenalter?

    7) Auf der anderen Seite, und das war Wächters Punkt, ist es natürlich wichtig, potenzielle Verbündete nicht zu vergraulen und Konvertiten gegenüber offen zu bleiben.

    Ja, würde hier auch das Lincoln Project vielleicht nennen. Die Frage ist für mich eher, sind es wirkliche Verbündete oder wollen sie lieber konservative Democrats. (du hattest ja mal so ein Interview verlinkt).

    Da bin ich ja streng, auch in Deutschland mit den Rechtsliberalkonservativen. (ReLiKo) Kein Problem, ich weiß dass das nicht alles Pegida- und AfD-Freunde sind.
    Aber aufräumen müssen die ihren eigenen Laden. Das ist nicht Sache der linksgrünversifften Gutmenschen. Ich bin schon genug beschäftigt, den Gabriel, Scholz oder andere Teilnehmer der Nord-SPD zu bekämpfen (ideologische Nachbarn). Ich fühle mich absolut nicht dafür verantwortlich, irgendwie nett zur FDP oder Scheuer, Amthor, Klöckner, Söder, Merz, Laschet zu sein.

    Ist nicht mein Bier, ist mir recht, wenn die sich zerlegen. Mache ich ein Häkchen und denke mir, dass Giffey, Özdemir, Roth und Esken gute Chancen haben nächstes Jahr. Wenn der Wirecard-Skandal für Scholz und Söder gefährlich werden kann, feier ich ein Fest und tanze durch meine Bude.

    Zum Ausgleich äußer ich mich auch mal lobend zum Laumann (Gesundheitsminister von NRW), Daniel Günther oder Leutheusser-Schnarrenberger. Ändert aber nichts daran, dass mein Wunsch ist, dass die Union in die Opposition geht und die FDP gemeinsam mit der AfD aus dem Parlament verschwindet. Genau wie ich denke, dass ein Erdrutschsieg der Democrats sehr gut wäre.

    10) Wir haben hier in Nienbug gerade einen unfassbar brutalen Fall. 19jährige Mutter, lebendig ertränkt richtig mafiaartig mit Steinen beschwert. Und wer hier nur verklausuliert, das H..-Wort nutzt, kann sich auf ordinäre Worte gefasst machen. Das hat einfach niemand verdient 🙁
    https://www.kreiszeitung.de/lokales/nienburg/grafschaft-hoya-ort120424/mord-leiche-polizei-balge-nienburg-weser-andrea-korzen-verbrechen-rotlicht-frau-tot-belohnung-13752611.html

    Es ist auf allen Ebenen das Problem, weil ja für Leute, die nicht wohlhabend problemlos unterwegs sind, sämtliche Infrastruktur zusammengebrochen ist und auch immer noch echt schwierig läuft. Bei den Behörden, bzw öffentlichem Dienst geht es noch am besten. Schlimmer sind private Initiativen oder so halb staatlich/privat. Das läuft ja meistens so auf Ehrenamt-Basis, und übrigens vor allem von Frauen und/oder älteren Menschen.

    Und auf der nicht wohlstandsverwahrlosten Ebene bricht so alles weg. Hier zb gibt es extreme Probleme mit Fahrdiensten und Bürgerbussen. Das sind so kleine von der Stadt unterstützte Initiativen für Kinder, Behinderte, SeniorInnen. Alle weg großtenteils. Weil das oft Rentner machen, die selbst Risikogruppe sind. Tafeln? Fast weg, läuft alles auf Notbetrieb? Obdachlose? In Hamburg wurden die gerade aus den Hotels geworfen, in denen sie sicherheitshalber wohnen durften.

    Nach Wohnblock Göttingen, Erstaufnahmelager Friedland in Göttingen: (DDR 2.0, da kamen früher die DDR-Flüchtlinge hin, heute wohl hauptsächlich Spätaussiedler) https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Friedland-Landrat-droht-mit-Aufnahme-Stopp,friedland594.html

    Das ist schon ein dramatisches Problem, auf allen Ebenen. Es gibt auch wirklich viel Solidarität und jedes Dorf/Stadt hat so Freiwilligendienste, die zb Risikogruppen oder Leuten in Quarantäne Essen bringen. In Göttingen gab es ja auch eine überwältigende Hilfsbereitschaft der Bevölkerung (was ja verrückt ist, weil das sonst eben gerne verdrängt wurde). Aber niemand kann auf allen Fronten gleichzeitig kämpfen. Die Rettungsdienste sind auch hauptsächlich Freiwilligendienste, gerade hier. Die Kommunalebene ist in Dörfern doch nichtmal hauptberuflich unterwegs. Höchstens noch der Landrat.

    Aber ich schätze das war nicht gemeint, wenn hier das Argument kam, dass die Suizidgefahr steigt. Wenns nur das wäre, dann wäre ich froh und dankbar. Diese Hilfe funktioniert nämlich noch. Die Werbekampagnen für sämtliche Notrufnummern bei Gewalt, Kindesmissbrauch, Depressionen, Suizidgedanken etc. Das war eine gute Idee!
    Aber das braucht alles Manpower ohne Ende, gerade unter Pandemiebedingungen. Wenn die Polizei und die Politik lieber kleinkriminelle Jugendliche auf ner Wiese jagt, dann ist das schon mal nicht hilfreich.

    Das ist schon ein dramatisches Problem und ich befürchte, dass es nicht besser wird, weil wir jetzt schon sehen, was für dramatische Schieflagen hier entstehen und jetzt geht es erst ans Eingemachte. Jetzt sind die einen nämlich im Sommerurlaub und die anderen sitzen aufeinander mit noch weniger Infrastruktur, während gerade die guten Arbeitsplätze wegfallen (hier Airbus zb das ist für Bremen richtig dramatisch, meine Cousine ist Luftfahrtingenieurin bei Lufthansa. Die hat genau das gemacht, was hier propagiert wurde, Ingenieurswesen studiert und zwar richtig erfolgreich und einen gutbezahlten geilen Job. Und jetzt verliert sie vielleicht ihren Job und soll noch dankbar sein, dass der Aufsichtsrat zugestimmt hat 9 Mrd vom Staat zu nehmen)

    Und wir sind nicht die USA, aber wenn es an die Jobs bzw das Vermögen der wohlhabenden Mittelschicht geht, dann ist das nicht gut für die psychische Verfassung. Weil die das nicht gewohnt sind, auf externe Hilfe angewiesen zu sein. Gehört zu toxischer Männlichkeit ja auch dazu.
    Tjoa wäre schön, wenn Selbstreinigungskräfte einsetzen, bevor es richtig knallt und ich meine damit nicht sowas wie die StuttgartRiots oder ne Statue.

    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 08:15

      1) Der wachsende Einfluss Chinas auch in Europa ist besorgniserregend.
      2) Ja, reine Nebelkerze.
      4) Nein, noch nicht.
      10) Ja.

      • Ariane 3. Juli 2020, 09:59

        1) Ich meine, da läuft ja auch viel unter der Oberfläche, aber ich hab schon das Gefühl, dass Deutschland evtl auch die ganze EU wirklich recht fahrlässig agieren. Es gibt ja durchaus auch Hinweisen, dass die Chinesen ebenfalls versuchen, per Bots Unfrieden zu stiften und dass sie durchaus an Patenten interessiert sind. Gerade so bei Luftfahrtunternehmen, Häfen, etc. sollte man schon darauf achten, dass man sich entflechtet und nicht noch weitere Baustellen aufreißt.

        Ich meine, das wurde bei der Lufthansa-Sache auch durchaus als Grund für die Aufsichtsratposten genannt. Wäre halt auch nicht gut, wenn die jetzt die ganzen angeschlagenen Aktienunternehmen aufkaufen.

        Ah interessant: Der MarcoHerack hatte vor einer Weile so eine Liste, was die Saudis shoppen. Das waren hauptsächlich amerikanische Unternehmensanteile und übrigens auch etliche Medienunternehmen dabei. Und Reiseanbieter, die sind zb bei AIDA auch eingestiegen.

        Aktuell hat man da recht wenig Handhabe, aber da sollte auch genau hingeguckt werden und zur Not sollte der Staat das wegen Sicherheitsbedenken verhindern (wurde ja schon mehrmals gemacht) und eben durchaus gucken, dass man mehr Unabhängigkeit herstellt.

    • Glaukon 3. Juli 2020, 10:08

      Gibt es eigentlich schon nähere Informationen zur Vizepräsidentschaft? Wenn Biden schon Schrödingers Kandidat ist, wird die Vizepräsidentin vermutlich bedeutsamer denn je. Und wäre auch ein Hinweis darauf, wie integrativ das Democrats-Establishement funktioniert. Ich meine, die Favoritinnen sind Harris oder Warren? Oder nicht so?

      Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und prophezeihe, dass es Amy Klobuchar wird. Ihr Ausscheiden aus den Vorwahlen zu einem für Biden günstigen Zeitpunkt war vermutlich kein kompletter Zufall. Ich gehe davon aus, dass es da die eine oder andere Absprache gab.

      Für das Establishment der Demokraten wäre sie eine fast ideale Wahl, da sie garantieren würde, dass sich mindestens für die nächsten zwölf Jahre nichts ändert. Nach Bidens Abschied hätte sie den ersten Zugriff auf die Nachfolgekandidatur und könnte wiederum als ihren Vize in aller Ruhe einen weiteren Establishment-Kandidaten aufbauen. Als Nebeneffekt würde es für AOC deutlich schwieriger, gegen eine andere (verhältnismäßig) junge Frau Akzente zu setzen.

      • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:07

        Ich lehn mich mal aus dem Fenster und sag dass sie es nicht wird. Halte Harris oder Duckworth für wahrscheinlicher. Aber letztlich ist das alles Stochern im Nebel.

      • sol1 3. Juli 2020, 13:04

        Die hat schon vor zwei Wochen verzichtet:

        „Sen. Amy Klobuchar on Thursday night removed herself from consideration to be Joe Biden’s running mate, citing the ongoing national discussion about racial injustice and police brutality to suggest the former vice president should choose a woman of color.“

        https://edition.cnn.com/2020/06/18/politics/biden-vice-president-amy-klobuchar/index.html

        • Glaukon 3. Juli 2020, 13:15

          Interessant. Hatte ich tatsächlich nicht mitbekommen. Das sind auf jeden Fall erst einmal gute Nachrichten.

        • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 13:17

          Dachte doch ich hätte da was gehört! 😀

          • Ariane 3. Juli 2020, 23:50

            Ich krieg da ja nur Schnipsel mit, aber spontan würde ich auch auf Harris tippen. Und sie ist Schwarz oder? Oder Hispanic? Auf jeden Fall etwas mit PoC und ich meine, ich fand sie in den Debatten auch gut.
            Das wäre vielleicht auch einfach ne gute Kombination.

            • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 13:29

              Sie ist Favoritin, aber was heißt das schon? Keiner weiß, nach welchen Kriterien Biden auswählen will und was für Skelette die vetting-Teams in den Kellern von KandidatInnen gefunden haben.

    • sol1 3. Juli 2020, 12:09

      „Es ist übrigens insofern völliger Blödsinn, weil bei offiziellen Staatsbesuchen diplomatische Regeln gelten. Der Wein wurde Deutschland, nicht Steinmeier geschenkt.“

      Das war kein Staatsbesuch, sondern ein Präsentkorb, den ein Waffenhändler an sein Büro im Bundestag schickte.

      https://www.stern.de/politik/deutschland/frank-walter-steinmeier-stand-auf-geschenkeliste-von-waffenhaendler-8919044.html

      Wie ich unten geschrieben habe, ist das zwar das greifbarste, aber nicht das wichtigste Detail in dieser Affäre.

  • Ariane 3. Juli 2020, 04:12

    Noch was, bei dem ich mir selbst nicht sicher bin. Aber was ich komisch finde, gerade weil hier nebenbei CNN läuft. Vielleicht konsumiere ich dafür auch die falschen Medien.

    Oder die Prävention in Deutschland war zu erfolgreich. Aber ich finde es wirklich merkwürdig, dass zwar ständig Covid Thema ist, aber immer nur abstrakt, der R-Wert, Tönnies, hier und da sind Hotspots. Und ich kann den Privatsphärenschutz auch echt verstehen, aber ist Deutschland da ein Unikum oder ist das generell? Ich meine, von allen Promis, die dieses Jahr gestorben sind, wissen wir nicht ob an normalen Krankheiten oder an Covid. Es gibt keine langen Todesanzeigen wie in Italien oder der New York Times. Keine herzergreifenden Geschichten mit alten Familienfotos von einem Paar, das Hand in Hand gestorben ist.

    Oder sowas hier:
    https://twitter.com/DrDenaGrayson/status/1278675220669386752

    Ich meine, ich will das gar nicht unbedingt sehen, ich bin da echt sensibel. Mir haben aber schon die Bilder aus Italien gereicht (die Laster vor allem), um sofort „Maßnahmen“ zu ergreifen. Aber ich glaube andererseits, dass das irgendwie nötig ist, um mal das Wesentliche wieder zu erfassen. Klar, es ist nicht so dramatisch, aber die Kranken und Toten finden auch einfach nicht statt außer in Statistiken. Die haben übrigens keine Namen! Nix mit #Saytheirnames. Ob die Verdenerinnen hier im Altenheim oder die Rumänen von Tönnies oder Spargelstecher. Überall 1 Todesfall hat stattgefunden. Vielleicht gibt es irgendwo eine Todesanzeige, aber für einen rumänischen Arbeiter?

    Wie gesagt, ich will und kann das auch nicht dauerhaft sehen. Aber ich finde das total grausam irgendwie. Offiziell sind wir auch schon bei 9.000 Toten. Vermutlich noch mehr, weil wir nicht mal ne Datenbank haben für Übersterblichkeit. Es kommt mir aber schon grausam vor, wenn wir eine Pandemie haben und das sind einfach Zahlen in Statistiken. Für andere Todesfälle hat sich ja nicht umsonst #saytheirnames durchgesetzt.

    Finde nur ich das komisch? Oder hab ich ne verzerrte Medienwahrnehmung? Ist das irgendwie ein deutsches Phänomen? Oder deutschsprachig?

    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 08:16

      Diese Datenschutzfixierung ist was Deutsches.

      • derwaechter 3. Juli 2020, 09:30

        In Deutschland vielleicht sehr ausgeprägt aber nicht einzigartig. Fast immer wenn die Rede von typisch Deutsch ist, ist das Gegenbeispiel nicht weit 🙂

        „One of the first national coronavirus contacts-tracing apps to be launched in Europe is being suspended in Norway after the country’s data protection authority raised concerns that the software, called “Smittestopp,” poses a disproportionate threat to user privacy — including by continuously uploading people’s location.“

        https://techcrunch.com/2020/06/15/norway-pulls-its-coronavirus-contacts-tracing-app-after-privacy-watchdogs-warning

        Oder hier:

        Aarogya Setu stores location data and requires constant access to the phone’s Bluetooth which, experts say, makes it invasive from a security and privacy viewpoint.

        https://www.bbc.com/news/world-asia-india-52659520

        • Ariane 3. Juli 2020, 09:51

          Ja, aber darum ging es mir ja nicht. Sondern dass nichts bekannt wird, nicht mal die Namen der Toten. Wenn das die Angehörigen ablehnen, kann ich das vollauf verstehen.

          Aber in den USA oder auch in Italien, vielleicht auch in anderen Ländern, ich meine aus Großbritannien hab ich auch was dazu gesehen/gelesen. Da bleibt das nicht so abstrakt. Da zeigt ein Angehöriger Familienfotos und seine Verwandten sind Hand in Hand an Covid gestorben.

          Wie gesagt, oder mein Link. Das sieht man hier in Deutschland nicht, klar die Situation ist nicht so drastisch, aber sterben tun Menschen doch. Und zwar sehr anonym und unter der Wahrnehmungsschwelle für alle, die nicht direkt betroffen sind.

          Mir ist es so aufgefallen, weil immer wieder Aktionen in Gedenken an Hanau gerade ablaufen, von der Stadt, von den Angehörigen da gab es wohl eine Art Podiumsdiskussion, hier auch nochmal ein Spiegel-Video: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/hanau-anschlag-wut-und-trauer-bei-angehoerigen-und-ueberlebenden-a-67af0957-de29-4ef5-955e-ee9891a21dad

          Ich meine klar, das Thema Rassismus, Rechtsterror usw ist nicht so neu, aber da läuft es eben sehr anders.

          Kann auch durchaus meine persönliche Sensibilität sein, aber ich finde es ist irgendwie eine besondere Art von Grausamkeit, wenn hier Gastarbeiter aus Rumänien oder Bulgarien Spargel stechen oder Fleisch zerlegen und außer 2 Todesfälle erfährt man nichts. Das ist ja nicht ihr Heimatland, die Angehörigen sind ja in Rumänien oder Bulgarien. Ist ja schlimm genug, dass die sich hier Covid holen und sterben. Aber ich sag mal: mein Vertrauen ist nicht gerade groß, dass die nicht einfach in einem anonymen Armengrab auf dem nächstgelegenen Friedhof beerdigt werden und vermutlich nicht mal jemand die Daten der Angehörigen hat.

          Aber hauptsache die Leute aus Guetersloh werden bitte nicht stigmatisiert und an ihrem Sommerurlaub gehindert. Ich finde diese Diskrepanz einfach sehr schwer auszuhalten.

          • derwaechter 3. Juli 2020, 10:34

            Verstehe. Ist mir gar nicht aufgefallen. Bei anderen Todesfällen oder Unglücken sind unsere Lieblingszeitungen, allen voran die Bild, ja nicht gerade zimperlich Opfer und ihre Bilder in die Öffentlichkeit zu zehren. Das berühmte Witwenschütteln.

            • Ariane 4. Juli 2020, 00:07

              Ja, ich hatte gestern erst Illner gesehen, weil Schwesig und Jagoda Marinic dabei waren: https://www.fr.de/kultur/tv-kino/maybrit-illner-tv-zdf-corona-markus-soeder-umkurvt-brisante-themen-zr-90006834.html

              Und das war schon irgendwie schief, ich meine gerade die Jagoda (kommt aus Kroatien) erwähnt ein ums andere Mal die Situation der Rumänen und der armen Menschen.

              Und jedes Mal dann wieder zurück zu „die Gütersloher werden aus MV geworfen und stigmatisiert und ist unser Schnitzel noch sicher“ Also es gibt ja „traurige“ Geschichten, nur nicht über Covid-Erkrankte oder gar Verstorbene.

              Und direkt danach war ich auf CNN und da lief so ein Interview über ein Pärchen das gestorben ist, mit einem Angehörigen.

              Also der Kontrast ist schon krass. Wie gesagt auch mit Hanau, da ist ständig was mit Gedenken und ein Graffiti und ein Gedenkstein und irgendjemand der Hinterbliebenen ist immer als Vertreter dabei.

              Es ist so gesehen ja nicht neu, Alter, Krankheit, Sterben ist stark tabuisiert in Deutschland – woanders vielleicht auch – auch völlig verständlich, keiner denkt da den ganzen Tag dran und will das auch nicht. Aber das gehört ja genauso zum Leben wie der Sommerurlaub. Siehe Schwesig, die ja mit ihrer Krankheit sehr offen umgegangen ist – bewusst! – und übrigens jetzt eine tolle Frisur hat. Aber es ist schon auffällig finde ich.

        • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:04

          Ich sage ja auch nicht dass es einzigartig sei, aber danke für den Kontext!

  • sol1 3. Juli 2020, 12:03

    2) Ich habe mir jetzt mal die Original-Geschichte angeschaut:

    https://correctiv.org/top-stories/2019/09/24/die-weine-des-waffenhaendlers%E2%80%8B/

    Das Weinpräsent ist da tatsächlich nicht das interessanteste Detail, aber das greifbarste. Wenn zig Millionen im Rahmen von Waffengeschäften verschoben werden, dann ist das zwar höchst brisant, aber für alle außer einen kleinen Gruppe von Nerds schwer nachvollziehbar. Ein halbes Dutzend Flaschen Wein, von denen jede mehr als 200 Euro kostet, ist im Vergleich Kleinkram, aber jeder, der selbst irgendwelchen Compliance-Vorschriften unterliegt, kann mit dieser Enthüllung etwas anfangen.

    „Christian Wulff wurde am Ende freigesprochen. Für ihn sprach, dass er offenbar nicht gemerkt hatte, dass ihm sein Gönner ein Upgrade im Hotel bezahlt hatte. Und der war ein harmloser Filmproduzent – kein Waffenhändler aus Abu Dhabi.“

    https://www.stern.de/politik/deutschland/frank-walter-steinmeier–die-lahmen-ausreden-wegen-der-praesentkoerbe-8925418.html

    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 13:16

      Die ganze Chose war bei Christian Wulff völlig lächerlich und sie ist es auch bei Steinmeier.

    • Ariane 4. Juli 2020, 00:17

      Ich halte das auch für eine Nebelkerze, erst recht solange Schäuble immer noch im Amt ist, obwohl er mit zwei Geldkoffern von nem Waffenhändler durch die Gegend lief. Da braucht keiner mit Wein für Steinmeier ankommen.

      Ich mein sorry, aber SIG Sauer aus Eckernförde ist endgültig Geschichte jetzt und Heckler & Koch ist auch noch nicht fertig ermittelt, beide wegen Waffenschmuggel Kolumbien und Mexiko. Wer meint, die Unternehmen kommen da mit paar Flaschen zu nem dicken Auftrag verschätzt sich leider.

      Das meiste läuft da sowieso über Wirtschaftshilfe für die Deutschland AG, das sind ja alles halbstaatliche Unternehmen. Also ein paar Flaschen sind da echt nicht das Problem.

      • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 13:32

        Die Sünde des einen rechtfertigt nicht die des anderen, aber stimme dir bezüglich Nebelkerze zu.

        • Ariane 4. Juli 2020, 15:19

          Ja, ging mir auch eher darum, dass sowas wie einige Weinflaschen oder ein Bobbycar a) jetzt echt keine Korruption sind und b) vermutlich gar nicht bemerkt werden.

          Mal abgesehen davon, dass es ja ein Akt der Höflichkeit ist, Geschenke zu vergeben und anzunehmen, bekommen Außenminister und äh Ministerpräsidenten (war Wulff damals) soviele Gefälligkeiten hinterhergeworfen und haben ja auch soviel zu tun, dass da keiner mehr den Überblick behalten kann.

          Was so wie bei Schäuble oder auch Amthor dann doch was anderes ist. Koffer voller Bargeld oder moderne Gehaltsschecks bekommt man nicht als Höflichkeitsgeste überreicht. Da kann Gabriel noch so oft erzählen, dass das ja nur für normale Leute viel Geld ist.

  • Ariane 4. Juli 2020, 00:37

    Ach zu 11 noch) FDP

    Naja, finde ein Großteil des Artikels ist ein bisschen Quark. Ein bisschen überanalysiert irgendwie.

    Digitalisierung und Bildung waren seine großen Themen, dazu noch ein wenig unappettitliches Blinken nach rechts, um vielleicht ein paar enttäuschte CDU-Wähler abzufangen. Das war erfolgreich.

    Ich glaube das Problem ist ein bisschen anders gelagert, die FDP ist einfach durch den Populismus und das klare Ranwanzen an die Union oder die AfD (oder meinetwegen Werte-Union) absolut nicht modern.
    Das widerspricht diesem Image von den hippen wohlhabenden Apple-Fans und Startup-Digitalisierern.

    Da kann man nicht nebenbei Luisa Neubauer fertigmachen und wieder zur Schule schicken und einen auf Klimawandel-Leugner machen. Da kann man nicht gegen die EU und andere Nationalitäten sein. Da kann man schlecht Themen wie Sexismus, Rassismus, LGBT (das funktioniert noch ganz gut) bekämpfen.

    Das kann die Union machen, auch die AfD, weil die von alten weißen Männern gewählt wird. Aber die jungen weißen hippen Männer sind anders drauf – von den Frauen ganz zu schweigen. Die sind kosmopolitisch, so wie Sassestefan und ich (und Dennis, aber der passt jetzt vom Alter nicht) die haben Freunde im Ausland, die kennen LGBT-Menschen, die wissen, dass es Rassismus und Sexismus gibt und interessieren sich für nachhaltige Ideen. Gerade die wohlhabende reiche Schicht.

    Das ist ne verfehlte Marktanalyse meiner Meinung nach. Gerade weil sie sich ständig in Opposition zu den Grünen stellen, dadurch haben sie denen das ganze Bürgerrechtsthema überlassen. Emanzipation und Bürgerrecht ist sehr liberal und die FDP versucht ne junge AfD zu sein quasi. Die hippe Version. Brutal schlecht, wenn man an Kemmerich denkt.

    Die gehen da schon so ein bisschen in die libertär-extreme Richtung, um das mal mit den USA zu vergleichen. Das verfängt hier aber nicht in der Masse. Irgendwo gab es so eine Umfrage über junge WählerInnen, die Grünen hatten so dermaßen viel Vorsprung, unfassbar. Glaub 42% dann CDU mit 12 und SPD mit 9 – dann der Rest. Die haben auch wenig Frauen, schon gar keine die in der Öffentlichkeit auftauchen, mir fällt kein einziger mit Migrationshintergrund ein und Lindner und Kubicki machen einen auf Macho mit ähm Trottel-Faktor (sorry, mir fällt nichts Nettes dazu ein). Aber genauso sieht ihre Wählerschaft auch aus, die werden von ein paar wohlstandsverwahrlosten weißen Männern gewählt und da kommt man nicht auf über 5%

    Und Bildung und Digitalisierung kostet Geld, ne Menge. Und das will die FDP dann auch wieder nicht ausgeben, das ist dann ja schon mal schlecht.
    Ist schade, weil man in SH echt sieht, wie gut Jamaika funktioniert. Und zwar eben auf vielen Ebenen, moderne Digitalisierung, der Untersuchungsausschuss zum Aufräumen, die Pandemiebekämpfung.

    Da ist auch nicht alles super, aber es ist tragisch, weil es ja echt gut funktioniert. Und lustigerweise die FDP-Leute aus SH kennt niemand, seit der Kubicki nach Berlin ging. Der Günther, Habeck, die Priem die haben die Aufmerksamkeit echt gut genutzt, die haben Merkelsche Zustimmungswerte.

    Oh a propos, jetzt wo Drosten im Urlaub ist, es gibt einen Merkel-Trend 😀
    https://www.jetzt.de/musik/merkelwave-lo-fi-musik-gegen-die-krise

    • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 13:33

      Ja, vermutlich nicht falsch. Nur erklärt es nicht, warum die FDP 2017 so stark war und jetzt abstürzt.

      • TBeermann 4. Juli 2020, 14:26

        Ich würde vor allem auf eine Unzufriedenheit mit der Union tippen, von der die FDP damals profitiert hat.

        • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 19:03

          Wenn das korrekt ist – was durchaus möglich ist! – wäre das eine echt schlechte Nachricht für die FDP. Protestwähler sind kein gutes Wählerpotenzial, vor allem dann, wenn man als Ziel hat mehr als eine Protestpartei zu sein. Sobald das mal eingerissen ist, bist du zum Regieren quasi untauglich. Wir haben aber schon die AfD als 8-10%-Wählerblock, der für die Regierungsfindung verloren ist. Je nachdem, wie der Machtkampf in der LINKEn läuft, sieht es da nicht besser aus. Wenn die FDP auch in das Lager gehört, haben wir eine Zukunft, in der nur SPD, CDU und Grüne regierungsfähig sind.

          • Ariane 5. Juli 2020, 11:41

            Sie machen sich eigentlich total von der Entwicklung der CDU abhängig. Wenn die einen Backlash machen mit Merz oder auch Laschet passt es wieder. Die breitbeinige-Macho-Koalition. Also Richtung Boris Johnson (da würden Laschet und Lindner echt gut passen) – Merz ist ja eher Trumps zweite Reihe. Weniger Slapstick, dafür gar nicht erst der Versuch irgendwie nett zu wirken.

            Aber wenn die CDU auch ohne Merkel eine Merkel-CDU bleibt, zb mit Söder in Kombination mit der SH-CDU. Oder meinetwegen Röttgen. Oder: neulich schon überlegt, die sagen das einfach alles wieder ab und bleiben bei AKK. Die hätte nur einen Monat länger machen müssen, super mieses Timing.

            Und dann ist die FDP raus. Dann bleibt nur die AfD, weil die Merkelnachfolger-CDU bestimmt nichts mit der FDP anfangen kann, die passen zu den Grünen oder halt der SPD.

            Aber freie Fahrt für freie Raser und sonst alles doof – also echt mal. Das kann der Scheuer machen, und der ist glaub ich nur noch im Amt, weil nächstes Jahr eh gewählt ist und Merkel alles egal ist.

      • Ariane 4. Juli 2020, 15:29

        Schrödingers FDP damals (und sie waren da auch noch nicht auf so einem rechtspopulistischem Dampfer, kann mich aus dem Wahlkampf nur erinnern, dass Lindner sehr Russlandfreundlich auftrat).

        Sie waren weder im Bundesparlament und auch aus vielen anderen Parlamenten geflogen, liefen also sehr unter der Oberfläche. Nach dem Gurkentruppe-Desaster. Ich glaub, viele haben an diese Runderneuerung geglaubt und die Alternativen waren für „bürgerliche“ auch rar. Zumindest wenn man die Grünen nicht mag. Und in den Koalitionsverhandlungen hat sich gezeigt, dass die FDP da nicht reinpasst, CSU und Grüne hatten ja eigentlich schon alles unter Dach und Fach.

        Vielleicht hätten sie da schon direkt nochmal wechseln sollen, Lindner und Kubicki (war sonst noch jemand dabei, den man kennt von der FDP eigentlich) wirken seitdem wie beleidigte Leberwürste, die nur noch das Ziel haben, gegen Merkel und die Grünen zu kämpfen. Während die Union und die Grünen die Schultern gezuckt haben und weiter vor sich hin regieren oder eben (Grüne) jetzt auf die nächste Gelegenheit hoffen. Während die FDP seit 2017 erzählt, dass Merkel und die Grünen doof sind – übrigens. Und nebenbei als Winzpartei Staatskrisen auslöst oder schlecht regiert (glaub NRW ist auch ihre einzige Regierungsverantwortung neben SH?)

        Also man kann ja von der Lindner-FDP einiges sagen, aber unter der Oberfläche läuft das auf jeden Fall nicht, insofern finde ich die 4,5% mal echt noch gut. SO doof ist ja nicht mal die SPD, obwohl die sich immer soviel Mühe geben (und mehr Möglichkeiten haben, weil die soviel regieren)

      • Stefan Pietsch 4. Juli 2020, 17:21

        Wenn Du Dir die Sympathiewerte der Partei ansiehst, liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Rund 16% sympathisieren mit der FDP als erste oder zweite Wahl. Derzeit underperformen die Liberalen, was sich an zwei Punkten festmachen lässt: Dem Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlungen und das Desaster von Erfurt. Parteigänger der FDP wollen in ihre Farben in Verantwortung sehen und sie haben mit bräunlichen Farben nichts am Hut.

        Hinzu kommt, dass die Union Sympathiepluspunkte einheimst. Aber im Konrad-Adenauer-Haus ist man klug genug zu wissen, dass Werte von 40% nicht real sind. Wahlen werden diesen Vorsprung, erst recht ohne die souverän agierende Kanzlerin, stark gegen 30% schrumpfen lassen. Und diese Abgänge werden sich verteilen müssen. Einen Tipp wage ich: SPD und LINKE werden nicht Nutznießer sein.

        • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 19:09

          Würde ich grundsätzlich auch davon ausgehen, wenngleich das mehr Bauchgefühl ist.

          • Stefan Pietsch 4. Juli 2020, 19:50

            Ich schaue mir detaillierte demoskopische Erhebungen an und bin bei Civey registriert. Während die Prozentwerte der FDP in den letzten Wochen zurückgegangen sind, ist die Zahl jener, welche die Liberalen eigentlich als ihre erste Wahl sehen höher gegangen. Das unter normalen Umständen erreichbare Spektrum liegt bei 8-11 Prozent. Darunter ist mies, darüber sehr gut. Ansonsten muss sich die Partei neue Wählerschichten suchen, die sind aber ja nicht in ein paar Tagen zu finden.

            Von daher geben die Umfragewerte auch ein Zwischenzeugnis über die Parteiführung.

  • CitizenK 4. Juli 2020, 13:55

    @ Stafan Sasse

    Warum sind Sozial-liberale Gedanken für die „olle Kamellen“?
    Lindner ist erkennbar ein Auslaufmodell, Teuteberg macht vielleicht schon den Anfang.

    Ein Blick nach Kanada und Neuseeland würde sich lohnen.

    • TBeermann 4. Juli 2020, 14:27

      Was für Anzeichen gäbe es denn für einen Paradigmenwechsel in der FDP?

      • CitizenK 4. Juli 2020, 16:45

        https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Vogel_(Politiker)
        Immerhin nicht ganz auf Lindner/Kubicki-Linie. Man wird ja bescheiden.

        Vielleicht erinnert sich nach dem Abgang der derzeitigen Parteispitze der eine oder andere an den Namensgeber der parteieigenen Stiftung:

        „Einigung der Liberalen und Zusammenhang zwischen Liberalismus und Sozialdemokratie sind gedacht als ein inhaltvolles langes Programm für weite Fristen hinaus und zwar so gedacht, daß der Liberalismus einig sein muß, damit er im Stande ist, der deutschen Arbeiterbewegung, die heute sozialdemokratisch ist, einen Rückhalt zu geben.“[

        • Stefan Pietsch 4. Juli 2020, 19:54

          Ich habe immer wieder den Eindruck, jene, welche die FDP ohnehin weder wählen noch ihr nahestehen oder nur als zweite Wahl betrachten, wünschen sich eine liberale Partei, die ungefähr die gleichen politischen Positionen vertritt wie der konservative Teil der Grünen, die mittige SPD und der linke Teil der CDU. Gegenfrage: welche (zusätzlichen) Wählerschichten sollten mit einer solchen Positionierung angesprochen werden, die nicht schon heute ein reichhaltiges Parteienangebot haben?

          • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 21:00

            Ja, das verstehe ich auch nicht. Ich denke das ist ja gerade das Dilemma der Partei.

            • Ariane 5. Juli 2020, 12:18

              Eigentlich wären sie (mit der konservativen SPD) prädestiniert für eine Macron-Lösung.

              Die Grünen haben ein ähnliches Problem und ja, die brauchen Leute, die gegen ihre Interessen stimmen, die werden eher von wohlhabenden gewählt.

              Eine liberale Partei, die das Soziale abstreift, aber modern ist und zb pro-EU, pro Bürgerrechte ist, wäre schon eine Leerstelle. Nur wäre das halt im Widerstreit zur Union und AfD, die FDP ist in ne ganz andere Richtung unterwegs.

              Für Progressive gibt es gerade nur die Grünen, weil alle anderen in der Vergangenheit feststecken. Was für die FDP halt mal echt am schlimmsten ist, weil die das hippe junge Image wollen.

              Selbst die SPD 2. Reihe kommt da langsam ran. Ist mir neulich bei Lauterbach aufgefallen, die haben witzigerweise echt irgendwo bessere Berater gefunden. Hätte keiner mitbekommen, aber dann kam ja die Pandemiechaosapokalypse (ebenfalls mieses Timing, jetzt würde er mit fliegenden Fahnen gewinnen)

              Das Video hatte ich neulich gefunden, er war wohl bei der heute-Show. Und es ist wirklich witzig! Und da wird er auch zu seinem Look gefragt.
              https://www.youtube.com/watch?v=hU_sRnXa37c

              Und sowas sehen mittlerweile mehr Menschen als den ganzen Abend ZDF (und SO dumm sind selbst die nicht, dass sie nicht merken, dass Lauterbach logischere Sachen sagt als Laschet und Kubicki die jammern, dass das zu virologisch gedacht ist).

              Vielleicht macht Lindner das ja auch, aber spontan hab ich nur dieses Video von ihm im Kopf wo er im Fond einer Limousine sitzt und was von Leistungsträgern erzählt (oder so, es wirkt auf jeden Fall wie „sollen sie Kuchen essen“, vermutlich hat er dem Fahrer noch gesagt er soll bitte 200kmh fahren)

              Also so eine moderne liberale Partei ohne ständigen Chauvinismus a la „die 50er waren geil!“ und mit wenig Sinn für Soziales hätte glaub ich eine Wählerbasis. Das existiert aber gerade nicht, weil nur die Grünen modern sind und wenn es Schwarz/Grün wird, müssen sich alle anderen was überlegen. (bzw die CDU ist ja genauso zerrissen, die Grünen wirken einfach gerade erwachsen und stimmig und da haben sie ihr Alleinstellungs-Merkmal)

          • CitizenK 5. Juli 2020, 09:54

            Jene „mittige SPD“ ist weder genug liberal noch genug ökologisch. Die Sozialdemokratie sollte mit sich und ihrer Führung ins Reine kommen und von einer ebenfalls erneuerten FDP (mit einem „ganzheitlichen Liberalismus, der auch soziale Fragen in den Blick nimmt“ – Johannes Vogel) und den mittlerweile pragmatischen Grünen in diese Richtung gezogen werden.

            Eine solche Ampel-Koalition könnte mMn die Zukunftsfragen eher bewältigen als eine Nach-Merkel-CDU. Die dann auch sehr wahrscheinlich Wähler abgeben wird.

            So gesehen ist die FDP nicht „zweite Wahl“, sondern hat ihre Aufgabe in einem Gesamtkonzept. Dann kommt sie auch wieder auf ihre angestammten 7 – 10 Prozent.

            • Stefan Pietsch 5. Juli 2020, 12:04

              Haben wir denn ernsthaft zu wenig Parteien, welche die soziale Fragen in den Blick nehmen? Neben den Grünen haben die Liberalen die im Schnitt einkommenstärkste Wählerschaft. Und für beide ist das Soziale weitgehend nur relevant, so es das eigene Wohlfühlen betrifft. Als Großstadtpartei fordern die Ökos alles, was Menschen in besseren Wohnvierteln in einer Großstadt glücklich macht. Das ist nicht zwingend das, was Abgehängten wirklich hilft.

              Die FDP erzielte ihr Rekordergebnis, als sie gegen eine große Sozialkoalition, die gerade Rentensenkungen für alle Zeiten abgeschafft hatte, für deutliche Steuersenkungen und Bürokratieabbau stritt. 2017 war sie erfolgreich, als sie Digitalisierung und Bildung auf dem Schild hatte – Themen jüngerer Menschen. Das kommt nicht von ungefähr: Seit der Jahrtausendwende sind die Liberalen neben den Grünen ein Anziehungspunkt für politisch interessierte Menschen unter 40.

              Es gibt derzeit nur eine Partei, die in den Augen der Bevölkerung als kanzlerfähig betrachtet wird und das ist die Union. Das sollten relevante politische Überlegungen nicht außer Acht lassen. Hinzu kommt, dass die SPD wild entschlossen ist, die linke Utopie mit aller verbliebenen Kraft zu probieren.

              Die FDP hat gegenüber der sozialliberalen Zeit und der Kohl-Ära als Korrektiv sowohl ihre Ergebnisse als auch ihre Anhängerschaft ausgeweitet. Ich würde nicht so weit gehen, die aus geschickte politische Positionierung zurückzuführen. Die stärkere Individualisierung mit gestiegener Bildung (und Erwartungshaltung) hat dazu geführt, dass sich eben mehr Individualisten mit gehobenen Einkommen herausgebildet haben. Ich habe lange auf eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut TNS Infratest Sozialforschung verwiesen, die von 2006 stammt. Leider habe ich nichts Aktuelles gefunden.

              Die Forscher haben die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen kategorisiert. Die „Leistungsindividualisten“ bilden danach etwa elf Prozent der Bevölkerung. Sie sind hoch gebildet und optimistisch, haben gute Jobs und großes Zutrauen in die eigene Kompetenz. Oftmals sind sie Aufsteiger. Dazu bestehen Schnittmengen zu den „etablierten Bildungsträgern“ (15%). Es sind solche Auswertungen, womit ich die Positionierung wie die Ergebnisse der Liberalen begründe. Und ich denke, diese Segmente haben sich eher noch stärker herausgebildet.
              https://www.faz.net/aktuell/politik/gesellschaftsstudie-prekariat-statt-unterschicht-1385650.html
              https://assets02.nrwspd.net/docs/doc_12587_20061220185246.pdf

              In dieser Form bin ich typischer FDP-Wähler, ich gehöre zur Kerngruppe. Und Christian Lindner steht als ehemaliger Start-up-Unternehmer wie kein anderer für die Hauptzielgruppe.

              • Ariane 5. Juli 2020, 12:30

                Die meisten Leistungsindividualisten wählen aber dummerweise die Grünen. Weil die sozusagen die internationale, moderne Elite sind.

                Und andere Start-Up-Unternehmer (also äh nicht Wirecard-Leute) wissen, dass Leute in anderen Nationen nicht schlechter sind, dass Frauen gerade Nachteile haben, dass die Hautfarbe und der Glaube keine Rolle spielen. Dass wir neue Lösungen für eine Work-Life-Balance brauchen.

                Gerade jetzt die vormals erfolgreichen Selbständigen (außer Apotheker und Anwälte) stehen nämlich vor der Insolvenz und brauchen HartzIV und eine Schuldnerberatung. Kann ja nicht jeder nach der Pleite ne kleine Partei in Nöten übernehmen.

                • Stefan Pietsch 5. Juli 2020, 12:49

                  Nein, tun sie nicht. Es sind eher die „kritischen Bildungseliten“, offensichtlich hast Du nicht einen Blick in die Links riskiert.

                  Zitat für jene, die so ungern lesen:
                  Die Kritischen Bildungseliten (9%) stellen die politisch am weitesten links stehende, jüngste und
                  zugleich qualifizierteste Gruppe dar. Die Kritischen Bildungseliten haben den höchsten Anteil partei- und gesellschaftspolitisch Aktiver. Über vier Fünftel von ihnen wählen eine der drei linken Parteien,
                  die gegenwärtig im Deutschen Bundestag vertreten sind

                  Des weiteren:
                  Das Engagierte Bürgertum (10%) ist ein weiteres, wenn auch stärker bürgerliches rot-grünes Kernmilieu. Frauen sowie qualifizierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie sozio-kulturelle Berufe
                  sind stark überdurchschnittlich vertreten. Von allen Typen wird die SPD vom Engagierten Bürgertum
                  am besten bewertet.

                  Häme, Spott und Ironie sind schlechte Ansätze für eine seriöse Debatte.

                  • Ariane 5. Juli 2020, 13:05

                    Verzeih, ich wusste nicht, dass du noch schmollst.

                    • Stefan Pietsch 5. Juli 2020, 13:21

                      Erstens, ich messe jemanden daran, ob er sich an die Regeln hält, die er selbst aufstellt.

                      Zweitens, wer etwas mit ziemlich viel Verve gegen den Willen anderer durchgesetzt hat, sollte transparent damit umgehen, wenn er den Kurs ändern will.

                    • Ariane 5. Juli 2020, 23:21

                      Zweitens, wer etwas mit ziemlich viel Verve gegen den Willen anderer durchgesetzt hat, sollte transparent damit umgehen, wenn er den Kurs ändern will.
                      Korrektur: Nicht gegen den Willen anderer. Gegen deinen Willen, den du zum Gesetz erklärt hast.

                      Ich bestimme die Diskursregeln hier nicht, nur wie mit mir geredet wird, bestimme ich höchstpersönlich.

                    • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 00:40

                      Du hast mich wie auch Erwin Gabriel mehrmals aufgefordert, Dich zu ignorieren. Was logischerweise dann auch umgekehrt gilt. Das war nicht mein Wunsch. Ich nehme nur andere Menschen ernst. Warum Du den Wunsch geäußert hast, ist mir ehrlich gesagt total egal. Und bitte, respektiere Du das. Ich möchte niemals (!) den Launen eines anderen Menschen ausgeliefert sein. Das ist noch nicht einmal bei meiner Frau so und die hat einen ziemlich hohen Status.

                      Also, bitte respektiere die von Dir aufgestellten Regeln. Andernfalls teile veränderte Wünsche mit ohne „Wenn dann“-Konstellation. Das sollte einfach sein. Dann kann ich überlegen, ob ich eine Änderung der Regeln akzeptiere. So oder so, ich bitte Dich, auch meine Regeln zu respektieren.

                    • Ariane 6. Juli 2020, 01:08

                      Wie ich schon sagte. Entschuldige bitte. Es ist in dieser Baumstruktur nicht immer einfach, darauf zu achten, auf wen man gerade antwortet.
                      Es war übrigens auch nicht mein Wunsch, Erwin Gabriel und ich diskutieren ja durchaus noch miteinander.

                  • CitizenK 5. Juli 2020, 14:19

                    Kann man das einfach so fortschreiben? Möglicherweise führt die Corona-Krise zu Verschiebungen. Mancher „Leistungsindivualist“ hat erfahren, dass auch er in Situationen kommen kann, in denen er auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen ist. Das soziale Netz sieht er jetzt vielleicht auch nicht mehr als nur als Hängematte für Versager und Faulpelze?

                    • Stefan Pietsch 5. Juli 2020, 15:00

                      Das weiß ich nicht, weshalb ich immer wieder schaue, ob es neuere sozio-ökonomische Erhebungen gibt. Unzweifelhaft ist jedoch für mich, dass die Gesellschaft seit 2006 nicht homogener geworden ist. Und nach meiner Ansicht sind wir sehr früh durch Erziehung und später durch Erfahrungen geprägt. Klar. Aber:

                      Es gab aus objektiver Sicht in dieser Legislatur drei Kardinalfehler der FDP: Ausstieg aus Jamaika, das Wahldesaster von Erfurt und das Verprellen junger Menschen durch den Verweis, Klimapolitik sollte Profis überantwortet werden.

                      Ich bin mit zwei dieser drei Vorgehensweisen konform gegangen. Ich habe die Aufkündigung der Sondierungsverhandlungen für richtig angesehen. Auch ist Klimapolitik sehr komplex und Lösungen nicht einfach. Dass eine 5%-Partei glaubt, ohne Koalitionsvereinbarungen ein Land führen zu können, lässt sich dagegen nur mit Hybris überschreiben.

                      Ich lag mit meinen Wertungen und Einschätzungen ein ganzes Stück falsch. Das beweist zuerst, dass ich kein Politiker bin. Aber: ich meine die Gefühlslage des harten Kerns der FDP-Wähler ganz gut zu einschätzen zu können. Diese hat sich nicht prinzipiell geändert, meine ja auch nicht. Nur bin ich nicht blind für die Fakten.

                      Ich halte es für weit hergeholt, dass ein Mensch mit dem dringenden Bedürfnis, auf eigenen Beinen stehen zu wollen und mit der Überzeugung, dies immer zu verfolgen, zu jemanden wird, der seinen persönlichen Ehrgeiz für das Gemeinschaftsgefühl zurückstellt.

                      2001 erledigte sich die New Economy mit einer lauten Implosion. Sie war getrieben von vielen jungen Menschen vom Typ Christian Lindner, die auf Teufel komm raus schnell auf eigenen Beinen stehen und am besten reich werden wollten. Danach schlitterte Deutschland in die längste Wirtschaftskrise nach dem Krieg, das Land hatte viele Arbeitslosen. Doch gleichzeitig erlebte die FDP einen starken Zufluss neuer Parteimitglieder, größtenteils nicht älter als 33. Die Wahlergebnisse gingen auch immer höher, 2002 schon mit 7,4% deutlich über 1998 und 2005, auf dem Endpunkt der Wirtschaftskrise 9,8%. Ihre Theorie hätte im Rückblick auf diese Jahre eher das Gegenteil nahegelegt.

                    • Ariane 5. Juli 2020, 23:31

                      Das soziale Netz sieht er jetzt vielleicht auch nicht mehr als nur als Hängematte für Versager und Faulpelze?

                      Jep das meinte ich. Fast alle Selbständigen haben gerade enorme Probleme. Und Studenten auch, der Kinderzuschuss zb gilt nur bis 25.
                      Kenne einige, die kriegen zb nur 100€, weil sie genau in dem Zeitraum Geburtstag haben und die typischen Studentenjobs sind gerade alle weg.
                      Aktienunternehmen und Kommunen und überhaupt alle fahren jetzt riesige Sparprogramme. Und die Sonderregeln zwecks Mieträumungen und Hartz-IV-Sanktionen sind zum 1. Juli alle ausgelaufen.

                      Gleichzeitig haben wir aber immer noch Pandemie, das heißt die Behörden arbeiten mit Pandemieregeln und es darf niemand persönlich einfach irgendwohin.
                      Das heißt die normalen Formalitäten bei diesen Problemen haken an allen Ecken und Enden und jetzt haben alle Sommerurlaub. Kann ja jeder mal rechnen, wie weit er kommt, wenn er nur einen Monat ohne Geld auf dem Konto hat.
                      Und die normalen Rücklagen sind jetzt eben weg (wenn man die hatte). Das sind Leute, die immer vollkommen alleine zurechtkamen und nie auf Hilfleistungen angewiesen waren.

                  • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 20:02

                    Nun, das müsstest du als Mister Leistungsgerechtigkeit und echte Leistungsträger wählen FDP ab können müssen.

                • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 20:01

                  Ich denke schon dass die FDP eine Kernwählerschaft vertritt, die nirgendwo anders ihr Zuhause hat. Die Frage ist nur, ob die groß genug ist, eine eigene Partei im Bundestag zu rechtfertigen. Aber das werden die nächsten Wahlen zeigen.

      • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 19:04

        Und welche Machtperspektiven danach? Die sind in so einem Loch.

    • Ariane 4. Juli 2020, 15:33

      Na es gibt schon noch vernünftige FDPler, aber schon äh eher die ollen Kamellen wie Baum oder Leutheusser-Schnarrenberger. Weiß man denn mehr von der Teuteberg, außer dass sie als erstes den Kemmerich und Lindner zur Sau gemacht hat? Finde die nördliche FDP ist sehr unsichtbar, obwohl ich ja quasi regelmäßig ganz Norddeutschland überwache.

      Außer Garg wüsste ich auch nicht ausm Kopf jemanden von der SH-FDP und das nur, weil er halt Gesundheits/Familienminister ist.

      • CitizenK 5. Juli 2020, 14:15

        „die ollen Kamellen wie Baum oder Leutheusser-Schnarrenberger“

        Warum so abfällig über die paar Leute, von denen die Ehre der FDP als Bürgerrechts-Partei gerettet wurde? Was daran ist unmodern?

        • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 20:02

          Olle Kamellen wie wenn sich die SPD auf Willy Brandt beruft. Ich liebe den Mann, aber er ist für die Fragen von heute einfach egal.

        • Ariane 5. Juli 2020, 23:24

          Verzeihung, das war gar nicht abfällig gemeint. Ich will Leutheusser-Schnarrenberger ja sogar als künftige Bundespräsidentin.
          Aber sie bestimmen das Bild der FDP gerade nicht mehr, sondern sind nur prominent genug, damit ihre Stimmen in der Öffentlichkeit vernommen werden.

          Insofern sind sie heutzutage eher normale Intellektuelle aber sprechen eben nicht mehr als FDP-Vertreter. Bisschen schräg.
          Ist mit Sarrazin oder auch Gabriel ja auch so. Gut bei letzterem muss das ganze Theater jetzt nochmal abgezogen werden. Seufz.

    • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 19:00

      Sozialliberale Gedanken sind kein Auslaufmodell, das Rekurrieren auf die Freiburger Thesen und die erste Rot-Gelbe Koalition schon.

  • cimourdain 4. Juli 2020, 19:24

    China) EIne einfache Überlegung: Was wäre, wenn China analog zur Monroe-Doktrin sich jegliches europäische oder amerikanische Militär in Ostasien als unerwünschte neokoloniale Einmischung verbitten würde ?

    2) Es ist bizarr, dass Correctiv auf ein irreguläres, aber nicht skandaltaugliches Verhalten nur mit Nebelkerzen antwortet, anstatt einfach die Realität zu erklären. Es kam ein Geschenkkorb mit Weinflaschen im Wert von 1.300€ an. Dieser hätte gemeldet werden müssen. Aber weil man 6 Weinflaschen nicht so unmittelbar als „kosten mehr als 200 €“ erkennt, ist das nicht passiert. Alle Erklärungen darüber hinaus (AfD, ‚fehlender‘ Nachweis, Bundespräsident) sind nur Ablenkungsmanöver.

    6) Wäre es nicht einfacher, statt jedes mal wieder die gleichen Polarisierungsrituale durchzuführen, einen Stopp reinzuhauen, keine weiteren Anschuldigungen, keine Rechtfertigungen, Distanzierungen, sondern zugrundeliegende Probleme angehen?

    10) ist ein gutes Beispiel dafür: Häusliche Gewalt ist ein ernstes Problem, auch schon ohne dass Leute, mit reduziertem Einkommen und ungewissen Zukunftsaussichten zusammengesperrt werden. Warum musst du den durch identitätspolitsche Debatten (auch hier) kontaminierten Begriff ‚toxische Männlichkeit‘ hineinwerfen?

    • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 20:59

      China: Dann müssten sie das durchsetzen, und das wäre problematisch.

      2) Genau.

      6) Nein, die Rituale sind einfacher und dazu politisch sehr gewinnbringend.

      10) Weil häusliche Gewalt von Männern ausgeht, und zwar von solchen, die glauben ihre Männlichkeit durch Gewalt verteidigen zu müssen. Das ist quasi die Definition.

      • cimourdain 5. Juli 2020, 00:10

        10) Betrachte dann die Fälle von Gewalt gegen Kinder. Da sind die Täter fast gleichmäßig auf Väter und Mütter verteilt. Selbst bei Gewalt gegen den Partner gehen beinahe 20% der angezeigten Fälle von Frauen aus. Nein, Gewalt ergibt sich aus körperlicher Überlegenheit ( Möglichkeit) und Durchsetzungswunsch.

        • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 10:20

          Wenn 80% der Fälle von Männern kommen, dann ist das ein ziemlich deutlich männliches Problem, sorry. Das schließt ja deine Erklärung nicht aus, sondern ein.

          • cimourdain 5. Juli 2020, 12:04

            Siehst du, was passiert ? Durch die identitätspolitische Aufladung setzen wir Zahlen und Statistiken (die wir sorgfältig zur eigenen Bestätigung auswählen) gegeneinander in vollem Bewusstsein, dass dabei nicht viel konstruktives herauskommt. Es ist ein bisschen Wahrheit an diesem Management-Ratgeber-Kalenderspruch: „Man kann nach einem Schuldigen suchen oder nach einer Lösung“

            • Ariane 5. Juli 2020, 12:48

              Siehst du, was passiert? Du negierst das einfach?

              Leider ohne wirklich viel Plan, weil es geht um unterschiedliche Gewalt-Taten. Wenn es um Gewalt gegen Kinder geht, dann geht die oft von Frauen aus. Weil die viel viel mehr Zeit mit Kindern verbringen (gilt übrigens bei Altenpflege genauso). Das sind dann Ohrfeigen, Fesselungen zum Ruhigstellen u.ä. Ich will das keinesfalls verharmlosen, das ist richtig schlimm und grenzt an Folter!

              Aber Männer haben eine unkontrolliertere Wut. Die bleiben nicht bei einer Ohrfeige, sondern nehmen einen Gegenstand dazu. Bei Stalking ist das Geschlechtsverhältnis oft noch gleich, aber nur die Männer neigen dazu, ihre Ex- oder Nochfreundin wirklich gefährlich zu verletzen oder zu töten. Das passiert umgekehrt eben nicht.

              Nächstes Beispiel. Sexuelle Gewalt – gegen Kinder, Frauen, (jungen) Männern. Das sind in überwältigendem Ausmaß Männer. Frauen sind da höchstens mal Helferinnen oder werden wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt. (wie hier die Ex von Epstein).

              Wir kriegen dieses Problem nicht gelöst, wenn wir das Geschlechterungleichgewicht hier einfach leugnen. Und dieses ständige „Oh nein, die Männer sind Opfer“ geht mir echt auf den Keks!

              Sie sind vor allem Täter! Auch bei anderen Männern! Und wegen diesen scheiß Macho-Regeln wird sexueller Missbrauch oder auch körperlicher Missbrauch bei Jungen und männlichen Jugendlichen viel seltener erkannt. Das ist ein riesiges Problem! Aber wenn ihr jedes Mal heult, dass Frauen genauso oft Täter sind, dann macht ihr die männlichen Opfer unsichtbar!

              Weil dieses Scheiß Machogehabe immer was erzählt von. Hey, du hast dich geprügelt? Cool! Oder ach das blaue Auge ist nicht so schlimm, lass das einfach nicht an dich ran.

              Oder sexuelles Unwohlsein bei Männern? Hey ist doch cool, freu dich, wenn eine sexy Lady was von dir will! Oder gar von einem anderen Mann? Igitt! Schwule und Tunten!

              Aso und nein, das sind nicht die jungen Syrer, das ist vollkommen unabhängig außer vom Geschlecht!

              Wir müssen da ran. Ja, ich weiß ihr anderen Männer seid auch großgeworden und nichts hat euch geschadet. Aber wenn ich sage „Du, ich werde sexuell belästigt“ Dann schrillen bei jedem die Alarmglocken, geht auch nicht jeder Frau so, das ist mein Privileg. Das wissen Männer auch, ist ganz oft so, dass ich sozusagen einen Fake-Freund hab, weil die dann sofort ihr Generve einstellen (weil DAS wirkt, so bekloppt das ist)

              Und Männer haben diesen „Schutz“ (noch) nicht. Wenn sie schon in der Pubertät sind erst recht nicht. Die sind aber nicht weniger gefährdet als Mädchen. Dafür muss man dieses Leugnen aber mal bitte einstellen. Und übrigens den Blick auf die Opfer richten und nicht erstmal wieder weinen, dass nicht alle Männer so sind. Ja. Wissen alle. Es geht nicht um Euch persönlich!!

              • cimourdain 6. Juli 2020, 18:09

                Und was schlägst du jetzt in Bezug auf die konkrete Fragestellung vor?

                Sorry, Ariane, ich möchte dich nicht belehren und noch viel weniger vorführen, aber dein Post ist fast schon ein Musterbeispiel, wie man eine Debatte zum Entgleisen bringt:

                – Durch Relativierung (Die Frauen zwar auch…ABER die Männer) zeigt er, dass allgemeine, geschlechtsunabhängige Diskussion nicht erwünscht ist.

                – Er springt durch angeschnittene Themen, die sehr weit von der ursprünglichen Fragestellung abweichen (Stalking?, sexuelles Unbehagen?)

                – Er zeigt einen hochtonigen Moralismus, (Denkt denn keiner an die Kinder?) der abwägende Antworten a priori ausschließt.

                – Aber vor allem liefert er (siehe meine Eingangsfrage) keinen konkreten weiterführenden Ansatz.

                Damit gibt es eigentlich nur drei Diskussionsszenarien:

                – Du hast lauter Gleichgesinnte, die nicken und dich bestätigen „Ja, das sind alles ernste Probleme“. => Wirkung Null

                – Wir verzetteln uns in eine kleinteilige Diskussion über einen Nebenkriegsschauplatz, die exakt null mit dem Problem zu tun hat.

                – Andere geben frustriert die Diskussion auf

                Und genau deshalb ist meine Gegenthese zu Stefan Sasse „All BAD (politics) discussion is identity (politics) discussion“

            • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 19:58

              Ich sehe das anders.

        • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 10:22

          @ cimourdain 5. Juli 2020, 00:10

          Betrachte dann die Fälle von Gewalt gegen Kinder. Da sind die Täter fast gleichmäßig auf Väter und Mütter verteilt. Selbst bei Gewalt gegen den Partner gehen beinahe 20% der angezeigten Fälle von Frauen aus.

          Zustimmung. Wobei ich vermute, dass die Dunkelziffer bei „Partner-Gewalt Frauen gegen Männer“ höher liegt als umgekehrt.

          Unbestritten, aus meiner Sicht:
          – Männer neigen grundsätzlich eher zu Gewalt gegen die Partnerin als umgekehrt.
          – Der Fall weibliche Gewalt gegen den Partner tritt zu selten auf, um das gleichzustellen, und zu oft, um das Problem nur auf Männer einzugrenzen.

          Nein, Gewalt ergibt sich aus körperlicher Überlegenheit (Möglichkeit) und Durchsetzungswunsch.

          Sehe ich auch so

          • Ralf 8. Juli 2020, 10:29

            Ich verstehe diese ganze Gender-Debatte immer weniger. Ziel müsste doch sein Gewalt zu verhindern, Täter zu therapieren und Opfer zu schützen. Ob Männer nun für 10%, 50% oder 90% der Taten verantwortlich sind, ist von rein akademischem Interesse und ändert nichts an der gesellschaftlichen Antwort, die wir finden müssen.

          • Stefan Sasse 8. Juli 2020, 11:26

            Ich stimme dir bei dem völlig zu. Und es ist ein gigantisches Problem, dass Gewalt von Frauen gegen Männer nicht ernst genommen wird.

    • sol1 4. Juli 2020, 23:11

      /// Aber weil man 6 Weinflaschen nicht so unmittelbar als „kosten mehr als 200 €“ erkennt… ///

      Wie viel die kosten, kriegt man per Google innerhalb von zehn Sekunden raus:

      https://www.champagner-und-champagner.de/dom-perignon-preis/

      • cimourdain 5. Juli 2020, 00:19

        Guter Punkt, aber ich halte Schlamperei für die plausiblere Erklärung. Das wäre dann genau ein konstruktiver Ansatz für weitere Recherche: Sind andere Sachgeschenke auch ‚übersehen‘ worden? Gibt es dazu Dienstanweisungen (Ab jetzt hoffentlich auf jeden Fall) ?

      • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 10:19

        So oder so ist die Debatte albern. Ich meine mal ernsthaft: wir sind hier nur ein Nischenblog. Stellt euch mal vor, die Debatte würde in den Medien ausgetragen werden. Steinmeiers Ruf wäre unrettbar zerstört, wegen einer völligen Lappaile, weil alle über das Stöckchen springen. Glaubt irgendjemand, Steinmeier hat wegen ein paar Flaschen Wein die Exporte freigegeben?

        • Ralf 5. Juli 2020, 10:48

          Ich kenne den vorliegenden Fall nicht und hab deshalb auch keine feste Meinung dazu. Aber ich gebe zu Bedenken, dass Regeln für Korruptionsbekämpfung einen Sinn haben. Und das Abgleiten von Staaten in Korruptionswirtschaft beginnt immer damit, dass Fehlverhalten rationalisiert, erklärt, entschuldigt und verharmlost wird. Das schafft ein Umfeld, in dem auch andere zugreifen und sich nehmen, was sie glauben sich nehmen zu können. Je höher man in der Hierarchie des Systems steht, desto schärfer müssen die Maßstäbe sein. Wenn die Elite anständiges Verhalten nicht vorlebt, kann auch von niemand anderem im Land erwartet werden, dass er sich an Regeln und Gebote hält. Die höchsten Standards muss man vom höchsten Amt im Land erwarten. Und von niemandem erwartet man so sehr darüber hinaus auch noch in der Lebensführung Vorbild zu sein wie vom Bundespräsidenten und vom Bundeskanzler. Deshalb wogen die Vorwürfe gegen Wulff auch schwer. Wulff war nicht ein mittlerer Abteilungsleiter bei Edeka. Er war der erste Mann im Staat. Den an ihn zurecht gerichteten Erwartungen ist er nicht gerecht geworden.

          • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 19:58

            Ich sehe die Thematik, die du ansprichst. Aber: Wenn man die Maßstäbe zu hoch ansetzt, dann schafft man letztlich ein Umfeld, in dem jeder sagt, dass sie eh nicht einzuhalten sind – und sie zerbrechen dann deswegen. Das ist ein schwieriger Spagat.

            • Ralf 5. Juli 2020, 20:42

              Das ist eben das Problem. Ich halte die Maßstäbe nicht für zu hoch angesetzt. Ich war letztes Jahr in einem Meeting in New York. Das Maximum, das für ein Frühstück ausgegeben werden durfte, waren $25. Das ist eine harte Schwelle. Mehr ist gesetzlich nicht erlaubt. Für $25 bekommst Du am Times Square von einem professionellen Catering-Service aber nichts. Am Ende war die eine Hälfte der Leute hungrig und die andere Hälfte hat sich zum McDonalds verdrückt. So ist es eben. Das Wichtigste, die absolute Priorität ist, dass auch nicht der Hauch von Bestechung aufkommen konnte. Alle sind dafür sensibilisiert. Ich muss jedes Jahr neu unterschreiben, dass ich mich daran halten werde. Und wenn wir das können, warum kann der Bundespräsident dann nicht “nein danke” sagen, wenn ihm Luxus-Champagner in die Arme gedrückt wird, von jemandem, der ganz genau weiß, dass sein Gegenüber das nicht annehmen darf? Jeder kleine Beamte wird hier zu einem höheren Standard gehalten. Und beim höchsten Mann im Staat drücken wir beide Augen zu?

              • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 22:25

                Ja, weil das einen fließenden Übergang zu Diplomatie hat.

                • Ralf 5. Juli 2020, 22:36

                  Verstehe ich nicht.

                  Der kleine Beamte kriegt Riesenprobleme, weil er einen Blumenstrauß annimmt. Der Bundespräsident hingegen darf sich über Normen und Gesetze hinwegsetzen, weil er aus diplomatischen Gründen Luxus-Champagner trinken muss?

                  • Ariane 5. Juli 2020, 23:43

                    Es wurde in seinem Büro abgegeben. Das heißt irgendein Sekretär hat einen Dankesbrief geschrieben und das war es. Steinmeier war da Außenminister, die treffen ständig Vertreter anderer Nationen.

                    Und wenn er ins Ausland fährt und jemanden trifft, bringt er auch Geschenke mit. Weil man das so macht. Wenn ich eine Gartenparty mache, hab ich danach mind. 5 Pflanzen.

                    *hier langen Rant einfügen, dass Männer das anscheinend wirklich nicht wissen, welche Regeln für Gäste und Gastgeber gelten* Seufz.

                    Stefan und ich haben auch schon mehrmals erwähnt, dass die Compliance-Regeln für den öffentlichen Dienst nicht gut sind.

                    • Ralf 6. Juli 2020, 06:40

                      Und wenn er ins Ausland fährt und jemanden trifft, bringt er auch Geschenke mit. Weil man das so macht.

                      Jetzt tust Du so, als ob Steinmeier im Ausland Tante Erna trifft, die dem Bundespräsidenten ein Glas Himbeermarmelade eingekocht hat und die er jetzt zutiefst persönlich enttäuschen muss, weil er das Glas nicht annehmen darf. Tatsächlich aber trifft Steinmeier auf Auslandsreisen praktisch fast ausschließlich die Top-Elite der jeweiligen Länder. Protokolle und Besuchskalender werden Wochen vorher bis ins letzte Detail abgesprochen. Und seine Gastgeber beschäftigen ganze Stäbe von Beratern und Juristen, die ganz genau wissen, wie die Compliance-Regeln aussehen. Wer auch immer in Steinmeiers Büro Luxus-Champagner entgegennimmt, kennt diese Regeln übrigens auch. Diese Rechtslagen werden in Deutschland heutzutage in Dauerschleife gelehrt. Wie gesagt, ich muss z.B. jedes Jahr ein halbstündiges Training zum Thema durchlaufen und anschließend unterschreiben, dass ich die Regeln verstanden habe und ich mich dran halten werde. Und das ist absolut üblich. Sicher auch im Büro des Bundespräsidenten.

                  • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 08:24

                    Das gegenseitige Überreichen von Geschenken gehört zu den Gepflogenheiten der Diplomatie. Es ist quatsch, wegen solcher Befürchtungen die Brüskierung ausländischer Botschafter zu riskieren. Ganz schlicht. Und der BuPrä setzt sich nicht darüber hinweg, für ihn gelten schlicht andere Normen und Gesetze. Sorry.

                    • Ralf 6. Juli 2020, 09:12

                      wegen solcher Befürchtungen die Brüskierung ausländischer Botschafter zu riskieren

                      Von Brüskierung kann überhaupt keine Rede sein, wenn man vorab klarstellt, dass das Annehmen von Geschenken gesetzlich nicht erlaubt ist. Besuche von Bundespräsidenten werden wie gesagt wochenlang vorbereitet von erfahrenen Mitarbeitern auf beiden Seiten. Zur Diplomatie gehört auch, dass sich sie Gegenseite an Gepflogenheiten hält und den Gast nicht in Verlegenheit bringt unhöflich erscheinen zu müssen.

              • CitizenK 6. Juli 2020, 09:04

                Haben wir keine größeren Probleme?

                • Ralf 6. Juli 2020, 09:18

                  Nein, ich denke, dass Eliten sich laufend über Normen und Gesetze hinwegsetzen, die beim kleinen Mann erbarmungslos eingefordert werden, ist tatsächlich eines der größten Probleme des Landes. Der Verlust des Vertrauens unserer Bürger in die Demokratie ist der Preis, den wir für Korruption dieser Art zahlen. Und die Desensibilisierung der Bevölkerung zu einem zynischen Elektorat durch ein Meer an Skandalen führt im Endeffekt in einer geraden Linie zu Staatschefs wie Trump.

                  • CitizenK 6. Juli 2020, 09:43

                    „dass Eliten sich laufend über Normen und Gesetze hinwegsetzen“

                    Ich kann nicht sehen, dass diese Petitesse ein Beleg DAFÜR ist. Ein größeres Problem ist, dass die geltenden Normen und Regeln einen Fall wie Gabriel/Tönnies durchaus zulassen.

                    Das BobbyCar von Christian Wulff zeigt, dass man das nicht übertreiben sollte. Es schlägt sonst ins Gegenteil um.

                    • Ralf 6. Juli 2020, 09:50

                      Mein Eindruck, auch bei Stefan Sasse, ist, dass ihr Wulff und Steinmeier (und Hillary Clinton und und und) einfach mögt und über Vergehen deshalb großzügig hinwegschaut. Gabriel, Trump und andere hingegen mögt ihr nicht.
                      Und da zeigt ihr dann empört hin. Menschlich ist das verständlich. Aber leider ist es auf dem Niveau der Rechten, die genau das zu ihrem Leitmotiv gemacht haben. Und es ist Gift für Demokratie und Rechtsstaat.

                    • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 12:08

                      @ Ralf 6. Juli 2020, 09:18

                      … dass Eliten sich laufend über Normen und Gesetze hinwegsetzen, die beim kleinen Mann erbarmungslos eingefordert werden, ist tatsächlich eines der größten Probleme des Landes.

                      Zustimmung

                      Der Verlust des Vertrauens unserer Bürger in die Demokratie ist der Preis, den wir für Korruption dieser Art zahlen. Und die Desensibilisierung der Bevölkerung zu einem zynischen Elektorat durch ein Meer an Skandalen führt im Endeffekt in einer geraden Linie zu Staatschefs wie Trump.

                      Da stimme ich dahingehend zu, dass diese Regelbrüche oder (bei aller Subjektivität des Begriffs) „unanständiges“ Verhalten bei einem Teil der Wähler dazu führt, dass ein starker Mann gewünscht wird, der mit der „denen da oben“, dem „Sumpf“, der Korruption und den Kungeleien ordentlich „aufräumt“.

                      Allerdings verlaufen die Grenzen zwischen Korruption und Kungelei (bzw. Kungelei und Kompromiss) durchaus fließend – da bin ich bei Stefan.

                      Aber ein aus meiner Wahrnehmung ebenso starkes Motiv für die Wahl populistischer Regierungschefs, Präsidenten etc. ist die Abneigung vieler Wähler gegenüber Kompromissen. Da aber Kompromisse – auch die, die man nicht mag – das Lebenselixier, die Essenz der Demokratie sind, setzen sich derart an die Macht gekommene starke Männer gerne über demokratische Regeln und Gesetze hinweg. Der Wähler kommt vom Regen in die Traufe, gelegentlich, ohne es zu merken.

                  • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 10:00

                    Ich denke, diese gerade Linie ist sehr oft unterbrochen und äußerst gekrümmt.

          • Erwin Gabriel 6. Juli 2020, 12:33

            @ Ralf 5. Juli 2020, 10:48

            … Aber ich gebe zu Bedenken, dass Regeln für Korruptionsbekämpfung einen Sinn haben. Und das Abgleiten von Staaten in Korruptionswirtschaft beginnt immer damit, dass Fehlverhalten rationalisiert, erklärt, entschuldigt und verharmlost wird. Das schafft ein Umfeld, in dem auch andere zugreifen und sich nehmen, was sie glauben sich nehmen zu können. Je höher man in der Hierarchie des Systems steht, desto schärfer müssen die Maßstäbe sein.

            Da stimme ich zu.

        • cimourdain 5. Juli 2020, 12:12

          Aus umgekehrter Perspektive könnte die Frage auch lauten: Glaubst du, dass El Husseini diese Art politischer Landschaftspflege betreibt, ohne sich davon einen Nutzen zu versprechen ? Vielleicht nicht direkt, aber zumindest schafft das eine höhere Bereitschaft, den Anliegen des Schenkers nachzukommen.

          • Stefan Sasse 5. Juli 2020, 19:59

            Das läuft doch schlicht unter Höflichkeit.

            • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 12:17

              @ Stefan Sasse 5. Juli 2020, 19:59

              Das läuft doch schlicht unter Höflichkeit.

              Ja, sicherlich. Aber hätte es keine irgendwie geartete Wirkung (und sei es, dass man dem Geber mit einem innerlichen leichten Lächeln statt neutral gegenübertritt), würde man es lassen.

              Bei einem großen Bauunternehmen kam ein Vertreter des Auftraggebers auf eine Baustelle. Der bauleiter, der wußte, dass der Kunde an diesem tag Geburtstag hatte, ließ zwei Flaschen Wein kaufen, die er als Geburtstagsgeschenk übergab. Ein paar Wochen später hatte das Untrenehmen die Steuerfahndung auf der hacke, die den Laden nach allen regeln der Kunst auseinandernahmen.

              Hintenrum erfuhr der Geschäftsführer, dass die beiden Flaschen Wein der Auslöser gewesen waren; die hätten nach Compliance-Regeln nciht überreicht werden dürfen. Auf die Frage, ob ein Anruf nach dem Motto „Lasst das nächste Mal den Scheiß sein“ nicht gereicht hätte, kam die übliche Antwort: „Wir haben unsere Vorschriften“.

              Das ist der Maßstab ist, den die Politik für die Industrie festgelegt hat. Die gleichen Vorschriften sollten deshalb auch für alle Politiker gelten – alles andere ist scheinheilig.

        • Ariane 5. Juli 2020, 12:34

          Glaubt irgendjemand, Steinmeier hat wegen ein paar Flaschen Wein die Exporte freigegeben?

          Der Wein interessiert halt keinen. Es geht um Rüstung, also Waffen und Krieg. Deswegen ist das in linken Blogs so ein Thema.
          Deswegen stand es auch nicht groß in den normalen Medien, weil die schon eher zuviel Pro-Militär sind (und Rüstungskonzernen)

          Wenn das irgendein Digitales Unternehmen gewesen wäre, hätte es gar keinen interessiert.

    • Ariane 5. Juli 2020, 12:59

      China) EIne einfache Überlegung: Was wäre, wenn China analog zur Monroe-Doktrin sich jegliches europäische oder amerikanische Militär in Ostasien als unerwünschte neokoloniale Einmischung verbitten würde ?

      Na das tun sie ja schon oft. Aber da klappt das glaub ich weniger, weil die USA schon sehr lange eng mit Südkorea und auch Japan verbündet sind. Und Südkorea, Japan und auch Taiwan wollen auch ganz sicher nicht Chinas Kolonien werden – die haben eine sehr sehr lange Geschichte gegenseitiger Grausamkeit. Von daher nehmen sind sie immer sehr dankbar, wenn die Amerikaner ihnen zu Hilfe eilen und zb dort Übungen machen oder Schiffe platzieren. Es gleicht sich also ein bisschen aus.

      Und das sind ja auch alles keine homogenen Blöcke, wie gesagt, Russland wuselt da auch noch rum. Die haben da auch Konflikte, kolonialer Art sozusagen. Es ist aber schon ein sehr fragiles Gebilde, gerade jetzt mit der Pandemie, die alles noch mehr durcheinander bringt.

      • Erwin Gabriel 6. Juli 2020, 12:35

        @ Ariane 5. Juli 2020, 12:59

        [Was wäre, wenn China analog zur Monroe-Doktrin sich jegliches europäische oder amerikanische Militär in Ostasien als unerwünschte neokoloniale Einmischung verbitten würde ?]

        Na das tun sie ja schon oft.

        Zustimmung!

      • cimourdain 6. Juli 2020, 18:09

        Es hilft oft bei der Bewertung eines Sachverhalts, sich die umgekehrte Situation vorzustellen. Also, was wäre wohl los, wenn chinesische Kriegsschiffe in Mittelmeer oder Karibik kreuzten, um die Souveränität von Syrien, Kuba oder Venezuela sicherzustellen. Im zweiten Fall überhaupt nichts mehr, weil die USA dann schon längst den roten Knopf gedrückt hätten.
        Und dein „langes Bündnis“ von Japan und Südkorea wurde in beiden Fällen erzwungen (nachdem der japanische Imperialismus zur Katastrophe geführt hat bzw. durch die Eskalation eines Entkolonialisierungskonflikts durch westliche Mächte) – Die Philippinen und deren Vergangenheit als US-Kolonie möchte ich auch noch erwähnen.
        Deswegen sehe ich durchaus ein, warum da in nichtwestlichen Ländern koloniale Assoziationen (Kanonenbootpolitik) aufkommen – was die Argumentation mit der „Bürde des (weißen Mannes) freien Westens“ hohl klingen lässt.

        • Ariane 6. Juli 2020, 19:57

          Oh ich kann das absolut verstehen. Das Problem haben wir mit Polen und Serbien hier ja genauso.

          Das Problem ist aber eher „Feind meines Feindes“ Südkorea, Japan oder Taiwan sind keine amerikanischen Kolonien. Sie sind nur leider nicht groß und stark genug, um ihre Unabhängigkeit alleine zu erhalten, sollte in diesem Fall China oder auch Nordkorea ernst machen. Dann sind sie chinesische Kolonien – siehe Hongkong. Polen verbittet sich ja auch Einmischung der EU, hätte am liebsten aber die ganze amerikanische Armee in ihrem Land stationiert.
          Ich kann das absolut verstehen, ich sehe nur keine Lösung. Außer jeder kriegt seine eigene Atombombe und das will ja verständlicherweise auch niemand.

          Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist ein Fetzen Papier, wenn es den Großmächten nicht gefällt und die UNO ist dann genauso untauglich. Und aktuell sehe ich nicht, dass es da eine Aussicht auf Besserung gibt, klar kann die EU und die USA sagen, die möchten damit bitte nicht behelligt werden. Haben sie übrigens vor beiden Weltkriegen so gemacht. Hat nicht funktioniert, weil die Welt leider nicht so ist. Heute erst recht nicht mehr.
          Da will selbst Serbien zu China gehören, weil das da im Grenzgebiet Eurasiens ja noch nicht kompliziert genug ist. Seufz.

        • Stefan Sasse 7. Juli 2020, 06:43

          Mit Sicherheit hätten sie nicht den roten Knopf gedrückt. Schließlich schützen etwa russische Truppen den syrischen Diktator, ohne dass es deswegen zur Auseinandersetzung gekommen wäre. Und die Bündnisse mit Japan und Südkorea mögen genauso wie das mit der BRD mal die Folge des 2. Weltkriegs gewesen sein, sind aber seit Jahrzehnten freiwillig und von den betroffenen Nationen auch unbedingt gewollt.

  • CitizenK 6. Juli 2020, 09:58

    Du kennst die Geschichte vom Schäfer und den Wölfen? Wenn man dauernd „Skandal“ schreit, hört irgendwann kaum noch wer hin.

    Nein, ich mag Steinmeier nicht, den Schröder-Mann. Hillary Clinton „mag“ ich zwar nicht, sie wäre mir aber aber um viele Größenordnungen lieber als The Donald. Und von Gabriel bin ich einfach maßlos enttäuscht.

    Und dem Vorwurf „Feigheit vor dem Freund“ möchte ich mich gerade Dir gegenüber nicht aussetzen.

    • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 10:22

      So sehe ich das auch.

      • Ralf 6. Juli 2020, 10:33

        Die Kassiererin, die ihren Job verliert, weil sie unrechtmäßig einen Pfandbon eingelöst hat oder am Abend ein Brötchen mit nach Hause genommen hat, sieht das wohl eher nicht so.

        • CitizenK 6. Juli 2020, 10:59

          Diese Urteile (auch das über abgelaufene Maultaschen) sind wirklich skandalös. Aber das ist eine andere Baustelle: hier geht um Arbeitsrecht, nicht um Beeinflussung oder Bestechung staatlicher Akteure.

          Um auch mal meinen „Eindruck“ wiederzugeben: Auf beiden Enden des politischen Spektrums hier im Blog werden Prinzipien zu Tode geritten. Politisch bringt das eher wenig.

          • CitizenK 6. Juli 2020, 11:17

            „…nicht in Verlegenheit bringt unhöflich erscheinen zu müssen.“

            Stimmt. Wenn die sich aber nicht daran halten?
            An meiner Schule gab es einen Schüler (Sohn eines Geschäftsmannes aus Südostasien), der sehr überrascht war, dass die Lehrer seine Geschenke (Whisky, Parfüm) nicht annehmen wollten. Min-Clash-of-Cultures.

          • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 11:40

            Die Wegnahme einer Sache ist prinzipiell eine Straftat. Wenn ein Geschäftsführer eine in Teilen falsche oder fehlerhafte Reisekostenerklärung abgibt, ist das prinzipiell ein Grund zu fristlosen Kündigung. Die Relation zu Gehalt und Vermögensvorteil spielt aus gutem Grund keine Rolle bei der Feststellung eines Delikts. Daran ist nichts skandalös.

            Wie ich schon an früherer Stelle sagte, halte ich unser heutiges Urteilen für zu hart. Wenn ich einen Betriebsprüfer nicht zum Kantinenessen einladen darf, hat dies etwas Absurdes.

            • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 11:46

              Ich finde auch die fristlose Kündigung bei Lappaillen für maßlos überzogen. Wir haben nicht ohne Grund Ermahnungen und Abmahnungen für so was.

              • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 12:13

                Was eine Lappalie ist, definiert sich halt immer anders. Die Verkäuferin wird nicht das erste Mal die Kassenbons genommen haben. Es wäre ziemlicher Zufall, wenn sie ausgerechnet bei der einzigen Tat erwischt worden wäre. So etwas würdigen Gerichte, selbst wenn mehrere Taten sich nicht beweisen lassen. Ließen sie sich beweisen, wäre es strafrechtlich eine andere Kategorie.

                Ob ein Arbeitnehmer bei der Reisekostenabrechnung eine Abwesenheit von 8:10 Stunden angibt oder es sich nachweisen lässt, dass es tatsächlich nur 7:50 Stunden waren – die Auswirkung ist eine Lappalie, nämlich 8 Euro Spesen.

                Natürlich werden solche Vorgänge vom Arbeitgeber hochgezogen, wenn das Kündigungsschutzgesetz zu streng ist. Das mag man als unfair ansehen, aber schließlich erwarten wir, dass alles nach Gesetz abläuft. Aus dem Grund habe ich oft darauf verzichtet, eine Reisekostenerklärung abzugeben, die Kosten auf die eigene Rechnung genommen (Hotels und Flüge lassen sich ohnehin vorbuchen und vom Unternehmen bezahlen) und diese dann in der Steuererklärung angegeben. Ist sicherer.

                • Erwin Gabriel 6. Juli 2020, 12:43

                  @ Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 12:13

                  Was eine Lappalie ist, definiert sich halt immer anders. Die Verkäuferin wird nicht das erste Mal die Kassenbons genommen haben.

                  Glauben und Annahme …

                  Ansonsten sehe ich das auch so, dass man unten viel zu hart vorgeht (eine aufgerissene Rolle Klopapier aus dem Müll mitnehmen = fristlose Kündigung), während aufwendige Geschäftsessen unter Geschäftsfreunden akzeptiert sind. Selbst wenn man sich bei den Einladungen abwechselt, haut man sich doch immer wieder den Bauch lecker voll, und beide Seiten schreiben es jeweils auf die Firma. Ich würde privat nur sehr, sehr selten so aufwendig essen gehen, und was dabei rumkommt, ist mehr als ein Brötchen.

                  Nicht falsch verstehen: Ich will die Geschäftsessen nicht abschaffen. Aber „unten“ darf man dann auch nicht so hart zuschlagen.

                  • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 13:07

                    Ich sehe das nicht so. Ihre Geschäftsessen sind bei vielen Unternehmen heute total eingedampft. Und als Gegenwert müssen Sie den Abend mit Leuten verbringen, die Sie nicht mögen um ihnen Sachen zu verkaufen, von denen Sie nicht überzeugt sind. Ehrlich gesagt, ich verbringe da den Abend lieber zuhause bei meiner Frau.

                    Ein Unternehmen mit einem Lager hat immer – ich wiederhole: immer – Diebstahl. Aber nicht jedes Unternehmen, das mit Reisekosten zu tun hat, hat systematischen Betrug. Das wirft die Frage auf: haben Geringverdiener (denn solche arbeiten meist als Lageristen) mehr kriminelle Energie? Nicht das wir uns falsch verstehen: ich habe diese These nie vertreten. Aber genauso wehre ich mich, dass in oberen Etagen gar mehr kriminelle Taten passieren würden.

                    Wie gesagt, nicht umsonst rechne ich Spesen meist nicht mehr über die Firma ab. Es gibt keine Reisekostenabrechnung, die völlig fehlerfrei ist.

                    Die Vernichtung von Lebensmitteln mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum kann man gesellschaftlich kritisieren oder nicht. Einzelhändler haben dafür rationale Gründe. So mancher würde es mit Sicherheit auch nicht gerne sehen, wenn die Nachbarn weggeworfene Geräte aus dem Müll fischen würden oder auch nur den eigenen Müll durchsuchen würden. Das belastet dann doch so manche Beziehung.

                    Noch zu dem Fall: Vor einigen Jahren ist der Fußballstar Marco Reus beim Fahren ohne Führerschein erwischt worden. Für die ihm nachgewiesene Taten wurde er verurteilt. Monate später kamen zusätzliche Fälle heraus, jedoch gab es keine Wiederaufnahme. Die Begründung der Staatsanwaltschaft: natürlich ging man von mehr als einmaligen Delikten aus, das wird im Urteil berücksichtigt. Es wird das eigentliche Vergehen – Fahren ohne Führerschein – geahndet, nicht die Gesamtzahl der Vergehen.

                    Das Einkassieren von Kundenbons ist als Einzeldelikt strafbar. Das reicht. Es ist ja ein Witz des Rechts, wenn ein Delinquent sich damit herausreden will, ihr habt mich ja nur einmal erwischt, also lasst Gnade vor Recht ergehen. Im Privaten nennt man das frech.

                    • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 15:02

                      Niemand redet von Gnade vor Recht. Recht ist eine Ermahnung oder Abmahnung.

                    • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 12:32

                      Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 13:07

                      Und als Gegenwert müssen Sie den Abend mit Leuten verbringen, die Sie nicht mögen um ihnen Sachen zu verkaufen, von denen Sie nicht überzeugt sind.

                      Ist aus meiner Sicht kein gültiges Argument, genauso wenig, wie ich das niedrige Gehalt einer Verkäuferin oder Supermarkt-Putzfrau als Argument für die Duldung von Diebstahl akzeptieren kann.

                      Ein Unternehmen mit einem Lager hat immer – ich wiederhole: immer – Diebstahl. Aber nicht jedes Unternehmen, das mit Reisekosten zu tun hat, hat systematischen Betrug.

                      Aber nicht jedes Unternehmen mit einem Lager hat mit systemischem Diebstahl zu kämpfen.

                      Aber genauso wehre ich mich, dass in oberen Etagen gar mehr kriminelle Taten passieren würden.

                      Ich nehme an, dass wir uns über die drei Voraussetzungen für Gesetzes- und Regelverstöße klar sind? Der Ausführende hat eine mangelhafte innere Einstellung, eine Gelegenheit, und einen persönlichen nutzen. Trifft das aufeinander, ist es geschehen. Hat nichts mit Geldbeutel, Position im Unternehmen o.ä. zu tun.

                      Es gibt halt mehr von denen da unten als von denen da oben, deswegen ist die Zahl unten höher, und der einzelne Schaden oben größer.

                      … Einzelhändler haben dafür rationale Gründe. …

                      Ich kann die Regeln nachvollziehen. Es ist trotzdem meine Wahrnehmung, dass Schäden auf unteren Ebenen rigoroser verfolgt und geahndet werden.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 13:28

                      Systematischer Diebstahl ist gewerbsmäßig oder Bandenkriminalität. Das sind eigene Deliktformen.

                      Ich hatte mich mal für den Vergleich der Ahndung von Steuerhinterziehungsdelikten nach Höhe des Schadens interessiert. Das Ergebnis war groß, dass der kleine und mittlere Einkommensbezieher weit weniger hart angepackt wird als jemand, der das Glück hat, wegen seines Einkommens / Vermögens sechs- oder siebenstellige Beträge hinterziehen zu können. Gleiches Delikt, gleiche kriminelle Energie unterschiedliche Behandlung. Der Schaden kann nur bedingt als Begründung herhalten, vor allem, wenn dieser vollumfänglich gutgemacht und mit Strafzinsen korrigiert wird. Strafen sollen das kriminelle Potential einer Tat widerspiegeln.

                  • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 15:02

                    Genau das. Es wird einfach mit zweierlei Maß gemessen.

                • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 15:00

                  Dafür gibt es nur halt eben keine Belege. Und bei Steuerhinterziehung argumentierst du auch immer völlig anders.

                  • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 17:17

                    Das brauch’s auch nicht. Die Tat ist klar. Umgekehrt kann die Ertappte sich nicht darauf berufen, dass dies ganz zufällig das einzige Mal war. Auch darauf kommt es eben nicht an. Sie kann einen Strafrichter davon überzeugen, dass sie einfach nur Pech hatte.

                    Man muss sich mal Eure Maßstäbe auf der Zunge zergehen lassen. Jemand, der einen Kassenbon mitnimmt, würde mit einem Strafbefehl von vielleicht 30 Tagessätzen verurteilt. Das sind bei einer Verkäuferin umgerechnet 1.600 – 2.000 Euro. Das Gleiche würde einer Kundin passieren, die einen Ohrclip für 5 Euro mitgehen lässt plus 100€ „Fanggebühr“ und Hausverbot.

                    In allen Bereichen würde relativ hart geahndet. Aber weil die Frau eine „zuverlässige“ Mitarbeiterin ist, bekommt sie eine „Ermahnung“. Also nichts, denn eine solche hat arbeitsrechtlich keine Bedeutung.

                    Da findest Du die Relationen passend?

                    Uli Hoeneß konnte in seinem Prozess nicht sagen, wie viel Steuern er genau hinterzogen hatte. Auch der Staatsanwalt konnte dies nicht nachweisen. Der langjährige Präsident des FC Bayern bekam daraufhin 3 1/2 Jahre. Denn am Ende kam es für die Strafe nicht mehr darauf an, ob er eine Million mehr oder weniger hinterzogen hatte. Wenn die Finanzverwaltung später festgestellt hätte, dass es dann doch etwas mehr gewesen wäre, hätte dies keine Bedeutung für das Strafrecht gehabt. Ende aus.

                    • CitizenK 6. Juli 2020, 18:56

                      Die „entwendeten“ Sachen waren für den Müll bestimmt. Der Arbeitgeber wurde also gar nicht geschädigt.

                    • Ariane 6. Juli 2020, 23:46

                      @Citizen
                      Die „entwendeten“ Sachen waren für den Müll bestimmt. Der Arbeitgeber wurde also gar nicht geschädigt.

                      Es gibt meistens im Arbeitsrecht eine Klausel „zerrüttetes Vertrauensverhältnis“, dafür muss nicht mal wirklich ein Diebstahl vorgelegen haben.
                      Das reicht aber in den meisten Fällen für Abmahnung/Kündigung aus. Und ist logischerweise absolut nicht mehr beweisbar, weil es ja um Vertrauen geht.
                      Das ist halt auch ein guter Hebel, um zu teure oder anstrengende Arbeitnehmer loszuwerden. Ich meine die Fälle waren auch Filialen oder ähnliche Firmen. Das ist schon ein gewaltiges Problem im Arbeitsschutz, den wir im Handel oder bei Dienstleistungen haben, auch weil da der Gewerkschaftsschutz nicht so stark ist wie zb in einer Autofabrik.

                    • Stefan Sasse 7. Juli 2020, 06:46

                      Und um generell Terror in der Belegschaft zu verbreiten, denn eine eingeschüchterte Belegschaft stellt keine Forderungen und lässt sich mehr gefallen, vor allem, was ständige Verstöße gegen das Arbeitsrecht angeht. Aber bei denen ist Stefan immer sehr verständnisvoll und nachsichtig. Bei Müll ist das anders, der zerrüttet nämlich das Vertrauensverhältnis.

                    • Stefan Sasse 7. Juli 2020, 06:44

                      Und um im Beispiel zu bleiben: Ich wäre etwas verwundert wenn ein Freund was aus meinem Müll mitnimmt, aber das wäre für mich sicherlich kein Grund zum Kündigen der Freundschaft…

                    • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 22:36

                      An der Stelle zeigen Sie – und das macht das „Linkssein“ aus – dass Sie nur begrenzten Respekt vor dem Eigentum haben. Bestimmt heißt nicht, dass es das ist. Weil Sie sich auf den Einzelfall fokussieren, schaffen Sie sich das, was Juristen „Lex …“ nennen. Es gehört zum selbstverständlichen Recht eines Eigentümers, auch über die Vernichtung seiner Sache zu bestimmen. Warum Sie sich nicht damit begnügen, dass man fragen kann, ob abgelaufene Lebensmittel selbst genutzt werden können, hat damit zu tun, dass es Ihnen an Achtung vor dem Willen anderer Menschen mangelt, wenn dieser Ihren Überzeugungen widerspricht. So haben Sie gleich bei zwei Grundrechten – Eigentum und Vertragsfreiheit – gezeigt, wie wenig Sie im Prinzip davon halten.

                      Stellen Sie sich vor, Ihre Position hätte Bestand. Was im Papierkorb liegt, kann sich ein anderer nehmen. Schauen wir mal in Ihren digitalen Papierkorb, über Teamviewer könnten Sie ihn mir zugänglich machen. Was liegt denn da so drin, was für Sie keinen Wert mehr besitzt und ich mir im Zweifel aneignen könnte? Ach so, das ist jetzt was ganz anderes. Natürlich. Linken-Denken eben.

                      Sie hätten es besser wissen können. Vergangenes Jahr hatte die deutsche Justiz über einen Endvierziger zu urteilen, der auf dem Grundstück des Künstlers Gerhard Richter 3 Skizzen des Malers aus dem Müll genommen hatte. Der Fall wurde als Diebstahl eingestuft, denn Richter war Eigentümer seiner Skizzen geblieben, auch wenn sie in seinem Müll lagen. Erstinstanzlich wurde eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verhängt, 90 wäre gleichbedeutend mit einer Vorstrafe gewesen. Es ist also keine Lappalie, Müll aus dem Müll eines anderen zu nehmen.
                      https://www.merkur.de/welt/malerstar-gerhard-richter-kurioser-prozess-um-seinen-muell-sind-weggeschmissene-skizzen-wertvoll-zr-11554865.html

                    • Stefan Pietsch 7. Juli 2020, 10:52

                      Das ist halt totaler Quatsch und verwundert, dass es Dich nicht irritiert. Es gibt keinen Kündigungsgrund „Zerrüttung“, sondern nur nach § 1 KSchG Kündigungen, die im

                      a) in der Person
                      b) im Verhalten
                      c) betriebsbedingt

                      begründet sind. Darüber hinaus legt § 9 fest:
                      Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.

                      Mit anderen Worten: Alle Karten liegen beim Arbeitnehmer. Ist das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Arbeitgebers begründet, rechtfertigt das keine Beendigung.

                      Es ist überhaupt bemerkenswert: Die gleichen Leute, die für die leichte Beendigung von Ehen eintreten, möchten Arbeitsverhältnisse um (fast) jeden Preis erhalten wissen. Obwohl zu Beginn einer formal geschlossenen Ehe das Versprechen steht, in guten wie in schlechten Zeiten an der Verbindung festzuhalten, darf sie ohne driftige Gründe aufgelöst werden. Niemand soll es zumutbar sein, mit jemanden zusammen zu sein, mit dem man nicht zusammen sein will. Selbst dann nicht, wenn Dritte wie eben Kinder von einer Trennung massiv geschädigt werden.

                      Wie anders ist die Argumentation, wie gesagt von den gleichen Leuten, wenn es um einen Vertrag mit Fremden geht.

                      Bemerkenswert auch, worauf es keine Antwort gibt:

                      1. Warum geben wir anderen keinen Zugriff auf digitalen Papierkorb geben. Du und CitizenK wisst sehr wohl, dass allein das Verschieben an einen anderen Ort zwecks späterer Vernichtung kein Grund ist, dieses einem anderen zu überantworten. Ich halte es für ziemlich schwach, das nicht zugestehen zu wollen.

                      2. Warum wird die gleiche Tat gegenüber jedem härter bestraft nur nicht, wenn dies im vertrauten Umfeld geschieht? Seit ihr wirklich dafür, dass Diebstahl nicht mehr geahndet wird? Reicht es zukünftig, einen Dieb zu ermahnen, bitte nicht wiedertun?

                      Angeblich funktionieren Unternehmen mit gutem Betriebsklima, guter Entlohnung und Freiheitsrechten für die Beschäftigten am besten. Wieso sollte ein gemeiner Arbeitgeber also Interesse an Manchester-Druck haben? Sind die nicht so schlau wie Du?

                    • Stefan Sasse 7. Juli 2020, 11:22

                      Wo wir bei bemerkenswerten Dingen sind: Ich kenne jemand, der in höchste moralische Empörung gerät, wenn es um Steuern geht, und da von „Maßlosigkeit“ spricht, gleichzeitig aber keine Gnade kennt, wenn ausgebeutete Niedriglöhner ein Brötchen aus dem Müll fischen.

                      Menschen sind halt komplex, nicht?

                    • Stefan Pietsch 7. Juli 2020, 11:51

                      Absolut und ich bin bei Dir, dass wenn sich die Verhältnisse auch objektiv so darstellen würden, eine Kündigung maßlos wäre, wenn jemand das Brötchen genommen hätte.

                      Nur, so ist es häufig nicht. Es ist das, was bleibt, was sich gerichtsfest beweisen lässt. In den meisten Rechtsverfahren, so auch im Kündigungsschutzverfahren, konzentriert man sich der besseren Erfolgschancen wegen auf einen Sachverhalt. Für Outsider sieht es dann so hart aus.

                      Deswegen glaube ich diese Geschichten von dem Flaschenbon und dem Brötchen nicht so eins zu eins. Entweder ist das Unternehmen extrem rabiat oder man war schon lange vorher nicht glücklich miteinander oder es gab Vermutungen und die eigentliche Kleinigkeit war eben dann der Funken. Beides kommt vor, wobei letzteres in den meisten Fällen zutrifft.

                      Ich kann immer nur zwei Tipps geben:
                      a) Wer merkt auf einen Index zu stehen, sollte sich spätestens dann um absolute Korrektheit bemühen. Denn Spiel gibt es dann nicht mehr. Auch nur einen Bon zu nehmen, ist dann einfach nur blöd.

                      b) Such‘ Dir einen neuen Job, denn das wird keine glückliche Beziehung mehr.

                    • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 12:38

                      @ Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 17:17

                      Jemand, der einen Kassenbon mitnimmt, würde mit einem Strafbefehl von vielleicht 30 Tagessätzen verurteilt. Das sind bei einer Verkäuferin umgerechnet 1.600 – 2.000 Euro. Das Gleiche würde einer Kundin passieren, die einen Ohrclip für 5 Euro mitgehen lässt plus 100€ „Fanggebühr“ und Hausverbot.

                      Da liegt für mich ein Unterschied: Sollte der Beleg einen Wert haben, den statt des Kunden die Kassiererin mitnimmt (die den Bon vorher dem Kunden angeboten hat, der verzichtete), ist entweder kein Verlust entstanden, oder es wurde ein bereits fest einkalkulierter Rabatt realisiert – ist auch egal, wenn statt meiner eine Kassiererin den Pfand für eine Pfandflasche einlöst.

                      Aus meiner Wahrnehmung kein vergleich mit richtigem Diebstahl.

                    • Stefan Sasse 8. Juli 2020, 12:54

                      Genau.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 13:38

                      Das ist nicht der Punkt.

                      Jede Sache hat in einem Rechtsstaat einen Eigentümer. Wenn ein Dritter hier eingreift, ist das ein Delikt. Der Bon gehört dem Kunden. Wenn er diesen der Kassiererin übergibt, dann gehört er nicht etwa dieser, sondern dem Unternehmen, denn sie handelt in diesem Moment als Gehilfin. Dieses Konstrukt schützt Arbeitnehmer ja auch, denn in einem Schadensfall muss typischerweise der Arbeitgeber geradestehen.

                      Ob der Kunde den Bon nun schenkt, ist für die Beurteilung unerheblich. Sie hätten auch etwas dagegen, wenn jemand Ihnen etwas schenken will und derjenige, der das Geschenk übergeben soll, dieses einbehält. Argument: Ihnen entsteht ja kein Vermögensschaden, Sie haben mit dem Geschenk nicht gerechnet.

                      Etwas anderes ist es, wenn der Kunde der Kassiererin den Bon persönlich schenkt. Das kommt ja häufig vor und gehört in manchem Branchen (Stichwort: Tipp) zum Prinzip. Sich dieses aber einfach selbständig anzueignen zeigt den mangelnden Respekt der Kassiererin. Dass sie damit einen Diebstahl begeht, ist das Eine. Dass sie so selbständig zum eigenen Vorteil verfügt, ist die Begründung für die Störung des Auftragsverhältnisses.

                      Oder wie Sie sagten:
                      Der Ausführende hat eine mangelhafte innere Einstellung, eine Gelegenheit, und einen persönlichen Nutzen.

                      Das ist nach Ihrer Definition kriminell.

                    • Erwin Gabriel 9. Juli 2020, 15:02

                      @ Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 13:38

                      Der Bon gehört dem Kunden. Wenn er diesen der Kassiererin übergibt, dann gehört er nicht etwa dieser, sondern dem Unternehmen, denn sie handelt in diesem Moment als Gehilfin.

                      Wenn ich in einem Restaurant eine Rechnung von 35 Euro bekomme, 40 Euro auf den Tische lege und sage „Stimmt so“ – ist es aus Ihrer Sicht Diebstahl, wenn die Bedienung die verbliebenen 5 Euro als Trinkgeld verbucht und in die eigene Tasche steckt? Immerhin agiert die Servicekraft in dem Moment ebenfalls als „Gehilfin“.

                    • Stefan Pietsch 9. Juli 2020, 16:58

                      Im Prinzip ja, das haben Sie durchaus richtig erkannt und stimmen damit zu.

                      Der Punkt ist: In Restaurants wie sonstigen Branchen, wo ein Tipp handelsüblich ist, gibt es betriebliche Vereinbarungen über die Verfahrensweise. Meist ist dies so geregelt, dass das Trinkgeld entweder der Bedienung zusteht oder hiervon noch ein Betrag für die Küche abgezweigt wird. Andere Modelle sehen den gemeinsamen Topf vor. Ja, und Verstöße dagegen sind arbeitsrechtlich relevant.

                      Mit der Kassiererin wurde jedoch keine Vereinbarung über die Verwendung der Bons getroffen. Folglich hat sie einen Diebstahl begangen.

                      Es geht auch anders: bei Toilettenfrauen ist es meist so, dass die vermeintlichen Trinkgelder in Gänze dem Betreiber zu übergeben sind. Das wissen viele nicht, dass sie mit ihren Cent-Beträgen oft nur Tank & Rast mästen.

                      Ein guter Anwalt weiß die Antwort auf die Frage, die er stellt, schon im voraus. Und sollte sich damit nicht im Irrtum befinden. Gut, dass Sie nicht Anwalt geworden sind, Herr Gabriel. 🙂

                  • Stefan Pietsch 7. Juli 2020, 10:27

                    Ich denke mal, der Arbeitnehmer ist meist nicht der Freund des Arbeitgebers. Und ich hoffe Du bewertest das Verhältnis zu Deinem Arbeitgeber nicht so hoch wie das zu Deinen Freunden. 🙂

                    Selbst Müllmänner dürfen nicht im Müll wühlen, den sie abholen. Vielleicht wäre Dir das egal, es gibt jedoch viele, die in einem solchen Fall die Stadt informieren würden.

                    • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 12:40

                      @ Stefan Pietsch 7. Juli 2020, 10:27

                      Selbst Müllmänner dürfen nicht im Müll wühlen, den sie abholen. Vielleicht wäre Dir das egal, es gibt jedoch viele, die in einem solchen Fall die Stadt informieren würden.

                      Das ist halt Deutschland. Genauso, wie manch einer den Tag lang aus dem fenster schaut, um Falschparker anzuzeigen. Juristisch ist alles einwandfrei, aber menschlich hat der jenige meiner Meinung nach Defizite.

              • CitizenK 6. Juli 2020, 14:13

                Schon für Abmahnungen gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:
                https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/sowi_lehrstuehle/arbeitsrecht/EH/Microsoft_Word_-_Abmahnung_doc.pdf

                Eine fristlose Kündigung wegen einer solchen Lappalie ist die Höchststrafe und damit unverhältnismäßig.

                • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 15:04

                  Eben.

                • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 17:23

                  Wieso Höchststrafe? Vor die Wahl gestellt, einen Strafbefehl von 30 Tagessätzen zu akzeptieren oder die Kündigung, ist für manche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses attraktiver. Es gibt zehntausende Arbeitsplätze für Verkäufer, innerhalb kurzer Zeit hat man da etwas Neues.

                  Stellen Sie sich vor, Sie hätten Freunde zu Gast. Irgendwann am Abend bekommen Sie mit, dass einer etwas aus Ihrem Kühlschrank nimmt und in seine Tasche steckt. Sicher, Sie hätten noch gesagt: „Nimm‘ nur, ich hab‘ genug!“

                  • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 12:42

                    @ Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 17:23

                    Stellen Sie sich vor, Sie hätten Freunde zu Gast. Irgendwann am Abend bekommen Sie mit, dass einer etwas aus Ihrem Kühlschrank nimmt und in seine Tasche steckt. Sicher, Sie hätten noch gesagt: „Nimm‘ nur, ich hab‘ genug!“

                    Sie haben manchmal eine sehr krude Vorstellung davon, was ein passender Vergleich ist.

                    • Stefan Sasse 8. Juli 2020, 12:54

                      Oder ein echt merkwürdiges Menschenbild.

        • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 11:45

          Das liegt aber eher daran, dass die Regelungen für die Kassiererin völlig absurd sind und die Arbeitgeber unterirdisch als daran, dass die Regeln für Steinmeier das Problem sind.

  • Ariane 6. Juli 2020, 13:11

    @Citizen
    ch kann nicht sehen, dass diese Petitesse ein Beleg DAFÜR ist. Ein größeres Problem ist, dass die geltenden Normen und Regeln einen Fall wie Gabriel/Tönnies durchaus zulassen.

    Das BobbyCar von Christian Wulff zeigt, dass man das nicht übertreiben sollte. Es schlägt sonst ins Gegenteil um.

    Das Problem ist, dass wir eine Schieflage der Regelungen haben (gilt auch für die Kassiererin).

    Die Regeln im öffentlichen Dienst sind total aberwitzig und jeder, der mal ne Pralinenschachtel als Dank annimmt, steht unter Korruptionsverdacht. Ist übrigens bei Geldwäsche ähnlich, bevor der Immobilienmakler auch nur ein Exposé rausrücken darf, hat man schon ne halbe Sicherheitsprüfung hinter sich. Und gleichzeitig hat man einen Fall wie Wirecard, wo keiner mehr weiß, ob 2Mrd weg sind oder nie existiert haben.

    Die Möglichkeiten hat aber ein Sachbearbeiter ja gar nicht. Und es braucht ja durchaus auch Korruptionsbekämpfung am unteren Ende, aber mit realistischem Augenmaß, nicht Generalverdacht. Und am oberen Ende eben auch, da wird ja oft nicht einmal illegal gehandelt, weil viele Schlupflöcher existieren, die große Firmen mit einer Rechtsabteilung natürlich finden und ausnutzen.

    Es ist auch falsch, das ständig auf eine Stufe zu stellen, es ist etwas ganz anderes, ob man ein 5stelliges Beraterhonorar bekommt – ohne dass überhaupt klar ist, ob eine „Beratung“ stattgefunden hat oder eine Firma wie Augustus Intelligence überhaupt irgendeine Tätigkeit nachweisen kann – oder ob Amtsträger diplomatische Geschenke (oder ein Bobbycar) bekommen. Oder die Kassiererin ein Brötchen mitnimmt.

    Und Leute seid doch bitte nicht so naiv. Das Brötchen ist schnurzpiepe, das ist eine gute Möglichkeit, unliebsame Leute loszuwerden. Kein Arbeitgeber wirft einen Angestellten wegen so etwas raus, den er eigentlich behalten will. Das ist genau so ein Schlupfloch.

  • cimourdain 6. Juli 2020, 18:16

    2) Frag den Staat hat die Ministerien mal auf die Geschenkelisten der letzten Wahlperiode abgeklopft.

    https://fragdenstaat.de/projekt/geschenke-an-mitarbeiterinnen-der-behorde-in-der-18-wahlperiode/

    Und da ist es schon komisch, wenn zwischen all den Dekotellern ausgerechnet das Anstandsgeschenk übersehen wird, das eine Größenordnung mehr kostet und außerdem von einem problematischen Absender kommt.

  • Ariane 6. Juli 2020, 20:23

    @Cimo
    aber dein Post ist fast schon ein Musterbeispiel, wie man eine Debatte zum Entgleisen bringt:

    Nun ja, ich dachte das war schon bei Notallmen der Fall 😉

    Das Thema ist eigentlich zu ausufernd um mal fix in den Kommentaren abgehandelt zu werden. Und aber ja, ich bin empört, sehr. Das ist übrigens genau die richtige Reaktion darauf, auch wenn ihr das vielleicht nicht hören wollt.

    Ich hab eine Freundin in Münster mit einem 4jährigen Sohn. Die hat mir erzählt, dass auf sämtlichen Kanälen – tagelang – die Namen, Bilder, Adressen, Parzellennummer lief inklusive dem Aufruf, sich bitte beim kleinsten Verdacht dass das eigene (oder ein bekanntes) Kind betroffen sein könnte, weil sie die Opfer identifizieren mussten.

    Wir brauchen in sämtlichen Institutionen – überall – Regeln und Schulungen zur Prävention. Sachen wie „was hattest du an (siehe Männerwelten) müssen absolut verboten sein, genauso wie Fragen, ob man es vielleicht nicht doch gewollt hat oder den Täter (selten die Täterin) in irgendeiner nur erdenklichen Weise provoziert haben könnte“

    Ausnahmslos und verbindliche Regeln und Schulungen, um diese Täter/Opfer-Umkehr endlich zu beenden, viel viel besserer Opferschutz, viel viel bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Behörden, jede Schule braucht einen Schulpsychologen/sozialarbeiter. Die Werbekampagnen für die Hilfshotlines sollten auch außerhalb einer Pandemie bestehen bleiben.

    Neben der Dunkelziffer ist das größte Problem die personelle und finanzielle Ausstattung, mal abgesehen davon, dass das meistens NGOs und nicht mal staatliche Stellen sind. Wir müssen auch die Gesetze anpassen, es ist vollkommen verrückt, wenn ich nach einer Vergewaltigung die Beweissicherung bitte selbst bezahlen soll, weil ich Zeit brauche um mir zu überlegen, ob ich auch eine Anzeige mache. Usw usf.

    Auch bei KiTas und Schulen brauchen wir Schulungen zur Gewaltprävention, wir dürfen die LehrerInnen und ErzieherInnen mit dem Problem nicht alleine lassen, die müssen auch wissen, worauf achten, wohin wenden, was tun.

    Seit gestern oder so ist Upskirting tatsächlich verboten. Mal überlegt, wie ich das so als Frau finde, dass mir sonst jeder unter den Rock fotografieren darf und das war nicht mal illegal? Dass es genug Leute gab, die da tatsächlich meinten, das wäre übertrieben, weil das ein Verbrechen ohne Opfer ist? Oh aber ja, ich kann kaum in Worte fassen, wie hypermoralisch empört ich bin. Möchte mir noch mal jemand erzählen, dass ich dann halt keinen Rock anziehen soll in der Öffentlichkeit?

    Also ja, wir müssen die Opfer geschlechtsunabhängig (wie gesagt bei Männern haben wir gerade das größte Problem mit der Dunkelziffer, weil die noch überhaupt nicht als Opfer ernstgenommen werden, obwohl sie statistisch vermutlich (Dunkelziffer) ebenso häufig betroffen sind) ernstnehmen und müssen aufhören, ihnen eine Mitschuld zu geben. Egal ob es um Stalking, körperliche Gewalt, psychische oder sexuelle Gewalt geht übrigens.

    Und wir müssen aufhören, die GewalttäterInnen zu entschuldigen. Wir reden über Gewalt, dafür gibt es keine Entschuldigung. Auch wenn eine Horde nackter Frauen und Kinder durch die Straßen läuft, ist das keine Entschuldigung für sexuelle Gewalt oder Belästigungen. Auch Streitereien (Sie wollte ihn verlassen, deswegen tötete er sie und die Kinder) sind keine Entschuldigung für Gewalt. Natürlich gibt es für jede einzelne Tat Erklärungen, aber das darf nicht in Relativierung und Verharmlosung umschlagen.

    Und ja, leider spielt da Besitzdenken häufig eine Rolle. Deswegen haben wir diese Schieflage hauptsächlich unter Tätern. Oder auch wie du ja erwähntest bei Frauen eher bei Schutzbefohlenen, sprich Kindern und Alten. Da müssen wir ran, niemand ist jemandes Besitz, wir brauchen stattdessen eine neue Verantwortungsethik, die eben auch gesellschaftlich gilt, nicht nur zb innerhalb einer Familie, des eigenen Umfelds.

    Verbrechen lassen sich nicht absolut verhindern. Das müssen wir akzeptieren, Pädophilie, mangelnde Impulskontrolle, Aggressivität, Sucht sind anerkannte Krankheiten. Die lassen sich nicht wegwünschen, auch hier brauchen wir eine verbesserte Hilfsstruktur. Und eben frühzeitige Erkennung, damit wenn etwas passiert der Kreislauf früh genug unterbrochen werden kann.

    Und wir müssen mit dem Leugnen und Verdrängen aufhören. Es ist ein dramatisches Problem, jetzt im Besonderen. Wenn wir diese Probleme individualisieren hilft uns das leider nicht.

    • cimourdain 7. Juli 2020, 09:06

      Ich stimme dir ja in den meisten Punkten zu.
      Allerdings hast du noch eines vergessen: Die verheerende Rolle von Alkohol sowohl auf das allgemeine Familienverhalten als auch als Gewaltenthemmer (gilt auch im öffentlichen Raum). Da kann man noch eine Menge unpopuläre Dinge fordern.
      Beim Upskirting hast du (wie auch die meisten Kommentatoren) einen Bären aufbinden lassen. Das war schon vorher ein Delikt im Rahmen der Persönlichkeitsschutzrechte. Das Hineinnehmen in das Sexualstrafrecht dient vor allem dazu, Sexual(!)straftaten für die Statistik zu produzieren, die einfach mittels Durchsuchung von Handys aufgeklärt werden. Sprich es ist ein Werbeprogramm für Staatstrojaner etc. .

      • Ariane 7. Juli 2020, 12:34

        Sucht habe ich angesprochen, Alkoholismus ist eine anerkannte Krankheit. Ich habe vermieden, nochmal auf toxische Männlichkeit und die Machoregeln hinzuweisen, sich bei psychischen Problemen keine Hilfe zu suchen, sondern zb zu Alkohol oder anderen Drogen zu greifen. Massenbesäufnisse haben Stefan und ich übrigens auch schon häufiger thematisiert.

        Und du sagst es: es war ein Delikt! So wie Falschparken ein Delikt ist. Und nein, es dient vor allem dazu, klarzumachen, dass es eine Straftat ist, mir unter den Rock zu fotografieren und eben kein Kavaliersdelikt!
        Wie oft trägst du einen Rock? Meinst du wirklich ich hab mir einen Bären aufbinden lassen? Ja, das ist schwer aufzuklären. Na und? Wohnungseinbrüche auch!
        Und ja, es ist dringend Zeit, dass Dickpics und Upskirting als sexuelle Straftaten (sexuelle Belästigung) in die Statistik mit aufgenommen werden und weitere Aufklärungskampagnen dazu laufen, wie es Männerwelten eben auch war.

        Das hat nichts, aber übrigens gar nichts mit dem Staatstrojaner zu tun. Sondern damit, klarzustellen, dass das nicht lustig oder harmlos ist. Sondern übergriffig und jetzt eine Straftat.
        Auch damit andere Männer übrigens, wenn sie so etwas bemerken, hoffentlich mal einschreiten und sich nicht gegenseitig anstupsen und „yeah, geil“ sagen.

        Und sorry, aber deine Antwort zeigt, wie dringend nötig das ist. Wäre doch echt mal nett, wenn ich auf ein Fest gehen könnte ohne männliche Begleitung und im Rock oder Kleid ohne mir Sorgen zu machen, dass ich damit als Freiwild für andere Männer gelte. Ich bin daran gewöhnt, das heißt aber nicht, dass das normal oder gar wünschenswert ist.

        • Stefan Sasse 7. Juli 2020, 12:45

          Genau das.

        • cimourdain 7. Juli 2020, 16:44

          *seufz* Delikt und Straftat sind synonym. Unterschieden wird zwischen Verbrechen ( Mindeststrafe über ein Jahr ) und Vergehen sowie zwischen Antrags- und Offizialdelikten. Es handelte sich vorher um ein Vergehen, jetzt um ein Vergehen, vorher um ein Antragsdelikt, jetzt um ein Antragsdelikt.
          Wie gesagt reine Show für den von der Bildzeitung angeheizte Volkszorn („Handy-Spanner“).
          Wo wir bei Strafrecht sind: Ich bin inzwischen dafür als § 130a StGB (warum dort, solltest du selbst nachschlagen) einen Straftatbestand „bewusste Irreführung zum Strafrecht“ einzuführen.

        • cimourdain 7. Juli 2020, 16:58

          Korrektur: §130 b StGB

  • CitizenK 6. Juli 2020, 22:51

    „Es ist also keine Lappalie, Müll aus dem Müll eines anderen zu nehmen.“

    Es ist dieses rechte Denken, das „Eigentum“ selbst an Müll über das Schicksal von Menschen zu stellen.
    Und es ist dieses juristische Denken, das Ludwig Thoma zu seinem bekannten Bonmot gebracht hat.

    • Stefan Pietsch 6. Juli 2020, 23:06

      Warum nicht die Achtung vor dem Anderen? Warum nicht fragen: Darf ich? So machte man das noch früher, als ich aufgewachsen bin. Das mag „rechtes“ Denken sein im Sinne von rechtsstaatlich. Es ist aber vor allem eine Sache der Höflichkeit, des Respekts, der Achtung. Also all das, was für Linke Fremdworte sind, spätestens seit Lafontaine sie als „Sekundärtugenden“ ächtete.

      Bemerkenswert ist dann halt noch, dass Sie die deutsche (und nicht nur die) Rechtsprechung, ja, die deutsche Rechtstradition für falsch halten.

      P.S.: Bekomme ich nun Zugriff auf Ihren digitalen Papierkorb und wenn nicht, warum nicht?

      • CitizenK 7. Juli 2020, 18:25

        Nein. Weil Sie offenbar den Unterschied zwischen einem Brötchen und Informationen nicht kennen.

        Wenn man sich vor Gericht auf einen Sachverhalt konzentriert, dann liegt auch nur der dem Urteil zugrunde und nicht eine evtl Vorgeschichte. Dagegen vor allem richtet sich meine Kritik. Unternehmer sind wie sie sind.

        Ihrem „Urteil“ im Blog hier liegen sogar nur bloße Vermutungen zugrunde. Ziemlich befremdlich für einen Juristen und Verfechter des Rechtsstaates.

        • Stefan Sasse 7. Juli 2020, 18:37

          Du missverstehst das, das ist Stefans tief empfundenes Mitgefühl, das uns Linken leider abgeht.

        • Stefan Pietsch 7. Juli 2020, 20:40

          Weil Sie offenbar den Unterschied zwischen einem Brötchen und Informationen nicht kennen.

          Für Juristen ist das ziemlich egal. Sag‘ ich Ihnen als Verfechter des Rechtsstaates.

          Die Sache ist doch absolut klar: wer etwas entwendet, ist ein Dieb. In einem solchen Fall darf von der Nichtzumutbarkeit für den Bestohlenen ausgegangen werden. Sie sind der, der immer lamentiert, man müsse die Umstände berücksichtigen, den Wert der Sache (Lappalie), die Häufigkeit (Einmal!). Aber Sie wollen halt nur die mildernden Umstände, Sie wollen nicht den Sachverhalt umfänglich würdigen, dann fängt Ihr Gegenüber ein: Nicht mehr bewiesen, bitte nur Konzentration auf das Eine usw. Also, was wollen Sie? Diebstahl ist Diebstahl und immer eine Straftat.

          Da bei Hoeneß im Strafprozess die tatsächliche Höhe der hinterzogenen Steuern nicht festgestellt werden konnte, wurde die Strafe aufgrund des Fakts des Vergehens (Steuerhinterziehung über 1 Million Euro) festgesetzt. Wenn das Finanzamt danach noch herausgefunden hätte, dass es nicht 7 Millionen, sondern 8 Millionen waren, wäre das auch nicht mehr strafrechtlich relevant gewesen. Das Gleiche gilt, wenn Einbrecher wegen gewerbsmäßigen Diebstahls verurteilt werden. Es spielt dann auch keine Rolle mehr, ob man nach Ende des Verfahrens herausfindet, dass statt 8 Einbrüchen noch 2 weitere auf das Konto der Bande gehen.

          Ich finde das vernünftig und richtig. Aus Gründen der Fairness gegenüber einem Angeklagten wie der Prozessökonomie. Nur gilt das eben generell.

          • cimourdain 7. Juli 2020, 23:05

            Unterscheiden Sie bitte: Das Brötchen ist eine bewegliche Sache, Daten nicht [außer durch pragmatische Rechtsprechung im Sonderrechtsgebiet Kaufrecht]. Deswegen existiert der Tatbestand „Diebstahl“ für Daten nicht.

            • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 02:25

              Es ging um etwas Anderes, nämlich um die Behauptung

              Die „entwendeten“ Sachen waren für den Müll bestimmt. Der Arbeitgeber wurde also gar nicht geschädigt.

              Als ein Beispiel führte ich den Zugriff auf den digitalen Papierkorb an. Es ging nicht um Datendiebstahl.

              Jetzt können Sie sich positionieren. Stimmen Sie CitizenK zu, dass die Dinge, die wir in den Müll / Papierkorb legen, dem Zugriff anderer ausgesetzt sein sollen ohne dass diese uns um Erlaubnis fragen müssen.

              Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.

              • Erwin Gabriel 8. Juli 2020, 12:59

                @ Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 02:25

                Als ein Beispiel führte ich den Zugriff auf den digitalen Papierkorb an. Es ging nicht um Datendiebstahl.

                Kein passendes Beispiel. Wenn ich etwas (eine Zeitung, eine Konserve mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, einen alten oder kaputten Fernseher) in den Müll schmeiße, dann, weil es für mich keinen weiteren Wert hat. Nimmt sich jemand die Zeitung, die Konserve oder den Fernseher, kann mir dadurch kein Schaden entstehen (und bitte kein abstruses Beispiel anführen, dass man mir auflauern und mir die Konserve vor den Kopf schmeißen könnte etc.).

                Wenn ich etwas in den digitalen Papierkorb schmeiße, kann das – muss aber nicht – den gleichen Grund haben. Es kann aber auch den Grund haben, dass ich gerade wollte, dass keiner das sieht. Es kann sich um Informationen handeln, die mir und anderen schaden könnte.

                Wenn, müssen Sie seriös vergleichen: Der ausgedruckte und weggeworfene Entwurf einer Steuererklärung vs digitalem und gelöschtem Entwurf einer Steuererklärung. In beiden Fällen möchte niemand, dass das eine andere Person in die Finger bekommt.

                Ein digitales Äquivalent für eine Rolle Klopapier oder ein vergammeltes Brötchen habe ich leider nicht gefunden.

                Stimmen Sie CitizenK zu, dass die Dinge, die wir in den Müll / Papierkorb legen, dem Zugriff anderer ausgesetzt sein sollen ohne dass diese uns um Erlaubnis fragen müssen.

                Den Papierkorb hat Citizen nicht aufgeführt, den schreiben Sie jetzt dazu. Und diese Zusptizung auf Schwarz-Weiß, die Sie anbringen, wenn es Ihnen genehm ist, lassen Sie bei „Ihren“ Themen auch nicht gelten.

                • CitizenK 8. Juli 2020, 16:05

                  Wenn ich Sachen zum Sperrmüll rausstelle, habe ich damit kundgetan (= konkludente Handlung), dass ich mein Eigentumsrecht daran aufgegeben habe nicht mehr wahrnehmen möchte. Am Abend kommen dann Leute, die das evtl. noch gebrauchen können und bedienen sich. Wenn ich etwas behalten will, hole ich es rechtzeitig zurück.

                  Dass für die Müllwerker etwas anderes gilt, hat begrenzt Sinn. Dass aber einer entlassen und angezeigt wird, weil ein Kinderbett statt zum Schreddern (realer Fall) mit genommen hat, ist absurd. Und deutsch. Kein Common Sense.

                  Das Gleiche gilt für den Papierkorb (jedoch nicht für den digitalen, wie E. G. richtig anmerkt!).

                  Dass dies von Gerichten anders beurteilt wird, ist dem lebensfern-formalistischen Juristendenken geschuldet – und überdies der Pervertierung eines übersteigerten Eigentumsbegriffs.

                  • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 18:10

                    Wenn ich Sachen zum Sperrmüll rausstelle, habe ich damit kundgetan (= konkludente Handlung), dass ich mein Eigentumsrecht daran aufgegeben habe

                    Da unterliegen Sie einigen Irrtümern. Erstens haben Sie das Eigentumsrecht nicht bereits dadurch aufgegeben, in dem Sie zeigen, dass Sie mit einer Sache nichts mehr zu tun haben wollen. Schon das BGB (ja, die weltfremden Juristen) setzt in § 929 „Einigung und Übergabe“ voraus.

                    Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll.

                    Stellen Sie sich vor, das ist deutsches Recht! Seit weit mehr als einem Jahrhundert! Beides ist nicht der Fall, wenn jemand einfach an den Müll eines anderen geht. Es ist nur klar, dass der Eigentümer den Müll an die Stadt übergeben will, die das Angebot macht, den Müll abzuholen.

                    Sie haben ein wirklich seltsames Rechtsverständnis und denken die Dinge nicht zu Ende. Und warum? Alles nur, weil Sie Personen, die Sie als benachteiligt ansehen, reinwaschen wollen. Prinzipien sollten nicht so billig sein.

                    Nach Ihrer Vorstellung gibt es im Recht eine Phase, in der eine Sache keinen Eigentümer hat. Der mit der Sache im Mülleimer will diese nicht mehr. Die Müllabfuhr hat sie noch nicht geholt, kann daher auch nicht die Verfügungsmacht ausüben. Das kann eine prima Sache sein. Wer sein Auto nicht mehr mag, stellt es einfach ab, Geschichte erledigt. Er hat ja kundgetan, nichts mehr damit zu tun haben zu wollen, keine Rechte, keine Pflichten. In diesem Sinne ist es auch einfach, Haustiere auszusetzen, schließlich ist klar, dass der Besitzer nichts mehr damit zu tun haben will.

                    Sie denken nicht zu Ende, das ist der Vorwurf. All das, was Sie wertschätzen, greift nur, weil es zu keinem Zeitpunkt Unklarheit über die Eigentumsverhältnisse gibt. Auch wenn ich ein Haustier nicht mehr will, lässt es sich nicht einfach aussetzen. Das Eigentum und damit auch das strafbare Handeln fällt auf mich zurück. Erst wenn ich eine Sache ordnungsgemäß übergeben habe, ist tatsächlich das Eigentum übergegangen und meine Pflichten erloschen.

                    Ich finde es höchst bedenklich, wenn ausgerechnet ein Lehrer solche klaren Prinzipien mit Füßen tritt, in dem er sie als „lebensfern-formalistischen“ Kram und „übersteigerten Eigentumsbegriff“ verhöhnt.

                    Es bleibt für mich ein Rätsel, warum Sie meinen Menschen vor den Konsequenzen des Rechts schützen zu müssen, in dem Sie sie von dem Selbstverständlichsten entbinden. Einfach fragen: darf ich das nehmen? Die wenigsten Arbeitgeber werden am Ende des Tages etwas dagegen haben, wenn eine Angestellte fragt, ob man die nicht verkauften Brötchen mitnehmen kann. Und auch ein Nein ist zu akzeptieren, so unverständlich das einem erscheinen mag. Und vielleicht sollte man sich dann fragen, ob man für einen solchen Menschen arbeiten möchte.

                    • CitizenK 8. Juli 2020, 18:56

                      „Auch wenn ich ein Haustier nicht mehr will, lässt es sich nicht einfach aussetzen“

                      Erkennen Sie den Unterschied wirklich nicht? Zwischen einem kaputten Schreibtischstuhl und einem Tier? Zwischen einer erkennbar nicht mehr werthaltigen Sache und einem Lebewesen!

                      Für Juristen sind Tiere „Sachen“, nur geringfügig geschützt durch das Tierschutzgesetz.

                      Ludwig Thoma war selber Jurist. Er wusste, wovon er schrieb.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 19:11

                      Bitte nicht schreien. Wir können auch so diskutieren.

                      Ja, für Juristen sind Sachen Sachen. Sie wollen scheinbar etwas anderes. Für jede Art von Sache ein extra Gesetz und dazu Durchführungsverordnungen. Bitte sagen Sie nicht, das hätten Sie nicht gesagt. Doch haben Sie, Sie reden die ganze Zeit über nichts anderes. In Ihrer Welt sind Brötchen nicht mit Künstlerskizzen zu vergleichen, selbst wenn sie im gleichen Müll landen. Ich habe hoffentlich genügend Beispiele genannt (Sie können gerne noch mehr haben), und das Auto war schon dabei.

                      Ja, Tiere sind Sachen, weil sie sonst juristisch betrachtet Menschen wären. Die Probleme könnten Sie sich aber gar nicht ausmalen. Artikel 20a, immerhin Grundgesetz, schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere. Es ist also schon besser als von Ihnen befürchtet.

                      Aber das war nicht der Punkt. Versuchen wir etwas bei der Sache zu bleiben.

                      Könnten Sie mir bitte die nun 10mal gestellte Frage beantworten: Warum ist es in Ihren Augen eine Zumutung und kein Akt der Höflichkeit, den Besitzer von „Müll“ zu fragen, ob man das nehmen kann, was er offensichtlich nicht mehr braucht?

                    • Dennis 8. Juli 2020, 20:03

                      @ Stefan Pietsch in seiner Eigenschaft als juristischer Sachverständiger

                      Zitat:
                      „Ja, Tiere sind Sachen, weil sie sonst juristisch betrachtet Menschen wären. “

                      § 90a BGB:

                      „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“

                      Insbesondere falsch ist also Ihr Konditionalhalbsatz: „weil“…usw.

          • CitizenK 8. Juli 2020, 07:56

            Immer wieder:Hoeneß. Was hat der hier zu suchen? Der hat doch weder ein Brötchen noch Müll gestohlen. Und für den Inhalt meines digitalen Papierkorbs hat er sich bisher auch noch nicht interessiert.

            • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 13:49

              Der Fall, wo Skizzen aus dem Müll des Künstlers Richter entwendet wurden, hat Sie ja auch nicht interessiert. Weil es keine Brötchen waren? Schaffen wir jetzt noch ganz besondere Regeln für Verkäufer? Diebstahl ist, wenn jemand eine Sache entwendet. Es sei denn, es handelt sich beim Täter um eine Verkäuferin, die sich an der Verkaufsware bedient und diese gleichzeitig einen geringen Wert, im Zweifel nicht mehr als 10€ besitzt.

              Stellen Sie sich so also das angepasste Recht vor?

              • CitizenK 8. Juli 2020, 16:11

                „Skizzen aus dem Müll des Künstlers hat Sie auch nicht interessiert“

                Ich muss nicht alles richtig finden, was Juristen entscheiden. Auch Sie nicht! Nur Mut! Sapere aude!

                • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 18:14

                  Ja, da kommt der Revoluzzer in Ihnen durch. Das Recht hat wenig mit wagen zu tun. Das Recht gehört zu den Grundpfeilern unserer Zivilisation. Würden Sie genauso reden, wenn ich fordern würde: weniger Demokratie! Ein Hoch auf die Autokratie!

                  Das wäre doch strange, oder? Und jetzt wissen Sie, wie ich über Ihre Meinung denke.

                  • TBeermann 8. Juli 2020, 20:27

                    Da war doch jemand, der noch vor kurzem damit geprahlt hat, dass ihm die Gesetzeslage bei Kündigungen egal ist und er das schon immer so hin biegt, wie er das braucht.

                    Keine Ahnung, wer das war. Muss aber ein kompletter Depp sein, wenn er den „Grundpfeiler unserer Zivilisation“ nicht respektiert, gell?

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 20:31

                      Können Sie auch anderes außer Quatsch?

                    • TBeermann 8. Juli 2020, 20:43

                      Ich kann meine Zunge rollen. Wusstest du, dass zwischen 19 und 35 % der Bevölkerung das nicht können?

      • cimourdain 7. Juli 2020, 23:10

        Ich muss Sie jetzt doch vor diesen finsteren Gesellen warnen. Schützen Sie Ihren Müll und stellen ihn NICHT auf die Straße.
        https://www.der-postillon.com/2016/01/auf-frischer-tat-ertappt-polizei-nimmt.html

  • CitizenK 8. Juli 2020, 19:36

    „….10mal gestellte Frage“

    Wenn die Situation das zulässt, als zusätzliche Geste: Ja, warum nicht.
    In meinen Beispielen ist das aber in der Situation nicht möglich: Auf der Straße steht der kaputte Schreibtischstuhl. Morgen früh wird er von der Müllabfuhr geholt. Wo klingeln?

    Ich ein Revoluzzer? Zuviel der Ehre. Was ich hier vertrete, sind Gedanken eines Juraprofessors und Justizministers:
    https://nibis.de/uploads/2medfach/files/Gustav_Radbruch.pdf

    Habe ich Ihnen schon 10mal zur Lektüre empfohlen, bisher leider ohne jegliche Resonanz. Falls das aber schon zu revolutionär ist, zum Einstieg die Kolumnen von Heribert Prantl (Dr. jur. magna cum laude und ehemals Staatsanwalt) in der Süddeutschen Zeitung.

    • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 20:20

      Wieder etwas über Sie gelernt.

      1. Zitierregeln sich absolut sinnvoll.
      Ich habe nun Ihren Link in Gänze gelesen. Erstens weiß ich nach dem Lesen immer noch nicht, worum es Ihnen geht. Zweitens fehlt jeder Bezug zur Debatte. Drittens ist das Lesen eine Zumutung, so man nicht Philosoph oder dem Autor zugetan ist. Was wiederum auf den abstrahlt, der den Link gesetzt hat. All das hätte sich durch eine Kurzfassung umgehen lassen.

      2. Sie können auch unhöflich.
      Anders ist es nicht zu werten einem anderen etwas aufzuzwingen, wo sich nach Öffnen der Blackbox herausstellt, dass es Zeitverschwendung war. Ich habe mir das vorgemerkt und werde so schnell nicht mehr auf einen Link eingehen, den Sie zwar für absolut lesenswert halten, aber keine Kurzinfo geben, die über die Wertung hinausgeht: Finde ich gut.

      3. Stil und gute Umgangsformen sind selbst für ordentliche Sozialdemokraten nur eine Frage von geringer Ordnung.
      Niemand hat ein Anrecht auf meinen kaputten Schreibtisch. Es gibt Gründe, warum ich ihn zum Sperrmüll gebe. Wenn ihn jemand trotzdem toll findet, dann wird er auch noch einen Preis dafür bezahlen. Er hat also einen Wert. Den darf jemand auch dann zahlen.

      Die Formulierung Wenn die Situation das zulässt, als zusätzliche Geste: Ja, warum nicht. macht mich wortreich sprachlos. Wenn ich jemanden demnächst im Kasernenton anheische, habe ich eine gute Begründung: für Nettigkeiten war einfach keine Gelegenheit.

      Um im Beispiel zu bleiben: wenn keine Gelegenheit besteht, den bisherigen Eigentümer des kaputten Schreibtisches um seine Einwilligung zur Wegnahme zu fragen, dann brauche ich ihn nicht. Nichts kann so wichtig sein, auf Formen des zivilisierten Umgangs zu verzichten.

      Revoluzzer haben das natürlich immer anders gesehen. Die Mission geht vor.

      • CitizenK 8. Juli 2020, 21:50

        Punkt 1: Kritik berechtigt. Akzeptiert. Kurzfassung sollte sein. Aber immerhin haben Sie dann nicht nur über mich was gelernt.

        Punkt 2: krude Argumentation. Warum sollte jemand zahlen für etwas, was ich für jedermann (und jedefrau) erkennbar ohne Gegenleistung abgeben will?

        • Stefan Pietsch 8. Juli 2020, 22:15

          Wir wissen ja oft erst um den Wert einer Sache, wenn uns ein anderer einen Preis dafür bietet. Dass ich bereit bin, etwas auf den Müll zu tun, hat damit zu tun, dass ich bisher keinen gefunden habe, der mir dafür etwas zahlt. Und dass jemand meinen kaputten Schreibtisch will, hat damit zu tun, dass er bisher nichts gefunden hat, dass ihn sein Budget passte. Ein Gespräch löst das Problem beider.

          Aber es war nicht mein Punkt, sondern die Geschichte darum herum. Der eigentliche Punkt ist der Anstand, nicht einfach etwas zu nehmen, weil ein anderer etwas wegschmeißen will.

          Ich denke, da haben wir unsere Punkte gemacht.

  • Ariane 9. Juli 2020, 05:17

    Ich verstehe diese ganze Gender-Debatte immer weniger. Ziel müsste doch sein Gewalt zu verhindern, Täter zu therapieren und Opfer zu schützen. Ob Männer nun für 10%, 50% oder 90% der Taten verantwortlich sind, ist von rein akademischem Interesse und ändert nichts an der gesellschaftlichen Antwort, die wir finden müssen.

    Nein, es ist nicht gleichgültig, da die „Begründungen“ meist unterschiedlich gelagert sind. Ich stimme Erwin und Stefan auch absolut zu, dass wir noch eine gewaltige Dunkelziffer bei Männern haben, die Opfer von Gewalt sind (v.a. von Frauen und/oder sexueller Natur).

    Ich habe es jetzt nicht nochmal nachgeschlagen, zur Not also bitte selbst googlen. (und wie gesagt, Dunkelziffer ein bisschen nachdenken).

    Es gibt da gewaltige Verschiebungen, sowohl auf Opfer als auch auf Täterseite. Cimo hatte ja Gewalt (ich inkludiere hier auch psychische) von Frauen gegen Kinder (und ich: SeniorInnen) angeführt.
    Da haben wir auf Täterseite ein ausgeglichenes Verhältnis, bei Frauen und Männern gleich viel (Opfer dann logischerweise geschlechtsunabhängig).

    Nehmen wir jetzt sexuelle Gewalt verkehrt sich das komplett: Da sind wir m.W. bei 90% Männern – Opfer hauptsächlich Frauen, aber eben auch andere Männer (häufig Jüngere)

    Gewalt wie Prügeleien: Das sind sehr häufig Männer gegen Männer (Insgesamt sind Männer zb häufiger Gewaltopfer als Frauen)

    Schwere Körperverletzung häufig mit Todesfolge wieder extrem: Die größte Lebensgefahr für eine Frau ist der eigene (Ex-)Partner! Mehr als Unfälle, Selbstmord, Krankheiten etc. Das typische „Familiendrama“ Mann tötet Frau, Kinder und oft auch noch sich selbst.

    Also
    Nein, ich halte das Geschlecht sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite nicht für egal. Wir müssen als Gesellschaft auch auf beiden Seiten ansetzen, da hat sich Gott sei Dank schon eine Menge getan (und eine Menge neuer Probleme auch aufgetan, siehe Social Media, Männerwelten etc)

    Gesellschaftlich (das wird immer noch verhandelt und wird auch nie aufhören) sind wir schon soweit, dass a) Gewalt an sich verpönt ist – auf allen Ebenen, gegen Kinder, Prügeleien unter „Jungs etc“ b) Selbstbestimmung sehr sehr viel mehr Gewicht bekommen hat, von Kindern, Frauen, LGBT-Menschen.

    Das kann in seiner Bedeutung überhaupt nicht überschätzt werden und es ist verdammt neu. Noch nie dagewesen! Wir (aka „der Westen“) sind da die Speerspitze. Es ist auch verdammt brüchig, gibt genug Länder gerade, die versuchen, moderne Selbstbestimmungsrechte wieder zurückzudrehen (Hallo Polen!).

    Wie man beim Upskirting oder auch Drohungen sieht, sind wir immer noch dabei, Gewalt gesetzlich und gesellschaftlich zu sanktionieren. Und ja, das ist sehr wichtig! Damit klargestellt ist, dass Dickpics und Upskirting kein Kavaliersdelikt, sondern Straftaten sind!

    Zweitens: Der nächste große Aufgabenpunkt ist, dass Männer sich sicher genug fühlen, zu erkennen dass sie auch Opfer sein können und ihr Recht auf Gewaltfreiheit einzufordern! Und dass umgekehrt auch die Gesellschaft ihnen diese Opferrolle auch zuerkennt bzw auch präventiv unterstützt.
    Ich finde zb, dass es selbstverständlich sein sollte, männlichen Jugendlichen beizubringen, wie man sich sicher draußen bewegt und dass nicht nur den Mädchen beibringt! Für Mädchen ist das selbstverständlich!

    Das ist ein weiter Weg. Ich finde, es ist schon deutlich besser, gerade bei Jungs. Mobbing wird ernster genommen, es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass Jungen (männliche Jugendliche) häufig Opfer sexueller Gewalt sind. Die ganzen Missbrauchs-Skandale bei Internaten, Klostern etc. haben da echt viel geholfen, Respekt an die Opfervereinigungen!

    Immerhin. Aber ich warte noch auf ein #Metoo von Männern. Das gab es leider noch nicht. Bzw von heterosexuellen Männern. Bei Schwulen hatten wir das in unterschiedlicher Ausprägung, (It gets Better – sag ich nur! Großartig!) Bei Misshandlungen im Kindesalter haben/hatten wir es auch. Jetzt haben wir es bei BlackLifesMatter (wo übrigens wieder hauptsächlich Männer gefährdet sind!)

    Und zwar eine eigenständige #metoo-Bewegung. Nicht „bitte stell dich als Frau nicht so an, weil Männer es auch schwer haben – übrigens!“
    Ach was. Natürlich, es ist für jedes Individuum extrem schwer mit Gewalt (egal welcher Art) umzugehen und das auf eine gesunde Weise!

    Das ist (noch) eine gigantische Leerstelle und mein Eindruck ist: wir haben wenig Zeit sie zu füllen. Weil gerade ein ziemlicher Backlash läuft. Ich glaube aber, es wäre wichtig, um aus den Macho-Strukturen auszubrechen. Gerade und vor allem für Männer.

  • CitizenK 9. Juli 2020, 18:15

    Mit dem „Trinkgeld“ zeigt sich der Gast erkenntlich für eine freundliche und gute Bedienung. Das AG Mainz hat schon 2010 entschieden, dass das Trinkgeld dem Arbeitnehmer gehört, dem es zugewendet wird.

    § 133 BGB stellt die Basisnorm dar und lautet: Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

  • CitizenK 11. Juli 2020, 08:18

    Zu 1) Russland und China blockieren Hilfe für Syrien

    https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-07/vereinte-nationen-humanitaere-hilfen-syrien-sicherheitsrat-russland

    Russland ist klar. Aber warum China?

    • Stefan Sasse 11. Juli 2020, 10:18

      Das hat ja Symbolwirkung für die ganze Region und vor allem Iran, und China hat eine extrem starke Verflechtung mit dem Iran.

      • Ariane 11. Juli 2020, 10:53

        Ich könnte mir auch vorstellen, dass es noch darüber hinaus geht (mal abgesehen davon, dass die sich gerade im Sicherheitsrat echt wegen Nichtigkeiten gegenseitig blockieren).

        Nämlich indem internationale Hilfsorganisationen (auch Presseberichterstatter) mehr und mehr von Russland und China (und jedem Protofaschisten-Möchtegerndiktator) zu eigenen politischen Playern gemacht werden. So nach dem Motto „Politisierung von allem“, läuft mit der WHO ja genauso.

        Gerade über Serbien gelesen (und in den USA war es ja auch so), dass auch selbst ausländische Journalisten angegriffen oder verprügelt worden sind. Ich meine du hattest auch irgendwann mal einen Artikel – über den IS? – wo es Thema war, dass das Gentleman’s Agreement, dass man Hilfsorganisationen und Reporter in Ruhe lässt auch ad acta gelegt wurden und die sogar gezielt angegriffen bzw gerade zu Propagandazwecken entführt/getötet wurden.

        Ist insgesamt jetzt nicht so ungewöhnlich (die FARC war da meine ich auch immer groß dabei) aber ich bin heilfroh, dass der IS mittlerweile nicht mehr ungehindert sein Kalifat ausleben kann (und ja, ich hab jede wirklich jede militärische Intervention da begrüßt), insgesamt ist es aber ein riesiges Problem.

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