Der verschwiegene Terror

Im Jahr 1964 veröffentlichte der rechtsradikale Pastor John A. Stormer (ja, der hieß wirklich so) ein Pamphlet mit dem Titel „None dare call it treason“ („Niemand wagt, es Verrat zu nennen“), in dem er argumentierte, dass die USA von Kommunisten unterwandert sei. Eine gewaltige Verschwörung der Medien (natürlich), der Institutionen und des Kongresses halte die Wahrheit bewusst unter der Decke, um das Land zu unterwandern und von seinen wahren Wurzeln abzubringen. Dieser heute sehr vertraut klingende Tenor war der Soundtrack, der die Wahlkampagne des damaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Goldwater untermalte, der die GOP auf den krassen Rechtskurs brachte, der derzeit in Trump seinen vulgären Kulminationspunkt erreicht. Seither haben wir diese Story in unzähligen Variationen immer und immer gehört; in Deutschland macht sie vor allem als die Idee Furore, dass ein riesiges Schweigekartell von Medien und Politik den Deutschen die Ungeheuerlichkeiten der Flüchtlinge verbergen würde, um das Ziel einer Islamisierung des Landes voranzutreiben – oder irgendwie so. Das Irre daran ist, dass tatsächlich Terrorismus totgeschwiegen wird – nur halt nicht von den Flüchtlingen.

Bis heute etwa tun sich viele Leute erstaunlich schwer, Anders Breivik (der seinen Namen in Fjotolf Hansen geändert hat und eigentlich nicht möchte, dass dieses Fakt weithin bekannt wird) als Terroristen einzustufen. Gleiches gilt für Killer wie die NSU in Deutschland oder Dylan Roof in den USA. Während jegliche Morde von Muslimen sofort mit dem Label „Terrorismus“ oder „islamistisch“ belegt werden, selbst wenn es sich um geistige Verwirrung oder Beziehungsmorde handelt, gelten weiße Mörder selbst dann gerne als verwirrte Einzeltäter, wenn sie lange Pamphlete auf Facebook hinterlassen und mit klarem politischen oder religiösen Motiv Menschen ermordert haben. Seit 9/11 ist Terrorismus etwas, das Menschen mit brauner Hautfarbe tun, aber nichts, das in unserer Gesellschaft passiert.

Erleichtert wird dieses Verschweigen dadurch, dass der heutige Terrorismus aus unserer Mitte nicht so eindeutig daherkommt wie beim letzten Mal. Wo die RAF noch eine richtige Untergrundstruktur hatte, mit Flaggen, Bekennerschreiben, Zellen und Ausbildungscamps in Palästina, da sind die heutigen Täter häufig alleine unterwegs, radikalisieren sich teilweise selbst und planen ihre Anschläge eigenständig. Am wichtigsten überhaupt aber ist das Ziel ihres Terrors. Denn anders als früher geht es nicht gegen „klassische“ Ziele von Terroristen – Orte oder Personen, die für Staat und Institutionen stehen – sondern gegen Bevölkerungsgruppen. Die Attentate finden in Kleinstädten statt, in Dörfern, am Rande der Gesellschaft.

Zudem entstammen die Terrorangriffe häufig einer auf eine latent existierende Gewaltbereitschaft nur übergestülpten Ideologie, wie der Psychologe Jêrome Endrass erklärt:

Wenn jemand nicht durch seine Persönlichkeit oder wegen einer psychischen Erkrankung zu Gewalt neigt, dann braucht es einiges, damit sich die Gewalt Bahn bricht. Wir nennen das, was in diesen Menschen vorgeht, „Legitimierungsarbeit“. Junge Männer, die sich als Muslime in Europa diskriminiert fühlen oder glauben, die Muslime auf der ganzen Welt würden vom Westen ungerecht behandelt, finden in ihrem Umfeld Menschen, die sie in dieser Überzeugung bestärken. Sie werden radikaler in ihren Ansichten. Das kann sich immer weiter hochschaukeln. Irgendwann sehen sie Gewalt dann als legitimes Mittel an, um sich zu „wehren“.

Sie kommen in drei Variationen daher: als Terror gegen ethnische Minderheiten, als Terror gegen Lokalpolitiker und als Terror gegen Frauen.

Der Terror gegen ethnische Minderheiten ist dabei die älteste der drei Spielarten, und es ist am offensichtlichsten auffällig, dass sie immer noch nicht als Terrorismus gesehen wird. Lichterhagen 1992 ist nur der spektakulärste Fall, bei dem Mobs sich in Gewaltausbrüchen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber hingeben. Molotowcocktails in der Nacht, geworfen durch Fensterscheiben von Flüchtlingsunterkünften, sind Alltag in Deutschland, praktisch nicht der Rede wert. Die Zahlen sind erschreckend hoch. Die NSU ermordete jahrelang türkisch- und griechischstämmige Deutsche, ohne dass das irgendjemand interessierte; heute noch ist der Skandal eher das Versagen der Polizei als dass die Leben von Migranten in diesem Land offensichtlich weniger wert sind.

Die Deutschen tun sich offensichtlich schwer, diese Taten als Terrorismus einzustufen. Denn Terrorismus säht Furcht in der Bevölkerung, und von Angriffen auf Flüchtlingsheime und Dönerbudenbesitzer muss sich niemand verunsichert fühlen – denn die gehören ja nicht zur Bevölkerung, stehen außerhalb, gehören nicht zu „uns“. Und Terror kann man dabei nicht empfinden. Die Solidarität mit Arbeitgeberpräsident Schleyer ist selbst nach 40 Jahren noch um ein Vielfaches höher als die mit Enver Simsek. Dass irgendwann in Stuttgart nach ihm ein Stadion benannt werden wird, darf getrost bezweifelt werden.

Dazu passt der ständige Terror gegen Lokalpolitiker. Seit 2015 hat sich die Lage dramatisch verschärft. 6% aller Bürgermeister Deutschlands berichten von körperlichen Angriffen auf sie oder Mitglieder des Gemeinderats. Über 20% können von regelmäßigen verbalen Attacken von Drohbriefen bis hin zu Belagerung des privaten Wohnsitzes berichten. Berichtet wird darüber fast gar nicht, und schon gar nicht im Kontext des Terrorismus. In einigen Fällen hat dies bereits zu Rücktritten der Politiker geführt, die nur in begründeten Ausnahnmefällen und dann auch nur temporär Polizeischutz genießen und meist im gleichen Ort wie die Täter leben.

Im Zusammenhang stehen diese Taten, deren Zahl seit 2015 rapide zugenommen hat, mit der Aufnahme der Flüchtlinge. Polizei und Verfassungsschutz schätzen fast alle dieser Taten als rechtsterroristisch ein. Der Fiebersumpf, aus dem sich diese Gewalt rekrutiert ist derselbe, aus dem die eingangs erwähnten Verschwörungstheorien kommen. Eine immer größere Minderheit von Menschen am rechten Rand des Spektrums empfindet Gewalt offensichtlich als legitimes Problemlösungsmittel. Darin befördert werden sie von der Normalisierung dieser Gewalt: all die Aufforderungen, die „besorgten Bürger“ (in muslimischen Kontext würde man sie als Sympathisanten von Terroristen bezeichnen) doch in ihren „Sorgen und Nöten“ (ihrer Hassideologie) ernst zu nehmen, keinesfalls aber die Opfer ihrer Gewalt, die bewusst aus der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen werden, seitens der Medien und etablierten Parteien, aber auch die ständigen Grenzverletzungen der AfD, mit ihren Gewaltphantasien vom Schießen auf Flüchtlinge an den Grenzen, dem Andeuten, dass Angela Merkel eine Verräterin sei und der ständigen (sachlich falschen) Rede vom Rechtsbruch, der Vigilanten die Legitimation an die Hand gibt, selbst „für Ordnung zu sorgen“.

Solche Gewaltbereitschaft und terroristischen Aktionen gibt es nicht nur von rechts. Doch wie die Eskalation der Proteste in Hamburg zum G20-Gipfel unter tatkräftiger Hilfe von Schwarzem Block und Antifa gezeigt haben gibt es nur wenige Hemmungen, das Abbrennen von Autos als Linksterrorismus zu verurteilen, während andererseits das systematische Morden von Einwanderern dasselbe Label, sicherlich aber die Aufmerksamkeit, nicht verdient.

Der dritte Teil dieses Terrorkomplexes richtet sich gegen Frauen. Auch dieses Phänomen ist relativ neu und hängt mit den anderen beiden Faktoren in seiner Verwandtschaft zum neuen Rechtsradikalismus zusammen.

Beispielhaft dafür ist der Fall des Terroristen von Toronto. Alek Minassian fuhr in einem mittlerweile traurig bekannten Muster einen Kleinlaster in eine Menschenmenge und tötete knapp ein Dutzend Menschen. Die internationale neue Rechte war sich sofort einig: ein islamistischer Terroranschlag! Schnell zeigte sich jedoch, dass der Täter mit dem Islam wenig Hut hatte, dafür aber umso mehr mit einer Ideologie namens Incel („involuntary celibates“, also unfreiwilliges Zölibat), die hier von Vox ausführlich erklärt wird. Die gleichen rechten Ideologen, die eben noch in den schärfsten Tönen Sippenhaft für alle Muslime, besonders aber (natürlich) die Flüchtlinge forderten, schwiegen jetzt.

Gary Young fasst das Phänomen prägnant zusammen:

There will be, though, no appeals for moderate men to denounce toxic masculinity, no extra surveillance where men congregate, no government-sponsored schemes to promote moderate manhood, or travel bans for men. Indeed, the one thing that is consistently true for such incidents, whether they are classified as terrorist or not, will for the most part go unremarked. Obviously not all men are killers. But the fact that virtually all mass killers are men should, at the very least, give pause for thought. If it were women slaying people at this rate, feminism would be in the dock. The fact they are male is both accepted and expected. Boys will be boys; mass murderers will be men.

(Es wird allerdings keine Aufrufe an moderate Männer geben, toxische Maskulinität offen abzulehnen, keine extra Überwachung an Orten wo Männer sichaufhalten, keine Regierungsprogramme um moderate Männlichkeit zu fördern, oder Reiseverbote für Männer. Tatsächlich wird die eine Sache, die für alle diese Zwischenfälle, ob sie als terroristisch benannt wurden oder nicht, gilt, zum Großteil nicht erwähnt. Selbstverständlich sind nicht alle Männer Killer. Aber die Tatdache dass praktisch alle Massenmörder Männer sind sollte uns wenigstens innehalten und nachdenken lassen. Wenn Frauen in dieser Zahl morden würden wäre der Feminismus erledigt. Dass sie männlich sind ist sowohl akzeptiert als auch erwartet. Jungs sind halt Jungs; Massenmörders sind halt Männer.)

Das Phänomen ist, wie etwa dieser Thread zeigt, auch nicht neu. Die Idee, eine komplette Bevölkerungsgruppe dafür verantwortlich zu machen, dass ein radikalisiertes Mitglied aus ihrer Mitte furchtbare Terrorakte begeht, ist auch offenkundig absurd. Soll man etwa alle Männer unter einen Pauschalverdacht stellen? Soll man alle Männer auffordern, sich vom Terror ihrer Geschlechtsgenossen entschieden zu distanzieren? Sollten Politikerinnen aller Couleur die Notwendigkeit einer „moderaten Männlichkeit“ betonen? Genau das passiert bei islamistischen Attentätern regelmäßig. Genausowenig wie beim Islam wäre diese Forderung dabei völlig haltlos. So wie ein erschreckend hoher Anteil moderner Terroristen islamischen Glaubens ist, so ist der Anteil an Männern unter den Terroristen ebenso erschreckend hoch und krebst um die 99%-Marke herum.

Man sollte dabei nicht der üblichen Versuchung erliegen, diese Leute als irregeleitete Einzeltäter abzutun. Wirr mögen sie sein, irregeleitet sicherlich, aber Einzeltäter, die quasi geisteskrank und zufällig agieren, sind sie nicht. Die Incel-Ideologie und ihre zahlreichen Ableger sind am rechten Rand schon seit vielen Jahren virulent, und Experten haben auch immer wieder vor ihnen gewarnt. In „Der Terror des Kleinen Mannes“ erklärt Franciska Holzfurtner die Ideologie der Incels so:

Black Pill – so nennen Incels ihre Ideologie – vermittelt einen angeblich desillusionierten, realistischen und rationalen Blick auf die Gesellschaft, der als herausragendes Merkmal und einziger Vorteil einer postulierten Underdog-Position herausgestrichen wird. Deshalb werden viele Klassiker der Misogynie („nein heißt ja“, „Frauen sind geistig unterentwickelt“, „Frauen sind Schuld an Geschlechtskrankheiten“ usw.) und pubertäre Sexmythen mit pseudowissenschaftlichen Argumenten und handverlesenen Studien belegt und zur „objektiven“ Wahrheit erklärt.

Als wäre das nicht genug, hat Black Pill auch rassistische Aspekte: „Tyrone“ nennt sich die schwarze und deshalb natürlich exorbitant bestückte Version von Chad. In der europäischen Szene besetzt diese Position der virile, serienvergewaltigende Araber. Manche gehen sogar so weit, zu behaupten, die Flüchtlingskrise sei die geplante Akquise der arabischen Tyrone und somit letztlich die gezielte Ausrottung des weißen, schwächlichen „Untermenschen“. Derlei Ansichten sind mit Überschneidungen in der Terminologie der Grund, wieso manche Wissenschaftler, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, Incel in den Gesamtzusammenhang der „Alt-Right“ einordnen.

Black Pill ist aber an sich sehr flexibel und wie jede Verschwörungstheorie in der Lage, auch Widersprüchliches scheinbar schlüssig auf einen Nenner zu bringen. So ist sowohl die Hausfrau als auch die Karrierefrau ein Problem. Die eine, weil sie sich faul versorgen und den Ehemann sexuell hungern lässt, die andere, weil sie trotz eigenem Einkommen Geschenke verlangt. Egal, was eine Frau tut, oder sagt: Alles ist nur Teil der übergeordneten Machttaktik – und bestätigt damit die Richtigkeit des geschlossenen Weltbildes.

Eine in sich geschlossene, der Radikalisierung zuneigende Ideologie also – wie bei so vielen anderen Spielarten des Terrors, von RAF zu Al Qaida zur NSU eben auch. Und erneut: man sollte nicht den Fehler machen, diesen Leuten das bewusste Terror-Motiv abzusprechen und sie mit gewöhnlichen Amokläufern (mit denen sie allerdings eine Menge gemeinsam haben) in einen Topf werfen. Der Isla-Vista Mörder Rdoger Elliot, den der Kleinlaster-Terrorist Minassian vor seinem Attentat seinen Gesinnungskollegen als glühendes Vorbild („supreme gentleman“) anempfahl, etwa schrieb folgendes von seinen Incel-Brüdern empfohlenes Pamphlet:

If we can’t solve our problems, we must DESTROY our problems. One day incels will realise their true strength and numbers, and will overthrow this oppressive feminist system. Start envisioning a world where WOMEN FEAR YOU.

(Wenn wir unsere Probleme nicht lösen können, müssen wir sie ZERSTÖREN. Eines Tages werden Incels ihre wahre Stärke und Zahl erkennen und das unterdrückerische feministische System stürzen. Beginnt, euch eine Welt vorzustellen in der FRAUEN EUCH FÜRCHTEN.)

Und in einem weiteren Traktrat:

I will enter the hottest sorority house of UCSB, and I will slaughter every single spoiled stuck up blonde slut I see inside there. All those girls that I’ve desired so much, they would have all rejected me and looked down upon me as an inferior man if I ever made a sexual advance towards them. While they throw themselves at these obnoxious brutes. I’ll take great pleasure in slaughtering all of you. You will finally see that I am in truth the superior one. The true Alpha Male.

(Ich werde die heißesten Verbindungshäuser der UCSB betreten und jede einzelne dieser verwöhnten blonden Schlampen die ich darin finde abschlachten. Alle diese Mädchen, die ich so begehrt habe, die würden mich alle abgelehnt haben, und auch mich als einen unterlegenen Mann herabgeblickt, wenn ich je sexuelle Avancen ihnen gegenüber gemacht hätte. Während sie sich ätzenden Schlägertypen an den Hals werfen. Ich werde großes Vergnügen dabei haben, alle von euch abzuschlachten. Ihr werdet am Ende einsehen, dass ich in Wahrheit der Überlegene bin. Der wahre Alpha-Mann.)

Natürlich sind die meisten Männer nicht wie Elliot Rodger oder Alek Minassian. Und doch täte man gut daran, die Terroristen und ihre Ideologie nicht als völlige Aberration abzutun, die keinerlei Grundlage in der Mehrheitsgesellschaft findet. So sehr etwa in vielen islamischen Gesellschaften die Grundlagen, die einzelne radikalisierte Täter dann zum Terror führen, bereits gelegt sind, so sehr bietet die weit verbreitete toxische Maskulinität einen fruchtbaren Nährboden, auf dem sich Terroristen radikalisieren können. Noah Smith erklärt die psychologische Mechanik in einem Twitter-Thread sehr gut.

Nimmt man den mörderischen Aspekt aus obigem Statement Rodgers‘, so findet sich 1:1 das Gründungsmotiv, das Mark Zuckerberg zur Erschaffung von FaceMash trieb, dem berüchtigten Vorgänger von Facebook. Zuckerberg hatte einen regelrechten Komplex, nicht zu den heißen Partys der elitären Verbindungshäusern mit ihren willigen, schönen und verfügbaren Frauen zugelassen zu sein und nutzte FaceMash auch als Racheinstrument, um sich und anderen so zu Unrecht Verschmähten einen Gegenschlag zu ermöglichen. Bei Rodger oder Minassian ist dieses toxische Grundgefühl noch um ein Vielfaches potenziert und mit Auslöschungsphantasien gesteigert – aber darin unterscheiden sie sich nicht von jener kleinen Gruppe von RAF-Terroristen, die der weit verbreiteten Rhetorik der Gewalt und Enthemmung, wie sie in den späten 1960er und 1970er Jahren die deutschen Unis schwängerte, einen mörderischen Spin gaben.

Deswegen ist es auch in höchstem Maße problematisch, alle Täter mit islamischem Hintergrund sofort als Terroristen abzustempeln, selbst wenn sie nur gewöhnliche Mörder sind (wie etwa im Falle des Eifersuchtsmords von Münster), und auf der anderen Seite männlich-weißen Tätern gegenüber grundsätzlich Empathie entgegenzubringen, solange ihre Opfer nur nicht denselben Status genießen. Dies sieht man etwa an Berichterstattung wie dieser von CNN, die den 12fachen Mörder und 50fachen Vergewaltiger James DeAngelo als „Familienmenschen“ normalisiert und sympathisch macht, als einen tragischen Fall:

DeAngelo had at least three daughters, according to neighbor Tapia. „Far as I had known, his daughters had grown up and moved out. The other day, we were playing in the backyard. I heard him talking to a young lady and someone told me today his daughter and I think granddaughter moved in with him recently,“ he said.

(DeAngelo hatte laut seinem Nachbarn Tapia mindestens drei Töchter. „Soweit ich weiß sind seine Töchter erwachsen und ausgezogen. Quasi gestern noch spielten wir noch im Hinterhof. Ich hörte ihn mit einer jungen Lady sprechen, und jemand erzählte mir heute, dass seine Tochter und ich glaube Enkelin kürzlich bei ihm einzogen“, sagt er.)

Unvorstellbar, dass so über einen Flüchtling berichtet würde. Da es sich bei DeAngelo aber um einen weißen Mann handelte, ist es undenkbar, dass dieser Hintergrund irgendwie mit der Tat in Verbindung stehen könnte (in diesem Fall die offensichtliche Missachtung weiblicher körperlicher Autorität) und wird dann irgendwo anders gesucht. Es ist aber notwendig, diese Leute als das zu fassen, was sie sind: Terroristen, die es darauf abgesehen haben ihre Ideologie – eine überdrehte Form des Patriarchats – durch Terror in der Bevölkerung zu verankern. Jackson Katz bringt dies auf den Punkt:

We talk about how many women were raped last year, not how many men raped women. We talk about how many girls were harassed in a school district this year, not how many boys harassed girls. We talk about how many teenage girls got pregnant in the state of Vermont last year, not how many boys and men impregnated teenage girls. So you can see how the passive voice has a political effect. It shifts the focus off men and boys onto girls and women. Even the term „violence against women“ is problematic. It’s a passive construction; there’s no active agent in the sentence. It’s a bad thing that happens to women, but when you look at the term, nobody is doing it to them. It just happens to them – men aren’t even a part of it!

(Wir reden darüber, wie viele Frauen letztes Jahr vergewaltigt wurden, nicht wie viele Männer Frauen vergewaltigten. Wir reden darüber, wie viele Mädchen in einem Schuldistrikt belästigt wurden, nicht wie viele Jungs Mädchen belästigt haben. Wir reden darüber, wie viele Teenies im Staat Vermont schwanger geworden sind, nicht wie viele Männer und Jungs Teenies geschwängert haben. Man kann sehen, dass das Passiv einen politischen Effekt hat. Es verschiebt den Fokus weg von Männern und Jungs auf Frauen und Mädchen. Selbst der Begriff „Gewalt gegen Frauen“ ist problematisch. Es ist eine Passivkonstruktion; es gibt kein aktives Subjekt im Satz. Es ist etwas Schlimmes, das Frauen passiert, aber niemand tut es. Es passiert ihnen einfach – Männer sind nicht einmal ein Teil davon!)

Und dieser Nährboden toxischer Maskulinität bekommt ständig neue Nahrung. Es ist eine alte Idee, eine Verquickung von Männlichkeit und Gewalt, von Dominanz und Autorität. In seinem Artikel „What do Incels, fascists and terrorists have in common? Violent misoginy“ erkundet Jason Wilson die Zusammenhänge zwischen gewaltbereiten Ideologien und Frauenfeindlichkeit. Er rekurriert dabei stark auf das etwas obskure Buch „Männerfantasien“ des deutschen Historikers Klaus Theweleit von 1977, das ich zufälligerweise dieses Jahr erst selbst gelesen habe (mehr dazu dann in der Bücherliste 2017/18 kommenden September, aber als Spoiler: Wilsons Zusammenfassung hier reicht).

What distinguishes their subculture is that they have developed a new way of codifying, disseminating, and radicalising a particular expression of misogyny. But their beliefs, and even their behaviours, are an exaggerated version of the structures of thought and feeling that characterise patriarchy. What puts them adjacent to fascism is not only the copious links between incels, the “manosphere”, and the alt right, but the way that their culture, and their forums, work to shape their resentment, and channel their desires towards violence.

(Was ihre Subkultur abjebt ist dass sie eine neue Art des Kodifizierens, Verbreitens und Radikalisierens bestimmter Ausdrucksformen von Frauenfeindlichkeit gefunden haben. Aber ihre Ansichten, selbst ihr Verhalten, sind eine übersteigerte Version der Denkmuster und Gefühle, die das Patriarchat ausmachen. Was sie in die Nähe des Faschismus rückt sind nicht nur die ausgedehnten Verbindungen zwischen den Incels, der „Mannosphäre“ und der Alt-Right, sondern auch die Art in der ihre Kultur und ihre Foren dazu beitragen ihre Ressentiments zu formen und ihre Gier nach Gewalt zu kanalsieren.)

Das könnte man natürlich als Produkte einer längst vergangenen Zeit abtun, ohne Bezug zu unserer heutigen Realität, wenn diese Ideologien nicht eine solche Renaissance feiern würden. Videospiele sind voll davon, Serien wie „The Walking Dead“ tropft diese Ideologie aus jeder Kameraeinstellung, und die AfD etwa will, dass Schulen durch „Disziplin starke Männer formen“ (AfD Sachsen-Anhalt) oder die Bundeswehr „ohne Beschränkung“ an Schulen operieren lassen, damit in einer spezifischen „Erziehung zur Männlichkeit der Thymos“, also der Wehrwille, gestärt werde (AfD Baden-Württemberg). Die Normalisierung der toxischen Maskulinität schreitet so voran und gebiert die Attentäter von morgen – von denen dann alle geschockt sein werden, weil das ja nicht auch nur das Geringste miteinander zu tun hat.

Die klare Bennennung des Phänomens als Terrorismus und Haltung dagegen sind deswegen wichtig, weil wir sonst die Bereitung des Nährbodens selbst nicht stoppen können. So wie islamische Gesellschaften, die nicht bereit sind den Terror aus ihrer Mitte zu verdammen und Schritte einzuleiten und stattdessen auf das formelhafte „Der Islam ist eine Religion des Friedens“ ausweichen, so sehr muss sich die männliche Gesellschaft mit dem Phänomen der toxischen Maskulinität auseinandersetzen. Nicht jeder Mann ist ein potenzieller Terrorist, 99,9999% aller Männer würden nicht einmal daran denken. Aber dasselbe gilt auch für Terroristen aller anderne Couleur, und die aggressiven Reaktionen auf diese Argumentationslinie ähneln bis ins Detail den Reaktionen der linken Szene auf den RAF-Terror oder denen vieler muslimischer Gesellschaften auf den Terror aus ihrer Mitte. Wir akzeptieren den Bullshit dort nicht. Wir sollten ihn auch hier für den neuen rechten Terror nicht akzeptieren und benennen, was Sache ist.

 

{ 25 comments… add one }
  • Ralf 9. Mai 2018, 14:11

    der die Wahlkampagne des damaligen republikanischen Präsidenten Goldwater untermalte

    Praesident Goldwater?

    • Stefan Sasse 9. Mai 2018, 18:18

      Präsidentschaftskandidat mein ich natürlich. Ich korrigiere es. Danke 🙂

      • sol1 10. Mai 2018, 12:25

        „…die offensichtliche Missachtung weiblicher körperlicher Autorität…“

        Ich vermute, daß du „Autonomie“ gemeint hast.

  • Erwin Gabriel 9. Mai 2018, 23:29

    @ Stefan Sasse

    Jeder, der ohne Anlass (bzw. nicht selbstverteidigend) gewalttätig wird, gehört bestraft. Jeder, der andere Menschen umbringt, gehört weggesperrt – entweder in den Knast oder (bei geistiger Verwirrung) in die Klapse.

    Ob einer als Vorwand politische, religiöse oder andere Gründe wie Beziehungsstress anführt, ist mir persönlich dabei vollkommen egal. Ob Mann, ob Frau, ob links oder rechts, ob religiös oder Atheist – vollkommen egal.

    Können Sie nicht einfach mal etwas, das so richtig Scheiße ist, einfach nur „richtig Scheiße“ nennen, und gut ist? Und dieses einseitige Gezerre nach rechts ein einziges Mal unterlassen?

    zermürbte Grüße
    E.G.

    • Stefan Sasse 10. Mai 2018, 10:39

      Selbstverständlich ist das nicht egal. Weder das Strafrecht ignoriert Hintergründe und Motiv, noch die Öffentlichkeit in ihrer Reaktion darauf.

      • Erwin Gabriel 10. Mai 2018, 11:47

        @ Stefan Sasse 10. Mai 2018, 10:39

        Selbstverständlich ist das nicht egal. Weder das Strafrecht ignoriert Hintergründe und Motiv, noch die Öffentlichkeit in ihrer Reaktion darauf.

        Was die Öffentlichkeit (welche?) bewertet, darf für die Justiz keine Rolle spielen. Deswegen ist die justiz für die rechtsprechung zuständig, nicht die Öffentlichkeit (=lauteste Schreier). Für die Justiz gilt zwar, dass Hintergründe und Motiv individuell bewertet werden, aber eben nicht grundsätzlich. Das ist aber das, was Du tust. Du bewegst Dich auf einer Ebene ‚rechts‘ vs. ‚links‘ (vergleichbar ‚Frau‘ vs. ‚Mann‘), wo diese individuellen Hintergründe als Tatunterscheidung keine Rolle spielen.

        Wenn jemand seinen Partner aus Eifersucht erschießt, sollte es losgelöst von den individuellen Umständen grundsätzlich keinen Unterschied machen, ob der Mann seine Frau oder die ihren Mann erschießt.

        Wenn jemand aus religiösen Gründen andere in die Luft sprengt, sollte es losgelöst von den individuellen Umständen grundsätzlich vollkommen egal sein, ob ihm Jahwe, Jesus, Allah oder Manitou diesen Auftrag „erteilt“ hat.

        Wenn jemand aus politisch extremen Motiven einen anderen erschießt, sollte es losgelöst von den individuellen Umständen bei der Bewertung der Tat egal sein, ob es sich um einen Links- oder Rechtsextremisten handelt.

        Wenn ein Mensch einen anderen aufgrund seiner anderen „Rasse“ oder „Volkszugehörigkeit“ erschlägt, sollte es losgelöst von den individuellen Umständen keinen Unterschied machen, ob ein Deutscher einen Ausländer oder ein Ausländer einen Deutschen umbringt.

        Zumindest für Dich.

        Einmal mehr frustrierte Grüße in Deine Blase
        E.G.

    • Floor Acita 11. Mai 2018, 04:26

      „Ob einer als Vorwand politische, religiöse oder andere Gründe wie Beziehungsstress anführt, ist mir persönlich dabei vollkommen egal. Ob Mann, ob Frau, ob links oder rechts, ob religiös oder Atheist – vollkommen egal.“

      Mir war gar nicht aufgefallen, dass er über Sie war. Ich dachte eigentlich der Artikel würde sich mit dem unterschiedlichen Umgehen der Medien und breiteren Öffentlichkeit mit von unterschiedlichen Tätergruppen und an unterschiedlichen Opfergruppen begangenen Terrorismus auseinandersetzen. Ich muss den Artikel wohl nochmal lesen. Ihr Herangehen an die Sache wäre gesamtgesellschaftlich zu begrüßen.

      Gilt genauso wie für Anders Breivik. Die Tat war jahrelang nicht als Terrorismus eingestuft, dass Sie und offensictlich ihr komplettes Umfeld das anders sehen ist löblich, ändert aber nichts am gesellschaftlichen Gesamtkomplex.

      Was ist mit school shootings in den USA? Nicht notwendigerweise weniger geplant wie die „mit Van in Menschengruppen rasenden“ Terroristen, immenses Ausmaß an Schaden, enorme Auswirkungen auf Sicherheit an Schulen, dem Selbstverständnis von Lehrern, der Angst der Eltern ihre Kinder in die Schule zu schicken etc. und zum Teil mitsamt politischem Manifest auf Facebook. Ich garantiere Ihnen, dass die gängige, in den Leitmedien verwendete sowie im Volksmund gängige Bezeichnung bei der gleichen Täterbeschreibung aber muslimischen statt christlichen Glaubens, verbunden mit zu irgendeinem Zeitpunkt dokumentiertem Ausruf „Allah Akbar“ signifikant unterschiedlich ausfallen würde. Und mit genau diesem Phänomen / Problem sollten wir uns auseinandersetzen.

      • Stefan Sasse 11. Mai 2018, 06:28

        Ich habe zumindest Dylan Roof im Artikel erwähnt.

      • Erwin Gabriel 11. Mai 2018, 10:27

        @ Floor Acita

        Was die „Berichterstattung“ angeht: Ja, man ist sofort bei den Flüchtlingen dabei, Terrorist zu schreien, und bei rechten Gewalttaten nicht – da hat Stefan ja Recht. Bei den linken Gewalttaten schreit aber auch niemand sofort „Terrorismus“, das nimmt sich nichts.

        Und das ist der Punkt, wo ich halt gelegentlich mit Stefan hadere: Dass er dazu neigt, Themen, die allgemein blöd laufen, nur auf Rechts zu beziehen.

        Und bei dem oben genannten Thema tue ich mich schwer mit einem klaren Standpunkt, weil für mich Terrorismus mit Planung / Vorbedacht etc zu tun hat, nicht mit spontanen Aktionen á la Flüchtlingsheim anzünden oder zum 1. Mai bestimmte Viertel von Berlin oder Hamburg in Schutt und Asche zu zerlegen oder bei einem Fußballspiel einen Fan der gegnerischen Mannschaft halb oder ganz tot zu prügeln.

        Auch klar: wird ein Flüchtlingsheim nicht im Affekt in Brand gesteckt, sondern mit entsprechender Planung, ist das in jedem Falle Terrorismus. Aber das ist wieder nur eine Frage des Etiketts – für jemanden, der in so einem Heim verbrennt, macht das keinen Unterschied. Auch ich gehöre nicht zu den Leuten, die „Spontanität“ mit niedrigeren Strafen belohnen würden.

        Es grüßt
        E.G.

        • Stefan Sasse 11. Mai 2018, 17:21

          Das Problem ist, dass ich das nicht beides nebeneinander stellen kann. Ich spreche in dem Artikel mehrfach über und verurteile Linksterrorismus (RAF). Aber das was heute in Hamburg abgeht, oder am 1. Mai, kann ich nicht neben den beschrieben Rechtsterrorismus stellen. Es ist einfach nicht vergleichbar, und würde ich das machen, hätten wir genau den Bothsiderism, den ich immer scharf verurteile. Eine Relativierung rechten Terrors. Ein Auto anzünden oder ein bewohntes Flüchtlingsheim muss unterschiedlich behandelt werden. Ich sollte vielleicht mal was zum heutigen Linksterrorismus schreiben, aber eigentlich hat das anlässlich Hamburg hier schon Stefan Pietsch gemacht, und ich sehe wenig Wert darin, das noch mal Wiederzukäuen. Du kannst es drehen und wenden wie du willst, aber die Gefahr von rechts ist gerade einfach deutlich größer als von links. Wenn sich das ändert, werde ich hier den Fokus auch verschieben.

        • bevanite 14. Mai 2018, 18:07

          Was die „Berichterstattung“ angeht: Ja, man ist sofort bei den Flüchtlingen dabei, Terrorist zu schreien, und bei rechten Gewalttaten nicht – da hat Stefan ja Recht. Bei den linken Gewalttaten schreit aber auch niemand sofort „Terrorismus“, das nimmt sich nichts.

          Es waere im Falle „linker Gewalttaten“ auch ein wenig absurd, wenn man bedenkt, dass das letzte Todesopfer linksradikaler Gewalt auf bundesdeutschem Boden Alfred Herrhausen im Jahr 1989 war. Die Rechtsextremen und die Islamisten haben da nunmal eindeutig mehr auf dem Kerbholz. Mir ist übrigens seit der RAF auch kein Fall bekannt, in dem Linksradikale Polizisten ermordeten – Rechtsradikale taten das hingegen schon. Angesichts dessen ist es schon reichlich verzerrt, wenn wegen der G20-Proteste ein mediales Schreckgespenst einer neuen RAF an die Wand gemalt wird.

          • Stefan Sasse 15. Mai 2018, 07:18

            Völlige Zustimmung.

          • Stefan Pietsch 15. Mai 2018, 07:54

            Sie beteiligen sich halt auch an der Verharmlosung linken Extremismus, ungewollt, subtil als auch beabsichtigt. Alfred Herrhausen war nicht das letzte Opfer linker Gewalt, nicht mal der RAF. Danach kamen beispielsweise noch der Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder oder der Polizist Michael Newrzella, der bei der versuchten Festnahme des Terroristen Wolfgang Grams getötet wurde. Ja, auch Polizisten sind Opfer linksextremistischen Terrors.

            Der Verfassungsschutzbericht listet mehr Links- als Rechtsextremisten auf, allerdings mehr gewaltbereite Rechte. Ein Molotowcocktail, wie nicht selten bei linksextremistischen Grawallen geworfen, ist ein Mordinstrument, auch wenn es meist niemanden tötet. Und natürlich bringen Linksextremisten auch Menschen um, Ihre Erinnerung trügt gewaltig.

            Dazu zählen Sie Rechtsextremismus und Islamismus nebeneinander, obwohl die Fallzahlen eher mit dem Linksextremismus denn mit der horrenden Zahl islamistischer Übergriffe vergleichbar ist. Wird jedoch das Problem in der Kriminalstatistik herausgehoben, heißt es nicht selten von Linken, diese Gewalt würde sich meist unter einander abspielen. So als ob die Tötung eines geflüchteten Muslims durch einen geflüchteten Muslimbruder ein für die öffentliche Sicherheit weniger bedeutsames Ereignis sei als die Abfackelung eines Flüchtlingheims.

            Und während wir eine Abnahme rechtsextremer Gewalt feststellen, nimmt linksextremistische Gewalt zu.

            • Floor Acita 15. Mai 2018, 10:52

              „Der Verfassungsschutzbericht listet mehr Links- als Rechtsextremisten auf, allerdings mehr gewaltbereite Rechte. “ soweit so richtig, aber
              „Und während wir eine Abnahme rechtsextremer Gewalt feststellen, nimmt linksextremistische Gewalt zu.“ ist definitiv falsch, dafür gibt es absolut kein Anzeichen:
              Linksextremismus 29.400, davon 8.500 gewaltbereit
              Gewalttaten 2015 1.608 -> 2016 1.201
              Gesamt 2015 5.620 -> 2016 5.230

              Rechtsextremismus 23.100, davon 12.100 gewaltbereit
              Gewalttaten 2015 1.408 -> 2016 1.600
              Gesamt 2015 21.933 -> 2016 22.471 (zwischen 2010-2014 ~16.500)

              Im Gegenteil, die zahl rechtsextremer Straftaten ist sprunghaft gestiegen und die der Gewalttaten steigt mit.

              „Dazu zählen Sie Rechtsextremismus und Islamismus nebeneinander, obwohl die Fallzahlen eher mit dem Linksextremismus denn mit der horrenden Zahl islamistischer Übergriffe vergleichbar ist. “

              Islamismus
              Gesamtzahl 24.400
              Leider keine konkreten Zahlen zum Gewaltpotential, nur diese Aussage: „Der weit überwiegende Teil der Islamisten in Deutschland zählt zu den sogenannten Legalisten. Damit sind Mitglieder islamistischer Organisationen in Deutschland gemeint, die bestrebt sind, auf islamistischer Ideologie basierende Vorstellungen des gesellschaftlichen und individuellen Lebens auf legalem Weg durchzusetzen.“
              Alle bisherigen Zahlen/Fakten stammen von https://www.verfassungsschutz.de/

              Die BILD schreibt:
              Die Zahl der „Gefährder“ ist mit 680 so hoch wie nie zuvor!
              https://www.bild.de/politik/inland/terrorismus/verfassungsschutzbericht-2016-islamismus-gefahr-steigt-52427496.bild.html

              Habe absolut keine Gesamtzahlen islamistischer Gewalt/Straftaten gefunden – immer nur Einzeltaten. Aber alle Zahlen die irgendwie in diese Richtung gehen liegen unter 1.000 – somit würden die Zahlen von Islamisten im Schnitt ca. 10% der rechtstextremen betragen, sowohl was Gewaltpotential als auch Gewalttaten angeht…

              • Stefan Pietsch 15. Mai 2018, 12:17

                Sie haben Recht. Ich habe nicht direkt auf die Zahlen Bezug genommen und „freihändig“ geschrieben. Sorry.

  • Jens 10. Mai 2018, 12:30

    Ich stimme dir weitestgehend zu.

    Ein Grundproblem sehe ich zum einen in dem Begriff Terrorismus, wie grenzt man den ab und zum anderen, dass in vielen Ländern sobald man Täter als Terroristen bezeichnet, den Strafverfolgungsbehörden mehr Rechte und den Tätern weniger Bürgerrechte zugestanden werden.

    Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Terrorismus Vorwurf nur gegen Randgruppen erhoben wird.

    • Erwin Gabriel 10. Mai 2018, 23:46

      @ Jens 10. Mai 2018, 12:30

      Da bin ich bei Dir. Ich bin kein Freund von Etikettenkleberei, und wo ‚Terrorist‘ drausteht, stehen eben ‚Menschenrechte‘ nicht drauf. Ich kann das aber zu einem Teil verstehen.

      Ich kann nachvollziehen, dass es Leute gibt, die beispielsweise den amerikanischen, russischen, syrischen oder Sonst-wo-Präsidenten um die Ecke bringen wollen, selbst wenn ich selbst diese Denkrichtung / Idee / Argumentation grundsätzlich heftig ablehne.

      Aber bei jemandem wie Breivik, der aus irgendeinem an den Haaren herbeigezogenen Beweggründen Kinder getötet hat, Anwälte und Richter bemüht, um seinen Komfort im Knast zu erhöhen, oder gar, um seinen Namen zu ändern, damit ihn die anderen nicht mehr so schief anschauen, fehlt mir, überaus höflich formuliert, ein wenig das Verständnis.

      Aus meiner Sicht hat diese Karikatur eines Menschen alle Menschenrechte verwirkt. Ich hätte ihn schlichtweg von den Eltern der Kinder, die er ermordet hat, möglichst langsam und möglichst qualvoll umbringen lassen. Hätte er eines meiner Kinder getötet, wäre es mit egal gewesen, ob er ein rechter oder linker, ein islamischer oder christlicher Terrorist gewesen wäre. Ich hätte es ihm nie verziehen.

      In diesem Sinne ein (bitterernst gemeintes) Hoch auf den Rechtsstaat an und für sich.
      E.G.

  • sol1 10. Mai 2018, 12:31

    Anzumerken ist noch, daß der Rechtsterrorismus in Deutschland eine lange Geschihte hat, die in die 1960er Jahre zurückreicht – lange deshalb nicht als solcher erkannt, weil in ihm der Typ des „lone wolf“, der nicht in festen Organisation agiert, vorherrscht:

    http://www.deutschlandfunkkultur.de/rechtsterrorismus-in-der-bundesrepublik-verdraengte.976.de.html?dram:article_id=375999

  • Erwin Gabriel 10. Mai 2018, 12:52

    @ Stefan Sasse

    Seither haben wir diese Story in unzähligen Variationen immer und immer gehört; in Deutschland macht sie vor allem als die Idee Furore, dass ein riesiges Schweigekartell von Medien und Politik den Deutschen die Ungeheuerlichkeiten der Flüchtlinge verbergen würde, um das Ziel einer Islamisierung des Landes voranzutreiben – oder irgendwie so.

    „Ungeheuerlichkeiten der Flüchtlinge“, „das Ziel einer Islamisierung des Landes voranzutreiben“ – da musst Du aber wirklich schon den geistig total verspannten Rechtsterroristen Anders Breivik ausgraben, um auf solch krudes Gedankengut zu stoßen; dass als allgemeines Denken zu deklarieren, ist mal wieder der typische Griff in Dein Lieblingsklo.

    Dass Bundes- und Landesregierungen sich zur Entwicklung von Verbrechensstatistiken eher mundfaul äußerten, dass die meisten Medien über lange Zeit die Nationalitäten von Tätern verschwiegen (hat sich erst seit der Kölner Silvesternacht relevant geändert), ist genauso gut bekannt und offensichtlich wie der Klimawandel. Da gibt es nichts zu leugnen.

    Bis heute etwa tun sich viele Leute erstaunlich schwer, Anders Breivik … als Terroristen einzustufen.

    Ich kenne weit und breit niemanden, der ihn nicht als Terroristen einstuft.

    … gelten weiße Mörder selbst dann gerne als verwirrte Einzeltäter, wenn sie lange Pamphlete auf Facebook hinterlassen und mit klarem politischen oder religiösen Motiv Menschen ermordet haben.

    Zwar halte ich persönlich jeden einzelnen dieser Mörder für verwirrt, ob ihm nun Adolf oder Allah die Schrauben herausgedreht hat. Aber zum einen werden auch weiße Täter als Terroristen eingestuft – etwa Timothy James Mc Veigh oder Ted Kaczynski –, zum anderen funktioniert dieses reflexhafte Vorverurteilen auch in die andere Richtung, wenn Du Dich an die direkt erhobenen Nazi-Vorwürfe erinnerst, als ein jüdischer Jugendlicher von seinen Mitschülern gedisst und bedroht wurde. Meinst Du, dieser Beißreflex nach rechts wäre unterblieben, wenn der Junge umgebracht worden wäre?

    Lichterhagen 1992 ist nur der spektakulärste Fall, bei dem Mobs sich in Gewaltausbrüchen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber hingeben.

    Fand ich erschreckend und gruselig; ich habe mich so geschämt. Totales Versagen der Staatsmacht. Und selbst wenn ich diejenigen, die Brandsätze warfen oder johlend und applaudierend danebenstanden, gerne eingesperrt hätte – jeden Einzelnen von ihnen –, tue ich mich mit der Einstufung als Terror tatsächlich etwas schwerer als etwa bei den beiden genannten US-Terroristen oder bei den NSU-Verbrechen (hier ebenfalls absolutes Staatsversagen).

    Aber für mich hat ‚Terror‘ auch immer etwas mit Planung und Berechnung zu tun. Das ist aus meiner Sicht beispielsweise auch der Hauptunterschied zwischen den im zaristischen Russland und in Osteuropa stattgefundenen und staatlicherseits eher geförderten als verfolgt Juden-Progromen auf der einen Seite, und der durch die Nazi-Diktatur gründlichst durchgeplanten und -organisierten maschinellen Massenvernichtung auf der anderen Seite. Fürchterlich finde ich beides.

    Es grüßt
    E.G.

    • sol1 10. Mai 2018, 14:38

      „Ich kenne weit und breit niemanden, der ihn nicht als Terroristen einstuft.“

      Ein Blick auf Chatprotokolle eines AfD-Mitarbeiters im Landtag von Baden-Württemberg kann diese Bildungslücke schließen:

      /// Grauf schwärmt für den Attentäter Anders Breivik und für Hitler. Einem Kommilitonen schreibt er einmal: „Dein Konzept des zweckgebundenen Darlehens knüpft an das des Führers an, oder?“ Geburtstagswünsche klingen so: „Heil! Heil! Heil! Party like it’s 1933. Übrigens. Denk dran, dass am Freitag der gute alte Breivik Geburtstag hat. Übrigens zusammen mit mir. Zufall? Ich denke nicht.“ Als ein Kumpel ihm ein Foto von sich vor einer Hakenkreuzfahne schickt – „das sollte in keiner Bewerbungsmappe fehlen“ – ist das für Grauf nichts Besonderes. „Hab sowas auch…“ schreibt er zurück. ///

      https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/371/sieg-heil-mit-smiley-5077.html

      • Erwin Gabriel 10. Mai 2018, 23:06

        @ sol1 10. Mai 2018, 14:38

        Ein Blick auf Chatprotokolle eines AfD-Mitarbeiters im Landtag von Baden-Württemberg kann diese Bildungslücke schließen:

        Oh Sole mio, echt jetzt? Du hast doch nicht alle an der Waffel.

        Da haben wir also einen vollkommen verspannten AfD-Typen , der also Herrn Breivik und Herrn Hitler charmant findet. Der wäre ja noch schräger drauf als Du.

        Aber deswegen kenne ich immer noch niemanden, der Breivik nicht für einen Terroristen hält. Und Du hältst das für eine Bildungslücke? Dann wird’s wohl so sein.

        Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: a) diese Dumpfbacke Breivik ist in Wirklichkeit ein Linker, oder b) einer von uns beiden hat zuviel Trollinger intus – bloß wer? (kleiner Tipp: auf dem Etikett meiner Rotwein-Flasche steht „Primitivo“). Zumindest habe ich jetzt eine butterzarte Ahnung, wo der Begriff ‚trollen“ herkommt 🙂

        In diesem Sinne – Stößchen
        E.G.

        • sol1 11. Mai 2018, 10:17

          „Du hast doch nicht alle an der Waffel.“

          Das war dann wohl doch etwas zu viel „Primitivo“.

          • Erwin Gabriel 11. Mai 2018, 10:35

            @ sol 1

            Das war dann wohl doch etwas zu viel „Primitivo“.

            Kann sein.

            „Du hast doch nicht alle an der Waffel.“
            Sorry!

            E.G.

  • Logos 13. Mai 2018, 11:58

    Wenn Sasse schon zu Recht kritisiert, dass Anschläge, die [vermeintlich/mutmaßlich] von Muslimen verübt werden, als Terror tituliert werden, solche von Weißen jedoch nicht, dann müsste eines vor allem anderen stehen:
    Nämlich eine belastbare Begriffsdefinition!
    Warum unterbleibt das? Und warum ausgerechnet von einem Deutschlehrer, der über diese Notwendigkeit bestens im Bilde sein sollte? Sollte, aber offensichtlich nicht ist.

    Danach sollte dem Ereignis kritisch nachgespürt werden, welches „islamischen Terror“ zur großen, „weltumspannenden Erzählung“ machte: nämlich 9/11. Damit hat doch [angeblich] all das angefangen. Warum kommt Sasse das nicht seltsam vor?

    Wenn jedoch aus der einen Seite ein offensichtlicher Doppelstandard zu Recht kritisiert wird, warum legt dann ausgerechnet der Autor in Sachen USA und Russland ebenso zweierlei Maß an? Wie passt das zusammen?

    Zum Thema „Der verschwiegene Terror“ erwarte ich nicht Oberflächlichkeiten, sondern wirklich brisante Sachverhalte und eine kritische Hinterfragung der wahren Täterschaft bzw. nach Hintermännern. Z.B.:

    – Eine kritische Hinterfragung des den Linken/Globalisierungskritikern zugeschriebenen Terrors im Rahmen des Hamburger G20-Gipfels, obwohl diverse Sachverhalte auf massive Beteiligung Rechtsextremer schließen lassen (false flag).

    – Die Terroranschläge klandestiner Einheiten der NATO-Stay-behind-Armmen (z.B. Gladio) in Italien oder Spanien, welche den Kommunisten in die Schuhe geschoben wurden.

    – Wenn schon RAF und NSU genannt werden, stünde zuallererst eine kritische Beleuchtung der wahren Täterschaft und/oder den Hintermännern an. Bei beiden nämlich ist der sog. [braun unterwanderte] „Verfassungsschutz“ bis zur Nasenspitze involviert.

    Wie passt in diesem Kontext zusammen, dass auf der einen Seite Terrorismus zwar als
    „Gewaltaktionen gegen Menschen oder Sachen zur Erreichung eines politischen, religiösen oder ideologischen Ziels.“
    definiert wird, auf der anderen Seite jedoch belastbare Bekennerschreiben oder Forderungen der allermeisten „islamischen Terroranschläge“ nicht vorliegen?
    Dafür aber die vermeintlichen „muslimischen Terroristen“ immer wieder ihre Ausweise liegen lassen und dennoch flüchten.
    Und wie kommt es, dass die vermeintlichen „muslimischen Terroristen“ dann immer wieder erschossen werden, anstatt diese festzunehmen, um sie zu befragen und so über die Hintermänner oder weitere Involvierte Kenntnis zu erlangen? Sind deren Aussagen womöglich gar nicht erwünscht?

    Im gesamten Artikel kein Wort davon, dass Terror den Mächtigen nur in die Hände spielt, weil sich so
    – gesellschaftliche Angst schüren,
    – weitere Massenüberwachungsgesetze durchdrücken und
    – ein Überwachungsstaat installieren
    lassen. Dass somit „die Mächtigen“ ein veritables Interesse an Terroranschlägen haben und diese notfalls selbst inszenieren, um diese an anderen in die Schuhe zu schieben.

    Dies alles wären mal wirklich interessante Fragen oder Aspekte gewesen. Wären gewesen. Konjunktiv.
    Stattdessen wird im letzten Absatz gefordert, sich mit der mit dem angeblichen Phänomen der „toxischen Maskulinität“ auseinandersetzen!
    Terror als eine Frage des Geschlechts, nicht als Folge systemischer Machtverhältnisse!
    Wie einfach die Welt doch sein kann.
    Pippilangstrumpf lässt grüßen.

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