Eine Verteidigung der political correctness, Teil 1: Der Kampf um das Zigeunerschnitzel

Es ist dieser Tage sehr en vouge, die political correctness anzugreifen, die angeblich jede Art freier Meinungsäußerung unmöglich macht. Alexander Gauland etwa stellte pikiert fest, dass es unmöglich ist offen zu sagen, dass man Schwarze nicht als Nachbarn möchte, und versteht nicht, wie man ihm deswegen den Rassismusvorwurf umhängen könne. Blankes Unverständnis herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung auch immer noch über die Kontroverse um das Zigeunerschnitzel und den Mohrenkopf oder darüber, dass Pippi Langstrumpfs Vater nicht mehr Negerkönig sein darf. Und in den USA setzt sich an den Unis der Trend durch, dass es safe spaces und trigger warnings gibt. Warum also haben wir uns je mit etwas so wahnwitzigem wie der allseits verhassten political correctness abgefunden? Nur ein Beispiel für die Öko-Diktatur linksgrüner Gutmenschen? Eher nein. Political correctness ist eigentlich eine sehr sinnvolle und auch wenig ungewöhnliche Erfindung.

Um diese Außenseiterposition begreiflicher zu gestalten, brauchen wir das, was der Diskussion darum so oft fehlt – Kontext. Wir müssen herausfinden, wozu political correctness eigentlich da ist, wozu nicht, und wem sie helfen soll. Dazu müssen wir uns auch mit Sprache beschäftigen.

Die Idee der political correctness ist es, bestimmte Begriffe und Redewendungen zu identifizieren, die für Minderheiten beleidigend sind und/oder die dazu dienen, Machtverhältnisse deutlich zu machen. Letztlich schafft political correctness einen Definitionsrahmen dessen, was die Gesellschaft aktuell für vertretbar hält, was also innerhalb der Mehrheitsmeinung ist. Früher hätte man das Tabu genannt. So ist es in Deutschland etwa politisch nicht korrekt, den Holocaust zu relativieren (und sogar strafbar, ihn zu leugnen), einen Hummvee zu fahren, Schwarze als Neger zu bezeichnen, Schwule eklig zu finden oder sich für ein Gesellschaftsmodell einzusetzen, in dem Männer eine dominante Stellung gegenüber Frauen haben.

Diese Normen sind nicht beständig. Was politisch korrekt ist und was nicht entwickelt sich, wie alles andere auch, aus einem großen gesellschaftlichen Dialog. So war es vor einigen Jahrzehnten politisch ganz und gar nicht korrekt, Schwule nicht sofort einzusperren, Frauen die Aufnahme einer Tätigkeit zu empfehlen, den Wehrdienst zu verweigern oder keinen Alkohol zu trinken. Zeiten wie Gebräuche ändern sich und haben sich immer geändert. Wer das nicht glaubt, kann Sokrates‘ Beschwerden über die Jugend von heute oder „o tempora, o mores“ stöhnende Römer studieren.

Was wir heute als political correctness bezeichnen ist die direkte Folge der so genannten „Rights Revolution“ der 1960er Jahre, als viele bis dato unterdrückte Minderheiten begannen, aggressiv ihre Rechte einzufordern – von den Feministen zu Martin Luther King. Während sich die legale Situation schnell zum Besseren wandte, brauchte die Realität deutlich länger, um aufzuholen, weil sich die Sitten, Gebräuche und Vorurteile nun einmal nicht von heute auf morgen ändern. Es muss sich erst ein neues Bewusstsein entwickeln. Und manchmal hilft da eben auch eine Änderung der Sprache.

So ist es in Deutschland abseits der AfD und NPD ziemlicher Konsens, dass Worte wie „Endlösung“, „völkisch“ und „Volksgemeinschaft“ im täglichen Sprachgebrauch nichts verloren haben – sie sind Tabus, politisch nicht korrekt. Wir nennen Schwarze nicht mehr Neger, sondern schauen peinlich berührt zu Boden wenn die Oma dagegen wettert, dass die inzwischen in der Nationalmannschaft spielen dürfen. Jedem ist klar, dass einen Italiener „Kanacke“ zu nennen kein liebenswürdiger Kosename ist. „Geh doch nach Auschwitz!“ ist keine Empfehlung für die Bildungsreise im Sommerurlaub. Und so weiter.

Dieser Prozess der Sprachänderung ist vollkommen natürlich und passiert permanent. Es liegt in der Natur der Sache, dass er eher eine elitengetriebene Veranstaltung ist, also aus Kreisen der Erzieher, der Journalisten, öffentlichen Intellektuellen und Politiker. Und in diesen Kreisen sind Wähler von linken und grünen Parteien stärker vertreten als solche, die ihr Kreuz bei AfD oder CDU machen. Das war übrigens nicht immer so, sondern ist eine Folge der Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre. In der Zwischenkriegszeit etwa war das Erziehungswesen tiefbraun, mit bekannten Folgen. Auch damals gab es political correctness, nur nannte man das nicht so. Man kann die spezifische Richtung beklagen und kritisieren, die diese Normensetzung nimmt – das war und ist immer legitim – aber das Phänomen als solches ist jeder menschlichen Gesellschaft inhärent.

Political correctness ist daher kein reines Terrorregime, das zur fiesen Unterdrückung ehrlicher patriotischer Gefühle aufrechter Deutscher entwickelt wurde. Vielmehr geht es darum, die gesellschaftlichen Normen sprachlich zu verschieben oder nur deutlich zu machen. Der Kreis derer, die die entsprechende Norm bereits (oder noch) akzeptieren, ist mal größer und mal kleiner, wovon auch direkt die Akzeptanz der entsprechenden Norm abhängt. Ich möchte dies anhand einiger Beispiele verdeutlichen.

Nehmen wir auf der einen Seite die eingangs erwähnte Relativierung des Holocaust. Ihre Verdammung hat eine ungeheur breite Zustimmung, denn sie ist ein Gründungsmythos der modernen BRD. Zu versuchen am Holocaust herumzudeuteln ist ein sicherer Weg, sich außerhalb des gängigen Konsens zu stellen, weswegen es auch unter Randparteien und Extremisten so beliebt ist.

Auf der anderen Seite steht ein Konflikt wie der um das Zigeunerschnitzel. Hier ist es nur eine kleine, aber lautstarke Gruppe, die eine Namensänderung beantragt. Der Hintergrund ist, dass „Zigeuner“ eine ausschließlich pejorativ gebrauchte Bezeichnung einer Volksgruppe ist (der Sinti und Roma), die wir aus dem Sprachgebrauch insgesamt verbannt haben – ein ähnlicher Fall wie „Neger“. Da der Fall nur eine sehr kleine Gruppe betrifft, eignet sich das Thema sehr gut zur Verdeutlichung von Standpunkten. Wer etwa eher auf deutschnationaler Seite steht, wird sich emphatisch für die Tradition des Zigeunerschnitzels einsetzen; wer eher auf der progressiven Seite steht, wird sich dafür einsetzen, den Begriff zu verbannen, weil es ein Umdenken befördert. Die meisten Leute sind verwirrt, warum ihr Schnitzel in Paprikasoße plötzlich so wichtig geworden ist und werfen grummelnd eines auf den Grill während sie versuchen herauszufinden, ob sie dabei ein schlechtes Gewissen haben sollen (nein).

Das Problem für alle Vertreter von political correctness ist dabei, dass sie immer gegen den Strom schwimmen. Eine Norm ist per Definition von einer Mehrheit vertreten; sie zu ändern daher immer ein Herkulesakt. Noch schlimmer wirkt sich aus, dass die Mehrheit das Problem grundsätzlich nicht erkennen kann. Das ist im System angelegt, denn wäre die Mehrheit betroffen, wäre es nicht political correctness, sondern common sense. Die Verteidiger des Zigeunerschnitzels etwa werden sich fragen, warum sie doofe neue Begriffe lernen sollen, bisher hat’s ja auch niemanden gestört. Oder warum in einer so schönen Tradition wie Pippi Langstrumpf plötzlich der Negerkönig dem Südseekönig weichen muss¹. Meine Antwort darauf ist eigentlich immer ein kleines regional eingefärbtes Gedankenspiel.

Man stelle sich vor, die urschwäbische Delikatesse der Maultaschen wird im Zuge einer kleinen kulinarischen Revolution in Griechenland der größte Hit. Natürlich vermarktet man sie da nicht als Maultaschen, die brauchen einen Namen, der das exotische besser zur Geltung bringt. Deswegen nennen sie sie, nichts Böses im Schilde führend, nach dem urdeutschesten was ihnen einfällt Nazi-Taschen. Wer sich an den heiligen Zorn der BILD-Zeitung über die Hakenkreuze auf griechischen Demonstrationen in der Euro-Krise erinnert, kann sich ausmalen, was unsere Reaktion sein wird. Und die Griechen würden gar nicht verstehen, wo das Problem liegt (und sich vielleicht bewusst etwas borniert anstellen, man hat ja seinen Stolz). Man will ja niemanden beleidigen, also sollen sich die Leute bitte mal nicht so anstellen.

Vermutlich würde man sich merkwürdig fühlen, beim Griechenlandurlaub im örtlichen Supermarkt an der klassischen deutschen Spezialität der Nazitaschen vorbeizulaufen. Aber es gibt ja nur sehr wenige Deutsche in Griechenland, und niemand zwingt irgendwen, dorthin zu gehen, nicht wahr? Dass das eine ungeheur unsensible Benennung und eine kollektive Beleidigung für eine ganze Menge Menschen ist, stört in dem Kontext kaum. Und die gedankliche Vermischung von Deutsch und Nazi fällt da auch gleich leichter.

Es sind solche kleinen Probleme, die durch political correctness angegangen werden. Sie berühren Identitätspolitik, und das macht sie so virulent. Beim Zigeunerschnitzel geht es nicht um die korrekte Benennung eines Stücks Fleisch in Paprikasoße, das man genauso ein Paprikaschnitzel nennen könnte. Das würde eigentlich niemanden wirklich stören. Aber es berührt Gefühle. Warum muss ICH mich für DIE ändern? Ist das überhaupt noch mein Land? Bin ich deutsch? Ist das Zigeunerschnitzel deutsch? Was ist überhaupt deutsch? Der tatsächliche Verhandlungsgegenstand rückt da in die zweite Reihe. Da werden dann plötzlich Fronten verhärtet. Erinnert sich noch jemand, als die Kantine des US-Kongresses 2003 die French Fries in Freedom Fries umbenannte, weil Frankreich nicht mit den Irakkrieg zog? Zu dumm dass man im Ersten Weltkrieg die Frankfurters schon in Hot Dogs umbenannt hatte, da war nichts mehr zu holen.

Das alles berührt die Benennung von Dingen. Wesentlich grundlegender wird es, wo political correctness es unternimmt, das Verhalten zu ändern.

¹Ich persönlich verstehe ja nicht, warum man Generation für Generation immer den gleichen veralteten Mist aufwärmen muss, aber jedem so wie es ihm beliebt.

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  • Kning 6. Juni 2016, 10:31

    Vielen Dank für die ausführliche Differenzierung. Insbesondere das „Nazitaschen“ Beispiel finde ich sehr prägnant.

    Wenn wir bestimmte Begriffe und Redewendungen identifizieren, die für Minderheiten beleidigend sind und/oder die dazu dienen, Machtverhältnisse deutlich zu machen und zu vermeiden, dann ist das aus meiner Sicht ein Zeichen von Respekt und Höflichkeit.

    In meiner Wahrnehmung wird aber die die poltical correctness / wie auch die political incorrectness in der öffentlichen Diskussion als Nebelkreze verwendet, um vom eigentlichen Sachverhalt abzulenken. Statt sich in der Sache auseinanderzusetzen, empört sich der jeweils andere über die Rüpelhaftigkeit des anderen. Ich fürchte das viele Menschen nicht immer auf dem Schirm haben, was nun korrekt oder inkorrekt ist und werden, weil Sie eben keine geschickten und geschliffenen Kommunikatoren sind in die jeweilig passende Ecke gestellt und diskreditiert. Wenn aber Sprache einer solchen undurchsichtigen Zensur unterstellt wird, wie soll Sie dann noch dem eigentlichen Ziel, der Verständlichkeit, dienen?

    Beispiel von mir:
    In vielen deutschen Großstädten entfällt der größte Anteil von Kriminellen auf Menschen mit Migrationshintergrund. Statistisch eindeutig messbar. Vereinfache ich nun spreche von de kriminellen Ausländern, bin ich politisch inkorrekt und werde von meinem Gegenüber ggf. direkt als „Rechter“ gestempelt. Sicherlich: politisch korrekt könnte ich es anders formulieren, aber werde ich dann noch verstanden? Oder aber erwecke ich nicht den Eindruck etwas zu verschleiern, weil ich umständlich und schwer verständlich kommuniziere? Und schon ist die Diskussion vom Kern abgelenkt, ich frage mich mehr, wie ich es „korrekter“ formuliert hätte, statt das ich mich mit dem Thema beschäftige.

    Wie bereits eingangs erwähnt, ich halte es für durchaus Sinnvoll sprachlich Rücksicht zu üben: Wir müssen nicht von Negern reden und brauchen auch keine Volksbezeichnungen für paniertes Schweinefleisch.

    Aber wird mit den von Dir dargestellten Trigger Warnings nicht eine Grenze der Vernunft überschritten? Wer ein Jahrhunderte altes Werk liest, dem sollte klar sein, dass der Autor sich auf das zu diesem Zeitpunkt gültige Werte- und Verständnissystem bezieht. Deswegen muss ich diese Werke doch nicht umschreiben oder zensieren, oder mit einem Warnhinweis versehen. Man muss nicht über jeden Stock springen, der einem die political (in-)correctness hinhält. Etwas mehr Gelassenheit täte der öffentlichen Diskussion gut.

    • Ariane 6. Juni 2016, 14:19

      Wer ein Jahrhunderte altes Werk liest, dem sollte klar sein, dass der Autor sich auf das zu diesem Zeitpunkt gültige Werte- und Verständnissystem bezieht.
      Es gibt ja keine Forderung, Hitlers Mein Kampf umzuarbeiten, aber das Beispiel war doch hier Pippi Langstrumpf. Dein 10jähriges Kind weiß doch nicht, dass das vor hundert Jahren geschrieben wurde und man damals eben Negerkönig gesagt hat. Oo
      Du kannst das natürlich erklären (Kind wird sich bedanken, wenn es erstmal einen Vortrag statt die Geschichte hört^^) aber gerade bei Kinderbüchern ist es einfacher, problematische Begriffe dann eben auszutauschen. Da sich die Sprache schnell ändert, ist es vermutlich keine schlechte Idee, Kinderbücher alle 100 Jahre zu überarbeiten, damit es verständlich bleibt.

      • In Dubio 6. Juni 2016, 14:48

        Liebe Ariane, jetzt bist Du aber sehr nahe am Neusprech.

        Wann wurde eigentlich zuletzt die Bibel überarbeitet? Welches Pamphlet wird da eigentlich jeden Sonntag in der Kirche vorgetragen?! Als Kind habe ich die Bücher von Enid Blyton verschlungen. Fünf Freunde, Tina & Tini etc. Diese Jugendbücher werden heute nur noch selten verkauft, immerhin wurden sie in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts geschrieben. So ist das mit Büchern, manchmal geht die Zeit darüber hinweg.

        Wenn Du schon beim Umschreiben bist: Max & Moritz, Witwe Bolte, der Struwwelpeter und andere warten noch der Neuinterpretation, angepasst hat heute Erziehungsmaßstäbe.

        • Stefan Sasse 6. Juni 2016, 14:53

          Kein Kind liest die Bibel. Die lesen aufbereitete Geschichten und Kinderbibeln in Kindergottediensten. Hast du die mal gesehen? Die haben mit den Ursprungstexten nur wenig gemein. Schau dir nur mal die Kinder-Versionen der Arche-Noah-Geschichte an und vergleich es mit dem, was wirklich in der Bibel steht. Oder kriegen die lieben kleinen die Originalversion, in der König David seinen General ermorden lässt und dessen Ehefrau vergewaltigt? Denke eher nicht. Auch hier wird seit Ewigkeiten fröhlich angepasst. Erneut, das Phänomen ist alles, aber nicht neu.

          Und ich habe ein striktes Wilhelm-Busch-Verbot in meinem Haushalt. Der Mist kommt mir nicht ins Haus, genauso wie der Struwwelpeter. Und Enid Blyton in Ehren, aber darauf bezog mich meine Fußnote – es gibt so viele aktuelle Jugendbücher. Lasst den alten Kram doch einfach in Ehren verstauben.

          Und bitte, überlass den „Neusprech“-Vorwurf den Hyperbel-Experten der NachDenkSeiten.

          • In Dubio 6. Juni 2016, 15:01

            Stimmt, kein Kind liest die Bibel, sie wird nur im Kindergottesdienst vorgetragen: „Mama, was ist ein Stall?“ Na ja, auch meine Kinderbibel hatte grausame Geschichten.

            Und wenn Du Wilhelm Busch verbahnst statt ihn umzuschreiben, warum sollte man es Ariane durchgehen lassen, Astrid Lindgren zu redigieren? Arianes guter Wille schießt so öfters über das eigene Ziel hinaus, daran wollte ich sie erinnern.

            • Ariane 6. Juni 2016, 15:38

              Ja echt mal Stefan, wieso lässt du mir sowas einfach durchgehen? 😉

              Ich denke auch, man muss nicht alle Uraltbücher wieder seinen Kindern vorsetzen. Ich hab Blyton früher geliebt, aber deswegen müssen es meine Kinder nicht lesen. Ronja Räubertochter wäre vielleicht was anders, aber auch da wäre ich dann froh, wenn jemand sich schon vorab die Mühe gemacht hätte, nachzusehen ob da nicht von Negern o.ä. die Rede ist.

            • Stefan Sasse 6. Juni 2016, 16:22

              In dem Fall ist sie glaube ich ziemlich stabil auf dem Boden der Tatsachen. Den Begriffn auszutauschen ist wahrlich keine große Sache.

              Bei der Bibel wollte ich darauf hinweisen, dass die permanent redigiert wird. Es werden Teile weggelassen (v.a. Altes Testament) oder verharmlost. Da besteht auch keiner drauf, das aus der Sichtweise eines Aramäers um 100 n. Chr. zu lesen. Warum sollte ich also Kinder auf die Moralwelt von vor 80 Jahren reduzieren?

        • Ariane 6. Juni 2016, 15:08

          Ich sprach doch von Kinderbüchern. Ich hatte früher übrigens so eine Bibel für junge Leute, die auch an den neuen Sprachgebrauch angepasst war und vereinfacht war. Ist also nicht so, dass die Kirche das Problem ignoriert und lieber eine eigene Fassung herausbringt anstatt zu hoffen, dass Kinder und Jugendliche sich mit der sperrigen Originalfassung herumschlagen.

          Ich hab früher auch alles von Blyton verschlungen und ich denke dass heute auch neuere Fassungen davon in den Regalen stehen, weiß aber nicht, ob sie auch sprachlich überarbeitet wurden. Ich meine, in angelsächsischen Ländern ist das üblicher. Der kleine Lord, Prinzessin Sarah, Huck Finn etc. sind ja alle uralt, daher denke ich schon, dass es zumindest eine Kinderedition gibt, die dann nicht mehr die Originalfassung ist.
          Vom Struwwelpeter gibts doch ganz viele alternative Versionen, ich schätze, es gibt auch nur noch wenig Eltern, die ihren Kindern von abgeschnittenen Daumen vorlesen möchten. ‚Du magst das anders sehen, aber das zählt heute nicht mehr wirklich zu den Erziehungsmaßstäben. Hoffentlich sind die Struwwelpeter-Nachweiner nicht dieselben Leute, die meinen, die heutige Jugend wäre durch anderen Medienkonsum total verroht^^

    • Stefan Sasse 6. Juni 2016, 14:55

      Die Trigger-Warnings kommen im zweiten Artikel. Lassen wir da mal noch außen vor. Was deine kriminellen Ausländer angeht: context matters. Du kannst problemlos von kriminellen Ausländern reden, sofern du wirklich von kriminellen Ausländern redest, wenn du verstehst was ich meine.

  • CitizenK 6. Juni 2016, 12:05

    Sehe ich insgesamt auch so. (DerMaultaschen-Vergleich ist allerdings missglückt).

    Sensibilität für Sprache ist durchaus angebracht. Es ist schon irritierend, wenn der Redakteur einer großen Tageszeitung ganz selbstverständlich einen Begriff der Nazi-Rassenideologie verwendet und auch auf Nachfrage nicht versteht, was daran nicht in Ordnung ist:
    http://www.prinzessinnenreporter.de/tadel-fuer-den-tagesspiegel/

    Astrid Lindgren zensieren zu wollen finde ich albern. Übertreibung schadet.

    • Stefan Sasse 6. Juni 2016, 14:56

      Sie wird ja nicht zensiert. Es wird ein Begriff ausgetauscht. Das ist doch ein bisschen was anderes. Übertreibung schadet.

  • In Dubio 6. Juni 2016, 12:06

    Es ist problematisch, wenn man selbst referenzierend einen Begriff erklären will. Du unternimmst den Versuch, political correct Political Correctness zu definieren. Das muss scheitern.

    Soweit PC tatsächlich nur die Bestimmung gesellschaftlich akzeptierter Tabus wäre, eine Sache der Höflichkeit sozusagen, wäre die Sache in Ordnung, nur hätte man dazu seinen Knigge verinnerlichen müssen. So ist es aber nicht. Tatsächlich wird die Definition vorrangig vom linken politischen Lager genutzt, um die Deutungshoheit über unser Zusammenleben zu gewinnen und bis ins Privateste hineinregieren zu können. Die Spitze der Political Correctness findet sich in den USA, wo inzwischen das Intimste diesem Konventionenspiel unterworfen ist. In Deutschland entspringt der Veggiesday der Grünen diesem Gedankengut.

    Das wirklich Schlimme dabei: es kommt ausgerechnet aus der politischen Ecke, die sich einstmals die Aufhebung aller Tabus auf die Fahnen geschrieben hatte. Merke: Tabus sind gut, wenn es meine sind. So bleibst Du bei Banalitäten, ohne die Auswüchse nur im mindesten zu streifen.

    Der Umgang mit der Flüchtlingsproblematik entspringt dem Political-Correctness-Gedanken. Dazu gehört, Straftaten nicht dem Offensichtlichen zuzuweisen (kulturelle Unterschiede, höhere Anfälligkeit für Kriminalität), sondern den ganz großen Kreis zu ziehen. So sind wieder grundsätzlich alle Männer potentielle Vergewaltiger und die Vorkommnisse von Köln nicht schlimmer als ein Wiesn-Tag auf dem Oktoberfest. Täter, die im Namen Allahs töten, sind natürlich keine Islam-Gläubige, sondern einfach Benachteiligte aus unserer Mitte.

    Menschen sollen nicht beleidigt werden, das steht schon im Grundgesetz und Strafgesetzbuch. Dazu bedarf es keines überwölbenden moralischen Überbaus. Der wird von jenen errichtet, die noch jeden Andersdenkenden beschimpfen, von Thilo Sarrazin bis zur AfD. Gewaltakte gegen Ausländerheime sind Zeichen eines neu aufkommenden Nationalsozialismus. Nur, was sind die vielen tätlichen und teilweise mit Mordabsichten versehenen Angriffe auf AfD-Politiker und -Einrichtungen? Warum wird das Eine jeden Tag in den Nachrichten thematisiert und das Andere tabuisiert? Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, das sollte reichen. PC-Anhänger dagegen schieben noch die moralische Wertung obendrüber. Und so wird als „neoliberal“ alles verdammt, was dem linken Lager gegen den Strich geht. Fakten? Uninteressant.

    Nein, PC ist vor allem ein moralisches Konstrukt, um den Geist einzusperren und Freiheiten zu unterdrücken. Mit sinnvollen Tabus hat das wenig zu tun.

    P.S.: Wenn Angelsachsen etwas nach seiner deutschen Herkunft bezeichnen wollen, dann greifen sie normalerweise nicht auf die Nazi-Diktatur zurück. „Krauts“, „Kindergarten“, „Autobahn“ (shit, doch ein Nazi-Wort).

    • Stefan Sasse 6. Juni 2016, 16:16

      Du argumentierst effektiv gegen einen Strohmann. Ich habe nie bestritten, dass „die Definition vorrangig vom linken politischen Lager genutzt, um die Deutungshoheit über unser Zusammenleben zu gewinnen und bis ins Privateste hineinregieren zu können“: Genau das schreibe ich auch im Artikel. Nur tust du so, als wäre das eine ein Eingriff und das andere nicht. Gesellschaftliche Normen werden immer von irgendjemand durchgesetzt, sie entstehen nicht im luftleeren Raum. Und wenn du jemals irgendwo in einem Dorf gelebt hast weist du, wie sehr da ins Allerprivateste hineinregiert wird, von jedem Nachbarn, ganz ohne dass es dazu Grüne braucht.

      Wir werden im zweiten Teil die Übertreibungen von PC, die du ansprichst, voll thematisieren, keine Bange. Und mein Nazi-Beispiel sollte nicht real existierende Übernahmen ansprechen, sondern die Gemütsverfassung deutlich machen.

  • egghat (@egghat) 6. Juni 2016, 13:19

    Das Problem mit dem Zigeunerschnitzel ist IMHO, dass wir hier über einen Nebenaspekt diskutieren. Der große Teil der Bevölkerung nutzt den Begriff total neutral. Für die hängt eigentlich nicht so wahnsinnig viel Schlimmes am Begriff.
    Ganz anders der Begriff „Zigeuner“. Dieser wird zwar von deutlich weniger Leuten benutzt, ist aber quasi immer negativ besetzt. Wird nun der Begriff „Zigeuner“ durch „Sinti“ ersetzt, ändert das in Blick auf die Vorurteile und die negative Einschätzung nur sehr wenig. Dann steht an der Türe des Supermarkts (das Bild ging letzte Woche rum) halt: „Stop, keine Sinti“. Selbst in diesem Fall (extrem negative besetzter Begriff „Zigeuner“) hilft der Austausch des Begriffs nur relativ wenig. Wie soll der Austausch des Begriffs „Zigeunerschnitzel“ dann was bringen?

    Wir müssen vorrangig die Vorurteile bekämpfen, nicht nur die Begriffe. Und wenn wir unsere Energie in solche abgeleiteten Begriffe wie das Zigeunerschnitzel stecken, finde ich persönlich, dass das tendenziell verschwendete Energie ist, die woanders besser aufgehoben ist (und dort bitter nötig wäre). Auch, weil die Bevölkerung den Weg mitgehen muss und sich bei „Zigeunerschnitzel“ auch schnell verständnislos abwenden kann.

    • Ariane 6. Juni 2016, 14:12

      Ich glaube, sowas ist eher eine Frage der Konsequenz. Das ganze ist ja auch kein Megaaufwand, sondern passiert irgendwann von selbst. Den Begriff Negerkuss liest man heute auch nirgends mehr und der war ja genauso neutral. Das ist glaub ich mehr so eine Sache quasi, deinem Kind kannste leichter beibringen, dass man Neger und Zigeuner nicht sagt, wenn du vorher keinen Negerkuss und Zigeunerschnitzel gegessen hast und ihm vom Negerkönig Ephraim vorgelesen hast 🙂

      Was ich problematischer finde, ist dass sich ein Teil der akademischen Diskussion total vom Alltäglichen abgelöst hat. Ich bin da irgendwann mal in ein Streitgespräch über critical whiteness hineingeraten und ob es nicht irgendwie bevormundend ist, wenn man als Weißer sich für Rechte anderer Minderheiten einsetzt. Ziemliche Freakdiskussion. Dass an den Unis anders darüber geredet und debattiert wird, ist ja logisch und normal auch begrüßenswert, aber da kam mir doch der Gedanke, dass es inzwischen so losgelöst ist, dass es mehr hinderlich als irgendwie hilfreich ist.

    • Stefan Sasse 6. Juni 2016, 16:17

      Selbstverständlich. Wie ich ja schreibe, ist das Zigeunerschnitzel selbst völlig bedeutungslos. Progressive nutzen solche Banalitäten zum Schaffen eines Problembewusstseins, gerade weil sie so low-key sind. Man kann Leuten daran das Problem aufzeigen, ohne sie gleich in eine Ecke mit Brandstiftern an Asylheimen zu stellen. Das ist der Vorteil daran.

      • egghat (@egghat) 7. Juni 2016, 11:22

        Wenn die Bevölkerung mitgenommen wird, ist deine Argumentation nachvollziehbar. Genau da habe ich aber meine Zweifel. Du diskutierst am Ende darüber, dass „die da oben“ „uns“ das Zigeunerschnitzel wegnehmen wollen. Wenn du in dieser Diskussion noch den Dreh dazu bekommst, den Leuten die Vorurteile gegenüber Zigeunern auszutreiben, Respekt. Ich fürchte aber, den Dreh bekommst du nicht.

        Der einfache Mensch auf der Straße ich einfach. Bringt denen bei, dass Sinti und Roma den Begriff „Zigeuner“ als beleidigend empfinden. Und man ihn deshalb nicht benutzt, auch wenn man ihn nicht beleidigend meint und auch, wenn man ihn schon immer nicht beleidigend benutzt hat. Dann erklärt, warum der Begriff beleidigend besetzt ist (die klauen, sind hinterhältig, you name it) und das nicht stimmt. Damit hat man genug zu tun. Ich glaube nicht, dass das Schnitzel dabei hilft.

        Aber ich sehe schon, dass man da anderer Meinung sein kann als ich.

        • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 11:53

          Am Zigeunerschnitzel hängt nicht viel. Ich sehe es lediglich als Sympom. Aber ich denke tatsächlich dass wir da nicht ganz zusammenkommen. Aber solange wir das gleiche Ziel haben… 😉

  • Ariane 6. Juni 2016, 13:56

    Naja, wenn Gauland & Co. als Nazis, Rassisten oder rechtsradikal bezeichnet werden, bestehen sie ja auch gerne auf pc^^

    Ich persönlich denke schon, dass die Sprache eine gewaltige Rolle spielt, aber wie in der vorigen Diskussion schon angemerkt, dauern solche Prozesse nun mal sehr lange und sie sind vor allem eine enorme Sisiphosarbeit aus vielen Bausteinen. Nur die Gesetze zu ändern reicht ebensowenig, wie die Sprache zu verändern. Das macht die Diskussion imo auch häufig schwierig, weil es immer so wirkt, als ob man sich wegen Kleinigkeiten in die Haare bekommt. Im vorigen Text ging es um Antidiskriminungsgesetze, genauso gut könnte man hier wieder fragen, ob die Umbenennung in Paprikaschnitzel denn irgendwas bewirkt und für sich alleinstehend ist das wohl wirklich nicht so der große Wurf und vor allem kein schneller Wurf. Es gibt ja kein Schnitzelgesetz oder Negerkussgesetz, das setzt sich ja von selber durch. Irgendetwas scheint aber zu wirken, weil mein angeheirateter Cousin aus dem Senegal zumindest meinte, dass es heute besser ist als in den 70ern.

    Ich denke, es gibt außerdem noch ein weiteres Problem, das mir in Zusammenhang mit der blackfacing-Debatte aufgefallen ist. Oder mit dieser Geschichte vor einiger Zeit, als afrikanische Flüchtlinge beim Koffertragen geholfen haben und dabei ungünstig gekleidet wurden. Die Debatte internationalisiert sich auch immer mehr. Gerade blackfacing hat ja ganz unterschiedliche Geschichten. In den USA hat es ja durch diese Theaterstücke wirklich rassistischen Beiklang, während wir in Europa schwarzangemalte Gesichter für Weihnachtsbräuche genutzt haben, ohne eine rassistische Geschichte im Hintergrund. Und mittlerweile ist unsere Welt eben zu sehr zusammengewachsen, dass man sagen kann, hey wenn man sich in den USA schwarz anmalt, ist das rassistisch und in Europa total unschuldig. Und ich denke, diese regionalen Rassismusgeschichten werden der nächste Schritt in der Debatte.

  • bevanite 6. Juni 2016, 15:56

    Ich wäre ja wirklich dafür, diesen Kampfbegriff zu entsorgen, weil er je nach politischer Stimmungslage gedreht werden kann. Dazu kommt, dass in der englischsprachigen Welt unter „political correctness“ teilweise etwas ganz anderes verstanden wird als in Deutschland. Drückt man sich in den USA oder in Großbritannien etwas derber, also fäkal- und sexualsprachlich aus, gilt das mitunter auch schon als „politically incorrect“, obwohl es nur selten mit Politik zu tun hat. Ursprünglich war das wohl einfach nur ein Wort für die angelsächsische Höflichkeit. Der Bedeutungswandel kam dort erst mit der Emanzipation verschiedener vormals schlechter gestellter Gruppen und fortan bezog die New Right den Begriff stärker politisch, bezogen auf eher links-antiautoritäre Positionen.

    In Deutschland hat es sich auch seit einiger Zeit eingebürgert, vor allem politisch linke Positionen – wie Antirassismus, Feminismus, sogar die Befürwortung des Mindestlohns – als „politisch korrekt“ zu diskreditieren. Früher hörte ich es hingegen oft aus den Mündern von linksradikal-anarchistischen Punks, die es auf die bessergestellten „linken Spießer“ anwendeten. Innerhalb der radikalen Linken war es teilweise noch wirrer: dort warfen propalästinensische „Anti-Imps“ und proisraelische „Anti-Deutsche“ der jeweils anderen Seite vor, aufgrund ihrer jeweils eindeutigen Positionierung im Nahost-Konflikt zu politisch korrekt zu sein. In der rechtslibertären Publikation eigentümlich frei wurde sich sogar mal darüber echauffiert, dass PI-News (!) in Sachen Israel zu „politisch korrekt“ wäre…

    Sprache verändert sich nunmal, und wenn Begriffe wie „Neger“, „Fischi“, etc. gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert werden, weil sich die davon betroffenen Personen mittlerweile selbstbewusst dagegen aussprechen, dann ist das halt so. Mittelfristig setzen sich eben neue Begriffe durch. Dahinter steckt keine verschwörerische Clique von Pädagogen oder Linguisten und es schränkt auch niemandens Freiheit ein – es passiert einfach. Ebenso wie nicht mal die Académie Française Anglizismen verhindern kann.

    • Stefan Sasse 6. Juni 2016, 16:19

      Ich kooptiere den Begriff hier auch ganz bewusst, weil er so verdreht wurde. Ich will ihn von einem Schimpfwort wieder darauf zurückholen, um was es eigentlich geht. Der gleiche Kampf gegen Windmühlen, den In Dubio beim Wörtchen „neoliberal“ betreibt 😉

  • Ralf 7. Juni 2016, 00:58

    Hmmm … also ich kann mich fuer die neue „Political Correctness“ ueberhaupt nicht begeistern. Die meisten Argumente in diesem Artikel versuchen ein Problem zu bewaeltigen, das ueberhaupt nie existiert haette, wenn man es nicht herbeiphilosophiert haette. Und der Text geht auch von voellig falschen Grundannahmen aus.

    Das zeigt z.B. das absurde Beispiel der „Nazi-Taschen“. Es ist voellig abwegig, dass jemand „nichts Boeses im Schilde fuehrend“ ein Gebaeck mit dem Namen „Nazi“ versehen wuerde. Die Analogie dazu waere, wenn Deine Metzgerei gegenueber ploetzlich „Kanackenwurst“ im Angebot haette und angeblich keine Ahnung haette, dass das moeglicherweise beleidigend sei. Waere das glaubwuerdig? Ich denke wir alle kennen die Antwort.

    Als das Zigeunerschnitzel oder die Negerkuesse ihren Namen erhielten, geschah das nicht mit dem Anliegen den interessierten Konsumenten subtil eine Beleidigung unterzujubeln. Es war einfach ein Name. Punkt. Zigeunerschnitzel und Negerkuesse existieren bereits so lange, dass die Bezeichnungen ihre wortwoertlichen Wurzeln komplett verloren haben. Wenn mir als Kind ein Negerkuss angeboten wurde, hatte ich dabei nicht ein mentales Bild eines Schwarzen vor Augen, der mich kuessen will. Und wenn ich im Restaurant ein Zigeunerschnitzel bestellte, dachte ich nicht an Roma und Sinti. Mein Name Ralf, wie ich heute unter Wikipedia nachlas, entstand urspruenglich aus den germanischen Begriffen fuer Ratgeber und Wolf. Hat irgendwer, der diese Zeilen liest gerade ein mentales Bild eines Ratgebers oder eines Wolfes vor Augen? Nein? Ich auch nicht. Ralf ist heute eben nur noch ein Name. Voellig neutral. Und manche Begriffe buergern sich eben einfach ein. Manchmal fuehrt das sogar zu inhaltlichen Sachfehlern. So hat sich etwa der Begriff des Tannenbaums als Bezeichnung fuer den Christbaum eingebuergert. Die meisten Tannenbaeume sind aber gar keine Tannen sondern Fichten. Eigentlich muessten wir also Fichtenbaum sagen. Die Sprache hat sich aber nunmal anders entwickelt. Und Sprachentwicklung ist ein natuerlicher Prozess. Nicht notwendigerweise logisch. Wir nennen die Fichte im Wohnzimmer deshalb trotzdem Tannenbaum, was zeigt, wie sehr sich der Begriff von seiner urspruenglichen Bedeutung losgeloest hat. Ein Tannenbaum, wenn wir den Christbaum meinen, hat also de facto nichts mehr mit einer Tanne zu tun. Das selbe gilt fuer den Negerkuss, der nichts mit einem Neger zu tun hat. Das selbe gilt fuer das Zigeunerschnitzel, das nichts mit einem Zigeuner zu tun hat. Es sind eben schlicht Namen, die sich historisch nunmal so herausgebildet haben.

    Und was waere eigentlich die politisch korrekte Alternative? Soll das Zigeunerschnitzel jetzt „Sinti und Romaschnitzel heissen“? Oder waere das auch beleidigend? Oder muessen wir Paprikaschnitzel sagen, weil Assoziationen von Nahrungsmitteln mit Sinti und Roma grundsaetzlich immer beleidigend sind? Und falls das der Fall waere, waere nicht gerade das ausgrenzend? Wir essen ja schliesslich auch Dijon-Senf, trinken Bordeaux oder verspeisen Frankfurter Wuerstchen? Bisher hat noch niemand behauptet, dass wir damit die Bewohner von Dijon, Bordeaux und Frankfurt beleidigen. Irgendwie scheinen wir Sinti und Roma anders zu behandeln als alle anderen. Wuerde ich zu dieser ethnischen Gruppe gehoeren, ich waere beleidigt.

    Aehnliches gilt fuer den Negerkuss. Ich erinnere mich nicht, dass der Begriff Neger in den fruehen 80ern, als ich aufwuchs, belastet war. Bei uns zuhause wurde der Terminus voellig wertneutral verwendet, als Bezeichnung fuer einen Menschen mit dunkler Hautfarbe. Auch dass der Begriff in Pippi Langstrumpf auftaucht zeigt, dass dies ein voellig normales Wort war. Es wird doch niemand Astrid Lindgren unterstellen wollen, sie haette die Absicht gehabt, afrikanischstaemmige Mitbuerger herabzusetzen oder zu beleidigen. Irgendwann beschloss aber eine kleine Minderheit auf politischer Mission aus dem Begriff ein Problem zu machen. Und manchmal, wenn eine kleine Minderheit eine grosse Mehrheit terrorisiert, passt sich die Mehrheit an. Weil Neger angeblich beleidigend war, mussten die Negerkuesse umbenannt werden. Sie wurden zu Mohrenkoepfen. Eigentlich eine elegante Loesung. Der Begriff des Mohren kommt sogar in der Bibel vor. Die meisten halten die Bibel nicht fuer ein rassistisches Pamphlet. Aber irgendwann tauchte die kleine Minderheit wieder auf und war auch mit dem Begriff des Mohren nicht zufrieden. Er sei beleidigend. Die Mohrenkoepfe wurden anschliessend zu Schokokuessen (der Hersteller hatte offensichtlich Furcht weiter am Prnager zu stehen) und die Gesellschaft musste sich einen neuen Begriff fuer dunkelhaeutige Menschen einfallen lassen. Fuer den groessten Teil der Neunziger war das der Begriff des Farbigen. Erwartungsgemaess tauchte allerdings die kleine Minderheit irgendwann wieder auf und erklaerte, dass auch dieser Begriff beleidigend sei. „Farbiger“ durfte nicht mehr gesagt werden, da Farbige ja nicht farbig im Sinne des Regenbogens seien. Also brauchte die Gesellschaft einen neuen Begriff. Diesmal wurde es der Begriff des „Schwarzen“. Kurz bevor ich in die USA zog, las ich uebrigens einen Artikel in einer deutschen Zeitung, in dem argumentiert wurde, der Begriff des „Schwarzen“ sei beleidigend. Man solle sich eine andere Loesung einfallen lassen. Der Eindruck, der bei mir entsteht ist, dass die kleine Minderheit, die unsere Sprache wieder und wieder veraendern will, gar kein Problem mit den eigentlichen Begriffen, sondern ein Problem mit Schwarzen hat. Es scheint voellig egal welchen Terminus man findet. Die kleine Minderheit ist immer beleidigt.

    Und ja, es ist eine kleine Minderheit. In den USA laesst sich das gerade gegenwaertig sehr schoen zeigen. Da kaempft die kleine Minderheit seit Jahren z.B. fuer die Umbenennung des traditionellen Football-Teams der Washington Redskins, weil der Begriff Redskins angeblich beleidigend sei. Nach jahrelangem Hin- und Her unternahm die Washington Post jetzt eine grossangelegte Umfrage, ausschliesslich unter Amerikanern mit indianischstaemmigen Wurzeln. Das schockierende Ergebnis wurde letzten Monat wie ein Paukenschlag veroeffentlicht. 9 von 10 Befragten fuehlen sich durch den Begriff Redskins nicht beleidigt. Ei der Daus! Wie es scheint, hat die kleine Minderheit ein Problem erfunden, das es garnicht gibt.

    Und wie weit soll die politische Korrektheit ueberhaupt eigentlich gehen? Pippi Langstrumpf haben wir schon umgeschrieben. Das war ja auch noch einigermassen einfach. Wir mussten einfach den Negerkoenig durch den Suedseekoenig ersetzen. Aber was wenn Inhalte nicht mehr zeitgemaess sind? Die Deutschtuemelei in Karl May etwa oder die progermanische Haltung in Felix Dahns „Ein Kampf um Rom“. Aendern wir dann die Dialoge, die uns nicht mehr in den Kram passen? Schreiben wir Charaktere um? Ergaenzen wir die Handlung mit politisch korrekten Figuren? Und streichen unliebsame Charaktere aus dem Text? Veraendern wir die Handlung, so dass sie in den politische korrekten Rahmen passt?

    Ich hab den Eindruck vieles an der Debatte ueber politische Korrektheit wuerde in Nordkorea, Russland und der gegenwaertigen Erdogan-Tuerkei sofort Zustimmung finden. Dort wird ja auch viel aus Gruenden der politischen Korrektheit geloescht und manipuliert. Einer der Hoehepunkte, in diesem Kontext, aus dem letzten Jahr, ein Gemeinschaftsfoto von Staatschefs auf einer Trauerveranstaltung, aus dem alle Frauen wegretuschiert wurden, denn die Existenz von Frauen ist offensichtlich beleidigend:

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/trauer-in-paris-israelische-zeitung-manipuliert-merkel-aus-foto-a-1012732.html

    Schoene neue Welt!

    • Ariane 7. Juni 2016, 04:12

      Als das Zigeunerschnitzel oder die Negerkuesse ihren Namen erhielten, geschah das nicht mit dem Anliegen den interessierten Konsumenten subtil eine Beleidigung unterzujubeln. Es war einfach ein Name. Punkt
      Na, mit der Argumentation kannst du aber alles wegrelativieren. Neger war auch irgendwann mal ein neutraler Begriff und Zigeuner auch, trotzdem ist das heute eine schwere Beleidigung. Ich verstehe auch diesen Gedankengang einfach nicht, dass der Begriff Neger dann plötzlich wieder unschuldig ist, nur weil es um was zu essen geht.

      So hat sich etwa der Begriff des Tannenbaums als Bezeichnung fuer den Christbaum eingebuergert.
      Hier muss ich dir widersprechen, das sind regionale Unterschiede (hat übrigens nichts mit religiöser Toleranz zu tun, falls du darauf hinauswolltest). In Norddeutschland gehört das Wort Christbaum schlicht absolut und überhaupt nicht zum Sprachgebrauch. Der Christbaum ist hier genauso wenig angekommen wie das Christkind. Ich schätze übrigens, dass du selbst mit deiner ursprünglichen Bedeutung falsch liegst und der Tannenbaum gleich durch Luther oder das Lied so „geliefert“ wurde und davor haben wir hier nicht mal deutsch gesprochen 😉

      weil Assoziationen von Nahrungsmitteln mit Sinti und Roma grundsaetzlich immer beleidigend sind? Und falls das der Fall waere, waere nicht gerade das ausgrenzend? Wir essen ja schliesslich auch Dijon-Senf,
      Ein alternativer Vorschlag war übrigens Balkan-Schnitzel. Und es scheint mir doch ein Unterschied, ob man Dijon-Senf hat oder Froschfresser-Senf, Frankfurter oder Bankster-Würstchen.

      Und ja, natürlich war Neger mal ein neutraler Begriff. Zu Zeiten, als Frauen nicht arbeiten durften und Homosexuelle eine rosa Schleife angesteckt bekamen und dann im Gefängnis saßen und Lehrer noch mit Lineal und Rohrstock im Klassenzimmer saßen, um ihre Schüler zu verprügeln. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, haben sich die Zeiten gewaltig geändert und ich bin jeden Tag froh und glücklich, dass ich heute leben darf.

      Und deine Argumentation mit der kleinen, winzigen Minderheit ist falsch. Es gibt KEINE Gesetze, die das regeln (außer beim Holocaust). Jeder darf privat und öffentlich von Negern reden, Jerome Boateng nicht als Nachbarn haben wollen, ein Zigeunerschnitzel verkaufen und die alte Ausgabe von Pippi Langstrumpf vorlesen. Das ist alles total legal, man muss halt damit rechnen, dass das nicht so gut ankommt.
      Es hätte sich nie durchgesetzt den Begriff Neger zu tabuisieren, wenn das nur fünf Leute gut gefunden hätten. Damit hat es vielleicht angefangen, aber die haben dann soviele Menschen überzeugt, dass der Begriff mittlerweile in weiten Teilen komplett verschwunden ist. Gesellschaftliche Veränderungen funktionieren nur, wenn aus kleinen Minderheiten, die ein Problem anspricht, plötzlich die Mehrheit wird.

    • Ariane 7. Juni 2016, 04:40

      Sorry, zu früh abgeschickt:
      Wir mussten einfach den Negerkoenig durch den Suedseekoenig ersetzen. Aber was wenn Inhalte nicht mehr zeitgemaess sind?
      Klar geht das auch bei Inhalten, die Diskussion hatten wir ja weiter oben. Gerade in der Bibel wurden die ganzen fiesen Sachen umgeschrieben oder ganz weggelassen. Im Original ist Game of Thrones ja ein friedlicher Kindergeburtstag dagegen.
      Wilhelm Busch oder Struwwelpeter wurden auch erwähnt, da gibt es vermutlich auch kindgerechtere Versionen oder sie wurden wie bei Stefan gleich komplett verbannt, weil Verstümmelung und Todesstrafe nicht mehr zu den Erziehungsmaßstäben gehören.
      Und die Debatte dreht sich auch nicht um jedes literarische Werk und niemand will morgen mal „Mein Kampf“ nach pc-Kriterien überarbeiten, sondern hauptsächlich um Kinder, die eben noch nicht einschätzen können, ob ihnen wirklich der Daumen abgeschnitten wird.

      • In Dubio 7. Juni 2016, 07:05

        Wenn Du so argumentierst, Ariane, verrennst Du Dich, Ariane. Du findest nie ein Ende, Dinge umzuschreiben, dass sie jedem passen. Hamburger müssen sich auch beleidigt fühlen, dass sie in der Pfanne gebraten werden.

        In der Zeit, wo ich aufgewachsen bin (70er und 80er Jahre) waren Neger und Zigeuner neutrale Begriffe, die natürlich auch beleidigend verwendet wurden. So wie Neoliberaler oder Weib heute.

        Woher weißt Du eigentlich, dass diese Termini beleidigend sind? Irgendwann in den 1980er, Anfang der 1990er Jahre hieß es: das sagt man nicht mehr. Es gab keinen Regierungsbeschluss dazu, nicht mal eine Umfrage. Nicht mal die Betroffenen wurden gehört (wenn man von Lobbygruppen, die nur einen Bruchteil vertreten, absieht). Wie kommst Du also dazu zu sagen, „so etwas sagt man nicht.“? Und woraus leitest Du das Recht auch noch ab, zu verlangen, dass ganze Kulturen und Errungenschaften verändert werden? Das ist ein Absolutheitsanspruch, der einer Diktatur gut zu Gesichte steht, nicht aber einem liberalen Denken.

        Ich habe hier vor einen Tagen einen Mitkommentator zurecht gewiesen, weil er abhängig beschäftigte Menschen als Sklaven bezeichnet. Wenn wir schon pc sind, wäre hier der Punkt gewesen aufzustehen. Allerdings, eine solche Äußerung ist die Meinungsfreiheit gedeckt. Punkt.

        Ich muss meinem Kind nicht Wilhelm Busch vorlesen. Ich hab’s getan, dann aber ungefiltert. Für Kinder sind Beschreibungen wie Tod oder Finger abhauen abstrakt. Sie können sich nichts darunter vorstellen. Und wenn Du ihnen Negerküsse kaufst, dann ist das halt ein leckerer Schokoschaum.

        • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 10:37

          Du vertrittst den Absolutheitsanspruch, Wörter die andere beleidigend finden verwenden zu dürfen wie du willst, weil du die Einschränkung deines Vokabulars nicht hinnehmen willst. Der große Irrtum dem du (und auch Ralf) aufsitzen ist, dass es eine Art neutrale Zone gibt.

          • In Dubio 7. Juni 2016, 15:06

            Ich sehe nicht, dass ich einen Absolutheitsanspruch vertrete. Ich bin ziemlich selten beleidigt, das muss man in einer öffentlichen Debatte aushalten können. Sprache ist neutral, der Unterschied ist immer, was wir daraus machen.

            Lügenpresse ist ein Vorwurf, neoliberal eine Beschreibung, die wirtschaftsgeschichtlich definiert ist und als Kiste für alles missbraucht wird. Sollen sich jetzt aber Neoliberale nicht mehr so nennen dürfen?

            Zu meiner Zeit verbanden wir Kinder mit dem Begriff Zigeuner lustige Leute, die umherreisen. Abenteuer. Und darüber hinaus, ja, wurde es von Erwachsenen auch als Schimpfwort benutzt. Aber niemand wäre zu der Zeit auf die Idee gekommen, Enid Blytons „Fünf Freunde“ deswegen umzuschreiben.

            Andererseits wurde zu meiner Kindheit von Jugendlichen „schwul“ als Schimpfwort verwandt. Was hältst Du davon, wenn wir heute Homosexuelle nicht mehr als „schwul“ bezeichnen, sondern als „Männer, die eine Liebesbeziehung mit dem eigenen Geschlecht eingehen“. Prima, oder? 😉

            • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 15:34

              Die Sache ist: du musst ja nichts aushalten. Das ist ja genau der Punkt. Du musst was aushalten, wenn die neuen Regeln kommen würden, und dafür jemand anderes nicht. Sprache ist eben nicht neutral, weil sie nur in Kontext existiert.

              Neoliberale können sich nennen wie sie wollen, nur weißt du ja, wie pejorativ der Begriff inzwischen besetzt ist. Du kannst gerne versuchen, ihn in der Originalversion zu verwenden, aber der Sprachgebrauch hat sich hier gewandelt.

              Ja, aber damals war es den Leuten auch scheißegal, wenn Minderheiten beleidigt werden. Und das ist es eben heute nicht mehr.

              Total prima, danke für diese grandiose Idee die auch fast meiner Position entspricht. Nicht. Dagegen vorzugehen, dass Kinder „schwul“ als Schimpfwort verwenden, ist eine klassische Erziehungsaufgabe heute. Ich verpasse jedem Schüler einen Einlauf, der das macht.

              • In Dubio 7. Juni 2016, 15:40

                Der Punkt ist: seit dem ich offen dazu stehe, neoliberal zu sein, bezeichnet mich niemand so. Irgendwie auch schade. Kinder lernen schnell: ich kann nur jemanden beleidigen, der sich beleidigen lässt. Zugegeben: das stimmt nicht wirklich absolut, aber stark in der Tendenz.

                Ich verpasse jedem Schüler einen Einlauf, der das macht.

                Das mag politisch korrekt sein, ist aber eine strafbare Handlung, womit Du den Grundkonflikt aufgezeigt hast. 🙂

              • Ralf 7. Juni 2016, 21:28

                Der Begriff „schwul“ ist eigentlich ein hervorragendes Beispiel, um den Schwachsinn der politischen Correctness aufzuzeigen.

                „Schwul“ war in den 80ern ein viel haeufiger gebrauchtes Schimpfwort als „Neger“. Es gab in Deutschland ja kaum Schwarze. Der Begriff „Neger“ laesst sich aber offensichtlich nicht auf einen Weissen anwenden – weder positiv noch negativ, weshalb dieser Terminus als „Beleidigung“ in der Realitaet garnicht existierte. Ich kann mich nicht erinnern den Begriff als Kind jemals im Kontext einer Beleidigung gehoert zu haben. Mit dem Schimpfwort „Schwuler“ war das ganz anders. Das wurde sehr haeufig genutzt.

                Wenn es also ueberhaupt jemals eine Notwendigkeit gab einen Terminus durch ein neues Wort zu ersetzen, dann waere es nicht der Begriff „Neger“ sondern der Begriff „schwul“ gewesen. Dennoch hat sich das gestelzte Fremdwort „homosexuell“ niemals wirklich durchgesetzt. Stattdessen haben sich die Betroffenen das Wort „schwul“ zueigen gemacht. Der negativ aufgeladene Begriff wurde nach und nach mit einer positiven Konnotation (oder zumindest mit einer guten Portion Normalitaet) gefuellt. In der Lindenstrasse z.B. wurde in den spaeten 80ern zum Entsetzen vieler Zuschauer der erste Schwulenkuss gezeigt. In den Folgejahren wurden schwule Paare immer wieder in der beliebten Sendung portraetiert. Und zwar richtigerweise als voellig normale Leute mit normalen Problemen wie Du und ich. Auf diese Art und Weise haben sich die Menschen langsam daran gewoehnt, dass Schwule eben ganz normale Menschen sind. Heutzutage kann kaum jemand verstehen, weshalb Homosexualitaet noch in den 60ern in Deutschland strafbar war. Schwulenkneipen finden sich heute in jeder Stadt und in manchem Dorf. Schwule kuessen sich offen auf der Strasse, genauso wie heterosexuelle Paare. Und das ist wunderbar so. Zum Christopher Street Day und aehnlichen Paraden kommen Menschen egal welcher sexuellen Orientierung aus dem ganzen Land und feiern mit. Der Begriff „schwul“ hat einen grossen Teil seiner negativen Assoziationen verloren.

                Was den Begriff „Zigeuner“ angeht, ist das Gegenteil passiert. Man ist in die Defensive gegangen, hat den Begriff versteckt, verboten. Den Eliten war er peinlich. Man hat die Ethnie mit schlechtem Image einfach umbenannt in der stillschweigenden Hoffnung, dass die Menschen mit dem neuen Namen auch das schlechte Image vergessen. Ein hoffnungsloser Fall. Jetzt haben eben Roma und Sinti ein schlechtes Image und wir duerfen uns auf die naechste Umbenennung vorbereiten. Den Betroffenen hat das alles rein garnichts genutzt. Die Hauptprofiteure aber waren die Rechtsextremen von der NPD und Konsorten. Die freuen sich masslos, dass „Zigeuner“ und „Neger“ dank der Political Correctness-Mafia heute Schimpfworte sind.

                Statt sich in Umbenennungen zu fluechten, haette man lieber am Image der betroffenen Gruppen arbeiten sollen. Man haette in die Offensive gehen sollen. Man haette den Dialog mit der Bevoelkerung suchen und Vorurteile abbauen sollen. Stattdessen ist man den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Zu Lasten der Betroffenen! Eigentlich Zeit endlich aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

                • Stefan Sasse 8. Juni 2016, 05:55

                  Der Unterschied ist, dass die Begriffe „Neger“ und „Zigeuner“ von den Betroffenen abgelehnt werden. Wenn die sie positiv umdeuten und sich zu eigen machen – schön. Machen sie aber nicht. Und wir sollten das respektieren.

                  Und dein rosiges Bild von der Akzeptanz von Homosexuellen (unter die übrigens auch Lesben fallen) Ende der 1980er Jahre ist auch zu deutlich geschönt um wahr zu sein. Mit der Akzeptanz ist es offensichtlich immer noch nicht weit her, weder hier noch in den USA.

                  • Ralf 8. Juni 2016, 06:36

                    Ob die Betroffenen die sie bezeichnenden Begriffe wirklich abgelehnt haben (DAMALS, nicht heute nachdem den Termini ein negatives Image uebergestuelpt worden ist), ist voellig unklar. Es gab meines Wissens nach keine repraesentativen Umfragen dazu. Gehoert wurde lediglich die Meinung einiger Verbaende, die kaum Mitglieder haben und damit nur einen verschwindend geringen Prozentsatz ihrer Klientel vertreten.

                    In manchen Faellen gibt es aber gottseidank Daten. Dazu zaehlt der Fall der Washington Redskins (ich hatte weiter unten zu dem Thema bereits auf CitizenK geantwortet und moechte mich hier ungern wiederholen). Nur soviel: Auch im Fall der Redskins war sich die Political Correctness-Mafia ausgesprochen sicher, dass indianischstaemmige Amerikaner doch nur beleidigt ueber den Namen sein koennten. Als sich endlich jemand die Muehe machte, die Betroffenen mal zu fragen, hatten 9 von 10 kein Problem damit. Die Umfrage ist unten verlinkt.

          • Ralf 7. Juni 2016, 17:01

            Du vertrittst den Absolutheitsanspruch, Wörter die andere beleidigend finden verwenden zu dürfen wie du willst, weil du die Einschränkung deines Vokabulars nicht hinnehmen willst. Der große Irrtum dem du (und auch Ralf) aufsitzen ist, dass es eine Art neutrale Zone gibt.

            Also das ist schon einigermassen grotesk, wie hier die Tatsachen in ihr Gegenteil verdreht werden.

            Ich soll einen Absolutheitsanspruch vertreten? Ich bin ein Liberaler. Mir ist voellig gleichgueltig, was fuer Begriffe Du verwendest. Wenn Du mit Ariane ein Restaurant eroeffnen moechtest, um dort Balkanschnitzel anzubieten, habe ich damit null komma null Probleme. Ich komme gerne als Gast.

            Aber waehrend ich die Political Correctness-Fraktion gerne mit ihrem Spleen leben lasse, wird mir im Gegenzug nicht die selbe Freiheit zugestanden. Wenn ich naemlich ein Restaurant eroeffne, um dort Zigeunerschnitzel zu verkaufen, werde ich zum Rassisten deklariert und mir werden Eier an die Fensterscheiben geworfen.

            Wie „real life“-Beispiele dazu aussehen? Gerne:

            Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, gab es vor einigen Monaten Ausschreitungen in der Yale University. Anlass war, dass die Leitung eines der Colleges sich weigerte, klare verbindliche Vorschriften zu machen, welche Halloweenkostueme erlaubt sind und welche nicht getragen werden duerfen. Die Leitung argumentierte, dass die Studenten schliesslich erwachsen seien und bat dennoch darum Ruecksicht auf die Gefuehle anderer zu nehmen und Konflikte im Dialog zu loesen. Klingt einleuchtend? Nicht fur die Political Correctness-Mafia. Unter massiven Angriffen bis hin zu Gewaltandrohungen wurde die Collegeleitung aus dem Amt gedraengt. Studenten, die sich nicht mit der kleinen Minderheit solidarisieren wollten, wurde oeffentlich ins Gesicht gespuckt (nicht metaphorisch, sondern tatsaechlich!). Ich hab mich ein bisschen durch die internen Foren gelesen. Was da zu Tage trat, war einfach nur noch erschreckend. Eine Asiatin beispielsweise machte die harmlose Aeusserung, dass sie sich nicht mit dem neuen Modebegriff „People of Color“ identifizieren koenne. Der Hass-Sturm, der daraufhin ueber dem armen Maedchen losbrach, ist kaum mit Worten zu beschreiben. „Verraeterin“ gehoerte noch zu den nettesten Beschreibungen.

            Ein anderes Beispiel waere der Nobelpreistraeger Tim Hunt. Der machte bei einem Bankett einen missglueckten Witz ueber Frauen, der im Kontext betrachtet garnicht gegen Frauen, sondern gegen sich selbst gerichtet war und wurde anschliessend oeffentlich hingerichtet (metaphorisch). Ohne ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu erklaeren, schmiss ihn seine Universitaet raus, noch waehrend er im Flugzeug sass. Anschliessend wurde er zum Inbegriff des Frauenhasses erklaert. Wer seinen Namen googlet, stoesst nicht mehr auf seine wissenschaftlichen Leistungen, sondern ueber seitenweise Shitstorm. Ironischerweise war es gerade Tim Hunt, der sich enorm fuer die Foerderung von Frauen in der Wissenschaft eingesetzt hatte. Trotz monatelanger Suche konnte die Presse auch nicht ein einziges Beispiel einer Frau finden, die Hunt benachteiligt, diskriminiert oder in ihrer Karriere behindert haben soll. Dutzende Frauen haben sich stattdessen an seine Seite gestellt und ihm fuer seinen Support waehrend ihrer beruflichen Entwicklung bedankt. Seinen Job und seinen Ruf hat der Mann trotzdem verloren.

            Und solche Beispiele gibt es immer oefter. Ein falscher Satz bei Facebook, ein bloeder Witz bei Twitter und Dein Leben kann von einem Moment auf den anderen zerstoert sein. Total. Und unwiederbringlich.

            Und genau diesen Entwicklungen hat der Political Correctness-Fanatismus den Weg bereitet und er bereitet ihn auch heute noch weiter. Diese Sachen werden ja immer schlimmer.

            Und wer hat nun den Absolutheitsanspruch?

            • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 17:51

              In den USA explodiert das Ding völlig in die falsche Richtung. Ich hatte überlegt, ob ich das in den ersten Teil mit reinnehme, aber das schien mir zuweit vom Thema wegzuführen. In dem Moment, wo dir jemand wegen deinem Zigeunerschnitzel Eier an die Fensterscheiben wirft reden wir auch nicht mehr von Political Correctness.

              • Ralf 7. Juni 2016, 17:58

                In Deutschland explodiert das Thema genauso. Gerade heute las ich, dass ein Lehrer seine Schuelerin in einem Strafprozess verklagte, wegen einer geringfuegigen Aeusserung auf einem privaten Facebook-Profil. Ich hab das Gefuehl, wir werden einfach eine Gesellschaft von Hypersensibelchen, die beim geringsten Anlass beleidigt sind. Und Tim Hunt ist uebrigens Brite nicht Amerikaner.

              • Ralf 7. Juni 2016, 21:32

                In dem Moment, wo dir jemand wegen deinem Zigeunerschnitzel Eier an die Fensterscheiben wirft reden wir auch nicht mehr von Political Correctness

                Doch, tun wir. Denn das sind exakt die Methoden, mit denen Political Correctness im Alltag gegen die Mehrheit durchgesetzt wird. Beispiele dazu hatte ich oben genannt.

    • In Dubio 7. Juni 2016, 06:51

      Ich habe mir den heutigen Tag dick im Kalender markiert. Ein Kommentar, den ich Punkt für Punkt unterschreiben kann!

      • Ralf 7. Juni 2016, 20:48

        Jetzt hab ich mich erschreckt ^^ 😀

    • Maniac 7. Juni 2016, 13:14

      Nein, wir sind, insgesamt definitiv nicht einer Meinung. Aber das ist ja in Ordnung. Aber hierzu:

      „Und wie weit soll die politische Korrektheit ueberhaupt eigentlich gehen?“

      möchte ich Ihnen schon gerne eine konkrete Antwort geben:
      Weiter. Ich da ganz bei Stephan Sasse. Hören wir doch endlich auf, unseren Kindern aus nostalgischen Gründen den Kram unserer Kindheit vorzulesen. Denn:

      „Pippi Langstrumpf haben wir schon umgeschrieben. Das war ja auch noch einigermassen einfach. Wir mussten einfach den Negerkoenig durch den Suedseekoenig ersetzen.“

      Meinst Du? http://www.sprachlog.de/2011/08/11/pippi-geh-von-bord/

      Es gibt mehr als ausreichend tolle moderne Kinderliteratur. Ich wüsste nicht, warum ich auf altbackenes Zeug zurückgreifen sollte, das auf ein Weltbild aus den 40er Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts aufsetzt (jaja, denn Lindgren war eine ehrenwerte Frau – das alleine reicht mir aber nicht). So toll war es damals nun auch nicht…

      Wenn Du Dich mit der Literatur von damals auseinandersetzen willst, steht Dir das völlig frei. Natürlich im unredigierten Originaltext von damals, klar, nur so gäbe da Sinn. Nur wo der Gewinn als Vorlesestoff für (kleine) Kinder liegen soll, versteh ich einfach nicht.

      Gruß, M.

      • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 15:36

        Oh mann, endlich mal jemand, der auch nicht versteht warum wir ständig den alten Mist wieder auspacken. Ich hab ja auch „Burg Schreckenstein“ gelesen, aber sorry, das hat ja so einen Bart, das kriegen meine Kids nicht mehr.

        • Maniac 8. Juni 2016, 07:30

          Habe ja auch zwei Kinder und verstehe Dich hier völlig. Es gibt in Bezug auf unmündige Kinder überhaupt keinen Grund auf überkommene Literatur zurückzugreifen. Es gibt unglaublich viele – gute – aktuelle Kinderliteratur, für jeden kindlichen Anspruch, für jede vermitteln zu wollende Haltung. Da werden alte Stoffe wirklich nicht benötigt.

          Und bevor jemand aufschreit. Natürlich ist die Situation nicht mit ausreichend mündigen Menschen (ich rede nicht nur von Erwachsenen) vergleichbar. Bei ausreichend reflexionsfähigen Menschen kann überkommene Literatur durchaus Sinn ergeben. Aufgrund der literarischen Qualität, als zeitgeschichtliches Dokument, aus nostalgischen Gründen, aus vielerlei Gründen. Denn diese Menschen haben zumindest die Möglichkeit, die Inhalte von damals zu reflektieren und entsprechend zu würdigen.

          Kinder bis zu einem bestimmten Alter haben die Möglichkeit nicht. Für sie und ihre Entwicklung hat Lesen bzw. Vorlesen einen ganz anderen Sinn. Und den sollte man mit aktueller (guter) Literatur erfüllen und nicht aus rein nostalgischen Gründen mit überkommener (selbst guter) Literatur.

          Im Sprachbloglink von oben wird ausgeführt, dass Pippi sich als auseinanderzusetzender Lehrstoff für jugendliche Schüler zwischen 13 und 16 Jahre eignet. Abgesehen davon, dass ich mich in dem Alter augenrollend abgewendet hätte, wenn ich hätte Pippi Langstrumpf lesen müssen, gebe ich zu bedenken, dass wir einen Lesestoff, der nach wissenschaftlicher Empfehlung heute die Reflexionsfähigkeit von 13 bis 16-jährigen erfordert, mittlerweile 5-jährigen als Gute Nacht-Literatur dareichen.

          Nur weil etwas nostalgisch etwas aus der eigenen Kindheit verklärt wird (gut, ich persönlich jetzt nicht gerade Pippi), muss das nicht wirklich (noch) gut sein. Hat uns aber auch nicht geschadet? Bullshit. Früher war nicht alles besser.

          Allerdings muss ich an dieser Stelle zugestehen, dass Ralf hinsichtlich der Verwendung von Begriffen wie „Neger“ und „Zigeuner“ (was bei Pippi allein aber nichts rettet) noch ein gutes Argument hat. Sind diese Begriffe den wirklich Beleidigungen? Und wer stellt das fest? Das Redskin- und das schwul-Beispiel lassen mich schon ins Grübeln kommen.

          Klar ist sicherlich, dass eine eindeutig als Beleidung verwendete – ansonsten auch neutrale – Begrifflichkeit eine Zurechtweisung nachsichziehen muss. Nur warum gelingt uns das bei „schwul“ oder in Teilen auch „behindert“, bei „Neger“ jedoch nicht? Benutzt jemand mittlerweile „schwul“ ausdrücklich als Beleidigung, wird er (siehe Stefan) zurechtgewiesen, der Begriff bleibt ansonsten in der Verwendung und gilt als zulässiger (sogar gewünschter) ausreichend neutraler Begriff. Beim „Neger“ ist das nicht so, hier ist sofort klar, dass dieser Begriff negativ konnotiert ist, seine Verwendung führt, kontextlos (siehe „Negerkuss“), zur Zurechtweisung, so dass in jedem Falle auf andere Begriffe zurückgegriffen werden muss. Warum ist das so?

          Hängt das damit zusammen, dass im einen Fall die Gruppe der Betroffenen „Schwule“ den Begriff für sich reklamiert und damit positiv derailt haben und im anderen Fall die Farbigen den Begriff eben nicht für sich verwendet wissen wollen? Wenn ja, woran macht sich hier die Gruppe der Farbigen fest, wer legt das fest, bzw. wer hat genügend Einfluss, diese Gruppe valide zu vertreten? Hier kommt dann das Redskin-Beispiel zum Zuge. Ist Redskin = rassistisch lediglich eine Chimäre von PC-Jägern? Oder reichen 10% sich von diesem Begriff beleidigt fühlende Betroffene bereits aus (Ralf sprach von einer Umfrage von 1 zu 9), den Begriff insgesamt als pejorativ zu brandmarken. Wo machen wir das fest und vor allem, WER legt das fest?

          Gruß, M.

  • Ralf 7. Juni 2016, 05:46

    Neger war auch irgendwann mal ein neutraler Begriff und Zigeuner auch, trotzdem ist das heute eine schwere Beleidigung. […]

    Und ja, natürlich war Neger mal ein neutraler Begriff. Zu Zeiten, als Frauen nicht arbeiten durften und Homosexuelle eine rosa Schleife angesteckt bekamen und dann im Gefängnis saßen und Lehrer noch mit Lineal und Rohrstock im Klassenzimmer saßen, um ihre Schüler zu verprügeln.

    Deine gesamte Argumentation laesst sich im Grunde auf die obigen Punkte reduzieren. Beide sind falsch.

    Weder Neger noch Zigeuner waren noch vor wenigen Jahren Beleidigungen. Ich bin mit beiden Begriffen aufgewachsen, diese Termini sind in den 80ern noch absolut wertneutral verwendet worden (meines Wissens nach durften Frauen in den 80ern arbeiten, ich hab nie einen Homosexuellen mit Schleife gesehen und mich hat auch nie ein Lehrer geschlagen). Ein „Problem“ mit den Worten ist erst in den spaeten 80ern „entdeckt“ worden. Besonders abstrus ist die Argumentation bezueglich des Begriffs Zigeuner. „Sinti und Roma“ sind naemlich eine Namensneuschoepfung aus den 70ern, die zuvor garnicht existierte und setzte sich in den spaeten 80ern erst durch.

    Jeder darf privat und öffentlich von Negern reden, Jerome Boateng nicht als Nachbarn haben wollen, ein Zigeunerschnitzel verkaufen und die alte Ausgabe von Pippi Langstrumpf vorlesen.

    Also Du wirfst hier Sachen durcheinander, die einfach nicht zusammengehoeren. Wer einen Schwarzen nicht als Nachbarn haben will, nur wegen seiner Hautfarbe, ist ein Rassist. Kein wenn und aber. Wer Zigeunerschnitzel verkauft, bedient sich hingegen lediglich eines legitimen Wortes der deutschen Sprache. Das hat mit Rassismus auch im Ansatz nichts zu tun. Durch die gemeinsame Nennung erweckst Du allerdings den Eindruck all diese Dinge seien irgendwie verwandt.

    Aber das obige Zitat ist ein hervorragendes Beispiel dafuer wie die kleine, politisch korrekte Minderheit ihre Ansichten gegen die grosse Mehrheit durchgesetzt hat. Sie hat gesagt „na klar duerft ihr Negerkuss sagen, aber wenn ihr Negerkuss sagt, dann seit ihr eben ein Rassist“. Und so haben die Leute lieber ihren Mund gehalten. Niemand wollte in diese Ecke gestellt werden.

    Und was ist dadurch erreicht worden? Vorurteile gegenueber anderen Ethnien, die zuvor da waren, sind immer noch da. Zigeuner moegen in manchen Schichten ein schlechtes Image gehabt haben, aber durch die Umbenennung ist das schlechte Image nicht verschwunden. Jetzt haben halt „Sinti und Roma“ ein schlechtes Image und bald werden wir uns den naechsten Begriff neuschoepfen muessen. Statt Begriffe mit einer positiven Konnotation zu fuellen, haben wir sie aufgegeben und damit den Rechtsradikalen ueberlassen. Niemand freut sich so sehr wie die NPD darueber, dass zwei voellig wertneutrale Begriffe wie Zigeuner und Neger zu Schimpfworten geworden sind.

    Es hätte sich nie durchgesetzt den Begriff Neger zu tabuisieren, wenn das nur fünf Leute gut gefunden hätten. Damit hat es vielleicht angefangen, aber die haben dann soviele Menschen überzeugt, dass der Begriff mittlerweile in weiten Teilen komplett verschwunden ist.

    Ich bezweifele stark, dass „soviele Menschen ueberzeugt“ wurden. Die Menschen hatten schlicht Angst in eine rassistische Ecke gestellt zu werden und haben sich stattdessen stillschweigend angepasst. Bezueglich der Begriffe Neger und Zigeuner kann man ja nun leider keine Umfrage mehr machen. Aber deshalb hatte ich das Beispiel der Washington Redskins genannt. Da liegen klare Daten vor.

    Wilhelm Busch oder Struwwelpeter wurden auch erwähnt, da gibt es vermutlich auch kindgerechtere Versionen oder sie wurden wie bei Stefan gleich komplett verbannt, weil Verstümmelung und Todesstrafe nicht mehr zu den Erziehungsmaßstäben gehören.

    Also sogar Wilhelm Busch zu verbannen, ist kompletter Irrsinn und zeigt welche Ausmasse dieser ganze Political Correctness-Rundumangriff auf unsere Kultur angenommen hat. Und was den Struwwelpeter angeht, den hab ich als Kind sehr gemocht. Trotzdem habe ich nie an Verstuemmelung und Todesstrafe als Erziehungsmassstaebe geglaubt. Hier wird mal wieder ein Problem erfunden, wo keins ist.

    Ein alternativer Vorschlag war übrigens Balkan-Schnitzel

    Ich mag den Balkan. Nur das Wort „Balkan-Schnitzel“ existiert leider nicht in der deutschen Sprache. Mit der selben Berechtigung koennte ich vorschlagen das Wort Schneemann in Zukunft durch den Begriff Wurstinsel zu ersetzen.

    Was? Wie? Du moechtest gern bei Schneemann bleiben und kannst nicht erkennen, dass der Begriff belastet ist??? Dann kannst Du ja eigentlich nur ein Rassist sein.

    • Mikefromffm 7. Juni 2016, 06:20

      Das Wort „Balkan-Schnitzel existiert leider nicht in der deutschen Sprache“? Du hast es doch gerade geschrieben! Und wenn Du in den 80ern der Meinung war, dass das N-Wort absolut wertneutral sei …. Dann bestimmst also du, welche Wort welche Konnotation haben? Respekt! So viel Selbstbewusstsein möchte ich auch mal haben.
      Eine abschließende Frage habe ich aber noch, die Du als Herr der Worte bestimmt ganz einfach beantworten kannst: Was sind „legitimen Worte“? In der Sprachwissenschaft ist das nämlich noch …. unentdeckt? Oder gar noch „nicht existierend“?

      • Ralf 7. Juni 2016, 06:31

        Das Wort „Balkan-Schnitzel existiert leider nicht in der deutschen Sprache“? Du hast es doch gerade geschrieben!

        Ja, drei Zeilen ueber dem Wort Wurstinsel, das ich auch geschrieben habe.

        Eine abschließende Frage habe ich aber noch, die Du als Herr der Worte bestimmt ganz einfach beantworten kannst: Was sind „legitimen Worte“?

        Legitime Worte sind Worte, die Teil der Sprache sind. Zum Beispiel daran zu erkennen, dass sie im Duden stehen.

        • Mikefromffm 7. Juni 2016, 07:24

          Ich raube Dir nur ungern Deine Illusionen, aber der Duden bestimmt nicht, was „legitime Worte“ sind. Eben sowenig wie du bestimmst, was wertneutrale Worte sind oder was Schimpfwörter sind. Du hast aber natürlich alles Recht der Welt vorzuschlagen, das Wort „Schneemann“ durch das Wort „Wurstinsel“ zu ersetzen. Ich kann Dir aber jetzt schon sagen, dass du wahrscheinlich keinen Erfolg damit haben wirst.
          Der Duden dokumentiert den Sprachgebrauch und die Tatsache, dass regelmäßig Neuauflagen veröffentlicht werden, sollte eigentlich ganz klar zeigen: Sprache ändert sich! Neu Wörter entstehen, Bedeutungen verschieben sich (vgl. Weib – Frau – Dame). Ich würde dir empfehlen, mal nach „einführung in die sprachwissenschaft“ zu googeln. Vielleicht klärt sich dann ja für dich einiges.

          • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 11:51

            Mir scheint auch dass hier einige ernsthafte Missverständnisse über Sprache gibt.

    • Ariane 7. Juni 2016, 13:03

      Wenige Jahre sind vermutlich für jeden anders. Bei Neger würde ich auf jeden Fall 25-30 Jahre tippen, also nicht erst gestern. Und ein neutrales Wort dann quasi neu zu erfinden, finde ich auch nicht schlimm. Gerade im Deutschen, wo man beliebig viele Einzelwörter dann zusammenführen kann, ist da vermutlich ganz geeignet.

      Und ich habe im Übrigen nicht einmal das Wort Rassismus benutzt, das unterstellst du mir jetzt. Ich halte niemanden für einen Rassisten, weil er mal Negerküsse und Zigeunerschnitzel gegessen hat, lediglich für unhöflich. Es ging mir halt darum, dass keine Gesetze nötig waren, um das durchzusetzen und dann geht das eben nur, wenn eine Mehrheit darauf verzichtet. Und dass die alle liebend gerne von Negern reden würden, aber von einer Winzgruppe eingeschüchtert sind, macht eben wenig Sinn.

      Und was den Struwwelpeter angeht, den hab ich als Kind sehr gemocht. Trotzdem habe ich nie an Verstuemmelung und Todesstrafe als Erziehungsmassstaebe geglaubt. Hier wird mal wieder ein Problem erfunden, wo keins ist.
      Quatsch, du hast nach Kontextveränderungen gefragt und Bibel und Struwwelpeter waren meine Beispiele. Und nochmal, wir reden hier von Kindern, nicht von einer Komplettverbannung von Wilhelm Busch.
      Das sind für mich eigentlich auch unterschiedliche Dinge, Pippi Langstrumpf ist ne nette kleine Geschichte, mit damals üblichen heute nicht mehr korrekten Begriffen. Struwwelpeter ist einfach ein brutales Buch, das würde ich auch aus dem Kinderzimmer verbannen, genauso wie Game of Thrones oder der weiße Hai.

      • In Dubio 7. Juni 2016, 15:22

        Die Deutschen insbesondere benehmen sich im Vergleich zu anderen Nationen oft sehr unhöflich, weil sie Offenheit mit Ehrlichkeit verwechseln. Political Correctness zielt aber nicht auf bessere Umgangsformen, sondern Tabus um Themen zu errichten, die einer bestimmten Geisteshaltung entsprechen. Vom Schutz der Political Correctness sind ja ausschließlich die Schützlinge des linken Spektrums – Homosexuelle, Transgender, Migranten aller Art, Genderstreaming – behütet, nicht jedoch Rechte, Wirtschaftsliberale etc. So war es rechtlich unzulässig und moralisch fragwürdig, als eine Journalistin ihren Arbeitgeber instrumentalisierte, einen in der Öffentlichkeit stehenden Politiker mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung zu überschütten ohne diesem das Recht der Verteidigung einzuräumen oder Beweis zu führen. Und das alles für eine angebliche Tat, die ein Jahr zurücklag.

        Die Befürworter von Political Correctness begeben sich bewusst in einen großen Konflikt zum herrschenden Recht. Sie reden im Grunde Rufmord das Wort, ohne dafür entsprechend belangt werden zu können. Das tun sie, um eine bestimmte politische Linie durchzudrücken, nicht um für besseres Benehmen zu sorgen. Da gäbe es genügend zu tun.

        • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 15:39

          „Political Correctness zielt aber nicht auf bessere Umgangsformen, sondern Tabus um Themen zu errichten, die einer bestimmten Geisteshaltung entsprechen.“

          Das ist deine Meinung. Und Brüderle hat sie halt sexuell belästigt. Ist generell auch echt spannend: „Zigeuner“ und „Neger“ müssen die Beleidigung halt im Zweifel hinnehmen, weil das ist ja eine freie Gesellschaft und so, aber wehe, ein weißer Mann mittleren Alters wird verdächtigt, sexistisch zu sein, dann ist es mit dieser Freiheit nicht mehr weit her. Da ist das dann „großer Konflikt zum herrschenden Recht“ und „Rufmord“. Und das ist genau mein Punkt: wenn es einen nicht betrifft redet sich’s leicht davon, dass das halt so ist und dass man da nix machen kann. Und wenn man plötzlich betroffen ist, ist die Hölle los.

          • In Dubio 7. Juni 2016, 15:51

            Und Brüderle hat sie halt sexuell belästigt.

            Wer sagt das? Eine Journalistin. Die hat das aber nicht etwa angezeigt oder darüber in ihrer Reportage geschrieben. Nein, sie hat ein Jahr gewartet und dann eine Behauptung in die Welt gesetzt, gegen die sich niemand wehren konnte. Denn selbst wenn es damals Zeugen gegeben hat, so haben diese nach 12 Monaten den Vorfall längst vergessen. Ohne Beweis vernichtet, das ist nach meinem Rechtsempfinden (und übrigens auch nach Rechtslage In Dubio pro reo) unzulässig.

            Bei einem Schwarzen – wie auch einem Weißen oder Asiaten – ist das Merkmal Rasse offensichtlich. Seltsamerweise fühlen sich allerdings nur Schwarze durch die Bezeichnung verletzt. Es ist auch in Ordnung, Schwarze nicht Neger zu nennen. Das ist auch nicht mein Punkt. Nur, warum nicht? Woher weißt Du, dass Schwarze sich durch den Begriff beleidigt fühlen? Führe Beweis, das ist eine der Grundlagen unserer Gesellschaft und unseres Rechtsstaates.

            Und was mein Negerkuss mit der Beleidigung von Jerome Boateng zu tun hat, verstehe ich wirklich nicht.

            • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 17:50

              Ich muss überhaupt keine Beweise führen, weil es – erneut – nicht um Gesetze, sondern um Verhaltensnormen geht. Und das Konzept der Rasse ist, vorsichtig ausgedrückt, aktuell eher ein wenig umstritten.

              Bei Brüderle ist der Fall außerdem sonnenklar, weil er die Geschichte 1:1 bestätigt hat! Auch hier geht es nicht um Strafbarkeit, es geht um Verhaltensnormen. Es war übrigens in den 1980ern in links-alternativen Kreisen total normal, die Legalisierung von Pädophilie zu diskutieren, wofür Grüne 30 Jahre später noch zurecht eins auf den Deckel kriegen. Brüderles Kommentar ist nach nem Jahr immer noch ätzend. Und noch einmal zum Mitschreiben: nicht strafrechtlich relevant und von Brüderle selbst bestätigt. Der Mann hat ja bis heute nicht verstanden, wo überhaupt das Problem liegt.

              • In Dubio 7. Juni 2016, 21:02

                Nee, Du hast überhaupt keine Lust, irgendetwas zu begründen. Trotz mehrmaligen Nachfragens lässt Du jede Frage unbeantwortet. Woher weißt Du, dass Neger, Schwarzer, Sinti & Roma beleidigende Begriffe sind? Worauf stützt Du das Recht, diese nicht nur aus der Sprache, sondern aus wichtigen literarischen Werken zu tilgen? Wie löst Du den Grundkonflikt, dass Political-Correctness-Initiativen diametral dem Recht entgegenstehen? Diese Fragen hast Du mehrfach offen gelassen.

                Jedes Regelwerk, dass eine Gruppe, eine Gesellschaft bindet, muss durch einen vorher definierten Prozess legitimiert sein. Vor über einem Jahrzehnt hat sich eine Kommission mit Compliance-Regeln für Unternehmen beschäftigt und einen Wertekanon festgelegt. Dieser Kanon ist nicht durch Gesetz legitimiert, wird aber vom Gesetzgeber wie Rechtsprechung anerkannt.

                Compliance-Regeln sind damit allgemeinverbindlich. Sie gehen über das jeweilige Gesetz hinaus, stehen aber niemals mit dem Gesetz in Konflikt. All dies fehlt dem Ansatz der Political Correctness, obwohl es genau den gleichen Anspruch erhebt.

                Zu Brüderle: auch hier brauchst Du keinen Beleg, Behauptung reicht. Brüderle hat sich nach exakt einem Jahr zu dem Vorfall geäußert und dabei mitnichten den Ausspruch so zugegeben. Das ist für das Recht relevant, nicht jedoch für Dich. Jeder Betriebsrat würde dagegen Sturm laufen, aufgrund des Sachverhalts einen Mitarbeiter fristlos zu kündigen. Du findest es jedoch angemessen, einen Politiker so zu stigmatisieren und eine Wahl auf der Basis maßgeblich zu beeinflussen. Welche Wertmaßstäbe da für Journalisten gelten, auch das fragst Du Dich nicht. Jedenfalls, selbst nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, Paragraf 3, ist das Verhalten von Brüderle, so wie die Journalistin es geschildert hat, nur bei sehr großzügiger Auslegung ahndenswert. Aber Du findest es nicht nur nicht angemessen, sondern ätzend.

                Wie findest Du es, dass eine Journalistin bei einer lockeren Atmosphäre spät abends um 23 Uhr um ein vertrauliches Hintergrundgespräch bittet? Seriös?

              • Ariane 7. Juni 2016, 21:43

                Vielleicht ist die Brüderle-Sache gar kein schlechtes Beispiel, weil die Debatte da noch so unentschieden hin und her wogt.

                Der Mann hat ja bis heute nicht verstanden, wo überhaupt das Problem liegt.
                Da scheint er mir nicht der einzige zu sein^^ Ich finde den Fall ganz interessant, weil Dubio ja weiß Gott nicht alleine mit der Meinung dasteht, dass nicht die sexuelle Belästigung das Tabu ist, sondern der Tabubruch darin besteht, dass das echt mal wer aufgeschrieben hat (wenn ich mich recht erinnere, sogar noch recht undramatisch).
                Den Vorfall an sich fand ich nun gar nicht so außergewöhnlich, aber die anschließende Debatte mit Relativierung, Schuldumkehr, Pipapo fand ich wirklich erschreckend. Vielleicht hats wirklich damit zu tun, dass sich hier die sehr große Gruppe der Männer angegriffen gefühlt hat, aber der Grundkonsens, dass Neger (inkl. Negerkuss) beleidigend ist scheint mir doch viel größer als bei einer sexuellen Belästigung, das hätte ich vorher nicht so angenommen.

                • In Dubio 7. Juni 2016, 22:15

                  Du verstehst nicht, was mich an dem Fall so massiv stört. Ich habe es mehrmals versucht, nun tue ich es ohne Schnörkel und hoffe, dass Du nicht nur das D hörst sondern A bis Z.

                  Mich stört die Missachtung aller Rechtsgrundsätze.

                  a) Unschuldsvermutung. Das Urteil war mit dem STERN-Artikel gefällt, Ankläger und Richter waren eine Person, der Beschuldigte wurde nicht gehört.

                  b) kein Tatnachweis. Das einzige Indiz für den Vorfall war die Aussage der Journalistin, die praktischerweise zu einem von ihr selbst gewählten Zeitpunkt (der nichts mit dem Tatvorwurf zu tun hatte) als Anklägerin und Richterin fungierte.

                  c) Die Glaubwürdigkeit der Zeugin wurde nicht hinterfragt. Frauen sind per se glaubwürdig, frag nach bei Kachelmann.

                  c) Die Verurteilung erfolgte ohne Rechtsgrundlage.

                  d) Nicht nur die berufliche Existenz des Beschuldigten wurde ohne öffentlichen Prozess vernichtet, sondern gleichzeitig der „Arbeitgeber“ mit abgestraft (Sippenhaft).

                  e) Bewertung der Umstände. Die Journalistin hat sich am späten Abend dem FDP-Politiker genährt. Was hatte sie zu der Zeit in der Umgebung zu suchen? Gelten mildernde Umstände? Was war die Motivation des Täters? All diese Fragen sind in Strafprozessen von hoher Bedeutung und entscheiden über das Strafmaß. Political Correctness-Befürworter sind dagegen maßlos.

                  Jeder, der an den Rechtsstaat glaubt, muss ein solches Verfahren zutiefst ablehnen und verurteilen. Nicht jedoch Political-Correctness-Gläubige. Denk Dir einen Moment, Brüderle habe kein Wort gesagt, die Journalistin die (nicht stattgefundene) Begegnung instrumentalisiert. Wenn Du das ernsthaft gutheißt, hast Du keine Chance, Unschuldige vor Strafe zu schützen, die Wahrheit zu finden.

  • Hans Werner Altenborg 7. Juni 2016, 06:50

    … hier wird davon gesprochen, die Werke von Künstlern, Autoren alle paar Jahre den aktuellen political correctness anzupassen.

    Hallo! Geht es noch?

    Vielleicht will der Künstler gerade mit der, zum Zeitpunkt der Anpassung nicht politisch korrekten, Aussage etwas aussagen? Wenn das jetzt verändert wird, wird vielleicht die ganze künstlerische Aussage zerstört.

    Das würde auch bedeuten, dass wir alle paar Jahre an Statuen rummeißeln müssen, wenn sie gerade nicht politisch korrekt sind. Oder Bilder umpinseln, weil sie politisch inkorrekt sind.

    Man kann Lehrbücher anpassen, man kann Speisekarten anpassen – aber künstlerische Werke hat man nicht zu verändern, denn dann ist es ja nicht mehr die Aussage des Künstlers, das käme dann einer „Bücherverbrennung“ gleich.

    • Mikefromffm 7. Juni 2016, 08:41

      Ich glaube Herr Sasse hat etwas weiter oben schon geschrieben, dass Generalisierung selten hilfreich sind in einer Debatte. Woher haben sie denn die Information, dass “ Werke von Künstlern, Autoren alle paar Jahre den aktuellen political correctness“ angepasst werden sollen?

    • CitizenK 7. Juni 2016, 09:15

      @ Ralf
      In meiner Jugend war, jedenfalls in meiner Gegend, das Wort „Zigeuner“ ein Schimpfwort, eindeutig eine Beleidigung. Deshalb verstehe ich durchaus, wenn die Vertreter dieser Gruppe den Begriff nicht mehr verwendet sehen wollen. Mit „Paprikaschnitzel“ habe ich kein Problem, eher schon mit „Sinti-und-Roma-Musik“.

      Wie ist das eigentlich anderswo mit Begriffen wie Zigan oder Gipsy?

      @ Stefan

      Wer Wilhelm Busch komplett verbannt (was ja auch mit seiner Haltung zu Juden begründet wird) , dem entgeht doch einiges., zum Beispiel sein „Lob“ der Selbstkritik. Gehört diese Differenzierung nicht auch zu den Aufgaben von Eltern und Lehrern? Das gut gemeinte gezielte Weglassen problematischer Seiten bei Künstlern führt in die Irre. Als Beispiele fallen mir Rousseau und Bettelheim ein.

      • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 10:40

        Ich verbanne Wilhelm Busch aus dem Kinderzimmer meiner Kinder. Woanders kann der gerne rumstehen. Ich finde es nur immer hochgradig lächerlich wenn Eltern oder andere Leute sich über die ach so viele Gewalt in den heutigen Medien beklagen und Kindern den Fernseher verbieten, ihnen dann aber den Struwwelpeter vorlesen. Aber das ist meine Meinung, die nur für meine Familie Relevanz hat. Du kannst deine Kinder mit dem Mist so viel traumatisieren wie du Lust hast.

        • CitizenK 7. Juni 2016, 15:40

          Reden wir über die pädagogische Eignung von Kinderbüchern oder über political correctness?

          Die eigentliche Frage ist doch, wie wir Menschen/Kulturen mit anderen Wertvorstellungen begegnen. Was ist noch Respekt bzw. Höflichkeit und wo fängt Anbiederung oder Selbstaufgabe an?

          Kein Schweinefleisch in der Kantine/Schulcafeteria?
          Schwimmunterricht/Teilnahme bei Klassenfahrten
          Wenn die weiblichen Mitglieder einer deutschen Wirtschaftsdelegation schon auf der Broschüre per Photoshop ein Kopftuch verpasst bekommen?
          http://iran.ahk.de/fileadmin/ahk_iran/Event/Delegation/Broschuere_Delegationsreise_Sachsen.pdf

          Schnitzel und Mohrenkopf sind Luxusprobleme, peanuts (auch so ein Wort – darf man das noch verwenden?).

          P.S. Mich als Kind haben Rulaman (kennst Du vielleicht) und Lederstrumpf viel mehr verstört als Lehrer Lämpel.

          • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 17:46

            Kenn ich, ja. Aber Lederstrumpf hab ich nur in der bereinigten Kindervariante gelesen (der Abenteuerteil, durch die Wildnis Gefahren trotzden und so) und Rulaman war so sterbenslangweilig. Ich glaube ich hab es sogar als Viertklässler gelesen (wurde damals total gehypt), hab’s aber nur sehr eingeschränkt verstanden. Da war am Ende irgendso ein creepy Ritual mit Schlangen, glaube ich, aber effektiv ist es an mir vorbei. Ich hatte als Kind aber monatelang schlimmste Albträume und konnte nicht schlafen vom scheiß Struwwelpeter und Wilhem Busch.

            Zum eigentlichen Thema: ich geh im zweiten Teil drauf ein. Ich finde es problematisch, to say the least.

      • Ralf 7. Juni 2016, 21:02

        @ CitizenK

        In meiner Jugend war, jedenfalls in meiner Gegend, das Wort „Zigeuner“ ein Schimpfwort, eindeutig eine Beleidigung. Deshalb verstehe ich durchaus, wenn die Vertreter dieser Gruppe den Begriff nicht mehr verwendet sehen wollen.

        Das wuerde ich auch verstehen. Nur hat kein Mensch je die Vertreter dieser Gruppe gefragt. Die Bezeichnung „Sinti und Roma“ ist eine Namensneuschoepfung, die in den spaeten 70ern von Lobbyisten auf einem Kongress, der nur einen homoeopathischen Bruchteil der Betroffenen vertrat, von oben herab durchgepeitscht wurde.

        Da wir kein Meinungsbild der Betroffenen aus den 70ern haben und rueckwirkend nur Vermutungen anstellen koennen, hatte ich eine Analogie genannt aus dem hier und heute, wo kristallklare Daten vorliegen: Die geplante Umbenennung der Washington Redskins, obwohl ueber 90% indianischstaemmiger Amerikaner keinerlei Probleme mit dem Namen haben. Leider geht auch nach mehrfacher Nennung keiner auf das Beispiel ein.

        • Mikefromffm 8. Juni 2016, 06:12

          «Die geplante Umbenennung der Washington Redskins, obwohl ueber 90% indianischstaemmiger Amerikaner keinerlei Probleme mit dem Namen haben. Leider geht auch nach mehrfacher Nennung keiner auf das Beispiel ein.»

          Weil die Aussage ja auch nicht korrekt ist:
          – Es ist nicht „geplant“, den Verein umzubenennen und
          – waren es der „Umfrage“ nach 81 %.
          Das sind ja schon mal zwei falsche Behauptungen, warum sich also damit auseinandersetzen?

        • CitizenK 8. Juni 2016, 06:30

          @ Ralf
          Weil vielleicht einige (wie ich) die Situation in den Staaten nicht so genau kennen? Außerdem kommt das noch im zweiten Teil.

          Der Zentralrat der Sinti und Roma hat übrigens „kein Problem damit, wenn sich jemand ein Zigeunerschnitzel bestellt“. Und eine Recherche von Herta Müller in Rumänien hat ergeben, dass die Betroffenen auch kein Problem mit dem Wort haben: „….wir sind Zigeuner, und das Wort ist gut, wenn man uns gut behandelt.'“ Vielleicht ist diese Aussage die einfachste Antwort auf eine sonst so komplexe Frage.“
          http://www.stern.de/panorama/sinti-und-roma–darf-man-heutzutage-zigeuner-sagen–6188408.html

          Meine Leitlinie: Niemanden kränken oder beleidigen, auch nicht aus Gedankenlosigkeit. Widersprüchen nachgehen. „Zigeuner“ waren ja auch eine Projektionsfläche für Freiheit und Ungebundenheit („Lustig ist das Zigeunerleben“), auch „herumzigeunern“ war durchaus positiv konnotiert.

  • Marc 7. Juni 2016, 08:44

    Wenn es einen zweiten Teil gibt, kann man dann bitte ein paar Punkte klar stellen?
    Die political correctness
    – ist kein Gesetz, sondern um eine gesellschaftliche bzw. soziale Norm.
    – kann weder verbieten, noch zensieren, nur etwas durch das Label political incorrect als unerwünscht deklarieren.
    – zensiert keine Bücher – die Textänderungen basieren auf ökonomischen Erwägungen, da sich allgemein akzeptierte Texte besser verkaufen als anstößige.
    – basiert auf subjektiven Empfindungen und Deutungen. Sie ist daher ebenso wie die Sprache einem ständigen zeitlichen Wandel unterlegen.

    ich darf das Wort Neger hier in diesem Kommentar verwenden. Wenn der Kontext stimmt und ich es nur als erklärendes Beispiel verwende, um zu zeigen, dass political correctness nicht zensiert, dann verwende ich dieses Wort sogar political correct. Also, wer sich durch die political correctness eingeschränkt fühlt, der ist meiner Meinugn nach nur mit der Anforderung einer modernen Kommunikation in der Öffentlichkeit überfordert.

    • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 10:43

      Eigentlich habe ich genau diese Punkte im Text mehr als klargestellt.

  • Marc 7. Juni 2016, 13:39

    Bei der Diskussion um political corretness sollte man unbedingt auf die Rolle der sozialen Medien eingehen. Die political corretness ist für den öffentlichen Raum gedacht, weniger für den privaten. Ob man am eigenen Mittagstisch Zigeuner- oder Balkan-Schnitzel auftischt, ist nicht das Problem. Wenn man jedoch ein Bild von diesem Mittagessen mit einer politisch inkorrekten Bezeichnung twittert, dann kann das einen Shitstorm auslösen.
    Die Frage ist, gelten bei sozialen Medien die privaten oder die öffentlichen Normen?

    • Stefan Sasse 7. Juni 2016, 15:39

      DAS ist ein Superpunkt und immer noch überhaupt nicht geregelt.

  • CitizenK 7. Juni 2016, 18:27

    @ Dubio

    Selten bin ich bei einem Thema so nahe bei Ihnen wie hier, aber das müssen Sie aushalten.

    Bekanntlich bin ich kein Freund der FDP, aber der „Fall“ Brüderle lässt mich befürchten, dass die Entwicklung dort enden wird, wo sie in den USA schon angekommen ist. Die Entlassung jenes Professors durch eine renommierte Universität sprengt wirklich alle Maßstäbe.

    Der Begriff „neoliberal“ wird inzwischen so vieldeutig verwendet, dass er fast unbrauchbar geworden ist. Ähnlich wie „Faschismus“. Eine politisch korrekte (im Wortsinne, also: präzise) Verwendung wäre hilfreich und wünschenswert. Leider so wenig in Sicht wie bei „PC“.

    • In Dubio 7. Juni 2016, 21:11

      Sie wissen gar nicht, wie sehr ich Menschen wie Sie schätze, die politische Meinungsverschiedenheiten nicht persönlich nehmen und ihre Wertung nicht von politischen Einstellungen abhängig machen. Obwohl ich sie gar nicht mag, habe ich hohen Respekt vor der privaten Freundschaft zwischen Claudia Roth und Günther Beckstein.

      Ich habe überhaupt kein Problem mit dem Begriff neoliberal, auch nicht, wenn er als Kampfmittel falsch gebraucht wird. Gegner versuchen die eigene Sprache zu instrumentalisieren. Durch Haltung wirkt man dem entgegen.

      P.S.: beim nächsten, spätestens übernächsten Thema (je nachdem was ich bringe) ist der Konsens vorbei. Versprochen! 🙂

      • CitizenK 8. Juni 2016, 06:46

        @ Dubio

        Die Gelegenheit ist schon da:

        Wirtschaftsdelegation in den Iran, Frauen mit Kopftuch schon im Prospekt. Achtung vor den Sitten und Gebräuchen des Gastgebers oder Einknicken und Aufgabe der „westlichen Werte“ wg. Business?

        Beschluss der französischen Regierung, auf ein Bankett zu verzichten, weil die Araber verlangt hatten, dass kein Wein serviert wird.
        Prinzipienfest oder kommerziell unklug, weil die Deutschen (oder andere) mit ihrem vorauseilenden Gehorsam den nächsten Auftrag einsacken?

        Wie sehen Sie das?

        • In Dubio 8. Juni 2016, 08:19

          Ich fürchte, auch bei diesen Themen sind wir nah beieinander. Ich möchte aber nicht zu viel Gewicht auf sehr auf Ausländer und Zuwanderer fokussierte Themen legen, das würde dem Blog nicht gerecht.

  • CitizenK 7. Juni 2016, 18:42

    „Die Frage ist. gelten bei sozialen Medien die privaten oder die öffentlichen Normen?“

    Ich meine: Ja. Auf jeden Fall. Wenn ich das N- oder das Z-Wort für verwerflich halte, dann verwende ich es auch nicht zu Hause am Küchentisch. Denn so viel ist richtig: Begriffe prägen das Denken. Wenn ich es aber für überkandidelt halte und in der Öffentlichkeit nur deshalb nicht benutze, weil ich die Stigmatisierung fürchte, dann beuge ich mich dem Druck. Das ist nicht gut für eine Offene Gesellschaft.

    Interessant übrigens, wie die (Meinungs-) Fronten bei diesem Thema verlaufen.

  • Marc 8. Juni 2016, 09:47

    Wenn ich das N- oder das Z-Wort für verwerflich halte, dann verwende ich es auch nicht zu Hause am Küchentisch.

    Ich persönlich möchte im Privaten nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen und in jedes PC-Fettnäpfchen treten. Wenn man emotional „Dampf ablässt“, dann möchte ich auch nicht, dass später alle Äußerungen in einem öffentlichen Rahmen seziert werden. Daher unterscheide ich strikt zwischen privat und öffentlich. Dies kann man als Einschränkung wahrnehmen, ist aber Alltag. Jeder verhält sich gegenüber seinr Familie anders als im Büro oder wenn er einen öffentlichen Vortrag halten muss oder bei einer Bernehmung der Polizei. Wir verhalten uns immer kontextabhängig. PC ist im Grunde nur die Erwartung, dass man sich im öffentlichen Raum an gewisse Sprachregelungen halten solle.
    Wenn ich es aber für überkandidelt halte und in der Öffentlichkeit nur deshalb nicht benutze, weil ich die Stigmatisierung fürchte, dann beuge ich mich dem Druck
    Ja, die Gesellschaft übt in vielfältiger Weise Druck auf uns aus. Wir haben die Wahl, wir können uns dem beugen oder uns widersetzen. Ich handhabe es so: wenn ich die Konvetion für mich als sinnvoll erachte, beuge ich mich, und wenn nicht, dann widersetze ich mich halt. Genauso handhabe ich es mit der PC: ich unterstütze sie generell, aber die ganzen Genderismen lehne ich ab.
    Das ist nicht gut für eine Offene Gesellschaft.
    Ich sehe PC nicht als Zensurwerkzeug, denn ich kann weiterhin alles sagen, was ich möchte. Ich werde nur dazu genötigt, auf meine Sprache zu achten.

  • Wolf-Dieter 10. Juni 2016, 17:22

    Dass die Sprache einer stetigen Weiterentwicklung unterworfen ist, ist unbestritten bzw. eine Binse. Und die Weiterentwicklung der Sprache hat ihre eigene Dynamik.

    Die hier vorgestellte „Political Correctness“ unterscheidet sich von der eigendynamischen Veränderung insofern, als sie ein absichtsvoll entworfenes Konstrukt ist. Sie ist künstlich von vorn bis hinten, also das Gegenteil von natürlich, und sie ist eine Vergewaltigung unseres Ausdrucksvermögens.

    „Die Idee der political correctness ist es, bestimmte Begriffe und Redewendungen zu identifizieren, die für Minderheiten beleidigend sind“ – Pardon, nein, Beleidigungen finden nicht in der Sprache statt. Sondern Beleidigungen finden statt. Die Sprache kann nichts dafür.

    Selbstverständlich bestelle ich beim Imbiss das Zigeunerschnitzel – ein Schnitzel „nach Zigeuner-Art“, ein Kochrezept, das ist doch nicht beleidigend, sondern im Gegenteil ehrend!

    Selbstverständlich benutze ich das Wort „Neger“, aber nie auf dem Bürgersteig mit „hey, Negerle, komm ma“, sondern dort, wo der Kontext danach verlangt, etwa im Kunstmärchen. Ich bin doch kein Depp, dem man sowas sagen muss!

    Die Worte „Endlösung“, „völkisch“, „Volksgemeinschaft“ sind begründen auch keine Forderung nach Political Correctness, weil sie von der Genese her durch und durch künstlich waren: Wortschöpfungen des einzigen Intellektuellen unter den Nazis, Joseph Goebbels und seiner Propagandamaschinerie.

    „Political correctness ist daher kein reines Terrorregime“ – natürlich nicht, ich halte mich nämlich nicht dran.

    Nein. Die „Political Correctness“ ist eine Totgeburt.

  • Boelitz 12. April 2017, 15:21

    Zigeuner nenen sich untereinander Zigeuner – und uns soll von diesen vermaledeiten „Political Correctness- Gutmenschen“ die Bezeichnung Zigeuner nicht erlaubt sein? Man könnte es ja künftig mal mit Sinti und Roma- Schitzel in den Speisekarten versuchen.

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