Anders als Steuersenkungen soll die Abschaffung bürokratischer Hemmnisse den Staat kein Geld kosten. So zumindest erklären es seit einigen Jahren Regierungspolitiker von links bis rechts. Aber nichts in dieser Welt ist kostenlos und es ist nur zu bedauern, dass der Staat jahrzehntelang Milliarden an Steuergeld für den Aufbau von Bürokratie verwendet.
Bürokratie entsteht durch Bürokraten. Bürokraten sind Menschen, die nicht an der Front arbeiten, also keine, die mit Kunden Geschäfte abschließen, mit Zulieferern Einkaufskonditionen verhandeln, Produkte entwickeln und die Logistik organisieren. Sie sind prinzipiell Ballast und im wesentlichen ein Kostenfaktor. Der legendäre Daimler-Manager Jürgen Schrempp nannte die Verwaltung in Stuttgart plakativ „Bullshit Castle“. Bürokraten suchen sich einen Daseinszweck und der besteht darin selbstreferenzielle Vorschriften für ihre Mitmenschen zu entwickeln, um sich der eigenen Wichtigkeit zu versichern. Doch es ist ganz erstaunlich, wenn als erstes nach einem unternehmerischen Meteoriteneinschlag wie einer Insolvenz die Bürokraten verschwinden und die Produktiven zurückbleiben.
Der Staat verfügt über ganz besonders viele Bürokraten, die meist als Beamte ihren Dienst tun. Sie sind keine Polizisten, Richter, Lehrer, sondern arbeiten in Finanzämtern, in Rathäusern oder gleich dem größten Bullshit Castle der Welt, bei der EU-Kommission in Brüssel. Der Staat ist in Deutschland der einzige Sektor, der in den letzten zehn Jahren seine Beschäftigung deutlich ausgeweitet hat. Allein in diesem Jahrhundert nahm die Zahl der Staatsdiener um 0,7 Millionen (+15 Prozent) auf 5,4 Millionen zu. Spoiler: Der Zuwachs findet sich nicht bei Polizei und Lehrern.
Staatsdiener, die nicht direkt für den Bürger arbeiten, beschäftigen sich wie die Bürokraten in Unternehmen mit dem Schaffen von Regelungen und damit Bürokratie. Und entsprechend wuchs die Gesetzeslawine, unter der inzwischen alle begraben werden, die nicht für den Staat arbeiten. Allein für die Bauwirtschaft wurden die Bauvorschriften um den Faktor 5 auf 20.000 erhöht, die meisten davon für Energieeffizienz, Klimaschutz und Mietpreisgestaltung. Nun leben die Deutschen energieeffizient und klimaschonend in den nichtgebauten Wohnungen und versuchen mit Mietpreisbremsen und Enteignungsforderungen dem letzten Bauherrn den Garaus zu machen. Die Geschichte von den Schildbürgern.
Die vielen Staatsfreunde meinen auf einen Trick gekommen zu sein, wie sich die Beamten schonen lassen und die Bürokratie erhalten, in dem Bürokratieabbau simuliert wird. Jede der unzähligen Vorschriften müsse durch eine Behörde auf ihre Sinnhaftigkeit abgeklopft werden. Wenn deutsche Satiresendungen nicht zu den größten Fans des Staates zählen würden, wäre allein der Ansatz bereits eine geniale Vorlage für die heute-show. Preisfrage: Wieviel Beamte würde es benötigen, allein die abertausend Bauvorschriften nach ihrem Nutzen zu bewerten? Lisa Paus, die fachlich etwas unterbelichtete grüne Familienministerin der schmählich gescheiterten Ampelregierung, gab dazu eine Idee. Allein um die familienpolitischen Leistungen, die Kinder betreffen, bürgerfreundlich administrieren zu können, benötigte sie nach Einschätzung ihres Ministeriums eine neue Behörde mit 5.000 Beamten. Auf die Idee, einfach sämtliche Leistungen zu streichen und sie durch einen einzigen Pauschbetrag im Sozial- wie Steuerrecht zu ersetzen, kam die Linke nicht. Wahrscheinlich hätte es zu viele Staatsdiener arbeitslos gemacht.
Angst vor Eigenverantwortung und Lebensrisiko bemisst sich an der Anzahl der Vorschriften. Die Mitbloggerin Ariane brachte es auf den Punkt:
Hygienevorschriften und Leute, die die Einhaltung kontrollieren, sind auch nur solange der letzte Rotz, (und Antikorruptionsvorschriften, um Schmu zu vermeiden), bis man mal sowas wie den BSE-Skandal hat und auffällt, dass Lebensmittelsicherheit ganz cool ist.
Natürlich, es ist ja bekannt, dass Bauern und Fleischereien kein Eigeninteresse an Hygiene haben. Bei einer Infektion schlachtet man einfach die ganze Herde und baut sich eine neue auf. Besser lässt sich der beschränkte Blick der Deutschen nicht zusammenfassen. In den USA gibt es nicht mehr Umweltskandale, obwohl der Staat deutlich weniger reguliert. Bürokratische Regeln werden einfach durch hohe Klagerisiken für Umweltschädiger ersetzt.
Die Bürokratie in Schach zu halten und zurückzustutzen, ist immer eine Führungsaufgabe. Auch wenn Fachkenntnisse unabdingbar sind, können Politiker naturgemäß nicht über so viel Wissen verfügen, dass sie jede Norm in ihrem Fachbereich tatsächlich bewerten können. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass die Bürokratie in Zeiten wuchert, wo im Bundestag und den Landesparlamenten immer mehr Politiker sitzen, die außer einem Langzeitstudium meist keinerlei nennenswerte Berufserfahrung vorweisen können. Mit solchen Politikern fährt die Verwaltung Schlitten. Die fachliche versierte Bärbel Bas, selbst ein Kind der Verwaltung, führt die Union regelmäßig bei den Gesetzesentwürfen zur Rente und Bürgergeld vor, wo die eigentlich Aufsicht führenden Fachpolitiker nicht merken, wenn ihnen Regelungen untergeschoben werden, die nicht durch den Koalitionsvertrag gedeckt sind.
Schilda ist inzwischen überall: Betreiber einer gewerblichen Küche müssen umfangreiche Regeln beachten. Die Hygienevorschriften verlangen, dass dort, wo Lebensmittel verarbeitet werden, die Flächen glatt sind, damit sich keine Bakterien ablagern können. Das gilt auch für die Fliesen in der Küche. Problematisch wird es für Gastronomen, wenn sich in ihren Küchen Köche und Hilfskräfte herumtreiben, was ja manchmal vorkommen soll. Dann kommt die Arbeitsstättenverordnung hinzu, wonach in Arbeitsbereichen die Böden rau gefliest sein müssen, um Arbeitsunfälle zu vermeiden. Sollten Sie in Deutschland also Gastronom sein, beschäftigen Sie lieber die Wanderratte Rémy aus dem Disney-Film Ratatouille. Sie hält ihnen eine Fülle von staatlichen Kontrolleuren vom Hals.
Jede dieser Vorschriften hat ihre Berechtigung. In Summe erwürgen sie jede Eigeninitiative. Politiker sind dafür gewählt zu entscheiden, welche Priorität genießt. Und die Bürger müssen aushalten, wenn ihnen gesagt wird, dass es für ihr schlechtes Essen leider keine passende Gesetzesnorm gibt.
Bürokratieabbau ist nur mit der Kettensäge eines Milei erfolgreich. Schließlich betrachtet sich ein Gärtner auch nicht jede Pflanze in seinem Wildwuchs. Und was wäre auch der Unterschied, würde man die Bauvorschriften auf den Stand des Jahres 2000 zurücksetzen? Weniger Energieeffizienz in nicht gebauten Wohnungen ist sicher schlechter als Billigwohnungen, die nicht zehnmal gedämmt sind. Außer man sieht Obdachlosigkeit als Beitrag zum Klimaschutz.



Ich fände es besser, den Polit-Diskurs der 80er referenzieren statt Milei.
Ich schreibe nun länger dazu, weil ich mich oft damit beschäftige. Zu Argentinien verstehen viele Leute in Deutschland nicht mal die basics, neigen aber zu starken Meinungen äussern die dann triumphalistisch. Die beiden Volkswirtschaften sind auch nicht vergleichbar. Der heiße Scheiß in Argentinien sind die bereits realisierten und v.a. erwarteten Kupfer, Gas, Öl, Seltene Erden und Lithium Exporte. (https://x.com/arg_endatos/status/2000676792697254245/photo/1) . In der Reihenfolge und auch damit werden die nächsten 10 Jahre kein Ponyhof.
Ich diskutiere seit Juli immer wieder auf twitter einige der ansprechbaren deutschen Milieiisten, von beiden Seiten im Ton durchaus respektvoll, geduldig, nicht polemisch und nicht kämpferisch. (https://x.com/LemmyCaution/status/2002764393340416501). Am meisten konsumiere ich liberale und libertäre Ökonomen und Wirtschaftsjournalisten aus Argentinien selbst, d.h. als Favoriten Ricardo Cachanosky, Amilcar Collante, Marina Dal Poggetto, Miguel Kiguel, Maxi Montenegro und Naty Motyl. Ich lebe damit in der Info-Beschaffung das Subsidiaritätsprinzip.
ChatGpt: „Vergleiche die kummulierten BIP Wachstumsraten von Argentinien, Chile, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay in 2024 und 2025. Stelle die Ergebnisse tabelarisch da und sortiere absteigend.“
BIP ist nicht alles, aber es ist der aggregierteste Wert, die wir für den Vergleich von Volkswirtschaften haben. Milei wurde Mitte Dezember 23 zum Präsidenten vereidigt. Das Zeitfenster beinhaltet also praktisch die gesamte Präsidentschaft des Hundeflüsterers. Das overhypte Argentinien ist in dem Vergleich aller Nachbarn knapp Vorletzter vor Bolivien, das sich in einer Wirtschaftskrise befindet. Es gibt einen zunehmenden Verlust Arbeitsplätze im nicht informellen Sektor. Bei 57% Wachstum der Importe aus China kann das nicht verwundern. Die Milei-Regierung macht nicht alles schlecht, aber es gibt keinen Grund zu jubeln. 2025 war das erste Jahr der Republik Argentinien mit NEGATIVEN Direktinvestitionen aus dem Ausland.
Ich bin sehr für Deregulierungen, aber dann halt Otto Graf Lambsdorff statt Javier Milei. Deutschland braucht einen realistischen kritischen Blick, ganz sicher kein doomscrolling und Polemik. Sowas hier: https://x.com/arg_endatos/status/2000676792697254245/photo/1
Zwei Sachen, Lemmy: Mir ist kein Beispiel umfangreichen Bürokratieabbaus bekannt, indem Beamte, die zuvor die Regeln geschaffen haben, diese auf Sinnhaftigkeit prüfen und zur Abschaffung vorschlagen. Das ist keine sinnvolle Strategie. In diesem Sinne halte ich Mileis Vorgehen, einfach unzählige Beamte zu entlassen, die gerade in den letzten Jahren eingestellt wurden. Bürokraten schaffen Bürokratie.
Ich halte es auch für absurd anzunehmen, ein insolventes Land ließe sich binnen ein oder auch zwei Jahren in eine prosperierende Volkswirtschaft drehen. Selbst China brauchte dafür mehr als zwei Dekaden, um das Schlimmste zu überwinden.
In der Sache wenig Widerrede. Man könnte noch den Föderalismus erwähnen, der dazu führt das Regelungen in 16-facher Auslegung gelebt werden. Hier wäre bereits mit der Straffung zu beginnen, aber immer wieder büchst ein Land aus opportunistischen Gründen aus.
Ich glaube nicht an Kettensäge sondern in Priorisierung. Man muss sich die Themen Ressort für Ressort vornehmen und durchackern. Darüber hinaus braucht es eine gemeinsame Priorisierung von Bund und Ländern über die vier wesentlichen Bremser: Datenschutz, Denkmalschutz, Umweltschutz und Geheimschutz. Solange wir hier 17 Auslegungen haben, wird sich in diesem LAnd nichts bessern können. Wenn es Uneinigkeit gibt, muss es eben politisch entschieden werden.
Ich bin gegen eine Regulierung ala USA über juristische Risiken, weil im Zweifelsfall erstmal ganz schön viel Unheil über die Verbraucher hineinbricht, bis dann in einem juristischen Verfahren ein Unternehmen (im Rahmen seiner beschränkten Haftbarkeit) zur Rechenschaft gezogen wird. Gleichwohl ist die bestehende Regulierung völlig überzogen, da sie noch so keine Lücken erfasst, die dann passend gemacht werden sollen. Auch hier hilft Priorisierung: Bei der Lebensmittelgesundheit bin ich sehr froh, dass wir keine amerikanischen Regeln haben – beim Baurecht haben wir es sicherlich völlig übertrieben.
Was wäre das Problem, würden wir die Bauvorschriften auf den Stand des Jahres 2000 zurücksetzen? Das ließe sich binnen Monaten bewerkstelligen. Nimmt dann die Bautätigkeit massiv zu, war der Ansatz richtig. Wird nicht mehr gebaut, ist nichts passiert, denn das Bauen liegt brach.
In der Richtung kann ich folgen, imKonkreten bist Du mir zu schwarz-weiß