Bohrleute 114 – Resilienz, mit Sebastian Dullien

In jeder Krise kommt die Frage, warum man nicht besser vorbereitet war. Die Antwort ist allzu häufig, dass Resilienz – die Fähigkeit eines Systems, sich gegen Krisen zu schützen – Geld kostet. Ob Corona, Ukrainekrieg oder Klimakatastrophen, Resilienz wird immer mehr zum Thema. Deswegen spreche ich mit Sebastian Dullien von der Hans-Böckler-Stiftung über Resilienz, wie wir sie schaffen, wie wir sie berechnen und welche Gefahren uns drohen.

Shownotes:

Bunker, Tiefgaragen, private Keller – Wo wir im Ernstfall Schutz finden (SWR Wissen)

Transkript

00:00.62 Stefan Sasse

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von den Bohrleuten. Ob in der Klimakrise, ob beim Ukraine-Krieg und der Frage der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands, ob bei der Widerstandsfähigkeit der deutschen Industrie im Allgemeinen oder im Rahmen der Corona-Pandemie, immer wieder kriegen wir das Thema auf den Teller gelegt. der Frage der sogenannten Resilienz. Wie widerstandsfähig ist unsere Wirtschaft, wie widerstandsfähig ist unsere Gesellschaft gegenüber exogenen Schocks? Also irgendwelche unerwarteten Ereignisse, die uns, oder erwartet im Sinne der Klimakrise, die uns von außen treffen. Und über diese Frage wollte ich schon länger einmal sprechen und ich habe mir deswegen einen hochkarätigen Gast ins Studio geholt.

00:42.37 Sebastian Dullien

Ja, hallo, ich bin Sebastian Dulin. Ich bin Wissenschaftlerdirektor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung und ich freue mich sehr über die Einladung.

00:52.80 Stefan Sasse

Ich freue mich sehr, dass du sie angenommen hast. Ich habe zum ersten Mal, bin ich über dieses Thema tatsächlich gestolpert, weil du mit dem Marco Herack darüber gesprochen hast. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, in welchem von seinen vielen Podcasts das genau war. Entweder war das bei den Mikroökonomen oder beim Hans-Böckler-Stiftung-Podcast. Einer von beiden, ich vermute, bei der Hans-Böckler-Stiftung. Aber auf jeden Fall fand ich das eine super spannende Geschichte, weil unsere ganze Wirtschaft und unser ganzes System sozusagen, das haben wir auch während Corona gemerkt, das läuft ja letzten Endes auf so einer ziemlich optimistischen Grundannahme, dass quasi keine großen Probleme auftreten. Wir kennen das alle von der Deutschen Bahn. dass die ihre Fahrpläne quasi nach dem Motto schreiben, es darf nichts passieren und sobald was passiert, da sehen wir dann die Konsequenzen in den ganzen Verspätungen. Aber wir haben dasselbe Problem ja quasi systemisch überall drin. Und wenn jetzt Deutschland betroffen wäre von einer größeren Krise, wie wir es etwa in der Corona-Pandemie haben oder wie es der Ukraine gerade widerfährt durch eine militärische Auseinandersetzung, Oder irgendetwas anderes vorstellbar, so ein großer Stromausfall oder was auch immer. Da würde mich interessieren, wie viele Redundanzen, wie viele Sicherheitsmechanismen haben wir da? Also bricht dann im Endeffekt sofort das Chaos aus und wir haben The Walking Dead oder gibt es da letzten Endes Mechanismen, die da helfen und wenn ja, wie sehen die aus? Und dann vielleicht auch im etwas kleineren und weniger apokalyptischen Rahmen, wie sieht es aus gegenüber strukturellen Veränderungen, jetzt beispielsweise in der deutschen Automobilbranche, die ja gerade massiv herausgefordert ist. Das wären so im Großen und Ganzen die Themen, die ich heute anhauen möchte. Und ich würde dir da den Ball direkt rüberspielen.

02:33.98 Sebastian Dullien

Ja, ich glaube, Resilienz ist ein Thema, worüber wir sehr lange überhaupt nicht nachgedacht haben. Also aus verschiedenen Gründen. Wir haben vor Covid eigentlich immer gedacht, man könne alles irgendwie dann doch kurzfristig auf dem Weltmarkt kaufen, wenn man es gerade nicht hat. Und von daher ist die Wirtschaft auch ein bisschen darauf ausgerichtet gewesen. Also auch wenn man sich anguckt, was… Ja, man lernt halt, dass das Welthandel effizient schafft, dass man immer die Sachen dort kauft, wo sie am günstigsten sind. Und dann lernt man, dass wir sowas haben wie Economies of Scale. Das heißt, wenn etwas irgendwo in größerer Stückzahl hergestellt wird, dann wird es billiger. Und wenn man das zusammenpackt, dann ist das Ergebnis natürlich, dass man viele Dinge erzeugt, möglichst nur von einem Hersteller aus einem Land kauft und ob das Land jetzt zuverlässig ist oder nicht, da hat man früher sich nicht so viele Gedanken drüber gemacht. Und seit Covid eigentlich hat sich das sehr stark verändert. Covid hat uns ja gezeigt, dass, das sind ja Sachen aus China nicht mehr geliefert worden, dass wir bei bestimmten Dingen extremst abhängig waren von Produkten, die aus China gekommen sind. Übrigens andere Länder noch stärker, also Großbritannien hatte auch das Problem, eigentlich alle europäischen Länder hatten das Problem. dass während Covid-Schutzbekleidung und bestimmte Masken, Schutzmasken nicht mehr bei uns hergestellt wurden, sondern praktisch nur aus China gekommen sind. Und das war so der erste, der erste, das erste Warnzeichen, der erste Weckruf, dass man stärker auf Resilienz achten muss. Die Ukraine-Krise hat uns dann nochmal gezeigt oder der Ukraine-Krieg, die russische Invasion der Ukraine hat uns nochmal gezeigt, wie problematisch das ist, wenn man zum Beispiel von nur einem Lieferanten für erdgasabhängig ist. Und wenn man das jetzt durchdekliniert, dann stellt man fest, dass wir in ganz großen Teilen unserer Wirtschaft sehr stark auf Effizienz gesetzt haben, aber eben Resilienz doch vernachlässigt haben. Und das ist auch verständlich, denn Resilienz kostet etwas. Einfaches Beispiel, wenn ich sicher gehen möchte, dass jeden Morgen mein Auto anspringt und ich immer ein Auto habe, um zur Arbeit zu fahren, dann brauche ich eigentlich zwei Autos, weil es kann ja mal sein, dass das erste Auto in der Werkstatt ist oder sonst irgendwas damit los ist. Normalerweise planen wir so auch bei dem Auto nicht, weil man dann immer eine andere Lösung findet. Aber wenn man jetzt sehr weit weg von der Zivilisation oder von öffentlichem Nahverkehr wohnen würde, dann müsste man sich das tatsächlich überlegen. Aber zwei Autos kosten natürlich mehr als ein Auto. Das sind so die Kosten, die man dann durch Resilienz hat. Und was man da im Kleinen hat, hat man natürlich auch im Großen. Also Unternehmen, die meinetwegen eine bestimmte Schraubengröße brauchen, haben oft auch nur einen Lieferanten dafür. Weil, ja, da kann man Mengenrabatte aushandeln, da hat man vielleicht die günstige Art, die günstigste Art, das zu beschaffen. Nur, wenn es dann damit Probleme gibt, dann kann man möglicherweise das Auto nicht mehr bauen. Und von daher ist Resilienz so ein Thema, was, ich würde sagen, die letzten fünf Jahre ganz massiv an Bedeutung gewonnen hat.

05:50.05 Stefan Sasse

Du hast ja angefangen jetzt bei deiner Antwort mit der Feststellung, dass wir sehr lange nicht drüber nachgedacht haben. Und wenn ich mir so die Reaktionen angucke, gerade während Covid und auf diese Skandale, die da jetzt rausgekommen sind, ob es jetzt dieser Maskenbeschaffungsskandal ist von Jens Spahn oder was die Ursula von der Leyen jetzt an der Backe hat mit diesen Impfbestellungen und wie das alles abgelaufen ist. Ich höre da immer so eine Indigniertheit heraus, dass quasi die Regeln, von denen man ausging, dass sie für alle gelten und dass sich alle dran halten, dass manche Leute sich da eben nicht dran halten. Weil wir ja eben zu diesem Effizienz-Mantra sozusagen, da gehört ja diese Freihandels-Idee ganz massiv dazu. Also ich kann ja quasi nur meinen ganzen Kram in einem Land einkaufen, weil wir dieses Freihandelssystem haben. Und wir haben eben sehr lange, also im Endeffekt ja seit der Wende 1990, 1991 haben wir quasi angenommen, alle halten sich im Großen und Ganzen an dieses System, zumindest alle, mit denen wir relevante Größen handeln wollen. Und wenn ich etwas bestelle sozusagen, dann liefern die das auch. Und wenn die etwas herstellen und normalerweise verkaufen und wir haben dann entsprechende Beziehungen, dann wird es auch so gemacht. Und wenn ich mir gerade eben zum Beispiel diese Betrachtung anschaue, wenn ich so Zeitungsartikel lese über diese Impfeinkräfe der EU, dass das ja quasi rechtlich gesehen und so von den Regeln her nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Oder dass da eben größere Vorräte beschafft worden sind in einer sehr unsicheren Situation, wie jetzt bei Jens Spahns Maskendeals oder sowas und dann teilweise auch zu überteuerten Preisen. Da spricht für mich irgendwie so eine Vorstellung raus, so nach dem Motto, warum ist das jetzt nicht so, wie ich das gerne hätte, dass es ist, nämlich nach diesem alten Regelsystem, das aber in der Situation möglicherweise gar nicht mehr existiert. Wo dann eben ein Land wie China sagt, ja jetzt kriegt ihr eben eure Medikamente nicht mehr, die brauchen wir jetzt erstmal selbst. Und dann werden die nicht mehr geliefert und wir stehen dann plötzlich im Regen. Und das war jetzt lange Rede und der kürzere Sinn ist quasi meine Frage, ist da quasi eine Mentalität und eine bestimmte Prämisse sozusagen, nach der wir hier in Europa, in der Europäischen Union immer noch weitgehend operieren, die aber letzten Endes hinfällig ist oder sehe ich das zu schwarz?

08:07.07 Sebastian Dullien

Na, ich glaube, man muss das ein bisschen differenzierter an der Stelle sehen. Also einerseits sind die Sachen natürlich teurer und nicht immer ganz effizient in dem Sinne, dass man die billigste Lösung findet, wenn man Redundanzen schafft. Also dann hat man meinetwegen zwei Stromleitungen, die einen einen Stadtteil versorgen statt einer. Ja, und das natürlich kostet das. Und das ist schon skandalisierbar. Also in der öffentlichen Debatte kann ich mir die Bild-Zeitung vorstellen, die sagt, da sind jetzt so und so viele Millionen Euro verschwendet worden, weil da eigentlich zwei Stromleitungen liegen statt einer. Und die eine Stromleitung ist nie benutzt worden. Man kann ja sagen, die eine Stromleitung, also wenn man dann 20 Jahre später feststellt, man hat eigentlich nur eine gebraucht, die andere ist, also es ist nie eine ausgefallen, dann hat man eine umsonst gebaut. Das ist skandalisierbar. Und das ist halt auch so ein bisschen so, wenn, also bei der Impfstoffbeschaffung kann man jetzt, zum Teil sind jetzt mehr Impfdosen gekauft worden, als tatsächlich verbraucht worden sind. Da kann man sagen, das war jetzt eine Verschwendung und Warum haben die eigentlich von verschiedenen Herstellern dann bestellt und so kann das, kann die öffentliche Hand ja nicht arbeiten. Ich finde, das ist falsch, weil es schon Situationen gibt, wo man eben nicht weiß, ob die Sachen geliefert werden, dann bestellt man lieber ein bisschen mehr als ein bisschen zu wenig. Also nur, nur, nur weil man hinterher sagt, da ist zu viel gekauft worden, heißt das nicht, dass die Entscheidung von Anfang an falsch gewesen sein muss, dass man eben ein bisschen mehr kauft. So, das muss man, glaube ich, trennen von Dingen, wo diese Beschaffung dann möglicherweise auch etwas fragwürdig abgeht und Elemente, die man, ja, wo man, wo man auch Korruption, ja, zumindest vermuten könnte, dabei sieht. Also selbst, selbst in der Krise gibt es halt Preise, die normal sind, wo man Masken herbekommt und wenn man dann das ist jetzt nicht in Deutschland passiert, aber wenn man dann sieht, dass jemand meinetwegen seinen Schwager da Masken beschafft hat zum dreifachen Preis, zu dem, was andere zu dem Zeitpunkt bezahlt haben, dann hat das nicht so viel mit Resilienz schaffen zu tun, sondern dann hat es damit zu tun, dass irgendjemand dann eine Notlage ausnutzt und jemand, der in der Machtposition ist, eben die öffentlichen Gelder darüber schiebt. Und ich glaube, das muss man auseinanderhalten, das muss man differenzieren. Es ist leider so, dass die Medien eben auch schon das Schaffen von Redundanzen also die eben Resilienz schafft, also Mehrfach-Infrastruktur oder Überbestellung, dass die das schon am Ende jetzt ineffizient geißelt, obwohl eigentlich das größere Problem ist, wenn da jemand tatsächlich Gelder veruntreut.

10:46.72 Stefan Sasse

Ja, das sehe ich absolut. Ich meine, ich habe den Spanier auch genug kritisiert, aber wir hatten ja gerade bei dieser Maskenbeschaffung und eben bei den Impfstoffen, da wurde eben häufig kritisiert, dass da zu viel bestellt worden sei. Und ich denke mir halt auch immer, ja, das wissen wir halt auch immer nachträglich. Ja, das ist so hinterher, sagt man das natürlich immer leicht, aber ich stelle mir die Debatte vor, wenn die weniger Impfstoff bestellen und dann wird es schlimmer als gedacht und dann sagen sie, ja gut, wir haben halt weniger bestellt, damit es weniger Geld kostet, da werden die Leute dann bestimmt nicht verständnisvoll mit dem Kopf nicken und sagen, ja gut, dann ist Opa eben für die Effizienz der Beschaffung gestorben, ja.

11:04.86 Sebastian Dullien

Ja, ja.

11:20.14 Stefan Sasse

Das funktioniert ja auch nicht. Also ich habe das Gefühl, das kannst du quasi auch nicht richtig machen. Da kommt so ein bisschen dieses There is no glory in prevention Problem raus an der Stelle, weil du kannst ja nie beweisen, dass du tatsächlich irgendwas verhindert hast damit und dass man es nicht vielleicht hätte billiger bekommen können, wenn man etwas anders agiert hätte. Who knows?

11:39.05 Sebastian Dullien

Ja, genau. Und das ist ja so ein bisschen auch während Covid, als dann zu einem, als dann umgestellt wurde oder versucht wurde, Distance Learning zu machen, also meinetwegen über Videokonferenzen und so weiter. Und dann ist ja festgestellt worden, die Lehrer haben alle keine Computer oder zumindest keine Schulcomputer. Und vielleicht haben sie private Computer, aber da darf man dann keine personenbezogene Daten von den, von den Schulern drauf haben oder sowas, ja. Aber wenn ich mir jetzt vorstelle, dass man vorher gesagt hätte, um vorbereitet zu sein, kaufe ich jedem Lehrer einen Computer mit Kamera und Headset, wenn man das 2019 gemacht hätte. wir haben ziemlich viele Lehrer in Deutschland, dann hätte man gesagt, alle fünf Jahre kaufe ich einen neuen Computer. Das ist jetzt auch nicht völlig absurd für die ganzen Lehrer. Ich glaube, dann hätte es auch Ärger gegeben, hätten einige gesagt, muss das denn eigentlich sein? Wofür brauchen alle die einen Computer? Und das ist genau, was du sagst. Da ist manchmal kein Verständnis dafür da, dass bestimmte, der Aufbau von Widerstandsfähigkeit möglicherweise eben auch Geld kostet.

12:46.16 Stefan Sasse

Vielleicht bringen wir uns das dann auch ein bisschen von diesem Corona-Thema noch auf einen anderen Bereich, wo es mir auch ganz massiv auffällt. Ich habe erst vor einigen Tagen einen Podcast gehört von SWR Wissen. Und da haben die über Bunker und Schutzräume geschrieben. Und da stand dann eben auch drin, dass quasi sämtliche Sicherungsanlagen, die im Kalten Krieg mal gebaut worden sind, sind mittlerweile quasi nutzlos. Wir haben noch in ganz Deutschland 579 Stück, die weitgehend unbenutzbar sind. Der ganze Rest ist schon weg. Und es würde jetzt Unsummen kosten, quasi diese ganzen Sicherheitsräume neu aufzubauen. Und man weiß ja immer noch nicht, ob man die wieder brauchen kann. Und das ist für mich auch so ein Beispiel, die letzten 20, 30 Jahre hätte niemand ernsthaft in einem Budget Millionen locker machen können für den Erhalt von Luftschutzbunkern. Da hätten alle gesagt, never ever brauchen wir das, was soll der Quatsch? Und jetzt stehen wir da, warum hat Deutschland keine Luftschutzbunker und keine Luftverteidigungssysteme? Und Das ist eben wirklich so diese Frage, wie schätzt man das überhaupt ein? Also wie geht man da als so ein Ökonom oder eine Ökonomin hin oder auch in der Politik und fragt sich quasi, welche dieser Redundanzen sind effizient? Ich weiß, das ist ein bisschen Oxymoron, aber welche von denen lohnen sich sozusagen anzuschaffen und an welchen, muss man halt sagen, das Risiko nimmt man in Kauf?

14:02.18 Sebastian Dullien

Also erstens, bisher machen wir das gar nicht.

14:09.86 Stefan Sasse

Wie macht man diese Abschätzung überhaupt?

14:15.07 Sebastian Dullien

Ja, das ist als Ökonom in Ökonomen oder das ist ein bisschen überspitzt, aber das ist nicht das, was, was üblicherweise oft getan wird. Was man sinnvollerweise machen würde, ist, dass man sich eben bestimmte Szenarien ausdenkt und jetzt tut man es auch zu, zunehmend, jetzt nicht bei den Ökonomen in Ökonomen, aber das wird, glaube ich, in der Politik zunehmend getan, dass man sich bestimmte Szenarien ausdenkt, guckt, wie realistisch sind die und dann probiert, für sowas Vorsorge zu treffen. Und da passiert ja jetzt schon ein bisschen mehr und auch, ich glaube, es ist eine gewisse Lehre, dass man nicht zu abhängig werden soll von einem Energielieferanten. Das ist jetzt… eigentlich gesetzt, zumindest bei den meisten Leuten. Und dann probiert man eben das Energiesystem in die Richtung umzustellen. Aber auch das ist schwierig. Das sehen wir jetzt auch gerade in der Diskussion. Also am resilientesten wäre, wenn wir vollständig autark wären, dezentrale Energieerzeugung ohne Importe und Exporte. Das ist allerdings sehr teuer. Ein bisschen weniger resilient wäre man, wenn man weitgehend autark ist, was die Energie angeht und eben kleinere Energiemengen dann noch importiert. Das wäre ein bisschen billiger. Und besonders billig wäre es wahrscheinlich, wenn man wieder anfängt, mit Russland zu handeln. wieder ganz viel Erdgas von denen kauft. So, und wenn ich aber von dieser ganz billigen Lösung zu einer resilienteren Lösung mich bewege, dann wird jetzt einfach die Energie teurer. Dann ist die Frage, wer zahlt eigentlich dafür? Und da wird es dann einfach schwierig. Aber eigentlich wäre es schon sinnvoll, dass man sich die Szenarien anguckt, guckt, was braucht man und dann dafür Vorsorge trifft.

16:03.81 Stefan Sasse

Dann stelle ich jetzt mal ganz naiv die Frage, was sind denn so die relevanten Szenarien, über die wir gerade nachdenken? Ich denke gerade diese Kriegsfall mit Russland wird wahrscheinlich eins sein auf der Agenda. Was ist sozusagen, wo wir Vorsorge treffen müssen?

16:18.90 Sebastian Dullien

Ja, also ich glaube, es gibt ja viel mehr Sachen, von denen man weiß, dass es passieren kann. Extremklimaereignisse, wissen wir, dass die passieren können, oder Extremwetterereignisse. Wir wissen jetzt, dass es eine Pandemie geben kann. Wahrscheinlich wie du am Anfang schon angemerkt hast, großflächigen Stromausfall. Darüber sollte man sich mal Gedanken machen. Wobei man einen Schritt zurückgehen kann, gucken kann, wo kommt eigentlich so die Gefahr davon her. Also in den USA hatten wir ja auch mal großflächige Stromausfälle. Das waren dann meistens tatsächlich, da hatte man jahrelang nicht in die Netze investiert. Also da ist vielleicht dann auch gut, bevor man, klar, man muss auch Vorsorge treffen, aber dass man eben auch guckt, solche Dinge von vornherein zu verhindern. Ich glaube, es gibt sehr, sehr viele Szenarien und zum Teil sind die Sachen natürlich auch doppelt nutzbar. Also wenn man ein resilienteres Energiesystem hat, was dezentraler ist und was jetzt die Zerstörung oder den Ausfall von Verbindungen besser verkraftet, dann hilft das sowohl im Krisenfall bei, keine Ahnung, Extremwetterereignissen, bei Terroranschlägen, genauso wie eben auch im Kriegsfall.

17:34.06 Stefan Sasse

Ja, das macht offensichtlich Sinn. Ich stelle mir, das ist sowas, wo ich finde, wo es in den Nahbereich sozusagen geht, gerade bei diesem großflächigen Stromausfall. Ich habe da, weil das schon länger her, habe ich auch mal was gelesen, von wegen die allermeisten Haushalte haben keine Notfallvorräte in ihren Häusern, Kellern, was auch immer, mit denen sie länger als, ich weiß nicht mehr was, X war, aber eine sehr, sehr kleine Zeit, also wir reden da irgendwie so von zwei, drei Tagen üblicherweise, überleben könnten.

17:52.37 Sebastian Dullien

Ja.

18:03.77 Stefan Sasse

Wenn der Strom ausfällt, sind unsere Kühlschränke und Tiefkühlgeräte hin und viele Leute haben halt keine langhaltbaren Lebensmittel in größerem Ausmaß vor Ort. Ich muss sagen, ich habe nichts, mit dem ich Wasser heizen könnte ohne Strom. Mein Wasserkocher, mein Herd, die brauchen alle Strom. Ich habe keinen Gaskocher oder sowas zu Hause.

18:22.86 Sebastian Dullien

Ich glaube, wir haben noch zwei Campingkocher irgendwo. Hm.

18:25.97 Stefan Sasse

So was habe ich gar nicht. Das heißt, ich könnte dann meine Dosen öffnen, was ich da halt so habe, mit so Bohnen oder sowas. Also meine Dosen Kidneybohnen und könnte die kalt löffeln. Aber da wäre es dann halt auch langsam aus. Oder Wasser, wie viel Vorräte wir da zu Hause haben. Weil ohne Strom gibt es auch kein Wasser. Und so weiter. Und ich weiß gar nicht, ist es dann überhaupt in irgendeiner Art und Weise realistisch, dass da dann Notfallorganisationen, wer auch immer das dann ist, einspringen und eine Versorgung gewährleisten? Weil auch das Gleiche gilt ja für Supermärkte auch. Die wären ja auch innerhalb kürzester Zeit leer. Also du hast den anfänglichen Panikkauf, was in den Kühlanlagen ist, vergammelt und dann wird ja auch nicht mehr aufgestopft.

19:07.27 Sebastian Dullien

Also ich bin jetzt kein Experte für Notfallvorsorge, aber es ist ja nun mal so, dass Menschen auch nicht ganz so schnell verhungern.

19:07.66 Stefan Sasse

Also was macht man da dann eigentlich? Was ist da das Szenario?

19:20.78 Sebastian Dullien

Wasser, was du gerade gesagt hast, ist sehr, sehr wichtig. Aber wenn du jetzt meinetwegen Nudeln hättest, die du kochen kannst und ein paar Kidneybrunnen, davon kann man relativ lange überleben oder zumindest, was heißt relativ lange, zumindest jetzt einen Zeitraum, wo man hoffen würde, dass so ein Stromnetz wieder aufgebaut wird oder wieder in Betrieb genommen wird. Aber tatsächlich, ich würde auch davon ausgehen, dass sehr, sehr viele Haushalte eben da eigentlich keine Vorsorge für treffen. Und es ist ja auch so, dass wir bislang die Erfahrung haben, Längere Infrastrukturausfälle haben wir sehr selten in Deutschland gehabt bislang. Das, ja, aber… Aber wir haben natürlich schon auch eine Struktur vom Technischen Hilfswerk, von der Feuerwehr und so weiter, von auch lokalen Katastrophenschutz, die für gewisse Dinge dann auch, glaube ich, eine Vorsorge schon getroffen hätten. Wir sehen das ja eigentlich auch, wenn wir jetzt Flutkatastrophen in Deutschland hatten, ist, sind die Hilfslieferungen, der Katastrophenschutz oft effizienter als wir das in anderen Ländern oder wirksamer als wir das in anderen Ländern auch gesehen haben. Ich bin da jetzt kein Experte, aber ich glaube da, da, da, da funktioniert schon einiges oder da gibt es gewisse Vorbereitungen.

20:51.31 Stefan Sasse

Das ist ja auch mal schön, da an der Stelle gute Nachrichten zu haben. Ich glaube, mich erinnern zu können, dass zur Zeit des Kalten Krieges da noch relativ große Lager, ich weiß nicht, ob es die Bundeswehr war oder andere Organisationen, aber die eben dann Lager hatten mit so Zelten, Feldbetten, Trockennahrung und solche Geschichten. die ja dann alle im Rahmen der Friedensdividende aufgelöst worden sind in den 90er Jahren. Weißt du, zufällig gibt es da irgendwelche Bestrebungen, das in größerem Umfang wieder aufzubauen oder bleiben wir da in dem, was wir gerade haben, was ja auf so einem Level von so einer begrenzten Katastrophe, so eine Flutkatastrophe oder sowas, wie es jetzt im Saarland war oder wenn da die Oder mal wieder über die Ufer tritt oder sowas, da funktioniert das ja alles relativ gut, weil das örtlich einigermaßen einschränkbar ist und der ganze Rest des Landes kann quasi dann mit eingreifen. Aber ich denke halt, wenn ich sage mal in Norddeutschland umfassend der Strom ausfällt, dann wird es sehr schnell an Grenzen kommen oder selbst wenn es ein bisschen ein größerer Bereich ist. Also gibt es da irgendwas oder sagt man halt, es geht dann halt einfach nicht?

21:49.38 Sebastian Dullien

Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass natürlich der Zivilschutz schon etwas ist, wo man jetzt auch sagt, da soll wieder mehr Geld reinfließen. Ich kenne jetzt nicht die detaillierten Planungen, aber wir haben ja jetzt die Bereichsausnahme, für Verteidigungsausgaben, das heißt, der Bund darf mehr Kredite aufnehmen, wenn er dafür, wenn er oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgibt und dort sind auch Zivilschutzmaßnahmen mit vorgesehen. Also würde ich vermuten, dass man in die Richtung auch auch arbeitet. Die Frage ist natürlich schon, wie lange und wie stark es dann ja auch Regionen beeinflusst und wie groß, wie realistisch das ist, dass da wirklich das halbe Land quasi keine Stromversorgung mehr hat. Wir hatten ja in den 70ern, gab es glaube ich mal einen Katastrophenwinter, wo auch relativ viel Strom und Verkehr ausgefallen ist. Und da haben die Leute an der Stelle auch überlebt. Also nochmal, ich glaube tatsächlich, dass klar, was du gesagt hast, das ist ein Problem, wenn man nichts kochen kann. Aber… so schnell verhungert man nicht, wenn man nichts kochen kann. Also so. Und dann haben natürlich schon mehr Leute auch noch die Möglichkeit, Wasser warm zu machen. Und gerade die, die da nicht in der Stadt wohnen oder die einen Garten haben, die können zornotisch auch noch ein Feuer machen mit irgendwelchem Brennholz. Das ist alles jetzt nicht schön und wünscht man sich so nicht. Aber bevor dann massiv Leute verhungern, glaube ich, ist da noch ein gewisser Weg.

23:28.83 Stefan Sasse

Ja, vielleicht habe ich das vorher auch zu krass formuliert. Ich glaube jetzt auch gar nicht, dass die Leute da massenhaft an Hungers sterben oder sowas. Meine Befürchtung wäre viel eher so dieser Zusammenbruch gesellschaftlicher Normen und der gesamten gesellschaftlichen Struktur, also dass du quasi großflächige Plünderungen hast und so weiter, solche Dinge. Und das passiert halt eher, wenn…

23:50.26 Sebastian Dullien

Ja.

23:52.85 Stefan Sasse

Ich weiß nicht, wie man das ausdrücken soll, wenn die Leute sich bedroht fühlen. Also die Tatsache, dass ich quasi überleben kann mit meiner Packung trockenen Nudeln und meinen gelöffelten Kidnapp-Bohnen, heißt ja nicht, dass ich deswegen nicht in Panik verfallen würde, dass es nicht so sein könnte. Vor allem, und das ist ja in solchen Situationen inhärent, es ist ja quasi nicht absehbar, wie lange die dauern wird. Und ich glaube, das könnte ein sehr, also das stelle ich mir zumindest so vor, dass es eine ziemlich krasse Belastung der Psyche ist. Wenn das passiert und dass man da als der Staat, als die Gesellschaft, die da dahinter steckt, versuchen möchte, so eine gewisse Zuversicht zu halten. Das ist ja auch eine Resilienz. Die ist jetzt wenig ergreifbar in irgendwelchen Stromnetzen oder Lagern, die wir haben oder so, aber auch, dass ich quasi das Vertrauen habe in das System sozusagen, in all diese ganzen Subsysteme, die da dranhängen, Dass es klappen wird, dass ich nicht gefährdet bin, auch in Zukunft nicht. Also wenn meine Dose Kettenbeau dann irgendwann leer ist, um bei dem Beispiel zu bleiben.

24:59.83 Sebastian Dullien

Mhm.

25:02.69 Stefan Sasse

Dass da dann was kommt sozusagen und dass es sich für mich in Anführungszeichen lohnt, zu Hause zu bleiben und abzuwarten und quasi nicht in Panik zu verfallen und dumme Dinge zu tun im Endeffekt. Und diese, wie soll man es nennen, moralische Resilienz, also im Sinne von der militärischen Moral, nicht im Sinne von der ethischen Moral, die wäre ja quasi auch noch so ein Faktor, der damit reinspielt, oder?

25:27.32 Sebastian Dullien

Ja, die Frage ist natürlich, ob es wirklich so schlimm kommt, wie du das gerade dargestellt hast. Und wir haben ja ein paar Stromausfälle gehabt, die relativ großflächig waren. Ich habe gerade schon von diesem Katastrophenwinter 1978, 1979 geredet. Da hat es ja relativ lange und großflächige Stromausfälle gegeben. Es ist dann nicht zu Plünderungen gekommen. Und Ich hätte da schon auch in Deutschland noch ein Vertrauen, dass die Gesellschaft, dass man nicht die Häuser seines Nachbarn überfällt, nur weil jetzt gerade kein Strom da ist. Interessanterweise selbst in den Teilen, auch in Ländern, wo man… wenn man etwas roher miteinander umgeht, sind die Erfahrungen da nicht ganz so negativ und man muss nicht immer gleich an die Zombie-Apokalypse oder an Apokalypsen denken. Also zum Beispiel auch 2003, da gab es ja diesen sehr großen Stromausfall in den USA. Da sind, glaube ich, 50 Millionen Menschen im Nordosten der USA, einschließlich New York City und Teilen von Kanada vom Stromausfall betroffen gewesen. Und da hat es ja erstaunlich wenig Plünderung und Kriminalität auch in New York City gegeben. New York City ist jetzt ja nicht ein, sagen wir so, ein Stück Welt, wo man normalerweise sagt, da sind alle Leute besonders empathisch und mitfühlend gegenüber den anderen, die sich so die ganze Zeit sehen und treffen. Also da wäre ich vorsichtig optimistisch, dass da auch so gewisse zivilisatorische Normen nicht sofort ausfallen würden. Äh, äh, äh, äh, äh

27:07.29 Stefan Sasse

Ich spiele zugegebenermaßen auch ein bisschen den Advocatus Diaboli. Mich erinnert es an dieses Buch von Rutger Breckmann, heißt er, glaube ich, dieser niederländische Historiker, dieses Im Grunde Gut. Der hat das ja auch beschrieben für Hurricane Katrina 2005, als dann New Orleans unter Wasser stand. Dass die Leute da auch unglaublich hilfsbereit waren grundsätzlich und dass es eben auch nicht zu diesen befürchteten Ausschreitungen kam und dass die Gewalt hauptsächlich von den Rettungskräften ausging, die diese Ausschreitungen erwartet haben und quasi da auch so ein bisschen so eine selbst erfüllende Prophezeiung dann in Gang gesetzt haben. Also von daher, das ist einigermaßen beruhigend an dieser Stelle. Damit hätten wir, glaube ich, diese richtig krassen Katastrophenszenarien schon mal so ein bisschen abgefrühstückt. Also ich würde mal so zusammenfassen nach dem Motto, wir könnten eine gute Weile entsprechend aushalten. Die Hilfen lassen bisher darauf schließen, die geleistet wurden, dass das System da einigermaßen leistungsfähig ist. Aber logischerweise, wenn es hart auf hart kommt, also wenn wir richtig ganz krasse Schocks bekommen, dann kann uns auch keine Vorsorge letzten Endes schützen. ab einem bestimmten Punkt. Da bleibt dann natürlich so eine gewisse Hoffnung sozusagen. Jetzt ist aber, du weißt ja auch korrekt darauf hin, dass diese Apokalypse-Szenarien, die bringen einen ja auch nur so weit. Und die realeren Bedrohungslagen, die wir hier haben, sind ja, glaube ich, eher auf einem niedrigeren Niveau. Gerade die Corona-Pandemie, das war ja jetzt keine Vollkatastrophe, glücklicherweise. Wenn alle unsere Pandemien so sind wie Corona, dann haben wir quasi Glück. Und genau dasselbe gilt für diverse andere Probleme, die wir haben auch. Also die sind sozusagen, es knirscht im Gebelk, wie wir jetzt zum Beispiel auch gesehen haben, vorletztes Jahr ist es ja mittlerweile gewesen, wo die Gaspreise dann so explodiert sind im Rahmen des russischen Angriffskriegs und wo man das dann auch in den Griff bekommen hat mit, man muss ja sagen, überraschender Geschwindigkeit eigentlich.

29:00.20 Sebastian Dullien

Hm. Hm. Hm.

29:08.68 Stefan Sasse

Ja. Welche Szenarien gibt es denn auf einem etwas niedrigeren Level, wo man mit dieser Resilienz arbeiten muss, also als Begriff sozusagen und wo man jetzt so, ich soll mal sagen, Sollbruchstellen sehen kann, an denen es sinnvoll wäre, mehr Redundanzen und mehr Sicherheiten in das System einzubauen?

29:31.15 Sebastian Dullien

Also wir haben ja so ein paar kleinere Ereignisse gesehen, wo man sagen kann, naja, das ist ja gar nicht die Katastrophe geworden, aber was dann im Moment schon schmerzhaft und auch wirtschaftlich schmerzhaft war. Und du hast gerade schon den Ukraine-Krieg oder die Invasion in die Ukraine mit dem Energiepreisschock angesprochen. Das ist ja gar nicht ganz so ohne gewesen. Klar, wir sind jetzt alle noch da in Deutschland, ist es hier nicht zum Zusammenbruch gekommen. Aber der ökonomische Schock war schon ziemlich groß. Und je nachdem, wie man es rechnet, sind wir wahrscheinlich fünf, sechs, sieben, acht Prozent unter dem Vorkriegstrend bei unserem Bruttoinlandsprodukt. Und das ist schon richtig viel Geld. Also wenn man jetzt sagen könnte, jeder könnte acht Prozent mehr Einkommen haben oder sowas, Das ist schon richtig relevant. Und dann muss man hier auch überlegen, war es das eigentlich wert, sich so abhängig zu machen von russischen Gaslieferungen, dass man von einem Lieferanten wenn, wenn es da Probleme gibt, so betroffen sein kann. Oder anderes Beispiel, wir hatten, ich weiß nicht, wer sich daran erinnert, da ist ein Frachter liegen geblieben im Suezkanal und der ist so liegen geblieben, hat sich quergestellt durch die Strömung, dass im Grunde der Kanal blockiert war. Und das hat eine Zeit lang gedauert, ist gar nicht so lange her. hat gar nicht so lange gedauert, Entschuldigung, hat etwas länger gedauert, ein paar Tage, bis der freigesteppt war. Aber schon da gab es Probleme, weil sich die Schiffe gestaut haben und da hieß es schon, hier und dort fehlen dann eben Teile, um jetzt Produktionen weiter fortzusetzen. Und auch hier muss man die Frage stellen, ist das sinnvoll, quasi ohne Lagerbestände zu arbeiten? und Just-in-Time-Lieferungen zu machen und dann eben sich auf sowas zu verlassen. Oder ein anderes Beispiel, nach Corona fehlten in Deutschland Halbleiter. Die Automobilindustrie hatte Halbleiter abbestellt, die hatten die vorher bestellt, hatten die abbestellt, weil sie dachten, sie würden sie immer wieder kriegen, wenn sie welche brauchen. Und dann hat die Nachfrage nach Unterhaltungs- und Büroelektronik so angezogen, dass die Schiphersteller total ausgelastet waren und die deutschen Autohersteller haben dann die Halbleiter, die sie brauchten, nicht bekommen. Und wir haben damals eine Studie gemacht, wo rauskam, dass über eine Million Autos in Deutschland nicht gebaut worden sind wegen Halbleitermangel. Also da waren die Bestellungen, lagen vor, die Halbleiter waren nicht da. Das ist, das heißt, da ist eine Wertschöpfung im Zehnfachen von dem Wert, von dem Teil, was fehlte, hat nicht stattgefunden. Und das sind alles so Beispiele, wo man, glaube ich, über Resilienz nachdenken sollte, ob wir da vielleicht zu wenig von gehabt haben, auch wenn es jetzt am Ende keine Entscheidung über Leben und Tod ist.

32:41.70 Stefan Sasse

Ich würde auch gerne gleich dann nochmal auf die Privatwirtschaft zu sprechen kommen, weil wir bisher immer nur bei der staatlichen Katastrophenführsorge sozusagen sind. Du hast aber gerade so eine rhetorische Frage drin gehabt, ja, mit diesem, wir müssen uns überlegen, ob es das wert war. Und ich würde diese rhetorische Frage tatsächlich mal ganz ernsthaft stellen wollen, weil beispielsweise, wenn wir jetzt bei dem russischen Gas bleiben, die Argumentationsweise war ja immer, das ist billiger. Also wir sparen Geld, wenn wir das dort kaufen. Hat man eigentlich jemand gerechnet, quasi wie viel… haben wir in Anführungszeichen gespart und wie viel haben wir jetzt verloren und wie geht diese Rechnung aus? Weil es kann ja durchaus auch sein, dass ich dann an bestimmten Stellen sage, ja, wir haben jetzt gerade krasse volkswirtschaftliche Einbußen, beispielsweise durch die gestiegenen Energiepreise, aber wir haben in den Jahren vorher, dadurch, dass wir uns die Resilienz eben nicht geleistet haben, so viel gespart, dass es das trotz allem wert war. Hat das schon mal jemand gerechnet? Und wenn ja, was ist denn das für das Ergebnis?

33:38.28 Sebastian Dullien

Also ich kenne da jetzt keine endgültige Rechnung zu. Das Problem ist ein bisschen, dass wir ja auch noch gar nicht ganz genau wissen, wie groß der Schaden, der wirtschaftliche Schaden durch diesen Energiepreisanstieg gewesen ist. Wir haben jetzt vor kurzem gerade die Revision der Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt vom Statistischen Bundesamt bekommen und danach war jetzt die Wirtschaftsentwicklung seit der Invasion deutlich schlechter in Deutschland, als man es vorher gedacht hatte. Das heißt, da ist einiges noch im Fluss. Ich glaube aber, dass es das, also jetzt mal ganz grob abgeschätzt, nicht wert gewesen ist. Denn der, also erstens, Erdgas war trotz dieser Lieferung aus Russland in Deutschland gar nicht wahnsinnig billig. Es war nicht deutlich billiger als meinetwegen in Spanien oder sowas und die USA hatte seit 2008 durch das Shracking sogar noch günstigeres Erdgas. Also es war jetzt nicht so, dass das super, super günstig war. Und der Schaden ist jetzt schon ziemlich groß. Also normalerweise sind ja unsere Erdgasimporte nur ein Bruchteil des Bruttoinlandsproduktes. Und wenn wir jetzt sagen, da sind jetzt pro Jahr, wir sind unter dem Trend 6, 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, was wir sonst vielleicht gehabt hätten, dann ist das schon ein ziemlich dramatischer Einbruch. Also da würde ich sagen, das war es sehr eindeutig nicht wert. Ja.

35:02.96 Stefan Sasse

Gibt es da irgendwelche seriösen Möglichkeiten, das zu kalkulieren? Also wenn jetzt zum Beispiel, wir haben ja eingangs dieses Beispiel gehabt mit der zweiten Stromleitung. Also wenn da jetzt so eine Kommune kommt, so eine mittelgroße Kommune, die sagen so hier, Herr Dullin, wir bauen jetzt gerade unser Stromnetz und wir haben jetzt hier diese Entscheidung, bauen wir eine redundante zweite Stromleitung für den Fall der Fälle, lohnt sich das? Kann man das überhaupt vernünftig kalkulieren? Oder würdest du da einfach sagen, ja, nee, sorry, ihr seid die Volksvertreter, entscheidet ihr. Das ist letzten Endes völlig unklar.

35:33.57 Sebastian Dullien

Nein, also das kann man vernünftig kalkulieren und ich würde auch hoffen, dass bevor jemand überlegt, ob er die zweite oder dritte Stromleitung baut, auch sowas durchrechnet. Dann würde man eben gucken, was, was ist so, wie ist in ähnlichen Fällen Produktionsausfall gewesen, was habe ich sonst für Kosten, also werden vielleicht Leute, ja, habe ich, muss ich vielleicht mit einbeziehen, dass dann auch im Krankenhaus OPs nicht stattfinden können. vielleicht auch wirklich da Gesundheitsschäden stattfinden und so weiter. Und das würde ich, das könnte man dann, wenn man das kleinteilig aufschreibt, könnte man das zusammenrechnen und würde dem entgegensetzen, was kostet es, diese Stromleitung zu bauen. Also es wäre eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung, das wird man einmal dann so absolut gegenüberstellen. Da müsste man wahrscheinlich noch irgendwie mit einbeziehen, dass es ja vielleicht nicht notwendigerweise zu dem Ausfall der ersten Leitung kommt, sondern dem müsste man eine Wahrscheinlichkeit zurechnen. Und denn, also natürlich können wir alles immer noch ein Stück sicherer machen, nur wie du richtig sagst, es gibt einen Punkt, worüber hinaus man das nicht tun sollte. Also wir alle, die meisten Menschen in Deutschland haben für irgendwelche Dinge Versicherungen, Ja, aber es macht auch keinen Sinn, sich für alles zu versichern. Also, oder eine Handybruchversicherung, da kann man sich überlegen, aber wenn man für all seine Elektrogeräte teure Versicherungen kauft, dann ist man halt am Ende doch ein Stück ärmer und vielleicht braucht man nicht für alles das, sondern vielleicht sind die Schäden dann auch die Folgen verkraftbarer. Hm.

37:11.78 Stefan Sasse

Das erinnert mich an diese Garantieverlängerungen, die sie einem immer verkaufen wollen, wenn man so ein neues Handy kauft oder sowas. Ich kaufe ein Handy für 100 Euro oder sowas und dann bieten sie mir eine Garantieverlängerung für 25. Das klingt nicht so, als wäre das ein guter Deal für mich.

37:28.32 Sebastian Dullien

Ja genau, oder, oder dann meinetwegen, weiß nicht, beim Handy wird dann angeboten, tatsächlich Glasbruchversicherung für, für 100 Euro und dann weiß man vielleicht kostet die Reparatur 150 und wenn man nachdenkt, ist einem das bislang vielleicht einmal oder noch nie passiert, also das muss man dann sehr genau durchrechnen. Und genauso, wie man das bei Versicherungsverträgen machen sollte, sollte man das auch bei Resilienzfragen machen. Wobei es jetzt natürlich Dinge gibt, wo man vielleicht sagt, es ist so dramatisch, da möchte ich diesen Schaden auch gar nicht erst in Kauf nehmen.

38:04.32 Stefan Sasse

Und dann investiert man quasi in massiv zusätzliche Sicherheit.

38:07.50 Sebastian Dullien

Genau, dann investiert man in massiv zusätzliche Sicherheit. Ich meine, ehrlich gesagt, ist ja auch ein Militär, was man hat, etwas, was ein bisschen was mit Resilienz zu tun hat, denn man zahlt die ganze Zeit dafür und eigentlich hofft man, dass man es nie benutzen muss. Also zumindest, wenn man ein Land ist, was sich verteidigt und nicht die Nachbarstaaten überfallen möchte. Und das ist ja eigentlich auch verschwendetes Geld, solange man es nicht braucht. Aber auch da wägt man ja irgendwie ab, Man gibt ja nicht die Hälfte seines Bruttoinlandsproduktes für Militär zur Verteidigung aus, weil man das so abwiegt, wie viel brauche ich eigentlich, um jemanden, um andere Länder dann wirkungsvoll abzuschrecken und wo wird mir das einfach zu teuer?

38:49.62 Stefan Sasse

Das ist sowas, da muss ich sagen, diese Logik sozusagen, ich verstehe die komplett intellektuell, also ich weiß, warum wir ein Militär brauchen, ich sehe die Notwendigkeit ein und trotzdem dreht es mir jedes Mal den Magen um, wenn ich denke, was für eine unglaubliche Verschwendung es ist, dass wir alle Militär haben letzten Endes. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Abgesehen von dieser Militär- und Abschreckungsgeschichte, gibt es noch so ein schönes Beispiel, wo wir quasi direkt sagen, die Folgen wären zu katastrophal, deswegen investieren wir vergleichsweise massiv in Resilienz, auch wenn möglicherweise die Rechnungen jetzt nicht so hundertprozentig wasserdicht oder überhaupt machbar sind. Also wo wäre das der Fall?

39:35.69 Sebastian Dullien

Ja, im Grunde haben wir ja auch beim Katastrophenschutz investieren wir eigentlich mehr. Möglicherweise überlegen wir auch, das wird jetzt stärker angedacht bei der Produktion von Antibiotika, zu sagen, Wir möchten, dass die in Europa hergestellt werden und ein Teil davon einfach, weil, weil das, ja, weil es, weil es, weil es zu teuer wäre oder zu, wenn wir, wenn wir plötzlich keine Antibiotika mehr geliefert bekämen, das wäre einfach zu schmerzhaft für die Gesellschaft. Aber wir haben ganz viele andere Bereiche, also die, die, die Subvention des Chip, der Chip-Herstellung in Deutschland, die da diskutiert worden ist, wo Intel 10 Milliarden kriegen sollte, um eine Fabrik zu bauen. Das hat ja auch was mit Resilienz zu tun. Also wir haben inzwischen, wir haben schon ganz viele Bereiche, wo wir sehr viel rein investieren. Die Frage ist jetzt, ab welchem Punkt würdest du sagen, das ist eine ganz massive Investition und wo ist es noch nicht so massiv? Also sind 10 Milliarden schon ganz massiv oder was du dann immer mit anderen Subventionen noch zusammennimmst? Natürlich diese Größenordnung, die wir für Verteidigung ausgeben, Da fällt mir jetzt schwer, irgendwie was anderes zu finden, wo wir eine ähnliche, was ähnliches ausgeben. Hm.

40:47.93 Stefan Sasse

Also ich glaube, da fällt mir jetzt auch so spontan nichts ein und ich kann dir jetzt auch nicht sagen, was ich als massiv sehe, auch weil ich mit den Zahlen gar nicht firm bin. Ich finde es immer super schwierig, wenn man sich da nicht professionell damit beschäftigt, volkswirtschaftliche Kategorien überhaupt zu begreifen im Wortsinne. weil die Zahlen einfach immer so gigantisch sind und so entfernt von jeder persönlichen Realität. Ich meine, 10 Milliarden ist das viel, ist das wenig für ein Land wie Deutschland. Für mich ist das eine unvorstellbar hohe Zahl.

41:17.25 Sebastian Dullien

Ja.

41:17.62 Stefan Sasse

Im Verteidigungsministerium ist jetzt ein Zehntel von, was weiß ich, was machen die da damit? Dann kaufen sie CE 15 Flugzeuge oder sowas. Also das ist, ja, das ist ein bisschen übertrieben, aber auf jeden Fall, fällt mir schwer, diese Frage vernünftig zu beantworten, was das für mich ist. Deswegen stelle ich diese doofen Fragen ja letztlich auch, eben weil es für mich als Laie super, super schwer ist, das einzuordnen und auch festzustellen, was da davon ist sinnvoll. Und ich habe eben auch nicht das Gefühl, dass in der öffentlichen Debatte da ein sonderlich guter Vermittlungsjob gemacht wird. Also weder wenn Medien darüber berichten, die halt häufig immer auf diese Skandalschiene gehen, schau mal, da ist wieder was gebaut worden, was keiner braucht, noch von der Politik, die sich, glaube ich, auch gar nicht traut, das entsprechend zu kommunizieren.

42:00.21 Sebastian Dullien

Hm. Hm.

42:07.10 Stefan Sasse

Das sieht man ja in meinen Augen gerade bei diesem Ursula von der Leyen Beispiel. Ich Ich hätte irgendwie erwartet, dass die ein bisschen offensiver dahinterstehen und sagen, ja klar, haben wir versucht, diese ganzen Impfstoffe zu kaufen. Stellt euch mal vor, wir hätten das nicht gemacht. Aber irgendwie machen sich Leute das, glaube ich, gar nicht so wirklich begreiflich, habe ich das Gefühl.

42:28.03 Sebastian Dullien

Naja gut, ich meine bei Covid kommt ja jetzt dazu, dass es da diese Tendenz gibt, diese Impfstoffe an sich zu kritisieren. Also nach, ich bin jetzt auch kein Mediziner, aber meiner Lesart nach, auch der Literatur, ist es ziemlich eindeutig, dass diese Impfstoffe dazu beigetragen haben, dass es so glimpflich ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist. Aber man muss ja einfach anerkennen, dass es wirklich eine breite Bewegung gibt, die probieren, das irgendwie anders darzustellen. Und das ist, was du eben schon gesagt hast. There’s no glory in prevention. Wenn man vor etwas warnt und man trifft Vorsorge und dann wird es gar nicht so schlimm, dann wird einem hinterher vorgeworfen, ja, man hat vielleicht zu viel Geld in diese Vorsorge gesteckt. Wenn man dagegen ja nichts tut, vielleicht hinterher mit begrenzten Mitteln auch die Krise bekämpft. Es wird aber trotzdem relativ schlimm. Ich weiß nicht, ob man dann als Politiker, Politikerin am Ende noch schlechter dasteht oder nicht.

43:28.06 Stefan Sasse

Und wir haben das Problem, und das führt mich jetzt zu unserem nächsten Abschnitt sozusagen, das haben wir ja gar nicht nur in der Politik. Also als Politiker oder Politikerin habe ich natürlich das Thema, ich muss vor der Wählendenschaft gegebenenfalls verantworten, warum habe ich da in Resilienz investiert. Aber das gleiche Problem habe ich ja, wenn ich eine Entscheidungsgewalt innerhalb von einem Unternehmen habe. Also wenn ich zum Beispiel so ein Autohersteller bin, wenn ich Daimler bin oder Porsche und Lagerraum kostet Geld, man hat ja mit diesen Just-in-Time-Verfahren und so weiter, ist man ja auch relativ stolz darauf, sehr effiziente Logistiksysteme geschaffen zu haben, in denen Lagerhaltung weitgehend eliminiert wird.

43:50.76 Sebastian Dullien

Ja.

44:06.03 Stefan Sasse

Und dann ist es natürlich schwierig zu sagen, wir kaufen jetzt einfach mal so eine Ladung Halbleiter, weil vielleicht brauchen wir die ja bald. Also die haben ja quasi dasselbe Problem im Grün, vielleicht sogar noch härter, weil die Politik muss sich natürlich auch permanent gegenüber den Wählenden verantworten, aber die werden wenigstens nur alle x Jahre gewählt. Während so eine Hauptversammlung habe ich halt alle Vierteljahr als ein börsennotierter Konzern, wo dann solche Entscheidungen ja gegebenenfalls ziemlich gnadenlos auseinandergenommen werden. Also die Privatwirtschaft hat dieses Thema ja auch und für die ist es ja auch sehr, sehr schwierig, das Ganze abzuschätzen. Noch dazu, wenn das dann eben Branchen sind, die ohnehin von allen Seiten unter Beschuss stehen, wie das jetzt etwa die deutsche Automobilindustrie ist. Ist das da quasi dasselbe Problem oder kommen da andere Dimensionen noch mit rein?

44:54.75 Sebastian Dullien

Na, ich würde sagen, es ist tatsächlich, wie du richtig gesagt hast, noch ein größeres Problem. Also das kann ja kein Manager mit einem abstrakten Resilienz-Argument argumentieren, wenn er jahrelang höhere Kosten produziert als sein Konkurrent. Das geht einfach, glaube ich, nicht gut. Und das ist ja auch die Logik, warum eben diese Unternehmen die Resilienz nicht geschaffen haben. Und dazu kommt, dass wenn… Große Unternehmen, wenn die jetzt Probleme in den Lieferketten haben und deshalb die Produktion einstellen müssen, dann trifft es ja noch andere Teile der Wirtschaft und nicht alle Kosten bleiben bei ihnen hängen. Also wenn jetzt die großen Autobauer dann keine Autos produzieren konnten, weil die Halblätter fehlten, dann sind natürlich auch die Aufträge für die Zulieferer ausgeblieben und die sind unter Druck gekommen. Das braucht den großen Autobauer jetzt erstmal nicht zu kümmern, weil das ist ja Wertschöpfung, die woanders stattfindet. Oder andersrum, wenn jetzt ein Pharmakonzern Antibiotika nicht liefern kann, weil meinetwegen eine Fabrik in Indien abgebrannt ist oder weil China Exportkontrollen verhängt, das hat Konsequenzen für die ganze Gesellschaft. Da sterben möglicherweise Leute. Aber das Unternehmen selber was nicht liefern kann, das wird dafür, das sind ja keine Kosten, die bei dem aufschlägt. Also von daher, das kommt schon aus der kapitalistischen Logik, die wir in unserem Wirtschaftssystem haben. Und von daher bräuchte man wahrscheinlich auch, um dem zu umgehen, bräuchte man wahrscheinlich regulatorische Ansätze. Also der Staat müsste irgendwo eingreifen und Dinge vorschreiben oder Dinge verbieten.

46:35.21 Stefan Sasse

Ja, das ist wirklich ein Riesenthema. Mir fällt es einfach permanent mit der Automobilindustrie auf, weil die eben so diese große Jobtreiber sind und weil ich das Gefühl habe, die schützen sich letzten Endes sehr, sehr wenig verhältnismäßig daran.

46:45.55 Sebastian Dullien

Mhm.

46:51.34 Stefan Sasse

Sie brauchen viel Energie. Sie sind da abhängig, sie sind super abhängig von den Exportmärkten, von vielen Importprodukten und so weiter. Und da ist eine ziemlich geringe Resilienz da, dafür, dass es ein so entscheidender Sektor in der Volkswirtschaft ist. Und dieses Planungsproblem, manchmal sieht man ja die Probleme sogar, kann aber trotzdem nichts dagegen tun. Mir fällt jetzt auch wieder so ein Beispiel aus meiner eigenen Branche ein, weil du hast ja vorher auch schon mal die Schulen erwähnt. Es kommt ja immer wieder die Frage, warum haben wir diesen Lehrkräftemangel? Es ist doch eigentlich total absehbar, wann wir wie viele Schülerinnen und Schüler haben werden, wenn es nicht gerade so ein großer Flüchtlingsinflux kommt. Und es mag ja schon sein, aber wenn ich weiß, dass wir in, sagen wir mal, vier Jahren oder fünf Jahren wieder mehr Lehrkräfte brauchen. Wir können die ja nicht jetzt einfach mal auf Halde einstellen.

47:37.58 Sebastian Dullien

Ja.

47:38.39 Stefan Sasse

Also ich meine, ihr arbeitet an der Privatschule, das sowieso nicht, weil eine unternehmerische Logik greift. Aber auch der Staat kann das ja nicht tun. Also das können die ja auch nicht in irgendeiner Art und Weise verargumentieren. Und das wäre natürlich super, wenn ich die jetzt einstellen würde, damit ich die dann in drei oder vier Jahren auch alle habe. Aber das geht halt einfach nicht. Da läuft man quasi dann noch teilweise wirklich sehenden Auges in die jeweiligen Engpässe rein und man hat so ein bisschen dieses Prinzip Hoffnung, dass es dann schon passt und dass man da dann genügend Angebot haben wird, um diese Lücke aufzufangen.

48:14.83 Sebastian Dullien

Also ich finde, bei Schulen könnte man es ja tatsächlich noch machen, weil ehrlich gesagt, du könntest ja ein paar Lehrer mehr haben in bestimmten Phasen. Ja, es wird ja nicht, klar, es kostet Geld, aber man könnte sie ja wahrscheinlich auch noch vernünftig einsetzen, indem du kleinere Gruppen machst, irgendwelche Nachhilfeangebote oder sowas anbietest. Ich glaube aber, es gibt andere Bereiche, wo das noch viel schwieriger ist. Also denke jetzt nochmal an die, an die Covid-Pandemie. da hatten wir auch zu wenig Leute in den Gesundheitsämtern. Aber stell dir vor, ein Politiker würde sagen, eine Politikerin, wir stellen jetzt mal 50 Prozent mehr Leute, als wir brauchen, in den Gesundheitsämtern an. Und das ist dafür da, wenn mal eine Pandemie kommt. Also da, also erstens würde, da würden zu Recht Leute sagen, sag mal, ist das wirklich der richtige Ansatz hier? Und auf der anderen Seite sind das ja Menschen, die nicht woanders leben, also die dann jahrelang nicht richtig Wert schöpfen, weil sie keine richtige Aufgabe haben. Und da muss man das schon sehr genau abwägen. Und ich glaube, da muss man auch gucken, wie kann man kreative Lösungen finden, um jetzt damit umzugehen. Also Flexibilitäten auch im System, dass das eine vielleicht doppelt benutzt werden kann, dass man vielleicht Leute zumindest… gelegentlich so schult, dass sie meinetwegen auch wenn sie in der Einwohnermeldebehörde arbeiten, die Systeme des Gesundheitsamtes noch, noch, noch verstehen oder sowas. Hm.

49:50.32 Stefan Sasse

Ja, das macht Sinn. Ich meine, teilweise war auch da ja wieder die Bundeswehr so ein Redundanzsystem. Wenn die dann zum Beispiel während der Covid-Pandemie die Soldaten da in die Telefonzentralen gesetzt haben oder bei jeder Überschwemmung lässt man die Sandsäcke schaufeln oder sowas, die sind ja quasi so ein bisschen mit so eine eingebaute Redundanz im System gewesen.

50:10.94 Sebastian Dullien

Ja.

50:12.03 Stefan Sasse

Ich hätte jetzt quasi in Richtung Abschluss, würde ich als Ausblick gerne darauf noch eingehen, wo haben wir in Zukunft quasi die größten Bedrohungen für unsere Resilienz? Was sind das so die Einschätzungen? Weil ich meine, unsere aktuellen Gefahren kennen wir, ja, mit Russland, Ukraine und Co. Da haben wir quasi möglicherweise eine militärische Eskalation in Polen oder im Baltikum oder sowas. Und ich meine, die Klimakatastrophe ist auch so eine relativ klar sichtbare Sache. Aber vielleicht können wir auch auf einem etwas kleineren Level bleiben, gerade für die Privatwirtschaft, für die Märkte. Wogegen muss man sich aktuell Redundanzen schaffen? Wo muss man diversifizieren? Du hast die Antibiotika zum Beispiel genannt. Was gibt es da noch für Situationen? Und vielleicht auch, auf welche Länder muss man da gucken, die ihren Markt abschotten oder so weiß ich. Ich denke jetzt an USA und deren neue Wirtschaftspolitik. Ich denke an China, wie die quasi sich da aufstellen oder dass wir dann eben bei denen plötzlich keine Solarpanele mehr bekommen, solche Dinge.

51:09.51 Sebastian Dullien

Also ich glaube, der erste Schritt, den man bräuchte, wäre, sich mal klarzumachen, das haben viele nicht, wo eigentlich die Verwundbarkeiten in den eigenen Produktionsketten oder Lieferketten sind. Weil dass man wirklich mal guckt, das abzubilden und auch, dass man keine kritischen Elemente mehr nur von einem Lieferanten, einer Lieferantin bezieht, sondern dass man da eine Diversifizierung hat. Da muss man natürlich gucken, dass auch die Lieferanten ausreichend diversifiziert sind. Also meinetwegen, wenn ich jetzt ein bestimmtes Bauteil von zwei Lieferanten kaufen kann, aber die kaufen beide die Rohstoffe von einem Vorlieferanten in China, dann habe ich auch nicht so richtig viel gewonnen. Da müsste, da muss einfach mal ein Bewusstsein da sein, da müsste man vielleicht auch Stresstests machen, dass man wiederum mit ein paar Szenarien arbeitet, dass eine Weltregion ausfällt, was würde dann passieren, kann ich dann noch weiter produzieren und das heißt, die Unternehmen sollten sich wahrscheinlich auf ihre eigenen Lieferketten fokussieren und gucken, wie sie da Resilienzen reinbekommen.

52:23.07 Stefan Sasse

Ja, und das heißt ja auch letzten Endes, ich muss quasi bei dieser Analyse, wo sind meine kritischen Stellen, gucke ich ja eigentlich hauptsächlich, welche von denen lassen sich quasi gar nicht eliminieren. Ja, bei einem paar habe ich vielleicht unterschiedliche Anbieter. Das war jetzt beim Gas zum Beispiel so.

52:38.84 Sebastian Dullien

Mhm.

52:39.23 Stefan Sasse

Das war ja nicht so, als ob Russland der einzige gewesen wäre, der das verkauft hat. Die waren ja quasi nur die in Anführungszeichen billigsten. Da konnte man dann mit entsprechenden Opportunitätskosten umsatteln. Aber es gibt ja vermutlich auch Sachen, da gibt es halt einfach nur einen Anbieter, weil wir total seltene Rohstoffe brauchen oder weil das Know-how nur an einer Stelle ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist ja Taiwan zum Beispiel bei manchen Chips im Endeffekt so ein bisschen ein Monopolist oder solche Dinge. Und dann müsste ich doch eigentlich quasi hergehen, diese Stellen identifizieren und dafür dann eben, wenn es sich nicht diversifizieren lässt, müsste ich ja dann hier quasi tatsächlich Lagerbestände bilden für schlechte Zeiten sozusagen.

53:18.21 Sebastian Dullien

Genau, das ist ja eine andere Art der Vorsorge dann, aber dafür muss man auch verstehen, wo diese Probleme sind. Übrigens tun das ja einige Unternehmen auch für die seltenen Erden, die zwar nicht so selten sind, aber vor allem in China hergestellt werden. Und weil China ja jetzt auch da Exportkontrollen eingeführt hat, da gibt es zwar einige Unternehmen, die haben tatsächlich Lagerbestände, meinetwegen für zwei Jahre Produktion aufgebaut. Das muss man dann machen an der Stelle. Wie gesagt, es kostet halt Geld. Du musst erstens vorschießen, dass du die Sachen lagerst. Du hast dann Lagerkosten. Aber ich glaube, das wäre schon wichtig und sinnvoll.

53:57.57 Stefan Sasse

Siehst du diese Bestrebungen gerade, dass da mittlerweile in der Wirtschaft mehr Wert darauf gelegt wird oder würdest du sagen, oh, da sind die Lektionen noch nicht gelernt?

54:07.36 Sebastian Dullien

Also ich glaube, es wird mehr Wert draufgelegt. Ich bin mir nicht sicher, ob genug Wert draufgelegt wird. Aber also wenn da gar kein Wert drauf gelegt würde, dann würden wir auch nicht die Bestrebung sehen, jetzt bei bestimmten Dingen Lagerbestände aufzubauen. Aber ich glaube, dass doch viele in der Wirtschaft noch nicht vollständig internalisiert haben oder begriffen haben oder es in ihrer Handlung widerspiegeln, dass wir tatsächlich eine geopolitische Zeitenwende gesehen haben, geopolitisch und geoökonomisch. Und dass das, was wir gedacht haben in den frühen 2000ern, dass man einfach alles irgendwie irgendwo schnell auch kaufen kann, wenn man nur bereit ist, ein bisschen mehr zu bezahlen, dass das so möglicherweise nicht mehr funktioniert. Hm.

54:51.27 Stefan Sasse

Damit haben wir quasi den Bogen ganz zum Anfang geschlagen. Das ist das, was ich da meinte mit diesem Mindset sozusagen, was immer noch teilweise gepflegt wird und was möglicherweise den Realitäten nicht mehr entspricht. Da wäre dann meine Abschlussfrage da dazu, was tut man da? Also wenn quasi diese Leute nicht in der Lage sind, bisher das zu sehen oder das nicht sehen wollen oder noch in ihren alten Denkmustern gefangen sind, Kann man die überhaupt irgendwie dahin bringen oder muss man einfach hoffen, dass die das Licht sehen, bevor die Katastrophe passiert? Also gibt es da Möglichkeiten jetzt von euch als Think Tank im Endeffekt oder von staatlicher Seite aus, da irgendwie drauf einzuwirken? Also was könnte man machen?

55:30.69 Sebastian Dullien

Also man könnte natürlich hingehen und sagen, ab einer bestimmten Umsatzgröße müssen Unternehmen Stresstests machen. Und wenn sie es nicht machen, dann kriegen sie irgendwelche Leistungen im Kriegenskrisenfall auch nicht oder kann ihnen auch Strafen überbürden. Und möglicherweise muss man das tatsächlich ab irgendeinem Punkt auch stärker tun.

55:50.51 Stefan Sasse

Was ist ein Stresstest? Was muss ich mir darunter vorstellen? Wie funktioniert das?

55:54.26 Sebastian Dullien

Da würde man hingehen, das machen ja Banken auch, da werden bestimmte Szenarien aufgebaut oder Szenarien sich ausgedacht und dann wird geguckt, was würde das für meine Geschäftstätigkeit bedeuten. Banken machen das, die gucken dann, was würde es meinetwegen bedeuten, wenn die Immobilienpreise in der Region, wo ich meine Kredite hinvergebe, um 20 Prozent fallen, wie viel der Häuslebauer fallen dann aus, können ihren Kredit nicht mehr bezahlen, werden ihnen den Kredit nicht mehr bezahlen und was bedeutet das für meine Bilanz? Und sowas könnte man auch für andere Unternehmen machen, da könnte man gucken, was bedeutet das, wenn der Suezkanal jetzt mal total blockiert wäre oder was würde passieren, wenn China keine Teile mehr liefern würde, kann ich das denn überhaupt verkraften?

56:44.58 Stefan Sasse

Das verstehe ich richtig. Das wäre quasi auch eine Handlungsempfehlung von dir, dass die Politik dann quasi diese Stresstests verbindlich vorschreibt. Oder ist das mehr so ein, das geht?

56:53.06 Sebastian Dullien

Ne, also es wäre schon eine Handlungsempfehlung. Man müsste gucken, das ist wahrscheinlich nicht für alle Unternehmen angemessen, aber zumindest für die großen Unternehmen könnte man sagen, ja, die sind jetzt volkswirtschaftlich so bedeutsam, dass wir denen das vorschreiben.

57:09.69 Stefan Sasse

Dann wäre ich mit meinen Fragen am Ende. Ich danke dir ganz, ganz herzlich für das Gespräch. Es war sehr lehrreich. Ich hoffe für alle Zuhörenden ebenfalls. Und ich werde mir noch die eine oder andere Dose Kidney-Bohnen in den Keller stellen. Vielen Dank dafür und noch einen schönen Tag.

57:23.75 Sebastian Dullien

Ja, danke dir noch einmal für die Einladung. Hat viel Spaß gemacht. Tschüss.

{ 1 comment… add one }
  • Thorsten Haupts 23. September 2025, 11:20

    Als kleine Ergänzung:

    Alle US-amerikanischen (überwiegend beruflichen) Bekannten und alle mit mir bekannten langjährigen deutschen US-Expats berichten übereinstimmend, dass es in den USA völlig normal ist, sich für zwei Wochen selbst versorgen zu können, bei Hausbesitzern mit Notstromgenerator inklusive. Weil man das selbst in Städten häufig genug braucht.

    Wäre das ein Vorbild für andere entwickelte Staaten? Nicht unbedingt. In den USA hat sozusagen Privatresilienz ersetzt, was an Staats- oder Infrastrukturresilienz fehlt. Mir persönlich ist es lieber, meine Regierung investiert in Infrastruktur, Vorsorge und Katastrophenschutz, als dass ich das selbst tun müsste. Yup, dafür zahle ich gerne Steuern.

    Bonmot am Rande: Ein Ingenieur erzählte mir vor einigen Jahren, er rechne mit dem grossflächigen Totalzusammenbruch der Infrastruktur und habe sich deshalb (!) eine Streuobstwiese zugelegt. War total verblüfft, als ich ihn fragte, ob er sich auch Maschinengewehr, Munition, Minen und Stacheldraht angeschafft habe, obwohl die Logik dahinter für den von ihm angenommenen Fall unabweisbar ist 🙂 .

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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