Netanyahu wirft in Regenbogenflaggen gehüllte Ausgaben des Völkerrechts über dem Iran ab und verbietet mit der EU Autos – Vermischtes 01.07.2025

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) „Wer will denn wen jetzt verurteilen und wofür?“

In Bad Freienwalde wurde ein queeres Stadtfest des Bündnisses „Bad Freienwalde ist bunt“ von einer mutmaßlich rechtsextremen Gruppe überfallen. Rund 10 bis 15 vermummte Angreifer traten gewaltsam auf, einige mit Knüppeln und Quarzhandschuhen bewaffnet. Vier Menschen wurden leicht verletzt. Der Angriff wurde durch das Eingreifen von Ordnern rasch beendet. Der Staatsschutz ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, eine Verbindung zur rechtsextremen Partei „Der Dritte Weg“ wird geprüft. In der lokalen Politik wird das Geschehen jedoch relativiert. Während SPD und Bündnisvertreter von einem gezielten Angriff sprechen, nennt CDU-Bürgermeister Ralf Lehmann den Vorfall lediglich eine „Störung“. Die AfD stellt die Glaubwürdigkeit der Darstellung infrage und spricht von einer möglichen „Inszenierung“. Einige Bürger äußern ebenfalls Zweifel am Hergang. Beobachter sehen darin eine bewusste Verschiebung der Deutungsebene. In Ostdeutschland wird die Pride-Bewegung zunehmend zur Gegenbewegung gegen den Rechtsruck. Queere Menschen berichten von wachsender Angst, doch auch von einer starken Bindung an ihre Region. Mitglieder des Bündnisses betonen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen wollen. Die Auseinandersetzung in Bad Freienwalde verdeutlicht nicht nur eine Eskalation rechter Gewalt, sondern auch ein politisches Ringen um öffentliche Wahrnehmung und Solidarität. (Valerie Schönian, ZEIT)

Das Vorgehen hier ist auch ein typisches, das sich unabhängig von politischer Gesäßgeografie findet. Genauso, wie Linke sehr gut darin sind, den Schwarzen Block bei Maikrawallen zu ignorieren oder Begründungen für Gewalttaten der Antifa zu finden und diese zu relativieren – oder Hausbesetzende als das eigentliche Opfer darzustellen, wenn sie Polizei attackieren -, genauso haben wir hier seitens der Rechten eine Relativierung von Gewalt gegenüber von ihr ungeliebten Gruppen. Dass das alles nichts Neues ist, macht es übrigens nicht besser. Schönian hat auch absolut Recht damit, dass es darum geht, dass um ein Ringen um die Deutungshoheit geht. Erklärt man das zu einer möglicherweise auch noch provozierten „Störung“, ist der eigene Gegner schuld. Da muss man dann gar nicht auf der Seite der Täter*innen stehen, man kommt bei den gemeinsamen Gegnern rum.

2) Orban’s Hungary is now officially the poorest nation in the EU

Laut aktuellen Daten von Eurostat ist Ungarn nun offiziell das ärmste Land der EU, gemessen am realen Konsum der Haushalte (Actual Individual Consumption). Mit nur 72 % des EU-Durchschnitts liegt das Land deutlich hinter anderen Mitgliedstaaten – auch hinter Polen, das auf 85 % kommt. Obwohl das ungarische BIP 77 % des EU-Durchschnitts erreicht, kommt dieses Wachstum nicht bei den Bürgern an. Die Diskrepanz zwischen makroökonomischer Leistung und Lebensstandard ist Ausdruck tiefgreifender struktureller Probleme. Die Ursachen werden vor allem in der Politik Viktor Orbáns gesehen: Staatsbetriebe seien systematisch ausgehöhlt, Subventionen bevorzugt an politische Verbündete verteilt und EU-Gelder zweckentfremdet worden. Gleichzeitig kämpfen viele Ungarn mit hoher Inflation, niedrigen Reallöhnen und einer schwindenden Mittelschicht. Besonders junge Menschen kehren dem Land zunehmend den Rücken. Ein aktuelles Meinungsbild zeigt, dass die Oppositionspartei Tisza unter Péter Magyar inzwischen deutlich vor Orbáns Partei Fidesz liegt – mit 51 % zu 36 % unter den entschiedenen Wählern. Unter 40-Jährige unterstützen Tisza sogar mit 58 %. Das deutet auf einen politischen Umbruch hin, der über Ungarn hinausreichen könnte: Ein Machtwechsel in Budapest würde auch den Einfluss Moskaus in EU und NATO schwächen. (Kyiv Insider)

Ein korruptes, autokratisches Regime bedient sich selbst und veruntreut Steuergelder und Subventionen? Schocker. Ich frage mich, wie viel der aktuelle Schwung in dem Umfragen gegen Fidesz auch auf diesen ökonomischen Realitäten beruht. Wenn es Orban nicht mehr schafft, seine eigene Klientel zu versorgen (was ihm ja früher durchaus gelungen ist), wenden sich die Leute ab. Wir hatten das Thema letzthin bei der Resilienz von Demokratien: Bei solchen Themen sind die Autokratien tatsächlich sensibler gegenüber der Haltung und Meinung der Bevölkerung, weil sie viel weniger in der Lage sind, produktiv darauf zu reagieren.

3) The United States Bombed Iran. What Comes Next?

Der Artikel beschreibt, dass Donald Trump entgegen früherer Versprechen nun doch militärisch im Nahen Osten interveniert hat – mit einem Angriff auf iranische Nuklearanlagen. Trotz des offiziellen Statements, die iranischen Atomanlagen seien „vollständig zerstört“, bestehen Zweifel an der tatsächlichen Wirkung. Gleichzeitig wurde Iran über diplomatische Kanäle signalisiert, dass keine weiteren Angriffe folgen sollen. Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich auch in Trumps Botschaften selbst. Drei mögliche Szenarien werden skizziert: optimistisch, pessimistisch und gemischt. Im besten Fall könnte der Angriff Irans Atomprogramm massiv zurückwerfen, die politische Instabilität im Land erhöhen und einen Regimewechsel begünstigen. Im schlimmsten Fall könnten jedoch nicht alle Anlagen zerstört worden sein, was Iran zu einem beschleunigten Atomwaffenbau treiben und zu militärischen Gegenangriffen führen könnte. Ein mittleres Szenario hält eine zeitliche Verzögerung des Programms für wahrscheinlich, ohne dass das Regime stürzt oder die Bedrohung verschwindet. Unvorhersehbare Reaktionen Irans, diplomatische Rückschläge und die mangelnde Kompetenz in Trumps Sicherheitsteam werden als Risiken genannt. Die Aktionen erscheinen damit weniger als strategisch geplante Maßnahmen, sondern als riskantes politisches Kalkül mit hohem Eskalationspotenzial. (Tom Nichols, The Altantic)

Ich finde es super wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir schlicht nicht wissen, was passieren wird – und es nicht wissen können. Auch Trump und Netanyahu, Merz und die Ayatollahs wissen das nicht und können es nicht wissen. Das ist gerade die Kernrealität von Krieg: er ist unsicherer, unklarer als jede andere Art der Konfliktaustragung, aber auch endgültiger. Rüstungskontrollabkommen, mit denen etwa Obama die Sache angehen wollte, sind liberaler, töten weniger Menschen, sind berechenbarer, sind aber auch leichter zu umgehen und zu revidieren. Ob Trump und Netanyahu hier ihre Ziele erreicht haben oder nicht wird sich erst in Monaten, wenn nicht Jahren sehen lassen. Wir haben ja nach über drei Jahren immer noch keine Antwort darauf, wie erfolgreich Putins Angriff auf die Ukraine war. Zum Weiterlesen für Interessierte: Adam Tooze kommentiert die neue technologische Radikalität des Konflikts.

4) Dann hat der Souverän eben leider Pech gehabt

Der Artikel thematisiert das wachsende Gefühl politischer Ohnmacht in Deutschland und Europa. Dieses entstehe, so die Darstellung, wenn demokratisch mehrheitsfähige Positionen – etwa zur Zurückweisung von Migranten an der Grenze oder zum Erhalt des Verbrennungsmotors – durch Gerichte oder supranationale Institutionen blockiert würden. Dies untergrabe das Vertrauen in die Demokratie, da politische Willensbildung nicht mehr zu konkreten politischen Ergebnissen führe. Als zentrales Problem wird die Machtverlagerung auf die EU benannt. Nationale Parlamente und Regierungen hätten oft keine Möglichkeit mehr, einmal übertragene Kompetenzen zurückzugewinnen. Beispielhaft werden hier das faktische Verbot des Verbrennungsmotors, die Datenschutzgrundverordnung und das alleinige Initiativrecht der EU-Kommission genannt. Auch die Rechtsprechung internationaler Gerichte, etwa im Fall des britischen Wahlrechts für Gefangene, wird als Einschränkung demokratischer Selbstbestimmung gedeutet. Zugleich wird kritisiert, dass Gerichte zunehmend politische Fragen beantworten würden. In der Folge würden Grundrechte durch eine kleine, lautstarke Minderheit gegen den Mehrheitswillen durchgesetzt. Dies führe zu einer Entfremdung zwischen Volk und politischem System. Um diesen Prozess aufzuhalten, müsse die „Selbstwirksamkeit des Souveräns“ gestärkt werden. (Kristina Schröder, Welt)

Ich kritisiere genau das schon öfter. Es ist wenig überraschend, dass Schröder das auf ihre eigenen Themen anwendet, aber das liegt in der Natur der Sache. Der Rechtsstaat ist immer heilig, wenn er schützt, was einem wichtig ist, und pacta müssen immer servanda sein, wenn sie den eigenen Ansichten entsprechen. Beides steht immer gerne zur Disposition, wenn es die eigenen Vorstellungen blockiert, wobei dann gerne ein argumentum ad populum verwendet wird; die Mehrheit, Sie verstehen. Aber Schröder hat eben einen Punkt: es IST ein Problem, wenn die Politik ständig mit den Schultern zuckt, weil sie bestimmte Probleme eben aus rechtlichen Gründen nicht lösen kann. Was sie dabei geflissentlich ignoriert ist, dass es gerade Konservative und Liberale waren, die die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, weil sich dadurch (unerwünschte) Staatstätigkeit einschränken lässt. Nur ist das Problem eben, dass das Recht parteipolitisch farbenblind ist. Die EU kann genauso Schuldenbremsen einführen wie sie Rechte von Flüchtlingen schützen kann. Eventuell sollte man sich das einfach vorher überlegen, bevor man den Souverän in einer Situation entmachtet, in der es den eigenen Vorstellungen genügt. Das sei als Warnung auch denen ins Stammbuch geschrieben, die Klimaschutz über das BVerfG durchzusetzen hoffen.

5) Berlin darf autofrei werden

Das Berliner Verfassungsgericht hat das Volksbegehren „Berlin autofrei“ als zulässig erklärt. Mit acht zu einer Stimme entschieden die Richter*innen, dass der Gesetzentwurf zur Reduzierung des Autoverkehrs im Innenstadtbereich juristisch nicht zu beanstanden sei. Die Initiative sieht vor, Privatpersonen nur noch zwölf Fahrten pro Jahr im S-Bahn-Ring zu gestatten – mit Ausnahmen für etwa Wirtschaftsverkehr oder Taxis. Das Gericht wies die Einwände des Senats zurück: Weder Eigentums- noch Handlungsfreiheit würden verletzt, da kein Grundrecht auf „hemmungsloses Autofahren“ existiere. Auch die Gesetzgebungskompetenz Berlins wurde bestätigt, da es sich um das Straßenrecht des Landes handle. Die Einschränkungen seien laut Gericht „zumutbar“, da sie dem Schutz von Leben, Gesundheit und Klima dienten – allesamt verfassungsrechtlich hochrangige Ziele. Politisch stößt das Vorhaben auf Skepsis. SPD, CDU, Grüne und Linke zweifeln an der Umsetzbarkeit, warnen vor Polarisierung und fordern eine Verkehrswende mit breiter Akzeptanz. Die Initiative rechnet damit, dass das Abgeordnetenhaus den Entwurf ablehnt, und bereitet sich auf eine zweite Unterschriftensammlung vor. Das Urteil wird als bedeutender Schritt hin zu einer menschenfreundlicheren Stadtplanung gewertet.  (Marie Frank, taz)

Ich stimme den Kritiker*innen komplett zu; dieses Volksbegehren ist, milde ausgedrückt, unrealistischer Quatsch, und die Grünen sollten es nicht einmal mit der Beißzange anfassen (nicht, dass das viel helfen wird, fürchte ich). Die Aktivist*innen erweisen ihrer Sache hier wenigstens kurzfristig einen Bärendienst. Allerdings ist das Verfahren sehr wertvoll, weil es einerseits die ideologische Autozentriertheit der CDU und SPD offenlegt und andererseits einen wichtigen rechtlichen Präzedenzfall schafft. Die ständige Leier, wie sie ja auch hier im Blog gerne gefahren wird, dass Ideen zu weniger Autos irgendwie vage verfassungsfeindlich seien, könnte dadurch wenn nicht beseitigt, so doch wenigstens wesentlich leichter gekontert werden.

Resterampe

a) Perverse Politik. (Bluesky) Das Asylrecht existiert schlicht nicht mehr.

b) Wo wir gerade bei pervers sind… (The Guardian)

c) Und hier! (Kansas Reflector)

d) Die AfD arbeitet weiter an ihrem Projekt, die deutsche Geschichte national neu zu interpretieren. (History Workshop) Ich glaube, die stößt da auch in tiefe Lücken, weil diese Geschichte kaum einer kennt. Ankerheuristik und so.

e) Trump hat seit seinem Amtsantritt 2,9 Milliarden Dollar in Krypto gemacht. (CBS) Jimmy Carter musste seine Farm aufgeben. Hunter Biden war Stefans Grund, warum Harris unwählbar war. Clintons Sprechgagen waren ein Riesenskandal. Das interessiert keine Sau. Korruption in einem Ausmaß, das jeder Beschreibung spottet.

f) Endlich mal wieder ein Artikel zum richtigen Umgang mit der AfD 😀 (Spiegel)

g) Kritik konservativer Politikperformance. (taz)

h) Sehr wahr zu Tucker Carlson. (Twitter)

i) Zu spät für das letzte Vermischte ist dieser großartige Kommentar zur Debatte um die Legalität und Legitimität von Israels Krieg gegen den Iran. (ZEIT)

j) How My Reporting on the Columbia Protests Led to My Deportation (New York Magazine). Und bei Poschardts sind immer noch radikale Studierendengruppen auf einigen Campussen das Problem für Meinungs- und Pressefreiheit.

k) An einem ordentlichen Spahn-Bashing ist echt schwer vorbeizugehen. (Twitter)

l) So von wegen man muss mit allen Seiten reden und so. (Twitter)

m) Es ist echt zum Mäusemelken, dass sich dieses Narrativ in den Medien ständig hält; ist in Deutschland ja ähnlich. (Bluesky)

n) Rechtsextreme Provokationen von Schülern in Auschwitz – fast schon normal? (News4Teachers) Boah, nervt mich diese Debatte. Nein, nicht fast schon normal. Ich würde mal vermuten, dass wenn man mit rechtsextremen Schüler*innen hingeht, die rechtsextreme Dinge tun, und wenn nicht, nicht.

o) Wer hat Angst vor Peter Thiel?(Welt) „In Deutschland herrscht Atemnot, wenn ein Libertärer sagt, dass Demokratie und Freiheit nicht vereinbar sind. Die geistige Gemütlichkeit „unserer Demokratie“ regt eben nicht gerade zum Nachdenken an.“ Anna Schneider ist echt so verstrahlt. Mal davon abgesehen, dass ich nicht wissen will, wie fröhlich sie nachdenken würde, wenn ein Grüner gesagt hätte, dass Demokratie und Freiheit nicht vereinbar seien.

p) Republicans, not Democrats, have a messaging problem. (Washington Monthly) Here’s to hoping.

q) Die Anthropologie des Eigennutzes. (Politische Ökonomie)

r) Olaf Scholz: Kritik an üppiger Ausstattung für Kanzlerbüro (Spiegel). Jedes Mal die gleiche Scheiß Debatte.

s) Warum die Methode Reichinnek funktioniert – und die Methode Nietzard nicht (Spiegel).

t) Kritik an der Rezeption der letzten LLM-Studie (Free Press). Siehe auch hier. 

u) Leider zutreffend. (Twitter)

v) Artikel zum Haushalt 2025 (Economist).

w) Jens Spahn sollte sich nach Maskenaffäre aus der Politik zurückziehen (Spiegel). So ein Quatsch, der ist doch nicht bei SPD oder Grünen!

x) Da les ich die Überschrift und den ersten Satz vom Teaser und denke nur so „oh mein Gott, ja“ und dann kommt ein „und die Grünen sind Schuld“, was angesichts der Langlebigkeit dieser Debatte reichlich albern ist. (Welt) Siehe zum eigentlichen Thema auch den Spiegel: Iran-Krieg und Völkerrecht: Legal, illegal, scheißegal?

y) Schaut mal bei den beiden direkt hintereinander veröffentlichten Artikeln in der Welt, wessen Meinungsfreiheit wichtig ist: Die Meinungsfreiheit gilt für alle und Der Schulfrieden ist wichtiger als das Recht der Lehrerin auf ein Kopftuch. Merkt jemand den feinen Unterschied?

z) Guter Artikel im Spiegel zur kognitiven Dissonanz im Umgang mit Trump und Netanyahu. (Spiegel)


Fertiggestellt am 27.06.2025

{ 100 comments… add one }
  • Regina 1. Juli 2025, 09:38

    1. Der „Schwarze Block“ zündet SUVs an, keine Menschen. Pack deinen Hufeisen-Unfug wieder ein. Ich dachte, wir wären weiter.

    t. Das größte AI-Hype-Tool Tyler Cowen zu zitieren zum Bewerten einer AI-Studie ist fahrlässig. Ich hab ihn jahrelang gelesen – hier steht ein bisschen etwas zu seinem Absturz: https://garymarcus.substack.com/p/openais-o3-and-tyler-cowens-misguided

    y. Ein Kopftuch ist ein Meinungsbeitrag?

    • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 12:25

      Der „Schwarze Block“ zündet SUVs an, keine Menschen.

      Ach, Polizisten fielen für den Schwarzen Block also unter „SUV“? Danke für die Aufklärung.

  • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 10:09

    Zu l)

    Ich rede ja erst einmal mit jedem/r, es sei denn, der/die ruft zu erheblichen Straftaten auf oder heisst diese gut.

    Aber was Bolz hier macht, spiegelt ja nur die beständige Forderung aus dem Dunstkreis der Bangels, man dürfe/solle mit (beliebiges einsetzen) nicht reden, sonst legitimiere man deren (unterstellte) Anliegen. Bewusstes Trolling ist meine Vermutung – und bei dem, was er da spiegelt, schliesse ich mich ihm an: Wokies sind ebenso gefährlich, kleingeistig, dumm und autoritär wie grosse Teile der neuen Rechten. Ist ja nicht so, als wären diese Leute für ihre Toleranz berühmt …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 1. Juli 2025, 19:52

      Ebenso kleingeistig und dumm: yes. Ebenso gefährlich? Nope.

      • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 22:32

        Nur weil sie zahlenmässig gerade ins Hintertreffen geraten, sind sie aktuell nicht so gefährlich wie Rechtsradikale. Aber auch wirklich nur deshalb.

        • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 10:02

          Die waren ja zahlenmäßig noch nie so groß. Das einzige Mal, als die in der BRD-Geschichte gefährlicher waren, war die RAF. Aber es gab nie eine breite linksextreme Verankerung, wie das gerade in Ostdeutschland der Fall ist. Das ist überhaupt kein Vergleich. Und ja, weil sie so wenige und so unattraktiv sind! Wenn der Schwarze Block Millionen Sympathisant*innen hätte, würden die auch Landstriche terrorisieren. Haben sie aber nicht, deswegen ist die Diskussion müßig.

          • Ralf 2. Juli 2025, 11:36

            Die RAF waren etwa 25 Leute. Wann waren die denn bitte systemgefährdend?

            • Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 12:27

              Einige hundert direkt Beteiligte, einige tausend aktive Helfer, mehr als zehntausend Sympathisanten bis tief in die akademischen Führungskreise ist die korrekte Angabe.

            • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:24

              Die haben nicht das System gefährdet, aber sie waren sehr gefährlich im Sinne von Leben gefährdend. Das System stürzt auch nicht, wenn Nazis Deutschtürken ermorden.

              • Ralf 2. Juli 2025, 17:18

                Das System stürzt auch nicht, wenn Nazis Deutschtürken ermorden.

                Richtig.

                Das System stürzt aber, wenn Nazis ihr Wahlergebnis von 20% auf 50% erhöhen – und wie wir aus der Geschichte wissen, reicht gegebenenfalls auch wesentlich weniger als 50%.

                Letzteres ist sehr realistisch in unserer heutigen Situation. Deshalb ist die Gefahr von rechts real.

                Die Gefahr von links hingegen war nie real. Heute nicht. Und auch 1970 nicht. KPD, DKP und MLDP waren immer ziemlich bedeutungslos und meilenweit von Mehrheiten und auch meilenweit von willigen Koalitionspartnern entfernt.

          • Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 12:31

            Rechtsradikae ungleich gewaltbereite Rechtsextremisten?
            Wokies ungleich gewaltbereite Linksextreme?

            Ausgangspunkt der Debatte war die Frage, ob man berechtigterweise mit (nicht gewaltbereit) linksradikal reden darf, mit (nicht gewaltbereit) rechtsradikal aber nicht. Nur dazu habe ich Stellung genommen.

            Die Gefahr der Links- wie Rechtsradikalen ist dieselbe – ein autoritäres Rechts- und Staatsverständnis ausschliesslich zugunsten der eigenen Interessen.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:25

              Dann ist mir der Ausgangspunkt raus. Du „darfst“ immer mit allen reden. Wenn du willst auch mit gewaltbereiten Leuten.

            • Erwin Gabriel 2. Juli 2025, 19:47

              @ Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 12:31

              Die Gefahr der Links- wie Rechtsradikalen ist dieselbe – ein autoritäres Rechts- und Staatsverständnis ausschliesslich zugunsten der eigenen Interessen.

              Genau das!

              • Stefan Sasse 3. Juli 2025, 09:58

                Ich meine…sind sie nicht deswegen Radikale?

                • Erwin Gabriel 7. Juli 2025, 01:35

                  @ Stefan Sasse 3. Juli 2025, 09:58

                  Ich meine…sind sie nicht deswegen Radikale?

                  Ich zitiere mal Thorsten Haupts:
                  Ausgangspunkt der Debatte war die Frage, ob man berechtigterweise mit (nicht gewaltbereit) linksradikal reden darf, mit (nicht gewaltbereit) rechtsradikal aber nicht.

                  • Stefan Sasse 7. Juli 2025, 08:23

                    Ich bin immer etwas unsicher, worauf dieses „reden“ abzielt. Über was genau reden wir? Klar darfst du mit denen reden, wer sollte es dir verbieten? Nur, was ist deine Absicht? Was soll dabei rauskommen?

        • CitizenK 3. Juli 2025, 10:10

          Sie waren es nie und werden es nie sein. Linksradikale waren in der Bevölkerungsmehrheit immer verhasst (Ältere erinnern sich vielleicht noch an Börners „Dachlatte“), während Rechtsradikale eher als nur unappetitlich galten und immer wieder in Landesparlamenten auftauchten.

          Aktuell sind mir keine Linksradikalen bekannt, die Waffenlager anlegen, Verbindungen in Sicherheitsorgane und den Bundestag haben oder die Entführung von Ministern geplant haben.

          Warum ihr die Gefährlichkeit an der Gesinnung festmacht und nicht am realen Potential, erschließt sich mir nicht.

  • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 10:11

    Zu 1)
    Genauso, wie Linke sehr gut darin sind, den Schwarzen Block bei Maikrawallen zu ignorieren oder Begründungen für Gewalttaten der Antifa zu finden und diese zu relativieren – oder Hausbesetzende als das eigentliche Opfer darzustellen, wenn sie Polizei attackieren …

    Damit lebe ich jetzt seit 45 Jahren in den sogenannten deutschen Qualitätsmedien. Galt (gilt?) dort als Ausweis kritischen Denkens, also hält sich mein Mitleid in engen Grenzen, wenn es nun von der anderen Seite kommt. An Linke und Linksliberale: Leute, Ihr wolltet das so!

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 10:26

    Zu 4) Ich finde es super wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir schlicht nicht wissen, was passieren wird – und es nicht wissen können.

    Stimmt. Wir WISSEN dagegen, was nicht funktioniert: Beschwichtigen und verhandeln. Beides hat über Jahrzehnte dazu geführt, dass der Iran Stellvertreter-Armeen in Nachbarländern ausbildete, bewaffnete, koordinierte und immer wieder für kurze Kriege und bewaffnete Anschläge benutzte.

    Dieser Spuk ist (erst einmal) beendet, seitdem Israel die westlichen Bedenkenträger beiseitewischte und ernsthaft zuschlug.

    Wenn ich also sicher weiss, was NICHT funktioniert, ist es mehr als rational, das auszuprobieren, bei dem man wenigstens noch nicht weiss, ob es funktioniert. Dass Europa lieber weiter bei der vorherigen Methode geblieben wäre, spricht nicht für die Intelligenz der europäischen Staatsführungen.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Ariane 1. Juli 2025, 16:13

      Hier würde ich allerdings sagen, dass das für militärische Aktionen genauso oder eventuell sogar im besonderen Sinne gilt.
      Die Erfolgsbilanz ist ja äußerst mäßig und ich sehe auch wenig Anzeichen dafür, dass der Iran in naher Zukunft nun ein vorbildliches Mitglied der Weltgemeinschaft wird.
      Die Idee, mit militärischen Aktionen schnelle und einfache Lösungen herbeizuführen, halte ich für genauso naiv, wie die Idee, dass man alle Probleme der Welt mit Diplomatie lösen kann. Dafür hat man einfach zuwenig Kontrolle darüber, was andere tun.

      • Sören Schmitz 1. Juli 2025, 17:24

        Kurzfristig hat der israelische Angriff erstmal Israel sicherer gemacht. Iran ist mit sich selbst beschäftigt und kann seine Ressourcen nicht nutzen um seine Vasallentruppen im Jemen, Gazastreifen, Libanon oder Syrien zu unterstützen.
        Leider hat die israelische Regierung den nächsten Schritt diplomatisch nicht vorbereitet, um mit anderen arabischen Ländern endlich zu gütigen Übereinkünften zu kommen. Aber offenbar reicht Netanyahu erstmal diese Atempause.

      • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 22:37

        Alles richtig, war nur nicht mein Punkt.

        Andere Strategien hatte man für 25 Jahre ausprobiert und deren Ergebnisse sind bekannt – sie haben die Mullahs nur stärker und aggressiver gemacht. Die militärische Option war die einzige grundsätzlich andere Strategie, die man noch versuchen konnte. Und für das, was Militär bewirken kann, sind die Ergebnisse überzeugend.

        Es gibt nach meiner Beurteilung überhaupt keine Möglichkeit, die Theokratie zu einem „vorbildlichen Mitglied“ der Weltstaaten zu machen. Also ist die gewählte Strategie für dieses konkrete Ziel ohnehin irrelevant.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

  • derwaechter 1. Juli 2025, 10:46

    zu e)

    Besser als in diesem Kommentar habe ich bisher noch nicht gelesen. Das sprengt einfach alle Maßstäbe.

    „Nothing like this has been attempted or even imagined in the history of the American presidency. Throw away the history books; discard feeble comparisons to scandals of the past. There is no analogy with any previous action by any past president. The brazenness of the self-enrichment resembles nothing seen in any earlier White House. This is American corruption on the scale of a post-Soviet republic or a postcolonial African dictatorship.“

    • Stefan Sasse 1. Juli 2025, 19:54

      Und die Leute, die Hunter Biden für relevant hielten, Trump über Harris zu wählen, schweigen.

    • Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 09:11

      Yup. Der Wähler wollte es so – das war vorher allgemein bekannt.

      • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 10:03

        Genau. Aber das muss man echt nicht sugar coaten.

      • derwaechter 2. Juli 2025, 12:14

        Da bin ich gar nicht so sicher.

        Zum einen ist das schiere Ausmaß und die Dreistigkeit noch mal auf einem ganz anderen Level als beim letzten Mal. Das war m.E. so extrem
        nicht klar.

        Zum anderen ist es ja nicht so, dass er im Wahlkampf seinen Wählern verkündet hätte, er werde sich und seine Familie uns sein Umfeld in nie dagewesen Ausmaß bereichern. Wenn überhaupt behauptete er das Gegenteil. Die rechte Presse berichtet von der Bereicherung (bzw. korrekt Korruption) so gut wie nicht und die Mainstreammedien m.E. auch viel zu wenig.

        Ich würde also eher die These vertreten es war und ist nicht allgemein bekannt. Zumindest nicht bei seinen Wählern.

        Das gilt so ähnlich auch für viele andere Bereiche. Vieles was jetzt gemacht wird ist für viele Beobachter, mich eingeschlossen, überraschend krass. Und meine Erwartungen waren nun wirklich bereits sehr negativ.

        • CitizenK 2. Juli 2025, 13:03

          Deshalb gibt es ja auch diese millionenfachen Proteste (Sanders & AOC) und tägliche Stellungnahmen von Senatoren im Netz. Warum das so gar keine Wirkung hat, ist mir nicht ganz klar.

        • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:24

          Ich bin nicht überrascht. Aber ich hab auch Augen zum Sehen. Das ist einfach einmal mehr ein Medienversagen.

          • derwaechter 2. Juli 2025, 22:06

            Ich habe auch Augen zum sehen und ich habe Schlimmes erwartet. Aber vieles in dem Ausmaß dann halt doch nicht.

            Einfach Medienversagen, ist mir zu kurz gesprungen. Der Wähler, der sich seine Informationen bei traditionellen Medien holt, hat wohl kaum Trump gewählt. Egal wie viel dort in der Berichterstattung schief läuft, hat wohl niemand die New York Times gelesen und gedacht: mensch den Donald, den wähle ich. What could possibly go wrong?

            • Ariane 2. Juli 2025, 23:11

              Ganz spannende Diskussion, aber ich denke, da kann auch sehr viel gleichzeitig parallel wahr sein. Und vieles liegt auch daran, dass Trump & Co. einfach sämtliche Maßstäbe sprengen.

              Es ist Medienversagen (gerade was false balance oder Sachen wie „eh alle korrupt“ angeht) , gleichzeitig wird die Masse der Trump-Wähler auch nicht so verstrahlt gewesen sein, zu denken, dass Trump ein korrekter Typ ist, der sich an Regeln hält. Das wurde halt billigend in Kauf genommen, weil es gegen die Richtigen (TM) geht und auch weil diese nihilistische Egal-Haltung anziehend ist.

              Aber ich halte auch nichts von der These, dass das jetzt irgendwie überraschend kommt und Trump-Wähler nun großflächig enttäuscht sind und sich abwenden. Citizen weist ja auch daraufhin, der Druck kommt von außen, intern scheint er ja nicht besonders hoch.

              • Stefan Sasse 3. Juli 2025, 10:03

                Zustimmung.

              • derwaechter 3. Juli 2025, 10:54

                Natürlich gibt es die False Balance und sie geht mir auch tierisch auf die Nerven. Aber der Effekt ist glaube ich nicht so groß.

                „Aber ich halte auch nichts von der These, dass das jetzt irgendwie überraschend kommt und Trump-Wähler nun großflächig enttäuscht sind und sich abwenden“

                Moment, das meinte ich in der Kombination auch nicht.
                1. Das Ausmass kommt sogar für viele (m.E. die meisten) die Vorher schon deutlich gegen Trump waren überraschend. Beispiel: Ich habe auch mit Korruption gerechnet, wie in der ersten Amtszeit und durchaus grösser. Aber so offen und gross, wie jetzt über die Kryptoschiene, diese Einladungen ins weisse Haus an die meistbezahlenden oder ein Flugzeug als de facto persönliches Geschenk in aller Öffentlichkeit usw. hat mich dann doch überrascht.

                2. Dass seine Wähler überrascht sind meine ich ja gerade nicht. Mein Argument war, dass die das gar nicht so auf dem Schirm hatten und haben. („Ich würde also eher die These vertreten es war und ist nicht allgemein bekannt. Zumindest nicht bei seinen Wählern.“)

                Ich mache immer mal wieder gerne einen Realitätscheck, wenn ein Skandal die Runde macht bei dem einem der Kitt aus der Brille fällt. Ich gehe dann auf Fox News und gucke ob und wenn ja wie die berichten. Die Antwort ist dann meistens gar nicht oder fast gar nicht oder aber mit einem ganz anderen Spin.

            • Stefan Sasse 3. Juli 2025, 10:02

              Doch, auch die Leute wählen Trump.

              • derwaechter 3. Juli 2025, 10:40

                Also definitv deutlich weniger und wenn dann nicht wegen sondern trortz dem was sie in diesen Medien lesen. Ich meine von den seriösen Medien die Endorsments machen hat sich doch kaum eins für Trump ausgesprochen.

                Es gibt natürlich diejenigen die aus Eigennutz wählen (z.B. für Steuersenkungen), und die Warnungen der Medien in den Wind schlagen. Das ist dann aber nicht aufgrund schlechter oder falscher Information der Medien.

                • Stefan Sasse 4. Juli 2025, 06:54

                  Ich lese den Spiegel und die Welt, beides seriöse Medien. Wenn die mir die Wahl der FDP empfehlen, mach ich da trotzdem nicht mein Kreuz.

                  • derwaechter 4. Juli 2025, 08:47

                    Du findest in diesen Medien so gut wie keine Argumente oder Informationen, die dich dazu verleiten würden Trump (oder in Deutschland AfD) zu wählen. Allerdings sehr viele dagegen.
                    Das ist mein Punkt.

                    Deshalb halte ich „einfach Medienversagen“ für bestenfalls einen kleinen Teil der Erklärung.

                    • Stefan Sasse 4. Juli 2025, 10:26

                      Ich würde nie sagen, dass es mehr ist als ein Teil der Erklärung! Aber wir haben das hier ja schon so oft diskutiert, ich setze die vorherige Debatte irgendwie vroasu )

                    • derwaechter 5. Juli 2025, 21:43

                      Das stimmt natürlich 🙂

  • Ralf 1. Juli 2025, 10:47

    zu 1) “Gewaltrelativierung”

    Genauso, wie Linke sehr gut darin sind, den Schwarzen Block bei Maikrawallen zu ignorieren oder Begründungen für Gewalttaten der Antifa zu finden und diese zu relativieren – oder Hausbesetzende als das eigentliche Opfer darzustellen, wenn sie Polizei attackieren -, genauso haben wir hier seitens der Rechten eine Relativierung von Gewalt gegenüber von ihr ungeliebten Gruppen.

    Dies ist vorwiegend ein Internetproblem – zumindest insofern wir über Narrative mit breiter Strahlkraft in die Bevölkerung sprechen. Dort wo solide Journalismusarbeit geleistet wird, dort wo verantwortliche Redakteure agieren, hat Gewaltrelativierung keinen Platz. Weder links noch rechts. In den sozialen Medien hingegen, wo die beknackten Ansichten von Tante Erna, Student Erich und Arbeiter Kurt dominieren, gedeihen toxische Ansichten wie ein pathologischer Pilz. Und dank des völlig natürlichen “Confirmation Bias” werden mehr und mehr “normale Bürger” verführt. Das Ergebnis ist eine Lawine. Und daraus resultierend bald erneut Gewalt.

    • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 12:05

      Dies ist vorwiegend ein Internetproblem …

      Mitnichten! Ich habe regelmässig geflucht, wenn ich in den achtzigern, neunzigern und frühen 2000ern die ZEIT-„Berichterstattung“ zu den 1. Mai Krawallen gelesen habe, als ich noch ein Abo hatte. Egal, was die Polizei tat – eng begleiten, weit begleiten, gar nicht da sein – Schuld an der Randale waren immer und ausschliesslich Polizei und Politik. Der ÖRR stiess etwas verhaltener ins selbe Horn. Also machen Sie uns und sich selbst bitte nichts vor.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Ralf 1. Juli 2025, 15:40

        Dazwischen, auf der einen Seite, Gewalt zu loben, zu verteidigen, als legitimes Mittel der Auseinandersetzung darzustellen und, auf der anderen Seite, eine Polizei zu fordern, die wo immer möglich deeskaliert, anstatt die Konfrontation zu suchen, besteht ein gewaltiger Unterschied. Zeig mir mal konkrete Beispiele, wo die Qualitätsmedien Krawalle durch Autonome oder brennende Autos am 1. Mai oder die Morde der RAF etc gefeiert hätten.

        • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 18:11

          Gewalt galt in den Artikeln und Sendungen aus der Zeit, die ich beschrieb, als legitimes Mittel (z.B. der obligatorischen Mai-Randale in Berlin), also ist das nur ein Ablenkungsmanöver.

          • Ralf 1. Juli 2025, 19:30

            Dann zeig mal ein paar von den Artikeln, die Gewalt preisen. Wenn es so viele waren, musst Du ja in konkreten Beispielen schwimmen.

            • Stefan Sasse 1. Juli 2025, 20:00

              Zu dem Thema Schwarzer Block: zwei Dinge können problemlos nebeneinanderher existieren.
              1) Der Schwarze Block besteht aus gewaltbereiten Leuten, die weit außerhalb des Rahmens erlaubter und legitimer Meinungsäußerung agieren und müssen mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden.
              2) Die Polizei legt bei der Anwendung dieser Mittel höflich gesagt einen Enthusiasmus an den Tag, den sie gegenüber einem NPD-Zug nicht aufweist.

  • Ralf 1. Juli 2025, 10:59

    zu 2) “Orban”

    Wir hatten das Thema letzthin bei der Resilienz von Demokratien

    In der Debatte, die ich erinnere, ging es um China, nicht um Ungarn.

    Ungarn ist zu schwach seine Bevölkerung zu unterdrücken und Orban ist verzweifelt auf die Zahlungen der EU angewiesen. Unter diesen Constraints ist sein Regime tatsächlich vulnerabel gegenüber Stimmungsänderungen in der Wählerschaft. China hat diese Probleme nicht. China ist nicht angewiesen auf Unterstützung von außen. Im Gegenteil. Die halbe Welt ist angewiesen auf die Unterstützung durch China. Und China kontrolliert einen mächtigen, allumfassenden, allgegenwärtigen Überwachungs – und Unterdrückungsapparat.

    China und Ungarn sind folglich nicht vergleichbar.

  • Thorsten Haupts 1. Juli 2025, 12:19

    Zu q)
    Wenn Universalgelehrte wie DPZ, Precht et al zu einem Thema historisch werden, bleibe ich zutiefst skeptisch – hat sich der Mann wirklich das notwendige historische Wissen angeeignet, um hier fachlich fundiert urteilen und beschreiben zu können?

    Aber völlig unabhängig davon lässt mich der Artikel – vom möglichen bescheidenen Erkenntnisgewinn einer Begriffsgeschichte abgesehen – ohnehin ratlos zurück. Dass Menschen a) Interessen haben und b) diese Interessen nicht dieselben sind ist eine in meinem Leben unzählige Male gemachte Alltagserfahrung, sie wurde sozusagen täglich (mehrfach) durch Beobachtung bestätigt. Wie sich diese Beobachtung begriffsgeschichtlich niederschlug ist gegenüber dieser beobachtbaren Menschheitskonstante völlig irrelevant.

    Der einzige Fehler, den darauf aufbauende ökonomische Theorien mach(t)en, ist der, nur rationale Interessen zu betrachten, obwohl der Mensch ein weitgehend irrationales Wesen ist.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 1. Juli 2025, 19:55

      Ich vermute, diese grundsätzlich beeindruckende Fähigkeit, zu jedem Thema was Informiertes sagen zu können, ist super gefährlich in the long run.

    • cimourdain 2. Juli 2025, 10:50

      „Wenn Universalgelehrte wie DPZ, Precht et al zu einem Thema historisch werden, bleibe ich zutiefst skeptisch…“ dann sind Sie im falschen Forum. Sie können jedem, der hier mehr als zwei Fundstücke kommentiert, „vorwerfen“, dass dies ohne akademisch tiefgehende Kenntnis geschieht. Wir stehen alle dem Fuchsdenken näher als dem Igeldenken.

      • Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 12:33

        Niemand von uns würde für seine Meinungen einen Artikelplatz in einem seriösen Publikationsmedium bekommen?

        • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:25

          Exakt. CANCEL CULTURE! 😛

        • cimourdain 2. Juli 2025, 14:28

          Ich will niemanden verpetzen, aber „Herr Sasse, Herr Sasse, der Thorsten hat gesagt, dass der Politblog von Herrn Zorn viel seriöser ist als dieser !“

      • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:22

        Aber wir kommentieren halt in nem Nischenblog rum. Und ich für meinen Teil versuche mich dezidiert aus Themen rauszuhalten, von denen ich nichts verstehe, Und Precht geriert sich als Autorität.

  • Ralf 1. Juli 2025, 12:56

    zu 4) “machtlose Wähler”

    Das Problem, dass unsere politischen Strukturen den Mehrheitswillen oft nicht respektieren, ist nicht EU-spezifisch. Die Mehrheit – auch in Deutschland – wollte kein Hartz IV und bekam die Reform trotzdem. Die Mehrheit wollte auch keinen Afghanistankrieg und bekam den Krieg trotzdem. Die Mehrheit wollte auch die Mark behalten und bekam stattdessen den Euro.

    Auf der europäischen Ebene verschärft sich der Eindruck lediglich, weil die EU keine demokratische Legitimation hat. Das Europaparlament hat wenig zu sagen und Schlüsselentscheidungen werden unter den Staatschefs ausgemauschelt. Es gibt weder Transparenz noch politische Verantwortlichkeit für Europa als Ganzes. Unter anderem auch deshalb – aber auch aufgrund von Sprach- und kulturellen Barrieren – gibt es keine europäische Identität. Und folglich gibt es keine Bereitschaft Kompromisse einzugehen, bei denen man – wie immer bei einem Kompromiss – auf etwas verzichten muss.

    • Stefan Sasse 1. Juli 2025, 19:57

      Die Mehrheit hat aber sehenden Auges Parteien gewählt, die das wollten, von daher…

      • Ralf 1. Juli 2025, 22:01

        Ich weiß nicht, worauf Du Dich da konkret beziehst. Bei Hartz IV, Afghanistankrieg und Euroeinführung haben Allparteienkoalitionen entschieden. Klar – Du hättest die PDS wählen können. Aber Du weißt auch, dass das kulturell inkompatibel mit der übergroßen Mehrheit der Bürger gewesen wäre und selbst wenn man die PDS gewählt hätte, dann wäre man eben mit einem anderen Set an Regierungsentscheidungen unglücklich gewesen.

        Und falls Du auf die Struktur der EU anspielst, über die spricht im Wahlkampf überhaupt niemand. Folglich trifft auch niemand seine Wahlentscheidung entlang EU-relevanter Themen.

        In der Realität ist es so, dass im Wahlkampf nur Platz für ein oder zwei Themen sind. Und diese Themen wählen die Medien aus. Worüber die Politik sprechen will, ist herzlich egal. Welche Themen gerade zentral sind und drängen, ist ebenfalls egal. Die Medien wählen aus, über welche Ereignisse sie in welcher Tiefe berichten. Die Medien entscheiden, welche Politiker zu welchem Interview eingeladen werden. Die Medien selektionieren, welches Zitat gedruckt, welcher Videoausschnitt gezeigt wird. Die Medien entscheiden, wo sie nachfragen, wie sie nachfragen, ob sie nachfragen. Die meisten Bürger haben weder Zeit noch Lust noch Geduld sich mit dem ganzen Theater zu beschäftigen. Die kriegen meist nur atmosphärisch mit, wer gerade obenauf ist und wer gerade runtergemacht wird. Am Ende möchten viele einfach auf der Seite der Sieger stehen und wählen danach, was sie für den Trend halten. Andere wählen nach Gefühl diejenige Partei, die ihnen kulturelle Nähe zu ihrer Identität suggeriert – auch wenn die Signale faktisch nur heiße Luft sind. An Inhalten ist kaum jemand interessiert und der Zerfall der großen Parteien und der dramatische Mitgliederschwund hat das alles noch verschlimmert.

        • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 09:59

          Wenn die Mehrheit der Deutschen nicht nur bei Meinungsumfragen, sondern tatsächlich wahlentscheidend dagegen gewesen wäre, hätten die Parteien darauf reagiert. Deswegen warne ich vor diesem single-issue-Umfragen. Die sagen praktisch nichts aus. 77% der Deutschen sind gegen den Afghanistankrieg – cool, aber ihre Wahlentscheidung machen sie davon halt nicht abhängig.

          • Ralf 2. Juli 2025, 11:34

            Das gegenwärtige Kabinett hat 17 Minister und damit mindestens 17 wichtige Politikfelder. Tatsächlich gibt es natürlich sehr viel mehr Politikfelder, denn die meisten Ministerien sind für mehr als ein Politikfeld verantwortlich und nicht für jedes bedeutende Politikfeld gibt es ein Ministerium.

            Es ist dem individuellen Wähler folglich unmöglich, so zu wählen, dass die Wahlentscheidung eine größere Zahl der eigenen Meinungen und Ansichten widerspiegelt. Wir entscheiden in der repräsentativen Demokratie, die Deutschland ist, ja nicht per Volksentscheid in jedem Einzelfall. Erschwerend wirkt sich zusätzlich aus, wenn Entscheidungen, die radikale Veränderungen bewirken, insbesondere wenn diese irreversibel sind, de facto von Allparteienkoalitionen beschlossen werden – zumindest was die für die Mehrheit wählbaren Parteien der Mitte angeht (Afghanistankrieg, Euroeinführung, Hartz IV, Unterstützung für die Ukraine etc.). Faktisch ist Opposition dann nicht mehr möglich. Was bleibt, ist garnicht mehr zu wählen, zu wählen und seine Stimme an eine Kleinstpartei zu verschleudern oder Extremisten zu wählen.

            All das soll kein Plädoyer gegen die repräsentative Demokratie sein. Aber wer in der repräsentativen Demokratie ein gelungenes Werkzeug zur Ignorierung des Wälerwillens sieht, schießt über das Ziel hinaus. Ja – die Regierung kann in Einzelfällen legitim von ihrem Entscheidungsrecht Gebrauch machen – auch ohne oder sogar gegen das Mandat der Bürger. Aber sie hat dann die Pflicht Überzeugungsarbeit zu leisten. Und wenn diese Überzeugungsarbeit nicht fruchtet umzukehren. Gegen den Willen der Mehrheit etwa 20 Jahre lang Krieg in Afghanistan zu führen, ist zutiefst undemokratisch. Auch wenn dadurch formal keine Gesetze gebrochen werden, vergewaltigt es den Geist dessen, wofür Demokratie steht.

            Guter Wille – bei Politikern und Parteien, aber auch bei den Medien – ist essenziell, für das Funktionieren von Demokratie. Leider ist davon nichts spürbar. Priorität hat hingegen die Macht- und Profitmaximierung. Und nein, das war nicht immer so. Wir haben uns diesen Niedergang ohne Not selbst ausgesucht.

            Jüngstes Beispiel: Bundestagswahlkampf 2025. Der dreisteste Lügner gewinnt. Wirklich diskutiert wird im Wahlkampf nur über ein einziges Thema: Gewalt illegaler Migranten. Weder Medien noch Parteien stören sich dabei daran, dass noch nicht einmal bei diesem einen Thema Vorschläge gemacht werden, die auch nur den Hauch einer Chance auf Erfolg hätten. Zentrale Themen, die spürbar über unsere nahe Zukunft entscheiden werden – Wohnungsnot, Wirtschaft, europäische Verteidigung, die Situation in den USA, Klimaschutz, um nur einige zu nennen, werden praktisch nicht erwähnt.

            Was bleibt ist eine Regierung ohne Mandat, ohne Vertrauen, ohne Rückhalt – und mit den Nationalsozialisten als Oppositionsführer, die die größte Fraktion seit 1933 stellen.

            • Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 13:58

              Guter Wille – bei Politikern und Parteien, aber auch bei den Medien – ist essenziell, für das Funktionieren von Demokratie.

              Eines der besten Argumente gegen die Nachhaltigkeit von Demokratie, das ich jemals gelesen habe. Systeme, die auf den guten Willen aller Beteiligten ANGEWIESEN sind, werden dauerhaft niemals funktionieren.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:27

                JEDES System basiert auf dem guten Willen der Beteiligten. Wenn 1938 die Menschen aufhören, guten Willens das NS-System zu stützen, fällt es.

                • Ralf 2. Juli 2025, 16:35

                  Exakt. Es sind die unaufgeschriebenen, nicht bindenden Normen, die die Demokratie zusammenhalten. Wenn sich die Politik von diesen Normen abwendet – wir sehen das in den USA der letzten 30 Jahre – zerbricht das ganze System.

                • Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 21:10

                  Nein. Fast alle funktionierenden menschlichen Organisations-Systeme, die ich kenne, funktionieren über einen Mix aus Anreizen und Sanktionen, nicht alleine über das Vertrauen auf guten Willen.

                  Der Sozialismus ist genau daran gescheitert, dass er schon theoretisch nur funktionieren kann, wenn sich 99% der Menschen systemkonform verhalten und Gemeinschaftsinteressen immer vor ihre eigenen stellen. Wenn die Demokratie jetzt auch genau daran scheitert, war sie nicht praxistauglich.

                  Ein halbwegs robustes System muss auch mit maliziösen Mitspielern umgehen können.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Stefan Sasse 3. Juli 2025, 10:01

                    Ja, aber halt nur bis zu einem Punkt. Wenn es zu viele werden, bricht JEDES System. Ein Unternehmen kommt mit einigen Mitarbeitenden zurecht, die maximal Dienst nach Vorschrift machen oder sogar quasi absichtlich sabotieren. Aber wenn 30% deiner Leute das machen – kannst dichtmachen.

                    • Thorsten Haupts 3. Juli 2025, 20:29

                      Okay. Darauf können wir uns einigen.

            • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:23

              Dem Elektorat sind manche Themen wichtig und manche nicht. Die wichtigen trumpfen die unwichtigen. Mein Punkt ist: wenn den Leuten der Afghanistaneinsatz wichtig gewesen wäre, hätten die Parteien drauf reagiert. War er aber nicht.

              • Ralf 2. Juli 2025, 16:22

                Ich halte das für einen populären Irrtum. In unserer Welt ist es nicht so, dass Medien und Politiker darüber sprechen, was den Bürgern wichtig ist. Sondern den Bürgern ist wichtig, worüber Medien und Politiker sprechen. Das ist insbesondere bei Themen so, die gegenwärtig noch nicht spürbar sind (Zukunftsinvestitionen, Klimaschutz, zukünftige Verteidigungsinfrastruktur) und bei denen folglich im Augenblick noch nicht der Schuh drückt (z.B. bei der Inflation oder bei hoher Arbeitslosigkeit).

                Mit dem Afghanistankrieg hast Du Dir das bequemste Argument gewählt. Der Krieg war vermutlich tatsächlich einer Mehrheit egal. Aber ich bezweifele arg, dass die Menschen im Wahlkampf 2002 nicht an Diskussionen über konkrete Maßnahmen des geplanten Hartz IV-Projekts interessiert gewesen wären, wenn man sie nicht stattdessen mit dem Irakkrieg – bei dem kein NATO-Partner unsere Beteiligung verlangte – und Elbflut abgelenkt hätte. Ich bezweifele weiter, dass die Menschen 2013 nicht an Wegen aus der europäischen Wirtschaftskrise interessiert gewesen wären, wenn man sie nicht mit dem Veggie-Day abgelenkt hätte. Und ich bezweifele auch, dass die Menschen 2025 nicht an Debatten, wie man 500 Milliarden Euro am besten in Infrastruktur investiert oder wie wir eine europäische Sicherheitsarchitektur ohne die USA bauen, interessiert gewesen wären, wenn man sie nicht mit Lügen über die Unausweichlichkeit der Schuldenbremse abgelenkt hätte.

                • Stefan Sasse 3. Juli 2025, 09:57

                  Ich finde, das ist zu simpel gedacht. Das bedingt sich gegenseitig. Manchmal setzen die Medien die Themen, manchmal folgen sie ihnen.

                  Nicht, wenn wir nach den Umfragen gehen, das ist so ein bisschen mein Punkt. Jahr für Jahr gab es Umfragen, in denen 70-80% den Einsatz ablehnten. Aber wie du schon sagst – den Leuten war es letztlich egal. Das geht aber aus der Umfrage nicht hervor.

                  • Ralf 3. Juli 2025, 13:27

                    Wie gesagt, Du versteifst Dich da auf den Afghanistankrieg, der tatsächlich wahrscheinlich der Mehrheit egal war.

                    Aber das gilt vermutlich nicht für die Bewältigung der europäischen Wirtschaftskrise 2013. Während mir gleichzeitig nicht einleuchtet, dass im selben Jahr der Veggie-Day ein Thema gewesen wäre, das ohne Anstoß von außen und ständiges Weiterbefeuern durch interessengeleitete Politik- und Medienkräfte, große Beachtung in der Wählerschaft gefunden hätte.

                    Ebenso im letzten Wahlkampf hätte es – so behaupte ich zumindest – durchaus Interesse in der Bürgerschaft gegeben zu diskutieren, wo man 500 Milliarden Euro Investitionen am besten einsetzt. Oder wie wir in 5-15 Jahren in Europa ohne die USA wieder sicher werden. Stattdessen wurde zur Ablenkung das Thema “Aschaffenburg” lanciert – ein Vorfall, der nicht merklich besonder ist gemessen an ähnlichen Geschehnissen in der Vergangenheit.

                    • Stefan Sasse 4. Juli 2025, 07:01

                      Hartz-IV war die gleiche Dynamik.

                      Ohne Anstoß von außen wäre der Veggieday kein Thema gewesen – aber offensichtlich hat er einen Nerv berührt.

                      Korrekt. Berührt halt auch einen Nerv.

                      Ich glaube, wir haben gar keinen Dissens darüber, uns geht es gerade um unterschiedliche Dinge.

      • Erwin Gabriel 2. Juli 2025, 19:55

        @ Stefan Sasse 1. Juli 2025, 19:57

        Die Mehrheit hat aber sehenden Auges Parteien gewählt, die das wollten, von daher…

        Das Argument ist nicht seriös. Eine Partei hat nicht nur zu Tausend Themen eine Meinung, sondern gleich mehrere, die sich im Falle der Regierungsverantwortung auch gleich wieder ändern können.

        Niemand, der eine Partei wählt, tut das, weil er mit allen relevanten Meinungen in jeder Situation einverstanden ist. Über diesen Punkt waren wir hier diskussionsmäßig schon weit hinaus.

        • Stefan Sasse 3. Juli 2025, 09:59

          In beiden Fällen war vorher klar, dass die Parteien dafür sind. Der Atomausstiegsausstiegausstieg von Merkel ist ein anderes Thema, als Beispiel. Der war unvorhersehbar.

          • Erwin Gabriel 3. Juli 2025, 12:39

            @ Stefan Sasse 3. Juli 2025, 09:59

            My Point still stands …
            Ist irrelevant

  • Ariane 1. Juli 2025, 17:11

    3) Ich finde es super wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir schlicht nicht wissen, was passieren wird – und es nicht wissen können.
    Ja absolut
    Ob Trump und Netanyahu hier ihre Ziele erreicht haben oder nicht wird sich erst in Monaten, wenn nicht Jahren sehen lassen
    Ich würde auch noch die dritte Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das langfristig eventuell als Episode angesehen wird, die eigentlich wenig bis nichts geändert hat. Obamas Initiative sah damals für ca. ein Jahr auch nach einem großen Durchbruch aus, aber wir wissen ja auch nicht, ob wir nicht am selben Punkt wären, wenn einfach nichts passiert wäre.

    4) Das erscheint mir tatsächlich höchst wohlfeil, weil vor allem die Union immer erfindungsreich darin war, politische Probleme outzusourcen und die EU dann immer ein besonders dankbarer Sündenbock, weil weiter weg als deutsche Gerichte.
    Aber ich würde auch Ralf recht geben, es ist naiv zu denken, ohne die EU oder anderes outsourcing würde halt das passieren, was man selbst will. Es ist das Wesen von Politik oder gar dem Leben, dass das nicht eintritt.

    Dieses Outsourcing war ja auch kein tragischer Fehler, sondern man wollte diese unbequemen Entscheidungen nicht im eigenen Haus haben und die Kritik dafür einstecken. Aber beides gleichzeitig geht nun mal nicht.

    5) Ja nun, vermutlich wirklich ganz nützlich, mal einen Präzedenzfall zu haben, dass „hemmungsloses Herumfahren im eigenen Auto“ kein eigenes Grundrecht ist. Gut zu wissen. ^^
    Ohne größere Kenntnis der Verkehrssituation speziell in Berlin, scheint mir hier auch das Problem, dass sich das ganze mehr mit Grundsatzfragen und Radikallösungen beschäftigt als wirklich praktische Lösungen zu suchen.
    In Bremen (verkehrstechnisch eine eigene Katastrophe) hängt sich da zb viel am „Aufsitzparken“ auf, das wurde jahrzehntelang geduldet und ist nun ins andere Extrem verfallen und möchte von heute auf morgen alle abschleppen. Das verhindert dann auch pragmatischere Lösungen wie zb mehr Einbahnstraßen, bei der man es auf einer Seite erlaubt.

    a) Wahnsinn, dann kann mans wirklich direkt abschaffen. Da fragt man sich ja wirklich, wie dann noch tatsächliche Asylgründe zustande kommen sollen.

    g) sehr guter Artikel von Diez. Obwohl ich da zwiegespalten bin, weil ich nicht der große Freund von Untersuchungsausschüssen oder ähnlichem bin. Meist kommt wenig bei rum und das ist ja auch eine Problemverlagerung, weil in diesem Fall die Union unfähig ist ein parteiinternes Korrektiv zu bilden. Was viel effektiver wäre, als ein Untersuchungsausschuss 5 Jahre später.

    • CitizenK 2. Juli 2025, 07:21

      zu a) (Asyl-Urteil)
      Mich erinnert diese juristische Sophisterei an das Künast-Urteil. So verkehrt man den Sinn eines Gesetzes in sein Gegenteil.

      Wer glaubt da noch, die Justiz sei unpolitisch? Selbst wenn sie nicht direkt angegriffen wird wie von Trump. AfD-Richter, gar in Karlsruhe, und wir können die Gewaltenteilung vergessen – und damit die Demokratie.

      • Ariane 2. Juli 2025, 17:32

        Jep, siehe auch Cimos Kommentar dazu. Fehlt natürlich Kontext, aber zumindest dieses Urteil ist ja ein Paradox, weil dann schnell alle Asylgründe damit weggewischt werden können, man solle sich bitte an die Gesetze der Taliban halten.

    • Dennis 2. Juli 2025, 09:17

      Zitat Ariane:
      5). „Ja nun, vermutlich wirklich ganz nützlich, mal einen Präzedenzfall zu haben, dass „hemmungsloses Herumfahren im eigenen Auto“ kein eigenes Grundrecht ist. Gut zu wissen. ^^. “

      Jetzt muss man nur noch wissen, was „hemmungslos“ speziell in diesem Zusammenhang so heißt. Man erkennt ja nicht so ohne weiteres, ob die rettenden „Hemmungen“ gegeben sind.

      ich bin glücklicherweise kein Autofahrer (wahrscheinlich einer der besten Entscheidungen meins Lebens; man spart sich Scherereien aller Art und jede Menge Geld), also eh gehemmt, aber, liebe Autofahrende, kennt ihr eigentlich den § 30 StVO ?

      Abs. 1 :
      „(1) Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten. Es ist insbesondere verboten, Fahrzeugmotoren unnötig laufen zu lassen und Fahrzeugtüren übermäßig laut zu schließen. Unnützes Hin- und Herfahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, wenn Andere dadurch belästigt werden.“

      Es heißt zwar nicht „hemmungslos“ sondern „unnütz“ , aber dieser Begriff ruft natürlich auch nach philosophischer Interpretation. Jemand könnte sagen: Es gibt da immer mindestens einen emotionalen Nutzen. Und unnütz hinfahren ohne her ist offenbar gestattet. Und dann noch die Frage, unter welchen Umständen „belästigt werden“ (ohne diesen zweiten Tatbestand ist das „Unnütze“ erlaubt) anzuerkennen ist. Alles sehr schwierig.

      Und außerhalb geschlossener Ortschaften ist alles Unnütze eh erlaubt, hemmungslos muss noch geklärt werden.

      In Abs.2 kommt noch das das beliebte Sonntagsfahrverbot für LKWs. Mit zahllosen Ausnahmen; z.B. für den Transport lebender Bienen; frische Milch sowieso.

      Und was den Berliner Volksentscheid angeht, freuen sich die Kabarettisten wahrscheinlich schon auf die Ausnahme (Privatfahrten § 12) „12 x im Jahr pro NutzerIn“, nicht pro Fahrzeug. Nur zunächst übrigens, soll später reduziert werden. Wenn die Entzugserscheinungen abgeklungen sind, nur noch sechs pro Jahr 🙁

      Wieso ist das Verabscheuungswürdige eigentlich 1 x pro Monat erlaubt? (oder 12 mal in einem Monat und dann 11 Monate nicht mehr; lieber einmal heftig als 12 Monate jeweils lau). Erinnert irgendwie an christliche Sittenlehren; es gibt augenzwinkernd ein gewisses Kontingent für das Unsittliche; das Konzept der lässlichen Sünde. Den Initianten schweben „elektronische Nachweisstellen“ vor. Auf so was ist der Papst noch nicht gekommen.

      Es handelt sich übrigens um einen regelrechten Gesetzentwurf. Das Verfahren ist – wie in der Schweiz – Rechtssetzung und nicht lediglich Meinungsäußerung.

      Hier der Gesetzentwurf nebst Begründung. Mühe gemacht haben die sich schon^. Die denken sich natürlich: Das Verfahren an sich und das begleitende Gerede (äh…die Diskurse) ist schon wertvoll, egal, wie das ausgeht.

      https://volksentscheid-berlin-autofrei.de/presse/downloads/VE_Berlin_autofrei_2022_01_06_Gesetzentwurf_rev_rev.pdf

      • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 10:06

        Wie gesagt, das Volksbegehren ist völliger Quatsch.

      • Ariane 2. Juli 2025, 17:49

        Es heißt zwar nicht „hemmungslos“ sondern „unnütz“ , aber dieser Begriff ruft natürlich auch nach philosophischer Interpretation.

        Haha, wir hatten das Thema tatsächlich kurz in der Fahrschule, weil man zb beim Bremer Kreuz aufpassen muss, nicht plötzlich länger sinnlos im Kreis zu fahren. Bei Fahranfängern übrigens explizit erlaubt zum Fahrpraxis sammeln 😀

        Und was den Berliner Volksentscheid angeht, freuen sich die Kabarettisten wahrscheinlich schon auf die Ausnahme (Privatfahrten § 12) „12 x im Jahr pro NutzerIn“, nicht pro Fahrzeug.
        Echt der Wahnsinn, auch super geeignet für so ein Volksding mit so einer komplizierten Regelung!

  • Sören Schmitz 1. Juli 2025, 17:29

    Liegt aber auch daran, dass die europäische Einigung nicht vorankommt – wir sind bei der Fiskalpolitik stecken geblieben. Die nächsten Schritte: gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, gemeinsame Wirtschaftspolitik und nicht zuletzt eine gemeinsame Sozialpolitik kommt nicht, weil es schlicht am Willen fehlt diese Themen politisch auf die nächste Ebene zu heben. Dann wären wir bei den Vereinigten Staaten von Europa, wo NAtionalstaaten, das wären, was in den USA die einzelnen Bundestaaten sind. Mangels gemeinsamer Identität und Sprache in meinen Augen aber nie praktisch umsetzbar.

  • cimourdain 2. Juli 2025, 09:14

    4) und 5) Ist das bewusst direkt hintereinander? Fundstück 5 ist eine direkte konkrete Realisierung von Fundstück 4: Ein signifikanter Teil des Souveräns will den Souverän über einen (sehr weit reichenden) Normvorschlag abstimmen lassen. Die Politik ziert sich mit einer „geht-nicht“ Begründung (oder Ausrede): Zuständigkeit als Gebietskörperschaft. Also muss die Instanz entscheiden, die für die Frage zuständig ist, was rechtlich „geht“ und was nicht. Und siehe da – es geht. Der Souverän darf diese Frage selbst entscheiden.

    • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 10:05

      Ich weiß nicht, wo der Widerspruch ist?

      • cimourdain 2. Juli 2025, 13:14

        kein „direkter“ Widerspruch. Es ist nur wohlfeil, abstrakt vom „Souverän“ zu reden (wie es Frau Schröder tut), aber die konkreten „Souveräne“ dort, wo Sie berechtigt mitreden, klein zu reden.

  • cimourdain 2. Juli 2025, 09:46

    d) Wie so oft erweist sich ältere Geschichte als Spiegel, die mehr über den Betrachter aussagt als über die Sache – aber interessant ist es trotzdem:
    i) Das glaube ich erst, wenn die AfD ernsthaft mit Müntzers Regenbogenfahne auftritt.
    https://www.bauernkrieg2025.de/de/das-bauernkrieg-wiki/regenbogenfahne
    ii) Und selektive Instrumentalisierung ist wahrhaft keine AfD-Spezialität. Ich war letzten Monat erstaunt, wie viele Gruppen Thomas Mann „für sich“ entdeckt hatten.
    iii) Die Frage „Was würde X wählen“ ist nicht mehr als ein intellektuelles Gesellschaftsspiel, egal ob X für Thomas Müntzer oder Albus Dumbledore steht. Aber weil es lustig ist, hier mein Vorschlag: Thomas Müntzer wäre in einer Hardcore-sozialistischen Partei wie der MLPD oder DKP am besten aufgehoben.
    iv) Das bringt mich zu einer Detailkritik an deinem Kommentar: „…weil die Geschichte kaum einer kennt“ ist nicht ganz richtig. In der DDR war Müntzer quasi „Nationalheiliger“ und die Schüler dieser Zeit wurden mit seiner Biographie „zwangsbeglückt“ natürlich mit SED-Einfärbung.
    v) Was aber richtig und bemerkenswert daran ist, ist dass das Jubiläum 500 Jahre Bauernkrieg im aktuellen Zeitgeist komplett untergeht. Das schließt auch das älteste deutsche Menschenrechtsdokument (Die Zwölf Artikel) mit ein. Aber Geschichte ist derzeit nur interessant, wenn man sie in ein politisches Gut-Böse-Schema stopfen kann.

    • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 10:07

      Die Geschichte der Neuzeit und besonders der Frühen Neuzeit hat keinen leichten Stand, das ist einfach so. Und ja, Zeitgeist.

      • cimourdain 2. Juli 2025, 13:18

        „Die Geschichte der Neuzeit und besonders der Frühen Neuzeit hat keinen leichten Stand…“ Gegenbeispiele: Kolumbus, Luther, Drake, Shakespeare sowie ein erstaunlich breites Spektrum an nationalen Identifikationsfiguren, die in diese Zeit fallen: Matthias Corvinus, Iwan IV Grozny, Gustav Wasa I, Wilhelm von Nassau, …

        • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:25

          Ich meinte spezifisch hier in Deutschland.

          • cimourdain 2. Juli 2025, 15:18

            Eines meiner Beispiele ist aus Deutschland und ein anderes rühmt sich seines „deutschen Blutes“ (musst du beim nächsten Fußballturnier nur genau hinhören). Ein dritter war zeitweise politischer Flüchtling in Deutschland. Der vierte hat gegen den deutschen Kaiser Krieg geführt (nachdem er mangels Deutschkenntnissen nicht König von Böhmen werden durfte). Du kannst deutsche und europäische Geschichte nicht trennen.

    • Lemmy Caution 2. Juli 2025, 16:16

      Zum Bauernkrieg sind zum Jubiläum einige interessante Bücher erschienen. In der Massen-Demokratie ist die frühe Neuzeit genau so ein Orchideenthema wie Politik im Cono Sur oder Strategien zum Lernen von Fremdsprachen.

    • Dennis 2. Juli 2025, 23:05

      Zitat:
      „Aber weil es lustig ist, hier mein Vorschlag: Thomas Müntzer wäre in einer Hardcore-sozialistischen Partei wie der MLPD oder DKP am besten aufgehoben.“

      Dann haben die DDRler mit ihrer Müntzer-Adaption ja alles richtig gemacht^.

      Die SED hat ja eigentlich immer intensiv an einer vermeintlich brauchbaren „Nationalgeschichte“ gebastelt. Im Zeitverlauf wurde das immer hemmungsloser bis zum „Lutherjahr“ 1983 und zum ollen Fritze.

      https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/kultur/zeitgeschehen/wartburg-refjahr-lutherjahr-ddr-100.html

      Passt das alles zusammen bzw. haben all die angeblich „Großen“ schon die Nation DDR irgendwie, wenn auch unwissend, vorbereitet? Na klar, wurde alles auf dem geschichtspolitischen Prokrustesbett passend gemacht.

      Das Problem war halt, dass sich – anders als im Westen – der Konsumerismus als Sinnstiftung nitt so anbot^. Schon auf einer SED-Parteikonferenz 1952 klang das so:

      „Das patriotische Bewußtsein, der Stolz auf die großen Traditionen unseres Volkes beginnen sich zu entwickeln. Jeder versteht, welche große Bedeu-tung das wissenschaftliche Studium der deutschen Geschichte für den Kampf um die nationale Einheit Deutschlands und für die Pflege aller großen Traditionen des deutschen Volkes hat, besonders gegenüber dem Bestreben der amerikanischen Okkupanten, die großen Leistungen unseres Volkes vergessen zu machen.“

      Im letzten Satz wird auch klar, warum die „BRD“ das Thema als heiße Kartoffel lieber nicht angefaßt habe. Wegen der Amis^. Nun, jenseits des propagandistischen Untertons ist das sachlich ja nicht so ganz falsch. Wir haben also den Adenauer als Kosmopolit (ein typischer Linker also^) und Ulbricht als altbackenen Nationalen (rechts, klarer Fall ).

      Ab den 70ern wurde es für die DDR dann schwieriger, weil nunmehr betont DDR-national angesagt war und alles Gesamtdeutsche, was jedenfalls propagandistisch bis dahin immer noch eine gewisse Rolle gespielt hat, endgültig verschwinden sollte.

      Gleichwohl wurde zuletzt sogar der Bismarck frisch aufgetakelt (schon fast eine Verzweiflungstat^). Die „große“ Bismarck-Biografie von Herrn Engelberg (DDR) wurde Mitte 80er als „Sensation“ gehypt. Auch und insbesondere in der linken West-Schickeria.

      Dass die AfD (mit ausgeprägtem Ostzonen-Status, wo bekanntlich die Sozialisten das Konservative zu bewahren wußten^) da anzuknüpfen gedenkt, ist eigentlich kein Wunder. Der Herr Tillschneider (AfD/Sachsen-Anhalt), der im verlinkten Artikel beschrieben wird („Müntzer würde AfD wählen“), gehört in die Abteilung intellektuell rechts, also stramm rechts mit bemerkenswerten Bildungsstatus, ist u.a. vom Putin begeistert und hat u.a. Islamwissenschaften studiert; auch in Damaskus. Der ließ sich im Landtag von Sachsen-Anhalt an die Linkspartei gerichtet und diese ansprechend so vernehmen:

      „Wäre die partielle Verhaftetheit im DDR-Geschichtsbild das einzige Übel der Linken – man könnte wunderbar mit ihnen zusammenarbeiten. Das Problem an Ihnen ist nämlich nicht so sehr das DDR-Erbe, sondern das, was nach 1990 aus Ihnen geworden ist. Die DDR-Geschichtsschreibung jedenfalls, die steckte noch nicht so im anti-deutschen Sumpf wie Sie.“

      Na also. Die Linke (zunächst PDS) wurde demnach erst nach 1990 durch allerlei neumodische Allüren richtig versaut. Bis zur „Wende“ war links eigentlich rechts. Die Hufeisen-Facetten können ganz schön verwickelt sein. Gar nicht so leicht, das alles zu sortieren. Wenn das der Müntzer noch erleben könnte. Aber der Luther ist ja auch nicht so einfach. Hat jetzt der Hitler den Luther vollendet in Anbetracht der so genannten J-Frage? Oder doch eher Frau Käßmann?

      https://margotkaessmann.de/buch/beten-luther/

  • cimourdain 2. Juli 2025, 10:32

    2) Es ist natürlich Zahlenmelken, wenn statt des üblichen GDP/Kopf Konsumausgaben/Kopf als Metrik für den Wohlstand verwendet werden und „Racehorse Journalism“, wenn nur das eine Schlusslicht betrachtet wird und nicht die anderen mit vergleichbaren Werten. Hier also zur Vollständigkeit die Schlussgruppen laut Eurostat für beide Kennzahlen in Relation zum EU-Schnitt:
    AIC: Ungarn 72%, Bulgarien und Estland je 74 %
    GDP/Kopf: Bulgarien 66%, Griechenland 70% und Lettland 71%

    • Lemmy Caution 2. Juli 2025, 23:33

      Solche makroökonomischen Statistiken sind ja nicht der Eurovision Song Contest, wo jedes Jahr alle Teilnehmer von null anfangen.
      Ungarn stand unter den COMECON Staaten bei Mauerfall und Zusammenbruch der Sowjetunion vergleichsweise gut da.
      Es ist echt eine Binse, dass wirtschaftliche Entwicklung immer auf etwas aufbaut, das da ist. Ungarn müsste eigentlich in einer Liga mit Tschechien und Polen spielen. Tut es aber nicht.
      Die Gründe: massive Korruption und gut ausgebildete junge Leute verlassen das Land, was heute in dem Maße für Polen, Tschechien und selbst Rumänien nicht mehr in dem Maße wie für Ungarn gilt.

      • Thorsten Haupts 4. Juli 2025, 09:31

        Ungarn müsste eigentlich in einer Liga mit Tschechien und Polen spielen.

        Noch genauer – es müsste weit vor Polen liegen, seine Ausgangssituation war deutlich besser.

  • Dennis 2. Juli 2025, 13:48

    r )
    Zitat Stefan Sasse:
    „Jedes Mal die gleiche Scheiß Debatte.“

    Gehe ich recht in der Annahme, dass du der Meinung bist, dafür hat sich gefälligst niemand zu interessieren? Es könnte ein Gesetz zur nachamtlichen Ausstattung geben. Gibt es aber nicht. Stattdessen wird das in den Haushaltsberatungen „von Fall zu Fall“ ausbaldowert. Richtig so?

    Warum scheut die politische Klasse eine klare gesetzliche Regelung in dieser Sache, also Transparenz? Oder gilt diese Frage schon als AfD-nah ?

    • cimourdain 2. Juli 2025, 14:26

      Verschmelzen wir die Frage doch mit einer anderen „Scheiß Debatte“ indem wir den Ex-Kanzler als Ein-Personen-NGO bezeichnen: Nicht (mehr) Gewähltes (Staats-)Oberhaupt.

    • Stefan Sasse 2. Juli 2025, 14:26

      Ich sage nur: es ist jedes Mal der gleiche, neidgetriebene Mist.

  • Thorsten Haupts 2. Juli 2025, 14:37

    Völlig korrekt. Dieses Problemchen liesse sich über eine klare gesetzliche Regelung leicht aus der Welt schaffen. Will die Politik nicht – dann muss sie mit der vorhersagbaren Debatte leben.

  • cimourdain 2. Juli 2025, 15:41

    a) Leider kann ich nicht erkennen, ob die Ausrisse aus einem Gerichtsurteil oder „nur“ einem Behördenentscheid stammen (ich vermute letzteres). Aber leider gilt nun einmal, dass Fehlentscheidungen vorkommen und diese ist in meinen Augen eine solche, die dadurch zustande kommt, dass da jemand den Auffangtatbestand „Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe“ sehr eng fasst. Wenn die Taliban jemanden verfolgen, weil er Englischlehrer ist, dann ist „Englischlehrer“ genau die Art „bestimmte soziale Gruppe“ für die dieses Tatbestandsmerkmal hineingefügt wurde.

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