Die Überforderung des Sozialstaates – Geldverbrennungsmaschine Rente

Die Deutschen sind ein Volk, das sehr wenig selbst für das Alter vorsorgt, sich auf staatliche Leistungsversprechungen verlässt und wenig Eigentum besitzt. Entsprechend hoch ist der Preis, den ein solcher Anbieter verlangen muss um die Erwartungen erfüllen zu können. Und fürwahr, bei den Ausgaben für Renten und Pensionen liegt Deutschland mit 11,6 Prozent des BIP in den höchsten Sphären der OECD, noch vor den skandinavischen Ländern, die sich individuell sehr generös geben. Davor liegen nur Italien mit seiner rasant alternden Bevölkerung und Frankreich, das auf sehr teure Frührentenprogramme besteht. Der OECD-Schnitt ist mit 8,4 Prozent weit niedriger. Übersetzt bedeutet das, die Rentenbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ließen sich von gut 20 Prozent (paritätisch) auf 14,5% reduzieren, wenn wir auf das internationale Durchschnittsniveau gingen. Für einen Durchschnittsverdiener mit jährlich 52.000 Euro käme das einer monatlichen Beitragsersparnis von 240 Euro gleich.

Wer ständig auf so viel eigenes Einkommen verzichtet, hat naheliegenderweise hohe Erwartungen an seine Altersbezüge. Im internationalen Vergleich kann die deutsche Rentenversicherung jedoch nur mit unterdurchschnittlichen Zahlungen aufwarten. Im Verhältnis zum früheren Einkommen erhalten deutsche Männer nur knapp 44 Prozent ausbezahlt. Der OECD-Wert liegt bei 50,7 Prozent, also fast 6 Prozentpunkte darüber. Das ist eine sehr schlechte Ausbeute. Gemessen an den höheren Zahlungen wäre ein Niveau von 70 Prozent angemessen und erwartbar. Statt einem durchschnittlichen Rentenniveau für Männer in Höhe von 1.370 Euro müssten eigentlich 2.185 Euro monatlich möglich sein.

In diese Richtung gehen auch die Erwartungen der Bürger. Doch warum ist das deutsche System so wenig leistungsfähig? Zu dieser Frage sind von der Politik und damit von den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen nur falsche Antworten zu bekommen. Die Konservativen behaupten, die Aufnahme von Millionen DDR-Bürgern habe das System geschädigt. Doch die Rente ist ein reines Umlagesystem. Was im Juni 2025 ein Arbeitnehmer bei BMW an Rentenbeitrag zahlt, bekommt Ende des gleichen Monats ein Rentner, der zuvor bei Strabag gearbeitet hat, ausbezahlt. Da die DDR-Bevölkerung ziemlich die gleiche Altersstruktur wie die alte Bundesrepublik aufwies, kann daraus kein Belastungseffekt entstehen. Die einzige Wirkung geht von der höheren Arbeitslosigkeit im Osten aus, während niedrigere Löhne durch niedrigere Renten kompensiert werden.

Die Linken meinen einiges. So wird behauptet, versicherungsfremde Leistungen würden nicht entsprechend vergütet. Das ist schon aus Sicht der Rechtslage einfacher Unsinn. Nach geltender Rechtslage legt der Bund auf Basis des definierten Rentenniveaus die Rentenbeiträge fest. Was dann an Einnahmen fehlt, gleicht der Bundesfinanzminister per einfacher Überweisung aus. Es wird anders als im vorherigen Jahrhundert nicht geschaut, welche Ausgabenposten unter versicherungskonform laufen. Der Bund bügelt einfach glatt.

Seit den Nullerjahren steigt der Rentenbestand im Jahresschnitt um 50.000 bis 80.000 Nettozugänge. Der Anstieg der Rentenempfänger konnte bis zur Pandemie durch die Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit und Migration (welche Probleme an anderer Stelle des Sozialsystems verursacht – siehe Bürgergeld) ausgeglichen werden konnte. Doch Frauen zeigen inzwischen kein Interesse mehr, ihre bezahlte Arbeitszeit weiter zu steigern, während Männer die ihre senken wollen. Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt schreitet nur sehr langsam voran, wenn überhaupt. Und dazu stagniert auch noch die Produktivität.

Schon diese kleine, für ein langfristig wirkendes System verhältnismäßig harmlose Gemengelage bringt das Rentensystem an den Rand der Leistungsfähigkeit und zeigt, wie wenig die Umlagerente auf Krisen vorbereitet ist. Vor allem aber überfordert die Gesellschaft das Rentensystem mit seinen Ansprüchen. Fast jede Legislaturperiode werden neue Ansprüche geschaffen, denen keine entsprechenden Mehreinzahlungen gegenüberstehen.

Eine der ersten wirklich gravierenden Maßnahmen schaffte Norbert Blüm in seiner Spätphase. Mitte der Neunzigerjahre schaffte der Sozialkonservative für Frauen die Möglichkeit, unterlassene Beitragszahlungen nachzuholen. In den Sechziger- und Siebzigerjahren ließen sich viele Frauen mit der Heirat ihre zuvor erworbenen Rentenansprüche auszahlen, da sie ja über den Ehemann abgesichert waren. Die Lücken in den Erwerbsbiographien von Geschiedenen waren damit riesig. Die Kohl-Regierung ermöglichte es daher Frauen, gegen einen Einmalbetrag – umgerechnet meist zwischen 5.000 und 10.000 Euro – Rentenansprüche zu erwerben. Für die Frauen wurde das zum Geschäft ihres Lebens. Diese Einmalzahlungen werden heute mit 100 Prozent und mehr verzinst – pro Jahr! Das heißt, wer 1995 einmal 5.000 Euro an die GRV überwiesen hat, bekommt heute eine Rente von 400-500 Euro monatlich.

Die letzte Merkel-Regierungen dachten sich auch viele Rentenspäße aus. Frührenten (Rente mit 63), Mütterrente waren davon nur einige. Richtig irrwitzig wurde es mit der Grundrente. Die gesetzliche Rente ist als Versicherungsleistung nachgebildet. Wer viel einzahlt, bekommt viel heraus. Politiker nannten das früher eine Belohnung für Lebensleistung. Lang, lang ist’s her. Mit der Grundrente wurde dem erfundenen Missstand abgeholfen, dass Beitragszahler mit relativ geringer Erwerbsbiographie und niedrigem Einkommen meist aufgrund von Teilzeit sehr geringe Ansprüche erworben hatten.

Kein Problem, sagte da die völlig enthemmte Sozialpopulistin. Seit 2021 werden deswegen solche Renten durch den Beitrags-/ Steuerzahler aufgefüllt, weitgehend ohne auf andere Absicherungen zu schauen. Es sind solche Maßnahmen, welche die theoretischen Renditen der echten Beitragszahler auffressen. In anderen Ländern werden solche Leistungen oft der privaten Vorsorge überlassen. In Italien sind zwar die Rentenbeiträge sehr hoch, die Leistungen des Staates sind es allerdings auch. Im Gegenzug zu hohen Renten existiert in dem südlichen EU-Land aber praktisch keine staatliche Versorgung von Langzeitarbeitslosen analog zum deutschen Bürgergeld. Und wer nicht einzahlt, bekommt eben auch nichts. Auch in Griechenland und Spanien funktioniert das Prinzip hoher Renten gegen hohe Beitragszahlungen so. Dazu verzichtet man auf die Flankierung durch umfangreiche sozialpolitische Maßnahmen.

Ein weiteres Problem ist die Koppelung der Renten an die Entwicklung der Lohneinkommen. Der Zusammenhang liegt in der Natur der Sache, anspruchsberechtigt sollten nur solche Bürger sein, die Beiträge gezahlt haben. Die Politik hat dieses Prinzip immer weiter aufgeweicht, ohne die dafür notwendigen gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen. Als Anfang der Neunzigerjahre der CDU-Vordenker Kurt Biedenkopf zusammen mit seinem Spiritus rectus Meinhardt Miegel für die steuerfinanzierte Basisrente stritt, wurde er von den Sozialpolitikern aller Fraktionen (die FDP hatte damals keine echten) angefeindet. Doch inzwischen bewegt sich der deutsche Staat genau in diese Richtung, die beitragsfinanzierte Rente in eine allgemeine Gleichheitsrente umzuwandeln. Das dürfte noch große verfassungsrechtliche Probleme verursachen, denn aufgrund der Zahlungen in Form von Beiträgen – das ist nicht bloße Semantik – stehen sie unter dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes.

So schlägt das DIW dieser Tage ein Ausgleichssystem zwischen besser und schlechter situierten Rentenempfängern vor mit dem Ziel der Nivellierung. Der Vorschlag der Forscher ist übrigens von der früheren Führung der Grünen Jugend geklaut, was zeigt, wie tief das DIW unter der Leitung ihres Chefs Fratzscher gesunken ist. Der eigentlich richtige Gedanke der FDP einer Aktienrente wird dagegen nicht weiterverfolgt. Richtig in der Idee, nicht bezüglich des Zeitpunkts.

Die an die Löhne geknüpfte Umlagerente war aus der Not geboren. Wie meist in der Geschichte aus der Not der Fehler der Alten. Anfang der Fünfzigerjahre gab es zwar schon viele alte Menschen, nur hatten diese in zwei Weltkriegen ihre damals noch kapitalgedeckte Rente sprichwörtlich zerschossen. Das Einzige, was noch da war, war das Potential der Kinder. Also verpflichtete Bundeskanzler Adenauer, dass diese ihre künftigen Einkommenszuwächse mit den Alten teilen müssten.

Seit 1991 sind die Bruttolöhne um gut 250 Prozent gestiegen. Folglich können Renten, die von der Lohnentwicklung abhängig sind, höchstens um diesen Faktor zunehmen. Tatsächlich stieg die individuelle Rente nur um 180 Prozent, während gleichzeitig die Rentenbeiträge (zusammen mit der später eingeführten Ökosteuer) gravierend anzogen. Die Erklärung für diese Entwicklung finden sie obenstehend.

Hätten die Bürger dagegen die Gelegenheit gehabt, ihre Altersvorsorge am Kapitalmarkt anzulegen, wären sie heute wesentlich besser versorgt. Der deutsche Leitindex DAX stieg im gleichen Zeitraum um den Faktor 12,6, der ETF MSCI World legte immerhin um 800 Prozent zu. Sicher, in der Zwischenzeit hätte die Welt untergehen oder zumindest eine Atombombe auf die deutsche Industrie geworfen werden können. Abseits solcher eher theoretischen Einwände läge allerdings heute eine rein kapitalbasiert gebildete Rente nicht bei mageren 1.370 Euro, sondern bei gigantischen 7.500 bis 12.000 Euro. Die Differenz ist der Betrag, um den der deutsche Staat seine Bürger betrogen hat.

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  • Stefan Sasse 27. Juli 2025, 09:45

    Danke für die Zusammenstellung. Abgesehen von deiner tendenziösen Sprache habe ich vor allem einige Fragen.

    1) Du weißt korrekt auf die Belastung etwa durch die Frauen hin (wobei mir unklar ist, warum dieselbe Argumentation nicht für die DDR-Arbeitslosen und -Frührentner*innen gelten soll), aber ignorierst, dass das zwar natürlich die Rentenkasse belastet, dass die Leute aber so oder Leistungen bekommen würden. Also ja, da kriegen die Frauen jetzt 400-500€ im Monat, okay, aber das reicht ja auch nicht zum Leben. Der Rest kommt ja dann vermutlich aus Sozialhilfe, und wenn sie diesen tollen Deal nicht gemacht hätten, würde das alles aus Sozialhilfe kommen. Meine Frage also: ist das nicht ein Rechte Tasche-Linke Tasche-Problem? In dem Fall ist die Minusbilanz halt bei der Rente, sonst wäre sie bei der Agentur für Arbeit, die wir ja auch bezahlen, sowohl mit Sozialbeiträgen als auch Steuern.

    2) Was mir in den Darstellungen zur Aktienrendite immer abgeht und wo ich den Vorwurf der Milchmädchenrechnung aufstellen würde ist das Ausmaß. Es ist ja völlig unseriös anzunehmen, dass ich den Aktienmarkt mit der Entwicklung, die er genommen hat, 1:1 extrapolieren kann, wenn 80 Millionen Deutsche jeden Monat mehrere hundert Euro anlegen. Wo soll dieses ganze Kapital denn hin? Das wäre eine Geldschwemme von riesigem Ausmaß, und ich verstehe natürlich nicht so viel von Wirtschaft wie du, aber auch Aktienrenditen müssen doch irgendwie verdient werden?

    3) Daran anschließend: der Aktienmarkt-Median ist natürlich nett, aber was mach ich, wenn ich einer Rezession oder Finanzkrise in Rente gehe?

    4) Worauf du gar nicht eingehst, ist ein Standardargument der Linken: private Rentenversicherungen haben bis zu 20% Verwaltungskosten, die gesetzliche nur so 2,5%. Was ist damit?

    5) Du weist korrekt auf den Hintergrund des deutschen Rentensystems hin (wobei das ja noch bis weit vor 1945 zurückgeht), aber lässt das so stehen, als ob die Folgerung wäre, dass es einen radikalen Systemwechsel bräuchte. Der ist aber wegen der Pfadabhängigkeit, unter anderem der von dir angesprochenen Besitzstandswahrung durch das BVerfG, ja gar nicht zu machen. Also was ist die genaue Konsequenz? Kommt da noch ein Artikel?

    Das wär’s erstmal.

    • Stefan Pietsch 27. Juli 2025, 12:15

      Eigentlich habe ich mich um eine neutrale Sprache bemüht. Schade, dass das nicht so angekommen ist. 🙂

      Danke für Deine Fragen, denn sie berühren Grundsätzliches. Genau darüber will ich diskutieren. Die Überschrift der kleinen Serie lautet ja, dass wir weit mehr vom Sozialstaat erwarten als dieser leisten kann.

      1. Die Leistungsfähigkeit jeden Umlagesystems bestimmt sich durch das Verhältnis von Zahlern zu Empfängern. Es ist dabei erstmal völlig egal, ob es sich bei den Transferempfängern um Rentner, Arbeitslose oder (eigene) Kinder handelt. Geld fließt von den einen zu den anderen. Gibt es wenige Empfänger, aber viele Zahler, können die Leistungen üppig sein, während die individuelle Belastung gering bleibt. Das ist umso einfacher nachzuzeichnen, weil in den deutschen Umlagesystemen überhaupt keine Reserven gebildet werden.

      Im Rahmen der Wiedervereinigung wurden 15 Millionen DDR-Bürger in das deutsche Renten-, Gesundheits- und Arbeitslosensystem integriert. Die DDR hatte eine ähnliche Altersstruktur wie die Bundesrepublik. 1990 kamen auf einen Rentner 2,83 Beitragszahler, was vor dem Mauerfall in den ostdeutschen Ländern vergleichbar war. Allerdings sank aufgrund der rasant steigenden Arbeitslosigkeit die das Verhältnis, im Tief kamen glaube ich kaum 2 Beitragszahler auf einen Rentner. Systemtechnisch hätten damit eigentlich die DDR-Renten gesenkt werden müssen.

      Die Zahlungen, die Frauen in den Neunzigerjahren leisteten, kamen den damaligen Rentnern zugute. Sie versickerten also in einer großen Masse. Die heutigen Sonderrenten an diese Frauen müssen von den heutigen Beitrags- und Steuerzahlern erbracht werden. Das wäre verkraftbar, läge die „Rendite“ der Einmalzahlungen auf dem üblichen Niveau von 2-6 Prozent. Bei 10.000 Euro Einmalzahlung hätte so eine Frau also einen Rentenanspruch von höchstens 600 Euro im Jahr. Stattdessen erhält sie 10.000 Euro und mehr. Das ist eine enorme Zusatzbelastung.

      In den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren bekamen Frauen dann und so viele Kinder, wie es die finanziellen Mittel des Paares hergaben. Heute gibt es da eine deutlich entgegengesetzte Beziehung. Das ist aber ein eigenes Thema. Jedenfalls sind die meisten dieser Frauen finanziell bestens versorgt. Sie haben eigene Ansprüche, partizipieren an den Renten ihrer Ehemänner, erhalten Witwenpensionen, besitzen Kapitallebensversicherungen und Mieteinnahmen. Jede DIW-Studie zeigt, wie gut Rentner im Allgemeinen versorgt sind. Es gibt da kein gesellschaftliches Problem. Der Staat legt halt einfach auf die gute Versorgung noch ein paar hundert Euro drauf. Die CSU begründet die Mütterrente deswegen ja auch ausschließlich mit der Forderung nach horizontaler Verteilungsgerechtigkeit zwischen allen Müttern. Niemand erwartet eine Entlastung an anderer Stelle durch die Mütterrente.

      2. Ich habe im Artikel bewusst offen gelassen, ob die Kapitalbildung individuell oder über eine staatliche Stelle vorgenommen würde. Das ist gerade in der Nachschau nicht die Frage, denn sie ist ja geklärt. Der Staat „verwaltet“ das Kapital und hätte er es seriös angelegt, könnte er weit höhere Renten zahlen.

      Nun zu den Zahlen: Der US-Finanzmarkt hat ein Volumen von 60 Billionen Dollar, der europäische von 12 Billionen Dollar bei vergleichbarer Bevölkerungsgröße und Vermögen (Stand: 1990). Allein die deutschen Rentenansprüche haben einen geschätzten Barwert von 6-8 Billionen Euro. Das ist also das, was der deutsche Staat heute auf der hohen Kante haben müsste, um die bisher entstandenen Anwartschaften auszahlen zu können. Wenn Du zu den 8 Billionen Euro noch die bisher nicht kapitalisierten Anspräche aus den übrigen EU-Ländern von vielleicht 12-14 Billionen Euro nimmst, kommst Du auf eine theoretische Summe des Finanzkapitals von 32-34 Billionen US-Dollar. Das ist immer noch weit weniger als der US-Markt abbildet.

      Was passiert mit dem Kapital? Nun, zunächst steigen die nominalen Vermögenswerte, sprich Aktienkurse durch die höhere Nachfrage. Das drückt sich im Kurs-/Gewinnverhältnis der Aktien aus, also im Grunde der Unternehmenswert im Verhältnis zum Jahresgewinn. US-Aktien sind weit höher bewertet. Tesla hat ein KGV von knapp 200 (Stand: 2024 – before Musk went crazy), BMW nicht einmal von 7. BMW ist in Worten von Analysten ungleich niedriger bewertet und das resultiert aus der geringen Nachfrage im Heimatmarkt.

      Doch mehr Kapital treibt nur kurzfristig die Kurse. Ist der heimische Kapitalmarkt größer, steigen die Chancen auch für kleinere und mittlere Unternehmen wie für verrückt erscheinende Ideen, frisches Kapital zu bekommen. Wenn jeder Tesla-Aktien will (ich weiß, dummes Beispiel heute) und Tesla sehr teuer ist, wird es attraktiver nach jungen Leuten zu schauen, die etwas anderes machen wollen. Das zeigt sich an der hiesigen Private-Equity-Industrie: PEs werfen auf mittlere Sicht höhere Renditen ab als DAX-Unternehmen.

      3) Die Frage stellt sich fast jeder Anfänger am Kapitalmarkt. Aber wie gesagt, die Anlage des Kapitals kann auch durch ein öffentliches Management erfolgen, was dem deutschen Sicherheitsgedanken mehr entgegenkommt. Entscheidend ist nur, dass sich der Staat bei der Verwaltung des gesellschaftlichen Vermögens an solchen Benchmarks messen lassen müsste. Nach einem Jahr am Aktienmarkt merkt auch Lieschen Müller, dass die Kurse schwanken und manchmal nach unten laufen. Bauern wissen das seit Jahrhunderten. Ein Bauer, der im Herbst die Saat ausbringt, weiß ungefähr, wie hoch der Marktpreis im Frühjahr sein muss, wenn er seine Ernte ausbringt. Im Mai 2025 lag der Weizenpreis bei $520. Wenn seine Kalkulation auf einem Preis von $550 basiert, hat er ein Problem. Aber das wusste er im Herbst, folglich sichert er sich ab und kauft Hedgeprodukte wie Futures, die auf einen Preis von $550 laufen. Ich will das an der Stelle nicht zu weit auswalzen, aber wer sich am Kapitalmarkt absichern will, der hedged. D.h. er kauft Derivate, die genau in die Gegenrichtung spekulieren. Fällt aufgrund einer Rezession der Depotwert, wird der Verlust durch den Gewinn durch gegenläufige Derivate ausgeglichen. Eine Art Versicherung. Das kostet zwar und geht folglich zulasten der Rendite, aber es stabilisiert.

      4) Verwaltungskosten sind betriebswirtschaftlich solche Aufwendungen, die sich nicht direkt dem Verkaufspreis zurechnen lassen. Bei Rentenversicherungen sind das neben den Aufwendungen für Vertrieb die für das Management des Kapitals sowie die Absicherung. Und hier liegt der große Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung. Private Rentenversicherer müssen eine konstante Auszahlung über Jahrzehnte garantieren. Der Gesetzgeber reguliert darüber hinaus, in dem er den Rentenversicherer die Möglichkeit vorenthält, das Kapital in nennenswerten Umfang in hochrentierliche Anlagen wie Aktien anzulegen. Sie sind hauptsächlich zu Anlagen in Staatsanleihen gezwungen, die niedrig rentieren und verzinsen.

      Das Management der GRV braucht sich um solche Themen keine Gedanken zu machen. Sie brauchen nicht einmal potentielle Kunden zu werben und ihr Produkt zu erklären. Jeder Arbeitnehmer ist automatisch und zwangsweise ihr Kunde. Die GRV muss sich nicht einmal Sorgen über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu machen, sie kann nicht pleite gehen. Fehlen in einem Monat ein paar Milliarden Euro Einnahmen aufgrund eines kurzfristigen Wirtschaftseinbruchs, springt der Bundesfinanzminister ein und überweist die fehlenden Milliarden. Hat der auch zu wenig in der Kasse, nimmt er einfach einen neuen Kredit auf.

      Eine solche Absicherung, noch dazu völlig kostenlos, wünscht sich nicht nur jedes Unternehmen, sondern auch jeder Bürger. Nur, nichts auf dieser Welt ist wirklich kostenlos und die tatsächlichen Kosten für diese Form der Vollkaskomentalität sind enorm. Genau deswegen mache ich immer deutlich, dass ich kein Freund solcher Rentenversicherungen bin. Ich selber habe auch keine. Außerdem spreche ich nicht grundsätzlich gegen jede Form staatlicher Umlage. Nur eben hat es uns arm gemacht, hauptsächlich auf dieses System zu setzen.

      5) Ich habe in den letzten Jahren immer wieder deutlich gemacht, dass aus finanzwirtschaftlicher Sicht der Zug für eine Systemumstellung abgefahren ist. Alles hat seine Zeit. Wer sie verpasst, kann nicht die Uhren auf Null stellen. Biedenkopf/Miegel unterbreiteten ihre Vorschläge in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre. Damals wäre eine Systemumstellung auf eine steuerfinanzierte Basisrente machbar gewesen. Meine Generation hätte zwar höhere Aufwendungen gehabt, aber wir ständen heute besser da als es der Fall ist. Heute wäre es der purer Wahnsinn, die Belastungen einer schmaler werdenden Alterskohorte noch zusätzlich zu steigern. Auch deswegen kam Lindners Aktienrente schlicht zu spät. Richtiger Ansatz, aber erst mit Wirkung in zwanzig Jahren.

      Bevölkerungsforscher sagten exakt das voraus, was eingetreten ist: In den Nullerjahren schloss sich das Zeitfenster für entsprechende Veränderungen und Mitte der Zwanzigerjahre kippt das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenempfängern. Genau das passiert gerade. Merkel hat die zaghaften Ansätze ihres Vorgängers nicht weiterverfolgt, die Kapitalfundierung zu stärken und stattdessen die Leistungsansprüche in unverantwortlicher Weise (Aufhebung des demographischen Faktors, Mindestrente, Mütterrente) in der aufziehenden Krise ausgeweitet und als Gipfel ihrer Harakiri-Politik noch die Basis beschädigt, in dem sie die gerade abgeschafften Frühverrentungsprogramme wieder einführte wie z.B. die Rente mit 63.

      • Stefan Sasse 27. Juli 2025, 18:32

        Neutral würde ich nicht erwarten, und für deine Verhältnisse hast du dich sehr zurückgenommen ^^ In der zweiten Hälfte hat dann die Selbstbeherrschung etwas nachgelassen 😀

        Danke für die Infos! Bin mal gespannt, wie es weitergeht.

        • Stefan Pietsch 27. Juli 2025, 20:13

          Danke, das ist ja fast schon ein Kompliment. 😉

          Ich habe noch das Bürgergeld und den Mindestlohn in petto, wie angekündigt. An letzterem bist Du schuld.

      • Erwin Gabriel 27. Juli 2025, 19:00

        @ Stefan Pietsch 27. Juli 2025, 12:15

        Eigentlich habe ich mich um eine neutrale Sprache bemüht. Schade, dass das nicht so angekommen ist.

        Doch. Vergleichsweise zurückhaltend, auch nicht anders als ich in meinem Artikel

        • Stefan Sasse 28. Juli 2025, 06:57

          Ich stolperte vor allem über „völlig enthemmte Sozialpopulistin“, aber wie gesagt, wesentlich zurückhaltender als sonst.

          • Erwin Gabriel 28. Juli 2025, 09:45

            @ Stefan Sasse 28. Juli 2025, 06:57

            Ich stolperte vor allem über „völlig enthemmte Sozialpopulistin“, aber wie gesagt, wesentlich zurückhaltender als sonst.

            Na gut, „völlig enthemmt“ ist hier etwas übertrieben. Dem ganzen Artikel aufgrund dieser Formulierung „tendenziöse Sprache“ zu unterstellen aber auch. 😉

    • Lemmy Caution 27. Juli 2025, 12:15

      3) Man sollte mindestens 3 bis 5 Jahre vor Renteneintritt auf sichere Aktiva wie Staatsanleihen umschichten.
      4) Die 20% Verwaltungskosten für private Rentenversicherungen erscheinen mir übertrieben. Du betreibst ja mit deinem individualisierten Rentenkapital ja kein day-trading. In Chile ist der Verwaltungsaufwand v.a. so hoch, weil die AFPs viel Geld für Werbung ausgeben. Das liesse sich kappen.

  • Lemmy Caution 27. Juli 2025, 10:52

    Die Herausforderung für einen Systemwechsel in der Rente vom Umlageverfahren zum Kapitaldeckungsverfahren liegt in der Transitionsphase. Damit abhängig Beschäftigte mehr Mittel für Rücklagen in der Kapitaldeckung haben, müssten sie im Umlageverfahren entlastet werden. Die jetzigen Rentner sind aber von den Zahlungen ins Umlageverfahren abhängig.
    Ohne jede Umverteilung bei Renten geht es auch nicht. In Chile hatte das eine brutale Diktatur ab einem bestimmten Jahr eingeführt. Als diese Jahrgänge dann in Rente gingen, stellte man fest, dass alte Leute mit extrem geringen Alterseinkünftgen verelenden. Man führte dann für solche Leute eine Mindestrente ein, die etwa 250 Euro monatlich beträgt und von der man im Grunde auch nicht alleine leben kann. Südamerikaner äußern sich öfters überrascht über die vielen alten Leute, die in Europa noch sichtbar aktiv am sozialen Leben teilnehmen.
    Deutschland führte ja mit Riester & Rürup zusätzliche Rentenarten ein, die auf Kapitaldeckung basieren. Hier hat man strenge Regularien geschaffen, die diese Rentenarten on top insbesondere für wenig-Verdiener inatraktiv machen und insgesamt die Versicherungswirtschaft schon ein bisschen übervorteilen. Allerdings kann man da sehr starke Steuervorteile mit Renditen von ETFs und einer großen Auswahl von Fonds verbinden. Hier ist ein Beispiel für eine solche Auswahl: https://www.hannoversche.de/dam/fonds-re/werbedruckstuecke/broschuere-fondsauswahl-fondsgebundene-rentenversicherung.pdf

    • Stefan Pietsch 27. Juli 2025, 12:16

      Das ist alles richtig, nur bringt uns die Erkenntnis für das Heute wenig. Ansonsten habe ich Stefan zu dem Punkt ausführlich geantwortet.

      • Lemmy Caution 28. Juli 2025, 10:18

        Welche politischen Maßnahmen würdest Du aus deinen seit Jahrzehnten bekannten Erkenntnissen operationalisieren?
        Ich habe ja meine privaten Entscheidungen daran angelehnt, d.h. viel Geld in das private Rentensparen gesteckt… aber welche Weichen sollten poltitisch gestellt werden?

        • Stefan Pietsch 28. Juli 2025, 11:22

          Das Problem ist, der Politik sind zunehmend die Hände gebunden. Das sagen alle Experten bis hin zum Bundesrechnungshof. Das steht im Bericht über die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen. Die Entwicklung eines Staatswesens ist eine sehr langwierige Geschichte. Kurzfristige Eingriffe schaden nur, allerdings haben wir diese Lexikon nicht gelernt. Es ist wie beim Aktienhandel, Daytrading, Investment: Hektische Bewegungen kosten vor allem Geld.

          Die wesentliche Stellschraube ist nun, die Erwerbstätigkeit hoch zu halten und den Zufluss in die Sozialsysteme zurückzudrängen. Dazu muss der Zuzug unqualifizierte Migranten nach Möglichkeit auf Null gesetzt und die hier lebenden Migranten unter Erwerbsdruck gesetzt werden.

          • Lemmy Caution 28. Juli 2025, 12:48

            Die einzige Stellschraube sind nach deiner Aussage schlecht ausgebildete Migranten?
            Ich bin inzwischen schon der Meinung, dass wir da Grenzen setzen müssen und zwar schnell und deutlich.
            „Imagine there’s a border… its easy if you try.“
            https://www.youtube.com/watch?v=125Kv_U2mEo
            Aber wir müssen da differenzieren. Wir brauchen jeden marokkanischen Ingenieur und jede iranische Ärztin.
            Es wird nicht freundlich sein.
            Und das wird nicht jedes strukturelle Problem unseres Landes lösen.

            • Stefan Pietsch 28. Juli 2025, 12:57

              Nein. Aber es ist eine der wenigen. Unsere ganzen Sozialsysteme basieren auf dem Faktor Arbeit. Reduziert sich die Arbeitsmenge, liegt das Sozialsystem auf der Intensivstation. Fakt ist, dass sowohl der relative Anteil als auch die absolute Anzahl von Ausländern im Bürgergeld sich innerhalb weniger Jahre extrem erhöht hat. Die jährlichen Anpassungen im Bundeshaushalt gehen auf sie zurück. Wer erwirtschaftet die Steuern für diese Zahlungen? Der marokkanische Ingenieur wird es nicht reißen.

              Es ist pure Mathematik, Lemmy: Zahl der Transferempfänger dort reduzieren, wo es möglich ist, Arbeit erhöhen. Der Faktor Frauenerwerbsarbeit, der in den letzten zwanzig Jahren wichtiger Treiber war, ist weitgehend ausgereizt. Als Olaf Scholz für den Tragfähigkeitsbericht verantwortlich war, hoffte er noch, die durchschnittliche Stundenzahl von 32 auf 33 steigern zu können. Doch bis heute hat sich an der Front nichts getan. Frauen wollen einfach nicht, Männer nicht mehr. Du kannst Menschen, die für ihre Finanzen selbst verantwortlich sind, nicht zwingen, bis ins höhere Alter zu arbeiten. Ich halte auch da das Potential für überschaubar. Das ist übrigens alles nicht neu, das schreibe ich seit 10 Jahren. es ist Wahnsinn, beim Aufbau unseres Sozialsystems auch noch Millionen Migranten mit Potential Sozialhilfeempfänger ins Land zu holen. Die Nordländer haben da schon vor Jahren den Schalter umgelegt, weil das einfach idiotisch ist. Es ruiniert das soziale Geflecht.

              • Lemmy Caution 28. Juli 2025, 17:43

                So dramatisch ist der Ausländeranteil am Bürgergeld nun auch nicht gestiegen.
                https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1560171/umfrage/auslaenderanteil-bei-arbeitslosengeld-ii-buergergeld-in-deutschland/

                Ich sehe mich nicht im Besitz „der Mathematik“. Die nächsten Jahre werden Fahren auf Sicht sein.

                • Stefan Pietsch 28. Juli 2025, 18:07

                  Vor 10 Jahren waren 21 Prozent der Hartz-IV-Bezieher ohne deutschen Pass. Inzwischen sind es knapp 50 Prozent und dabei sind jene Bürgergeldempfänger mit Migrationshintergrund (mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren) nicht berücksichtigt. Lemmy, das Problem wird eigentlich von keinem Arbeitsmarktexperten bestritten.

                  • Lemmy Caution 28. Juli 2025, 20:23

                    Du siehst alles immer ziemlich unterkomplex. Wie teuer sind denn diese 49% Bürgergeld/Hartz4 Empfänger? Geben wir inzwischen nicht viel mehr Geld für Rentenunterstützung aus? Gibt es nicht viel mehr sozialversicherungszahlende Migranten? Ist nicht vielleicht die Islamisierung ein viel größeres Problem als die Sozialkassen? Haben nicht vielleicht die vielen AfD Wähler im Ruhrgebiet Gründe, die zu wenig interessieren?
                    Du nimmst eine Statistik und erklärst sie zu DEM PROBLEM und wenn das gelöst wird, dann ist alles wieder 2020 nur mit besseren Fußballnationalmannschaften (Männer und Frauen)?

                    • Stefan Pietsch 28. Juli 2025, 21:42

                      Das ist wohl ein ziemlich absurder Vorwurf. Du hast gefragt, an welchen Stellschrauben gedreht werden könnte. Ich habe das detaillierter begründet. Das scheint Dir nicht zu gefallen.

                      Wenn von über einer Million ukrainischen Kriegsflüchtlingen nur 20 Prozent arbeiten, während es in anderen Ländern 80 Prozent sind, dann ist das ein soziales Problem mit ordentlich gesellschaftspolitischem Sprengstoff. Der Unterschied kostet Steuergeld. Das ist der Unterschied zu Beitragszahlungen in die Rentenversicherung: Dafür haben die Rentenempfänger etwas geleistet. Bürgergeldempfänger haben nichts geleistet. Im Artikel ist ja auch aufgeführt, warum die inhärente Rendite der Rente so niedrig ist wie sie ist.

                      Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit solchen sozialpolitischen Fragen. Und zwar in der Form, dass ich Studien lese und nicht einfach Meinungsartikel. Du sagst, toll wenn ein Flüchtling nach 10 Jahren arbeitet und übersiehst die drei dahinter, die es nicht tun. Das ist doch ziemlich unterkomplex.

                    • Lemmy Caution 29. Juli 2025, 09:02

                      Ich habe gestern angefangen, mich mit sozialpolitischen Fragen zu beschaeftigen.
                      Ich kann sehr technische Modell-Papers Multifaktoranalysen lesen, mache das nur sehr selten und wenn dann folge ich dem Rat des uebrigens ziemlich wirtschaftsliberalen Profs meiner VWL Diplomarbeit, der mir mit Schweizer Akzent sagte: „Die Mathematik ueberlese ich immer. Selbstverstaendlich beherrschen die ihre Modelle mathematisch.“
                      Modelle stellen eine Vereinfachung der Realitaet dar und basieren auf Annahmen. Diese Annahmen muss man im Einzelfall kritisch hinterfragen.
                      Ich schaue gerne Interviews und Diskussionen auch mit Wissenschaftlern (Soziologen, Oekonomen, Politologen, Historiker, etc.) mit sehr diversen ideologischen, herkunftsmaessigen und sprachlichen Background, d.h. Englisch, Spanisch, Franzoesisch, Deutsch, Portugiesisch). Da erfahre ich aus meiner Sicht effizienter ueber die Quintessenz ihrer Forschungen.

                • Erwin Gabriel 28. Juli 2025, 22:50

                  @ Lemmy Caution 28. Juli 2025, 17:43

                  So dramatisch ist der Ausländeranteil am Bürgergeld nun auch nicht gestiegen.

                  In zehn Jahren grob mehr als verdoppelt von etwas über 20% auf knapp 50% nennst Du nicht dramatisch?

                  Spannende Wahrnehmung.

                  • Lemmy Caution 29. Juli 2025, 08:36

                    Sozialausgaben 2023 insgesamt: 1.249 Mrd Euro (KI Anfrage google)
                    Ausgaben f Buergergeld inklusive Hilfen fuer Heizen: 37 Mrd Euro (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1449979/umfrage/bundesausgaben-fuer-arbeitslosengeld-ii-hartz-iv-buergergeld/)
                    Natuerlich sind 37 Mrd kein Pappenstiehl, aber im Kontext der gesamten Sozialausgaben auch nicht dramatisch. In den 37 Mrd sind die Kosten fuer Medizin nicht drin.

                    • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 09:46

                      Du benutzt einen einfachen Trick, um die Zahl möglichst klein zu halten. Der Trick heißt extrapoliere den Nenner. Von den 1,2 Billionen Euro Sozialausgaben sind 1,0 Billionen Euro durch Beiträge unterlegt, es besteht also ein Äquivalent für die Leistung. Anders verhält es sich bei Sozialausgaben, die aus Steuern bestritten werden, wie z.B. das Bürgergeld. Neben der Direktüberweisung an die Deutsche Rentenversicherung i.H.v. 130 Milliarden Euro ist die Sozialleistung an Langzeitarbeitslose einer der wichtigsten Haushaltsposten des Bundes. Neben den reinen Geldleistungen von 37 Milliarden Euro treten hohe Verwaltungs- und Vermittlungskosten, so dass sich der Haushaltsansatz des Bundes auf 52 Milliarden Euro addiert. Das bedeutet ein saftiges Plus gegenüber dem Vorjahr mit 47 Milliarden Euro, mithin ein Ausgabenwachstum von über 10 Prozent. Setzt Du diese 52 Milliarden Euro in Beziehung zu den 249 Milliarden Euro, so kommst Du auf eine Größenordnung von 21 Prozent. Also jeder fünfte Steuer-Euro, den der Bund einnimmt, geht für das Bürgergeld drauf. Und davon bekommen Ausländer die Hälfte. Die Bürger verstehen die Zahlen nicht, aber sie verstehen, dass es unverhältnismäßig viel ist.

                    • Lemmy Caution 29. Juli 2025, 10:47

                      Belege bitte die Ausgabe, dass 1,0 Billionen „durch Beitraege unterlegt“ sind. Willst Du mir erzaehlen, das 83,3% der Sozialausgaben von den Einzahlungen in den Sozialversicherungen gedeckt sind? Das waere schoen.
                      Nach meinen Informationen deckt die gesetzliche Rentenversicherung 29,1 % und die gesetzliche Krankenversicherung 23,1% der Sozialausgaben ab. Vor allem die Rentenversicherung erhaelt gewaltige Transferzahlungen aus dem Bundeshaushalt.
                      Im Jahr 2021 betrugen die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden 833,2 Milliarden Euro. Was sollen die 249 Mrd Euro?

                    • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 11:52

                      Die Rentenversicherung verteilt so 340 Milliarden Euro. Dazu kommen Pensionen von so 70 Milliarden Euro. Die Krankenversicherungen verteilen Pi mal Daumen 280 Milliarden Euro, die Pflegeversicherung 60 Milliarden Euro, die Arbeitslosenversicherung auch so 50 Milliarden Euro. Das sind über 800 Milliarden Euro. Dazu kommen die kleinen Träger von Knappschaften, Selbständigen und so weiter, womit wir auf 0,9 bis 1,0 Billionen Euro kommen. Lemmy, das weißt Du im Grunde selber! Was führst Du denn für einen Debattenkampf?!

                      Die Gesamtausgaben des Staates belaufen sich auf rund 1,8 Billionen Euro, inklusive seiner Parafisci. Und Mathematik: Wenn die gesamten Sozialausgaben auf 1,25 Billion Euro laufen, die mit Äquivalenzbezug 1,0 Billion Euro, dann sind 0,25 Billion Euro ohne Äquivalenz, also rein aus allgemeinen Steuermitteln. Das ist zwar alles grob, aber Deine Rechnung war rein manipulativ.

                    • Lemmy Caution 29. Juli 2025, 15:07

                      Belege mir mal die 14 Mrd Euro Verwaltungs- und Vermittlungskosten kosten fuer das Buergergeld.
                      37 Mrd Euro werden inklusive Heizzuschuss ausbezahlt. 50% der Bezieher kommen aus dem Ausland. Das sind dann 18 Mrd im Verhaeltnis zu 250 Mrd. 2024 betrug der Bundeszuschuss zur Rente allein 87,8 Mrd.

                      Natuerlich belasten die Fluechtlinge die Sozialkassen und ich bin ja nun wirklich nicht pro-Asyl. Aber wenn das die „einzige Stellschraube“, fuer die Zukunftsfaehigkeit unseres Sozialsystems ist, dann gnade uns Gott, zumal ja viele der grossen Asylwelle 2015 ins Land gespuelte Auslaender inzwischen einen Job haben und ins Sozialsystem einzahlen.

                    • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 16:54

                      Es gibt dafür mindestens zwei Möglichkeiten und als ITler solltest Du sie kennen: Entweder lässt Du die KI suchen oder Du gehst auf die Seite des BMF und schaust in den Haushaltsplan. Funktioniert beides, letztes dauert nur länger.

                      So habe ich das nicht gesagt. Es ist doch völlig unstreitig, dass die Konsolidierung der Anzahl der Beitragszahler oberste Priorität haben muss. Darauf zielen doch sämtliche Vorschläge, von der Erhöhung der Frauenerwerbsarbeit bis zur Ausweitung der Beschäftigung Älterer. Doch die letzten beiden Punkte halte ich für weitgehend ausgereizt. Wo aber noch ein gewisses Potential steckt ist der Bereich, wo die Erwerbstätigkeit bisher weit unterdurchschnittlich und die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist: Bei den Migranten.

                    • Stefan Sasse 30. Juli 2025, 07:05

                      Ich glaube, niemand hat was dagegen, wenn die mehr arbeiten 😀

                    • Stefan Pietsch 30. Juli 2025, 09:08

                      Tja, wenn das vom Himmel fällt, schön. Aber warum Ukrainer in Deutschland weit weniger arbeiten als in Polen, Niederlanden, Dänemark – so richtig interessiert uns das nicht.

                    • Stefan Sasse 30. Juli 2025, 14:34

                      Ich fände das schon interessant, aber ist ja nicht so, als drehte sich da die Debatte drum.

                    • Stefan Pietsch 30. Juli 2025, 15:54

                      … obwohl der Unterschied den Bund Milliarden kostet. Aber wir haben’s ja…

                    • Stefan Sasse 30. Juli 2025, 16:57

                      An mir hängts nicht!

  • Erwin Gabriel 27. Juli 2025, 11:05

    @ Stefan Sasse

    Du kannst ja mit allem argumentieren, was Du willst (linke Tasche, rechte Tasche, Verwaltungskosten etc.), aber Du kommst um den Fakt nicht herum, dass die Beitragszahler mit überdurchschnittlich hohen Beiträgen dabei sind, aber unterdurchschnittlich Rente beziehen. Ob das an versicherungsfremden Leistungen liegt, oder das man Menschen zu Beziehern macht, die nicht eingezahlt haben, spielt dabei keine Rolle.

    • Lemmy Caution 27. Juli 2025, 12:08

      Das eigentliche Problem für das System ist die starke Erhöhung der Rentenzeit, weil wir halt länger leben.
      Jedes Rentensystem beinhaltet einen gewissen Transferanteil von den Beziehern hoher zu denen kleiner Renten.
      Zwei Dinge lassen sich innerhalb des aktuellen Systems diskutieren:
      a) Erhalten die Niedrigrentner zu viel Geld? Ich bin zu wenig informiert wie diese Leute leben.
      b) Verbesserung der Regelungen für individualisierte Kapitaldeckung für Gutverdiener, etwa das ein Teil der Ansparungen in der Rürup-Rente zu Renteneintritt ausgezahlt wird.

      Die Alternative wäre eine teilweise Aufgabe des europäischen Modells des Sozialstaats. Das will ich persönlich eigentlich nicht.

      • Erwin Gabriel 28. Juli 2025, 23:34

        @ Lemmy Caution 27. Juli 2025, 12:08

        Jedes Rentensystem beinhaltet einen gewissen Transferanteil von den Beziehern hoher zu denen kleiner Renten.

        Keine grundsätzlichen Einwände.

        Nur: Renten sind für Menschen, die in die Rentenversicherung bezahlt haben. Und die Höhe der Rente sollte halbwegs ein Äquivalent zur Höhe der Einzahlungen sein (gerne auch mit einem Einzahlungs-Korrekturfaktor für Besserverdienende). Das, was wir haben, hat damit nichts zu tun.

        Unser Rentensystem ist keine Versicherung (heißt nur so), sondern eher eine Art Schneeballsystem. Ja klar, der Staat „bügelt aus“. Dann kann er auch an Leistungen und Empfängern hineinpacken, was er will. ABer wenn es eng wird, geht er allen ans Leder, nicht nur den versicherungsfremden Leistungen, nicht nur den „eigentlich nicht berechtigten Empfängern“.

        Als ich ins Berufsleben einstieg, war das „Rentenversprechen“ 60% des „letzten Gehalts“ (steuerfrei !), bzw. eines nach bestimmten Regeln berechneten Durchschnittsgehalts. Jetzt sind es nur noch 48%, von denen ich 84% als Einkommen zu versteuern habe (und ich habe länger gearbeitet, als ich müsste; wäre ich regulär in Rente gegangen,wären es 83%, bei einem Renteneintrittsalter von 63 Jahren hätte ich nur 81% meiner Rente als Einkommen versteuern müssen. Wer länger arbeitet, wird also durch höhere Steuern bestraft).

        Ich habe fast mein ganzes Leben lang an der Beitragsbemessungsgrenze gezahlt. Hätte ich mir statt der staatlichen Rente eine private Versicherung gegönnt (also eine Versicherung, die diesen Namen wirklich verdient), wäre meine Rente heute soppelt so hoch wie über die staatliche Regelung. Aber auch der Unterschied zu den Rentenversprechungen meiner Jugend und heute bedeutet für mich knapp 1.000 Euro weniger im Monat.

        Ja, die Rente ist offenbar sicher, ihre Höhe nicht. Als privatwirtschaftlicher Rentenversicherer müsste ich für solches Vorgehen in den Knast.

        • Dennis 29. Juli 2025, 09:35

          Schon mal in die Bilanzen der „privatwirtschaftlichen Rentenversicherer“ geguckt, wie die das so machen?

          Hier die Lösung: Staatsanleihen, Staatsanleihen, Staatsanleihen. Und bei den „privatwirtschaftlichen Rentenversicherern“ ist ein Ausfall (z.B. frühere Renditeversprechungen) unmöglich, weil der liebe Gott das verhindert? Die R-Versprechungen gibt es übrigens gar nicht. Alles unter „Vorbehalt“ – wie alles im Leben.

          • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 09:49

            Guten Morgen! Genau das habe ich geschrieben. Nur tun die Rentenversicherer das ja nicht freiwillig, sondern das Versicherungsrecht zwingt sie dazu.

        • Lemmy Caution 29. Juli 2025, 17:15

          Mit der Umstellung des chilenischen Rentensystem vom Umlagesystem zu kapitalbasierten Individualisten wurde den Teilnehmern 80% ihres letzten Einkommens versprochen. Im Schnitt kommen da nun 40% raus. Man hat aus der starken Erhöhung der Lebenszeit nie die Konsequenz gezogen die 11% Bruttogehalt Einzahlungen zu erhöhen. Galt als politisch für keine Regierung machbar. Der niedrige Wert entsteht auch dadurch, dass die Einzahlungszeiten Lücken haben und die Löhne niedrig sind.
          Das deutsche System ermöglicht ein zweites Rentenbein, das kapitalbasiert ist. Attraktiv sind Rürup und Riester durch Einkommenssteuerteuerbefreiung. Das macht sie für Gutverdiener attraktiv.

          • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 17:27

            Wahr ist allerdings auch, dass die Chilenen ziemlich wenig ihres Einkommens in das System einzahlen. Das ist ein besseres Preis-/Leistungsverhältnis als in Deutschland.

            • Lemmy Caution 29. Juli 2025, 22:07

              Das habe ich ja geschrieben. Es sind sogar nur 10%, nicht 11%. Es wird jetzt ein weiteres Standbein gebaut, in dem die Arbeitgeber irgendwann 7% des Bruttogehalts an eine Art Staats-AFP zahlen. Die Kosten der AFP sind aktuell 0,48% des Brutto-Einkommens.
              Beliebt ist das System überhaupt nicht. Allerdings finde ich die Debatten oft wenig realistisch. Mit einer hohen Lebenszeit hat Rente einfach einen hohen Preis.

    • Stefan Pietsch 27. Juli 2025, 12:17

      Genau das ist am Ende für jeden Rentenempfänger der zentrale und einzig entscheidende Punkt.

    • Stefan Pietsch 27. Juli 2025, 12:40

      Das ist zwar theoretisch richtig, in der praktischen Umsetzung nützt es aber wenig. Die Deutschen selbst wünschen sich einen frühen Renteneintritt von knapp 60 Jahren. Das ist schon heute 7 Jahre vom eigentlichen Eintrittszeitpunkt entfernt. Es ist schwierig bis unmöglich, Menschen in der Endphase eines Projekts wie eines Erwerbslebens noch einmal für einen so langen Zeitraum zu motivieren. Frauen wollen nicht länger als die heutigen 32 Stunden im Schnitt arbeiten, Männer wollen ihre Arbeitszeit verkürzen. Das ist eine sehr komplizierte Gemengenlage. Und es sind ausgerechnet die hochqualifizierten und deswegen bestens bezahlten Erwerbstätigen, die nicht einmal mit Rentenkürzungen zu schocken und zu längeren Beitragszahlungen zu zwingen sind. Die Wirkung von Rentenkürzungen und Erwerbszeitverlängerungen gehen voll zu Lasten der einfachen Beschäftigten. Ich selbst plane zwar nicht meinen Ausstieg, da ich es als sehr angenehm empfinde, über ein hohes Einkommen zu verfügen. Nur stelle ich dennoch meinen Einkommenserwerb völlig um, wovon der Sozialstaat eben wenig hat. Legal natürlich.

      a) Die Rente sollte immer Belohnung für Lebensleistung sein. Deswegen wird sie über Beiträge finanziert. Und damit steht sie unter dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes. Der Staat kann sie nicht einfach nach politischer Opportunität kürzen. Er muss zahlen. Und gerade bei den hohen Renten besteht wenig Kürzungspotential, da schon heute die „Rendite“ sich nur wenig über der Rückzahlung der gezahlten Beiträge bewegt. Eine versicherungsmathematische Minusrendite wäre eine de-facto-Enteignung.

      Vor einigen Monaten habe ich eine andere Idee ins Spiel gebracht. Der deutsche Staat ist bei den derzeitigen Beitragszahlern und Rentnern mit 6-8 Billionen Euro verschuldet. Ein Unternehmen bräuchte hierfür entsprechende Rückstellungen und damit Sicherungen. Existieren sie nicht, müssen Ansprüche durch Schuldenaufnahme abgedeckt werden, weil es keinen anderen Weg gibt.

      Ehrlich betrachtet wird sich die deutsche Sparsamkeit auf lange Sicht nicht auszahlen, zumindest dann nicht, wenn alle anderen Player in Europa, Nordeuropa und China so weitermachen wie bisher. Das globale Finanz- und Währungssystem wird kollabieren, weil es schließlich das ist, wovor stabilitätsorientierte Politiker und Notenbanker immer warnen. Allein die Pensionslasten für die Beamten addieren sich auf 2 Billionen Euro in den kommenden Jahrzehnten. Das Versprechen der Politik, das Rentenniveau bei 48 Prozent bei gleichzeitiger Beitragsstabilität zu halten, kostet weitere 3 Billionen Euro, nicht eingerechnet die ohnehin schon hohen heutigen Rentenverpflichtungen, die eine ohne Erwerbsbeschäftigung notwendig machen.

      Vor allem könnten Finanzwirtschaftler so weitermachen: Billionenlasten in der Pflege und der Gesundheit, Milliarden sind da längst keine Recheneinheit mehr. Wie in Teil 2 dargestellt, kann einem bei den Verpflichtungen schwindelig werden, für die der Staat keine Vorkehrungen getroffen hat. Finanzmathematiker wie der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen mahnen, die Älteren müssten da mit ihren Ansprüchen zurücktreten. Doch warum eigentlich? Es ist zwar verständlich, dass die jüngeren Generationen vor unvorstellbaren Belastungen stehen, doch das war immer bekannt. Der deutsche Staat hat insbesondere mit den Besserverdienenden in diesem Land einen Deal geschlossen: Hohe Belastungen, dafür Vorzugsbehandlung bei den Renten. Poor enough. Wenn er sonst noch die Mittel für alle möglichen Sponsorings ausgibt – Frührente, Mindestrente – ist das nicht die Sache der hoch belasteten Steuer- und Beitragszahler.

      Die Konsequenz liegt auf der Hand und die Konservativen haben es verstanden. Während sich die Linken wie Bolle freuen, dass aus der CDU Signale für eine Lockerung der Schuldenbremse gesendet werden, fällt ihnen gar nicht auf, dass derartige Äußerungen anders als bei SPD und Grünen nicht feigenblattmäßig mit „Investitionsbedarfen“ kombiniert werden. Denn anders als Politikern wie Saskia Esken und Ricarda Lang sind Friedrich Merz durchaus rechnerische Fähigkeiten zuzutrauen.

      Seit Jahrzehnten prophezeien Finanzmathematiker und Bevölkerungsforscher der Politik wachsende gesellschaftliche Spannungen und Haushaltsprobleme ab Mitte der Zwanzigerjahre. So schreiben es Wissenschaftler seit Jahren in die Berichte der Bundesregierung. Nach menschlichem Ermessen wird die Union dann für die Regierungsgeschäfte verantwortlich sein. Rentenkürzungen sind nach den Erfahrungen von 1998 unvorstellbar, als Helmut Kohl wegen moderaten Eingriffen in das System die Macht verlor. Notwendige Erleichterungen bei Steuern und Energiekosten werden über Schulden bezahlt werden müssen, soweit liegt der sonst bei wirtschaftlichen Dingen ziemlich ahnungslose Wirtschaftsminister recht.

      Wohin das führt? In den staatlichen und wirtschaftlichen Kollaps. Aber dieser Weg wurde vor sehr vielen Jahren beschritten.

      • Stefan Sasse 27. Juli 2025, 18:35

        Meine Prognose ist grundsätzlich, dass die Belastung weiter steigen wird.

        • Stefan Pietsch 27. Juli 2025, 20:12

          Meine zwar auch, aber was für Schlüsse ziehst Du daraus? Das Eine ist ja immer die Erkenntnis oder Analyse, das Intelligente Konsequenzen aus dem Erkannten zu ziehen. Wenn Du der Ansicht bist, die Belastung wird zunehmen – und Du scheinst ja nicht allein mit dieser Annahme – glaubst Du alle werden das wie Lemminge hinnehmen?

          Also Du kennst ja schon einmal einen, bei dem das nicht der Fall ist. 🙂

          • Stefan Sasse 28. Juli 2025, 06:57

            Ich hab keine Ahnung. Ich sehe die Pfadabhängigkeit. Ich sehe die bestehenden Besitzstände. Ich sehe die Tatsache, dass eine Kürzung der Renten elektoraler Selbstmord ist.

            • Stefan Pietsch 28. Juli 2025, 11:12

              Ich würde nicht einmal „Besitzstandswahrung“ so in den Vordergrund stellen. Prinzipiell ist es ja möglich, dass der Zwang des Faktischen die Parteien zu dem Unabänderlichen bewegt. Ich sehe z.B. kaum noch Spielraum für die Erhöhung der Beiträge. Ich habe die geringe Bereitschaft von Frauen wie Männern genannt, ihre Arbeitszeit auszuweiten. Schon durch den Mindestlohn hat die Schwarzarbeit einen Push bekommen. Hohe Lohnnebenkosten sind echtes Gift für den Standort. Auch eine weitere Absenkung des Rentenniveaus wird sehr schwierig, schon, weil die Renten eben nicht üppig sind. Debatten wie zuletzt über die Verteilung innerhalb des Systems sind Signale für den Druck auf dem Kessel.

              Die Ausweitung der Erwerbszeit scheitert meiner Ansicht nach an dem Üblichen in Deutschland: Wir sind einfach zu spät dran. Menschen benötigen Jahre Zeit für Anpassungen und Umstellungen. Gut gemacht war z.B. die Rente mit 67, miserabel das Heizungsgesetz. Wer 50 ist, hat seine Lebensplanung gemacht. Und dazu gehört die Festlegung, in welchem Alter er in den Ruhestand geht. Daran wird auch die kurzfristige Erhöhung des Renteneintrittsalters nichts ändern. Es gibt immer Möglichkeiten. Auch hier haben wir doch Erfahrungen: Die durchschnittliche Lebenserwerbszeit steigt erfahrungsgemäß nur sehr langsam, die Trägheit der Masse.

              • Stefan Sasse 28. Juli 2025, 12:58

                Ja, aber der Zwang des Faktischen sind ja auch die rechtlichen Grenzen durch das BVerfG, auf die du ja selbst hingewiesen hast. Höhere Steuerfinanzierung und/oder höhere Beiträge sind natürlich unpopulär, aber a) rechtlich zweifelsfrei möglich und b) politisch weniger toxisch als Kürzungen. Deswegen halte ich das nicht für so unrealistisch.

                • Thorsten Haupts 28. Juli 2025, 14:02

                  Yup, das wird neben dem (nur für einige Jahre tragbaren) Ausflug in die Kosumverschuldung tatsächlich der wahrscheinlichste Weg. Er hat allerdings nahezu unvermeidbar eingebaut, dass wir damit sichtbar eine Schleife über die Radikalen (heute von rechts) an der Macht ziehen werden, weil die Menschen – völlig zu Recht – Politikversagen der bisher tonangebenden Parteien als Ursache ihres sinkenden Lebensstandards identifizieren werden.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • DerDieDas 28. Juli 2025, 14:36

                    Was soll denn eine «Kosumverschuldung» sein?

                    • Erwin Gabriel 28. Juli 2025, 23:47

                      @ DerDieDas 28. Juli 2025, 14:36

                      Was soll denn eine «Kosumverschuldung» sein?

                      Wenn Geld für Konsum aufgenommen wird,nicht nur für Investitionen.

                  • Stefan Sasse 28. Juli 2025, 20:21

                    Irgendwie wird man damit umgehen müssen. Und der Ausweg wird der einzig wirklich gangbare sein.

                    • Thorsten Haupts 28. Juli 2025, 21:09

                      Es gibt durchaus noch einen zweiten, den ich inzwischen NICHT mehr für unmöglich halte: Einen Systemzusammenbruch mit einem Neustart und 20 Jahren Massenelend.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 29. Juli 2025, 08:33

                      Unmöglich ist das natürlich nicht, aber auch nicht wahrscheinlich. Das würde erfordern, dass der Staat generell nicht mehr in dem Rahmen zahlungsfähig ist.

              • CitizenK 29. Juli 2025, 08:04

                „Daran wird auch die kurzfristige Erhöhung des Renteneintrittsalters nichts ändern“

                Den Einwand verstehe ich nicht. Die Dänen haben das , zack, auf 70 gesetzt. Bei entsprechenden Abschlägen werden viele ihre Planung anpassen.

                • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 10:09

                  Das habe ich doch begründet. Klar, der Staat kann eigentlich alles machen außer für abgelehnte Asylbewerber die Unterstützung streichen oder Bürgergeldempfänger mit hundert Prozent sanktionieren. Oder die Grenzen schließen. Sonst geht eigentlich alles.

                  Wir haben ein enges rechtliches Geflecht. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass staatliche Maßnahmen maßvoll und geeignet sein müssen. Sie müssen sowohl der horizontalen als auch vertikalen Gleichbehandlung entsprechen. So wäre die sofortige Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre mit Sicherheit verfassungswidrig. Es ist ja nicht zu erklären, warum die Beitragszahler des Jahrganges 1960 mit 67 Jahren und die darauffolgenden der Jahrgänge erst drei Jahre später Renten beziehen können. Außerdem würde eine solche Verlängerung der Lebensarbeitszeit die inhärenten Renditen deutlich reduzieren. Für die oberen Renten liegen diese aber ohnehin schon bei mickrigen 0-2 Prozent. Weniger käme einer Enteignung gleich und widerspricht Artikel 14 GG.

                  Dazu stellen Sie den Sachverhalt wiederholt populistisch dar. Tatsächlich gilt das verspätete Renteneintrittsalter in Dänemark erst ab dem Jahr 2040 und nicht sofort. Nix „zack“, Herr CitizenK!

                  Sie verwischen auch das eigentliche Ziel. Dies besteht darin, die Gruppe der Zahler möglichst breit zu halten. Mit einem späteren Renteneintrittsalter ließen sich die Zahlungen aufschieben und es träte auch eine gewisse Ersparnis ein, da die Bezugsdauer damit auch sinken würde. Nur, das Ziel, mehr von den oberen 10 Prozent im sozialpflichtigen Erwerbsleben zu halten, lässt sich damit nicht erzwingen. Schon bisher richtet keiner in meinen Positionen oder auch in anderen sehr gut bezahlten Bereichen sein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nach dem gesetzlichen Renteneintrittsalter. Menschen, die die Möglichkeit hatten ein sehr hohes sechsstelliges Vermögen und mehr aufzubauen, werden sich in ihrer Entscheidung kaum davon beeinflussen lassen, ob sie 25.000 – 30.000 Euro mehr oder weniger aus der Rentenkasse bekommen.

                  Und sie haben andere Möglichkeiten. Die einfachste bietet die Bundesagentur für Arbeit: Gerade Gutsituierte nehmen gerne die zwei Jahre Arbeitslosengeld am Ende ihres Erwerbslebens mit. Formal sind sie arbeitslos, tatsächlich in Südspanien. Ich werde in den nächsten Jahren auch keine Rentenbeiträge mehr zahlen, weil ich mein Einkommensmodell umstelle. Und warum sollte ich mit 65 noch Finanzabteilungen leiten?

                  • CitizenK 29. Juli 2025, 17:27

                    Mit „zack“ war gemeint: ohne großen politischen Streit wie bei uns und in Frankreich.
                    Und bitte nicht alles bei der Politik abladen. SAP macht es gerade vor: Endfünfziger werden bei fast vollem Gehalt in Rente geschickt – und durch Inder ersetzt, weil billiger. Schon vor 20 Jahren wurde ein Verwandter mit Ende 50 vom Arbeitgeber in die Rente gedrängt. Als schwäbischer „Schaffer“ empfand er das selbst als Betrug an der Allgemeinheit.
                    Die zu erwartenden Verwerfungen durch KI kommen in Ihrem Szenario noch gar nicht vor.

                    • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 18:16

                      Woher wissen Sie das?? Können Sie dänisch? Verfolgen sie die politischen Debatten? Wenn eine Gesellschaft nicht einmal mehr über die staatliche Altersvorsorge streitet, dann ist sie wahrscheinlich tot. Soviel weiß ich von Dänemark: Die Gesellschaft ist sehr lebendig.

                      Bitte, Sie hören sich an wie mein Großvater. Damals habe ich mir geschworen: Wenn ich anfange vom Krieg von vor 40 Jahren zu erzählen, bin ich alt. In keiner Altersgruppe ist die Erwerbstätigkeit in den letzten 20 Jahren so rasant gestiegen wie bei den Ü50jährigen. Das war ungefähr der Zeitpunkt, wo Sie aus der Entwicklung ausgestiegen sind. Als ich 40 war, ging ich davon aus, dass ich mit Anfang 50 Probleme auf dem Arbeitsmarkt bekommen würde. Als ich 50 wurde, ging ich von Mitte 50 aus. Als ich dann 55 war, dachte ich, der Punkt käme mit Ende 50. Ich habe immer noch einen Markt, der mir ein gutes sechsstelliges Gehalt bieten würde. Derzeit haben zwei Gruppen am Arbeitsmarkt einen hervorragenden Ruf: Ü50-jährige und Osteuropäer. Die sind die neuen Deutschen. Ganz mies ist der Ruf der GenZ. Wenn Sie sich natürlich beim europäischen Premiumunternehmen SAP als Opa präsentieren, wird es trotzdem schwer, den Job zu behalten. Für alle anderen nicht.

                      Verwerfungen durch KI? Nein, CitizenK, da gibt es nur die Verwerfungen in Ihrem Kopf – gefakte Bilder und so. Die Börse spielt seit zwei Jahren verrückt, weil KI soviel Phantasie entfaltet. Und nicht zur Rationalisierung, sondern zur Entwicklung neuer Produkte.

                    • Thorsten Haupts 31. Juli 2025, 20:39

                      In keiner Altersgruppe ist die Erwerbstätigkeit in den letzten 20 Jahren so rasant gestiegen wie bei den Ü50jährigen.

                      Völlig lorrekt. In den branchen, in denen ich das halbwegs beurteilen kann (Infrastruktur- und Anlagenbau) hat man schon in den späten 2000ern jeden Ü60-Fachmann mit Kusshand genommen, wenn der nicht vollständig festgefahren war (das passiert nach 30 Jahren in einem Grossunternehmen durchaus häufiger).

                      Und den beklagten Jugendwahn hielt ich schon immer für ein Phänomen der „Irgendwas mit Medien“ Leute, die irgendwas mit Medien machten. Schöner Einblick in deren Arbeitswelt, aber mitnichten verallgemeinerbar.

                      Dass grosse Unternehmen in grossen Schwierigkeiten Leute in die Frührente drängten, widerspricht der These übrigens kein bisschen. Wenn ich schnell 10.000 Leute abbauen muss, greife ich auch zu solchen (legalen) Mitteln. Nur war und ist das kein Beweis für ein Vorurteil gegen ältere Arbeitnehmer. Ich selbst bin übrigens 2022 mit 61 (!) erneut auf Anfrage meines jetzigen Unternehmens übernommen worden …

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

        • Erwin Gabriel 28. Juli 2025, 23:45

          @ Stefan Sasse 27. Juli 2025, 18:35

          Meine Prognose ist grundsätzlich, dass die Belastung weiter steigen wird.

          Was für eine Binse … 🙂

          Da kann man sich nur anschließen. Aber ich traue dem Staat halt nicht zu, dass er das Problem lösen kann. Denn ob man nun eine Vermögenssteuer einführt (unter Betracht der Komplexität des Themas ein eher sinnloses Unterfangen, wenn der Staat nicht anfangen will, deutsche Unternehmen zu zerlegen) oder über eine Luxussteuer nachdenkt (was ich persönlich für besser halten würde, fehlte mir nicht das Vertrauen in die sicherlich jederzeit flexibel auslegbare staatliche Definition von „Luxus“), stets würden solche Lösungen nicht mehr Geld für die Rente bedeuten, sondern mehr Geld im großen Topf. Und dann käme jeder „sozialpolitische Irgendwas“ mit neuen Forderungen daher, diese oder jene soziale Wohltat mitzufinanzieren.

          Meine Erfahrung ist: Gib dem Staat 10 Mrd. Euro mehr, und er wird 12 Mrd. Euro mehr ausgeben.

          • Stefan Sasse 29. Juli 2025, 08:38

            Liege ich komplett falsch in der Annahme, dass das Problem sich biologisch löst? Also in einigen Jahrzehnten dürfte dieses Ungewicht zwischen Zahlenden und Empfangenden doch durch die Demografie wieder stärker ins Gleichgewicht kommen…?

            • Thorsten Haupts 29. Juli 2025, 09:21

              Das hängt von der Fertilitätsentwicklung ab – und die kennt in allen entwickelten Staaten weltweit nach wie vor nur eine Richtung: Nach unten.

              Deine These trifft nur dann zu, wenn sich diese Entwicklung auf einem stabilen Niveau eingeprendelt hätte. Hat sie aber bisher nicht.

              • Stefan Sasse 29. Juli 2025, 10:58

                Ist das nicht auf niedrigem Niveau stabil effektiv? Ich dachte wir hängen ständig bei so 1,4 rum.

                • Thorsten Haupts 29. Juli 2025, 12:59

                  Nein. Rechnet man die Zuwanderer der letzten Jahre raus, fällt sie weiterhin. Überall in allen entwickelten Staaten. Wir sind afair inzwischen real bei 1,1/1,2 bei allen Menschen die in der zweiten Generation oder länger in Deutschland sind – und der Trend ist in allen entwickelten Gesellschaften (also auch in Asien) ähnlich.

                  • Stefan Sasse 29. Juli 2025, 14:10

                    Okay, aber warum rechne ich die Einwanderer raus?

                    • Thorsten Haupts 31. Juli 2025, 12:54

                      Weil sich deren Fertilitätskurven in hoher Geschwindigkeit der der Einheimischen anpassen.

            • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 09:47

              Ja. So um den Zeitraum 2050-2060. Bis dahin wird es ein steifer Ritt. Also um den Zeitraum, wo ich sterbe. Was machen wir in der Zwischenzeit?

              • Stefan Sasse 29. Juli 2025, 10:59

                Höhere Beiträge, Steuerzuschüsse, Schulden. Wäre meine Vermutung.

                • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 11:43

                  Hört sich wie ein Programm zur Ruinierung des Landes an. Höhere Beiträge und Steuern senken das Potentialwachstum eines Landes, die Arbeitsbereitschaft, das Unternehmertum. Zu Schulden habe ich meine eigenen Theorien, die ungefähr dahin gehen, die Renten mit Schulden zu stabilisieren, da die Welt ohnehin sich in einer Schuldenspirale befindet, was irgendwann zu massiven Korrekturen führen muss. Dann haben wir wenigstens etwas davon gehabt.

                  • Stefan Sasse 29. Juli 2025, 14:09

                    Ein Land wird ziemlich nachhaltig durch einen Kollaps des Rentensystems geschwächt, und wenn du den Leuten sagst, dass sie jetzt halt in totale Altersarmut rutschen, sehe ich unsere Demokratie baden gehen. Es gibt einfach keine guten Optionen, das hast du doch selbst auch gesagt, oder nicht?

                    • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 14:52

                      Wenn Du Steuern und Beiträge erhöhst, stellen Unternehmen keine Leute ein und investieren Ausländer nicht. Du bekommst als Staat also weniger Einnahmen. Leute wie ich suchen sich andere Möglichkeiten, der Steuer- und Beitragslast zu entgehen. Junge Leute wandern noch stärker als heute aus – also jene, die es sich aufgrund ihrer Qualifikation leisten können. Wer ernsthaft glaubt, wir könnten angesichts der höchsten Einkommensbelastung der OECD die Steuerschraube noch stärker anziehen und bei einem sehr hohen Beitragsnivau die Sozialbeiträge nur um 4-Prozentpunkte steigern ohne dass dies gravierende Folgen für das Erwerbspotential in diesem Land hätte, ist nicht von dieser Welt. Ja, mehr alte Menschen werden auf Grundsicherung angewiesen sein. Wo ist das Problem? Es sind die Wähler, die jahrzehntelang die umlagefinanzierte Rente für eine gute Idee hielten und Kapitalanlagen für schlecht.

            • Erwin Gabriel 30. Juli 2025, 11:43

              @ Stefan Sasse

              Also in einigen Jahrzehnten dürfte dieses Ungewicht zwischen Zahlenden und Empfangenden doch durch die Demografie wieder stärker ins Gleichgewicht kommen…?

              Mit oder ohne Zuwanderung gerechnet 🙂

    • Stefan Sasse 27. Juli 2025, 18:25

      Nö, ich sag ja, den großen Teil von Stefans Analyse widerspreche ich ja nicht. Ich hatte ja nur ergänzende Fragen.

  • Dennis 29. Juli 2025, 10:32

    Ach, Jottchen; wie oft hatten wir das hier schon in diesem Blog? Das hat schon Murmeltier-Qualität.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Und_täglich_grüßt_das_Murmeltier

    Mein Murmeltier sagt auch immer dasselbe: Es gibt nur eine Form der Versorgung von nicht mehr erwerbstätigen Alten: Die jeweils Jungen zweigen zu Gunsten der Alten was ab in der Annahme, dass sie selbst auch mal via Nachwuchs von diesem System profitieren. Schneeball? Na klar, es lebe der Schneeball. Und was macht man, wenn die Alterskohorten wegen Nachwuchsmangel in Verbindung mit zunehmend gesünderen und munteren Uralten, die einfach nicht sterben wollen, in Beziehung zueinander, also relativ schief werden? Das Verteilmassen anpassen natürlich. Das geht immer, ist aber „politisch“ heikel bis gefährlich. Aber das gehört halt zu den zahlreichen Sachen, die man nicht ändern kann.

    Hier die Eessentialien:

    JEDE Altersversorgung ist ein Umlagesystem. Sich von den jeweils Jüngeren, Erwerbsfähigen und -tätigen unabhängig zu machen ist unmöglich.

    Auch Ansparsysteme heben diese Systematik nicht auf. Es handelt sich um verschleierte Umlagen. Wenn es darum geht, das Angesparte zu verzehren (vulgo: Die Rente) präsentiere ich als Oldie den Aktiven eine Forderung, die die erfüllen – ich sach mal – sollten^. Ob die das tatsächlich machen oder auch nur machen können, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall findet ein ENTSPAREN statt; also, nehmen wir mal die beliebten Aktien als Beispiel: Die müssen verkauft werden, denn als Oldie brauche ich nicht die Aktien, sondern u.a. was zum Essen auf dem Tisch – nebst ein paar andere materielle Erfordernisse des Lebens^. Die sind selbstverständlich konsumtiv und kommen zwingend aus der aktuellen Produktion und NICHT aus meiner früheren. Kleine mögliche Ausnahme: Man hat sich früher mal ein Haus gebaut und davon zehrt man auch noch auf die alten Tage. Reales langlebiges Konsumgut in echt – in Grenzen, denn gleichwohl gibt’s auch da einen Verzehr. Der Kasten muss ständig renoviert werden. Für das Frühstück die Butter zu verwenden, die ich vor 20 Jahren mal selbst gekauft und dann auf die Seite gelegt hab, ist schon schwieriger. Bei Dienstleistungen – zum Beispiel der beliebte Besuch beim Onkel Doktor – ist das ganz unmöglich. Den jüngeren aktiven Onkel Doktor muss es geben, muss ausgebildet sein, der will im Übrigen Geld sehen und, und. Das funzt alles einfach „automatisch“, da braucht man gar nicht drüber nachzudenken?……Hmmm. Ich hab doch Aktien, wieso soll ich mich für so was interessieren?

    Ähm……und wie teuer kann ich die schönen Aktien jetzt eigentlich verkaufen? Automatisch und gottgegeben zum alten Preis (real natürlich, nominal interessiert nicht) plus eine hübsche Rendite? Wo kommt dieses vermeintlich Gottgegebene denn her? Hat das womöglich was mit der Erwerbstätigkeit der dann Jüngeren sowie deren Kopfzahl, also dem leidigen Alterskohrten-Problem zu tun? Könnte doch sein.

    Die Sklavenhalter-Mentalität: Den eigenen Nachwuchs spare ich mir (zu teuer) und nehme den Nachwuchs irgendwelcher Doofen da draußen, ist natürlich möglich; solange die Doofen mitmachen. Die Inder zum Beispiel können ja auch schon ganz gut Onkel Doktors (und andere Berufe) ausbilden. Die nehmen wir für lau fertig ausgebildet. Tolle Idee.

    • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 13:40

      Es gibt nur eine Form der Versorgung von nicht mehr erwerbstätigen Alten: Die jeweils Jungen zweigen zu Gunsten der Alten was ab in der Annahme, dass sie selbst auch mal via Nachwuchs von diesem System profitieren.

      Ja, willkommen im 19. Jahrhundert mit nationalstaatlicher Denke. Ich wusste nicht, dass Sie so alt sind. Wie ist das, wenn ich meine Altersvorsorge in den ETF World anlege? Zahlt da tatsächlich der geringverdienende Syer in Berlin?

      Der Artikel nennt doch Fakten, an die sich auch für Sie Fragen anschließen müssten. Warum steigen die Renten nicht einmal so schnell wie die Bruttolöhne? Ist es so clever, bei einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung die Sicherheit der Renten ausgerechnet an den Ertrag der Workforce zu koppeln? Auch Marx wusste, dass das Volkseinkommen aus Löhnen, aber auch aus Gewinneinkünften besteht. Das wissen Sie doch auch, oder? Es ist eben nicht so, dass das Volkseinkommen oder gar das BIP nur durch Arbeit erwirtschaftet wird.

      Wissen Sie, in früheren Jahren haben sich Linke echauffiert, wenn Deutschland wieder mal einen hohen Exportüberschuss erwirtschaftet hatte. Und dann gab es so Schlauberger, die tatsächlich meinten, die Verkäufe würden auf ewig als Forderungen in den Büchern stehen bleiben. Stellen Sie sich das vor!! Irgendwie dumm. Nun, was diese volkswirtschaftlichen Laiendarsteller übersehen hatten, war, dass ein Exportüberschuss mit einem Kapitalexport einhergeht. Unternehmen kaufen für die erwirtschafteten Dollars Immobilien, erwerben Firmenanteile usw. Und das arbeitet dann für die in Deutschland bleibenden Besitzer.

      Wo kommt dieses vermeintlich Gottgegebene denn her? Hat das womöglich was mit der Erwerbstätigkeit der dann Jüngeren sowie deren Kopfzahl, also dem leidigen Alterskohrten-Problem zu tun? Könnte doch sein.

      Das zeigt, dass Sie von der Börse gar nichts verstehen. Den Großteil der DAX-Gewinne werden im Ausland erwirtschaftet, nach Ihrer Diktion von ausländischen Arbeitnehmern. Und wir koppeln die Renten an das, was die wenigen Deutschen hier erarbeiten. Irre, oder?

      • Dennis 29. Juli 2025, 19:18

        Schon klar. Privatistisch gedacht ist das sauber. Wenn der neo-liberale Idealfall eintritt, dass es gar keinen Staat mehr gibt, sondern nur noch Private, kann das so laufen – allerdings nur für Oligarchen, die in Milliarden rechnen und nicht in Millionen oder gar nur sechsstellig. Das mittelprächtige Besitzbürgertum, das sich irrtümlicherweise der Finanzoligarchie zugehörig wähnt, kann indes schwer in Bedrängnis kommen.

        Es geht ggf. darum, die privaten Forderungen aus den rund um die Welt verteilten Wertpapieren aller Art auch draußen in der Welt durchzusetzen. Klappt doch alles prima heutzutage, sogar online. Ein paar Klicks genügen. Und so was Altmodisches wie Kapitalverkehrskontrollen wird es nie wieder geben, nie, nie, nie. Wertberichtigungen an den „Märkten“ draußen in der Welt im nennenswerten Ausmaß und damit ein Dahinschmelzen der privaten „Anwartschaften“ kann es natürlich auch unmöglich geben.

        Die Altersversorgung als Börsenspiel? Wenn man sich im Pleitefall das Geld von Staat holt, der zu diesem Zweck dann doch noch gebraucht wird, was Oligarchen üblicherweise machen, geht das schon.

        • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 19:48

          Den ersten Absatz verstehe ich nicht. War das zum Warmschreiben?

          Ich habe einen sehr langen Zeitraum von über 30 Jahren genommen und ihn der Entwicklung der Renten gegenüber gestellt. Da war so alles drin: Boom nach dem Mauerfall, New Economy und deren Zusammenbruch, globale Finanzkrise, Staatsfinanzkrise, Pandemie und Krieg. Wenn Kapitalanlagen trotzdem um Welten besser abschneiden, könnte man als kritisch denkender Mensch doch ins Grübeln kommen. Ich habe auch gezeigt, wie schlecht die deutsche Rente im Vergleich der internationalen Vorsorgesysteme abschneidet. Dennoch beten Sie Theorien runter ohne jeden empirischen Bezug.

          Wertpapiere verbürgen keine Forderungen, sondern Anteile. Mit einer Nvidia-Aktie gehört mir ein ganz kleiner Teil des wertvollsten Unternehmens der Welt. Und es hat sich gezeigt, dass über Strecke Kapitalanlagen vielleicht nicht morgen, aber übermorgen immer mehr wert sind als heute. Nicht jede einzelne, aber in Summe. Und wenn man in Summe investiert, ist man immer auf der sicheren Seite.

          Wir diskutieren dagegen, ob wir unter welchen Bedingungen auch immer ein Rentenniveau von 48 Prozent halten können, wo in vielen Ländern weit mehr üblich sind. Da können wir kaum alles richtig gemacht haben.

  • Dennis 29. Juli 2025, 11:03

    Zitat Stefan Pietsch:
    „Der deutsche Leitindex DAX stieg im gleichen Zeitraum um den Faktor 12,6, der ETF MSCI World legte immerhin um 800 Prozent zu.“

    Tja, die Asset-Inflation. Angefeuert vom Geld-Emittenten, auch „Staat“ (oder ggf. Staatenbund) genannt. Zu was der doch alles gut ist.

    • Stefan Pietsch 29. Juli 2025, 11:38

      Wir haben seit 1990 eine Asset-Inflation? Staun‘. Richtig ist, dass von 2008 bis 2020 die Kurse durch die Geldpolitik befeuert wurden. Aber, das gehört auch dazu! Und es gehört auch dazu, dass die Renten genau davon nicht profitieren. Wenn Sie aufmerksam gelesen haben – genau das ist das Argument.

      Übrigens: Die Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks sind politisch unabhängig und achten auf die Geldwertstabilität. Und, machen Sie sich doch nichts vor, die Flutung der Märkte erfolgte doch nicht, um Anlegern etwas Gutes zu tun, sondern aus reinem Eigennutz der Staaten.

  • CitizenK 30. Juli 2025, 16:23

    „In anderen Ländern arbeiten mehr Ukrainer“
    Es gibt das Argument, dass sie dort in Ungelernten-Jobs sind, hier lange in Sprach- und Vorbereitungskursen. Könnte sich auszahlen, wenn die nicht nach Hause können (oder wollen).

    • Stefan Pietsch 30. Juli 2025, 17:05

      Ja, das Argument hören wir seit über drei Jahren. So langsam sollte akzeptiert werden, dass das schlichter Unsinn ist. Die Niederlande und Dänemark sind nicht weniger entwickelt als Deutschland. Und Niederländisch und Dänisch sind keineswegs leichter zu erlernen als Deutsch. In der Zwischenzeit haben wir allein für die Ukrainer „Investitionskosten“ in deutlicher zweistelliger Milliardenhöhe.

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