Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Exams are everything in China
Andrew Batson erläutert in seinem Blog, dass das chinesische Bildungssystem und insbesondere die Hochschulaufnahmeprüfung Gaokao eine zentrale gesellschaftliche Institution darstellen. Das Buch The Highest Exam von Ruixue Jia und Hongbin Li zeige, wie der Gaokao soziale Mobilität ermögliche, Legitimität stifte und das gesellschaftliche Leben strukturiere. Da allein Prüfungsergebnisse über Studienzulassungen entschieden, gelte der Test als Symbol für Meritokratie – ähnlich wie das historische kaiserliche Keju-Examen, das einst sozialen Aufstieg versprach. Auch nach der kommunistischen Machtübernahme sei das Prüfungssystem bewusst fortgeführt worden, um Leistungsprinzip und politische Stabilität zu sichern. Die Abschaffung während der Kulturrevolution habe Chaos erzeugt, seine Wiedereinführung 1977 dagegen breite Unterstützung gefunden. Zugleich werde der enorme Leistungsdruck kritisiert: Das gesamte Bildungssystem diene der Vorbereitung auf diesen einen Test, alternative Aufstiegspfade existierten kaum. Versuche, das System zu reformieren, seien politisch gescheitert. Batson verweist darauf, dass die Logik des Gaokao – ein zentralisiertes, hierarchisches Wettbewerbssystem – sich auch in anderen Bereichen, etwa im wirtschaftlichen Leistungsdruck lokaler Regierungen, wiederfinde. Trotz moderner Kritik bleibe der Gaokao für China „eine unantastbare Grundlage sozialer Ordnung“. (Andrew Batson, The Tangled Woof)
Man sieht an dem Artikel gut, was für ein zweischneidiges Schwert der Gaokao ist. Auf der einen Seite sorgt er dafür, dass in China ein für Diktaturen, noch dazu ostentativ kommunistische, untypisches Maß an Meritokratie vorherrscht. Gleiches gilt für die Leistungsbeurteilungen: auch hier werden die Anreize für echten Wettbewerb geschaffen, Korruption so gut wie möglich eingedämmt und Nepotismus deutlich erschwert. Gleichwohl kommt das System mit einer Reihe schwerer Nachteile. Die einen sind menschlicher Natur: es entsteht ein riesiger Druck, der die Lebensqualität deutlich herabsetzt und neben dem unangenehmen Druck selbst natürlich auch massenhaft Verlierer*innen erzeugt, die unter ihm zerbrechen. Aber schwerwiegender sind andere Schwächen des Systems: die rigide, zentralisierte Struktur bedeutet zwangsläufig, dass der Gaokao wie auch andere Wettbewerbsindizes sich auf leicht messbare Faktoren verlassen muss. Im schulischen Bereich bedeutet das eine Konzentration auf auswendig Lernen, im wirtschaftlichen Bereich eine auf Kennziffern. Dazu wird vorausgesetzt, dass die zentrale Behörde an der Spitze des jeweiligen Systems die richtigen Indizes setzt, damit der Wettbewerb nicht durch Fehlanreize in falsche Richtungen läuft. Die Unantastbarkeit des Systems macht es zudem sehr resistent gegen Reformen, wenn genau das passiert.
2) Der Merz, für den ich gekämpft habe, sitzt nicht im Kanzleramt
Finn Werner, Mitglied der Jungen Union und Digitalberater, wendet sich in einem offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz und äußert deutliche Enttäuschung über dessen Kurs. Er erinnert daran, dass Merz einst als Symbol für wirtschaftliche Vernunft und klare Führung gegolten habe, nun aber zu weich und anpassungsbereit erscheine. Werner betont, gewählt worden sei Merz nicht aus Begeisterung, sondern weil viele Wähler die Ampel-Regierung abgewählt hätten. Erwartet worden sei ein entschlossener Politikwechsel – weniger Bürokratie, solide Finanzen, Eigenverantwortung im Sozialstaat. Stattdessen sehe er einen „linken“ Merz, der Kompromisse eingehe und wirtschaftsliberale Prinzipien aufgegeben habe. Der Autor fordert den Kanzler auf, wieder zu dem durchsetzungsstarken, unbequemen Politiker zu werden, den er einst verkörpert habe – den „BlackRock-Merz“ mit klaren Überzeugungen. Die Jungen und Wirtschaftsliberalen der CDU, so Werner, warteten noch immer auf diesen echten Merz. (Finn Werner, WELT)
Ich weiß immer gar nicht, was ich sagen soll, wenn Leute, die zumindest semi-professionell im politischen Bereich unterwegs sind eine solche Blindheit an den Tag legen. In Finn Werners Kommentar müsste man nur ein paar Namen und Schlagworte austauschen und er könnte genauso von den Jusos über Scholz oder von der Grünen Jugend über Habeck sein. Was, der Mann kann die Schlagworte aus dem Wahlkampf in einer Koalition nicht 1:1 umsetzen? Was erlauben Merz? Er muss Kompromisse eingehen? Wer hätte das angesichts der Umfragen, die Merz ständig an den 30% scheitern sahen, voraussehen können? Merz hat im Wahlkampf natürlich völlig unhaltbare Versprechen gemacht, aber das war von Anfang an unseriös. Man hätte ihn damals damit konfrontieren müssen, nicht jetzt. Wer sich belügen lassen will, wird belogen. Und offensichtlich wollte Werner das. „Uns wurde ein Politikwechsel versprochen“, ja großartig, mit wem denn? Die Zeichen standen von Anfang an auf Schwarz-Rot, mit einer guten Chance für Schwarz-Rot-Grün. Ich habe kein Mitleid für Leute, die die Grundrechenarten politischer Arithmetik nicht beherrschen. Für ein weiteres Beispiel mit dem ausgelutschten „silent majority“-Stereotyp siehe hier: Sind die Bürger nicht genauso mutlos wie der Kanzler, den sie für seine Feigheit verachten?
3) No need for a moral panic about the welfare system
Chris Giles weist in seinem Kommentar darauf hin, dass die derzeitige britische Debatte über Sozialausgaben von einer „moralischen Panik“ geprägt sei, die mit den Fakten wenig zu tun habe. Weder seien die Kosten des Sozialsystems „explodierend“, noch nehme die Zahl der Leistungsbezieher besorgniserregend zu. Die gesamten Sozialausgaben lägen bei rund elf Prozent des Nationaleinkommens und damit niedriger als zu Zeiten von David Cameron, während der Anteil der Leistungen für Erwerbsfähige seit Jahrzehnten zwischen vier und fünf Prozent des BIP schwanke. Die Zahl der 6,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter, die Sozialleistungen beziehen, erkläre sich vor allem durch geänderte statistische Erfassungen. Beschäftigungsquoten blieben auf Rekordniveau, insbesondere dank gestiegener Erwerbstätigkeit von Frauen. Zwar wachse der Aufwand für Gesundheits- und Erwerbsminderungsleistungen, doch rechtfertige dies keine pauschale Krisenrhetorik. Giles plädiert für gezielte Reformen – etwa die Abschaffung der „Triple Lock“-Regelung für Renten oder eine Entlastung kinderreicher Familien – warnt aber davor, das gesamte System für Haushaltsprobleme verantwortlich zu machen. (Chris Giles, Financial Times)
Der konservative Moralismus zum Sozialstaat dieser Tage ist eine wahre Seuche. In düstersten Tönen wird eine angebliche Katastrophe herbeigeredet, die sich aus den Zahlen überhaupt nicht herleiten lässt. Man denke nur an Artikel wie „Der Kontrollverlust des Sozialstaats„, als ob hier auch nur ansatzweise so etwas wie ein Kontrollverlust stattfinden würde. Ich finde es ja putzig, wie Konservative in jeder Rezession neu herausfinden, dass mit mehr Arbeitslosen auch die Sozialabgaben steigen oder alle paar Jahre entdeckt wird, dass der demografische Faktor immer noch existiert. Ich weiß nicht, ob es beruhigend ist, dass derselbe Blödsinn auch in anderen Ländern passiert. Man vergleiche das übrigens mit der Rhetorik des NRW-Arbeitsministers.
4) Dicke Luft – die unbekannte Produktivitätsbremse
Laut einer umfassenden Untersuchung von Aurel Wünsch ist die Luftqualität in vielen öffentlichen Gebäuden – insbesondere in Schulen und Arztpraxen – alarmierend schlecht. Daten aus 17.000 Messreihen zeigen CO₂-Werte, die weit über dem EU-Richtwert von 1000 ppm liegen, teils bis zu 6000 ppm. Schlechte Luft führe nicht nur zu erhöhter Ansteckungsgefahr durch Viren, sondern auch zu deutlichen Leistungseinbußen: Studien zufolge sinke die kognitive Leistungsfähigkeit bei verdoppeltem CO₂-Gehalt um bis zu 50 Prozent. Forscherin Christina Hopfe betont, dass CO₂ ein klarer Indikator für verbrauchte Atemluft sei und mangelnde Belüftung die Produktivität massiv beeinträchtige. Dennoch setze das Robert-Koch-Institut weiterhin auf einfaches Fensterlüften – eine Empfehlung, die in überfüllten Räumen kaum realistisch sei. Nur etwa zehn Prozent der Schulen verfügten über funktionierende Lüftungsanlagen, viele seien aus Kostengründen gedrosselt. Hopfe warnt, die volkswirtschaftlichen Folgekosten schlechter Innenluft gingen in die Milliarden. Mechanische Belüftung müsse künftig Standard werden. (Stefan Hajek, WirtschaftsWoche)
Mich macht das echt stinkig. Wir wissen es und könnten hier so viel volkswirtschaftliche Effizienz rausholen, mal davon abgesehen dass es den Leuten auch viel besser gehen würde, wenn die Räume richtig belüftet würden. Natürlich lernen wir nichts aus Corona. Es wird aktiv verhindert, dass irgendetwas aus Corona gelernt wird, weil nichts aus Corona gelernt werden darf. Wenn wir alle nur fest genug die Augen zudrücken, wird das schon nie wieder passieren. Mich ärgert besonders dieses ständige Lüften-Gequatsche. Wenn im Winter draußen 3°C sind, dann ist mehrmals die Stunde lüften nicht gerade die beste Idee. Ja, die Atemluft wird besser, aber dafür erkälten sich die Leute halt so. Auch das haben wir während Corona erlebt. Es war einfach unzumutbar. Schüler*innen sitzen 90 Minuten still am Platz und sollen sich dazwischen die Umgebungstemperatur alle 15-20 Minuten auf Tiefkühl-Niveau heruntersetzen. Klasse. Im Wartezimmer ist das bestimmt auch ein echter Hit, bei Leuten mit angeschlagenem Immunsystem. Es ist wie Klimaanlagen für den Sommer; die ganze Infrastruktur ist völlig veraltet.
5) What Progressives Keep Getting Wrong
Der Text skizziert, dass der demokratische Senatskandidat Graham Platner trotz zahlreicher Enthüllungen – vom „Kommunist“-Selbstlabel über herabsetzende Äußerungen bis zu einem später überdeckten SS-Totenkopf-Tattoo – von progressiven Unterstützern weiter getragen werde. Dies werde als Testfall für eine Strategie gesehen, nach der „unpopuläre Positionen“ nicht moderiert, sondern durch ökonomischen Populismus überblendet werden sollten, verkörpert durch Kandidaten mit „working-class“-Habitus. Es werde argumentiert, Platner passe ideal: Marineveteran, Austernfarmer, „progressiver Geist im MAGA-Körper“. Kritisiert werde jedoch, dass Empirie nahelege, „Politiker mit moderaten Programmen“ schnitten generell besser ab; progressives Framing, Wähler seien nur „propagandisiert“, ersetze keine inhaltliche Bewegung zur Mitte. Platners Chancen in Maine seien wegen des demokratischen Umfelds nicht aussichtslos, doch das Beispiel der moderaten Amtsinhaberin Susan Collins zeige die Stärke der Mäßigung. Fazit: Die linke Hoffnung auf Biografie statt Positionsanpassung sei riskant – besonders über lokale Hochburgen hinaus. (Jonathan Chait, The Atlantic)
Grundsätzlich habe ich große Sympathie für Chaits Argumentation. Was mir in dieser Linie – die ja nicht nur er vertritt; Leute wie Matthew Yglesias oder Ezra Klein sind da ja auch ganz vorne dabei – nur immer unklar bleibt, warum sie nur für eine Seite des politischen Spektrums gilt. Denn die Entwicklung auf der Rechten in zwei Trump-Wahlsiegen zeigt ja deutlich, dass eine Konzentration auf die Basis, ein spaltender Kurs und möglichst massive Polarisierung eine Gewinnerstrategie sein können. Es mag durchaus sein, dass das nur für die Rechten funktioniert, aber ich hätte gerne wenigstens eine Erklärung für diesen Elefanten im Raum. In Deutschland genau dasselbe: warum ist es völlig ok, wenn Söder wurstigen Kulturkampf führt oder Merz erklärt, dass nur Gillamoos Deutschland ist, aber wehe, ein Grüner redet über Tofu?
Resterampe
a) Gefährlich und verwahrlost – die Hauptstadt des kaputten Stadtbilds (Welt) // Friedrich Merz‘ Stadtbild: Schuld am vermeintlich problematischen Stadtbild ist die Regierung selbst (Spiegel). Diese Artikel verraten auch mehr über die Leute, die sie schreiben, als über das Thema.
b) It’s Not a Dog Whistle If Everyone Can Hear It (The Atlantic).
c) Gymnasium verbietet (muslimischen) Schülern das Beten auf dem Schulgelände – verklagt (News4Teachers). Ging es da um andere Gruppen, wäre die Welt von empörten Leitartikeln. – Dass die Schule nicht einfach einen Raum bereitstellt und fertig, das würde das Problem einfach lösen…da wollen halt auch zwei echt Streit.
d) SPD und Die Linke: Warum die SPD sich neu erfinden muss (Spiegel). Ah, endlich mal wieder dieser Artikel in neuen Worten.
e) Kulturrat gegen Sprachverbote: “Gendern in der jüngeren Generation vielfach etabliert” (News4Teachers). Wenn man „vielfach“ als „mehr als einmal“ definiert, sicher. Aber bei aller Liebe, das bewegt sich bestenfalls im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Man sollte schon ehrlich argumentieren.
f) Wohin führt eine Politik gegen die eigene Jugend? (ntV)
g) Blaues Land (ARD). Doku über den AfD-Osten.
h) Thorsten Alsleben, der Chef der INSM, redet so einen Unsinn über eine mögliche Minderheitenregierung, das geht auf keine Kuhhaut. (Twitter) Man sehe nur zum Vergleich, was er zu Ampelzeiten gesagt hat.
i) Wer sich gut integriert hat, sollte bleiben dürfen (Welt). Dass man so was überhaupt explizit aussprechen muss…
j) Marjorie Taylor Greene’s rebellion: Maga hardliner turns on Trump (The Week).
Fertiggestellt am 27.10.2025



2) Der Merz, für den ich gekämpft habe, sitzt nicht im Kanzleramt
Na Ja, es ist schon etwas mehr als ein Kompromiss, wenn der (Damals noch) Nicht-ganz-Kanzler Merz zuerst mal die Schuldenbremse schleift und mal eben Deutschland überschuldet
Andererseits bin ich schon zu lange politisch interessiert um über die Flexibilität von CDU-Politikern wirklich überrascht zu sein.
Während FDP, Grüne und SPD noch ein wenig „Weltanschauung“ (ja, altmodisch) haben und zumindest versuchen, sich an gewisse Leitlinien daraus zu halten, ist das für Unions-Politiker nur Gedöns um an die Macht zu kommen und sie zu erhalten.
Merz hat die Aufweichung der Schuldenbremse ja nicht einfach so vorgenommen.
Robin Alexander hat in seinem Buch „Letzte Chance“ herausgearbeitet, dass Merz kurz vor seinem Amtsantritt befürchten musste, Trump würde den Ausstieg der USA aus der NATO verkünden. Aus diesem Grund sah Merz es als absolut notwendig an, im Bereich der Militärausgaben freie Hand zu haben; daher die Entscheidung zur Aufhebung der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben.
Der „Preis“, den er dafür zu zahlen hatte, war das Sondervermögen für Infrastruktur, um (noch im alten Bundestag) die Stimmen von SPD und Grünen für die Grundgesetz-Änderung zu bekommen.
Natürlich kann man darüber streiten, ob das kluge Politik war oder es bessere Alternativen gegeben hätte; wenn man es aber nur als „Politiker macht leere Versprechen zum Machtgewinn“ darstellt, ignoriert man den in diesem Fall wichtigen Kontext der Entscheidung.
Das sind alles irgendwelche Annahmen die zutreffen könnten oder auch nicht … und nachträglich fällt einem immer was ein um eine bedenkliche Entscheidung besser aussehen zu lassen (Trump zieht dabei immer)
Welche Belege haben Sie denn für Ihre Annahme, es habe sich von Anfang an um leere Versprechungen zum Machtgewinn gehandelt?
Ja, das sehe ich auch so. Die CDU hat halt nichtmal 30%. Da brauchst du Kompromisse und Koalitionspartner. Und: der Wunsch der Bevölkerung ist es auch noch.
2) Der Merz, für den ich gekämpft habe, sitzt nicht im Kanzleramt
@ VD 28. Oktober 2025, 07:49
Vorab: Ich habe zur letzten Wahl mein Kreuz nicht bei der Union gesetzt.
Während FDP, Grüne und SPD noch ein wenig „Weltanschauung“ (ja, altmodisch) haben und zumindest versuchen, sich an gewisse Leitlinien daraus zu halten, …
Zustimmung. Sind bei Grünen oder SPD nicht (mehr) meine Leitlinien, aber ja.
… ist das für Unions-Politiker nur Gedöns, um an die Macht zu kommen und sie zu erhalten.
Das würde ich so nicht unterschreiben. Zum einen ist die Union von wenigen Ausnahmen abgesehen permanent an der Macht, und hat sich in vielen Jahrzehnten immer wieder auf unterschiedliche Koalitionspartner einstellen müssen. Natürlich ist das irgendwann eine Übung, die leichter von der Hand geht als bei einer Partei, die zwanzig Jahre warten musste, um mal wieder auf die Regierungsbank rücken zu dürfen.
Auf der anderen Seite ist die Union und ihre Wählerschaft auch spürbar breiter aufgestellt als die der anderen Parteien. Derzeit gibt es immer noch einen starken Machtblock, der wie Merkel tickt, einen wachsenden Block, der sich an die AfD anlehnen möchte, man hat die CSU, die maldurch heftige Ausschläge nach links, rechts oder in Richtung grün für Unruhe sorgt.
Nicht einfach, hier eine klare Kante zu zeigen; wer sich hier innerparteilich auf eine Seite stellt, verlässt die andere. Man hat bei Kanzlerin Merkel gesehen, was dabei herauskommen kann.
Vorab: Ich habe zur letzten Wahl mein Kreuz nicht bei der Union gesetzt.
Nun, ich habe auch nicht die CDU gewählt (und werde das auch nicht tun, ich bleibe bei der FDP … solange es sie noch gibt)
Natürlich ist das eine sehr subjektive Meinung von mir (auch an Floyd), die ich nur mit meinen eigenen Erfahrungen nach mittlerweilen 40 Jahren politischer Aktivität unterlegen kann. Hier habe ich CDU-Politiker auf unterschiedlichen Ebenen erlebt und bin deswegen zu dieser Meinung gekommen).
@VD 28. Oktober 2025, 10:17
Nun, ich habe auch nicht die CDU gewählt (und werde das auch nicht tun, ich bleibe bei der FDP … solange es sie noch gibt)
🙂
Hier habe ich CDU-Politiker auf unterschiedlichen Ebenen erlebt und bin deswegen zu dieser Meinung gekommen).
Da stimme ich zu. Ich widerspreche ja nicht, ich habe mich nur an einer Erklärung versucht.
Ja, sehr gute Punkte!
Das war halt mit Ansage, das ist mein Punkt. Merz hat im Wahlkampf einfach gelogen. Und die haben sich alle belügen lassen.
@ Stefan Sasse 28. Oktober 2025, 10:46
Das war halt mit Ansage, das ist mein Punkt. Merz hat im Wahlkampf einfach gelogen. Und die haben sich alle belügen lassen.
Oh Mann. Zum einen hat sich die Einstellung von Merz während des Wahlkampfes wohl ein Stück weit durch das Verhalten Trumps gegenüber Selensky verändert. Deswegen seinen kompletten Wahlkampf auf den kopf zu stellen und zu sagen „wir wollen Hunderte von Milliarden Euro Schulden aufnehmen, um unser Militär aufzurüsten“ wäre in die Hose gegangen.
Dann nenne mir einen maßgeblichen Wahlkämpfer der letzen Jahre, der nicht heftig log. Olaf Scholz kam ins Kanzleramt, nachdem er zuvor unter Angela Merkel als Finanzminister diente. Er kannte die finanzielle Situation – ist er in den Wahlkampf gegangen mit „Deutschland liegt finanziell am Boden, und ich als Finanzminister trage Mitschuld; nun will ich Kanzler werden, um das Grundgesetz zu brechen“? Hat Robert Habeck im Wahlkampf gesagt „wir wollen in kürzester Zeit unsere Wirtschaft auf Ökologie umstellen, haben aber noch keine Ahnung, wie das geht, deswegen entlassen wir bewährte Fachleute und setzen auf unerfahrene, aber ideologisch feste Theoretiker“?
Christian Lindner hat wenigstens ansatzweise versucht umzusetzen, was die FDP im Wahlkampf versprach, und flog deswegen aus der Regierung.
Oder nehmen wir Angela Merkel – „wir schaffen das“ (eine halbwegs ausführliche Auflistung aller Wahlkampflügen würde hier den Rahmen sprengen).
Aber Merz …
Habeck scheint mir der passende Vergleich zu Merz: war angetreten für eine grüne Transformation, musste aber infolge des Ukraine-Krieges plötzlich LNG-Terminals bewilligen und langfristige Gas-Lieferverträge abschließen.
Bei Merz war es der Trump-Selenskyj-Eklat und die Befürchtung, demnächst militärisch allein gegen Russland stehen zu können. Anders als Habeck hat Merz zumindest den Vorteil, dass Stärkung des Militärs unter Konservativen eher konsensfähig ist als Gaslieferverträge unter Grünen.
Politische Entscheidungen finden in konkreten Kontexten statt, weshalb mir die pauschale Erklärung „Die lügen doch eh alle“ zu flach ist.
@ Floyd 28. Oktober 2025, 11:49
Kann Deinen Aussagen folgen
Politische Entscheidungen finden in konkreten Kontexten statt, weshalb mir die pauschale Erklärung „Die lügen doch eh alle“ zu flach ist.
Jeder erzählt im Wahlkampf, was er machen würde, wenn er könnte, wie er wollte. Dann kommen Krisen, Kriege, Koalitiospartner (bei Merz kam alles zusammen), und schon ist vieles Makulatur – was jeder eigentlich schon vorher weiß.
Deswegen ist „die lügen alle“ zwar wahr, aber ich stimme Deinem Statement zu, dass diese Aussage „zu flach“ ist, um die Situation zu beschreiben. Ich könnte auch nur mit meinen Idealen in den Wahlkampf ziehen; was ich davon durchsetzen kann, hängt davon ab, wer Partner wird. Und das entscheidet halt der Wähler.
Mich ärgert auch weniger, dass Merz es gesagt hat – der Mann wollte eine Wahl gewinnen. Mich ärgert, dass die genannten Gruppen es nicht thematisiert haben.
Ich sage auch nicht, dass alle lügen. Aber das war, anders als die Gasgeschichte, einfach mit Ansage. Habeck konnte 2021 nicht wissen, dass Putin 2022 die Ukraine überfällt. Merz wusste 2024 Bescheid.
Bei Robert Habeck hätten Grüne und Wähler schon vorher wissen können, woran sie sind. Bereits 2017 war er als Umweltminister von Schleswig-Holstein (anders als seine Parteibasis) für den Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel.
Du, ich sag gar nicht, dass das anders ist. Aber das war so unglaublich offensichtlich, und keiner hat nachgefragt. Merz, der angebliche Wirtschafsexperte, hat versprochen:
– Keine neuen Schulden
– Keine neuen Steuern
– Eine annähernde Verdopplung des Verteidigungsetats
– Ein bissl was mehr für Infrastruktur
Das konnte NIE zusammen gehen. Und es wurde nicht thematisiert. Nicht von den Medien. Nicht von der Opposition. Nicht von den eigenen Leuten. Wer im Wünschdirwasland lebt, muss halt irgendwann aufwachen.
„Und es wurde nicht thematisiert. Nicht von den Medien“
Doch, wurde es. Vielfach. Sinngemäß: Wie das zusammen gehen soll, bleibt Merz‘ Geheimnis.
zu 3) Die selbe Debatte findet ja auch in Deutschland und besonders hier in den Kommentaren, statt. Auch hierzulande wird komplett kontrafaktisch das Sozialsystem als Ursache der wirtschaftlichen Probleme Deutschlands mit konfrafaktischen «Argumenten» denunziert. Und das geht jetzt seit Monaten so. Von einer Reform der Vermögens- oder gar Erbschaftssteuer redet niemand und das ist ein unverzeihbarer Fehler, den die SPD macht. Sie lässt sich die Themen von den Rechten diktieren statt eine eigene Agenda zu formulieren.
Wie ja sowieso festgestellt werden muss, dass Deutschland seit 10 Jahren seine Zeit mit einer komplett grotesken «Migrationsdebatte» verplempert und so keine Zeit und Energie hat, die wahre Ursache für die Probleme erkennen und benennen zu können. Und so schenkt man den Rechtsextremen den Staat. Während die Union tatsächlich immer noch glaubt, wenn sie angebliche «Stadtprobleme» thematisiert, würden die Rassisten bald wieder brav jene Rassisten wählen, die zwar rassistische Dinge sagen, sich hinterher aber gegenseitig versichern, auf keinen Fall Rassisten zu sein. Also die Union.
Deutschland im Jahr 2025 gibt ein erschreckendes Bild ab.
Dass die SPD völlig bescheuert kommuniziert ist seit über 10 Jahren mein Mantra.
@ DerDieDas 28. Oktober 2025, 09:37
Da ist ein Haufen Zeugs dabei, das ich (überaus höflich formuliert) für recht schlicht gedacht halte. Ich möchte trotzdem versuchen, auf diesess „Elaborat“ eine halbwegs ernsthafte Antwort zu geben.
Auch hierzulande wird komplett kontrafaktisch das Sozialsystem als Ursache der wirtschaftlichen Probleme Deutschlands mit kontrafaktischen «Argumenten» denunziert.
„Komplett kontrafaktisch“ ist schon mal komplett unzutreffend. Deutschland hat viele Probleme, die sich im Laufe der Jahre aufgestaut haben; ein überkomplexes, insgesamt zu teures Sozialsystem gehört da durchaus zu.
Wenn das ifo-Institut versucht, die Gesamtausgaben für das Sozialsystem zu ermitteln, aber daran scheitert, weil unsere Sozialausgaben in über 500 Gesetzen und weit über 3.000 Paragraphen geregelt sind, dann läuft etwas falsch. Wenn seit Jahren die Kostenanteile des Sozialstaats am Staatshaushalt wachsen, ohne dass es den Menschen dadurch besser geht, läuft etwas falsch.
Von einer Reform der Vermögens- oder gar Erbschaftssteuer redet niemand und das ist ein unverzeihbarer Fehler, den die SPD macht.
Nun, ich höre ständig davon, aber davon ab stimmt mein Kopf dahingehend zu, dass eine Reform der Erbschaftssteuer angebracht wäre. Mein Bauch ist allerdings strikt dagegen:
Zum einen habe ich schon zu oft Regierungen daran scheitern sehen, die „Reichen“ angemessen zu beurteilen, und sie vergriffen sich dann stets an den Leuten, die ohnehin schon viel stemmen: den gehobenen Mittelstand. Daher lehne ich ab.
Zum anderen führt die Besteuerung vererbter Anteile von Familienunternehmen zu einer Schwächung derselben; Kredite aufzunehmen, um die Anteile zu halten, schwächt ein Unternehmen. Man kann einen ähnlichen Effekt sehen, wenn z.B. ein Private-Equity-Fond ein Unternehmen kauft und es zwingt, sich selbst zu finanzieren.
Werden bzw. sind die Erben dagegen gezwungen, Anteile zu verkaufen, gehen diese dahin, wo es bereits reichlich Geld gibt (im Zweifel auch nach China); in jedem Fall führt das zu noch mehr Machtkonzentration weiter oben.
In beiden Fällen hat mir noch keine Regierung, noch keine Partei sagen können, wie sie mit entstehenden problematischen Situationen umgehen will; es geht einfach „nur“ ums Geldeinsacken.
Vermögenssteuer hatten wir schon gehabt, wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Hier sehe ich mehrere Probleme: Zum einen ist es extrem aufwendig und kompliziert, Vermögen eindeutig und rechtssicher zu bewerten; die Kosten dafür fressen einen erheblichen Anteil an den Einnahmen auf, weil praktisch jedes größere Vermögen erst nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten bewertet werden wird. Zum anderen ist eine Vermögenssteuer ein Zugriff auf die Substanz, nicht auf Gewinne oder Einkünfte (die ja bereits versteuert werden). Auch hier geht es nur ums Wegnehmen.
Grundsätzlich wünsche ich mir aber, dass der Staat zuerst seine Ausgaben sinnvoll in den Griff kriegt, bevor er darüber nachdenkt, seinen Bürgern noch mehr abzuknöpfen.
Wie ja sowieso festgestellt werden muss, dass Deutschland seit 10 Jahren seine Zeit mit einer komplett grotesken «Migrationsdebatte» verplempert und so keine Zeit und Energie hat, die wahre Ursache für die Probleme erkennen und benennen zu können.
Wie üblich pumpst Du hier einmal mehr nur eine vorlaute Meinung in die Runde, ohne sie zu begründen; was auch immer Du unter der „wahren Ursache für die Probleme“ verstehst, bleibt wie stets im Dunkeln.
Wobei ich zumindest eingeschränkt zustimme, dass die Migrationsdebatte, so wie sie jetzt geführt wird, nicht hilfreich ist; sie wird deutlich zu spät und deutlich zu einseitig gegen Einwanderung geführt. Das Versagen der damaligen Kanzlerin fällt uns nun heftig auf die Füße. Man hätte eine grundlegende Debatte schon vor zehn, zwanzig Jahren führen müssen (@ Stefan Sasse: hat man damals nicht; man hat eher über die Debatte debattiert).
Fakt ist: Ohne Migration kommen wir nicht über die Runden, aber eine hohe Migration, die sich weitgehend in unsere Sozialsysteme hineinbewegt, zerstört auf Dauer unsere Gesellschaft. Wir haben seit 2015 etwa die Bevölkerung von Berlin aufgenommen, aber keine entsprechende Infratstruktur geschaffen – keine Krankenhäuser, Schulen, Kitas, keine Wohnungen, keine Pfleger, Ärzte, Polizei, Richter etc.
Schon zu Beginn der Flüchtlingsbewegung nach Deutschland gab es in den Städten zu wenig Wohnraum, waren (etwa in Berlin) Behörden teilweise dysfunktional, fehlten Kita-Plätze, gab es zu wenig Lehrer. Die Zuwanderung ist also nicht schuld an unseren Problemen, aber sie verschärft sie erheblich.
Und ja, auch die innere Einstellung zahlreicher Migranten, sich je nach Situation die „Kultur“ auszusuchen, die ihnen gerade am besten passt, nervt mich gewaltig. Die Unfähigkeit deutscher Justiz, Recht durchzusetzen, nervt noch mehr.
Auf der anderen Seite gehört zum von Friedrich Merz angesprochenen Stadtbild, dass viele Arbeitskräfte in Geschäften und auch viele Kunden Migrationshintergrund haben; ohne die wären praktisch alle Innenstädte tot.
Wie so häufig hat unser Staat etwas solange verschlampert, dass es sich nicht mehr sinnvoll richten lässt. Aber das ist zu einem großen Teil auch den Wählern geschuldet, die eben immer wieder entsprechende Politiker in die Regierung gewählt haben und nun über die natürlichen Folgen ihrer Wahlergebnisse schimpfen.
Korrektur
Wenn das ifo-Institut versucht, die Gesamtausgaben für das Sozialsystem zu ermitteln, aber daran scheitert, weil unsere Sozialausgaben in über 500
GesetzenSozialleistungen und weit über 3.000 Paragraphen geregelt sindIch stimme dir sogar weitgehend zu. Ich glaube, wir sind uns nur immer etwas uneins, welche Folgerungen daraus erfolgen.
Vermögensteuer: Das Problem der Bewertung besteht, ist aber offenbar nicht unlösbar. Die Schweiz kann das.
Erbschaftssteuer: Bei einer Stundung/Ratenzahlung über 20 oder wie beim Lastenausgleich 30 Jahre sind keine Kredite erforderlich.
Es steigen ja auch die großen Privat-Vermögen, deren Besteuerung kein Unternehmen schwächen würden.
c)
Ich bin da, ähnlich wie bei der Halal Diskussion neulich, eher bei Trennung von Staat und Religion.
„Ging es da um andere Gruppen, wäre die Welt von empörten Leitartikeln.“ Gibt es denn vergleichbare Forderungen anderer Gruppen überhaupt?
Ich könnte mir schon vorstellen, dass es dann auch Konflikt gäbe.
Aus dem Artikel: „dass pauschale Gebetsverbote an Schulen diskriminierend sind“
Wenn sie pauschal sind dann doch eher nicht, oder?
Jein. Das Ding ist halt, dass islamisches Beten mit diesem Niederknien auf dem Teppich viel sichtbarer ist als christliches. Und natürlich weiter verbreitet. Das ist wie wenn ich allen Frauen verbiete, Kopftuch zu tragen. Grundsätzlich natürlich pauschal, aber in der Praxis durchaus diskriminierend. Da machst du es dir etwas zu einfach.
Ich habe übrigens gar nichts gegen grundsätzliche Gebetseinschränkungen, die haben auf einem säkularen Schulhof nichts zu suchen. Aber die würden sich auch keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie in einer Pause ein Klassenzimmer aufschließen und die Leute da drin ihr Gebet verrichten lassen.
Ich denke, dass zur „Trennung von Staat und Religion“ auch die positive Religionsfreiheit zählt, in dem Sinne, dass der Staat keine Nicht-Religion erzwingen darf.
Und hier ist das Problem: Schüler sind erzwungenermaßen einen guten Teil ihrer Zeit in der Schule, einschließlich Pausenzeiten, die für private Angelegenheiten dienen. Da bin ich bei Stefan, eine öffentlich demonstrative Glaubensbekundung muss die Schule nicht zulassen (auch nicht christlich, jüdisch oder sonstwie). Aber eine Möglichkeit zur privaten Religionsausübung zu geben, wenn es keine eigenen Kosten verursacht, ist in dem Rahmen nicht zu viel verlangt.
Und ja auch die christlichen Kirchen sind an solchen Räumen interessiert:
https://www.schulstiftung-ekd.de/prayerspaces-in-schulen/
Darauf will ich raus.
Es fällt mit etwas schwer da auf die Schnelle genaues zu finden, aber es scheint doch um «demonstrative Ausübung religiöser Riten» und „Interesse des Schulfriedens“ zu gehen. Das lässt zumindest vermuten, dass es da um handfeste Konflikte geht.
Ich verstehe eure Argumente, befürchte nur, dass das etwas naiv sein könnte. Diejenigen die unbedingt in der Schulzeit aktiv und/oder sichtbar beten müssen oder wollen, sind wahrscheinlich streng gläubig. Und das zieht leider oft eine ganze Menge anderer Ansichten mit sich, die nicht unbedingt mit unserer Gesellchaft oder dem Schulfrieden vereinbar sind.
Mit geht es da, wiederum wie bei den vorherigen Diskussionen auch, nicht zuletzt um die Signale die wir als Gesellschaft aussenden. Ich weiss, dass das schwammig ist.
Hier wird bei der taz ganz gut beschrieben, um was es da eben auch gehen könnte. Besser als ich es in meinen eigenen Worten hinbekomme:
„An vielen Schulen ist es pragmatische Praxis, dass Lehrer*innen denjenigen Schüler*innen, die gern beten wollen, dazu kurz einen leeren Klassenraum aufschließen. 2011 war ein Schüler aus Berlin, der gegen ein Gebetsverbot an seiner Schule geklagt hatte, vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Der Richter hatte das mit religiösen Spannungen an der Schule begründet. Er betonte aber auch, dass jenseits konkreter Konflikte derzeit keine Gebetsverbote an Schulen zulässig seien. Nur wenn der Schulfrieden gefährdet sei, sei ein Verbot begründbar.
„Der Versuch, das Recht auf Gebete oder Gebetsräume vor Gericht zu klären, zieht das Thema auf die juristische Ebene“, sagt Michael Hammerbacher, Leiter von Devi e.V. – Verein für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung. „Dabei geht unter, dass es eigentlich eine gesellschaftliche, politische und pädagogische Frage ist.“ Ihn habe stutzig gemacht, dass es in der Schulordnung wohl um die „demonstrative Ausübung religiöser Riten“ gehe, sagt er. Mit dem Bezug auf das „demonstrative“ wäre die Schulordnung aus seiner Sicht angemessen.
„Mir stellt sich da die Frage: Was hat die Schule für Erfahrungen gemacht, welche Kräfte wirken vielleicht auch von außen auf sie ein?“, sagt Hammerbacher. Es käme vor, dass manchmal auch undemokratische Haltungen mit einer demonstrativen Religionsausübung verbunden seien, etwa wenn Schüler*innen auf Einhaltung religiöser Regeln drängen, und sich damit gegen Unterrichtsinhalte oder gegen LGTBIQ-Schüler*innen und Lehrkräfte wendeten. „Man sollte den Schulen das Handwerkszeug lassen, sich gegen solche Einflüsse zu wehren.“ Eine juristische Einschränkung sei da eher kontraproduktiv.
Diskrimierungen und Diskriminierte
„Die ersten, die unter einem reaktionären Religionsverständnis leiden, das sind unserer Erfahrung nach säkulare und liberale Muslim*innen, und sie sind auch die Mehrheit“, sagt Hammerbacher. Auch das Argument, das die Schüler*innen darüber etwas über religiöse Vielfalt lernen würden, will er nicht gelten lassen. „Das kann zum Beispiel auch Inhalt des Ethikunterrichts sein“, sagt er.
Tatschlich ist die Frage der Diskriminierung im Kontext von muslimischer Religionsausübung vielschichtig. Einerseits berichten Meldestellen von steigendem antimuslimischem Rassismus und gerade männlich und muslimisch gelesene Jugendliche sind Diskriminierung und Altagsrassismus ausgesetzt. Gleichzeitig aber erleben minorisierte Gruppen wiederum teils einen mit dem Islam begründeten Druck und Ausgrenzungen.
Der Bund der alevitischen Jugend (BDAJ) arbeitet schon lange zu Diskriminierungen und Rassismus auch innerhalb der migrantischen Communities. Alevit*innen berichteten dabei wiederholt, wie sie gerade in der Schule von Mitschüler*innen unter Druck gesetzt würden, weil sie etwa im Ramadan nicht fasteten. Mädchen und junge Frauen müssen sich teils Kritik an einem angeblich zu freizügigen Kleidungsstil anhören.“
https://taz.de/Religionsausuebung-in-Berlin/!6121146/
„Und ja auch die christlichen Kirchen sind an solchen Räumen interessiert:
https://www.schulstiftung-ekd.de/prayerspaces-in-schulen/“
Das sind doch religiöse Schulen, oder nicht?
3) No need for a moral panic about the welfare system
https://www.ifo.de/pressemitteilung/2025-10-15/ueber-500-verschiedene-sozialleistungen-deutschland
https://www.ifo.de/publikationen/2025/monographie-autorenschaft/eine-inventur-im-haus-der-sozialen-hilfe-und
Mir ist ehrlich gesagt unklar, welche normative Folge die Menge Paragrafen hat. Dass ein Zielkonflikt zwischen Einfachheit und Einzelfallgerechtigkeit besteht, ist ja nichts Neues. Aber genau da will man ja auch keine Vereinfachungen: man denke nur an das Bürgergeld oder die Kindergrundsicherung. Beides hätte das Potenzial zur Vereinfachung gehabt.
Demografischer Wandel:
Da jüngere Geburtsjahrgänge zugleich sinkende Personenzahlen aufweisen, stellen die ab 65-Jährigen im Zeitverlauf auch einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung. Er stieg von 15 % im Jahr 1991 auf 23 % im Jahr 2024.
Im Dezember 1999 gab es 2,02 Millionen Pflegebedürftige, im Dezember 2009 war ihre Zahl auf 2,34 Millionen gestiegen und im Dezember 2019 waren 4,13 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Im Dezember 2023 waren es 5,69 Millionen.
Das sind alles steigende Sozialausgaben, dazu kommt noch Rente und Krankheitskosten. Das ist Problem, welches gelöst werden muss. Diese geht nur mit steigender Einwanderung, aber es wird seit Jahren das Gegenteil gemacht.
Diese geht nur mit steigender Einwanderung, aber es wird seit Jahren das Gegenteil gemacht.
Falsch! Es geht – bestenfalls – mit der richtigen (aka wirtschaftlich nützlichen) Einwanderung, die wir seit Jahrzehnten ausdrücklich NICHT machen, weil wir schon zuviel falsche Einwanderung haben. Und Einwanderung ist nur ein Baustein einer Politik, die auf das Problem angemessen reagiert. Die Grössenordnung, die wir jährlich bräuchten, um alleine mit Einwanderung den demographischen Verlust auszugleichen, ist vollkommen irreal.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ bis 28. Oktober 2025, 12:47
Das sind alles steigende Sozialausgaben, dazu kommt noch Rente und Krankheitskosten. Das ist Problem, welches gelöst werden muss. Diese geht nur mit steigender Einwanderung, aber es wird seit Jahren das Gegenteil gemacht.
Nun, wir haben über die letzten zehn Jahre eine hohe Einwanderung. Aber die verschärft aktuell das Problem. Das führt zu einer ablehnenden Rhethorik, was wirtschaftlich „interessante“ Einwanderer abschreckt.
1) Interessantes Thema und eine gute Gelegenheit, andere Weltsichten zu verstehen. Wir hatten beim Thema Noten öfter die Frage, ob „objektiv“ messbare Kriterien nicht geeigneter wären als die „subjektive“ Einschätzung des Lehrers.
i) Dein Einwand, dass das System Verlierer und sozialen Druck produziert, ist natürlich eine Binse, die für jedes Selektionssystem zutrifft. In westlichen Staaten haben wir auch das Phänomen von NEETs oder Hikikomori, die mit diesem Druck nicht fertig werden.
ii) Die Verkrustung, die du ansprichst, ist spannend, weil du aus ‚deutscher‘ Perspektive die gleiche Verkrustung beklagst. Die Frage ist, ob da in einem „harten“ Prüfungssystem der Veränderungsdruck anders wirkt.
iii) Wenn du diese Orientierung an „harter“ Meritokratie als untypisch für kommunistische Regime siehst, verkennst du, wie auch im „europäischen“ Kommunismus Leistungskennzahlen wichtig waren: Plansollerfüllung, Werksausstoß (ungeachtet der Qualität und der externalisierten Kosten)
4) Ein interessanter Punkt hierzu: Bis 2017 war die Raumluftqualität ein Norm-Kriterium für öffentliche Bauten. Seitdem ist es [dank „lowered expectations“ Bürokratieabbau] nur noch die Zuluftqualität, was die atmenden Menschen aus der Norm herausnimmt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Raumluft
a) eine konkrete „Fallstudie“ zum Stadtbildthema, die für mich stark eine „Geography matters“ Sichtweise stützt:
Zwischen der Münchner Innenstadt un dem Hauptbahnhof gibt es einen denkmalgeschützten Park, der seit ca. 2020 immer mehr heruntergekommen ist:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alter_Botanischer_Garten_(M%C3%BCnchen)
Was sind die Gründe:
i) Drogen und Alkohol sind durch die Bahnhofsnähe ein Problem
ii) Armut: Innerhalb des Altstadtrings werden Bettler und Obdachlose strikt vertrieben. Dadurch drängen sie sich am Rand wie der Sonnenstraße gehäuft.
iii) insbesondere um eine leerstehende Kaufhaushausimmobilie (Grüße an Herrn Benko)
iv) Kontrolllücke: rundherum sind gut bewachte öffentliche Gebäude (Gerichte) aber die Anlage selbst ist unübersichtlich und nachts schlecht beleuchtet.
und die Therapie: Die Stadt München macht zum einen Videoüberwachung und „robuste“ Polizeikontrollen, zum anderen versucht sie durch Sportanlagen etc. den Hotspot „aufzubrechen“
1i) Klar, aber da gibt es ja durchaus Unterschiede im Ausmaß und der Schärfe. Deswegen ist es natürlich eine Binse, aber eben keine, die sagt „ja, dann selektieren wir halt brutalstmöglich“.
ii) Absolut korrekt, aber das deutsche System scheint – von der Beschreibung des Artikels her – tatsächlich etwas reformagiler zu sein.
iii) Ja, aber das waren halt reine Papierzahlen. Die Chinesen scheinen schon „echte“ zu nehmen, wenn man das glauben darf.
4) Yay.
aii) Überraschend. Nicht.
a) i)
Stimmt. Sieht man auch an diesem Beispiel aus dem christlich geprägten Stadtbild am Hauptbahnhof:
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/muenchen-csu-buergermeister-thomas-pardeller-vor-nachtklub-mit-drogen-erwischt-a-69ff6248-3b90-4e78-b6be-3182146cb5d4
genauer gesagt, morgens um 4.00 Uhr (vielleicht ein ganz Fleißiger schon um diese Zeit auf dem Weg zur Arbeit?) vor dieser Lokalität, die womöglich aber auch christlich-sozial zwecks Bereicherung des Stadtbildes frequentiert wird:
https://palaisclub.de/das-palais/
Zwei Fundstücke, die konkrete „Fallstudien“-Situationen liefern, als Nachklapp zu Diskussionen der letzten Vermischten. Beide sind in der Sache ’nebensächlich‘ genug, dass man sich von dem „bin ich da dafür oder dagegen“ trennen kann:
k) (ganz frisch) Zum irreführenden(?) Begriff „Veggie-Burger“
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-kiel-likoer-ohne-ei-darf-so-heissen-spirituosenverband
l) Zur Staatsferne(?) des ÖRR
https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/meine-soehne-geb-ich-nicht-swr/
l) Woke ist das auf jeden Fall nicht.