Migrantische Kinder lernen an Apotheken, die Zentralbank von Gaza mit harten Reformen zu verändern – Vermischtes 02.09.2025

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Das Elend an deutschen Schulen

Der Artikel beschreibt die dramatische Lage an deutschen Schulen, die vielerorts als „Flächenbrand“ wahrgenommen werde. Schulleiter und Lehrkräfte berichteten, dass immer mehr Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult würden. Frühkindliche Förderung fehle, verbindliche Sprachtests wie in Hamburg gebe es in vielen Ländern nicht. Lehrkräfte würden zunehmend zu Sozialarbeitern, weil elterliche Erziehungsaufgaben ausblieben. Gewaltvorfälle nähmen stark zu, allein 2024 seien über 35.000 Delikte registriert worden. Schulleiterinnen wie Barbara Mächtle aus Ludwigshafen lehnten es ab, Statistiken zu schönen, und forderten ehrliche Benennung der Probleme. Andere Stimmen betonten, dass „Bildung zur Illusion“ werde, wenn Kinder ohne Sprachkompetenz starteten. In Mannheim und Wiesbaden klagten Lehrkräfte über zu große Klassen, fehlende Fachkräfte und überforderte Quereinsteiger. Besonders hart treffe es Kinder aus bildungsfernen oder migrantischen Familien, deren Anteil an Brennpunktschulen oft bei über 90 Prozent liege. Es werde gewarnt: „Wenn Kinder in der Grundschule scheitern, scheitern sie oft für immer.“ Gefordert würden kleinere Klassen, verpflichtende Kita-Jahre und echte Sprachförderung. Insgesamt zeichne der Beitrag das Bild eines Systems, das an strukturellen Defiziten, wachsender Migration und gesellschaftlicher Überforderung zerbricht. (Wolfgang Büscher, Alexander Dinger, Christoph Ruf, WELT)

Ich muss ehrlich sagen, ich habe selbst keine Erfahrung mit solchen Zuständen, und ich bin gottlob froh darum. Diese Schulen brauchen Sozialarbeiter*innen, nicht Lehrkräfte, hat man gerne den Eindruck. Aber letztlich sind die Maßnahmen, die hier gefordert werden, nichts Neues. Kleinere Klassen? Braucht mehr Personal und mehr Räume. Verpflichtende Kita-Jahre? Scheitert an der CDU und an fehlendem Personal und Räumen. Echte Sprachförderung? Qualifiziertes und vorhandenes Personal. Alles „strukturelle Defizite“, alright. Aber zur Wahrheit gehört halt, dass das alles seit zwei Jahrzehnten bekannt ist, mindestens. Und dass kaum was in die Richtung unternommen wird, weil es eben Geld kostet.

Demgegenüber scheint mir das „nicht Statistiken schönen“ kaum ein relevanter Lösungsbeitrag zu sein. Ich habe keine Ahnung, wie weit verbreitet die beschriebenen Praktiken tatsächlich sind; ich bin weder Grundschullehrer noch arbeite ich an einer Brennpunktschule, und solche Aussagen werden gerne pointiert, um sich selbst als besonders tollen Hecht darzustellen. Ohne Empirie würde ich da mal vorsichtig sein und den Selbstaussagen nicht zu sehr vertrauen. Was ich aber behaupten kann, weil Studien noch und nöcher existieren, ist die Nutzlosigkeit des Sitzenbleibens als Maßnahme. Es ist super teuer und hat selten den intendierten Effekt. Aber auch hier bräuchte es eben Förderung – und da sind wir wieder bei den strukturellen Defiziten.

Aber: der Artikel ist insofern durchaus richtig, als dass in progressiven Kreisen die Neigung besteht, die genannten auf Migration zurückgehenden Probleme kleinzureden. Ich bin wie gesagt heilfroh, dass ich dem im Alltag nicht ausgesetzt bin und will mir nicht vorstellen, wie schwierig das sein kann. Ich kriege genug von Kolleg*innen auf Fortbildungen mit, was noch bei weitem nicht in die Albtraumzustände hineinreicht, die hier beschrieben werden (und, dankenswerterweise, sicherlich auch nicht repräsentativ sind, was die andere Seite der Diskursmedaille ist).

2) Zerschlagt endlich die Medizin-Kartelle

Die Drogeriekette dm will durch Telemedizin, digitale Beratung und Kooperationen mit Start-ups günstige medizinische Angebote bereitstellen, darunter Bluttests, Hautanalysen und perspektivisch auch Medikamente per Versand. Ärzte- und Apothekerverbände reagierten empört, da „Augengesundheit in fachärztliche Hand“ gehöre und Patienten Werte nicht selbst einschätzen könnten. Kritisiert werde jedoch, dass Ärzte und Apotheker vom Staat geschützte Unternehmer seien, die von einem „veränderungsfeindlichen Gesundheitskartellsystem“ profitierten. Fremdbesitz- und Mehrbesitzverbote sowie strenge Zulassungsregeln verhinderten Wettbewerb. Die Folge sei ein massiver Rückgang von Apotheken und Ärzten, besonders auf dem Land, wo bis 2035 rund 11.000 Hausärzte fehlen könnten. Befürwortet werde daher eine Deregulierung, um Modelle wie In-house-Apotheken oder Medikamentenversand zu ermöglichen. Ein Blick ins Ausland zeige, dass Apothekenketten in den USA oder Skandinavien mit Tests, Impfungen und digitaler Beratung die Versorgung verbesserten. Gesundheit gehöre deshalb „ins Regal, nicht in die Hände von Kartellen“. (Justus Enninga, WELT)

Noch so ein Thema, was seit ewig und drei Tagen bekannt ist. Aber der Schutz der Apotheken war sehr lange Zeit ein Leib- und Magenthema der FDP (die „Apothekerpartei“, nannte man sie lange), bevor sie in den 2010er Jahren da einen programmatischen Schwenk hingelegt haben. Nach wie vor aber gibt es keine große Begeisterung, das anzugehen, und ein Blick auf Parteivorlieben zeigt deutlich, warum: SPD, Grüne und LINKE sind nie an vorderster Front, wenn es um die Einführung von mehr Marktwirtschaft geht, was vielleicht erklärt, warum eine Schicht, die so wenig wählt wie die freiberuflichen Apotheker*innen, trotzdem wenig vor ihnen zu befürchten hat. Und umgekehrt sind die Apotheken immer noch stark mit dem bürgerlichen Milieu verbunden. Aber das Apothekensterben wird, glaube ich, das seinige tun, um die politische Position zu erodieren. Wo nicht mehr in jedem Ort eine Apotheke ist, also die kommunale Verankerung wegfällt, werden auch die Widerstände gegen die Vermarktwirtschaftlichung wegfallen. Wo Ich kann schlecht als Apotheker*innenverband den Bürger*innen Angst vor Qualitätsverlusten machen, wenn die Qualität mangels Apotheke vor Ort nicht mehr existiert.

3) Der deutsche Wähler ist für harte Reformen – aber nicht zu seinen Lasten

Das Institut für Demoskopie Allensbach griff jüngst auf Roman Herzogs berühmte „Ruck-Rede“ von 1997 zurück und legte zentrale Forderungen – etwa längeres Arbeiten, weniger Staat und geringere Sozialleistungen – erneut der Bevölkerung vor, ohne die Herkunft der Zitate zu nennen. Das Ergebnis sei nahezu identisch mit damals: Viele hielten die Mahnungen für „dringend notwendig“. Auf den zweiten Blick jedoch zeige sich ein Widerspruch. Während eine Mehrheit die Einsicht teile, dass Reformen nötig seien, lehnten zugleich 63 Prozent es ab, selbst länger zu arbeiten oder weniger soziale Absicherung zu akzeptieren. Nur 18 Prozent seien dazu bereit, 75 Prozent bevorzugten ein „sicheres Leben in bescheidenem Wohlstand“ gegenüber einem chancenreichen, aber riskanteren Weg. Die Analyse deute auf ein Doppelwesen im deutschen Meinungsbild: rationales Verständnis für Reformbedarf einerseits, Beharren im Komfort andererseits. Politik könne sich daher nicht auf wechselnde Meinungen stützen, wohl aber auf die Einsicht, dass selbst die Bewahrer wüssten, dass Stillstand falsch sei. (Thomas Schmid, WELT)

Ich sage das immer wieder: die Leute sind stets dazu bereit, harte Reformen zu fordern, wenn sie andere betreffen. Da sind Thomas Schmid und seine Kolleg*innen von der Welt auch keine Ausnahme. Als der Boomer-Soli in die Diskussion kam, trat das eine Ladung von Meinungsartikeln los, warum diese auf gar keinen Fall belastet werden dürften, um nur ein Beispiel zu nennen. Gleiches gilt für höhere Steuern für Reiche, Vermögenssteuern, eine andere Versteuerung von Kapitalerträgen und was man sich an „harten Reformen“ auf dem Feld alles vorstellen könnte. Die Härten betreffen immer die Leute, die keinen Aktienfonds ihr Eigen nennen. Und umgekehrt hab ich natürlich kein Problem damit, Aktienfondbesitzende besteuern zu wollen; ich hab kein einziges solches Papier. Aber wehe ihr geht an die Beamtenpensionen, die die Welt natürlich auch mit voller Breitseite angreift. Wir sind alle Heuchler*innen, was das angeht. Weckt mich, wenn die Leute wirklich bereit sind, „harte Reformen“ für sich selbst zu akzeptieren und nicht Gründe zu finden, warum die, natürlich aus völlig objektiven Gründen, schlecht sind.

4) Grenzfälle in Serie

Der Leitartikel beschreibt, dass die Linkspartei ihr Antisemitismusproblem nicht in den Griff bekomme. Mehrere jüngste Vorfälle – Hamas-nahe Redner auf einem Sommerfest, ein antisemitischer Tweet aus der Linksjugend und ein Vorstandsmitglied, das eine Karte ohne Israel verbreitete – hätten gezeigt, dass „Grenzfälle in Serie“ auftreten, die andere demokratische Parteien so nicht zuließen. Zwar habe die Parteiführung um Ines Schwerdtner und Jan van Aken stets klare Distanzierungen ausgesprochen und auf den Hallenser Beschluss von 2024 verwiesen, der sowohl Hamas-Terror als auch israelische Kriegsverbrechen verurteilt. Doch die Umsetzung bleibe schwach, interne Streitigkeiten hielten an, und antisemitische Chiffren würden von Teilen der Basis weitergetragen. Problematisch sei vor allem die fehlende sprachliche Trennung zwischen Kritik an der israelischen Regierung und der pauschalen Abwertung jüdischer Menschen. Der Kommentar fordert die Parteiführung auf, eindeutiger zu werden: Symbole wie die Wassermelone seien unproblematisch, Parolen wie „From the river to the sea“ hingegen nicht. Eine Partei, die sich Antifaschismus auf die Fahnen schreibe, dürfe hier keinen Raum für Ambivalenz lassen. (Marc Röhlig, SPIEGEL)

Ich sag mal: die LINKE hat sich marginal verbessert, was das angeht (vor allem die Position der Parteispitze), aber das ist eine Verbesserung auf einer sehr relativen Skala. Die Partei wie die Linke generell haben definitiv ein Antisemitismusproblem, auch wenn das nicht ganz so krass sein mag, wie es ihnen das rechte Lager gerne vorwirft. Aber das ist eben Politik, und wenn der Schuh passt, muss man ihn sich aus anziehen. Diese Palästina-Romantik ist ein katastrophales Überleibsel, das mittlerweile bis in die 1960er Jahre zurückgeht und bemerkenswert resistent gegenüber allen Fakten einerseits und dem Untergang des Ostblocks, der das Ganze realpolitisch unterfüttert hatten, andererseits.

5) Chartbook 406 Trump v. the Fed: or how history is forcing the question of a democratic politics of central banking.

Adam Tooze analysiert den Versuch Donald Trumps, Fed-Gouverneurin Lisa Cook „aus wichtigem Grund“ zu entlassen, als Eskalation seines langjährigen Konflikts mit der US-Notenbank. Liberale Stimmen wie David Wessel oder Paul Krugman sähen darin einen Angriff auf „unsere Demokratie“, wobei Tooze betont, dass die Fed selbst eine „undemokratische Institution“ sei, in der Geschäftsinteressen direkten Einfluss hätten. Trumps Vorgehen werfe Fragen auf: Gehe es um Opportunismus, Kontrolle, Deregulierung oder ökonomische Stimuli vor den Midterms 2026? Während Märkte bislang erstaunlich gelassen reagierten, warnen Beobachter wie Robin Wigglesworth vor einer „finanzökonomischen Kalamität“. Tooze deutet an, dass Demokraten nie mit vergleichbarer Entschlossenheit wie MAGA-Akteure für ihre Agenda gekämpft hätten. Die Episode verdeutliche, dass Zentralbankunabhängigkeit zunehmend politisch infrage stehe und dass eine „demokratische Politik des Zentralbankwesens“ neu definiert werden müsse – jenseits defensiver Abwehrkämpfe für ein Brookings-geprägtes „Unsere Demokratie“. (Adam Tooze, Chartbook)

Dieser Konflikt innerhalb der Linken schwelt die ganze Zeit unter der Oberfläche. In Deutschland ist er (noch) nicht angekommen, aber selbst innerhalb des Kerns der zentristischen Linken wird mittlerweile diskutiert, ob man vielleicht etwas offensiver antreten sollte. In den USA führen die Progressiven die Diskussion längst entlang dieser Linien. Das ganze Drama um die Haltung zum Gazakrieg (siehe Fundstück 4) ist in den USA ja weniger ein Rechts-Links-Thema wie bei uns, weil MAGA ja selbst von Antisemiten durchsetzt ist, sondern vor allem ein Konfliktpunkt innerhalb der zentristischen und der aktivistischen Linken. Und dasselbe gilt für diese Frage des grundsätzlichen Angriffs auf Systeme: ist man eher für die Restauration bestehender good governance, quasi Obama 2.0, oder stellt man eher die Systemfrage? Da kommt das „heightening of the contradictions“ im alten Marx’schen Sinn gleich wieder hoch, das (vermutlich wie stets fehlgeleitet) annimmt, aus der Zerstörung der Institutionen und Normen durch MAGA einen Vorteil ziehen zu können.

Resterampe

a) Interessanter Punkt zum fehlenden Datensammeln im medizinischen Sektor. (Twitter)

b) Dass diese Sichtweise immer noch so verbreitet ist… (Twitter)

c) Mythen zur Flüchtlingssituation. (Twitter)

d) Obama hat so Recht. (YouTube)

e) As always with this argument. (Twitter)

f) Ich verstehe auch die Schmähkritik von Frank auch nicht. Diese Chose zeigt vor allem eins: dass selbst Journalist*innen, die jeden Tag aus Berlin berichten und nah an der Politik sind, einfach nicht wahrhaben wollen, wie Politik funktioniert. (Twitter)

g) Problem. (Twitter) Auch so ein US-Import.

h) Diese Statistik ist so irre. (Twitter) Polarisierung und die Nutzlosigkeit einer Umfrage in einem Bild.

i) Und der Preis für den unpassendsten Vergleich geht an Wolfgang Michal. (Freitag)

j) Ganz ausgewogener Artikel aus dem beliebten „warum die AfD so stark ist“-Genre. (Augsburger Allgemeine)

k) lol (Twitter)

l) Zur Standortdebatte. (Twitter) Siehe auch Heise dazu.

m) Der Versuch, Pro-Gaza-Demos zu verbieten, bestätigt mir meine These, dass das letztlich die ganze Cancel-Culture-Debatte von der anderen Seite her ist. (Bluesky)

n) Jamelle Bouie analysiert, wie viele Menschen in den USA Sklav*innen besaßen. (YouTube)

o) Darf sie das? (Welt) Klar darf sie das. Die relevante Frage ist: SOLLTE sie das?

p) Streit um Aufnahmetests: „Es gehen einfach zu viele Kinder aufs Gymnasium, die nicht gerne lernen” – eine Lehrerin berichtet (News4Teachers). Schwieriges, aber wichtiges Thema. Und sicher keines, für dass es eine Lösung gibt, die so simpel wie „Einführungstests“ ist.

q) Who Wants to Work for ICE? They Do. (The Atlantic)

r) Slavery Was Bad and Must Be Remembered (Washington Monthly). Schlimm, dass man das sagen muss.

s) MAGA geht auf KI-generierte Sowjetästhetik. (Twitter) Diese Bewegung ist ästhetisch so weird.


Fertiggestellt am 31.08.2025

{ 63 comments… add one }
  • DerDieDas 2. September 2025, 09:28

    Zu 3) Die Wirtschaftsinkompetenz der Union ist bodenlos. Die Wirtschaft geht am Stock (hat dafür die Haare schön: Reiche 19 k € und Merz 12 k € Friseurkosten. Von den hunderten von Million, wenn nicht am Ende gar Milliarden, versenkten € von Scheuer, Spahn & Co. ganz zu schweigen) und die Union glaubt allen ernstes, man muss nur den Reichsten der Gesellschaft mehr und den Ärmsten der Gesellschaft weniger Geld geben und dann kommt der Aufschwung von alleine.
    Die Dummheit ist wirklich atemberaubend und führt zu so unfassbar dümmlichen Aussage, dass unser «Sozialstaat ‚insolvent‘» sei (Hier in Person von Kampeter von den Arbeitgeberverbänden).
    Was aber hat der Sozialstaat mit den akuten Problemen der deutschen Wirtschaft zu tun? Gar nichts! Ist der Sozialstaat insolvent? Das ist grandioser Schwachsinn. Ist der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar? Nur dann, wenn man weiter absolut falsche Wirtschaftspolitik macht. Wieso braucht man Angebotspolitik, wenn die Nachfrage schwach ist? Braucht man eine Beinschiene, wenn man Husten hat? Und wie kann ein halbwegs intelligenter Mensch genau in der Sekunde auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit setzen, wo vom wichtigsten Handelspartner genau diese Strategie kritisiert und mit Gewalt konterkariert wird? Zur Erinnerung: Genau das ist die Begründung Trumps für seine Zölle. Deswegen 29 % Zoll für die Schweiz!
    Wenn jetzt unter dem Druck der Unternehmerlobby und der vereinten Presse (ZON, SPON und Springer geben sich da alle nicht viel) in den Haushaltsberatungen noch deutlich bei den Sozialausgaben gekürzt wird, vermindert jeder gekürzte Euro unmittelbar die ohnehin schwachen Gewinne der Unternehmen. Die von den Kürzungen betroffenen Personen haben kaum Ersparnisse und werden ihre Ausgaben für Güter und Dienstleistungen reduzieren, was erneuten Nachfrageausfall bedeutet. Folglich wird der gescheiterten Ampel in nicht allzu langer Zeit eine gescheiterte Schwarz-Rote Koalition folgen.
    Was zu denken geben sollte: Wenn die beiden größten Länder der EU, nämlich Deutschland und Frankreich (auch dort will die Regierung bekanntlich massiv sparen – 44 Mrd. € – und Feiertage streichen) quasi unregierbar sind, wird der Nationalismus sehr rasch die Macht übernehmen – mit völlig unvorhersehbaren Folgen, weil dessen wirtschaftspolitische Vorstellungen noch absurder sind als die der Konservativen. Noch könnte man es abwenden, aber die Zeichen an der Wand deuten in die falsche Richtung.

    • Erwin Gabriel 3. September 2025, 11:15

      @ DerDieDas 2. September 2025, 09:28

      zu 3) Der deutsche Wähler ist für harte Reformen – aber nicht zu seinen Lasten

      … weil dessen wirtschaftspolitische Vorstellungen noch absurder sind als die der Konservativen.

      Zumindest diesem Teil kann ich zustimmen. Aber ich tue mich schwer damit, Deine Vorstellungen in konkrete Handlungen umzudenken. Also mal aus Neugier gefragt: Kennst Du ein Land, in dem Deine Vorstellungen von Wirtschaft schon mal ausprobiert / umgesetzt wurden?

      Ich lande, wenn ich Deine Gedanken in meinem Kopf fortführe, immer wieder bei staatlicher Kontrolle der Wirtschaft (Richtung DDR), aber ich bin mir fast sicher, dass Du das nicht meinst.

  • DerDieDas 2. September 2025, 10:42

    Nachtrag: Wenn der Kanzlerpraktikant verlauten lässt, dass wir „seit Jahren über unsere Verhältnisse» leben, dann ist das halt auch nur eine weitere Lüge. Tatsache: Gemessen am BIP gibt Deutschland im internationalen Vergleich eher durchschnittlich viel für Sozialleistungen aus, nämlich ca. 27 % des BIP. Damit liegt die Bundesrepublik im Mittelfeld der reichen OECD-Staaten. Und wer noch mehr ins Detail geht, sieht: In Relation gesetzt erscheint die Lage noch weniger dramatisch, als uns die Union weiß machen will. So sank etwa der Anteil der an die Rentenversicherung gezahlten Bundesmittel zwischen 2003 und 2022 von 3,5 des BIP auf 2,8 %. Nimmt man nur das Bürgergeld, sanken die Kosten in den letzten zehn Jahren von 1,4 auf 1,1 % des BIP, gemessen am Haushalt sogar von 14 auf 10,3 %.

    • Erwin Gabriel 3. September 2025, 14:58

      @ DerDieDas 2. September 2025, 10:42

      Wenn der Kanzlerpraktikant verlauten lässt, dass wir „seit Jahren über unsere Verhältnisse» leben, dann ist das halt auch nur eine weitere Lüge.

      Nun gut, das entspricht auch meiner Wahrnehmung. Nicht, weil ich denke, dass es uns aktuell schlecht geht – das Angebot, den jetzigen Zustand festzuschreiben, würde ich sofort annehmen. Ich kann nur ein Stück weit extrapolieren, wie es sich weiterentwickelt. Und das macht mich dann schon recht beklommen.

      Gemessen am BIP gibt Deutschland im internationalen Vergleich eher durchschnittlich viel für Sozialleistungen aus, nämlich ca. 27 % des BIP. Damit liegt die Bundesrepublik im Mittelfeld der reichen OECD-Staaten.

      Der internationale Vergleich ist aus meiner Wahrnehmung an dieser Stelle nicht ganz so entscheidend, weil eben nur eine Momentaufnahme, keine Tendenz oder Richtung. Was ich allerdings sehe, ist dass die Sozialausgaben in Zukunft zwangsweise steigen deutlich werden, während die Zahl der Steuerzahler und Beitragszahler für die Sozialversicherungen sinken wird.

      So sank etwa der Anteil der an die Rentenversicherung gezahlten Bundesmittel zwischen 2003 und 2022 von 3,5 des BIP auf 2,8 %. Nimmt man nur das Bürgergeld, sanken die Kosten in den letzten zehn Jahren von 1,4 auf 1,1 % des BIP, gemessen am Haushalt sogar von 14 auf 10,3 %.

      Das ist sicherlich eine schöne Zahl, aber (nur meine subjektive Wahrnehmung) irrelevant. Zum einen ist für mich halbwegs offensichtlich, dass unsere Wirtschaft in den nächsten Jahren bestenfalls stagnieren wird; ich erwarte ein spürbares Schrumpfen. Wenn ich schaue, woher die Einnahmen kommen, sind das im weitesten Sinne Unternehmen, die nicht vom Staat finanziert werden. Alles, was zum Bruttosozialprodukt beiträgt, was aber direkt oder indirekt vom Staat finanziert wird (etwa im Bildungs- oder Energiesektor), ist vom Prinzip her von der linken Tasche in die rechte, und erhöht zwar das BIP, aber nicht die Einnahmen (bzw. nur in einem Rahmen, den man vorher mit staatlichen Zuschüssen geschaffen hat).

      Für mich ist der spannende Wert, wie sich die inflationsbereinigten Steuereinnahmen zu den inflationsbereinigten Sozialausgaben (inkl. Zuschüsse zu Sozialversicherungen) verhalten, bzw. in den letzten Jahren entwickelt haben.

  • Stefan Pietsch 2. September 2025, 10:50

    1) Das Elend an deutschen Schulen

    Es kann nur eine dumme Idee sein, Kinder an die Schulen zu bringen, die nicht einmal den Unterricht verstehen, von „folgen“ ganz zu schweigen. Es kann nur eine dumme Idee sein, Schüler immer weiter zu „befördern“, die das Lernziel nicht erreicht haben in der Erwartung, bei gestiegenen Anforderungen werde das schon gelingen.

    Dieses Land hat jahrzehntelange Expertise, was man so überhaupt falsch machen kann im Bildungsbereich. Da sind deutsche Lehrer auch kaum die besten Experten, wie man den Bildungsbereich wieder auf die richtigen Beine stellen kann. Es mag sein, dass in Studien bei einzelnen Schülern es sinnvoll sein kann, sie trotz einer Fünf minus in Englisch trotzdem in die nächste Klasse zu versetzen. Aber mit Sicherheit nicht, wenn ein Drittklässler weder Rechnen, Schreiben noch Lesen kann. Was soll da bitte der Sinn sein??

    Weiterhin geht diesem Land jedes Problembewusstsein ab. Wer kein Problembewusstsein hat, hat erst recht keine Lösungskompetenz. Die Idee, mit tollen Experten und vielen zusätzlichen Erziehern das Problem der großen Bildungsferne von Migranten anzugehen, ist echt super! Es wäre allerdings auch super, würde ich mal im Lotto nicht nur drei, sondern sechs Richtige erzielen. So lange das nicht so ist, muss ich mich mit dem behelfen, was ich ohne die sechs Richtigen habe.

    Vor einem Jahrzehnt schrieb ich, wir müssen sofort an die Kinder der Migranten ran. Doch dieses Land glaubte wieder, das wird von selbst. Natürlich, ein 25jähriger Syrer aus Aleppo, der hier mit seiner kopftuchbehängten Frau einreist, wird als Erstes dafür sorgen, dass der Fernseher ausgestellt bleibt und seine Kleinen deutsche Kinderbücher bekommen. Er sagt ihnen, dass Messer ab sofort verboten sind und man in der neuen Heimat Konflikte nicht mit den Fäusten und Klappmessern löst. Innerhalb weniger Monate können die sittsamen Jungen und Mädchen dann perfekt deutsch, sind Vorbilder für die Gleichaltrigen und rasen regelrecht durch die Grundschule.

    So ungefähr stellt man sich bis heute in den links-ökologischen Kreisen bis heute die überragende Wirkung des deutschen Bildungs- und Erziehungswesens vor. Die Wirklichkeit steht im Ottokatalog, wenn Hijabs für prepupertäre Mädchen verkauft werden und in Schwimmbädern blonde Mädchen sexuell belästigt werden.

    Die eigentliche Quintessenz des Artikels ist nicht, dass es Probleme mit Migranten gibt. Wir haben viele zu viele Menschen aus fernen Kulturkreisen in viel zu kurzer Zeit ins Land gelassen, um Migration in geordnete Bahnen bringen zu können. Das sagten Konservative und Liberale vor zehn Jahren und waren damit Ausländerfeinde.

  • Stefan Pietsch 2. September 2025, 10:53

    2) Zerschlagt endlich die Medizin-Kartelle

    Dürfen Apotheker anders als Transmenschen keine Lobby und politische Vertretung haben? Als die FDP sich aus prinzipiellen Gründen von ihrer traditionellen Wählerklientel löste, wurde diese von der CDU übernommen. Firma dankt.

    Alte Menschen, die wichtigste Kundengruppe von Apotheken, bestellt ihre Medikamente nicht im Internet. Was soll sie da?

    • Stefan Sasse 2. September 2025, 13:24

      Klar dürfen die eine Lobby haben, wo steht denn, dass nicht…? Fahr mal runter!

      • Stefan Pietsch 2. September 2025, 13:30

        Im Text klagst Du die FDP an. Es mag ja richtig gewesen sein, dass der Schutz der Apotheker nicht so recht zum marktwirtschaftlichen Profil passen mochte. Aber die Wähler und ihr Einfluss verschwinden ja nicht. Dann übernimmt eben jemand anders.

        So funktioniert ja seit langem erfolgreich das Modell der AfD. Man sammelt ein, was die anderen liegen lassen.

        • Stefan Sasse 3. September 2025, 08:35

          Ich klage sie nicht an, ich erkläre, warum die Situation so ist, wie sie ist. Beziehungsweise war, wie sie war. Es ist eine Analyse, nicht mehr, nicht weniger.

          Deswegen verweise ich ja auch darauf, dass die keine echte Lobby mehr haben und woran das liegt. Das werden auch immer weniger.

  • Stefan Pietsch 2. September 2025, 11:06

    3) Der deutsche Wähler ist für harte Reformen – aber nicht zu seinen Lasten

    Als 2021 der Solidaritätszuschlag für 90 Prozent der Einkommensteuerzahler gestrichen wurde, wo genau waren da die Claqueure, die heute eine solidarische Beteiligung der Topverdiener forderten? Wo waren sie, als die Bundesregierung Ende 2024 die Beitragsbemessungsgrenzen drastisch anhob und damit ausschließlich die Besserverdiener in diesem Land belastete? Wenn die oberen 0,1 Prozent 10 Prozent des Einkommensteueraufkommens zahlen, dann ist das nicht genug. Der Finanzminister erklärt eine „Haushaltslücke“ von über 30 Milliarden, was ziemlich genau dem heutigen Anteil der obersten 0,1 Prozent entspricht. Er müsste die Steuerlast für diese Gruppe verdoppeln, ob das Loch damit schließen zu können.

    Dieses Land sieht es seit ewigen Zeiten als selbstverständlich an, Sozialleistungen und das, was manche Politiker und Lobbys dafür halten, zu erhöhen und neu zu erfinden. Wenn dann das Geld nicht reicht, würde in jeder Community mit 5 Cent Grips entschieden, dieses Mehr wieder zurückzunehmen. Nicht in Deutschland. „Jeder leistet seinen Beitrag“ heißt dann, Einfrieren der Leistungen für 2 Jahre und Erhöhung der Abgaben für die Solventen auf ewig.

    Solidarisch ist dann auch, dass diejenigen, die bereits anderthalb Jahre ihres Lebens dem Land geopfert haben, ein weiteres soziales „Pflichtjahr“ hinzufügen, während man die jüngeren von einer allgemeinen Dienstpflicht verschont. Und wenn sie dann maulen, bekommen sie zu hören, sie seien unsolidarisch. Na ja, „sozial“ ist nur einen Buchstaben vom Gegenteil entfernt.

    • Soeren Schmitz 2. September 2025, 11:36

      In meinen Augen ist der ganze Tam-Tam den man um die Bürgerversicherung auf der einen und „Tax the Rich“ auf der anderen Seite macht ein stumpfes Ablenkungsmanöver. Weder kann man das Bürgergeld so modifizieren, dass substantielle Aufwände der heute für Bürgergeld anfallenden 45 Mrd EUR, noch kann man die Einkommensteuer erhöhen, ohne nicht große Teile mittelständischer Unternehmer in Personengesellschaften gänzlich zu vergrätzen.

      Merkel, Scholz und auch Merz im Wahlkampf suggerierten den Wählern, dass man nichts ändern müsse, dass es schon irgendwie weitergehen würde und verpasste es den Wähler mit der unangenehmen Wahrheit zu konfrontieren. Stattdessen haben wir eine sehr große Vertrauenskrise, die durch die 180 Grad Wende der Union nochmal verstärkt wurde. Außerdem passen HAndlungen der Regierung nicht zur Botschaft. Ja, wir werden den Sozialstaat zurückbauen müssen, aber warum war Geld da für Steuersenkungen in der Gastro, die dritte Stufe der Mütterrente, für sie Stromsteuersenkung dann wieder nicht? Warum genehmigt sich der Bundestag mit gr0ßer Mehrheit 5,4 % Diätenerhöhung wenn doch die Inflation nur bei 2,2 % liegt? Alles Maßnahmen die das Vertrauen weiter erodieren lassen.

      Ich bin mittlerweile an dem Punkt, dass ich resigniere, da ich niemanden mehr in der Deutschen Politik sehe, der die Kraft oder Autorität hat überhaupt schmerzhafte Reformen umzusetzen. In den Fraktionen ist inzwischen üblich sich als Überzeugungskämpfer und Abweichler zu profilieren. Menschen wie Müntefering oder Schäuble, die eine freidrehende Fraktion zu bändigen wussten, gibt es so nicht mehr.

      Jetzt sollen Kommissionen wieder aufschreiben, was längst jeder weiß. Die umlagefinanzierte Sozialversicherung ist am Ende. Es wird auf mehr Eigenverantwortung hinauslaufen müssen. Die Frage ist ob Union und SPD die Kraft finden für eine lagerübergreifende Weichenstellung. Ich bin da sehr pessimistisch.

      • Stefan Pietsch 2. September 2025, 13:28

        Der Unterschied zwischen Wirtschaft und Haushalten einerseits und dem Staat andererseits ist, dass letzterer mit seinen Maßnahmen sehr lang laufende Rechtsansprüche schafft. Das war schon bei der Einführung der Pflegeversicherung die zentrale Warnung von Ökonomen. Der Staat schafft Ansprüche, wo er auch in Jahrzehnten nicht mehr wegkommt.

        Umso mehr ist jede Maßnahme intensiver zu überlegen und zu wägen als das Unternehmen und Bürger tun müssen (wenn sie sich nicht ruinieren wollen). Doch die Politik hat genau das in den letzten 40 Jahren unterlassen. Völlig bedenkenlos wurden immer neue Ansprüche geschaffen um Wählergruppen zu befriedigen. Nur, auch das zeigt, das Politiker er dümmer als klüger wie der Querschnitt der Bevölkerung sind: Der Kauf funktioniert höchstens für eine Wahl, die Belastung bleibt dauerhaft. Welcher vernünftige Mensch würde solche Geschäfte eingehen?

        Die Union muss nun seit mehr als zehn Jahren bei der Mütterrente immer mehr nachlegen, die SPD muss immer höhere und umfangreichere Mindestlöhne versprechen. Leider ist zumindest die deutsche Politik völlig lernresistent.

        Ich verfolge seit vierzig Jahren die nationale Politik. Ich habe mich Jahre mit volkswirtschaftlichen Zusammenhängen beschäftigt und Studien gewälzt. Jeder in Politik, Wirtschaft und zumindest die gebildeten Bürger wussten, wohin sich das Land in langen Reihen entwickelt. Leute wie CitizenK, Thorsten Haupts, Erwin Gabriel und noch einige andere können nicht sagen, sie hätten es nicht gewusst.

        Gewusst heißt: Wir kannten die Zeitfenster. Bis um die Jahrtausendwende hätte eine deutliche Korrektur in den sozialen Sicherungssystemen Rente, Gesundheit und Pflege erfolgen müssen. Man wusste, dass sowohl aufgrund der demographischen Entwicklung mit ihren progressiv wachsenden Kosten als auch der Altersstruktur der Wählerschaft sich das Zeitfenster für entsprechende Reformen dann schließt.

        Die Politik hat auch im Live-Experiment erfahren, dass der Weg der Arbeitsmarktreformen Arbeitslosigkeit beseitigt und Beschäftigung geschaffen hat. Jeder kluge Mensch hätte so ein System laufen lassen. Nicht die Politik, die mit diabolischer Freude alles zertrümmert hat.

        Wir wussten von klassischen Einwanderungsländern, dass es natürliche Begrenzungen der Aufnahme von Einwanderern gibt, weil sonst die Gesellschaft schnell aus dem Ruder läuft. Die herrschende Politik wollte es nicht hören. Wir wussten auch, dass die größere Aufnahme von Migranten nur dann sinnvoll ist, wenn diese ein höheres Qualifikationsniveau als die einheimische Bevölkerung aufweisen. Wir taten das Gegenteil.

        Ökonomen wussten immer, dass die bedenkenlose und grenzenlose Subventionierung von was auch immer jeden Haushalt ruiniert. Wir taten es mit der Energiewende dennoch.

        Wer so oft mit dem Kopf gegen die Wand läuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er irgendwann mit eingebeultem Kopf auf dem Boden liegt.

        Sorry, no bonus. Die Politik kann nicht mehr dagegen ankämpfen. In der Folge werden die radikalen Kräfte das Ruder übernehmen. Auf der Rechten die AfD, die auf Sicht stärkste Partei werden wird. Und auf der Linken die Partei die LINKE und das BSW (oder eine andere linksnationalistische Partei), die die Reste der SPD einsammeln und die Grünen marginalisieren werden.

        Wir haben’s vermasselt. Und im Leben ist nichts umsonst.

        • Erwin Gabriel 2. September 2025, 15:50

          @ Stefan Pietsch 2. September 2025, 13:28

          zu 3) Der deutsche Wähler ist für harte Reformen – aber nicht zu seinen Lasten

          Wir haben’s vermasselt.

          Ja

      • Lemmy Caution 2. September 2025, 13:52

        Die Alternative zur Kompromissfindung ist eine sehr andere Welt.
        Ich finde dieses ideologische, rechthaberische und wenig pragmatische Gezänk in Deutschland dermassen deppert und enttäuschend, dass ich ausserhalb von diesem Blog praktisch keine Nachrichten mehr in der deutschen Sprache konsumiere.
        Wir haben einen Schuldenstand von 63% BIP, Frankreich liegt auf 114%.
        Für eine Zeit haben wir Luft, aber die Maximalforderungen müssen aufhören. Auch auf Seiten der Welt-Fraktion.
        Falls ihr Kinder habt, werden die irgendwann in einer Welt leben, die von Typen wie Xi, Trump, Putin und dem nordkoreanischen Dicken bestimmt werden. Wenn das so weitergeht. Wenn es in einer Gesellschaft zu viele Menschen gibt, die unkritisch den Blödsinn von Javier Milei oder Hamas nachplappern, hat sie auch nichts besseres verdient.

        • Stefan Pietsch 2. September 2025, 21:20

          Demokratie ist zuerst ein Mittel der Entscheidungsfindung. Das eigentliche Ziel ist leider weitgehend in Vergessenheit geraten.

          Wir haben einen Schuldenstand von 63% BIP

          Das ist falsch. Mit einer solchen Aussage stände ein CEO an der Schwelle zum Gefängnis. Die tatsächliche Staatsverschuldung ist fünfmal höher, wie der Generationenforscher Bernd Raffelhüschen ausgerechnet hat. Die Bundesregierung selbst taxiert das eigene Potential der Verschuldung in der Größenordnung von Griechenland.

          Wie das kommt? Im Bericht zur Tragfähigkeit der Staatsfinanzen geht der Staat davon aus, dass bei gleichbleibender Rechtslage, Bevölkerungszusammensetzung, ohne Krieg und globalem Weltuntergang die eigene Verschuldung in den nächsten zwanzig Jahren auf dieses Niveau steigen wird. Und das war vor dem Beschluss des Billion-Schulden-Pakets. Da der Staat die Ressourcen, noch (Volks-) Einkommen zu erwirtschaften, im Schwinden sieht, gleichzeitig aber nicht bilanzierte Ansprüche gegenüber den Bürgern riesenbergenhoch weiß, begeht er gerade Insolvenzverschleppung.

          Du siehst die ersten Auswirkungen gerade. Wir diskutieren, wie der Staat überhaupt noch ein geringes Mindestniveau für die Lebensleistung Rente gewährleisten kann, während er gleichzeitig weder die eigene Sicherheit noch notwendige Investitionen aus eigenen Mitteln stemmen kann. Mancher wundert sich tatsächlich, warum ein alterndes Land mit Millionen Neubürgern ohne jede Qualifikation kein Wirtschaftswachstum mehr hervorbringt. Das sind allerdings auch die, die schon in der Grundschule im Rechnen versagt haben (und nicht Sitzenbleiben durften).

    • DerDieDas 2. September 2025, 15:39

      Wie immer alles schamlos komplett faktenfrei erfunden beim Peitsch.

      • Stefan Pietsch 2. September 2025, 19:25

        Sie selber behaupten, die Arbeitsmarktreformen von 2005 hätten den Sozialstaat entlastet. Haben Sie gar nicht gemerkt, gell? Möglicherweise wissen Sie gar nicht, was Sie schreiben?

      • Stefan Sasse 3. September 2025, 08:38

        Entweder du nimmst die Diskussion auf, erklärst, was du für faktenfrei und erfunden hältst und was das richtige sein soll, oder du lässt es. Aber einfach so pauschale Beleidigungen lösche ich ab jetzt kommentarlos, die verpesten einfach nur die Kommentarfunktion.

      • Erwin Gabriel 3. September 2025, 15:01

        @ DerDieDas 2. September 2025, 15:39

        Wie immer alles schamlos komplett faktenfrei erfunden beim Peitsch.

        @ Stefan Sasse: Kannst Du das nicht unterbinden?

  • Stefan Pietsch 2. September 2025, 11:09

    4) Grenzfälle in Serie

    Nun, die Parteispitze ist doch bei antisemitischen Ausfällen stets in der Spitzengruppe dabei. Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. Antisemitismus ist ja nur ein Radikalistenproblem der Partei, die SPD und Grüne so gerne in die Arme der „Mitte“ schließen würden. Systemsturz gehört da zum guten Ton.

  • Stefan Pietsch 2. September 2025, 11:18

    l) Zur Standortdebatte. (Twitter) Siehe auch Heise dazu.

    Das als Beitrag zur Standortdebatte zu überschreiben, zeigt, wie wenig man das Problem versteht. Die Automobilindustrie und die Zulieferindustrie stehen für 773.000 Beschäftigte. Es sind so viele, weil der Bau von Motoren und die Feinheiten sehr viele Menschen und Fähigkeiten erfordern. Das ist bei einem E-Auto nicht so. Nur deswegen konnte Tesla zur wertvollsten Marke der Welt aufsteigen.

    Die Förderung der E-Mobilität ist keine Maßnahme zum Erhalt des Standorts, sondern zu seinem Abriss.

    o) Darf sie das? (Welt) Klar darf sie das. Die relevante Frage ist: SOLLTE sie das?

    Habeck bezeichnet die Bundestagspräsidentin ob des Tuns als dumm. Dumm weshalb? Weil sie dem Neutralitätsgebot des Staates Geltung verschafft?

    • Lemmy Caution 2. September 2025, 12:09

      Deutschland ist zwar fuer die deutsche Automobilindustrie ein wichtiger Markt, aber sie hat als Exportwirtschaft eben viele wichtige Maerkte. Ausserdem haben wir ein China etwa 100 Auto-Unternehmen, die sich in einem darwinistischen Ueberlebenskampf befinden… und die beginnen jetzt wirklich zu exportieren.
      https://www.youtube.com/live/VGsk-FDvG1I
      Die sind hauptsaechlich hybrid oder mit Verbrennermotor.

      • Stefan Pietsch 2. September 2025, 13:09

        Es geht nicht um den deutschen Markt, sondern im Set-up um die deutschen Produktionsstandort. Das sind zwei verschiedene paar Schuh‘. Zur Sicherung des Standorts (nicht des Marktes) wird die starke Förderung der E-Mobilität empfohlen. Nur ist die generell ursächlich für die Massenentlassungen.

        Dazu gibt es außer politischen keine Indikatoren, die ein schnelles Marktwachstum der E-Mobilität erwarten lassen. Der Markt für BEVs entwickelt sich völlig abweichend von typischen dynamischen Pioniermärkten (siehe Schumpeter). Normalerweise werden innerhalb von Monaten, höchstens 1-2 Jahren Massen Konsumenten zu dem neuen Produkt / Technologie gezogen. Denke an das Internet, Smartphones oder aktuell die KI.

        All das ist bei E-Autos ausgeblieben. Nur mit viel staatlichem Druck (Norwegen, China) und steuerlichen Subventionierungen (Deutschland, USA) sind Kunden für E-Autos zu gewinnen. Die Politik versucht einen Markt zu entwickeln. Das ist etwas völlig anderes als der typische Ablauf in einer Marktwirtschaft.

        • Lemmy Caution 2. September 2025, 15:20

          BMW setzt mit ihrer jüngst verkündeten Strategie voll auf Elektrifizierung. https://www.spiegel.de/wirtschaft/bmw-und-die-neue-klasse-modelle-dieses-fahrzeug-soll-die-deutsche-autoindustrie-retten-a-d7ec33ad-2eeb-4e3f-952b-c943bf17f7ff
          Aber Du weisst es natürlich besser als das BMW Management und ihre Berater.
          Meine Informantin aus der Autoindustrie meint, dass es seit 10 Jahren bekannt ist, dass die chinesischen Produzenten irgendwann bei den Verbrennern angreifen werden und es dann ernst wird. Man wusste nur nicht wann. Es ist jetzt.
          Aber Schuld ist natürlich „die Politik“.
          Du bekommst die traditionellen deutschen Autos immer schwerer in den Wachstumsmärkten in Asien verkauft, weil die Kunden dort eine Zitat „fahrende Karaoke-Bar“ wollen, d.h. ein hoch-digitalisiertes Auto mit viel Consumer-Electronics. In diese Richtung muss sich die deutsche Automobilindustrie entwickeln, wenn sie einen kräftigen Niedergang abwenden will.

          • Stefan Pietsch 2. September 2025, 19:23

            Nee, aber der SPIEGEL ist ja nicht gerade ein seriöses Medium. 🙂

            Das Ziel für 2030 bleibt mit 50 Prozent elektro nicht überambitioniert. Wichtig ist BMW, das wissen sie in Hamburg nicht und Du als Nicht-Autofachmann anscheinend auch nicht – die Flexibilität der Antriebsstrategie. Ich bestreite doch nicht, dass Elektro für die Autohersteller wichtig ist. Neben den USA ist China der wichtigste Markt. Und dort geht nunmal gar nichts ohne BEVs.

            Aber ich kann Statistiken und Studien lesen. Die Nachfrage im privaten Sektor bleibt in Europa auf niedrigem Niveau. E-Autos haben weiterhin gegenüber Benzinern enorme Nachteile bei Kosten, Reichweite, Komfort, Werterhalt. Und was ich sage, ist, dass die E-Mobilität ein von der Politik getriebene Marktentwicklung ist. Bestreitest Du das ernsthaft?

            • Lemmy Caution 2. September 2025, 20:34

              Der Anteil lag bereits 2025 in allen nordischen Staaten und Benelux Ländern bereits bei über 25%.
              https://de.wikipedia.org/wiki/Marktentwicklung_von_Elektroautos_nach_L%C3%A4ndern
              Das sind in Europa die Länder mit den am besten ausgebildeten Einwohnern und den geringsten Schulden.
              Bei den E-Autos sind größere Innovationen zu erwarten, da sie relativ am Anfang ihres Produktlebenszyklus stehen.
              Natuerlich hört BMW nicht auf, in Verbrenner zu investieren, aber sie setzen halt sehr stark auf E-Antrieb.

              • Stefan Pietsch 2. September 2025, 21:07

                Er ist in Norwegen hoch, weil der Staat (sic!) restriktiv gegen Benzinmotorbesitzer vorgeht.

              • Stefan Pietsch 2. September 2025, 21:55

                Schummler: Nur in Norwegen liegt der Anteil über 20 Prozent, in den anderen skandinavischen Ländern sind wir im mittleren einstelligen Bereich. Das unterstreicht meine Behauptung: BEVs lassen sich nur mit massiven staatlichen Druck in den Markt drücken. Sie überzeugen die Bürger nicht.

                • Lemmy Caution 2. September 2025, 23:32

                  Neuzulassungen > 25% wie in der von mir oben verlinkten Statistik leicht zu erkennen.
                  Alle Nordischen Länder und Benelux Länder haben einen Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen >= China.

                  • Stefan Pietsch 2. September 2025, 23:50

                    Neuzulassungen ist nicht Bestand.

                    Okay, ich nehme es zurück, Dein Kommentar war für mich nicht eindeutig, aber im Zurückblättern wird erkennbar, dass Du die Neuzulassungen meinst. Nur, der Unterschied zwischen Schweden und Dänemark einerseits und anderen Ländern ist doch in homöopathischen Dosen.

            • Stefan Sasse 3. September 2025, 08:40

              Der Spiegel ist genauso seriös wie die Welt auch. Sorry. Zügel mal ein bisschen. Du magst nicht zustimmen, aber seriös arbeiten tut der Laden.

              • Stefan Pietsch 3. September 2025, 09:00

                My God, Ihr erkennt Bemerkungen mit einer Prise Humor (Ironie, Sarkasmus u.ä.) nicht einmal, wenn sie extra mit Smiley gekennzeichnet sind…

                • Stefan Sasse 3. September 2025, 09:20

                  Ich wüsste nicht, wie ich hier Ironie hätte erkennen sollen, sorry.

                  • Stefan Pietsch 3. September 2025, 09:30

                    Ich setze Smileys sehr, sehr sparsam. Wenn ich sie setze, dann, weil ich die Bemerkung humorig oder mindestens nicht ganz ernst gemeint habe.

                    Ich formuliere ja ohnehin gerne flockig, aber in geschriebener Form können die meisten Deutschen das nicht so wahrnehmen. Deswegen aus meiner Sicht der „Holzhammer“.

                    • Stefan Sasse 3. September 2025, 11:57

                      Mir ist der Smiley echt entgangen, my bad.

          • Stefan Pietsch 2. September 2025, 19:24
    • sol1 3. September 2025, 22:41

      Daß du ein Fan der notorischen Lügnerin Julia Klöckner bist, wundert mich nicht im geringsten.

      https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/die-fake-news-der-julia-klockner-unehrlichkeit-als-roter-faden-einer-karriere-10604008.html

  • cimourdain 2. September 2025, 15:10

    2) Da zeigt sich, wie der politische „Werkzeugkasten“ bei der Analyse eher schädlich denn nützlich ist. Anstelle mit „Kartellen“ und „Lobby“-Parteien einzusteigen, ist doch die erste Frage, was das Problem ist: Der Rückgang der Apotheken.
    Die nächste Frage ist woher es rührt: Gestiegene Fixkosten und sinkende Umsätze.
    Dann ist die Frage nach der Therapie: Hier schlägt die Welt vor, eine Konkurrenz durch die Drogerien aufzubauen.
    Nächste Frage Folgen: Nicht besonders überraschend werden dann noch mehr Apotheken dichtmachen, wenn eine Konkurrenz mit dem „economy of scale“ Vorteil da ist.
    Dann kannst du bewerten, ob das wünschenswert wäre: In meinen Augen nein. Im Forum zu den letzten Bohrleuten hat Ralf medizinische Versorgung als Musterbeispiel für ein Feld genannt, wo Fachleute unzweifelhaft nötig sind. Und deshalb ist Selbstdiagnose + Lieferdienst kein adäquater Ersatz für Arzt + Apotheke.

    4) Weil mich dieses „Antisemitismus“ – Bullying nur noch ankotzt, hier mein persönliches und nicht verhandelbares Kriterium: Wer für das Elend im nahen Osten „die Juden“ oder „die Palästinenser“ schuldig spricht, betreibt Antisemitismus bzw. Rassismus. Wer von „der Regierung Netanyahu“ oder „der Hamas“ spricht, äußert erst einmal eine politische Meinung. Bei „Israel“ höre ich hin, wie der restliche Kontext ist. (Und gebe in beide Richtungen eine gewisse Brokkoli-Toleranz.)

    g) Kein Import (dazu sind die Parteiensysteme zu unterschiedlich) sondern eine andere Variante des gleichen Eisverkäufer-Paradoxons.

    i) Ich zitiere mal Stefan Sasse: „… und wenn der Schuh passt, muss man ihn sich aus anziehen.“

    k) Das erste „Meme“ Fundstück bei DD. Und auch noch zu einem Thema, das derartig noch unter Talkshow-Niveau ist.

    m) Das ist einfach eine Machtfrage. Andere haben versucht, Demonstrationen von „Ende Gelände“, Impfgegnern oder „Rheinmetall entwaffnen“ letztlich aus vorgeschobenen Gründen zu verbieten.

    s) Ich finde es sehr interessant, wie gut die „Rechte“ mittels KI und kulturellem Eklektizismus eine eigene Bildsprache(n) schaffen können. Wir hatten die Themen „Ghibli-Ästhetik“, Trumps Katzenretter-Bilder, Connie-Memes . Dieses Medium und sein Potential haben die „Woken“ komplett verschlafen.
    [Nachbemerkung: „Know your sozialistischer Realismus“ Das Hemd deutet weniger auf ‚Sowjet‘ hin, sondern erinnert mich eher an die FDJ: (sehr verwaschenes) Blau, 2 Brusttaschen, Klappkragen]

    • Stefan Sasse 3. September 2025, 08:37

      2) Selbstdiagnose hast du ja weiterhin nicht, ohne Rezept kriegst du den Kram ja nicht. Aber in der Apotheke kriege ich keine tolle Beratung. Ich gebe ein Rezept ab, dann sagen die mir dass das morgen da ist und dass ich da dann wiederkommen soll.

      4) Fair.

      g) Eisverkäufer-Paradoxon?

      i) Inwiefern?

      m) Auch, ja.

      • cimourdain 3. September 2025, 10:26

        2) Gleich am Anfang: „Denn die Drogeriekette weitet ihr telemedizinisches Angebot aus und bietet seit einigen Tagen Hautanalysen, Bluttests und Augenchecks an.“ -> Selbstdiagnose.

        g) https://de.wikipedia.org/wiki/Hotellings_Gesetz

        i) Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Michal hat die Gemeinsamkeiten aus seiner Sicht präsentiert. Wenn dir der Schuh nicht passt, solltest du sagen, wo er drückt (Unterschiede).

        • Stefan Sasse 3. September 2025, 11:58

          2) Ja schon, aber damit kriegst ja nicht auch bisher rezeptpflichtigen Kram, oder?

          i) Ah, verstehe. Ich kann diese Argumentationslinie einfach überhaupt nicht ernstnehmen.

  • Lemmy Caution 2. September 2025, 17:24

    r) Sklaverei, Kolonialismus, Rassismus. Natürlich muss das alles erinnert werden. Man muss aber die Sklavenhalter aus ihrer Zeit verstehen.
    Viele Leute im Westen sehen Geschichte als eine Art Moralwettbewerb mit „gut“ und „böse“. Zur Wahrheit gehört eben auch, dass in Schwarz-Afrika Sklaverei endemisch war, während in Europa es verboten war, Christen zu versklaven und in muslimischen Gegenden Muslims. Trotzdem spielte Sklaverei von Schwarzafrikanern und Europäern in muslimischen Staaten eine wichtige Rolle.
    Die Lateinamerikanischen Staaten haben bis weit ins 20. Jahrhundert die verbliebenen indigenen Gemeinschaften brutal unterdrückt, die Japaner andere ostasiatische Völker ebenfalls. Sobald eine Kultur eine hinreichend dominante Stellung einnehmen konnte, agierte sie oft äußerst brutal.
    West-Europaer machen heute manchmal den Eindruck, als ob Europa alles Schlechte in die Geschichte gebracht hätte. Die entsprechenden Klagen über die negative Wertung der Landsleute über der eigenen Nation in der Geschichte höre ich übrigens oft aus Frankreich und UK. Gerade als jemand, der sich seit 35 Jahren viel mit Kolonialgeschichte auseinandersetzt, finde ich das krass.
    Interessantes längeres Gespräch in diesem Punkt: https://www.youtube.com/watch?v=kf-bSAnW_E0

    Die aus heutiger Sicht inakzeptalen Seiten der Geschicht zu verschweigen, ist natürlich noch irrer.

    • Thorsten Haupts 2. September 2025, 23:40

      Ja, die Geschichtsvergessenheit im Westen nervt mich seit vielen Jahren. Nach der Erzählung der Kolonialismus-„Theorie“ war die Welt schön, friedlich und nett, bis nach 1492 europäischen Kolonialisten auftauchten. Von Attila, Dschinghis Khan, Tamerlan, Assurbanipal, Qin Shi Huangdi (Liste beliebig erweiterbar) etc. hat diese Theorie nie etwas gehört und ihre Protagonisten sind offenkundig nicht zum Lesen in der Lage. Oder bösartig.

      Sklaverei war übrigens der Normalzustand der Welt, bis die Europäer (!) sie zumindest dort beendeten, wo sie herrschten. Der Mensch ist kein ausnehmend freundliches Wesen …

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • CitizenK 3. September 2025, 07:52

        Attila et. al. agierten aber auch nicht im Namen der westlichen Leit-Religion, Cortez et. al. aber schon. Dieser Teil der Kolonialgeschichte wurde einer größeren Öffentlichkeit doch erst durch das „Columbus-Jahr“ bewusst.
        Und was Trump et. al. gerade veranstalten (bzw. bei uns gerne veranstalten würden und es wohl in Teilen demnächst auch werden) , sollte uns schon auch „nerven“.

      • Stefan Sasse 3. September 2025, 08:41

        Ich weiß nicht, welche „Theorie“ du konsumierst, aber das ist kein irgendwie existierender „Konsens“ oder so was. Du zeichnest ein Zerrbild, das dann umso leichter anzugreifen ist.

        • pannaKraweel 3. September 2025, 10:44

          Ich möchte dafür werben, hier den eigenen Verteidigungsreflex – nur kurz – ruhen zu lassen. Ich habe ein stinknormales Lehramtsstudium durchlaufen und besonders in einem Fach (Philfak, nicht Geschichte, keine schlechte Uni) wurde mir das grosso modo so präsentiert; da lief/läuft was schief und das kann man mit ‚Zerrbild‘, ‚Strohmann‘ nicht so leicht beiseitewischen. Es waren natürlich nicht alle Dozenten in gleichem Maße und nicht immer, aber es blieben immer alle von höherer Stelle unwidersprochen und ohne Konsequenzen, auch bei falschen Fakten. Drumherumstudieren ging auch nicht.

          • Stefan Sasse 3. September 2025, 11:59

            Vielleicht ist mein Studium zu lange her, aber was ich bislang im wissenschaftlichen Bereich gelesen habe, behauptet so was nicht. Auch in den Schulbüchern schlägt sich das so nicht nieder.

            • pannaKraweel 4. September 2025, 10:07

              Geschichte führt da vielleicht auch einen weiteren Diskurs als andere.

      • Lemmy Caution 4. September 2025, 00:13

        Ich höre das immer wieder aus England und Frankreich, dass in den letzten Jahrzehnten eine schwarze Legende der europäischen Geschichte verbreitet wurde. Auch von eigentlich vernünftigen Leuten. So richtig verstehen kann ich das auch nicht.
        In Lateinamerika wurde Kolumbus in den letzten 30 Jahren auf jeden Fall in vielen Ländern kritischer gesehen, was ok ist. Diese Entwicklung setzte in Europa sogar früher ein. Ich kann aber natürlich negative Aspekte Kolumbus, Cortez und Pizarro sehen, ohne direkt die europäische Kultur als solches zu verdammen.

        • Stefan Sasse 4. September 2025, 10:52

          Ist wie immer, wenn eine neue Sichtweise kommt wird die überbetont, dann kommt die Gegenrevision und alles pendelt sich auf einem differenzierteren Niveau neu ein.

    • Stefan Sasse 3. September 2025, 08:39

      Weiß nicht, wenn man sich mit der Geschichte der Sklaverei auch nur minimal beschäftigt wird man nicht umhin kommen, die Kooperation der entsprechenden Herrschaften vor Ort einzubeziehen.

      • Lemmy Caution 4. September 2025, 00:36

        Das auf jeden Fall.
        Außerdem ist Sklaverei nicht Sklaverei.
        Der mir übrigens sympathische mulattische afrokubanische Warlord Antonio Maceo stammte von Sklaven ab, er wuchs aber als Sohn eines Maultier-Unternehmers auf. In den Südstaaten der USA waren solche familiären Karrieren afaik undenkbar.

  • Ralf 2. September 2025, 22:52

    zu 3) “Reformen bei den anderen”

    Wir sind alle Heuchler*innen

    Ja – aber wir können die Menschen doch auch beim Wort nehmen: Lieber bescheidenerer Wohlstand als mehr Risiko und dafür mehr Chancen? Wenn es das ist, was die Menschen wollen, dann ist das doch eine Alternative zu manchen Reformen.

    • Thorsten Haupts 2. September 2025, 23:42

      Klar doch. Wenn Ihnen jetzt noch schnell eine Methode einfällt, ohne weitere Steuererhöhungen unseren bescheidenen Wohlstand bei Null- oder Minuswachstum dauerhaft zu sichern, bekommen Sie den Nobelpreis!

    • Stefan Sasse 3. September 2025, 08:41

      Gemanageter Abstieg, quasi?

      • Ralf 3. September 2025, 10:51

        Ist halt die Frage, ob jeder das notwendigerweise als Abstieg wahrnehmen würde. Ich kenne zum Beispiel Fälle von erfolgreichen Privatunternehmern, die schließlich ihre Firma aufgegeben haben und eine deutlich geringer entlohnte Stelle beim Staat angenommen haben. Die Antrieb hier war weniger Stress, mehr Sicherheit etc.. Ich kenne auch Führungskräfte, die einen Schritt zurück gemacht haben – aus ähnlichen Gründen. Der “Einkommensabstieg” läuft in diesem Fällen parallel zu einem “Lebensqualitätaufstieg”.

        • Stefan Sasse 3. September 2025, 12:00

          Ich verstehe, was du meinst. Aber volkswirtschaftlich ist das eine andere Nummer als privatwirtschaftlich.

  • Lemmy Caution 3. September 2025, 03:40

    t) Schlaflos vor youtube. Milei, der Zusammenbruch
    Das sieht nun wirklich ganz schlecht für den „Löwen“ aus. Seit letzter Woche tauchen immer neue Aufzeichnungen auf, in denen Mileis Schwester in einem ungelenken Spanisch übel korrupte Deals abspricht.

    Innenministerin Patricia Bulrich veröffentlichte nun einen Beitrag auf Twitter. Sie gibt zu, dass der Regierungspalast über ein Jahr (!) abgehört wurde. Aus diesen Aufnahmen stammen die – laut Bulrich – manipulierten Veröffentlichungen. Die überwiegende Mehrheit hält die Aufzeichnungen aber wohl für echt.
    https://x.com/PatoBullrich/status/1963014075992178707
    Bulrich droht am Ende des Beitrags unverhohlen den Journalisten. Das geht einfach nicht, auch wenn die Flut von Veröffentlichungen ein schwerer Schlag für die Chancen der Regierung in den mid-term elections nächstes Wochenende bedeuten. Die Außenseiter-Regierung Milei ist einst angetreten, um die endemische Mega-Korruption in der argentinischen Politik zu beenden. Irgendeinen Sinn machen diese Drohungen eh nicht, nach all dem was da veröffentlicht wurde.

    In Buenos Aires wurde schnell ein Schlachtruf ausgedacht, der offenbar in der U-Bahn begeistert gesungen wird. https://x.com/ArrepentidosLLA/status/1962947328240755089
    Hier die empfohlene performativ und textlich ausgefeiltere Version: https://www.instagram.com/reel/DNnpVpBt9G_/
    Dreht sich darum, dass Mileis Schwester schwer korrupt, knallhart schambefreit, zur Kaste gehört und diese ganze Milei Regierung eine Operette ist.

    Gleichzeitig erklären liberale Wirtschaftsexperten im Fernsehen, dass die Wirtschaftspolitik dabei ist gegen die Wand zu fahren und sie nicht sähen, dass die Regierung einen Plan B hätte. Nicht einer sondern alle ausser die zwei, die Teil der Regierung sind (Sturzenegger und Espert).

    Die sich im Hausarest befindliche ex Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner führt nun während ihrer Balkon-Auftritte einer begeisterten Anhängerschaft Tanzschritte vor.
    https://www.instagram.com/reel/DOFXAOBjFqc/

    Eigentlich ist es eine Spezialität der Linken in Lateinamerika nach Helden zu suchen. Nun meinten Liberale und Libertäre, in Javier Milei einen Messias finden zu können. Ich zitiere zu solchen Versuchen für jetzt, die Vergangenheit und alle Zukunft einen umstrittenen chilenischen Anarchisten: https://www.youtube.com/shorts/pfbIiHizFpg

  • sol1 3. September 2025, 22:49

    k) Relevant:

    „Männer, die viel verarbeitetes Fleisch essen, haben nicht nur niedrigere Testosteronwerte, sondern auch weniger Spermien.“

    https://www.watson.ch/leben/tiktok/581838595-carnivore-diet-experten-warnen-vor-tiktok-trend

  • cimourdain 4. September 2025, 10:51

    r) Über die Antwort von Lemmy Caution habe ich länger nachdenken müssen.

    i) Mein erster Gedanke war, warum Stefan Sasse diese US-Import Debatte so stark hier vermarktet. Als Gegenbeispiel würde ich das örtlich und zeitlich deutlich näher liegende Phänomen der Schwaben- oder Verdingkinder aus den Alpenländern in Süddeutschland erwähnen, die auch in sklavereiähnlichen Verhältnissen arbeiten mussten. Darüber wird bei uns keine Kulturkampf-Debatte (genauer gar keine Debatte) geführt.

    ii) Denn wie Lemmy Caution schreibt, war Sklaverei eine universelle Angelegenheit. Noch heute gibt es geschätzt 50 Millionen Menschen in Sklaverei-ähnlichen Verhältnissen weltweit (und ja, auch in Deutschland). Auch das ist keinen Kulturkampf „wert“.

    iii) Da halte ich es für bezeichnend, dass die sehr konkrete Frage schnell auf die „Sünden des Westens“ hochgeschoben wird. Der Austausch zwischen Thorsten Haupts und CitizenK ist da bezeichnend.

    iv) Wenn der transatlantische Sklavenhandel also weder in Ausmaß noch Grausamkeit so exzeptionell ist, warum ruft er dann als Thema solche Abwehrreaktionen hervor? Meine Erklärung ist, dass er Teil des Neuzeitlichen „Weltaneignungsprogramms“ Globalisierung darstellt. Denn das war tatsächlich ein Novum : Dass auf Kontinent A Menschen aufbrechen um von Kontinent B Menschen zu versklaven, die auf Kontinent C Land bewirtschaften wobei die Produkte zum Teil Richtung Kontinent D gebracht werden.

    • Thorsten Haupts 4. September 2025, 21:50

      Denn das war tatsächlich ein Novum : Dass auf Kontinent A Menschen aufbrechen um von Kontinent B Menschen zu versklaven …

      Die Araber hätten einen Einwurf 🙂 .Oder mehrere, bis heute.

    • Lemmy Caution 5. September 2025, 09:18

      i) mit der aktuellen Sklaverei muesste ich mir genauer anschauen. Afaik fassen die da eher Dinge wie Zwangsheirat darunter.

      iv) Die Formen der Sklaverei waren sehr unterschiedlich.
      Zwei extreme Beispiele:
      a) Die Janitscharen im Osmanischen Reich waren geraubte Kinder aus dem Balkan, die als Sklaven alkulturiert und zu Elitesoldaten ausgebildet wurden. Sie konnten hoechste Staatsaemter erreichen. Als weniger verwurzelte Menschen ging von den Janitscharen eine geringere Putschgefahr aus. Die Janitscharen waren aber Sklaven.
      b) Im Kolonialen Brasilien siedelten sich entflohene Sklaven in sogenannten Quilombos an. Diese lagen nicht zu weit entfernt von portugiesischen Siedlungen, weil sie mit denen Schwarzhandel trieben. Das Quilombo von Palmeiras war riesig und existierte zwischen 1630 bis 1695 (!) https://de.wikipedia.org/wiki/Palmares_(Siedlung) . Es lebten dort neben den Schwarzen auch Indigene und einige Weisse. In der Phase der Akkulturation an das Leben in dem Quilombo

      Berber, Araber veranstalteten auch Sklavenjagden, v.a. an den Kuesten Sueditaliens oder suedlich der Sahara. Oder sie kauften von dort Sklaven wie im transatlantischen Sklavenhandel ja auch. Sklaverei war in Afrika voellig normal, jedoch kamen zumindest die Kinder irgendwann frei. Auch im innerafrikanischen Sklavenhandel wurden die ueber lange Strecken transportiert, uebrigens auch nach Indien. Die tropische Landwirtschaft (Zucker, Baumwolle) in Amerika war in jedem Fall eine aeusserst brutale Form der Sklaverei. Auf Kuba und in dem heutigen Haiti beendeten die Sklaven das System weitgehend selbst in Kriegen.
      Es ist problematisch, das alles aus heutiger Sicht moralisch zu werten. Es gab immer auch Personen aus der europaeischen Kultur, die Sklaverei ablehnten. Es gabe einen Fall von afrika-staemmigen Sklaven, denen 1839 die Revolte auf einem Sklavenschiff gelang. Sie landeten dann trotzdem an die amerikanische Kueste und erlangten in Gerichtsprozessen die Freiheit. https://de.wikipedia.org/wiki/Amistad-Prozesse
      Europa hatte fuer einige Zeit eine sehr hervorgehobene Machtstellung. Aber wie haetten andere Voelker gehandelt? In jedem Fall hatte die europaeische Kultur auch immer Elemente, die gegen Ausbeutung und Rassismus arbeiteten. Zwei Beispiele:
      1. https://de.wikipedia.org/wiki/Bartolom%C3%A9_de_Las_Casas
      2 Extrem viele der spaeteren Koepfe der De-Kolonialisierung haben sich in Europa politisch sozialisiert. Ho Chi Minh ist da ein faszinierendes Beispiel. Frantz Fannon ist als farbiger Franzose in einer gutsituierten farbigen Familie mit den Werten der Franzoesischen Republik aufgewachsen. Bevor er nach Frankreich ging, war ihm Rassismus ueberhaupt nicht bewusst, weil er ihn in Martinique nicht erlebt hatte.

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