Die Achziger haben angerufen und wollen ihren Kandidaten zurück

logo_general_fin_webEs ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die ersten öffentlichen Spekulationen über eine Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps auf das Jahr 1987 datieren. Damals war er auf einem ersten Höhepunkt seines PR-Erfolgs (während sich sein Immobilienimperium bereits rasant der Pleite näherte), sein Bestseller „The Art of the Deal“ stand überall in den Läden. Trump verkörperte einen Teil des Appeals der Reagan-Era, den maskulinen Erfolg, den poppigen Megalomanen. Was Schwarzenegger für’s Actionkino war war Trump für’s Business. Es überrascht daher kaum, dass er sich in den Neunzigern, die diesem speziellen Unfug sehr ironisch gegenüberstanden, nur mit genau der Selbstbloßstellung in Howard Sterns Radioshow über Wasser halten konnte, die ihm nun so sehr schadet („Are you for the Iraq War?“ „Yeah…I guess….“). Es waren die zynischen 2000er Jahre, in denen er in The Apprentice wieder hochkam. 2016 stellt er sich an die Spitze einer Bewegung, die überhaupt nicht mehr weiß, wo eigentlich ihr Amerika geblieben ist. Auch Trump weiß es nicht, dabei ist die Antwort eigentlich gar nicht so schwer. Dieses Amerika ist an der Schwelle zu 1990 zurückgeblieben, und das Jahr 2016 hat keine Verwendung mehr dafür. Viele Journalisten haben versucht, jene Periode zu finden, auf die sich Trumps Slogan von „Make America Great again ostentativ bezieht. Wann waren die USA denn great, greater jedenfalls als heute? Verschiedene Antworten wurden präsentiert: die Achziger, die Fünfiziger, die Zeit des amerikanischen Exzeptionalismus in der Gilded Age, irgendwas, Trump weiß es selbst nicht so genau. Sieht man ihn und seinen Wahlkampf, seine Aussagen, Slogans und Unterstützer an, dann fällt die Verortung aber leicht: es sind die 1980er. Alle Übel, die Trump bekämpfen will, stammen aus den 1990ern, von NAFTA bis zur political correctness. Sein Wahlkampf ist ein einziges Nostalgie-Vehikel. Man kann das an vielen Stellen sehen, an seiner Rhetorik, an seinen Stellvertretern, an seinem Programm, an seinem Marketing, an seinen Skandalen. Alles schreit Achziger. Und das ist nichts besonders Positives, obwohl die Republicans in den letzten zwei Dekaden nichts haben unversucht lassen, einen Heiligenkult um Ronald Reagan aufzubauen. Der Kult hat mit der historischen Person mittlerweile nichts mehr gemein. Wie ich mit meinem Kollegen Sean T. Collins in unserem Podcast zur 80er-Retro-Show „Stranger Things“ diskutiert habe, verbinden aber beileibe nicht alle mit der Kultur und den Werten der Achziger nur Positives, weshalb die Epoche in der Erinnerung auch gerne durch den Weichspüler gezogen wird.

Trump aber holt genau die Aspekte hervor, an die sich nur wenige Leute gerne erinnern: die Dominanz der jocks über die nerds, den offenen Sexismus, die Blasphemie des Erfolgs. Kulturell sind die 2010er Jahre geprägt von der Dominanz der Nerds: vom Superheldenkino über Wikileaks zur Piratenpartei und den Wahlkampforganisationen Obamas und Clintons über die Präsidentschaft des ultimativen Nerd-Kandidaten Obama selbst haben sie die Macht übernommen – und dabei mit #gamergate auch bereits ihre schmutzige Seite der Medialle zur Genüge präsentiert. Man sieht dies schön an den Reaktionen auf all die Sexismus-Vorwürfe, die er sich bislang eingefangen hat.

So erklärte er seine Beleidigungen jüngst als reines „Entertaintment“, das gar nichts mit seiner Privatperson zu tun habe, als ob das irgendwie besser wäre. Die Achziger sind dafür schon ein bisschen zu lange vorbei. Dasselbe gilt für die von Clinton gestellte Alicia-Machado-Falle, in der Trump die Vorwürfe an die ehemalige Miss-Universe-Gewinnerin, sie sei zu fett geworden (weil sie 15kg auf Normalmaß zugelegt hatte) einfach wiederholte, als müsse jedem sofort ersichtlich sein, dass ein übergewichtiger Siebzigjähriger die Berechtigung habe, solche Urteile in aller Öffentlichkeit zu treffen. Es gilt für seine Kommentare, ob eine Frau eine „10“ sei, die nicht nur in sich selbst ungeheur sexistisch sind sondern in ihrer Präferenz für lange, schlanke Beine und riesige Brüste auch noch die ästhetischen Vorlieben der Achziger wiederkäuen. Und es gilt natürlich für seine völlige Unfähigkeit zu erkennen, dass sich die Maßstäbe für sexuelle Belästigung massiv geändert haben. Ob seine Anwälte verkünden, dass in der Ehe „rechtlich gar keine Vergewaltigung möglich“ sei (doch, ist sie, nur in den Achzigern halt noch nicht) oder ob Trump nicht erkennen kann, dass seine auf Band festgehaltenen Kommentare von 2005 darüber, dass sein Celebrity-Status es ihm erlaube, Frauen gegen ihren Willen zu küssen oder in den Schritt zu greifen, nicht einfach nur „Umkleideraumgeschwätz“ (locker-room banter) ist, sondern effektiv das Geständnis einer Straftat.

Trumps Verharren in den Achzigern hat sich von Beginn an gezeigt, etwa in seiner Verachtung für die modernen Methoden eines datenbasierten Wahlkampfs. Auch sein Rückgriff auf eine unförmige, knallig rote Schildmütze, die in die öffentlichen Auftritte integrierte Ankunft im eigenen Privatjet oder das vergoldete Interior seines Neo-Versailles-Apartments im Trump-Tower signalisieren deutlich den mentalen Aufenthaltsort des Kandidaten. Ebenfalls ein deutliches Zeichen hierfür ist Trumps unerklärliche Überzeugung, dass Bill Clintons wohlbekannte Affären der Kandidatur seiner Frau schaden würden. Die republikanische Partei hat sich mit dieser Fehleinschätzung bereits 1998 (!) eine blutige Nase geholt, als Clintons Zustimmungswerte inmitten der Lewinsky-Affäre nicht etwa fielen, sondern stiegen, und die Democrats bei den Midterm-Elections zulegten – eine außerordentliche Seltenheit, dass die „in-house party“ bei diesen Wahlen gewinnt. Trump aber kann diese Lektion der ihm kulturell bereits fremden Neunziger nicht verarbeiten. Nur so ist zu erklären, dass er glaubt, seine von der Washington Post publizierten Kommentare über das Küssen und Begrapschen von Frauen seien dadurch wegzuerklären, dass Bill Clinton auch solche Sachen sagte.

Es gibt aber auch einen wesentlich handfesteren, empirisch bestätigbaren Grund für die mangelnde Attraktivität von Trumps Botschaft: die Demographie. Die Achziger, wo Trump seine geistige Heimat unterhält, wurden von großen Teilen der Wählerschaft überhaupt nicht erlebt. Trump, der seine größten Erfolge in dieser Periode feierte, ist mittlerweile siebzig. Die Leute, die kulturell in den Achzigern aufgewachsen sind – also wer in den 1970ern geboren wurde – sind Mitte Dreißig oder noch älter, und viele verbinden nicht ihre besten Erinnerungen mit dieser Dekade, sondern mit den ökonomisch wesentlich ergiebigeren Clinton-Jahren der Neunziger. Jede empirische Untersuchung zeigt, dass Trump erst bei über 50jährigen Wählern Mehrheiten einfährt. Wähler unter Dreißig lehnen ihn zu über 70% ab. Addiert man dazu Trumps notorische Probleme mit Schwarzen, Latinos und Frauen zeigt sich schnell, dass es schlicht nicht genug wütende, alte, weiße Männer gibt um ihm zur Präsidentschaft zu verhelfen. Und das ist wahrlich ein Segen.

{ 17 comments… add one }
  • Hias 8. Oktober 2016, 09:21

    Bzgl. deines vorletzten Satzes hab ich eher Bauchschmerzen. All die Schwarzen, Latinos und Frauen müssen auch zur Wahl gehen. Und da hab ich meine Zweifel, gerade wenn ich die relativ niedrigen Wahlbeteiligungen bei den US-Präsidentschaftswahlen anschaue. Zusätzlich schaffen es die Populisten inzwischen massiv die bisherigen Nichtwähler zur Wahl bringen. Ich befürchte, dass wird eher sehr, sehr knapp.

    • Stefan Sasse 8. Oktober 2016, 09:33

      Es gibt nur sehr wenig Anzeichen für die angebliche hohe Wahlbeteiligung der bisherigen Nichtwähler auf Seiten Trumps. Diese Schimäre wurde bereits in den primaries dauernd verkündet, aber jedesmal wenn Wahlforscher die Trump-Wähler untersuchen stellen sie fest, dass es klassische Republican-Wähler sind. Weder gibt es das oft unterstellte Mobilisierungsproblem der Democrats noch eine Welle von Neuwählern bei den Republicans.

      • Ariane 8. Oktober 2016, 16:49

        Meiner Meinung nach darf man auch nicht unterschätzen, was für ein negatives Mobilisierungspotenzial Trump als Kandidat darstellt. Ich bin davon überzeugt, dass er genausoviele Leute an die Wahlurnen treibt, die ihn einfach auf jeden Fall verhindern wollen.
        Wie Stefan schon sagte, soviele alte weiße Männer (zudem noch Nichtakademiker) gibt es auch in den USA nicht^^

  • techniknoergler 8. Oktober 2016, 16:35

    „Die republikanische Partei hat sich mit dieser Fehleinschätzung bereits 1998 (!) eine blutige Nase geholt, als Clintons Zustimmungswerte inmitten der Lewinsky-Affäre nicht etwa fielen, sondern stiegen, und die Democrats bei den Midterm-Elections zulegten – eine außerordentliche Seltenheit, dass die „in-house party“ bei diesen Wahlen gewinnt. Trump aber kann diese Lektion der ihm kulturell bereits fremden Neunziger nicht verarbeiten. Nur so ist zu erklären, dass er glaubt, seine von der Washington Post publizierten Kommentare über das Küssen und Begrapschen von Frauen seien dadurch wegzuerklären, dass Bill Clinton auch solche Sachen sagte.“

    Das bedarf näherer Erläuterung: Was genau hat sich in den 90er Jahren so verändert, dass Trump für bestimmte Äußerungen heute als Sexist gilt und abgestraft wird, Clinton aber für ähnliche Äußerungen nicht? Welches Kriterium ist in den 90er Jahren dazugekommen, welches eine so große moralische Differenzierung zwischen den Worten Trumps und ähnlicher Worte seitens Bill Clintons ermöglicht? Ich sehe es nämlich auch nicht, habe in den 80ern aber noch nicht einmal gelebt.

    Ist es schlicht, das Clinton sich dem Lager der Linken zuschreibt, aber Trump nicht (mehr)?

    • Ariane 8. Oktober 2016, 17:07

      Naja, das muss man vielleicht etwas trennen.
      Das, was er im Video erzählt, ist ja eindeutig sexuelle Belästigung. Ein Kandidat, der Frauen gegen ihren Willen küsst, sie betatscht und in den Schritt fasst, wäre vermutlich auch in den 80ern nicht unbedingt mit Wohlwollen aufgenommen werden wollen. (ich bin 85 geboren, also hänge auch ich da noch etwas zurück) Ich glaube auch nicht, dass Bill Clinton mal damit geprahlt hat, Frauen gegen ihren Willen belästigt zu haben.

      Bei seinen restlichen sexistischen Sprüchen hat sich aber durchaus etwas geändert, da hat sich die political correctness und der Feminismus weiter entwickelt. Ich führe mal die Brüderle-Affäre an. Solcher „normaler“ Machismo war früher viel üblicher und keine Frau hätte gewagt, sich deswegen großartig zu beschweren. Das gibts immer noch häufig genug und eine Frau muss irgendwie lernen, damit umzugehen. Dass es damals aber einen Skandal gab und viele Frauen sich dazu oder zu ähnlichen Fällen geäußert haben und klar gesagt haben, dass das so nicht geht, würde ich als Errungenschaft der modernen Zeit deklarieren. Und ich glaube, genau das sind so Entwicklungen, die Trump und seine Anhänger einfach nicht mitbekommen oder eben rumflennen, dass das heute eher peinlich als cool ist.

      • Stefan Sasse 8. Oktober 2016, 20:24

        Exakt. Die Gesellschaft ist viel, viel sensibler geworden was das angeht.

  • techniknoergler 9. Oktober 2016, 02:17

    Ich glaube meine Nachfrage wurde nicht verstanden. Es hieß ja im Artikel:
    „Ebenfalls ein deutliches Zeichen hierfür (Trumps Rückbesinnung auf die 80er) ist Trumps unerklärliche Überzeugung, dass Bill Clintons wohlbekannte Affären der Kandidatur seiner Frau schaden würden.“

    Und dann kam direkt

    “ Die republikanische Partei hat sich mit dieser Fehleinschätzung bereits 1998 (!) eine blutige Nase geholt, als Clintons Zustimmungswerte inmitten der Lewinsky-Affäre nicht etwa fielen, sondern stiegen, und die Democrats bei den Midterm-Elections zulegten – eine außerordentliche Seltenheit, dass die „in-house party“ bei diesen Wahlen gewinnt. Trump aber kann diese Lektion der ihm kulturell bereits fremden Neunziger nicht verarbeiten. Nur so ist zu erklären, dass er glaubt, seine von der Washington Post publizierten Kommentare über das Küssen und Begrapschen von Frauen seien dadurch wegzuerklären, dass Bill Clinton auch solche Sachen sagte.“

    Ich verstehe diese Passage so, dass ich hier zwei widersprüchliche Aussagen finde:

    I) Clintons Umfragewerte stiegen, die republikanische Partei dachte fälschlicherweise, solches Verhalten käme nicht beim Wähler an, aber das Gegenteil war der Fall. Schon 1998 habe sich also das Wertesystem so verschoben, das Clinton damit davon kam.

    Die Republikanische Partei war aber noch in den 80er verhaftet und dachte, solches Verhalten würde Clinton schaden, wenn es öffentlich wird. Tat es aber nicht mehr.

    II) Trump, der ebenfalls in den 80ern verhaftet sei, glaubt er käme mit dem gleichen Verhalten wie Clinton durch, obwohl dies schon 1998 nicht mehr möglich gewesen sei.

    Was den nun? Warum kam Clinton damit durch (und warum dachte die Republikanische Partei er käme es nicht)?

    Und warum soll Trump nicht mit durchkommen (und warum glaubt er, er käme damit durch)?

    • Stefan Sasse 9. Oktober 2016, 07:08

      Es ist ein Fall von „having the cake and eating it, too“: Das Kalkül war dass sich das ausgleicht. Du gewinnst quasi die Stimmen der Republikanerbasis (wie es Trump ja geschafft hat), indem du den harten Max markierst, und wehrst die Kritik aus der Mitte und von links mit Clinton ab, so dass die andere Seite als gleichwertig dasteht und nicht glaubhaft attackieren kann.

      • techniknoergler 9. Oktober 2016, 13:04

        „Es ist ein Fall von „having the cake and eating it, too“: Das Kalkül war dass sich das ausgleicht. Du gewinnst quasi die Stimmen der Republikanerbasis (wie es Trump ja geschafft hat), indem du den harten Max markierst, und wehrst die Kritik aus der Mitte und von links mit Clinton ab, so dass die andere Seite als gleichwertig dasteht und nicht glaubhaft attackieren kann.“

        Das war mir schon klar. Aber welche Änderungen im Wertesystem haben dazu beigetragen, dass Clinton mit etwas durchkam, das damals schon nicht als akzeptabel galt, während Trump nicht mit dem gleichen durchkommt?

        • Stefan Sasse 10. Oktober 2016, 17:10

          Es ist ja nicht das Gleiche. Clinton hatte eine Affäre, Trump belästigt Angestellte sexuell.

      • techniknoergler 9. Oktober 2016, 13:06

        „Es ist ein Fall von „having the cake and eating it, too“: Das Kalkül war dass sich das ausgleicht. Du gewinnst quasi die Stimmen der Republikanerbasis (wie es Trump ja geschafft hat), indem du den harten Max markierst, und wehrst die Kritik aus der Mitte und von links mit Clinton ab, so dass die andere Seite als gleichwertig dasteht und nicht glaubhaft attackieren kann.“

        Das war mir schon klar. Aber welche Änderungen im Wertesystem in den 90ern haben dazu beigetragen, dass Clinton in den 90ern mit etwas durchkam, das damals schon nicht als akzeptabel galt, und auch noch heute druchkommt, während Trump nicht mit dem gleichen durchkommt?

        Welches Detail im Verhalten macht hier den Unterschied und warum ist dieses Detail erst seit den 90ern relevant, so dass Trump dieses Detail übersehe.

  • techniknoergler 9. Oktober 2016, 02:25

    „Exakt. Die Gesellschaft ist viel, viel sensibler geworden was das angeht.“

    Die Medien sind viel sensibler geworden. Vielleicht auch allgemein das links“liberale“ Milieu.

    Beim unpolitischen Durchschnittsbürger geht es ganz anders zu.

    Und andere politische Milieus als das links“liberale“ verdrehen Angesichts von gender auch die Augen. Aus irgend einem Grund verneigten die sich aber lange Zeit und zum Teil noch heute auch immer wieder davor.

    • Ariane 9. Oktober 2016, 04:58

      Na, das finde ich jetzt aber etwas kurz gedacht.
      Natürlich ist das keine Erleuchtung, die alle Menschen gleichzeitig befällt. Genausowenig ist das aber eine linksliberale Medienverschwörung, die sich plötzlich zum Ziel setzt, Gender oder sonstwas super zu finden.
      Das ist nun mal ein Prozess, der sich (nicht immer gleichmäßig) entwickelt. In den 80ern gab es doch auch ein linksliberales Milieu und trotzdem hatte das damals andere Themen als heute. ^^
      Irgendwann ist eine kritische Masse erreicht und das führt eben dazu, dass Artikel wie den gegen Brüderle entstehen und durch die Medien wie heute hat das wie auch jetzt bei Trump fast immer den Effekt, dass Massen von ähnlichen Erfahrungen hinterherkommen und das eben auch (oder vielleicht sogar vor allem) Männer schockiert und die das dann auch nicht mehr cool oder üblich oder als verdrehtes Kompliment sehen und so werden eben mehr Leute sensibler.

      Klar finden das nicht alle gleichzeitig super und wenn jemand generell gegen Gender und PC wettert, findet er auch Anhänger, die mit den modernen Zeiten wenig anfangen können. Aber so ganz klar will es dann doch niemand hören. Selbst ein Trump kommt nicht damit durch, damit zu prahlen, Frauen sexuell zu belästigen.

      Wenn ich dich frage, ob du es denn gut findest, wenn Frauen sexuell belästigt werden und das bitte hinnehmen sollen ohne was zu sagen, würdest du das vermutlich auch nicht direkt bejahen.

  • techniknoergler 9. Oktober 2016, 13:27

    Mehrere Anmerkungen Anmerkungen:

    „Natürlich ist das keine Erleuchtung, die alle Menschen gleichzeitig befällt.“

    Seine eigene Gesinnung als Erleuchtung zu sehen ist schon etwas anmaßend.

    „Genausowenig ist das aber eine linksliberale Medienverschwörung, die sich plötzlich zum Ziel setzt, Gender oder sonstwas super zu finden.“

    Wieso wird eigentlich aus der Gender-Ecke immer gleich etwas von einer „Verschwörung“ in Worte rein interpretiert. Noch mal was ich schrieb:

    „Die Medien sind viel sensibler geworden. Vielleicht auch allgemein das links“liberale“ Milieu.

    Beim unpolitischen Durchschnittsbürger geht es ganz anders zu.

    Und andere politische Milieus als das links“liberale“ verdrehen Angesichts von gender auch die Augen. Aus irgend einem Grund verneigten die sich aber lange Zeit und zum Teil noch heute auch immer wieder davor.“

    Welche Verschwörung? Welche Medienverschörung? Das steckt da nicht drin.

    „Klar finden das nicht alle gleichzeitig super und wenn jemand generell gegen Gender und PC wettert, findet er auch Anhänger, die mit den modernen Zeiten wenig anfangen können.“

    Gender und PC ist nicht modern. Wird auch von den wenigsten so wargenommen.

    „Wenn ich dich frage, ob du es denn gut findest, wenn Frauen sexuell belästigt werden und das bitte hinnehmen sollen ohne was zu sagen, würdest du das vermutlich auch nicht direkt bejahen.“

    Aber insgeheim finde ich es schon in Ordnung, oder?

    Mhm, warum wohl nicht alle in der „Moderne“, wie die Gender-Studies sie sich vorstellen, ankommen wollen?

    In übrigen: Ja, Brüderle hat niemanden sexuell belästigt. Sehe ich tatsächlich so (mag nun den confrimation bias von einigen hier bestätigen). Ein privater Kommentar an eine Weinbar zu etwas, was demonstrativ präsentiert wird, ist keine Vergewaltigung und kein physischer Übergriff. (Bevor wieder der Vergleich mit dem Vergewaltiger kommt, der meint, die Kleidung des Opfern rechtfertige seine Taten). Ein Werbeplakat darf ich ja auch kommentieren, ich darf es aber nicht physisch angreifen/zerstören.

    Und nein, das heißt nicht, das ich es kommentieren würde. Aber es ist kein sexueller Übergriff, wenn ein anderer das tut.

    In Kulturen, die weniger patriachalisch-sexistische sind als die Westliche, präsentiert man seine Sexualmerkmale eben nicht demonstrativ -> und siehe da, weniger sexistische Kommentare. Siehe zum Beispiel arabische Welt oder auch Japan (ja, auch im Land der Hentais trägt eine Frau in der Öffentlichkeit außerhalb entsprechender Spätabend-Fernsehshows keinen Ausschnitt; zumindest auf der Arbeit wäre das Undenkbar, wenn die Arbeit kein entsprechendes Etablissement für Männer ist).

    • Ariane 9. Oktober 2016, 16:43

      Na, nennen wir es meinetwegen Gehirnwäsche. Ging mir nur darum, zu zeigen, dass das ein Prozess ist, der sich mal hierhin und mal dorthin entwickeln kann.

      Aber insgeheim finde ich es schon in Ordnung, oder?
      Nee, aber ich finde, man stößt irgendwann auf Grenzen, wo sich beides ausschließt. Wenn man der Meinung ist, dass es nicht ok ist, in Frauen bloße Sexualobjekte zu sehen, sieht man es sensibler, wenn ein alter Politiker eine Journalistin, die in Abhängigkeit zu ihm steht, unsittlich angräbt. Das war weder ein privates Zusammentreffen noch ist irgendwie überliefert, dass sie halbnackt war.
      Das ist keine sexuelle Belästigung wie Trump, der anderen Frauen einfach in den Schritt fasst, aber ich hab gerade diesen Fall wieder ausgegragen, weil er so absolut alltäglich ist und darum eben zeigt, dass die Gesellschaft (meinetwegen auch nur ein Teil) sensibler damit umgeht und das eben nicht mehr als Naturzustand abtut, der von Frauen als Nachteil ihres Geschlechts einfach so hingenommen werden muss. Das gab es vor 20 Jahren nicht, deswegen nenne ich es modern.
      Und wir diskutieren jetzt nicht ernsthaft, ob Vollverschleierung der beste Weg gegen sexistische Kommentare ist oder? Einfach mal kurz nachdenken, bevor man was unpassendes sagt, ist zuviel verlangt?

      • techniknoergler 10. Oktober 2016, 01:10

        Vorweg: Es zeigt sich mal wieder, das Ironie im Internet nicht rüber kommt. Mein letzter Absatz war offensichtlich ironisch gemeint. Ich dachte, das wäre durch die Bezeichnung der arabischen Welt als „weniger patriachalisch-sexistische […] als die Westliche“ klar geworden. Es war eher eine Anspielung auf den Feminismus der 3. Generation, der auf Köln mit Vergleichen mit dem Oktoberfest kam.

        Aber zur Brüderle:

        „Wenn man der Meinung ist, dass es nicht ok ist, in Frauen bloße Sexualobjekte zu sehen, sieht man es sensibler, wenn ein alter Politiker eine Journalistin, die in Abhängigkeit zu ihm steht, unsittlich angräbt.“

        Und hier sind wir beim eigentlichen Punkt, dem immer wieder auftauchenden Grundmotiv, überall Untergrdückungs- und Abhängigkeitsverhältnisse zu sehen. Es ist DAS Merkmal der SJW und PC schlechthin, die weltanschauliche Grundannahme. Der Bias, die Filter, mit dem all diese Fälle von SJW Seite betrachtet werden und der dann Shitstorms und Kampagnen rechtfertigt und umgekehrt die SJW gegen Kritik abschottet. Und das kombiniert mit dem Hauptfeindbild „alter weißer Mann“, der mit „Gestern“ assoziiert wird und dessen Überwindung mit „Zukunft“, der sich aber bitte nicht daran stören soll, sonst wird „Verschwörungstheorie“ vorgeworfen.

        Es gab kein Abhängigkeitsverhältnis. Nur weil ein „alter weißer Mann“ beteiligt war, war die (übrigens auch weiße) Frau noch nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis. Als Journalisten sind auch nicht in einem „Abhängigkeitsverhältnis“ zu Politikern, zumindest nicht in dem Sinne, in dem der Begriff hier benutzt wird, um daraus ein „Machtungleichgewicht“ solcher Ausmaße zu konstruieren, als sei es um eine Schülering gegangen, die von ihren notgeilen Klassenlehrer sexualisiert Angesprochen wird.

        Es waren zwei Erwachsene Menschen. Es gab kein Arbeitsverhältnis zwischen den Beiden, Brüderle war nicht ihr Chef. Er war nicht ihr Arzt, Therapeut oder in einem sonstigen Fürsorge- oder Vertrauensverhältnis zu ihr. Es war spät Abends, nicht die Zeit für Interviews. Sie hat mir ihren Reizen und der Situation gespielt, um trotzdem ein Interview zu bekommen. Brüderle hat darauf ebenfalls gespielt (siehe der Kommentar mit der Tanzkarte, der keine sexuelle Anzüglichkeit war, sondern einfach ein spielerischer Kommentar). Ein Jahr später hat Sie das Erlebnis für einen Artikel verwurstet, übrigens ohne die Behauptung, es sei unerträglicher Sexismus gewesen. Vielmehr wurde es als eine Szene dargestellt, die nicht traumatisierend, ekelhaft oder auch nur belästigend war, sonder eher „zum Augenverdrehen“.

        Ihre Chefs haben dann ohne Rücksprache und ohne ihre Einwilligung daraus eine Story über Sexismus gemacht, der Auflage wegen. (Davon hat sich die Autorin dann distanziert). Der FDP weitest gehend eher kritisch gegenüber eingestellte Journalisten, haben das dann aufgegriffen und den zugehörigen Shitstorm veranstaltet bzw. aufgeblasen.

        Von Halbnackt war übrigens nirgends die Rede, es ging ja um einen Ausschnitt (siehe dazu auch meine Anmerkung zu Japan). Nackt wäre übrigens auch wieder etwas anders (von mir aus auch Halbnackt, also nur der Oberkörper), den da wird nicht unbedingt etwas gezielt präsentiert. Etwas gezielt herauszustellen, wie mit einem Ausschnitt ist ja nicht das gleiche wie einfach etwas „casual“ zu zeigen, ohne sich dabei etwas zu denken. Am FKK-Strand wäre es also auch Abwegig von einem aktiven Präsentieren oder Herausstellen der Geschlechtsmerkmale zu reden, nur weil sie sichtbar sind.

        Nein, der Sinn eines Ausschnitts ist wahrlich weder Gemütlichkeit, noch frische Luft, noch ein unbekümmertes „nicht um Kleidung Gedanken machen“. Ein Ausschnitt dient der zur Schaustellung.

        Würde auch für Männer gelten, aber Schamkapseln ( https://de.wikipedia.org/wiki/Schamkapsel ) sind schon etwas aus der Mode und nur noch selten anzutreffen. Und FKK zählt wie gesagt nicht und Exhibitionismus ist eine Straftat (aber nur für Männer) und entsprechend als Straftat zur abwertenden Kommentierung freigegeben.

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