Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
The question posed by Vladimir Putin’s invasion of Ukraine is whether in this fundamental sense the spell of the End of History has finally been broken. Has history restarted in a tragic key, as President Macron has recently put it? Have we reached the end of the end of military history? […] Putin invokes them himself. And that should make us suspicious. We would perhaps be better advised to turn back to Fukuyama. In the final chapter of The End of History (1992) – titled “Immense Wars of the Spirit” – he ponders the question of “how long megalothymia will be satisfied with metaphorical wars and symbolic victories”. In the early 1990s Fukuyama was already warning that the moment would come for a figure like Putin, who would break out of the stifling conventions of post-history to launch “a nihilistic war against liberal democracy”, a bloody battle for prestige, “only this time with modern weapons”. On this reading Putin would not be so much the lineal descendant of Ivan the Terrible, as a postmodern, time-warped avatar. Indeed, amid the Vegas glitz of the Kremlin’s public rooms, his regime seems something closer to a cosplay re-enactment. The defining characteristic of the Russian invasion, other than its brutality, is the sense of history repeating itself as farce. There is little to suggest that Putin imagined he was embarking on an existential trial of strength. In fact, the opposite seems to be the case. His approach to invading one of the largest countries in Europe, with a population of more than 40 million, was nothing short of frivolous. He thought of war as a bagatelle – asymmetric, swift, decisive, like Georgia in 2008 or Crimea in 2014. It would be little green men writ large. […] But we should beware our Eurocentric prejudices. It is not Ukraine’s call to arms that marks this war as distinct. The Iraqi insurgents and the Taliban too saw themselves precisely in these terms. In their own cultural sphere, they made appeals no less far-reaching than Zelensky’s. Nor is this the first war to be broadcast through social media. For the past decade anyone who wanted to could follow the gruesome fighting in Syria, siege by siege, day by day. What marks this war as different is that the Ukrainian resistance has stopped Putin’s invasion in its tracks. The Iraqi and Afghan resistance were never able to do that. (Adam Tooze, New Statesman)
Dass die wenigsten Leute, die sich über Fukuyama lustig machen, je etwas von ihm gelesen haben, ist leider wahr. Ich wusste auch lange nicht, was er mit „end of history“ eigentlich gemeint hat, und obwohl seine These nicht überragend haltbar ist, ist sie bei weitem nicht so albern, wie sie oft dargestellt wird. – Generell finde ich die Interpretation hier im verlinkten Artikel zwar interessant, ich bin aber generell skeptisch, ob wir bereits so umfassende Analysen aus dem Ukrainekrieg anstellen sollten. Toozes Bereitschaft, auch als Historiker zeitgenössische Geschehnisse zu analysieren in allen Ehren, aber ob wir in zehn Jahren die Geschehnisse als „Zeitenwende“ sehen werden, als scharfen Bruch der internationalen Ordnung, oder ob es nicht eher eine Aberration oder gar, man wagt kaum zu hoffen, ein letztes Aufbäumen vergangener Politikformen war, ist einfach noch nicht wirklich klar. Vor allem was Details des Umbruchs angeht, ist alles noch viel zu sehr im Fluss. Ich bin aber zuegegeben anders als Tooze viel zu wenig bewandert in den entsprechenden Spezialgebieten, was meine Zurückhaltung mit erklären mag.
In jedem Fall Recht hat er aber damit, dass der Widerstand der Ukraine die ganze Debatte überhaupt erst ermöglicht hat. Es kann kaum ernsthaft bestritten werden, dass wenn Putins „spezielle Militäroperation“ nach Plan gelaufen wäre, Selensky entweder im Exil, einem russischen Gefängnis oder im Grab wäre und einige weitgehend symbolische Sanktionen gegen Russland beschlossen worden wären und wenig sonst. Diese Mechanismen habe ich in meinen Artikeln zur Logik der Abschreckung und ihrer Anwendung auf die Ukraine beleuchtet. Die Ukraine 2022 ist ein Musterbeispiel dafür, warum Krieg zwar die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, diese Mittel aber zero-sum und unglaublich riskant sind, selbst wenn man die scheinbar überlegene Position hatte.
2) „Deutschland war nie eine pazifistische Macht“ (Interview mit Jakub Eberle)
WELT: Wenn Deutschland sich schon immer auf Krieg vorbereitet, warum ist die Bundeswehr dann derzeit so gut wie nicht einsetzbar?
Eberle: Das ist erst eine Entwicklung der vergangenen Jahre. Die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel setzte auf die Schuldenbremse und einen ausgeglichenen Haushalt. Neben den Auslandseinsätzen sah man keinen Bedarf für eine teure Armee, Investitionen ins Heer waren wenig populär. So trocknete die Bundeswehr aus. Ebenso gab es in Merkels Biedermeier-Zeit auch wenig Investitionen in öffentliche Infrastruktur oder in Digitalisierung. Statt eines „instinktiven Pazifismus“ beobachte ich einen instinktiven Konservativismus. Man wollte lieber nichts Neues ausprobieren, bloß nicht an der vermeintlichen Stabilität rütteln, auch nicht in der Sicherheits- und Außenpolitik. Das ist insofern verständlich, als Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern gut dastand. Merkels Stil war, die Probleme auszusitzen und erst zu reagieren, wenn es wirklich nicht mehr anders ging.
WELT: So wie jetzt ihr Nachfolger Olaf Scholz: Erst als mit Putins Angriff der Krieg vor der Haustür der Nato stand, versprach er schlagartig 100 Milliarden für die Bundeswehr.
Eberle: Ja, der Stil von Olaf Scholz erinnert bisher sehr an den von Angela Merkel. Wie plötzlich seine als „Zeitenwende“ wahrgenommene Rede zur Aufrüstung kam, erinnert mich daran, wie Merkel damals nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima praktisch über Nacht den Atomausstieg verkündet hat, ohne ein Konzept dafür zu haben. Jetzt wird es spannend sein zu sehen, wie Olaf Scholz der historischen Krise des Ukraine-Krieges begegnet. Klar ist schon jetzt, dass die Verkündung der massiven Investitionssumme die Probleme der Bundeswehr nicht innerhalb kurzer Zeit lösen kann. Es geht eben nicht nur um Geld. Deutschland muss eine Strategie und klare Ziele seiner Außenpolitik entwickeln, anstatt spät und nur auf Krisen zu reagieren. Das wird dauern. Aber anders funktioniert es nicht in einer Welt, in der es Herrscher wir Wladimir Putin gibt. ( , WELT)
Ich bin langsam echt verwirrt, was diese Debatte um den Zustand der Bundeswehr angeht. Warum besteht nicht einmal annäherungsweise ein Konsens darüber, wie schlecht der Zustand der Armee nun eigentlich ist und worauf das zurückzuführen ist? Wurde sie nun kaputt gespart? War es die Dekadenz der Kriegsdividende? Ist es die Bürokratie? Wird alles einfach nur übertrieben? Ich hab alles schon gehört, von lauter verschiedenen Leuten, und die Erklärungen sind maximal teilweise komplementär und schließen sich überwiegend aus. Was also ist es? Ich hab keine Ahnung, aber das scheint mir schon relevant für die Debatte zu sein.
Völlige Zustimmung habe ich zu der Ähnlichkeit von Scholz‘ Handeln mit Merkel. So positiv sich die Ampel von der Vorgängerregierung abhebt, an der SPD liegt das sicher nicht. Es ist möglich, dass Scholz im Hintergrund der totale Mastermind mit dem geheimen Masterplan ist, aber solche Behauptungen hat man über Merkel auch gerne gelesen, und am Ende stand sie immer blank da. Den Vertrauensvorschuss kann ich Scholz schlicht nicht geben; er bleibt für mich die größte Enttäuschung der Ampel (relativ gesehen, weil ich bei einigen anderen Leuten, Stichwort Lambrecht, nie zu enttäuschende Erwartungen hatte).
3) How Germany Became Putin’s Enabler
Yet Germany took the lead in demanding that debtor nations impose extreme austerity measures, especially spending cuts, no matter how large the economic costs. And those costs were immense: Between 2009 and 2013 the Greek economy shrank by 21 percent while the unemployment rate rose to 27 percent. But while Germany was willing to impose economic and social catastrophe on countries it claimed had been irresponsible in their borrowing, it has been unwilling to impose far smaller costs on itself despite the undeniable irresponsibility of its past energy policies. I’m not sure how to quantify this, but my sense is that Germany received far more and clearer warning about its feckless reliance on Russian gas than Greece ever did about its pre-crisis borrowing. Yet it seems as if Germany’s famous eagerness to treat economic policy as a morality play applies only to other countries. (Paul Krugman, New York Times)
So sehr ich es begrüße, dass an die zerstörerische Politik der Schwarz-Rot-Gelben Koalition 2010ff. erinnert wird, so dumm ist das Argument hier. Weil Deutschland Griechenland ruiniert hat, muss es sich nun im Gegenzug selbst ruinieren? Es kann ja sein, dass die Boykott-Politik sinnvoll wäre (ich habe keine Ahnung, für die Debatte gilt für mich das gleiche wie für den in Fundstück 2 beschrieben Zustand der Bundeswehr), aber dieses Argument zieht halt echt überhaupt nicht. Wer A sagt, muss nicht B sagen; er oder sie sollte stattdessen bitte erkennen, dass A falsch war.
Relevant ist das alles aber, wo es um die Reputation Deutschlands geht. Krugmans Verweis hier zeigt, dass sich die deutsche Selbstgefälligkeit hier in einer Blase bewegt. Das Ausland hat die entscheidende Rolle des Euro-Halbhegemons nicht vergessen. Zusammen mit der in der Öffentlichkeitswirkung verheerenden Zauderei und Blockiererei Scholz‘ zerstört das gerade massiv das politische und moralische Kapital, das wir uns mit Vergangenheitsbewältigung und soft power jemals aufgebaut haben. Auch Aktionen wie der Baerbock-Rückruf für die Abstimmung über die nutzlose Impfpflichtgesetzgebung helfen da echt nicht.
Zwar können in – Achtung, Juristendeutsch! – Gebietskörperschaften strengere Maßnahmen eingeführt werden, aber nach welchen Kriterien und ob auch Flächenländer gemeint sind, ist unklar. […] Dass die vorgeblichen Freiheitskämpfer um FDP-Justizminister Marco Buschmann und Wolfgang Kubicki überhaupt die Oberhand gewinnen konnten, liegt auch an den unzähligen Widersprüchen der Coronapolitik der vergangenen zwei Jahre, die dazu führten, dass viele die Coronamaßnahmen satthaben. Zur Erinnerung: Am Anfang der Pandemie durfte man allein nicht im Park stehen oder sitzen, vor einem Jahr wurde eine sinnlose Ausgangsbeschränkung beschlossen, später durfte man nur mit 3G einkaufen, in Baumärkten ging es auch ohne. Ständig variierte auch das Ziel der Maßnahmen. Am Anfang ging es darum, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, zwischendurch darum, die Zahl der Todesopfer zu minimieren, dann war das Ziel, die „kritische Infrastruktur“ inklusive der Feuerwehr zu schützen, jetzt steht das Gesundheitssystem wieder im Zentrum. Wer ständig neue Ziele ausruft, muss sich nicht wundern, wenn der Weg dahin irgendwann sehr umstritten ist. Die Extreme der Vergangenheit haben in einer Art Pendelbewegung das neue Extrem erst möglich gemacht. (Gunnar Hinck, taz)
Die Kommunikationspolitik der Regierung während Corona kann man gar nicht genug kritisieren. Das völlige Chaos, die kleinschrittigen, teilweise absurd detaillierten Regelungen (erinnert sich noch jemand an diesen kafkaesken Irrsinn aus Hamburg?), es alles trug dazu bei, dass man nur noch Haare raufen wollte. Auch ist bis heute unklar, was eigentlich die Pandemiestrategie ist. Ich jedenfalls weiß ehrlich nicht mehr, warum ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln Maske tragen muss, im Klassenzimmer aber 20-30 Virenschleudern masken- und schutzlos ausgesetzt bin. Inwieweit diese beständige Lawine an Bullshit das andere Extrem „erst möglich gemacht hat“ oder ob es so oder so gekommen wäre, weiß ich nicht. Geholfen aber hat es sicherlich nicht. Und immer noch findet keine Aufbereitung statt; die ganze Pandemie wird bereits jetzt mit voller Kraft verdrängt. Ich bin sehr skeptisch, ob wir die Aufarbeitung je bekommen werden.
5) Why Texas Parents Want to ‘Ban Books’
But the parents who support the removal of these books make a stronger case. They are right to champion the innocence of children and their right to have a truly safe space to learn about the world without being corrupted by it. Further, the objections to removing such books are logically weak. To begin, to equate removing pornographic books from a school library with undermining the very purpose of literature is to miss the crux of the debate, which is whether the books in question are appropriate for young people. People aren’t discussing the literary merits of Toni Morrison’s Bluest Eye or a biography of Michelle Obama, but whether children and adolescents should be reading something like the graphic novel Gender Queer, which takes readers on a “journey of gender identity and sexual orientation” and includes “a few pages of explicit illustrations depicting oral sex.” It is fair to ask whether Gender Queer and other such books offer any educational benefit to students. They don’t seem to learn anything from this story. They don’t even get much practice reading, since it’s a graphic novel. More importantly, narratively, some guy exploring his (their?) sexuality and gender sounds incredibly dull. It’s hard to see how the inclusion of Gender Queer amounts to anything but the school library’s endorsement of LGBTQ ideology and a sexually active lifestyle. […] More to the point, the fact that kids are exposed to obscene content on television and the internet should be a cause for alarm, not an argument for capitulation. Parents have a responsibility to seek the source of their children’s problems. If the problem is at home, parents can address it themselves. But if it’s at school, parents have to work through existing processes to address the issue. (Auguste Meryat, The American Conservative)
Der Artikel ist noch viel länger – so viel Worte, nur um „It’s okay if we do it!“ zu sagen. Es ist der Vorwurf, den ich Kritiker*innen der „Cancel Culture“, „Wokeness“ und was der Modewörter nicht mehr sind (es ist dieselbe Leier wie seit Jahrzehnten, nur andere Worte) immer und immer wieder gemacht habe. Ihnen geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern um die Freiheit einer Meinung: ihrer. Das ist auch keine Überraschung. Leute, die sich konsequent für die Freiheit aller Meinungen einsetzen gibt es, egal wie oft man Voltaire und Rosa Luxemburg zitiert, praktisch keine. Das ist auch eine Haltung, die psychologisch kaum durchzuhalten ist. Zudem sind die Grenzen fließend. Wie oft haben Leute sich entrüstet als „gecancelt“ betrachtet, nur weil sie kritisiert wurden? Wo fängt das an, wo hört es auf? Das kann nur gesellschaftlich verhandelt werden, und durch weite juristische Rahmung abgesichert. Aber dafür reichen die bestehenden Gesetze locker. Alles andere ist Debatte. Sofern man sie denn möchte. Dieser Thread von David Roberts trifft die Sache in meinen Augen sehr gut.
6) Imperiale Phantomschmerzen: Neue russische Blicke auf Alaska
Dabei gehört die Idee, der Verkauf Alaskas an die USA im Jahr 1867 müsse – wie auch immer – rückgängig gemacht werden, bereits seit einiger Zeit zum Grundrauschen des russischen Neoimperialismus. […] Insbesondere seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 wird die Rückgabe der Region von russischen Politikern und Meinungsmachern immer wieder thematisiert. […] Doch aus zwei Gründen wird der neo-imperiale Alaskadiskurs nun ernster genommen: Erstens wird die Region unter geostrategischen Aspekten in den kommenden Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen. Aufgrund des Klimawandels verringern sich die Eismengen in den arktischen Meeren und es entstehen dauerhaft nutzbare Routen, die den globalen Handel verändern werden. Zugleich könnten bislang unzugängliche Rohstoffvorkommen in der Arktis erschlossen werden. Und schließlich stellt das tauende Eis auch eine militärische Herausforderung dar. Russland hat ökonomische sowie strategische Risiken und Potenziale dieser gravierenden Veränderungen erkannt und baut im Zuge einer Arktisstrategie seine Präsenz im Norden massiv aus. Die USA reagieren mit Manövern und dem Ausbau ihrer Truppenpräsenz in der Region. In diesem beginnenden „Kalten Krieg“ kommt Alaska eine zentrale Rolle zu. […] Und zweitens zeigt Russlands Krieg in der Ukraine, wie lebendig in Moskau das Denken in imperialen Kategorien ist. Der Verweis auf die imperiale Vergangenheit Alaskas ist in diesem Zusammenhang nicht als konkrete Restitutionsforderung zu begreifen. Sie steht hier vielmehr für ein Russland, das sich seiner „historischen“ Grenzen bewusst ist. (Robert Kindler, Geschichte der Gegenwart)
7) Aldi-Süd: Betriebsratsgründung endet mit Tumult und Polizeieinsatz
Bislang gibt es bei Aldi-Süd nur einen einzigen Betriebsrat im benachbarten Langenfeld. Aldi-Süd ist grundsätzlich und tradtionell gegen Betriebsräte und bekämpft diese mit härtesten Bandagen. Mit der Gründung eines zweiten Betriebsrats wäre die Gründung eines Gesamtbetriebsrats möglich. 526 Teilnehmer waren im Kölner Maksim-Saal zusammen gekommen, obwohl die Einladung bewusst kurzfristig ausgesprochen wurde. Auffällig jedoch: Unter den Anwesenden waren geschätzt deutlich über 100 Filialleiter, stellvertretende Filialleiter und Nachwuchs-Filialleiter*innen, die — ganz nach dem Drehbuch des klassischen Union Busting — als anti-demokratische Stänkerer und Chaoten fungierten. Erkennbar an ihren schwarzen Aldi-Hemden. Die Filialleiter störten die Versammlung von Beginn an durch ununterbrochene Zwischenrufe. […] Als rund eine Stunde nach Beginn der Versammlung ein Versammlungsleiter bestimmt werden sollte, eskalierte die Situation. […] Schließlich stürmten mehrere Personen die Bühne, es kam zu Gerangel und Beleidigungen. Die Initiatoren brachen die Wahl folgerichtig ab. Zur Unterstützung der Security wurde die Polizei gerufen. […] Die Aktion gegen Arbeitsunrecht fordert die Kölner Staatsanwaltschaft auf, unverzüglich Ermittlungen zum Tathergang und seiner ganz offensichtlich planmäßigen Vorbereitung aufzunehmen. Ein demokratischer Rechtsstaat, der sich selbst und seine Gesetze ernst nimmt, dürfte Zustände wie diese nicht dulden. Jedoch hat sich in den bundesdeutschen Arbeitsbeziehungen über Jahrzehnte ein eigenartiger Rechtsnihilismus entwickelt, der die allgemeinen Erzählung von „sozialer Marktwirtschaft“ und „Sozialpartnerschaft“ konterkariert. Es herrscht Straffreiheit für offensichtliche Kriminelle im Management und spezialsierte Anwaltskanzleien. Das zu ändern, ist die Aktion gegen Arbeitsunrecht 2014 angetreten. (Jessica Reisner, Arbeitsunrecht in Deutschland)
Genau das habe ich vor drei Jahren gemeint, als ich in meinem Artikel zur Ungleichheit in Deutschland (Punkt IV.2) rechtliche Hilfen für Gewerkschaftsarbeit gefordert habe. Arbeitgebende in Deutschland brechen geradezu gewohnheitsmäßig das Arbeitsrecht, und besonders betroffen ist das Betriebsverfassungsrecht. Angesichts der krassen Asymmetrie zwischen beiden Seiten halte ich es für dringend geboten, ein höheres Maß an Waffengleichheit herzustellen. Gleichzeitig muss das Strafrecht hier viel offensiver eingesetzt werden. Die permanenten Rechtsbrüche der Arbeitgebenden sind ja wie das Verhalten der deutschen Ordnungskräfte gegenüber Autofahrenden, die die StVO brechen. Diese rechtsfreien Räume müssen aufgebrochen werden.
8) Republicans are bowing out of presidential debates. Good.
We call that a „debate,“ but it’s really not. In classic form, political debate involves speakers taking opposing positions on a fixed proposition. That’s what Abraham Lincoln and Stephen Douglas did in their famous series of joint appearances leading up to the 1858 senatorial election in Illinois. […] Real debate is a showcase for speakers‘ knowledge, poise, and rhetorical fluency. It doesn’t prove they’re suited to govern. But it does indicate whether they have a clear position on some important issue and are capable of defending it. The awkward group interview we call „debate“ does little of the kind. The question-and-answer format either gives the speakers free rein to select their own topics or degenerates into tit-for-tat exchanges between participants or with the moderator. […] When debates make a difference, finally, their influence may have less to do with their actual content than with media narratives about them. Because candidates‘ statements are usually vacuous, journalists tend to emphasize superficial qualities of vocal tone, body language, or diction. It’s been said that if you want to know who „won“ a debate, watch with the sound turned off. That’s an indictment of the whole exercise. (Samuel Goldman, The Week)
Ich kann mich dem nur anschließen. Good riddance. Dasselbe gilt für die meisten TV-Formate. Ich kann mich ja endlos über die politischen Talkshows aufregen, gerade auch in Deutschland, und Kanzlerduelle (früher) und Kanzlertrielle (zukünftig) haben jetzt qualitativ auch nicht gerade überzeugt. Ich glaube, das von Goldman hier angesprochene Debattenformat wäre wirklich einmal interessant. Macht eine Serie von Debatten mit Beiträgen von je so 20 Minuten. Das füllt mit Pausen, Einordnungen etc. locker auch 90 Minuten und könnte wesentlich interessanter sein. Es wäre zumindest ein interessantes Experiment. Das jetztige Format ist an seinen Ansprüchen gemessen klar gescheitert. Warum hofft man Woche für Woche, Wahl für Wahl, dass es doch anders sein möge?
9) The lessons and implications of seizing Russian oligarchs’ assets
The first and the most obvious lesson that we can draw from the confiscation of Russian oligarchs’ assets is that the pre-February 24 Russia was not an oligarchy, as many believed, but an authoritarian autocracy. Instead of being ruled by a few rich people, it was ruled by one person. […] The global implication is that foreign plutocrats who often moved their money from their own countries to the “safe havens” of the US, UK and Europe will be much less sure that such decisions make sense. This applies in the most obvious way to Chinese billionaires who might experience the same fate as Russian. […] Financial fragmentation is very likely, and would be driven not solely by the fears of billionaires but by obvious fears of potential US adversaries like China that their governments’ assets may too prove to be just pieces of paper. […] The conclusion that the future Russian oligarchs will draw is the same that the Politburo members did: it is better to have a collective leadership where individual ambitions will be checked rather than to let one person take the full power. […] The comparison was made with American “robber barons” who also often became rich by illicit means, but had the interest to fight for the safety of property once they became rich. The expectation was that the Russian billionaires would do the same. These expectations were upended by billionaires’ finding a (seemingly) much better way to make their money safe: move it to the West. Most of them did so and it seemed an excellent decision—all the way to about six weeks ago. The new post-Putin billionaires will probably not forget that lesson: so we may expect them to favor a weak central government, that is, a true oligarchy, and to insist on the domestic rule of law—just because they will have no longer any place where to move their wealth. (Branko Milanovic)
Die Analyse finde ich ziemlich spannend. Was mir unklar bleibt: war es nun eine sinnvolle Politik, die Oligarchen zu enteignen? Ich meine, ich begrüße es natürlich schon wegen des Präzedenzfalls, aber ob es irgendwelche Ziele erreicht hat? Wenn der von Milanovic beschriebene Effekt einer Dezentralisierung und „rule of law aus Eigeninteresse“ eintrifft, würde ich sagen: ja, definitiv. Inwieweit sich die Fragmentierung des Finanzsystems für die globale Sicherheit negativ oder positiv auswirken würde, kann ich überhaupt nicht abschätzen und wäre sehr interessiert an euren Meinungen.
Bei der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) könnten die Dozierenden die gendergerechte Sprache als Bewertungskriterium festlegen, heisst es auf Anfrage. Dies müsse jedoch vorher angekündigt werden. Ein neuer Leitfaden sei in Erarbeitung, der für die offizielle Kommunikation der Hochschule verbindlich, für alle anderen Bereiche eine Empfehlung sein werde, schreibt die Hochschule. «Jedoch ist das generische Maskulinum an der ganzen ZHAW explizit nicht erwünscht.» […] Der Medienstelle der Universität Zürich sind keine Fälle von Punkte- oder Notenabzügen bekannt. Die Notengebung sei jeweils Sache der Dozierenden, heisst es. Welche übergeordneten Kriterien hierfür festgelegt und angewendet würden, entschieden die Fakultäten und die Institute. Eine einheitliche Regelung gibt es also nicht. Die Universität verweist aber ebenfalls auf einen Leitfaden. Im Vorwort heisst es dort: «Lange war es üblich, dass Frauen in deutschen Texten nicht direkt genannt, sondern im ‹generischen Maskulinum› bloss mitgemeint waren. Dass das heute nicht mehr geht, ist nicht nur eine Frage des Respekts.» Die aktuellen Leitfäden der Hochschulen lassen indes Formulierungen wie die Verwendung der männlichen und weiblichen Form oder geschlechtsneutrale Begriffe offen. Die Richtlinien zwingen also niemandem die Verwendung des Gendersterns auf. (Nils Pfändler, NZZ)
Obwohl wir mittlerweile seit Jahren davon hören, dass an den Unis dazu gezwungen wird, zu gendern, gibt es immer noch kein einziges Beispiel, wo das tatsächlich vorgeschrieben wird. Ich halte übrigens von den oben zitierten Regeln nicht viel; ich finde, es sollte einfach generell offen sein, wie die Hausarbeiten etc. abgefasst sind. Ich bin da ziemlich freiheitlich orientiert und halte es auch für meinen eigenen Unterricht so. Es sei CDU und FDP überlassen, da ständig Vorschriften zu machen. Bislang machen die linken beziehungsweise progressiven Kräfte das nicht. Weiterhin kommt die wahre Gefahr nicht vom linken Campus, der maximal eine winzige Minderheit betrifft, sondern von den rechten Kulturkrieger*innen, die tatsächlich an Schaltstellen der Macht sitzen.
Aktuelles Beispiel aus Missouri: ein Lehrer wurde entlassen, weil er im Unterricht den Roman „Dear Martin“ besprochen hat, der unter die absurd weit gefassten Verbote fällt, „Critical Race Theory“ (genauso wie Cancel Culture oder Political Correctness ein bereits völlig jeder Bedeutung entkleideter Kampfbegriff) zu besprechen. Das ist die reale Gefahr, nicht irgendwelche Einzelfälle an Stellen, die keinerlei Potenzial haben, jemals allgemeine Regel zu werden.
Resterampe
a) Ich teile diese Einschätzungen zum Impfpflichtdebakel von FAZ, NTV und Merkur vollends.
b) Auf Wiedervorlage für die „wer hätte das auch ahnen können“ hier die neuesten Hiobsbotschaften zur globalen Erwärmung.
c) Friedrich Merz hat vollkommen Recht. Da, ich hab es gesagt. Allerdings auch schon hier 😉
d) Überrascht es euch, dass die eigene politische Einstellung eng mit den Ansichten zum Genderstern korreliert?
e) Der Faschismus in den USA schreitet mit Riesenschritten voran.
f) Ehemaliger Bundeswehroffizier unterstellt Bundeswehr ein Haltungsproblem, aber anders als von der Leyen seinerzeit. Lesenswert!
g) Gute Einordnung zur Drohnenbewaffnung der Bundeswehr.
h) Mal was Positives zu Lauterbach.
i) Der Artikel von Anna Schneider, der nicht völlig bescheuert ist, muss wohl noch erfunden werden.
j) Adenauer ließ die SPD bespitzeln, damit sie nicht die Wahl gewinnen. Die 1950er Jahre sind echt eine Zeit, die dringend noch mal demokratiegeschichtlich aufgearbeitet gehört.
k) Spannende Rezension zu einem Buch über die Schlacht von Tannenberg, die da einige Mythen zerstört.
l) Bis zu 70% der Energiekosten der energieintensivsten Branchen sollen nach dem durchschlagenden Lobby-Erfolg derselben vom Staat übernommen werden und nein, die CO2-Steuer wird nicht funktionieren, genau aus dem Grund.
m) Superspannende Rezension für Mark Mazowers neues Buch zum griechischen Unabhängigkeitskampf und den Parallelen zur Ukraine.
n) Wo wir es in Fundstück 1 von radikalen Änderungen im Schulsystem hatten, Bob Blume träumt hier ein bisschen.
o) Ein völlig unterdiskutierter Aspekt des Schubs zu den Rechtsextremen, nicht nur in Frankreich.
p) Nicht sonderlich überraschend, dass Alice Schwarzer in den neokolonialen Ukraine-Diskurs einsteigt und der Ukraine die Kapitulation empfiehlt. Diese geistige Verwandtschaft existiert ja schon lange.
Zu 2):
ROFL. Ich erinnere mich sehr gut daran, was passierte, wenn ich in den frühen achtzigern den Nerv hatte, als Angehöriger einer parlamentarischen Verteidigungsarmee in Uniform in der Hamburger Öffentlichkeit aufzutreten: Beleidigungen, verbale und physische Angriffe. Aber klar, Deutschlands Funktionseliten waren nie nicht pazifistisch.
Zu 3) … dass an die zerstörerische Politik der Schwarz-Rot-Gelben Koalition 2010ff. erinnert wird …
Ich erinnere dann gerne noch einmal daran, worin genau diese „zerstörerische“ Politik bestand: In der Ablehnung unbegrenzter, bedingungsloser Hilfe. Niemand hat Griechenland daran gehindert, sich weiter über die Halskrause zu verschulden und niemand hat Griechenland mit Krieg überzogen, solange es schuldenfinanziert weit über seine Verhältnisse öffentliche Konsumausgaben tätigte, um die Illusion aufrechtzuerhalten, ein ökonomisches Drittweltland habe Westeuropas Wohlstandsniveau erreicht.
Zu 4): Sic.
Zu 5): Seit wann präzise ist eine Debatte um Kindern angemessenen Unterrichtsstoffes eine Debatte um „freie Meinungsäusserung“? In nicht nur meinen Büchern ist „freie Meinungsäusserung“ Erwachsenen vorbehalten.
Zu f): Meh. Da beschreibt jemand seine Schmerzen mit bürokratischen Strukturen einer Grossorganisation. Daran ist nix bundswehrspezifisch – hätte die Armee die beschriebenen Probleme nicht, wäre das ein wirkliches und echtes Wunder.
Zu o): Aha. Sobald mir Leute einen direkt treibenden Zusammenhang zwischen den Phänomenen „langer Arbeitsweg“ und „Wahl von Rechtsradikalen“ plausibel machen können, diskutiere ich das gerne. Bis dahin nehme ich Koinzidenz bzw. indirekte Wirkung an. Land-Stadt-Gefälle bezüglich „progressiver“ und „liberaler“ Grundeinstellungen ist nun wirklich nichts bemerkenswertes. Und lange Arbeitswege können z.B. nur ein Indikator dafür sein, wo jemand wohnt.
Gruss,
Thorsten Haupts
2) Inwiefern ist die Hamburger Öffentlichkeit mit Funktionseliten identisch? Dass die Öffentlichkeit die Bundeswehr nicht sonderlich mag ist ja unbestritten.
3) Das ist natürlich eine Sichtweise, aber eine, die, sagen wir, nicht unwidersprochen dasteht.
5) Es geht doch nicht um die Kinder…? Lies nochmal!
f) Danke!
o) True.
@ Stefan Sasse 19. April 2022, 17:02
3) Das ist natürlich eine Sichtweise, aber eine, die, sagen wir, nicht unwidersprochen dasteht.
Mag sein, dass sie nicht die einzige, hundertprozentige Erklärung ist; ist aber ein extrem wichtiger Effekt: Es war eben so, dass Griechenland unbestreitbar über seine Verhältnisse gelebt hat; der Mix aus Sozialleistungen, früher Rente ließ sich angesichts der dort praktizierten weitflächiger Steuer“vermeidung“ nicht aufrecht erhalten.
Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass man uns vorwirft, das Wohlstands Niveau der griechischen Bevölkerung nicht aufrecht erhalten zu haben. Ob es so tief hinuntermusste, wie es dann ging, ist eine andere Frage, aber die hat nicht Deutschland entschieden, sondern eher der IWF.
Mit der Argumentation habe ich auch null Probleme. Nur: es waren Teile der CDU und FDP, die Griechenland aus dem Euro drängen wollten. Das war nicht der IWF. Es waren deutsche Politiker*innen, die unhaltbare Forderungen aufstellte, aus denen dann am Ende Kompromisse wurden, die niemandem passten. Es waren deutsche Politiker*innen, die sich mit Händen und Füßen gegen einen Schuldenschnitt wehrten, obwohl der unabwendbar war und ihn zu den schlechtmöglichsten Bedingungen akzeptieren mussten – nur für eine Wahl in NRW. Und am wichtigsten: es gibt nicht nur die Optionen „griechisches Wohlstandsniveau auf detusche Kosten erhalten“ und „25% BIP Verlust“, sondern viel Platz dazwischen. Und das kommt mir wesentlich zu kurz.
Wo bekommt man solche Erzählungen? Mal geraten: bei Tooze?
Nicht Deutschland hatte die harte Position bei den Verhandlungen, sondern die Skandinavier, die Niederländer uns insbesondere die Balten. Die finnische Regierung verlangte sogar, dass nur Zahlungen gegen Sicherheiten geleistet würden. Und bekam das teilweise. Athen weigerte sich lange, überhaupt nur Staatseigentum zu verkaufen, schon gar nicht zur Begleichung von Schulden. Den Hafen von Piräus verkauften sie dann später doch, um zusätzliche Haushaltsmittel zu generieren.
Griechenland verfiel auf die Idee mit der Staatsinsolvenz erst, nachdem ihre Schulden von privaten Gläubigern zum Großteil auf die EU-Mitgliedsstaaten und den IWF umgebucht worden waren. Vorher nicht, vorher wären die Folgen für Griechenland ja auch gravierender gewesen.
Ob ein Default mit der Mitgliedschaft in der Eurozone vereinbar ist, ist unter Staatsrechtlern umstritten. Mehrere Länder waren dieser Ansicht, weshalb dies von den Euroländern auch ausgeschlossen wurde. Der IWF war ohnehin fein raus. Er darf insolvente Staaten nicht finanzieren. Sein Anteil wäre von einem Haircut ohnehin ausgenommen gewesen. Mit anderen Worten: die Euroländer hätten stärker verzichten müssen.
Deutschland darf Kreditzusagen nur tätigen, wenn die Rückzahlung nicht gefährdet ist. Wirf mal einen Blick in die Bundeshaushaltsordnung (BHO). Da sind schon oft deutsche Staatsbürger gescheitert, die sich eine Kürzung ihrer BAföG-Schulden erhofften. Der deutsche Staat soll einen ausländischen Staat besser stellen als seine eigenen Bürger? Seltsames Staatsverständnis, das Linke da so haben.
Hätte die Bundesregierung an Griechenland Darlehen gegeben in dem Wissen, dass diese nicht zurückgezahlt werden können, hätten sich die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister eines Verstoßes gegen die BHO und einer Straftat schuldig gemacht. Als Linker kann man da großzügig hinweggehen, Konservative und Liberale sind da etwas eigen.
Ein Schuldenschnitt wäre jedoch genau der Beweis gewesen: die Schulden Griechenlands sind nicht tragfähig und damit wären die Bail-out-Verträge nichtig gewesen – und die Bundesregierung strafbarer Handlungen überführt. Lappalien, ich weiß. Und warum Griechenland, aber nicht Portugal?
Genau weil Griechenland im Grunde bankrott war und damit sein Verbleib in der Eurozone kaum möglich, wird Athen bis heute nicht vom ESM finanziert. Genau deshalb kauft die EZB keine griechischen Bonds. Lappalien, ich weiß, wenn man es nicht so genau nimmt und sich den Luxus leisten kann, es nicht zu müssen.
… es waren Teile der CDU und FDP, die Griechenland aus dem Euro drängen wollten.
Absolut. And guess what: Sie hatten Recht! Darüber hinaus haben jetzt auf einmal 90% Ihrer Argumentation keinen Bezug mehr zum angeblichen deutschen Spardiktat, sondern nehmen politische Auffassungen aufs Korn, die Sie für falsch halten. DAS ist absolut legitim – das Geschwätz vom deutschen „Spar“diktat ist es nicht.
Gruss,
Thorsten Haupts
4 – Corona
Und immer noch findet keine Aufbereitung statt; die ganze Pandemie wird bereits jetzt mit voller Kraft verdrängt.
Man kann wohl problemlos davon ausgehen, dass wenigstens 50 % der Corona-Toten auf amtliches und politisches Versagen zurückzuführen sind, vor allem im ersten Jahr der Pandemie. Viele Versäumnisse geschahen ja sogar noch vor dem Ausbruch, man denke etwa an das untaugliche Infektionsschutzgesetz oder die zugestaubten Katastrophenpläne.
Einem größeren Unternehmen – sagen wir mal spaßeshalber: Bayer – hätte die deutsche Öffentlichkeit ein dermaßen katastrophales Verhalten niemals durchgehen lassen. Ihrem Staat gestehen die Deutschen aber leider oft Narrenfreiheit zu. Meiner Meinung nach wird kein Verantwortungsträger fürchten müssen, auch nur zurücktreten zu müssen, von Gefängnisstrafen ganz zu schweigen.
Ich sehe nirgendwo eine zugestandene Narrenfreiheit; seit zwei Jahren ist Kritik an der Coronapolitik das größte journalistische Genre und Dauerthema bei Privatgesprächen.
Das Gerede wird aber folgenlos bleiben. Einfach aussitzen, fertig.
Was bei weitem nicht dasselbe ist wie willens Narrenfreiheit gewähren. Du änderst komplett die Parameter deiner Kritik.
@ Stefan Sasse 19. April 2022, 22:13
Was bei weitem nicht dasselbe ist wie willens Narrenfreiheit gewähren. Du änderst komplett die Parameter deiner Kritik.
Hm, tut er das? Selbst Du schreibst davon, dass wir unserem Staat zu wenig abverlangen und zuviel schlucken.
„Narrenfreiheit“ ist da durchaus einer der Begriffe, die man hernehmen kann.
„Narrenfreiheit“ heißt, alles zugestehen. Und das passiert einfach nicht. Aber wir müssen uns nicht in Semantik verbeißen.
@ Stefan Sasse 21. April 2022, 08:20
„Narrenfreiheit“ heißt, alles zugestehen. Und das passiert einfach nicht.
oder es heißt, die Scherze der Narren klaglos zu erdulden 🙂
Aber wir müssen uns nicht in Semantik verbeißen.
Na gut …
6 – Alaska
Ja, furchtbar alberner Quatsch. Man sollte Putin ggf. einmal darauf hinweisen, dass Russland im Kern ukrainisch ist. Wenn man genauer hinsieht, ist die Keimzelle des späteren Russlands sogar schwedisch und vielleicht ein wenig norwegisch. Mit etwas Goodwill könnte man sagen, dass Putin ureigenes NATO-Territorium besetzt. Wenn das kein casus belli ist!
Soche Gebietsansprüche aus dem 18. Jhdt. sind allergrößter Blödsinn.
Hab mal in Wikipedia nachgeschaut. Ab dem Ende des 18. Jhdts hielten sich auf ein paar Inseln vor Alaska 800 Russische Pelzjäger auf, die Indigene versklavten. Eigentlich müßten die das Geld für den Verkauf an die USA zurückzahlen. Sie hatten Alaska niemals beherrscht.
V.a. in Südchile ist die Überzeugung weitverbreitet, dass sämtliche argentinischen Provinzen inklusive südlich von Neuquén-Río Negro eigentlich zu Chile gehören, weil sie bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts Bestandteil von Wallmapu, dem Mapuche-Territorium, waren.
Die haben ja auch nur einen Claim verkauft, das ist ja wie mit Louisiana 1803.
Absolut. Lass einmarschieren!
All in!
😀
Noch ein Nachsatz zu 4):
Der Autor des Kommentars hat wohl selber nicht bemerkt, inwieweit sein Kommentar verrät, wo er (und viele in Deutschland) psychologisch steht: Die (ewige?) Aufrechterhaltung der pandemischen Lage erschient für ihn wie der deutsche Normalfall, deren Aufhebung (obwohl der europäische Normalfall!) eine begründungspflichtige Ausnahme, die nur deshalb erreicht wurde, weil vorher jede Menge Fehler gemacht wurden.
Nur, um das einmal festzuhalten: Die dauerhafte Aufrechterhaltung einer pandemischen Ausnahmesituation ist nicht nur menschlich schlicht unmöglich, sondern auch medizinischer Unsinn. Lernen, mit Corona zu leben, heisst präzise, jeder Mensch entwickelt eine Corona-Grundresistenz (wie gegen dutzende anderer Viren vorher auch). Und eben nicht eine Serie von sich abwechselnden „Lockerungen“ (bösartiges Wort für den Normalzustand einer liberalen Gesellschaft) und Lockdowns bzw. sonstiger Einschränkungen normalen Lebens.
Ich halte ja bekanntermassen den Feudalismus für den Normalzustand von gesellschaftlicher Organisation (= das System, auf das Menschen zurückfallen würden, gäbe es nicht organisatorische, mediale und erziehungstechnische Widerstaände dagegen). Mir wird mit der Corona-Krise auch einmal mehr erneut deutlich, wie gering gerade Deutsche Freiheit schätzen …
Gruss,
Thorsten Haupts
Auch wenn du und Deinesgleichen nicht müde werden, das zu unterstellen, so bleibt es doch falsch.
… von Gefängnisstrafen ganz zu schweigen …
Gefängnisstrafen für politisches Versagen ist vermutlich die populärste absolut idiotische Idee, die jemals durch den vorpolitischen Raum geisterte.
Gruss,
Thorsten Haupts
Mir ist der Bezug gerade nicht klar, was meinst du?
Verrutscht. Tims erster Kommentar.
3 – Krugman
Weil Deutschland Griechenland ruiniert hat, muss es sich nun im Gegenzug selbst ruinieren?
Das Argument wird nicht weniger dumm, wenn man es öfter wiederholt. Nur Griechenland hat Griechenland ruiniert. Niemand hat Griechenland in den letzten 20 Jahren davon abgehalten, eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu fahren. Es waren ausschließlich die Griechen selbst, die mit gepumpten Geld schlecht gewirtschaftet haben. Die Rettungspakete der Euro-Gruppe waren Angebote, nicht mehr und nicht weniger. Ja, die Rettungsangebote waren langfristig schädlich – ein wirklich konsequenter Sparkurs mit harten Strukturreformen wäre für Griechenland besser gewesen. Aber es waren eben Angebote. Die Griechen hätten sich problemlos auch dagegen entscheiden können.
Krugman empfiehlt immer wieder „fight fire with fire“, aber das bedeutet nicht, dass er heute noch ein ernstzunehmender Ökonom ist.
2) Hier die Sicht von Stefan Reinecke:
„Scholz sieht sich als Konsenskanzler, der präsidial den Überblick über das große Ganze hat. Jetzt erscheint er eher als Chaoskanzler, dem alles entgleitet. Merkel regierte mit Macht durch Moderation, bei Scholz sieht das eher wie Ohnmacht durch Moderation aus. Machtpolitische Niederlagen sind für Scholz besonders gefährlich.
Denn er hat keine Reserven, um Erfolglosigkeit auf diesem Feld zu kompensieren. Er ist, so das Image, der Macher, der wortkarg wichtige Entscheidungen fällt. Versagt er dort, bleibt nicht viel. Wünschenswert wäre ein Ende der Ampel nicht. Sie ist auf dem Markt das beste Angebot. Ob die Linkspartei je wieder aufersteht, ist mehr als zweifelhaft. Sozialen Ausgleich, ökologischen Elan und liberale Gesellschaftspolitik kann man am ehesten von einer SPD-geführten Ampel erwarten. Macht sie so weiter, wird sie scheitern.“
https://taz.de/Die-Ampelkoalition-in-der-Krise/!5846205/
Halte ich für überzogen. Die Kritik an Scholz ist effektiv Elitenkritik; an der Wahlurne kommt da (bisher) nichts an.
1) Wahnsinnig interessant, und welche Bedeutung die Kulturkämpfe im Hintergrund haben, fällt einem erst recht auf, wenn man direkt im Anschluß die Rezension in m) liest.
Alleine schon die Information, daß die Wende zugunsten der griechischen Unabhängigkeitsbestrebungen kam, als ein konservatives Framing dafür erstellt wurde, liefert genug Futter für Gedankengänge mit aktuellem Bezug.
Guter Punkt, führ das gerne weiter aus!
Als Rußland die Ukraine überfiel, war meine größte Sorge nicht, daß der Blitzkrieg erfolgreich sein würde (ich war recht zuversichtlich, daß die Ukraine sich gut vorbereitet hatte), sondern daß die russische Propagandamaschinerei mit irgendwelchen Teufeleien aufwarten würde, die den Beistand des Westens behindern würden.
Und heute lese ich in der SZ, daß tatsächlich Fake-News mit dem Triggerwort „Nazis“ schon Monate vorher kursierten:
https://www.sueddeutsche.de/politik/infomationskrieg-fake-news-russland-ukraine-1.5568294 (Paywall)
Während nun die ans Inland gerichtete russische Propaganda erfolgreich in den Nordkorea-Modus gewechselt ist, hat die ans Ausland gerichtete immer noch nichts Attraktives anzubieten. Und das führt zwangsläufig dazu, daß deren ausländischen Multiplikatoren zunehmend ausfallen. Als Rußlandfreunde übrig bleiben dann nur die Trolle von den politischen Rändern, und selbst die tun sich schwer, wie das Chaos in der Linkspartei und der AfD zeigt.
Putin hat jedenfalls den Kampf um die Köpfe auf absehbare Zeit verloren, aber natürlich verbleiben (wie auch im verlinkten Artikel zu lesen) weitere ideologische Herausforderungen für die liberalen Demokratien.
Ans Ausland hatten sie nie was Attraktives anzubieten, aber chaos und Hass stiften können sie immer noch gut. Das sieht man ja aktuell überall.
„Ans Ausland hatten sie nie was Attraktives anzubieten…“
Ausländischen Ex-Politikern wie Schröder, Schüssel, Fillon uws. sher wohl, nämlich lukrative Posten in russischen Unternehmen.
Ja, aber nicht in Form von Ideen.
@ sol1 19. April 2022, 20:44
Allgemeine Zustimmung.
zu 4
Meine Hoffnung ist, dass zumindest die betroffenen Institutionen (Krankenhäuser, Ärzte, Apotheken, Gesundheitsämter, Schulen, KiTas, etc.) ihre Lehre aus der Pandemie ableiten werden. Leider dann wahrscheinlich fst jeder für sich, ohne das gute Beispiele skaliert werden würden.
Politisch wird das ganze dann auch noch erschwert, dass die wesentlich Verantwortlichen verschwunden sind. Das Kabinett Merkel IV ist Geschichte. Insofern kann man sämtliche Fehler einfach auf die Vorgänger abschieben und geloben und es besser zu machen (in der Hoffnung das nie einlösen zu müssen). Spricht aber auch Bände über die Fehlerkultur in diesem Lande – es wäre eine echte politische Chance jenseits von persönlichen Fehlern, die institutionellen Schwachstellen in den Blick zu nehmen und ernsthaft daraus Ableitungen für die Zukunft zu ziehen. Im Zuge des Parteien-Klein-Kleins wird daraus aber nur ein Blame-Game und dafür haben wir, angesichts der großen Krisen, wirklich keine Zeit.
Das erleichtert in meinen Augen eine Aufarbeitung eher. Ich habe meine Einschätzung zu dem Thema im April 2020 abgegeben: http://www.deliberationdaily.de/2020/04/wir-brauchen-einen-corona-untersuchungsausschuss/ Ich finde, der hat sich echt gut gehalten.
zu 8:
Ich glaube man hofft auf den Krawall – die deutschen Politik-Talkshow Formate sind deswegen so erfolgreich, weil sich jeder in diesen wiederfindet. Die Rollen von Gut und Böse sind klar verteilt und da jeder nur sein / ihr Statement herausposaunt fühlt man sich eigentlich auch immer bestätigt.
Wer dort nach Orientierung oder Horizonterweiterung sucht, wird maßlos enttäuscht. Einerseits fürchte ich, wären viele Politiker von Interviews Kaliber Günter Gaus krass überfordert, auf der anderen Seite machen diese Formate das Agenda Setting der politischen Klasse sehr leicht, so dass diese gar kein Interesse hätte hiervon abzuweichen. Nicht zuletzt auch der Zuschauer selbst, der viel zu sehr gefordert würde und wahrscheinlich das Format mit Desinteresse strafen würde.
Aber schon krass, dass die ÖR, obgleich denen die Quote ja egal sein kann, es dennoch nicht versuchen.
Nicht ganz. Wenn keiner guckt, gilt dies als Beweis, dass man den ÖR nicht braucht und abschaffen kann.
Genau das.
Denen kann die Quote halt nicht egal sein, das ist das Problem. Die riesigen Gebühren erzwingen geradezu Quotenkonzentration. Absurde Situation.
@ Stefan Sasse 19. April 2022, 17:13
Denen kann die Quote halt nicht egal sein, das ist das Problem. Die riesigen Gebühren erzwingen geradezu Quotenkonzentration. Absurde Situation.
Hhhhmmmm, was machen die nur falsch?
Glaubst du, ich zahle gerne 18€ im Monat für Traumschiff?
@ Stefan Sasse 21. April 2022, 13:45
Glaubst du, ich zahle gerne 18€ im Monat für Traumschiff?
Wofür auch immer, Du bezahlst sie anscheinend gerne. 🙂
Gerne nicht, nein, aber ich konsumiere sehr gerne Podcasts. Da gibt es ein richtig, richtig tolles Angebot. Nur, das ginge deutlich billiger…
@ Kning4711 19. April 2022, 13:47
8)
Wer dort nach Orientierung oder Horizonterweiterung sucht, wird maßlos enttäuscht.
Es sitzen dort immer wieder Nicht-Politiker, die dann doch mehr als Floskeln zu bieten haben, und aus diesem Schwarz-weiß-Schema ausbrechen.
Einerseits fürchte ich, wären viele Politiker von Interviews Kaliber Günter Gaus krass überfordert, …
Oh ja, Antworten mit vorher Nachdenken müssen …
Bestimmt unterhaltsam 🙂
Ist halt auch Gewohnheit. Das sind ja keine dummen Leute. Die haben nur gelernt, in einer dummen Medienlandschaft zu funktionieren. Die könnten auch lernen, in einer intelligenten zu funktionieren. Das ist nicht das Thema.
Yup!
zu 2) Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass der Niedergang der Bundeswehr in den 80ern begann. Es gab ja da Anfang der 80er diese riesige Demo in Bonn gegen den NATO-Doppelbeschluß an der ich als sehr jung Pubertierender teilgenommen hab. Die Mutter eines guten Kumpels war sehr aktiv in der bei uns eher linksextremistischen evangelischen Kirche und ich fand Pazifismus cool. Dann etwas später die Kießling-Affäre. Der Anteil der Zivildienstleistenden stieg jedenfalls in den 80er Jahre gewaltig an. Nach dem Fall der Mauer wurde dann das Militär endgültig als etwas von gestern angesehen.
Mitte der 00er Jahre hatte ich die Bundeswehr noch als Kunde in einem Projekt. Rein menschlich war das sehr nett und touristisch ein wichtiger Meilenstein in meiner Radelbegeisterung: Das Umland Dresdens eignet sich sehr dafür. Aber auf Kundenseite wars fachlich und organisatorisch die größte Katastrophe meines Berufslebens.
Aus heutiger Sicht war der Niedergang der Bundeswehr eine schlechte Entwicklung.
Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass der Niedergang der Bundeswehr in den 80ern begann.
Natürlich.
Da kenne ich mich zu wenig aus. Thorsten?
In den frühen achtzigern begannen die Personalrekrutierungsprobleme der Bundeswehr (im direkten Vergleich zu den z.B. sechzigern stark abgenommene Bewerberzahl für Offiziersanwärterstellen – 3 bis 5 statt 10 bis 12 Bewerber). Folgewirkung der Friedensbewegung.
Die wirkliche Vernachlässigung setzte allerdings erst nach 1990 ein, weil Deutschlands Funktionseliten zunehmend wirklich glaubten, die Armee sei verzichtbar, wegen Friedensdividende und US-Hegemonie. Also aus in dieser Hinsicht historisch ungebildeten Volltrotteln bestand. Und verschlechterte sich eher schleichend von Jahr zu Jahr als dass man den Zeitpunkt exakt ausmachen könnte, an dem das funktionsbedrohend wurde.
Seit mehr als 10 Jahren allerdings ist die Bundeswehr im grossen und ganzen kampfunfähig. Und für das Ergebnis erheblich zu teuer, das könnte man billiger haben.
Gruss,
Thorsten Haupts
Danke. – Andere Frage: warum „Funktionseliten“? Du benutzt das gerade sehr häufig. Wo kommt der Begriff her?
Funktionseliten in meinem Sprachgebrauch bezeichnet einfach die relativ kleine Gruppe von Entscheidungs- und Entscheidungsbeeinflussungsträgern in einem modernen demokratischen Staat. Behörden- und Organisationsleiter, Abgeordnete, Regierunge(en), leitende Redakteure der Leitmedien, Universitäts- und Stiftungsleitungen, CEOs grosser Unternehmen.
Ich verwende es anstelle des älteren „Elite“, weil die Funktionselite in weit höherem Ausmass als ältere Eliten durchlässig für Aufsteiger ist. In die Funktionselite eines modernen Staates vorzustossen, steht jedem hinreichend intelligenten und motivierten Menschen offen. Eine quasi-statische (Herkunfts-)Elite ist in einem modernen Staat IMHO nicht mehr realistisch zu definieren
Gruss,
Thorsten Haupts
Ah, macht Sinn. Danke!
@ Lemmy Caution 19. April 2022, 13:57
zu 2) Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass der Niedergang der Bundeswehr in den 80ern begann.
Yup – Mit meinem Ausscheiden 1982 🙂
2) „…. where to move their wealth“
Das „domestic rule of law“ ist gegen die Geflechte von Tarnfirmen (Isle of Man, Malta, Karibik) ziemlich schwach. Schon die Eigentümer der Villen am Starnberger See lassen sich ja nicht sicher feststellen. Yachten lassen sich in Sicherheit bringen (Nahost, Türkei, Singapur), Geldwäsche in Deutschland kein Problem. Die unvermeidlichen Verluste werden die verschmerzen.
Solange Briefkastenfirmen und Netzwerke von Anwaltskanzleien weitermachen können wie bisher, sind die Beschlagnahmen wenig wirksam. Und das werden sie, die Profiteure kommen ja nicht nur aus Russland.
Ja, aber diese Schwäche ist weitgehend eine Entscheidung. Das könnte man anders haben, wenn man denn wöllte.
Da müssten aber ganz viele Staaten gleichzeitig das gleiche wollen :-).
Ja. Aber es ist kein Naturgesetz, und so viele sind es auch wieder nicht.
Italien hat da, wie ich neulich gelesen haben, auch einen Vorsprung wegen der Anti-Mafia-Gesetzgebung:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/russland-oligarchen-finanzpolizei-italien-101.html
Da tun sich Dinge auf…
4) Das Pendel schlägt zurück
Inwiefern aufgearbeitet? Die rechtliche Aufarbeitung braucht anscheinend lange. Das Scheitern der Impfpflicht war das vorgezogene Finale. Ansonsten sehe ich nicht, dass in anderen Ländern eine große politische Selbstzerfleischung angesetzt ist. Nicht einmal in Australien und Neuseeland, die das am Nötigsten hätten.
5) Why Texas Parents Want to ‘Ban Books’
Cancel Culture ist, wenn jemand aufgrund seiner Meinung seinen Job, einen Auftrag verliert oder in seiner sozialen Existenz gefährdet wird. Cancel Culture ist, wenn seine – legitime – Meinung nicht mehr gehört oder repräsentiert wird. Cancel Culture ist nicht, wenn die Meinung kritisiert wird. Eigentlich einfach, oder?
7) Aldi-Süd: Betriebsratsgründung endet mit Tumult und Polizeieinsatz
Apropos Waffengleichheit: Seit Jahrzehnten können die Arbeitgeber Streiks im Arbeitskampf nichts Vergleichbares entgegensetzen. Sie sind den Gewerkschaften ausgeliefert. Diese haben ihre Arbeitskampfmittel auf im Prinzip illegitime Bereiche ausgeweitet, den sogenannten Warnstreiks. Diese schädigen Unternehmen, ohne dass überhaupt Verhandlungen geführt oder ernsthaft Kompromisse angesteuert wurden. Deswegen gibt es seit Jahren eine Debatte, die leider wegen der Mehrheitsverhältnisse keine Aussicht auf Erfolg hat, nämlich Warnstreiks generell zu verbieten und Gewerkschaften zu Schadensersatz zu verpflichten.
Kein Unternehmer muss begeistert die Gründung eines Betriebsrates begleiten. Schließlich wird er dabei ein gutes Stück in der Ausübung seines Grundrechts auf Eigentum eingeschränkt. Es ist die Frage, mit welchen Mitteln er das tut. Ich kenne Fälle, da hat der Eigentümer-Geschäftsführer den Arbeitnehmern gedroht, sein Unternehmen zu verkaufen oder zu schließen, wenn ein Betriebsrat gegründet wird. Das ist legitim.
Vor allem ist es totaler Unsinn. Unternehmen können nicht so einfach geschlossen oder verkauft werden. Wenn Mitarbeiter sich so ins Bockshorn jagen lassen, selbst Schuld. Eier braucht man ab und zu schon, wenn man seine Interessen verfolgen und durchsetzen will.
Aldi ist ein Unternehmen, das überdurchschnittlich bezahlt und im Gegenzug nicht besonders mitarbeiterfreundlich ist. Es gibt nicht alles im Leben. Dieses einzelne Unternehmen heranzuziehen, um eine allgemeine politische Forderung zu begründen, ist völlig sachwidrig.
9) The lessons and implications of seizing Russian oligarchs’ assets
Die Oligarchen werden nicht enteignet, sondern ihr Eigentum in der Verfügung eingefroren. Wenn der Grund entfällt, müssen sie für den Schaden entschädigt werden. In Deutschland wird dafür meines Wissen nach 6% an Zinsen gezahlt. Also, ganz entspannt.
4) Ich sehe es auch nicht, aber nötig wäre es.
5) Scheinbar nicht.
7) Ich liebe es, wie du Gesetzesbrüche relativierst und gutheißt, wenn es Felder und Leute betrifft, denen du nicht nahestehst. Wo du im umgekehrten Fall immer so „prinzipientreu“ liberal bist.
9) Nur, was ist der Grund für das Einfrieren? Und ist es wahrscheinlich, dass der je entfällt? Wenn ich mir die kürzliche asset seizure Afghanistans in den USA ansehen, wäre ich da als Oligarch skeptisch.
7) Meinst Du die Warnstreiks? Aber die verteidige ich doch nicht!
Der Rechtstaat ist deswegen eine so große Errungenschaft, weil wir Trennlinien haben zwischen dem, was geht und was nicht geht. Nicht alles, was uns nicht gefällt ist illegal.
Warnstreiks sind im Allgemeinen illegal. Klagen Verbände dagegen, sind die Erfolgschancen meist hoch. Dennoch wird selten geklagt. Der Grund ist, Gewerkschaften konzentrieren sich auf meist gutverdienende Publikumsgesellschaften, die in den Verbänden das Wort führen und die Kosten als „nicht vermeidbar“ verbuchen. Denn klagen die Unternehmen gegen die Warnstreiks, folgt der ebenfalls illegale „Bummelstreik“, bei dem sich viele Mitarbeiter einfach krank melden.
Unternehmen und Verbände können heute meist nichts gegen Streiks tun. Aussperrungen vergrößern fast immer nur ihre Schäden. Waffengleichheit, die Du ja angeblich einklagst, existiert auf dem Gebiet der Arbeitskämpfe seit den Achtzigerjahren nicht mehr. Warum willst Du das nicht ändern? Warum willst Du Gewerkschaftsvertretern nicht mit dem Strafrecht drohen, die solche Maßnahmen planen und durchführen?
Weil es Dir eigentlich um die weitere Begünstigung der Arbeitnehmervertreter geht. Hört sich nur nicht so schön an.
Wer einen Betriebsrat gründen will, hat dabei alle Vorteile des Rechts auf seiner Seite. Und er kann alle entstehenden Kosten, insbesondere der Rechtskosten, dem Arbeitgeber aufbürden. Eine feine Sache. Der Betriebsrat soll die Interessen der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber vertreten. Ich habe das extra in Fett geschrieben. Gegen bedeutet, Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen nicht die gleichen Interessen und man muss austarieren. Die Arbeitnehmer wiederum sollen vertreten werden.
Wenn gründungswillige Arbeitnehmer nun die Knie schlottern, wenn der Arbeitgeber, der ja ihr Gegner ist, damit droht, nicht einfach die Waffen zu strecken und um Vergebung zu bitten, dann ist das für Dich verurteilenswert und, schlimmer, strafrechtsrelevant.
Da werden in Zukunft einige Arbeitnehmer im Knast landen. Denn wie ist es zu werten, wenn ein Arbeitnehmer, mitten in einem wichtigen Projekt, seinem Vorgesetzten droht zu kündigen, wenn sein Gehalt nicht sofort aufgestockt wird? Formal ist das Erpressung. Und wenn ich Dich richtig verstehe, sollte das streng verfolgt werden. 😉
9) Das lässt sich nicht sagen. Wirtschaftssanktionen sind ja im internationalen Recht an Bedingungen geknüpft. Sie sind nur rechtens, um ein Land, das internationales Recht bricht, auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.
Schwer zu sagen, wie der Ukrainekrieg ausgeht. Gehen wir einmal davon aus, dass es zu einem Friedensabkommen (Waffenstillstand wäre die Fortsetzung des Krieges, deswegen betrachte ich es an dieser Stelle nicht) kommt. In diesem Falle entfiele der Grund für die Wirtschaftssanktionen, denn das Ziel wäre erreicht.
Spannender finde ich eine ganz andere Frage: Die Kriegsschäden werden inzwischen auf über 1 Billion US-$ geschätzt. Es dürfte schwer werden, Russland zur Zahlung von Reparationen zu bewegen. Allerdings sind bei den internationalen Notenbanken über 0,5 Billion US-$ Sicherheiten des russischen Staates eingefroren. Wäre es möglich, diese Mittel zu konfiszieren, um Ansprüche der Ukraine zu befriedigen?
Mein Punkt ist der: der Westen hat für Sanktionen bisher überhaupt keine Bedingungen formuliert. Es gibt daher keinen definierten Endzustand dafür. Deswegen wäre ich da als Oligarch wenig beruhigt. Und angesichts der Zeitenwende, die Putin ausgelöst hat, wäre ich erst recht nicht sicher, ob der Westen das Eigentum als höchsten Wert auch für mich Kleptokraten aufrechterhält, besonders angesichts öffentlichen Drucks und der Not der Ukraine. 🙂 Die von den Alliierten „eingefrorenen“ deutschen Auslandsvermögen wurden nach beiden Weltkriegen einbehalten.
Das stimmt nicht. Die Sanktionen beruhen auf der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014, die unter anderem durch die Verordnung (EU) Nr. 2022/328 vom 25. Februar 2022 angepasst wurde. In der Verordnung Nr. 833 formuliert der Rat das Ziel, das in Übereinstimmung mit den Regeln der UN steht:
Am 22. Juli 2014 gelangte der Rat zu dem Schluss, dass er bereit wäre, unverzüglich ein Bündel weiterer bedeutender restriktiver Maßnahmen einzuführen, sollte Russland den Forderungen gemäß den Schlussfolgerungen des
Europäischen Rates vom 27. Juni 2014 sowie den Schlussfolgerungen des Rates vom 22. Juli nicht nachkommen.
Daher wird es als angemessen erachtet, weitere restriktive Maßnahmen zu ergreifen, um die Kosten für die Handlungen Russlands zu erhöhen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine
untergraben, und um eine friedliche Beilegung der Krise zu unterstützen. Diese Maßnahmen werden fortlaufend
überprüft und können im Lichte der Entwicklungen vor Ort ausgesetzt oder widerrufen oder durch andere restriktive Maßnahmen ergänzt werden.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0833&from=en
Ich wiederhole: Wir befinden uns auf der Basis des Rechts. Das unterscheidet uns von Russland.
Die russischen Oligarchen sind nicht der russische Staat. Sie haben keine staatliche Funktion. Sie werden allein sanktioniert, um durch sie Druck auf die Führung in Moskau auszuüben. Logischerweise entfällt der Grund, wenn es zu einem Friedensvertrag käme.
Das Eigentum Russlands kann nicht einfach beschlagnahmt werden. Das wäre ein klarer Rechtsbruch. Nach meinem Rechtsverständnis – das hier absolut lückenhaft ist – bedürfte es mindestens eines Beschlusses der UN-Vollversammlung. Diese könnte das Verfahren übrigens an den Internationalen Gerichtshof in den Haag überweisen, der zwar von Russland nicht anerkannt wird, der aber auf diesem Wege Herr des Verfahrens wäre. den Haag könnte möglicherweise Reparationen festlegen.
Wäre interessant die rechtlichen Möglichkeiten zu erfahren. Nur, das Privateigentum einzelner Oligarchen, deren Kreis dazu noch willkürlich festgelegt ist, kann davon nicht betroffen sein. Und: 1945 gab es die UN noch nicht.
Ich wusste nicht, dass die Februar-Sanktionen rechtlich auf denen von 2014 basieren. Aber das sind keine guten Neuigkeiten für die Oligarchen, denn Russland wird die Krim nicht wieder aufgeben. Wenn das die Grundlage ist, bleibt die Kohle weg.
Es sind Null-Nachrichten. Eigentum kann nicht ein Leben lang vorenthalten werden, dann ist es ja eine Enteignung. Wie eine Nachkriegsordnung auch immer aussehen mag, die Sanktionen gegen die Oligarchen werden sicher zu den ersten gehören, die fallen.
Ja, gut möglich. Möglich auch, dass sie enteignet werden. Sehen wir mal.
Da fehlt mir die Rechtsgrundlage. Die Oligarchen auf der Sanktionsliste sind ja willkürlich ausgewählt, danach, wie man ihren Einfluss auf den Kreml schätzt. Andere werden nicht sanktioniert.
Und einzelne Bürger haften niemals für die Schulden oder auch Reparationen ihres Staates. Das steht völlig konträr zu unserem Rechtsstaatsverständnis. Schließlich möchtest Du ja auch nicht bei der Einreise am Airport Athen festgesetzt werden, weil Deutschland seine Reparationen an Griechenland nicht gezahlt hat. Also nach hellenischer Lesart.
Ich verstehe das, nur sehe ich einen Diskurs, der immer mehr einem Krieg ähnelt. Es gab 1914 auch keine Rechtsgrundlage, das Zeug einzubehalten (außer, dass Deutschland dann in Versailles gezwungenermaßen zustimmen musste). Ich möchte betonen dass das keine Wertung oder Prognose beinhaltet; ich weise nur darauf hin, dass das Eigentumsrecht eine Abmachung ist, die jederzeit gekündigt werden kann. Da es sich um internationales Recht handelt, ist sie besonders anfällig, weil es niemand gibt, der es hier durchsetzen kann.
Das Recht auf Eigentum steht in unserer Verfassung wie in der aller OECD-Länder. Alle diese Länder, die heute einzelne Bürger des russischen Staates sanktionieren, bekennen sich dazu zu den internationalen Verträgen, damit dem Völkerrecht, den UN-Konventionen und dem Vorrang des Rechts. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu 1918.
Einzelne Bürger für die Ansprüche gegen ihren Staat heranzuziehen, wäre reine Willkür. Deswegen wird es nicht passieren.
Dein Vertrauen darin ist bemerkenswert, aber bin da skeptischer. Erneut, nicht weil ich das notwendig will oder gutheiße; ich glaube nur nicht, dass man sich ggf. von solchen Regeln abhalten lassen wird. Besonders, wo die Gegenseite offensichtlich keine akzeptiert.
Es geht doch um Ansprüche des ukrainischen Staates. Im Zweifel müsste, wie dargestellt, den Haag darüber befinden. Und die Richter werden sich an die Rechtsordnung halten. Es gibt nach meinem Dafürhalten keine Rechtsgrundlage für die Konfiskation des Vermögens ausgewählter Oligarchen.
In der EU sind diese Vermögenswerte nur eingefroren. Die Eigentümer können keinen Nutzen ziehen. Das zeigte sich z.B. beim Fall Abramowisch ./. FC Chelsea. Die britische Regierung konnte den Verein nicht zwangsverstaatlichen, aber der Spitzenclub konnte keine Verträge mehr schließen. Als Folge wäre Chelsea über kurz oder lang insolvent gegangen.
Der Oligarch stimmte einem Verkauf zu. Aus diesem Verkauf darf er keinen Nutzen ziehen, bekommt aber seine Auslagen und gegebene Darlehen erstattet.
Ich sehe halt noch Eskalationspotenzial auf dem Feld. Das ist alles. Aber danke für den Kontext mit Chelsea, wusste ich nicht.
@ Stefan Pietsch 20. April 2022, 19:37
Da fehlt mir die Rechtsgrundlage.
Die sehe ich auch nicht
Die Oligarchen auf der Sanktionsliste sind ja willkürlich ausgewählt, danach, wie man ihren Einfluss auf den Kreml schätzt.
Selbst wenn die Situation nicht ganz vergleichbar ist, kriegten doch viele Industrielle, die das Hitler-Regime unterstützt hatten, auch auf die Birne.
Zu Recht, wie ich finde.
Jepp.
„Eigentum kann nicht ein Leben lang vorenthalten werden“
Gilt das auch für Mafia-Eigentum, das mittels Geldwäsche „erworben“ wurde? Und wo liegt der Unterschied bei manchen Oligarchen?
Es ist dieser verabsolutierte Eigentumsbegriff, der uns
in Schwierigkeiten gebracht hat: Geldwäsche, Nichtbesteuerung, Briefkasten- und Tarnfirmen. Aber auf dem Papier ist alles „Eigentum“.
Warum haben Linke wie Sie so ein gestörtes Verhältnis zu den Freiheits- und Schutzrechten unserer Verfassung? Ich verstehe das nicht. Das Recht auf Eigentum steht nicht nur im Grundgesetz. Es ist UN-Recht. Haben halt alle ein pervertiertes Verhältnis zum Eigentum.
Artikel 14 (1) GG räumt den Bürgern volle Verfügungsmacht über ihr Eigentum ein. Wie erwirbt man Eigentum? Laut BGB durch „Einigung und Übergabe“ (§ 929). Dazu gibt es ein paar Einschränkungen, z.B. in § 932, § 935 BGB. Es sind übrigens Einschränkungen, die es so in vielen Ländern nicht gibt.
Nach herrschender Rechtsauffassung muss ein Erwerber im Zweifel nachweisen können, dass er die Mittel aus legalen Rechtsgeschäften erworben hat. Hier wird das Grundrecht nach Artikel 14 bereits mit einem Verdacht belegt und eingeschränkt. Das ist aus liberaler Sicht grenzwertig, aber noch zulässig.
Nur würden wir die Ausübung der Grundrecht generell an solche Vorbehalte knüpfen, übergeben wir dem Staat wieder die Hoheit darüber zu bestimmen, wann er ein Freiheitsrecht gewährt und wann nicht. So ist das Grundgesetz nicht gedacht. Oder wollten Sie, dass Kirchenbesuche nur möglich sind, wenn vorher absolut sichergestellt ist, dass dort keine Islamisten oder gewalttätige Katholiken sich zur Verabredung von Anschlägen treffen? Oder Eltern erstmal einen Erziehungsführerschein machen müssen, bevor sie ihr Kind behalten dürfen und es nicht etwa zu Pflegeeltern gesteckt wird? Ich gehe einfach mal davon aus, dass auch Sie als dezidiert Linker nicht in einem solchen Staat leben wollen und hoffe, dass Sie mich nicht eines Schlechteren belehren.
Warum haben Liberale wie du so ein gestörtes Verhältnis zum Arbeits- und Steurrecht?
Wo?
Es ist Deine übliche Masche, andere zu diskreditieren, in dem Du auf Botherism umschaltest. Ich erkenne unser Steuer- und Arbeitsrecht in vollem Umfange an – mit seinen Begrenzungen. Übrigens stehen sie nicht im Verfassungsrang.
Du und CitizenK praktiziert regelmäßig Eure Mosereien, was Euch am universellen Eigentumsrecht stört. Würdet Ihr das bei den anderen Grundrechten so akzeptieren? Nein. Für Euch scheint das Grundrecht auf Eigentum wie die häßliche Stiefschwester zu sein.
Das ist eben kein Botherism, sondern die Klarstellung was ihr macht – und ein Alleinstellungsmerkmal habt.
„… im Zweifel nachweisen können, dass er die Mittel aus legalen Rechtsgeschäften erworben hat.“
Mehr will ich doch auch nicht. Wer den Rechtsstaat-Gedanken ernst nimmt, muss dann aber auch ernsthaft Geldwäsche unterbinden und das Verstecken auf Nummernkonten in der Karibik oder sonstwo unterbinden.
Bemerkenswerterweise hat man in Deutschland ja erst vor Kurzem bei den „Clans“ zaghaft angefangen. Die italienischen Mafia-Ermittler schütteln immer noch den Kopf über die Tedesci.
Nichtlegaler Erwerb wie durch die Ausbeutung durch Zwangsarbeiter (wie z. B. bei Quandt) oder KZ-Häftlingen (wie bei fast allen deutschen Unternehmen) wird sich juristisch nicht fassen lassen. Hier ist moralischer Druck durch die Öffentlichkeit aber durchaus angemessen.
Nein, wollen Sie nicht. Sie verfolgen den nationalistischen Ansatz. Die Regeln des deutschen Rechtsstaates enden an der Landesgrenze. Ein Nummernkonto irgendwo ist nicht illegal. Und wenn ich richtig informiert bin, dann ist Geldwäsche in der OECD illegal.
„Im Zweifel“ heißt nicht bei Generalverdacht. So geht es nicht. Wenn jemand aus der Schweiz, den USA, Chile hier in Deutschland Geld anlegt oder eine Sache erwirbt, geht es nicht, dass er erst nachweisen muss, überall sämtliche Steuern gezahlt zu haben nebst Quellennachweis der Mittelherkunft. So etwas scheint Ihnen vorzuschweben und damit – wieder einmal – ständen Sie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Bewusst im Konjunktiv formuliert, da Sie immer Ausnahmen zur Allgemeinheit formulieren.
„Nicht einmal in Australien und Neuseeland, die das am Nötigsten hätten.“
Wieso ausgerechnet die?
Mit 6.804 bzw. 564 Todesfällen sind die doch extrem glimpflich davongekommen.
Weil das nur gelang, in dem zwei Jahre die Länder komplett abgeriegelt und die Bürger mit militärischen Mitteln bewacht wurden. Das gab es sonst nur in China und steht völlig konträr zur Mentalität der Australier.
Diese extremen Maßnahmen dienten dem Ziel, das Virus auszurotten. Das ist nicht gelungen. Todeszahlen sind nicht das Einzige, was zählt.
„…und die Bürger mit militärischen Mitteln bewacht wurden…“
???
„Todeszahlen sind nicht das Einzige, was zählt.“
Aber das vorrangige.
Das Leben ist nicht alles, aber ohne Leben ist alles nichts.
Nein, die Freiheit ist alles, was zählt. Blick in die Ukraine.
Ist das jetzt das „argumentum ad Ukrainam“?
Australien und Neuseeland hätten dem Virus freien Lauf lassen sollen (mit allen entsetzlichen Folgen), weil Rußland die Ukraine überfallen hat?
Ich kann es auf verschiedenen Wegen ausdrücken: Schon früh wies Wolfgang Schäuble darauf hin, dass das Recht auf Leben nicht über den anderen Freihheitsrechten stände.
Die heutigen Zahlen und Erkenntnisse zeigen, dass die Lethalität des Virus ein Stück überschätzt wurde, spätestens seit es Vakzine gibt. Sie argumentieren mit dem Stand des Jahres 2020 und mit dem Stand von 2021 / 2022. Da liegen Welten dazwischen.
Erstens kann man Entscheidungen im Jahr 2020 nur mit dem Stand des Jahres 2020 beurteilen.
Und zweitens zeigt sich ja auch in der Rückschau, daß die von dir kritisierten Staaten klug gehandelt und ein enormes Maß an menschlichem Leid verhindert haben.
Denn auch Gesundheit gehört zur Freiheit.
In Deutschland (und in Down Under) hat man aber noch 2021 so getan, als befände man sich im Jahr 2020. Und Sie tun das auch. Maßnahmen wie Lockdowns, Masken im Außenbereich, Reiseverbote mögen im Frühjahr 2020 ihre Berechtigung gehabt haben. Im Sommer 2021 nicht mehr.
Ich ziehe leben vor.
Ist absolut okay. Ist nur für jeden anderen so egal wie ob Du konfessionell gebunden bist, ob Du Kinder magst oder in einer Gewerkschaft bist. Es ist allein Deine Entscheidung und Deine Prioritätensetzung.
„Es ist allein Deine Entscheidung und Deine Prioritätensetzung.“
Nicht in einer Pandemie, in der man zum Schutz vor der Krankheit auf die Kooperation mit anderen angewiesen ist.
Wo steht das? Nirgends. Das ist Ihre Interpretation, aber nicht Recht.
Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik aufgegeben, eine Evaluierung der verhängten Maßnahmen vorzunehmen. Der Expertenrat sieht sich dazu trotz mehrmaliger Verlängerung der Frist nicht in der Lage. Mit anderen Worten: die Politik ist nicht in der Lage zu belegen, welche Grundrechtseinschränkungen zu welchem Schutz geführt haben.
Ein solcher Blindflug geht für ein paar Monate. Aber nicht für Jahre.
@ sol1 20. April 2022, 12:36
Nicht in einer Pandemie, in der man zum Schutz vor der Krankheit auf die Kooperation mit anderen angewiesen ist.
Ich verstehe den Punkt (und lebe auch danach, in dem ich versuche, mich und andere so weit wie möglich zu schützen).
Aber ich möchte doch einwenden, dass die Betrachtung von Dir und Stefan Sasse eine Schwarz-Weiß-Betrachtung ist.
Was ist eine Pandemie, was nicht? Kann man das mit 100prozentiger Sicherheit sagen in der Form, dass man mit einem Toten oder Erkrankten mehr oder weniger eine Pandemie hat oder nicht? Lässt sich Missbrauch dahingehend ausschließen, dass niemand diese Grenze verschieben kann, um Vorgaben für die Bevölkerung durchzusetzen, die deren Freiheit einschränken oder zusätzliche Überwachungsoptionen ermöglichen? Lassen sich mit ähnlichen Begründungen (z.B. Terrorgefahr) nicht „in der Krise bewährte“ Konzepte und Methoden einsetzen?
Unsere „Pandemie“ hat sich in den letzten Jahren durchaus verändert. Sie ist nicht nur eine Lagebeschreibung mit unendlich vielen Auslegungen, Sichtweisen und Interpretationen, sondern gelegentlich auch ein von beiden Seiten genutzter Kampfbegriff, um bestimmte Settings durchzusetzen.
Ich möchte betonen, dass auch wenn Stefan mir das ständig unterstellt, ich diese Radikalposition gar nicht teile. Ich bin nur gegen die andere Radikalposition von „hilft alles nichts, macht auf!“
@ Stefan Sasse 21. April 2022, 13:47
Ich möchte betonen, dass auch wenn Stefan mir das ständig unterstellt, ich diese Radikalposition gar nicht teile. Ich bin nur gegen die andere Radikalposition von „hilft alles nichts, macht auf!“
Nun ja.
Man hat beispielsweise eine Impfpflicht diskutiert. Das halte ich für einen überaus schweren Eingriff in die Grundrechte eines jeden Bürgers, und wäre für mich nur unter bestimmten Bedingungen denkbar:
• Es muss nachgewiesen sein, dass die Krankheit für praktisch alle einen schweren Verlauf bedeutet – ist nicht gegeben; viele, die Corona haben, kriegen es gar nicht mit oder sind nach einer halben Woche mit leichten Symptomen durch; die meisten, die sterben, haben Vorerkrankungen gehabt.
• Es muss ein wirksames Serum zur Verfügung stehen – ist nicht gegeben; überraschend viele, die geimpft sind, haben sich beispielsweise die Omikron-Variante trotzdem gefangen.
• Die Impfung darf die Geimpften nicht gefährden – ist auch nicht gegeben; viele Geimpfte hatten starke Beschwerden durch die Impfung, einige (sehr wenige, aber immerhin) starben, nachdem sie gegen Corona geimpft wurden.
Alle diese Sachen sind vor der Diskussion bekannt gewesen, was aus meiner Wahrnehmung eine Diskussion zwangsläufig und sicher hätte unterbinden müssen; zu meiner überaus großen Überraschung fand eine ernsthafte Diskussion trotzdem statt.
Die Leichtfertigkeit, mit der hier über grundgesetzliche Freiheits- und Bürgerrechte geurteilt wird, halte ich für schlimm. Ist für mich ein weiterer Beleg dafür, dass die Deutschen mehr und mehr mental abrutschen.
Versteh mich bitte nicht falsch: Ich nehme selber freiwillig alles an Impfung mit, was ich bekommen kann, aber das ist eine bewusste persönliche Entscheidung.
Ich will Dir auch nicht unterstellen, dass Du in Sachen Corona Extrempositionen bezogen hast. Aber die hier von mir genannten bzw. begründeten grundsätzlichen Bedenken teilst Du offenbar nicht.
Und losgelöst davon, dass ich mich so verhalte, wie unser Corona-„Extremist“ Marc (sorry, Marc) das gerne von allen hätte, beurteile ich die Situation doch so, wie z.B. Stefan Pietsch oder Thorsten Haupts das tun. Es muss einen Nachweis des grundlegenden Nutzens FÜR ALLE geben, und einen Nachweis des Schadens FÜR ALLE, damit ich einschränken kann. Je weniger dieser Nachweis erbracht werden kann, umso geringer sind die duldbaren Einschränkungen.
Und nochmal: Es ist meine freie Entscheidung, wie ich mich verhalte. Sollte für andere auch gelten, wenn die Entscheidung anders ausfällt.
Deswegen kam es ja auch nicht zur Impfpflicht (unter anderem).
Nicht in einer Pandemie …
Die Frage ist, wo eine Pandemie beginnt und wo sie endet. Präziser – ab welcher Zahl von jährlich Erkrankten und Toten akzeptiert eine Gesellschaft das damit verbundene Risiko als normal (wie z.B. bei der Grippe) und somit wird die Krankheit endemisch und Alltagsrisiko.
Im Kern streiten praktisch alle in Deutschland seit 2020 nur genau darum, weswegen mir alle moralischen Überhöhungen dieser Krankheitskrise echt auf die Nerven gingen und gehen.
Es geht und ging nur damit nicht um (absoluten) Lebensschutz – diese dreiste Lüge vieler Pandemieverlängerungsanhänger treibt nicht nur mich auf die Barrikaden.
Gruss,
Thorsten Haupts
Genau mein Punkt.
Das Gegenteil behauptet sich immer sehr leicht, wenn man nicht betroffen ist. Dulce et decorum est per patria mori, vor allem wenn andere per patria mori.
„Diese extremen Maßnahmen dienten dem Ziel, das Virus auszurotten.“
Daß das Unsinn ist, weißt du selbst.
Das ist das Ziel jeder NoCovid-Strategie.
Quatsch!
Die Strategie von Australien und Neuseelnad war, das Virus aus dem Land zu halten, bis die bevölkerung durchgeimpft ist – und das hat, begünstigt durch die Insellage, auch geklappt.
Man vergleiche das mit Großbritannien, ebenfalls eine Insel, wo eine Covid-Strategie ganz nach deinem Herzen verfolgt wurde. Dort gab es 172.000 Coronatote – bei einer geringeren Bevölkerungszahl also mehr als in Deutschland (133.000).
Das ist das Gleiche, nur euphemistischer formuliert.
Du bist also tatsächlich der Meinung, die Strategie im UK sei besser gewesen als die in Australien, obwohl (oder weil?) die Zahl der Toten pro Einwohner dort zehnmal so hoch war?
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass in einer solchen Lage der Staat abwägen muss. Und die Abwägung kann nicht einseitig sein, schon gar nicht über einen längeren Zeitraum. Zur unmittelbaren Gefahrenabwehr ist der Schutz des Lebens durchaus in den Mittelpunkt zu stellen. Aber 2021 war keine Notsitutation mehr. Weder in Deutschland und auch nicht andernorts.
Wenn das Ziel des Staates sein soll, Tote um jeden Preis zu verhindern, darf er keinen Autoverkehr, kein Fliegen, keine gefährlichen Tätigkeiten zulassen. So ist es offensichtlich nicht, denn sonst sähe es bei uns so aus wie aktuell in Shanghai. Und das können auch Sie nicht wollen.
„Ich habe gesagt, dass in einer solchen Lage der Staat abwägen muss.“
Das wurde in Australien und Neuseeland getan. Und da es sich um rechtsstaatliche Demokratien handelt, kann dort jeder, der mit der Politik nicht einverstanden ist, die Gerichte anrufen oder bei der nächsten Wahl für Maßnahmengegner stimmen.
Da aber die Maßnahmen den gewünschten Erfolg hatten, dürften solche Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sein.
„Wenn das Ziel des Staates sein soll, Tote um jeden Preis zu verhindern…“
Was ist das da in der Ferne? Offenbar der Torpfosten, den du verschoben hast…
Gerichte und Demokratie sind immer nur solange toll, wie sie die eigenen Präferenzen bestätigen.
2) Wenn du dich fragst, warum der siebthöchste Rüstungsetat weltweit nicht ausreicht für ein Land, das im Frieden mit allen Nachbarn steht, dann lohnt es sich vielleicht mal, bei der Buchhaltung nachzufragen: https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/themen/sicherheit/bundesweh
5) Mal unabhängig davon, welche Gründe Meryat nur vorschiebt und welche real sind (immerhin spricht er von Schulbibliotheken), in einem hat er recht : Bücher, die nur für eine gesellschaftliche Agenda geschrieben werden, sind todlangweilig. Denke nur an die Problembücher zum Thema Drogen.
6) Auch wenn er sich um 70 Jahre und deshalb ca. den Faktor 3 vertut, Lemmy Caution hat in einem einen Punkt: Der Verkauf Alaskas war ein Geschäft zwischen zwei imperialistischen Mächten über den Kopf der Bevölkerung des Landes. Deshalb muss er als nichtig angesehen werden und somit eine Restitution des Landes an die Athabasken, Tlingit, Yupik, Inupiat und Aleuten stattfinden. Vorbild könnte der grönländische Selvstyre-Prozess sein und das Ziel ein unabhängiger Staat.
7) Die Crux ist, dass das Behindern eines Betriebsrats ein Antragsdelikt ist ( § 119 Abs. 2 BetrVerfG), bei dem Anzeigeberechtigt nur der betroffenen Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft ist. Die zweite Crux ist, dass sich eine organisierte Behinderung imer schwer nachweisen lässt, was eine Sttatsanwaltschaft abschreckt (Wer steckt schon viel Zeit und Energie in eine Klage, die ohne Beweis im Sand verläuft)
9 ) Geht es wirklich um ‚Rule of Law‘, wenn ausländische Personen bestraft werden, um politische Ziele zu erreichen. Im Rechtsstaat gibt es entweder auch ohne die ‚Feindstaatsituation‘ einen Grund, Vermögen einzuziehen (dann sollte die Nationalität aber auch keine Rolle spielen) oder es gibt keinen (dann handelt es sich um Piraterie).
10) Du unterschätzt in meinen Augen, dass Notengebung ein Verwaltungsakt ist. Wie oben sollten da Formulierungen wie ‚unerwünscht‘ keine Rolle spielen, sondern transparent unterschieden werden zwischen zulässig und nicht zulässig. Und wie bei Fundstück 4) ist ein Flickenteppich, wo jede Hochschule und jeder Dozent selbst über gut und schlecht unterscheidet, der Transparenz nicht zuträglich.
j) kleine Provokation: Adenauer hat damals heimlich seine Konkurrenten vom Geheimdienst beobachten lassen. Heute machen CDU und SPD das offen und geben den Konkurrenten auch noch die Schuld dafür.
k) Da hatte ich mich gefreut, dass du dich mit der (nicht weniger mit Nationalmythen belasteten) ersten Schlacht von Tannenberg im 15 Jahrhundert beschäftigst – aber dann kam doch wieder nur das 20. Jahrhundert heraus.
„Adenauer hat damals heimlich seine Konkurrenten vom Geheimdienst beobachten lassen. Heute machen CDU und SPD das offen und geben den Konkurrenten auch noch die Schuld dafür.“
Da erwidere ich mit einer anderen Provokation:
Adenauer hat für die Beobachtung die Nazis Golbke und Gehlen eingesetzt. Heute sind es die Nazis, die im Visier des Geheimdienstes stehen.
Nice one.
ok, damit der Godwin-Punkt nicht an dich geht, muss ich aufdoppeln: In der Nachkriegszeit gab es fast keine Nazis, auf die Adenauer zugreifen hätte können. Heute gibt es fast nichts anderes: Die einen sind für schärfere Coronamaßnahmen, die anderen für deren komplette Abschaffung, die einen für die Ukraine, die anderen für Russland, etc.. . Nur der Verfassungsschutz ist komplett frei davon – sagt der Verfassungsschutz.
Heute sind es die Nazis, die im Visier des Geheimdienstes stehen.
Die 5, die noch nicht verstorben sind? Das ist aber ziemliche Mittelvergeudung.
5) Grauenhaft. Generell sind die „Problembücher“ furchtbar. Aber deswegen verbieten wir sie nicht.
6) Und wo wir dabei sind sollten wir auch gleich Florida an die Seminolen zurückgeben.
7) Exakt. Und genau da muss Hilfe ansetzen.
9) Nein, darum geht es nicht. Die Argumentation bezieht sich ja auf Russland selbst! Milanovic sagt, dass die Oligarchen ein Interesse daran haben sollten, dass RUSSLAND eine rule of law bekommt, damit ihr Vermögen dort sicher ist und sie nicht auf das Ausland ausweichen müssen.
10) Ich halte Transparenz in der Notengebung für unerreichbar. War es noch nie, wird es nie sein. Man kann sich der Illusion hingeben, indem man das bis ins kleinste Detail regelt (was das Abi ja versucht), aber das Ergebnis bleibt ebenso intransparent wie ungerecht. Noten müssen weg.
j) Nur Provokation, ja. Das ist nicht auch nur entfernt vergleichbar.
k) Die erste Schlacht von Tannenberg mag 1914 noch identitätsstiftend gewesen sein, aber heute kennt das keine Sau mehr 😀 Es wird dich aber freuen zu hören, dass die „Ostkolonisation“ der Deutschritter und Konsorten gerade ein Mini-Comeback in den Bildungsplänen feiert.
Und wo wir dabei sind sollten wir auch gleich Florida an die Seminolen zurückgeben.
Don´t get me started :-).
6) Die Seminolen sind ein interessantes Beispiel: Die sind nämlich auch ‚gemischte‘ Zuwanderer (Muskogee, Yamasee, Cree) , die erst im Laufe des 18. Jahrhunderts nach Florida kamen und dort eine neue Identität bekommen haben.
9) Dann hat Russland ‚Rule of Law‘, wir aber nicht. Gutes Tauschgeschäft ?
k) In Polen war es zumindest 2010 (Da hatte ich davon so ‚richtig‘ mitbekommen) eine große Sache. Und natürlich muss das Thema ‚mittelalterliche Ostkolonisation‘ in den Geschichtsunterricht. Bild wird bald Wehrbauern zum Wiederaufbau/Verteidigung der Ukraine anwerben.
6) Spannend. Wusste ich nicht. Dann geben wir halt Texas an die Apachen. 🙂
9) Wir hätten sie immer noch. Wenn die Oligarchenenteignungen diesen Effekt hätten, wäre das ein gutes Tauschgeschäft.
k) Dass es für Polen relevant ist, glaube ich sofort.
Und natürlich muss das Thema ‚mittelalterliche Ostkolonisation‘ in den Geschichtsunterricht.
Muss, so so. Warum?
Deshalb muss er als nichtig angesehen werden und somit eine Restitution des Landes an die Athabasken, Tlingit, Yupik, Inupiat und Aleuten stattfinden.
Pruuuust. Mal abgesehen davon, dass mir kein derartiges Interesse der genannten Völker zu Ohren gekommen ist – nach den im Absatz genannten Masstäben (so nichtironisch gemeint) müsste man so ungefähr 3/4 der Weltgeschichte der letzten 200 Jahre „abwickeln“. „Historische“ Ansprüche auf Land sind so was von albern.
Gruss,
Thorsten Haupts
Sehen Sie, genau darauf wollte ich hinaus: Wir wundern uns über das toxische Erbe, dass der Zerfall des Sowjetimperiums hinterlassen hat, so dass Leute sogar noch auf den Romanov-Imperialismus des 19.Jahrhunderts zurückgreifen. Aber die Restbestände ‚unserer‘ Imperialismen sind so tief im ‚gewohnheitsrechtlichen‘ Denken verankert, dass es komplett undenkbar erscheint, diese aufzugeben.
Aber die Restbestände ‚unserer‘ Imperialismen sind so tief im ‚gewohnheitsrechtlichen‘ Denken verankert
Kann den Gedankengang nicht mal ansatzweise nachvollziehen. Der Neo-Imperialismus Russlands beruht auf Russlands erfolgreichen, heute müsste man sagen: kolonialistischen, Eroberungen zwischen 1600 und 1900 und ist abgrundtief albern.
Die Restbestände westlichen Imperialismus (Alaska ist einer der wenigen verbliebenen, Hawai oder Französisch-Guayana) wollten sich bisher nicht von ihren „Imperien“ trennen und britische oder französische Stimmen, die die Widerherstellung ihrer Kolonialimperien fordern, wären mir neu.
Wo soll da der innere Zusammenhang sein?
Gruss,
Thorsten Haupts
2) „Deutschland war nie eine pazifistische Macht“ (Interview mit Jakub Eberle)
Wie in allen komplexen Situationen gibt nicht nur einen Grund. Teils hat man die Aufgaben umdefiniert und die alten Fähigkeiten verkümmern lassen, ohne die neuen zu Ende zu entwickeln. Die Beschaffungs-Bürokratie ist nicht effizient genug. Man aus Gründen der Sparsamkeit bei der Anschaffung auf den gleichzeitigen Kauf von Ersatzteilen verzichtet. Man hat aus Gründen der politischen Bequemlichkeit darauf verzichtet, veraltete Waffensysteme durch moderne zu ersetzen. Strategien haben sich geändert (Drohnen statt Flugzeuge, z.B.). Man hat die Wehrpflicht abgeschafft. Regierungsmitglieder äußern sich desinteressiert, herablassend, respektlos oder beleidigend über die Bundeswehr. Man hat die Notwendigkeit der Wehrfähigkeit nicht mehr für erforderlich gehalten. Man hatte andere Sorgen. Man hat andere Schwerpunkte gesetzt. All das wirkt über fast zwei Jahrzehnte zusammen.
In der Tat vergleichbar mit dem Vergammeln lassen der Infrastruktur. Dort hat man zwar vor knapp 10 Jahren eine Trendwende eingeleitet und die Reparaturmaßnahmen deutlich hochgefahren. Es reicht aber dennoch nicht aus, um den Zustand etwa bei den Brücken zu erhalten. Rein vom Arbeitsaufkommen sind wir vielleicht in 50, vielleicht sogar erst in 100 Jahren auf einem modernen Stand, denn es gehen die Fachkräfte aus, während die Aufgaben und die Herausforderungen für die Bauindustrie steigen (sozialer Wohnungsbau, Barrierefreiheit für öffentlichen Gebäude, Energiewende, Baustoff- und Energieknappheit etc.).
3) How Germany Became Putin’s Enabler
Relevant ist das alles aber, wo es um die Reputation Deutschlands geht. Krugmans Verweis hier zeigt, dass sich die deutsche Selbstgefälligkeit hier in einer Blase bewegt. … Zusammen mit der in der Öffentlichkeitswirkung verheerenden Zauderei und Blockiererei Scholz‘ zerstört das gerade massiv das politische und moralische Kapital, das wir uns mit Vergangenheitsbewältigung und soft power jemals aufgebaut haben.
Über den Einsatz von Geld hinaus haben wir so viel politisches Kapital nicht angehäuft, moralisches gleich zweimal nicht. Das kommt den meisten von uns in unserer Selbstbeweihräucherung bzw. im direkten Vergleich mit dem Dritten Reich nur so vor.
5) Why Texas Parents Want to ‘Ban Books’
Wie oft haben Leute sich entrüstet als „gecancelt“ betrachtet, nur weil sie kritisiert wurden?
Da macht natürlich auch der Ton die Musik. Wer eine konservative Meinung äußert und als weißer, alter Mann, als Nazi oder einem anderen Ad-Hominem-Angriff abge„cancelt“ wird, reagiert anders, als wenn die eigentliche Aussage kritisiert und diskutiert wird. Gilt natürlich in die andere Richtung genauso: Wenn die zur Grünen-Parteichefin gewählte Ricarda Lang aufgrund ihrer nur 28 Lenze für zu jung und unerfahren angesehen wird, kann mit 29 Jahren zum CDU-Landeschef gewählte Philipp Amthor nicht als Beleg für eine Partei herhalten, die dankenswerterweise der Jugend eine Chance gibt.
7) Aldi-Süd: Betriebsratsgründung endet mit Tumult und Polizeieinsatz
Arbeitgebende in Deutschland brechen geradezu gewohnheitsmäßig das Arbeitsrecht, …
Das ist wieder einer Deiner Klopper-Sätze, die mich fassungslos zurücklassen. Ohne Aldi an dieser Stelle in die Karten spielen zu wollen – Arbeitnehmende auch.
10) «Das generische Maskulinum ist explizit nicht erwünscht»: An Zürcher Hochschulen drohen Punkteabzüge, wenn keine gendergerechte Sprache verwendet wird
Obwohl wir mittlerweile seit Jahren davon hören, dass an den Unis dazu gezwungen wird, zu gendern, gibt es immer noch kein einziges Beispiel, wo das tatsächlich vorgeschrieben wird.
Was immer Du unter „tatsächlich vorgeschrieben“ verstehen magst …
Wer es nicht korrekt macht, wird abgestraft. Der Link unter führt zu einem Artikel von 2015 …
https://www.news4teachers.de/2015/07/an-den-hochschulen-herrscht-anpassungsdruck-wer-nicht-gendert-bekommt-punktabzug/
g) Gute Einordnung zur Drohnenbewaffnung der Bundeswehr.
Ja. Warum sollte da auch noch einer den Mund aufmachen wollen?
l) Bis zu 70% der Energiekosten der energieintensivsten Branchen sollen nach dem durchschlagenden Lobby-Erfolg derselben vom Staat übernommen werden und nein, die CO2-Steuer wird nicht funktionieren, genau aus dem Grund.
Von „progressiver“ Seite wird so gerne Europa hochgehalten, aber dann wird doch wieder nur für Deutschland gehandelt. Der Ziegel- oder Zement-Hersteller in Deutschland wird über die hohen Energiepreise zu Tode gewürgt; zehn Kilometer weiter, hinter der holländischen, belgischen oder französischen Grenze, passiert das nicht. Natürlich ruft man da nach dem Staat. Natürlich wird die CO2-Steuer so nicht funktionieren.
2) Die Wehrpflicht sehe ich nicht. Die hat außer uns schon ewig keine große westliche Macht mehr, da waren wir totale Außenseiter damit. Und ich weiß, dass zu meiner Zeit, als es die Wehrpflicht noch gab, große Einigkeit darüber herrschte, wie nutzlos sie für die Bundeswehr war.
3) Na, das stimmt so nicht. Aber das geht über die Kommentare weit hinaus.
5) Klar, der Ton macht die Musik schon. Aber man sollte auch erwarten können, dass intelligente Beobachtende von außen einen Schritt zurückgehen können. Und erkennen, dass Leute, die über keinerlei Macht verfügen, offensichtlich wesentlich weniger gefährlich sind als solche, die alle Hebel in der Hand halten. Ansonsten Zustimmung.
7) Oh, mit Sicherheit. Aber das kann ja nicht der Grund dafür sein, nichts zu tun.
10) Es ist dieselbe Story, die ganze Zeit. Und jedes Mal sind es Gerüchte oder einzelne Professor*innen. Es gibt keine Uni, die das vorgeschrieben hat.
l) Ja, nicht so clever.
@ Stefan Sasse 21. April 2022, 08:20
2) „Deutschland war nie eine pazifistische Macht“ (Interview mit Jakub Eberle)
Die Wehrpflicht sehe ich nicht.
Meinerseits unscharf formuliert, sorry.
Wenn die Wehrpflicht nur noch bei uns galt – why not, wir sind ein Land mit besonderer Geschichte. Wir können nicht wie die USA, England oder Frankreich den patriotischen Hammer rausholen, auf die Erfolge und die Historie einer Grande Armee o.ä. verweisen. Wir mussten die Soldaten überzeugen. Dazu diente die Wehrpflicht. Jeder musste hin und sich den Laden anschauen, einige blieben hängen.
Was nun, wenn man auf der einen Seite die Wehrpflicht abschafft, und
sich von staatlichen und medialen Seiten immer mehr von der Bundeswehr „distanziert“, um es mal höflich auszudrücken? Wenn die Leute, die dort hingehen, indirekt als Idioten abgestempelt werden?
Das Gleiche hast Du bei der Polizei.
Ich hatte zwar beide Punkte erwähnt, aber natürlich wirken die zusammen. Du brauchst einen Grund, zur Bundeswehr zu gehen. Wenn man das Selbstwertgefühl nimmt, die Möglichkeit der Erfahrung nimmt, braucht man sich doch nicht wundern, wenn der Anteil Derjenigen, die man dort eigentlich nicht haben will, zunimmt, oder?
Und ich weiß, dass zu meiner Zeit, als es die Wehrpflicht noch gab, große Einigkeit darüber herrschte, wie nutzlos sie für die Bundeswehr war.
Wen immer Du damals gefragt hast …
Vermutlich meinten diese „Spezialisten“, dass sie die gleiche Bundeswehr nur ohne die Plackerei mit den W15ern haben könnten. Konnten sie natürlich nicht. Die Bundeswehr ist seitdem nicht leistungsfähiger geworden
Mein Wunsch ist immer noch „Ein Jahr für den Staat“ – ob Polizei, Technisches Hilfswerk, Bundeswehr, Pflege, Flüchtlingsbetreuung; könnte als Praktikum fürs Studium angerechnet werden.
3) How Germany Became Putin’s Enabler
Na, das stimmt so nicht. Aber das geht über die Kommentare weit hinaus.
Na, das ist so aber auch nicht falsch. Du musst aus dem Ausland schauen. Stets viel Respekt vor der wirtschaftlichen Leistung, aber oft genug tippt man sich mit dem Zeigefinger vor die Stirn.
7) Aldi-Süd: Betriebsratsgründung endet mit Tumult und Polizeieinsatz
Oh, mit Sicherheit. Aber das kann ja nicht der Grund dafür sein, nichts zu tun.
Ich sagte doch, dass ich Aldi an dieser Stelle nicht in die Karten spielen will. Es ging nur um die Absolutheit Deiner Aussage.
Abgesehen davon: Wenn Du die Arbeitsverhältnisse hier mit denen in anderen Ländern vergleichst, siehst Du, wie weit wir gekommen sind. Ansonsten ist Betriebsrat ein grundsätzliches Recht, auch für Aldi.
10) «Das generische Maskulinum ist explizit nicht erwünscht»: An Zürcher Hochschulen drohen Punkteabzüge, wenn keine gendergerechte Sprache verwendet wird
Es ist dieselbe Story, die ganze Zeit. Und jedes Mal sind es Gerüchte oder einzelne Professor*innen. Es gibt keine Uni, die das vorgeschrieben hat.
Es passiert halt, ständig, großflächig.
Es steht auch in keinem amerikanischen Gesetz, dass die Polizei bevorzugt Schwarze erschießen soll. Passiert auch.
2) Das verstehe ich völlig und teile ich als Forderung. Deswegen hab ich mich dieser Kritik etwa am Bahnfahren in Uniform, Jugendoffizieren oder der Plakatwerbung und YouTube-Serien nie angeschlossen.
3) Das liegt ja aber auch daran, dass ansonsten nur Blödsinn kommt. Ariane und ich diskutieren diesen Mangel an strategischem Denken und Geopolitik ja auch im aktuellen Podcast.
7) Alles richtig, keine Frage. Aber es ist Fakt, dass Aldi (und auch Lidl und Co) gewohnheitsmäßig geltendes Recht brechen und dafür praktisch nicht sanktioniert werden. Das kann man natürlich aus politischen Gründen gutheißen oder akzeptabel finden, aber dann soll man bitte auch nicht mit der Moralkeule kommen, wenn mal wieder irgendwelche grünen Spinner*innen auf der Autobahn oder dem Baum sitzen.
10) Point taken, treffender Vergleich. Mein Hauptpunkt bleibt aber: die Gegner*innen der geschlechtergerechten Sprache sitzen an tatsächlichen Machthebeln und nutzen sie für Sprachverbote. Die Befürworter*innen bislang nicht.
„….von der Bundeswehr „distanziert“.
Das ist ganz erheblich der militaristischen Geschichte Deutschlands geschuldet: „Befehl ist Befehl“.
An meinem Beispiel: Mein Verhältnis zur Bundeswehr hat sich geändert, als ich mit meinem Klassen das Verteidigungsministerium besucht habe (damals noch Hardthöhe). Die Jugendoffiziere, kluge und reflektierte Leute, haben mich (und die Schüler) beeindruckt.
@ CitizenK 22. April 2022, 14:50
[„….von der Bundeswehr „distanziert“.]
Das ist ganz erheblich der militaristischen Geschichte Deutschlands geschuldet: „Befehl ist Befehl“.
Ich glaube, eher nicht. Ist (nur mein Eindruck) eher so ein „wir waschen unsere Hände in Unschuld“ – als ob das möglich wäre. Man ist kein moralisch besserer Mensch, wenn man den Frieden fordert, ohne sich Gedanken darüber machen zu wollen, wie man ihn erhält und zur Not auch gegen einen Angreifer erzwingt; man ist dann einfach nur feige.
Hier klammert sich immer an den Frieden (als käme der nur dadurch zustande, dass man nichts tut) und vergisst die Freiheit. Den Unterschied kann man in Hongkong sehen.
Stimmt schon. Nur, woher kommt das?
@ Stefan Sasse 22. April 2022, 17:05
2) „Deutschland war nie eine pazifistische Macht“ (Interview mit Jakub Eberle)
Stimmt schon. Nur, woher kommt das?
Um es (nur aus Provokation) mit Churchill zu sagen: Die Deutschen hat man an der Kehle, oder sie liegen einem zu Füßen.
Mir ist klar, wie blöd solche Verallgemeinerungen sind, ich hasse das selbst. Aber ich kenne nur wenige Deutsche, die aus sich heraus gelassen und selbstbewusst sind. Die meisten beziehen sich auf etwas, hinter dem sie sich verstecken, oder aus dem heraus sie ihre „Persönlichkeit“ aufladen; das mag Fußball sein, die wirtschaftliche Stärke, Nationalismus, aber auch dieses „schaut, wie friedlich wir geworden sind“. Man macht nicht „sein Ding“, sondern versucht auf die eine oder andere Art, ständig gelobt zu werden.
Kenne ich nicht aus dem angelsächsischen Bereich, kenne ich nicht aus dem romanischen Bereich.
Aber „völkische Psychologie“ ist nicht mein Fachgebiet, ist nur eine vermutlich sehr subjektive Wahrnehmung.
Ich bin auch unsicher, ob das wirklich ein Alleinstellungsmerkmal ist. In Fußballnationalismus stehen die Engländer uns wenig nach…
@Stefan Sasse 24. April 2022, 13:12
Ich bin auch unsicher, ob das wirklich ein Alleinstellungsmerkmal ist. In Fußballnationalismus stehen die Engländer uns wenig nach…
Ich habe mich dann wohl missverständlich ausgedrückt.
Die Deutschen brauchen einen Grund, um stolz auf ihr Land zu sein, sei es Fußball, Atomausstieg, oder was auch immer.
Ein Amerikaner, Kanadier, Australier, Engländer, Franzose, Türke, Spanier, Russe schmeißt sich auch ohne solch einen Vorwand in die Brust; sicherlich, WW2-Folge.
Aber wenn man als Deutscher einen Vorwand hat, schlägt das schnell in Arroganz um: „Wir zeigen der Welt, wie es geht…“, gerne auch an den Realitäten vorbei. Ist stark verallgemeinert, ich weiß …
Wie auch immer: Deswegen denke ich, dass Thorsten Recht hat.
Ah, verstehe. Ja, das mag sein.
Befehl ist Befehl hat gerade in der deutschen armee nie funktioniert. Dieser bequeme Entschuldigungsmythos dient heute nur zur psychischen Entlastung vor dem andernfalls lästigen Bequemlichkeitspazifismus.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zu 2):
Dr Nutzen von Wehrpflicht ist keine Funktion der Zeit :-). Sondern der Strategie, unter der das Militär eingesetzt werden soll. Und da hat der Fokus Deutschlands in den letzten 25 Jahren statt auf Landes- und Bündnisverteidigung (was 1980 eins war) auf Auslandseinsätzen gelegen.
Dass sich einige europäische Nachbarstaaten schon vorher Nicht-Wehrpflicht-Armeen geleistet haben, war überhaupt nur möglich, weil Deutschland als zentraler Frontstaat der NATO gegenüber dem Warschauer Pakt eine zahlenmässig starke Wehrpflichtarmee bereitstellte. Das Verhältnis z.B. der Niederlande oder Belgiens zu Deutschland war zu Zeiten des kalten Krieges dasselbe, wie das von Deutschland zur USA heute – Trittbrettfahrer.
Gruss,
Thorsten Haupts
Spannender Aspekt, danke. Für dich als Experten: gibt es noch die Notwendigkeit dieser manpower-reserve, oder wäre die Wehrpflicht heute vor allem ein Rekrutierungs- und Werbetool?
Hängt davon ab. Wenn man die Notwendigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung langfristig und zu 100% ausschliessen kann, braucht man keine Reserve mehr. Wenn nicht – nun, dann halte ich es mit der Feuerwehr: Ich würde mir auch dann weiterhin eine leisten, wenn sie mal 20 Jahre nicht gebraucht wurde.
Was viele Leute vergessen – die Wehrpflicht erst bei einem drohenden Krieg wieder einzuführen, ist extrem gefährlich. Man braucht Monate einer gründlichen Ausbildung, um aus Zivilisten halbwegs funktionsfähige Soldaten zu machen. Und aus Individuen eine Kampfgemeinschaft. Und einem fehlen in den ersten Monaten bis Jahren eines Krieges die Reserven, um Verluste zu ersetzen.
Die Wehrpflicht ist eine Rückversicherung für eine erfolgreiche Landesverteidigung. Grossbritannien hatte sehr lange Zeit die einzige professionelle Armee Europas – aus dem einzigen Grunde, weil es sich als Insel bei seiner Verteidigung auf die vergleichsweise mannschaftsarme Navy verliess. In der es nach der Dampfmaschinsierung/Motorisierung ohnehin nur noch Jobs für Spezialisten gab.
Ja, ich halte die Abschaffung der Wehrpflicht für einen historischer Kurzsichtigkeit geschuldeten, schweren, Fehler. Eine Verkürzung auf 6 Monate wäre viel besser gewesen – das würde nur das gerade aktive Heer verkleinern, aber nicht die Reserven vernichten. Wir haben JETZT nicht nur kaum Material (kann man kurzfristig beheben), sondern auch 0 Reserven – brrrr. Kann sich Deutschland überhaupt nur öberflächlich leisten weil es die Lage als potentieller Frontstaat an andere abgegeben hat.
Gruss,
Thorsten Haupts
Würden Sie bei einer eventuellen Wiedereinführung dann auch die jungen Frauen zur Grundausbildung verpflichten? Ein paar wenige Staaten halten das ja so.
Viele Grüße,
pannaKraweel
Ja, würde ich. Gleichberechtigung gilt in beide Richtungen.
Ja, wenn man es ernst meinte, würde ich das vermutlich ähnlich sehen.
Allerdings bin ich aus dem potentiell pflichtigen Alter heraus und habe gut reden.
Wenn die Zeit nicht zu lange geht und das Abitur nach 12 Jahren bleibt, frisst das auch nicht zu viel „gebährfähige“ Zeit (ja, das wäre für mich durchaus ein Punkt, aber ich müsste erstmal länger darüber nachdenken – so ganz gleich sind wir nun auch wieder nicht, nicht körperlich und auch nicht in der Lebensplanung). Dazu vermutlich positiv ein angenommener integrierender Nebeneffekt (unterschiedliche Hintergründe und Schichten machen mal was zusammen).
Für mich individuell wäre es vermutlich unerfreulich geworden – ich bin wirklich unsportlich (Tanzen geht), eher furchtsam, schwafele gerne herum und verabscheue Gruppenaktivitäten sowie Zelten aus tiefster Seele :-).
Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass eine erneute Wehrpflicht politisch umgesetzt würde – zu viele Verärgerte und kosten würde es auch noch was. Die Gefahr scheint nicht akut genug.
Das durchschnittliche Alter des 1. Kindes liegt bei mittlerweile etwas über 31; ich glaube, diese Sorgen aus der nationalistischen Mottenkiste kann man für die Diskussion einer Dienstpflicht getrost beiseite schieben.
Naja, Mottenkiste – ich dachte dabei weniger an die Wiegenauffüllung der Nation als an die individuelle Lebensplanung, die für nicht wenige – mein Eindruck – schon jetzt recht knapp ist. Ist natürlich nicht der Hauptgrund für die gegenwärtigen Geburtenrate, aber völlig vernachlässigen würde ich das auch nicht.
Ja, mein Punkt ist der: Auf die Geburten dürfte das praktisch null Einfluss haben. Mit 18 kriegt heute eh fast niemand mehr Kinder.
Ich sehe keine Rückkehr einer Männer-Dienst-/Wehrpflicht. Wenn, dann für beide Geschlechter.
Aber wie machen das dann andere Staaten, die auch und schon viel länger keine Wehrpflicht haben? Das ist das, was mir unklar ist.
Genauer hinsehen bitte. Die sind entweder keine Frontstaaten (mehr), haben also keine potentiellen Feinde an ihren Grenzen. Oder deren professionelle Armee ist gross und ihre Militärtradition erlaubt eine freiwillige (!) Reserve (USA mit der Nationalgarde).
Der einzige mir bekannte Frontstaat in der entwickelten Welt ohne Wehrpflicht (Inselstaaten ausgenommen) ist ausgerechnet Polen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Deswegen frage ich, ich hab keine Ahnung wie Frankreich und GB das handhaben. Nationalgarden haben die ja nicht, das ist ein amerikanisches Ding.
Frankreich hat eine Wehrpflicht, sie ist nur temporär ausgesetzt.
Das gilt für Deutschland ja analog.
Und da ich das vergessen habe – jeder entwickelte Staat in Europa, der keine Wehrpflicht mehr, aber weiterhin potentielle Feinde hat, die sein Territorium erreichen könnten, macht(e) einen schweren Fehler.
Aber wir sind doch kein Frontstaat…?
@ Stefan Sasse 22. April 2022, 14:09
Aber wir sind doch kein Frontstaat…?
Ich verstehe schon, warum Lettland, Estland, Litauen und Rumänien scharf darauf sind, dass wir die Ukraine unterstützen.
Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich das, was heute geschieht, schon 2014 wahrgenommen habe. Ich dachte bis etwa 2019, dass mit der Krim bzw. dem Flottenstützpunkt Sewastopol der Kittel geflickt sei.
Aber nachdem, was der russische Präsident in seiner unergründlichen Weisheit so raushaut, ist nichts mehr klar, nichts mehr beschränkt, muss man mit allem rechnen.
Ja, da bin ich völlig bei dir. Ich verstehe nur nicht, warum Deutschland die Wehrpflicht brauchen soll, um eine Reserve als Frontstaat zu haben, wenn es keiner mehr ist. Also mir leuchtet einfach nur die Argumentation nicht ein. Die Notwendigkeit, sich zu verteidigen zu können – ohne Weiteres.
Haben wir deshalb keine potentiellen Gegner mehr, die unser Terrirorium bedrohen könnten?
Doch klar, aber die müssen zuerst durch andere Staaten durch. Erneut, das gilt ja auch für Frankreich oder Belgien oder was auch immer.
@ Stefan Sasse 22. April 2022, 17:07
Doch klar, aber die müssen zuerst durch andere Staaten durch. Erneut, das gilt ja auch für Frankreich oder Belgien oder was auch immer.
NATO? Beistandspakt?
Wenn die Russen in Polen oder Lettland einmarschieren, sind wir doch genauso gefragt …?
Genau, aber das ist ja gerade mein Punkt: das gilt ja auch für Frankreich oder Spanien! Warum also brauchen die keine Wehrpflicht, um die Bündnisverteidigung zu gewährleisten, aber wir schon, die wir auch keine Grenze zu Russland haben? Mir ist einfach die Logik unklar.
Was die NATO-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa angeht, ist das ja schon interessant: Auch in Rumänien und Bulgarien gibt es seit über 10 Jahren keine Wehrpflicht mehr; in Ungarn sogar noch etwas länger. Verblüffenderweise ist es auch in Lettland – anders als in Estland und Litauen – so (Quelle: CIA World Factbook).
Es geht dabei nicht nur um Polen: Rumänien, Bulgarien und Lettland(!) haben seit über 10 Jahren keine Wehrpflicht mehr. Ungarn, Tschechien, die Slovakei und Ungarn sogar noch länger. (Quelle: CIA World Factbook)
@ Thorsten Haupts 21. April 2022, 15:37
Volle Zustimmung.
Danke
„… auf dem Boden des Grundgesetzes….“ steht, wer Diktatoren, Mafiosi, Betrüger, Drogenbarone unbehelligt ihren Raub bei uns bunkern lässt?
Nicht jeder, der ein Nummerkonto hat oder sein Geldvermögen außerhalb Deutschlands bunkert, ist ein Diktator, Mafiosi, Betrüger, Drogenbaron. Sogar die wenigsten. Könnte man auch sagen, jeder Hartz-IV-Empfänger ist ein Betrüger, Scharlatan, Arbeitsscheuer. Zumindest bis zum Beweis des Gegenteils.
Das Grundgesetz setzt die Bürger nicht unter Generalverdacht. Das machen nur politisch Interessierte mit einem bestimmten Gedankengut.
Ich mag, wie du andere Positionen als undemokratisch und extremistisch diffamierst.
Ich mag es überhaupt nicht, wie der Kerngedanke des Grundgesetzes von Linken immer wieder in das Gegenteil verkehrt wird. Selbst wer nichts vom Grundgesetz weiß, müsste eins verinnerlicht haben: Individuum vor Gemeinschaft.
Ist eigentlich nicht schwer, für manche aber doch. Vor wenigen Wochen gab es hier ja welche – ich nenne aus Schutzgründen keine Namen – die für eine allgemeine Impfpflicht eintraten. Wohlgemerkt, nicht zum Eigenschutz, sondern damit die Gemeinschaft vor solche ungeimpften Subjekten geschützt würde. Gibt es zwar sonst in keiner Demokratie, aber wir Deutschen waren ja immer schon etwas Besonderes. Und damit man nicht so völlig allein stand, versteiften sich diese Befürworter auf zwei Linien: wer sich nicht impfen lassen wolle, sei ein Egoist (weil er auf seine Grundrechte beharrt) und andere Länder hätten ja auch so etwas vor.
Die gleichen Leute sind allerdings strikt dagegen, songenannte „Gefährder“ in Schutzhaft zu nehmen, obwohl nach Einschätzung des Staates (eigentlich für Linke sehr wichtig) eine große Gefahr ausgeht, dass sie schwere Straftaten verüben. Aber da muss dann doch das Individualrecht mal vorgehen.
Wie schrieb CititzenK?
Es ist dieser verabsolutierte Eigentumsbegriff, der uns in Schwierigkeiten gebracht hat: Geldwäsche, Nichtbesteuerung, Briefkasten- und Tarnfirmen. Aber auf dem Papier ist alles „Eigentum“.
[„… im Zweifel nachweisen können, dass er die Mittel aus legalen Rechtsgeschäften erworben hat.“]
Mehr will ich doch auch nicht. Wer den Rechtsstaat-Gedanken ernst nimmt, muss dann aber auch ernsthaft Geldwäsche unterbinden und das Verstecken auf Nummernkonten in der Karibik oder sonstwo unterbinden.
Verabsolitierter Eigentumsbegriff. Transparenz ist offensichtlich wichtig. Vielleicht ist es sinnvoll, dass Gewerkschaften nur noch gegründet und aktiv sein dürfen, wenn sie sicherstellen, dass von Ihnen keine Rechtsbrüche wie „Warnstreiks“ ausgehen. Bevor eine Frau schwanger werden darf, muss sie einen sogenannten „Mutterschein“ nachweisen, der belegt, dass sie ihren Pflichten nachkommen kann. Absurd? Genau so argumentiert Ihr. Im Namen der guten Sache werden die größten Verbrechen verübt. In Shanghai will man ja schließlich auch nur die Menschen schützen und Transparenz.
Wo steht das eigentlich? Im Grundgesetz? Darf man kein Nummernkonto haben um sich vor gierigen Erbschleichern zu schützen? Oder vor der untreuen Ehefrau? Wieso darf es keine Scheinfirmen geben? In Deutschland gibt es das massenhaft, rechtliche Hüllen, die bestimmten Zwecken dienen. Zwecke, die niemanden etwas angehen. Selbst der Staat, habe ich gehört, richtet ab und zu solche Hüllen ein, manchmal sogar, um seine eigenen Gesetze zu umgehen…
Muss jetzt jeder, der jeden Tag ins Bodybuilding Studio geht, einen Eigentumsnachweis führen? Wenn es nach CitizenK geht, schon.
Der Staat hat vielfältige Möglichkeiten, Straftaten aufzudecken. Es ist gegen die Buchstaben und den Geist des Grundgesetzes, den Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Selbst dann, wenn einem selbst bestimmte Konstellationen obskur erscheinen.
Übrigens: von „undemokratisch“ und „extremistisch“ war hier nicht die Rede. Das scheint Deine Generalnorm zu sein für jede liberale Position, die Dir nicht passt.
Muss
Zunächst haben, wenn es „nach CitizenK geht“, absurde Vergleiche wie „Generalverdacht“, „Mutterschein“ usw. in einer „deliberation“ nichts zu suchen.
Gefragt wären konkrete Vorschläge, wie die von CitizenK benannten Missstände abgestellt werden können.
Wenn Sie in einem Land leben wollen, wo es keine Kriminalität gibt und wo alles entsprechend der Gesetze und Regeln abläuft, empfehle ich Ihnen den Wegzug in ein diktatorisches Land mit vollständigem Überwachungsstaat. Das ist im Augenblick die beste Empfehlung, die ich Ihnen an dieser Stelle geben kann.
„…empfehle ich Ihnen den Wegzug in ein diktatorisches Land mit vollständigem Überwachungsstaat“
„Geh doch nach drüben…?“ Wo es alle diese Missstände nicht nur auch gibt, sondern anders und schlimmer, viel schlimmer?
Für mich kein Grund, nicht hier für Verbesserungen einzutreten. Alles andere wäre für mich eine Bankrotterklärung des demokratischen Rechtsstaates. Diese befremdliche „Empfehlung“ klingt für mich danach.
Das war auch meine Kritik: dieser riesige Prügel des Mit-dem-Grundgesetz-wedeln ist einfach nur ein Debattenbeender.
Ein Debattenkiller ist, wenn sich eine Seite das Recht nimmt, grundsätzlich nicht auf Fragen zu antworten, die die eigene Argumentation aufwirft. Die Frage lautet:
Wir haben zahlreiche Grundrechte, aber nur bei dem Grundrecht auf Eigentum stellen Sie den Bürger unter Generalverdacht, er wolle den Staat betrügen, weshalb er schon im Vorgriff alles offenzulegen habe. Sie sind begründungspflichtig, nicht derjenige, der die Rechte des Bürgers gleichgewichtet behandelt wissen will.
„Geh doch nach drüben…?“
Nein, das ist eben nicht die Formulierung. Sie haben gesagt:
Gefragt wären konkrete Vorschläge, wie die von CitizenK benannten Missstände abgestellt werden können.
Mit den benannten „Missständen“ war die Verhinderung von Straftaten gemeint. Sie verstehen nicht die freiheitliche Grundordnung. In jungen Jahren habe ich über das Wesen des Kontrollsystems in Unternehmen den wichtigen, entscheidenden Grundsatz gelernt:
Je weiter Sie gehen, um Straftaten im Ansatz verhindern zu wollen, desto näher kommen Sie dem diktatorischen Überwachungsstaat. Nehmen Sie dazu das Beispiel der Gefährder: Ein Staat, der einen Bürger bereits deswegen seiner Freiheit beraubt, weil er stark vermutet, er könne Straftaten begehen, ist ein Überwachungsstaat.
Übrigens: formuliere ich wirklich so unklar, dass Sie meine Argumentationen nicht verstehen? Können Sie sie nicht verstehen, wollen Sie sie nicht verstehen oder ist Ihnen einfach egal, was ich schreibe?
Ob die Kriminalität in China oder Russland geringer ist, wissen wir nicht, weil es keine Informationsfreiheit gibt.
Ich bin allerdings der Meinung, dass Kriminalität auch in einem demokratischen Rechtsstaat die Freiheit der Bürger einschränkt. Wer Opfer einer Straftat wird – oder ständig davor Angst haben muss – ist weniger frei. Im Sinne dieser Freiheit bin ich durchaus für ein effektiveres Vorgehen gegen Kriminelle, auch durch anlasslose Kontrollen. Dass Wohnungseinbrüche nicht nur materiellen Schaden anrichten, ist hinlänglich bekannt. Und wenn – wie fast täglich in der Zeitung zu lesen – Baumaschinen und Buntmetalle (Kupferkabel) im großen Stil von offenbar organisierten Banden gestohlen aus Lagerhallen und Baustellen gestohlen werden, ist das für mich auch kein Ausdruck von Freiheit.
Benjamin Franklin
Die Pandemie hat uns den Wahrheitsgehalt dieser Weisheit vor Augen geführt. Je weiter einzelne Länder auf Sicherheit gedrängt haben, desto unfreier wurden sie. Und am Ende hatten sie weder Sicherheit (vor dem Virus) noch Freiheit.
Kriminalität ist eine Frage der Definition. Besonders freie Länder wie die USA und Brasilien haben eine hohe Kriminalität. Sicherheit lässt sich durch die Einschränkung von Freiheit nicht herstellen.
Sie zählen Gewaltdelikte auf, um Kontrollen bei Weißen Hemden zu begründen. Das ist Populismus, aber keine sachgerechte Diskussion. Das Sicherheitsgefühl der Menschen wird nicht durch Nummernkonten und Firmenhüllen eingeschränkt, jedenfalls nicht so wie ein Wohnungseinbruch.
Anlasslose Kontrollen. Das sind Prüfungen und dafür gibt es in einem Rechtsstaat enge Regeln. Regeln, gegen die der Staat selber häufig verstößt. Ansonsten waren es immer Liberale und Linke, die sich gegen anlasslose Kontrollen gewehrt haben. Die Abwehr ist ein Fundament einer freien Gesellschaft. Nun machen Sie sich die Argumentation von Nationalkonservativen zu eigen.
In jedem diktatorischen Land gibt es mehr Kriminalität und weniger verbindliche Gesetze als in Demokratien.
Das Grundgesetz setzt die Bürger nicht unter Generalverdacht. Das machen nur politisch Interessierte mit einem bestimmten Gedankengut.
Das war dein Satz.
Ja und?
Mann kann verfassungswidrige Einstellungen haben und ein Demokrat sein. Auch die Idee, das Grundgesetz wäre in einigen Punkten nicht beachtenswert, macht jemanden nicht automatisch zum Extremisten. Sonst wären ja die meisten Berliner Extremisten und die linken Politiker in Erfurt und Brandenburg ohnehin (Paritätsgesetz).
Ganz klar: wer grundsätzlich die Grundrechte unter einen staatlichen Vorbehalt und den Bürger unter Generalverdacht stellt, steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.
„wer … den Bürger unter Generalverdacht stellt, steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.“
Das geschieht von HartzIV über Wohngeld und BaföG. Die Verfasser und Befürworter dieser Gesetze – alles Verfassungsfeinde?
Es ist halt typisch, dass die Regeln und Prinzipien immer nur gelten, wo sie mit seinen Vorlieben überlappen. Es gibt ja eine gute Argumentation in den von dir genannten Fällen: diese Leute beziehen Leistungen vom Staat, also haben sie eine Offenlegungspflicht. Das sehe ich durchaus auch. Nur, was Stefan nicht sieht, ist: diese Argumentation lässt sich natürlich auch umdrehen und weiter anwenden.
Nur, was Stefan nicht sieht, ist: diese Argumentation lässt sich natürlich auch umdrehen und weiter anwenden.
Lässt sie sich nicht. Nur bei obrigkeitshörigem Denken gegenüber dem Staat.
Ich meine, ich kann deine Position einfach in Bausch und Bogen als „asozial“ brandmarken und es damit getan sein lassen, aber ich bin für etwas differenziertere Debatten.
Ich kann mich erinnern, dass noch vor Wochen Leute, die schlicht auf ihre Grundrechte beharrten – körperliche Unversehrtheit, Versammlungsfreiheit, Mobilität, freie Verfügung über Eigentum – zu gesellschaftsfeindlichen Egoisten erklärt wurden. Ich mein, ich kann mit dem Begriff des Egoisten als Psynonym für Individualist leben. Es fällt halt auf denjenigen zurück, der so beleidigen will.
Ich wiederhole, weil es anscheinend so schwer ist: Das Individuum steht immer über der Gemeinschaft.
Das ist in der Absolutheit einfach falsch.
Nein. Lies vielleicht mal ein Lehrbuch zum Grundgesetz. Am besten ein älteres.
Da zeigt sich Ihr Grundkonflikt mit unserer Rechtsordnung und dem Grundgesetz: Bei HartzIV, Wohngeld und BAföG will der Bürger etwas vom Staat. Genauer: eigentlich will er nicht etwas vom Staat, sondern von seinen Mitbürgern und der Staat tritt als Treuhänder auf.
Ein Arbeitsloser, der keinen eigenen Versicherungsschutz (Arbeitslosengeld) hat, ist bedürftig. Er braucht die Unterstützung der Gemeinschaft, weil er nicht für sich selbst sorgen kann. Wie gehen wir in der Familie mit jemanden um, der keine eigenen Mittel hat um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Wir geben gerne, aber es muss sichergestellt sein, dass der Antragsteller tatsächlich auch bedürftig ist. Wie in der Familie: hat er noch Vermögen oder verschweigt er Einkommen, ist er nicht wirklich bedürftig. Und wer würde da zahlen?
Gehen Sie in eine Partei. Oder in einen (Fußball-) Verein. Oder zu Greenpeace. Äh, nein, woanders hin. Damit diese Organisationen ihre Arbeit erledigen können, benötigen sie von Ihnen Mithilfe. Die Partei bittet Sie um Ihren Beitrag. Dafür gibt es natürlich Regeln. Aber keine FDP (die LINKE wahrscheinlich schon), kein 1. FC Köln, kein Nudistenclub käme auf die Idee, von Ihnen die Offenlegung aller Einkommen und Vermögen zu verlangen um prüfen zu können, ob Sie Ihren Pflichten aus der Satzung nachgekommen sind.
In der Schweiz und anderen Ländern muss der Bürger seine Steuererklärung erst dann machen, wenn sein Einkommen angefallen ist: nach dem Steuerjahr. Er macht das eigenständig und deklaratorisch. Und er überweist den festzusetzenden Steuerbetrag, er wird nicht einfach eingezogen. Der Bürger gibt dem Staat. Nicht der Staat nimmt sich.
Ich fürchte allerdings, den Unterschied verstehen Sie nicht.
„Nicht jeder….“
Behauptet auch keiner.
Aber welche Gründe genau sprechen dafür, dass ein Bürger sein ehrlich erworbenes Vermögen vor den Institutionen des demokratischen Rechtsstaates versteckt?
Wieso vor den Institutionen versteckt?! Erst einmal muss doch nicht der Bürger beweisen, dass der Staat ein Recht hat, über die Vermögensverhältnisse informiert zu werden. Ich verrate Ihnen etwas: hat er nicht. Überrascht? Ich habe Ihnen aus dem Stegreif zwei Gründe genannt, warum Bürger ihre Vermögensverhältnisse nicht offenlegen müssen. Müssen sie übrigens auch im Rahmen unserer Steuergesetze nicht, schließlich besteuern wir nicht allgemein Vermögen, sondern Einkommen. Der Bürger muss also nur sein Einkommen korrekt deklarieren, nicht aber sein Vermögen.
Zum anderen: Ich haue jetzt schon mit dem Holzhammer, aber die Botschaft scheint bei Ihnen nicht anzukommen: Wir haben zahlreiche Grundrechte, aber nur bei dem Grundrecht auf Eigentum stellen Sie den Bürger unter Generalverdacht, er wolle den Staat betrügen, weshalb er schon im Vorgriff alles offenzulegen habe. Sie sind begründungspflichtig, nicht derjenige, der die Rechte des Bürgers gleichgewichtet behandelt wissen will.
Sie werden das nicht begründen können. Denn Ihre Begründung, wie sie auch ausfallen würde, wäre verfassungswidrig. Beschweren Sie sich also nicht, wenn ich Ihnen wiederholt sagen muss: Sie stehen nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.
Dass dieses Recht, Vermögensverhältnisse geheimzuhalten existiert, ist unbenommen. Es ist aber kein Naturgesetz. Ich bin nicht genug Verfassungsexperte um zu wissen, welche Grenzen es da genau gibt, aber der Spielraum ist sicherlich wesentlich größer als der Ist-Zustand – vor allem, was internationale Anlagen angeht.
Dass dieses Recht, Vermögensverhältnisse geheimzuhalten existiert, ist unbenommen.
Genau das ist bestritten worden!
Es ist aber kein Naturgesetz.
Es ist ein Grundrecht. Würde ich so argumentieren, der Anspruch auf Asyl ist kein Naturgesetz, würdest Du mir an die Gurgel gehen.
Ich bin nicht genug Verfassungsexperte um zu wissen, welche Grenzen es da genau gibt
Wieso ist das wichtig?!? Für Dich?!?
Einfache Antwort: Weil Du das tust, was ich klar als Vorwurf formuliert habe: Du stelltst den Bürger unter Generalverdacht, wenn es um Steuerzahlungen geht. Beim Asyl bist Du nicht so.
Gilt ja umgekehrt genauso für dich. Aber: auch das Recht auf Asyl ist kein Naturgesetz. Es ist kodifiziert, und es könnte, so man den Bruch der Menschenrechtscharta nicht scheut, grundsätzlich eingeschränkt werden – und wurde das ja auch schon massiv, was du übrigens befürwortet hast und weiter befürwortest. Denn das Recht auf Asyl gilt ja auch nicht absolut, sondern innerhalb von Grenzen, die sich ändern können und geändert haben. Warum soll also das Grundrecht auf Asyl massiv verändert werden können, das auf Eigentum aber nicht?
und wurde das [Grundrecht auf Asyl] ja auch schon massiv, was du übrigens befürwortet hast und weiter befürwortest.
Nein, wurde es nicht, weil kein Grundrecht in seinem Wesensgehalt eingeschränkt werden kann. Tatsächlich hat der Verfassungsgeber präzisiert:
Artikel 16a (2): Wer von einem Land der Europäischen Gemeinschaft einreist, kann sich nicht auf Asyl berufen, weil sein Anrecht auf Asyl bereits geprüft und im Zweifel gewährt wurde. Wäre das nicht, dürfte – ganz nebenbei – Deutschland nicht Mitglied der EU sein. Aus dem Individualrecht auf Asyl folgt nicht, dass sich ein politisch Verfolgter aussuchen kann, wo er vor Verfolgung geschützt ist. Deutschland ist Teil der Europäischen Union, die sich den gleichen Grundsätzen unterwirft.
Artikel 16a (3): das Gleiche gilt für Drittstaaten, die das Recht auf Asyl achten und in denen der politisch Verfolgte als sicher gelten kann.
Jedes Grundrecht wird durch einfache Gesetze präzisiert. Das ist kein Sonderfall, sondern die Regel. Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob ein einfaches Gesetz dem darüber stehenden Grundrecht widerspricht oder es in seinem Wesensgehalt einschränkt. Das ist auch bei Artikel 16a geschehen. Deswegen finde ich die Präzisierung richtig und erleichtert die Anwendung des Asylrechts.
Weißt Du, ich bin nicht allein wenn ich sage, das Individualrecht auf Asyl lässt sich bei 20 Millionen Flüchtlingen auf der Welt nicht einfach mehr als Staat ausüben. Das sind die faktischen Verhältnisse. Die Bürokratie jedes Rechtsstaates ist heute abseits von klaren Einzelfällen wie Navalny überfordert, den individuellen prüfen und bewerten zu können. Wenn Mohamed aus Kabul behauptet, er würde in seiner Heimat politisch verfolgt lässt sich das nicht ernsthaft prüfen. Es wird aufgrund der Umstände, die nach Ansicht von Behörden in dem Land gelten vermutet oder auch nicht. Das ist aber eben nicht individuell. Und dennoch respektiere ich uneingeschränkt den Individualanspruch auf Asyl, selbst wenn wir hier in fiktionalen Zeiten leben.
Ihr wollt das Grundrecht auf Eigentum in seinem Wesensgehalt einschränken. Das geht nicht.
Asylrecht:
Tatsächlich hat der Verfassungsgeber präzisiert:
Ja. Beides obsolet, da von europäischem Flüchtlingsrecht überformt. Musste ich selber mühsam (via Verfassungsblog) lernen. Einer der Gründe, aus denen ich heute weit europaskeptischer bin, als ich das mal war – deutsches Grundrecht kann von europäischem Recht tatsächlich ohne Zustimmung des deutschen Gesetzgebers ausgehebelt werden. Und ohne dass das in der Öffentlichkeit überhaupt diskutiert wird.
Gruss,
Thorsten Haupts
Korrigiere mich wenn ich falsch liege, aber die EU hält doch kein Mitgliedsland auf, mehr anzubieten als die EU vorgibt, oder?
Genau umgekehrt – das europäische Flüchtlingsrecht ist für Flüchtlinge und Migranten günstiger, als das deutsche Asylrecht im Grundgesetz. Deutlich.
Gruss,
Thorsten Haupts
Mich wunderte nur deine Formulierung von „deutsches Grundrecht eingeschränkt“, weil das deutsche Grundrecht so ja erweitert bzw. übertroffen und nicht eingeschränkt wird. Letzteres kann durch die EU meines Wissens nach nicht passieren.
Überschrieben wäre der bessere Begriff gewesen. Im Ergebnis ausser Kraft gesetzt.
Mag neu für dich sein, aber die von dir so gehassten Corona-Regeln waren auch Präzisierungen. Nur mochtest du die halt nicht, im Gegensatz zu den Asyleinschränkungen.
Nein, waren und sind sie nicht. Es handelt sich dabei um so etwas wie gesetzgeberischen Notstand, denn – zum 294mal, der Gesetzgeber darf nicht aus eigener Machtvollkommenheit die gerade im Grundgesetz gewährten Grundrechte einschränken und schon gar nicht für längere Zeit, also Monate oder Jahre.
Und Du bist zu paschal: Bei Artikel 16a hat der Verfassungsgeber gehandelt, beim Infektionsschutzgesetz ist es der Gesetzgeber. Die Verfassung gibt keine Möglichkeit, das Recht auf Familie (wozu auch Zusammenkünfte zählen) oder Religionsausübung einzuschränken.
Und nochmal: Das Asylrecht ist nicht beschränkt worden. Wer politisch verfolgt ist, bekommt im Rechtsraum, zu dem die Bundesrepublik gehört, Asyl. Genau das sagte der frühere Artikel 16 Grundgesetz. Mögen für Dich juristische Spitzfindigkeiten sein, aber so sind wir im Rechtsstaat.
Gute Frage. Was spricht eigentlich dafür, dass Leute ihre rechtsstaatlichen Privatgespräche nicht aufzeichnen und den Onstitutionen des demokratischen Rechtsstaates zur Verfügung stellen? Ihre täglichen Bewegungen, ihr Sexualleben, ihren total legalrn Konsum? Versteh ich auch nicht!
Gruss,
Thorsten Haupts
Benjamin Franklin in Ehren – aber was heißt das konkret? Letztlich ist es, banal, eine Frage der Relation. Liberale wollen mehr Freiheit, Linke und ja! Konservative mehr Sicherheit. Weil wirkliche Freiheit wirkliche Sicherheit voraussetzt. Auch soziale Sicherheit. Wer arm ist, ist nicht wirklich frei.
Selbst für die großen liberalen Vor-Denker war der Staat dafür da, Leben (dazu gehört auch die Gesundheit) und Eigentum der Bürger zu schützen. Auf der Links-Rechts-Skala bin ich nicht eindimensional unterwegs.
Was das konkret heißt, hat die Pandemie gezeigt. Es sind nicht weniger Menschen gestorben. Und selbst dort, wo es ggf. eine Untersterblichkeit gab, muss man schauen, wie das in einem 5-Jahres-Korridor aussieht. Ganz sicher wurden und werden bis heute Freiheitsrechte abgetreten.
Ansonsten sind wir langsam im Philosophischen. Darum ging es aber nicht. Nummernkonten und rechtliche Hüllen von Firmen sind legal und begründen keinen Generalverdacht nebst genereller Überprüfung. Erst recht gilt das, wenn der Bürger sich mit seinen Gestaltungen innerhalb des rechtlichen Rahmen des Staates bewegt. Hier wird nirgends die Sicherheit von irgendjemanden gefährdet.
Natürlich hat der Bürger Schutzrechte. Das steht doch in keinster Weise in Zweifel. Und ebenso ist völlig unstreitig, dass in einer akuten Notlage der Schutz des Lebens absoluten Vorrang genießt. Aber akut heißt: Jetzt und hier. Akut bedeutet nicht morgen und übermorgen. Wenn der Gefährdungszustand dann noch anhält, ist es keine Notlage mehr, sondern eine Situation, wo neu und umfangreicher abgewogen werden muss.
Wer arm ist, ist nicht wirklich frei.
Ich finde das einen der herablassendsten Sprüche überhaupt. Er ist dazu noch antichristlich. Jesus war in seiner Zeit ein armer Mensch. Und dennoch reich und vor allem: frei. Ich habe mich nie in meinem Leben unfrei gefühlt, seit ich erwachsen bin. Selbst in Zeiten, wo ich wenig Geld hatte.
Freiheit knüpft sich nicht an materiellen Wohlstand. Das unterscheidet freiheitsliebende Liberale von Linken und auch Konservativen.
Die Menschen in Südamerika und Afrika (die Sie sonst gern – und zu Recht – als die wirklich Armen zitieren) sind also Ihrer Meinung nach frei und fühlen sich auch so?
Jedes einzelne Sozialgesetz schafft ein Stück mehr Freiheit für das Individuum. Wir haben sehr viel mehr davon als die Menschen in diesen Ländern.
Ich will mehr von dieser Form von Freiheit, Sie wollen mehr für die, die schon viel davon haben.
Ich kenne Afrika nicht. Aber ich weiß, dass Ihr Begriff von Freiheit durch Sozialgesetze kontinentaleuropäisch-links pervertiert ist. Und Südamerika ist nicht Südamerika.
Die Brasilianer sind besonders lebensfroh. Die Lebenszufriedenheit in Uruguay ist höher als in den meisten europäischen Ländern.
Vor allem interpretieren Sie Freiheit gemeinschafts- und gesellschaftsbezogen, was ebenfalls pervertiert ist. Ich kann mit jemanden zusammenleben und mich frei fühlen, während der andere sich als unfrei empfindet – nicht durch mich, sondern die Verhältnisse. An diesem unterschiedlichen Empfinden sind in den letzten zwei Jahren einige Ehen zerbrochen.
Freiheit lässt sich nicht verleihen. Freiheit ist eine individuelle Einstellung. Man kann auch sagen: darin zeigt sich der Charakter eines Menschen.
Pervertiert?
Dank der von euch Freiheitsfreunden verhassten Maßnahmen kam unsere Familie bisher ohne Infektion durch die Pandemie. Seit die Maskenpflicht in der Schule weg ist, nicht mehr. Schule im Notbetrieb, Arztpraxis auch, weil im Team zu viele krank sind.
Geplante Besuche und Reisen für die nächste Zeit perdu.
Was ist jetzt mit unserer individuellen Freiheit?
Ich würde ja in meiner häßlich-niederträchtigen Art sagen: das ist nun mal Ihr allgemeines Lebensrisiko. Nur trifft das hier ja nicht einmal zu und für die Brüche in Ihrer Logikmattscheibe bin ich wahrlich nicht zuständig. 🙂
Mal schauen, ob ich das zusammenbringe – und bitte korrigieren Sie mich:
Das Ansteckungsrisiko einer Virenkrankheit wie Corona steigt mit der Zahl jener, die gerade infiziert sind. Für Covid-19 haben wir da diese Inzidenzwerte entwickelt. In den ersten drei Monaten des Jahres – Maskenpflicht und das ganze Gedöns waren noch in Kraft – stiegen die Werte gravierend an. In der Spitze des ersten Quartals infizierten sich über 300.000 Deutsche täglich mit Corona.
Zwischenfrage: Warum war das eigentlich so? Offenichtlich boten die Maßnahmen keinen Schutz gegen die Omikron-Variante, die hochinfektiös ist.
Seit einem Monat sind die meisten Regeln aufgehoben. Die Propheten sahen für diesen Fall weiter stark steigende Werte (wohin eigentlich? Alle Deutschen infizieren sich innerhalb eines Tages oder was?) voraus. Tatsächlich ist es völlig anders gekommen. Im April gab es weit weniger Neuinfektionen (und Gesamtinfektionen, da die bisherigen ja abklangen).
Nun behaupten Sie, Ihr Risiko sei gestiegen. Weniger Virenträger, aber höheres Risiko für Sie persönlich sich anzustecken? Das verstehe wer will, ich nicht. Hier suchen Sie nach einem Schwarzen Peter.
Vor einem halben Jahr meinten maßgebliche Wissenschaftler, wir werden alle mal eine Infektion durchmachen müssen. Waren Sie zu der Zeit vielleicht verreist? Jedenfalls, gehen wir nach den Wissenschaftlern, denen Sie bisher vertraut haben, dann haben es einige Ihrer Familie jetzt hinter sich. Glückwunsch!
P.S.: Die häßlich-niederträchtige Begründung kommt ein anderes Mal, wenn Sie die Brüche in Ihrer Mattscheibe geflickt haben.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/warum-christian-drosten-den-sachverstaendigenausschuss-verlaesst-a-bf3dc3fd-9a8b-4cee-8d74-6211c871bc48