(Un-) Solide Finanzpolitik | Steuern auf Expansion

These 1: Das Steueraufkommen verhält sich linear zur Entwicklung des BIP. In Krisenzeiten müssen laufende Ausgaben durch Kreditaufnahme kompensiert werden.

Steuern und Abgaben sind der Teil, den der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben vom produktiven Kern der Gesellschaft abzweigt. Steigende Abgabenlasten zeigen eine wachsende Vergemeinschaftung von Aufgaben an, sinkende Steuerquoten stehen für den Rückzug des Staates. Jedes Land hat seine eigene, durch traditionelle Einstellungen bestimmte Linie. Angelsächsische Länder besteuern im internationalen Maßstab niedrig, die Skandinavier sehr hoch. Dahinter steht immer ein Gesellschaftsbild, das sich nicht auf andere Länder übertragen lässt. Forderungen, Deutschland solle sich an den Staatsquoten in Schweden orientieren ist genauso absurd wie der Traum von amerikanischen Steuerverhältnissen in der norddeutschen Tiefebene.

Wenn das Steueraufkommen in gleichbleibender Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhoben wird, dann entstehen im Konjunkturverlauf Überschüsse und Defizite. Die staatlichen Ausgaben von entwickelten Industrieländern sind weitgehend durch Leistungsgesetze festgelegt und können nicht beliebig gekürzt werden. Zudem verstärkt eine zyklische Ausgabenpolitik des Staates die Konjunkturschwingungen, statt sie zu dämpfen. Diese Politikbeschreibung gilt jedoch nach klassischem Verständnis nur für einen sehr kurzen Zeitraum. Bleibt die wirtschaftliche Entwicklung über mehrere Jahre niedrig, sprechen Ökonomen von einer Wachstumsschwäche. Während in konjunkturell rezessiven Phasen Policies mit Nachfragestimuli (Einmalzahlungen, Kurzarbeitergeld, Bauprojekte der öffentlichen Hand) richtig sind, wirken sie bei einer Wachstumsschwäche wie Gift.

Die Europäische Union durchlebte in den Jahren 2010 bis 2013 eine Phase geringen Wachstums, die in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts überwunden war. Erstaunlicherweise folgten die Steuern und Abgaben jedoch nicht diesem Trend, sondern entwickelten sich relativ konstant. Bei einer heute mit 46% um 1,5% höheren Abgabenquote generieren die Staaten der Union ein um 4 Prozentpunkte höheres Steueraufkommen. Mit anderen Worten: Gemessen gegenüber dem Jahr 2010 liefern die EU-Bürger heute 575 Milliarden Euro mehr an den Staat ab (BIP 2019: 14 Billionen Euro | Steueraufkommen: 6,4 Billionen Euro). Über die gesamte Dekade waren es sogar fast 4,4 Billionen Euro.

Der stärkere fiskalische Zugriff fällt in den EU-Mitgliedsländern höchst unterschiedlich aus. Die Hälfte liefert Deutschland mit 0,3 Billionen Euro. Das Gap zwischen Anstieg des Steueraufkommens und dem Wirtschaftswachstum fällt mit 8,4 Punkten besonders groß aus und wird nur von Spanien und Griechenland übertroffen. Die Mittelmeeranrainer kommen jedoch von einem niedrigeren Steuerertrag.

In den wohlhabenden Regionen des Nordens haben nur Deutschland und die Niederlande ihr Abgabenniveau signifikant erhöht. Schweden reduzierte bei durchschnittlichem Wachstum von 27% (EU: 27,7%) von einem sehr hohen Niveau auf 50% des BIP. Irland mehr als verdoppelte innerhalb eines Jahrzehnts seine Wirtschaftsleistung. Da konnte auch der Fiskus (Steueraufkommen +60%) nicht mithalten.

Ganz anders das Bild im Süden Europas: Bis auf das wirtschaftlich unbedeutende Malta bleibt das Wachstum überall deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Gleichzeitig sind die Länder am Mittelmeer weit überproportional verschuldet. Hohes Steuerniveau, wirtschaftliche Stagnation und hohe Verschuldung liefern hier offensichtlich eine gefährliche Mixtur, der noch nachzugehen ist.

Ein Blick auf die Zahlen lässt ein weiteres existenzielles Problem vermuten: Das Steuerplus durch einen stärken Griff des Staates reicht bei keinem der tief verschuldeten Staaten, um innerhalb einer Generation die Staatsverschuldung spürbar zurückführen zu können. Umgekehrt gesprochen: Schon an dieser Stelle wirken selbst die Schulden Frankreichs als nicht mehr tragfähig.

Fazit

Die europäischen Staaten nehmen sich immer mehr vom wirtschaftlichen Ertrag und das bei einem ohnehin hohen Steuer- und Abgabenniveau. Die Notwendigkeit, mit Schulden den Handlungsspielraum des Staates in Krisen zu erweitern, lässt sich dabei nicht erkennen. Im Gegenteil: Die Koinzidenz von hohen Schulden und geringem Wirtschaftswachstum legt die Vermutung nahe, dass die Last der Kredite die Prosperität ausbremst.

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  • Erwin Gabriel 28. März 2022, 10:43

    @ Stefan

    Vielen Dank vorab. Ich hatte das nie auf Europa betrachtet, sondern stets nur auf Deutschland.

    Ein Blick auf die Zahlen lässt ein weiteres existenzielles Problem vermuten: Das Steuerplus durch einen stärken Griff des Staates reicht bei keinem der tief verschuldeten Staaten, um innerhalb einer Generation die Staatsverschuldung spürbar zurückführen zu können.

    Das ist DER Punkt, der mir zumindest für Deutschland immer wieder auffällt: Obwohl spürbar mehr Geld in die Kassen gespielt wird, fehlt die Umsetzung der höheren Einnahmen in entsprechende Investitionen bzw. Tilgungen. Das Geld ist irgendwie – ein paar Millionen hier, ein paar Millionen da – einfach weg.

    Die Koinzidenz von hohen Schulden und geringem Wirtschaftswachstum legt die Vermutung nahe, dass die Last der Kredite die Prosperität ausbremst.

    Das vermute ich auch, allerdings ist mir der Mechanismus nicht klar. Denn die wirtschaftliche Entwicklung ist ja weitgehend eine privatwirtschaftlich getriebene; gerade die Südstaaten gehen der Wirtschaft ja nicht so stark ans Leder. Oder meinst Du, dass die durch allzu hohe Kredite verengten finanziellen Spielräume die Investitionen einschränken?

    • Mikefromffm 28. März 2022, 12:08

      „Das Geld ist irgendwie – ein paar Millionen hier, ein paar Millionen da – einfach weg“? Komplett unlogisch, es wird ja nicht vernichtet. Gemäß der Saldenmechanik (die Ausgaben des einen Wirtschaftssubjekte sind zwingend die Einnahmen eines anderen Wirtschaftssubjekts) stellen die Ausgaben des Staates die Einnahmen der privaten Haushalte und Unternehmen dar. Verlangt man also, dass der Staat seine Schulden reduziert, verlangt man das die Vermögen der privaten Haushalte und Unternehmen sinken.

      • Erwin Gabriel 29. März 2022, 09:06

        Hallo Mike aus Frankfurt

        Komplett unlogisch, es wird ja nicht vernichtet. Gemäß der Saldenmechanik (die Ausgaben des einen Wirtschaftssubjekte sind zwingend die Einnahmen eines anderen Wirtschaftssubjekts) stellen die Ausgaben des Staates die Einnahmen der privaten Haushalte und Unternehmen dar.

        Worauf ich hinauswollte, war ein anderer Punkt. Der Staat nimmt Geld ein, und hat Ausgaben. Diese Ausgaben dienen dazu, den Apparat am Laufen zu halten und die Aufgaben des Staates für die Gesellschaft zu leisten.

        Nun nimmt der Staat Jahr für Jahr mehr Geld ein – spürbar mehr, als er benötigen würde, um inflationsbedingt gestiegene Kosten auszugleichen. Im Lauf der Regierungszeit Angela Merkels lagen diese Mehreinnahmen in der Größenordnung von 1.500 Milliarden Euro.

        Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese Mehreinnahmen halbwegs sinnvoll zu verarbeiten:
        • Der Staat macht den Job wie bisher, senkt die Steuern, und behält nur, was er auch bislang brauchte. Das Geld bliebe bei den Menschen, die es verdient haben – das passiert aber nicht.
        • Der Staat reduziert seine Schulden entsprechend – das passiert zwar sehr eingeschränkt, aber über sinkende Zinsen, nicht über Rückzahlung.
        • Der Staat leistet die Aufgaben, die er derzeit schlecht macht (Altenpflege, Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur etc.), schneller und besser als bisher – das passiert aber nicht.
        • Der Staat hilft in Krisen zu helfen – das passiert zwar, aber nicht mit den gewaltigen Mehreinnahmen, sondern über neue, gewaltige Schulden.
        • Der Staat verteilt das Geld ohne ‚Nutzen für alle‘ nach ‚unten‘, um den Armen zu helfen – das probiert er zwar, ist aber über die Maßen erfolglos erfolglos (die Schere zwischen arm und reich klafft nicht nur weiter auseinander, auch die Chancengleichheit sinkt).

        Natürlich hast Du Recht; das Geld „verschwindet“ nicht einfach, das hat nur ein anderer. Als ich schrieb

        „Obwohl spürbar mehr Geld in die Kassen gespielt wird, fehlt die Umsetzung der höheren Einnahmen in entsprechende Investitionen bzw. Tilgungen.“

        habe ich mich vermutlich nicht deutlich genug ausgedrückt.

    • Stefan Pietsch 28. März 2022, 18:29

      Das ist DER Punkt, der mir zumindest für Deutschland immer wieder auffällt: Obwohl spürbar mehr Geld in die Kassen gespielt wird, fehlt die Umsetzung der höheren Einnahmen in entsprechende Investitionen bzw. Tilgungen.

      Der Punkt wird in These 2 genauer behandelt.

      Das vermute ich auch, allerdings ist mir der Mechanismus nicht klar.

      Auch das: im nächsten.

      • Erwin Gabriel 29. März 2022, 09:07

        Ich warte voller Neugier 🙂

  • Marc 28. März 2022, 11:11

    Die europäischen Staaten nehmen sich immer mehr vom wirtschaftlichen Ertrag und das bei einem ohnehin hohen Steuer- und Abgabenniveau.

    Es ist immer das Gleiche. Wenn ein Staat Schulden aufnimmt, dann kann er – das ist pure Logik – nichts wegnehmen, da er mehr ausgibt als er einnimmt. Da in der Regel sämtliche europäische Staaten Schulden aufnehmen, ist diese Aussage Unsinn. Ein Staat nimmt nur etwas weg, wenn er Schulden abbauen muss. Ansonsten kann er nur umverteilten.

    Die Notwendigkeit, mit Schulden den Handlungsspielraum des Staates in Krisen zu erweitern, lässt sich dabei nicht erkennen.

    Nur eine zusammenhangslose und ideologisch begründete Behauptung.

    Im Gegenteil: Die Koinzidenz von hohen Schulden und geringem Wirtschaftswachstum legt die Vermutung nahe, dass die Last der Kredite die Prosperität ausbremst.

    Was ist mit den mit den von ihnen heiß geliebten USA? Stets hohe Schulden, aber auch stets ein ordentliches Wirtschaftswachstum. Das widerspricht ihrer These.

    • Stefan Pietsch 28. März 2022, 18:31

      Also, Ihnen scheint es nicht so zu gehen, aber mir: Wenn der Steuersatz für mich erhöht wird, lässt mich das nicht kalt und ich sehe, das mir etwas weggenommen wird.

      Nur eine zusammenhangslose und ideologisch begründete Behauptung.

      Wir werden im weiteren sehen. Schließlich ist der Anspruch, die Dinge völlig unideologisch zu betrachten. Solche Vorwürfe bedürfen schon der näheren Begründung.

      Thema USA: Thema verfehlt. Hier geht es um das Anschauungsmaterial EU. Nur EU, deswegen werden auch die Schweiz, Norwegen und Großbritannien nicht berücksichtigt.

      • Mikefromffm 29. März 2022, 10:34

        Es stimmt halt einfach nicht, hier wird Ideologie verbreitet: Pressemitteilung des ifo Instituts vom 2. Dezember 2021:
        Belastung mit Steuern und Sozialabgaben seit 1986 gesunken
        „Die Belastung der Bruttoeinkommen mit Steuern, Solidaritätsbeitrag und Sozialabgaben hat seit 1986 fast kontinuierlich abgenommen“

  • Mikefromffm 28. März 2022, 12:04

    „ Steuern und Abgaben sind der Teil, den der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben vom produktiven Kern der Gesellschaft abzweigt“? Nein → Artikel beruht auf falscher Prämisse.

    • Stefan Pietsch 28. März 2022, 18:35

      Nennen Sie das eine sachliche, auf Argumenten basierende Diskussion? Nur mal so gefragt.

  • Mikefromffm 28. März 2022, 12:11

    Ein Kommentar jenseits jeglicher makroökonomischer Expertise. Man nehme die übliche neoklassischen Ideologie, rühre einmal zweimal dreimal um und herauskommt so ein Artikel. Komplett lächerlich

    • Stefan Sasse 28. März 2022, 17:02

      Deine unfreundlichen Kommentare sind jetzt auch nicht eben einer sachlichen Diskussion angetan. Bitte mäßige den Ton.

  • Kning4711 28. März 2022, 13:55

    Für mich ist immer die wesentliche Frage: Zu welchem Zweck verschuldet sich ein Staat? Nach meiner Beobachtung (insb. auf Deutschland bezogen), werden die Konsumausgaben des Staates erhöht – es erfolgen höhere Transferleistungen und Gießkanneverteilung. Zwar werden hehre Ziele benannt wie (Alters-)Armutsbekämpfung oder Gerechtigkeit. Ein detaillierter Blick aber zeigt, dass die eigentlichen Ziele konsequent verfehlt werden, da sie überhaupt nicht die langfristig wirkenden strukturellen Probleme adressieren. Kurzfristig (bis zur nächsten Wahl) wurde befriedet, in Gänze kommt man aber nicht vom Fleck. Wie reden im Deutschland immer gern davon wer die Steuern bezahlen soll (die Reichen, die Vermögenden, die Unternehmen) und reden viel zu wenig über Ausgabenwirksamkeit und die damit einhergehenden Instrumente. Steuern senken und auf große Ausgabenkürzungen verzichten? Empirisch führt das erstmal zu erheblich größeren Defiziten – echte „Gewinne“ stellen sich nur ein, wenn die Steuersenkungen zu Investitionsanreizen führen und eben nicht frei verkonsumiert werden können. Es gäbe ausreichend Felder, in denen wir diese Investitionsanreize (insb. auf europäischer Ebene) verwenden könnten: Klimaschutz, Energiewende, Bildung.
    Wir machen aktuell das schlechteste beider Welten: Wir erhöhen die Staatsverschuldung und schränken wichtigen Handlungsrahmen weiter ein, nur damit sich ein kleiner Teil der Gessellschaft bis zur nächsten Wahl gut fühlen kann, die das dann ohnehin nicht mehr so richtig auf dem Schirm hat.

    • Stefan Pietsch 28. März 2022, 18:49

      Für mich ist immer die wesentliche Frage: Zu welchem Zweck verschuldet sich ein Staat?

      Wir werden sehen, ob das die wesentliche Frage ist. Die Beantwortung folgt im nächsten Teil.

      Ein detaillierter Blick aber zeigt, dass die eigentlichen Ziele konsequent verfehlt werden, da sie überhaupt nicht die langfristig wirkenden strukturellen Probleme adressieren.

      Das kann an dieser Stelle nicht untersucht werden.

      Ansonsten geht es um eine vergleichende Betrachtung über 27 EU-Mitgliedsstaaten und das Herausdestilieren von allgemeingültigen Aussagen.

  • Tim 28. März 2022, 14:53

    Der deutsche Staat leider unter zu vielen Zielen und (praktisch) gar keiner Erfolgskontrolle. Es gibt überall jede Menge Bürokratie und Vetomöglichkeiten. Alles hat Priorität und damit nichts. Je mehr Aufgaben der Staat hat, desto schlaffer wird er. Mehr Geld führt bloß zu noch mehr Ineffizienz.

    Stefan Pietsch hat einen wichtigen Hinweis gut versteckt und leider nicht weiter ausgearbeitet: Abgabenquote Schweiz – 34 %. Hier haben wir ein vorbildliches Land, das seinen Leviathan im Griff hat. Der Grund dafür ist die staatliche Struktur, in der alle Kantone miteinander im Wettbewerb stehen. So sieht ein starker Staat aus.

    • Marc Schanz 28. März 2022, 17:44

      Die Argumentation zur Schlaffheit des deutschen Leviathans auf eine einzige Kennzahl zu beziehen ist auch nur äußerst schlaff. Die Abgabenquote kann man nicht einfach 1:1 vergleichen, dazu sind die Länder zu unterschiedlich. Die Sozialsysteme werden unterschiedlich finanziert, die Eigenheimquote spielt für das Rentenvermögen eine entscheidende Rolle und dann gibt es noch historische Entwicklungen. Deutschland hat die Wiedervereinigung mit einem tiefen Griff in die Sozialsysteme finanziert. Das hat bis heute folgen.

      • Stefan Pietsch 28. März 2022, 18:55

        Die Abgabenquote kann man nicht einfach 1:1 vergleichen, dazu sind die Länder zu unterschiedlich.

        Selbst wenn man Ihrer Argumentation folgt, steht doch die Frage zur Beantwortung aus, was Schulden bewirken und ob sie tragfähig sind. Wenn der Staat sich mehr vom BIP nimmt und dennoch Ausgaben überschießen, deutet das auf ein strukturelles Problem hin. Was denn sonst? Wie sollen den Ausgaben gedeckt werden, wenn nicht durch steigende Einnahmen (oder Ausgabenbeschränkungen)? Auch Staaten können sich schließlich nicht unbegrenzt verschulden.

        Ich wusste gar nicht, dass die ostdeutsche Infrastruktur, die Sanierung der Gebäude und die Anpassung der Beamtenbesoldungen über die Sozialsysteme bezahlt wurde. Das Kunststück hätte ich schon näher erläutert.

      • Tim 28. März 2022, 21:23

        Ich habe die Schlaffheit des deutschen Staates auf die staatliche Struktur der Schweiz bezogen, nicht auf ihre Abgabenquote. Die niedrige Abgabenquote ist eine Folge der Schweizer Staatsstruktur, nicht ihre Ursache.

        Das Schweizer Erfolgsrezept ist ganz einfach: Kein Kanton kann sich allzu große Quatschpolitik erlauben. Das ist der Unterschied zu Deutschland.

        • Marc 28. März 2022, 22:09

          Eine monokausale Erklärung für komplexe Phänomene klingt immer so schön logisch. Es gibt andere, die behaupten, die Zentralisierung a la EU sei das Optimum. Klingt alles toll, aber belegen kann diese Aussagen niemand.
          Die Realität ist eine andere: Die Form – föderal, zentral, konkurrierend oder kooperierend, sind nicht die bestimmenden Merkmale. Die operationale Umsetzung bestimmt viemehr das Ergebnis, denn sie muss der Komplexität unserer Wirklichkeit gerecht werden. Ein solide geführter Zentralstaat ist besser als eine schelcht verwalteter föderaler Staat mit Konkurrenzprinzip oder eben umgekehrt.

          • Tim 29. März 2022, 09:03

            Es gibt andere, die behaupten, die Zentralisierung a la EU sei das Optimum.

            Aber hallo! Das sind diejenigen, die siegestrunken die Lissabon-Strategie fuhren und dankbar sind, dass die EU seit 2010 die wettbewerbsfähigste Region der Welt ist. 🙂

            • Marc 29. März 2022, 10:28

              Eben, ein unfähiger Technokratenhaufen schafft das nicht, was in Asien mit China, Japan, Südkorea mit derselben Strategie ohne Probleme möglich ist.

    • Stefan Pietsch 28. März 2022, 18:51

      Es geht um eine Vergleichsanalyse um auf diesem Wege die Sinnhaftigkeit von Schulden (und ihre Wirkungen) zu untersuchen. Die Schweiz ist nicht in der EU, so sehr ich das bedaure.

      • Tim 28. März 2022, 21:20

        Die Schweiz in die EU? Hilfe! Mir wäre es lieber, wenn willige europäische Regionen der Schweiz beitreten. In der EU ist vernünftige Politik nicht (mehr) möglich.

  • Lemmy Caution 28. März 2022, 18:44

    Korrelations-Analysen sind grundsätzlich fragwürdig.
    Ein paar Hinweise zu dieser spezifischen.
    Würde man einen anderen Zeitausschnitt wählen, kämen wir zu anderen Ergebnissen. In Spanien wuchs die Wirtschaft eigentlich fast über den ganzen Zeitraum 1986 bis 2008 stärker als in Deutschland. 2008 kam dann die große spanische Immobilienkrise, die starke Auswirkungen bis in die 10er Jahre hatte. Frankreich wächst auf lange Sicht schlechter als Deutschland und ist v.a. erstaunlich wenig exportdynamisch. Frankreich hat aber ein großes Plus, das in der Untersuchung überhaupt nicht berücksichtigt wird: Demographie. Dort werden einfach viel mehr Kinder geboren und sie müssen sich weniger Sorgen um die Zahlung der Renten 2030 bis 2050 machen.
    Bezüglich des steigenden Abgabenniveau in den Südländern müsste man auch noch mal genauer hinschauen. Steuerhinterziehung ist in diesen Ländern ein historisch endemisches Problem. Für Spanien, Italien und Griechenland weiss ich es sicher. Für Portugal halte ich es für wahrscheinlich. Höhere Abgaben könnte auch auf eine positive Entwicklung hinweisen, nämlich dass sich die Leute stärker an die Gesetze halten.
    Berücksichtigt man Besonderheiten, weichen die Daten zu den Nord- und Südländern gar nicht so stark ab.

    • Stefan Pietsch 28. März 2022, 19:01

      Die Frage war nicht, inwieweit das Wachstum befördert werden kann oder wann welche Staaten schneller oder langsamer gewachsen sind. Sonst hätte ich einen größeren Zeithorizont gewählt. Die Fragestellung lautete, wie scih Schulden auswirken. Seit der Finanzkrise haben wir sehr unterschiedliche Schuldenstände. Frankreich und Spanien beispielsweise haben sich in der letzten Dekade enorm verschuldet. Hat das genützt? Oder geschadet?

      Es geht auch nicht um so technische Fragen wie Steuerhinterziehung, sondern Fakten. Die gezahlten Steuern sind ebenso messbar wie das BIP. Ob die Bürger darüber hinaus ihren Steuerpflichten nachgekommen sind oder nicht, ist an dieser Stelle ohne Belang. Es wirkt sich in den tatsächlichen Zahlungen nicht aus.

      Wir werden sehen, ob Frankreich wirklich in den Ausgaben gespart hat und zu welchen Konsequenzen das führte.

      • Lemmy Caution 29. März 2022, 19:06

        Spanien musste sich nach der Häusle-Bubble verschulden, um eine Vernichtung des Bankensystems zu verhindern.
        Die Häusle Bubble war die Folge einer kulturellen Besonderheit. Seit den 50er Jahren stiegen Immobilienpreise dank des sehr langen Wirtschaftsaufschwung aus den Tiefen der seltsamen Wirtschaftspolitik unter Franco vor 1960 über Tourismusboom, später dann Re-Demokratisierung und EU Beitritt. Gleichzeitig kauften auch viele Ausländer Immobilien. Mit den Jahren hielten die den Wertanstieg von Immobilien für eine Art automatisches Naturgesetz. Seit 2014 sinkt die Verschuldung/BIP Quote langsam aber konsistent. Zumindest bis vor Corona. Das gleiche gilt übrigens für Portugal.
        Ich habe während meines Studiums unzählige statistisch wesentlich aufwendigere makroökonomische Studien gelesen. Kieler Weltwirtschaftsinstitut erzeugte davon Unmengen. Ich wollte das Interesse schon seit langer Zeit wiedererwecken. Deshalb nochmal danke für die Eurostat Links.
        Glauben tue ich an solche Studien nicht. Die Akademia Studien diskutieren übrigens immer die Aussagekraft. Der von mir eschätzte wirtschaftsliberale Podcaster, Milton Friedman Verehrer und ex George Mason Professor Russ Roberts hat da über die Jahre immer wieder nicht so nette Dinge gesagt. Poste vielleicht mal einen Link.
        Du behandelst keine Fakten. Du interpretierst Daten. Schon die Auswahl des Zeitrahmens und deine vorab Interpretation des Verhaltens der Datenreihen wirkt sich auf das Ergebnis aus.

        • Stefan Pietsch 29. März 2022, 19:27

          Ich kenne etwas die Situation in Spanien. Und auch die Geschichte. Ich habe familiäre Bande dahin. Wie Griechenland erlebte Spanien in den Nullerjahren einen Bauboom, getrieben von einem deutlichen Anstieg der Verschuldung – der privaten, in Hellas auch der staatlichen. Zumindest in Griechenland war in diesen Jahren die nominelle Schuldenaufnahme plus EU-Überweisungen höher als das nominelle Wachstum. Der Punkt: es ist nun wahrlich keine große Staatskunst, aus einer Kreditaufnahme Wachstum zu zaubern. Das passiert schon, wenn eine Regierung Anleihen in Höhe von 1 Mrd. Euro begeht und dafür ein Gebäude errichten lässt. Voila, BIP um 1 Mrd. Euro gestiegen. Nur, das kann’s ja nicht sein.

          Jedes Land hat immer Besonderheiten. Deutschland erlebte von 2002 bis 2005 die längste Rezession der Nachkriegsgeschichte. In Lettland kollabierte 2011 / 2012 das Bankensystem und wurde ein wichtiges Unternehmen verstaatlicht. Heißt das, keine Auswertungen mehr machen zu sollen? Hätte ich einen 20 Jahres-Zeitraum genommen, hätte ich im Zweifel das noch zerlegt. Denn es ist doch Quatsch, sich eine Reihe anzusehen ohne verstehen zu wollen, wie sie zustande gekommen ist. Z.B. in Bezug auf Spanien. Bei Italien funktioniert das schon nicht, bei Frankreich und Deutschland schon gar nicht, womit die wichtigsten EU-Länder, die die Trends prägen, bereits genannt sind.

          Ich habe mir im Vorlauf keine Gedanken darüber gemacht. Das Ziel war zu untersuchen, wie Schulden sich auf die Faktoren auswirken, wo die Befürworter sagen, das wäre sinnvoll. Der Vorwurf, die Auswahl des Zeithorizonts sei manipulativ, ist jedoch absurd. Stell‘ Dir vor, ich hätte 2000 – 2020 gezählt. Mir wäre um die Ohren geschlagen worden, dass ich dabei ja gleich drei Krisen als Sonderfälle miteinbezogen hätte. So habe ich einen Zeitraum genommen, in dem die meisten der 27 eben eine lange Phase wirtschaftlicher Normalität durchlebten. Wer so wie Du argumentiert, will vor allem sich Erkenntnissen verweigern. Das kannst Du in den Kommentaren ablesen, wo es nur darum ging, dass ich Theorien (!) nicht verstanden hätte.

          Mach‘ doch Deine Vorwürfe deutlich: Ich verwende Rohdaten und gehe damit zurückhaltend um. Was ist bitte daran Interpretation, wenn ich das BIP-Wachstum dem Wachstum der Steuereinnahmen gegenüberstelle? Das ist einfach und, sorry Lemmy, statistischer Standard. Vor allem ist es eins nicht: Interpretation.

          Du hast die Datenbank von mir bekommen. Ich gehe absolut offen und transparent mit den verwendeten Zahlen und Auswertungen um. Ich finde deshalb die Vorwürfe schon herabsetzend. Ich mache so etwas nicht um zu manipulieren, sondern zu verstehen. Ich habe weiß Gott nicht angenommen, dass in der EU generell das Steueraufkommen schneller gestiegen ist als das BIP. Nur in Bezug auf Deutschland wusste ich das. Genauso verhält es sich bei allen anderen Auswertungen. Ich bin so naiv und unvoreingenommen rangegangen wie es nur möglich ist. Schließlich wollte ich nichts beweisen, sondern nachvollziehen. Auch im nächsten Teil folgen Erkenntnisse, die ich so nicht erwartet habe.

          Wie gesagt, ich habe mir da noch eine wissenschaftliche Neugier bewahrt. Ich habe das aufgezogen wie im Job, wo es mir auch nichts bringt, Geschichten zu erzählen. Denn dann bin ich über kurz oder lang raus. Warum soll ich bei dem Aufwand, den ich betrieben habe, Märchen erzählen wollen?!

          • Stefan Sasse 30. März 2022, 07:45

            Ich glaube, das Problem ist semantischer Natur. Du siehst „Interpretation“ als Vorwurf, dabei ist es eine akkurate Beschreibung dessen, was du machst, weil JEDE solche Datenanalyse eine Interpretation darstellt. Ich glaube, „Interpretation“ hat nur als Wort einen schlechten Ruf. Aber das kann man ja durchaus wissenschaftlich auf hohem Niveau machen.

            • Stefan Pietsch 30. März 2022, 08:58

              Auf die Art kannst Du alles zur Interpretation erklären. Und daraus nichts machen. Ich bin gerne bereit die Auswertung auf 20 Jahre zu dehnen, wenn wir dann sagen können, das gilt. Aber darum, so mein Eindruck , geht es den Kritikern eben nicht. Es soll ein bestimmtes Ergebnis herauskommen. Das mache ich nicht.

              • Stefan Sasse 30. März 2022, 13:25

                Nein, Interpretation ist einfach nur der Vorgang, eine Bedeutung und/oder Wertung zu einer Quelle zu entwickeln. Das kann ein Gedicht sein, eine historische Quelle, wirtschaftliche Kennzahlen. Das ist einfach nur der Vorgang. Dass du nicht dich auf ein bestimmtes Ergebnis festlegen willst ist dafür ja Grundbedingung und daher zu begrüßen.

                • Stefan Pietsch 30. März 2022, 14:18

                  Ich bin ja anders vorgegangen. Ich habe ohne vorherige Wertung und Erwartung die Daten eines Zeitraumes genommen, der möglichst stabil sein sollte und nicht durch große Krisen gekennzeichnet, die die Verhältnisse verzerren könnten. Dann habe ich statistische Verfahren angewandt und auf das Ergebnis geschaut. Wenn ich würfele, interpretiere ich ja auch nicht erst die Würfel und sage dann: na ja, da musste ja eine sechs rauskommen, sieben war ja nicht möglich.

                  Das Angebot steht: wenn wir uns über ein anderes Jahrzehnt einig wären, könnten wir die Übung damit machen.

    • Marc 28. März 2022, 19:23

      Korrelations-Analysen sind grundsätzlich fragwürdig.

      Jein. Korrelationsanalysen können sehr wohl solide Ergebnisse liefern. Man muss jedoch sorgfältig die Voraussetzungen prüfen und das Ergebnis mit einem Signifikanztest validieren. So nackt wie hier ist er in der Tat fragwürdig.

    • CitizenK 29. März 2022, 08:58

      „2008 kam dann die große spanische Immobilienkrise“

      Viel stärker jetzt die deutsche Abhängigkeitskrise. Was waren die Deutschen doch stolz auf ihre „Wirtschaftskraft“. Jetzt sehen wir plötzlich, dass diese abhängig war und ist vom Gas aus Russland, dem Absatzmarkt China, von Lieferketten. Wenn jetzt, wie aktuell zu befürchten, die BASF und andere Großbetriebe die Produktion einstellen müssen – was bleibt dann von der starken deutschen Wirtschaft?

      Entscheidungen übrigens, die von Spitzen-Managern getroffen wurden. Nicht nur von Politikern.

  • Mikefromffm 29. März 2022, 17:15

    „Schon an dieser Stelle wirken selbst die Schulden Frankreichs als nicht mehr tragfähig“? Wie viel muss denn Frankreich für seinen Zinsdienst aufbringen, bzw. wie hoch ist die Zinsquote? Ich wette, da kommt nix.

    • Erwin Gabriel 31. März 2022, 11:27

      @ Mikefromffm 29. März 2022, 17:15

      Ich wette, da kommt nix.

      Wenn doch was kommt, solltest Du Dich entschuldigen

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