Die Ampel spaltet die kenianische Gesellschaft mit einer Kritik der medialen Deutschkenntnisse – Vermischtes 18.11.2021

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Es gibt keine Spaltung der Gesellschaft

Der Top-Hit unserer Zeit bleibt indes die Rede von der „Spaltung der Gesellschaft“, um diese opulente Formel dann doch noch mal auszuschreiben. Meist folgen auf den Befund noch gute oder weniger gute Ratschläge: „Wir brauchen mehr Entschleunigung“ oder „Wir brauchen bessere Kommunikation“. Was aber nicht gesagt wird, wenn die SdG zur Sprache kommt, ist das soziologisch Banalste: Dass Menschen verschieden sind, dass sie divers ticken und im Übrigen auch sehr gern irrtumsanfällig, erratisch sind. Sie haben nämlich Interessen, eigene. Die zu ermitteln wäre wichtig, sie zur Kenntnis zu nehmen oder nehmen zu müssen, darauf käme es an. SdG – das ist die Formel des explorierten Nichts und Alles, und vermag nicht damit umzugehen, wenn Menschen einfach ihre (gemeinsame) Kraft einsetzen, um etwas gegen andere durchzusetzen. Wie etwa, klassisch aus der Arbeiter*innenbewegung, mit einem Streik: Lohnabhängig Beschäftigte wollen etwas durchsetzen und ihr Arbeitgeber muss sich dem stellen, ob mit dem Streik nun eine Spaltung des Betriebes attestiert werden muss oder nicht. Ein Streik, bei dem es ums Eingemachte, mithin um Geld und Zeit, geht, ist immer eine spalterische Angelegenheit – und das ist auch richtig so. Das aber ist dann kein Partygeplauder mehr, in der kommunikative und kritisch gesinnte Besorgnis der wohlfeilsten Sorte geäußert wird, sondern eben eine Interessenkollision, die entweder in einen Kompromiss mündet, in der Zerschlagung der Aktion (mit womöglich krassen Folgen für die Rädelsführer*innen) oder im Erfolg dessen, was eben ein Streik vermag: eine Lohnerhöhung, die Gründung eines Betriebsrats oder kürzere Arbeitszeiten. […] Mit anderen Worten: Da „Gesellschaft“ ein hochkompliziertes Gebilde ist, da sie eben keine „Gemeinschaft“ ist, kein familiäres Konstrukt, sondern arbeitsteilig, kommunikativ verwirrend uneinheitlich, multikulturell und multischichtenartig strukturiert, ist die Rede von ihrer Spaltung antipolitisch. Wer von SdG spricht, will über Interessengegensätze, möchte über Macht nicht reden. (Jan Feddersen, taz)

Jan Feddersen schreibt hier eine Menge richtiger Dinge auf. Es ist eine grundsätzliche Geschichte, die weit über Impfen oder andere aktuelle Themen hinausgeht. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft. Diese ist per Definition gespalten. Wir leben in verschiedenen Milieus (Soziolog*innen unterscheiden derer aktuell 11), haben verschiedene Ansichten, präferieren verschiedene politische Richtungen (sechs davon sind gerade im Bundestag vertreten). Da gibt es nichts zu spalten. Spaltung ist der Naturzustand einer jeden Gesellschaft, die nicht einem totalitären Terrorregime unterworfen ist.

Das ändert nichts daran, dass das als etwas Schlechtes gesehen wird. Ob abwertend von „Kampfkandidaturen“ gesprochen wird, wenn eine Partei es wagt, ihren Vorsitz ernsthaft einer echten Wahl zu unterwerfen, ob Menschen unterschiedliche Haltungen zum Bau eines Durchgangsbahnhofs in der schwäbischen Landeshauptstadt haben oder ob eine Debatte darüber stattfindet, wie (und ob) man geschlechtergerecht sprechen und schreiben soll, überall gibt es Konflikte, und stets werden die als ein Problem betrachtet. Aber es sind Konflikte, in denen wir uns definieren und deren Austragung uns nach vorne bringt.

2) Climate change, covid and global inequality

Economic dislocations would be huge. It is not only the question of the entire upper middle class and the rich in advanced countries (and, as we have seen, elsewhere) losing significant parts of their real income as prices of most “staple” commodities (for them) increase by two, three or ten times; the dislocation will affect large sectors of the economy. Go back to the example of travel. A permanent 60% decrease will more than halve the number of airline employees, will practically leave Boeing and Airbus with no new orders for airplanes for years and possibly lead to a liquidation of one of them, will decimate hotel industry, will close even more restaurants than were closed by the pandemic, will make parts of the most touristy cities that currently complain of excess of tourists (Barcelona, Venice, Florence, probably even London and New York) look like ghost towns. The effects will trickle down: unemployment will increase, incomes will plummet, the West will record the largest real income decline since the Great Depression.  However if such policies were steadfastly pursued for a decade or two, not only would emissions plummet too (as they have done in 2020), but our behavior and ultimately the economy would adjust. People will find jobs in different activities that will remain untaxed and thus relatively cheaper and whose demand will go up. Revenues collected from taxing “bad” actvities may be used to subsidize “good” activities or retrain people who have lost their jobs. (Branko Milanovic, Global Inequality)

Milanovics Aufstellung ist ein weiteres Zeichen für das, was ich in meinem Artikel zur CO2-Steuer angemahnt habe: eine solche Steuer wird, wenn sie tatsächlich die gewünschte Lenkungswirkung haben soll, massive Verwerfungen zur Folge haben. Glaubt jemand, dass die Fluglinien nicht mit Händen und Füßen gegen die Einführung einer CO2-Steuer vorgehen werden, die ihr Geschäftsmodell gefährdet? Oder die Tourismusbranche? Und so weiter und so fort? Ich halte die Vorstellung, dass eine linear steigende Steuer und der mit ihr gekoppelte Zertifikatehandel solche Verwerfungen auslösen und diese alleine über Jahrzehnte implementieren könnte für naiv. Ohne begleitende Maßnahmen und politische Aushandlungsprozesse, Subventionen und schmutzige Deals wird da nichts gehen, einfach, weil es politisch anders nicht durchsetzbar sein wird.

3) One more body in the septic tank that is British colonial history

The Kenyan government’s callousness and recalcitrance in dealing with crimes against Kenyans is a reflection both of its own commission of similar crimes against them and of its colonial roots. […] The attempt to cover up the Wanjiru case by both the Kenyan and British governments is also a potent reminder that no British settlers, officials, troops, or police officers have ever been held to account for the brutal murder and torture of thousands, and the incarceration of up to 1.5 million people in concentration camps, during the 7-year State of Emergency declared in 1952 at the height of the Mau Mau rebellion against colonial rule. In fact, for more than half a century, the British government stole, destroyed and hid any documents that might, as reported by the Guardian, “‘embarrass [the British government] or other government’ or cause problems for any colonial policeman, civil servant or member of the armed forces”. […] By 2020, Germany had paid nearly $92 billion in reparations to Jewish and non-Jewish victims of its World War II crimes. To this day, the country continues to pay stipends to survivors, last year agreeing to provide nearly $700 million to aid 240,000 Holocaust survivors struggling under the burdens of the coronavirus pandemic. By comparison, the British agreement to compensate 5,000 victims of its torture camps at the rate of $4,000 per victim, without even having to offer an apology, is a travesty and speaks to racism and power imbalance that continued to devalue African lives and suffering. And not a penny has been paid to the vast majority of the tens of millions it terrorised and brutalised across the world under its Empire. (Patrick Gathara, Al-Jazeera)

Es fällt immer wieder auf, was für ein Alleinstellungsmerkmal wir in Deutschland bei all unseren Schwächen auf diesem Feld in der Vergangenheitsbewältigung noch haben. Gerade in Großbritannien ist eine geradezu widerliche Empire-Nostalgie immer noch weit verbreiteter Standard. Auch andere Länder wie Frankreich und Belgien haben ihre Kolonialgeschichte nur sehr bruchstückhaft aufgearbeitet, und wie die aktuelle Debatte in Deutschland zeigt sind wir auch da nicht eben mustergültig. Die Ausnahme macht allein der Holocaust.

4) Wie die Ampel und die CDU eine seltene Chance vergeuden

Eine neue Koalition, ein im Bund nie da gewesenes Bündnis, das sich selbst über Veränderung zu definieren versucht, hätte ausbrechen können aus der Logik. Dass sie es nicht schafft, sieht man daran, dass Parteien weiter Profilierung gegen Klimaschutz betreiben, […] Das ist die alte Logik: Es für eine gute Nachricht zu halten, wenn die anderen wenig Klimaschutz planen, weil man daneben leichter bestehen kann. […] [Röttgens] Kontrahent Friedrich Merz hat allerdings bislang noch viel weniger Ambition erkennen lassen, Klimaschutz als zentrale Aufgabe der kommenden Jahrzehnte zur Grundlage seines politischen Denkens zu machen. So wenig wie sonst vor allem die Junge Union. Selbst wenn Röttgen seine Initiative also konsequenter weitertreiben wollte: Klima bliebe unionsintern ein Marker für einen Teil der Partei. Kein Konsens, sondern erneut: Profilierungsmöglichkeit. […] Noch vor Weihnachten soll die Ampelkoalition stehen. Mitte Januar endet eine mögliche Stichwahl um den CDU-Vorsitz. Bis dahin können sich alle Parteien noch relativ freischwebend ausrichten. Spätestens dann setzt die politische Schwerkraft wieder ein. (Jonas Schaible, SpiegelOnline)

Das ist glaube ich das erste Mal, dass ich einem Essay von Jonas nicht weitgehend zustimme. Nicht, dass seine Einschätzung der Dringlichkeit entschlossenen Handelns angesichts der Klimakrise falsch wäre, oder dass er daneben liegen würde, wenn er sowohl Ampel als auch CDU weitgehende Tatenlosigkeit vorwirft. Nein, ich halte es nur für eine merkwürdige Vorstellung, hier bestünde eine ungenutzte Chance, weil alles in der Schwebe sei.

Denn die Parteien müssen ja ihre Machtposition festigen, und dazu gilt es ja gerade in der Schwebe, die eigenen Grundlagen zu festigen. Man experimentiert nicht, wenn ein feines Gewebe austariert wird. Die Ampelverhandlungen funktionieren ja vor allem deswegen, weil die Positionen der drei Parteien ziemlich klar sind und niemand plötzlich die Primadonna spielt oder einfach neue Ideen einwirft, die vorher nie angesprochen waren. Dafür ist ja der Wahlkampf da, und der hat deutlich genug gezeigt, wie wenig Appetit sowohl seitens der Parteien als auch, und das ist entscheidend, der Wählendenschaft für solche neuen Ansätze besteht.

5) Eine Partei droht zu sterben

Währenddessen sitzt Sarah Wagenknecht, die nur noch einfache Abgeordnete ist, als prominentestes Gesicht der Partei in Talkshows. Dort postuliert sie, etwa in den Themen Migration, Identitätspolitik oder auch der Corona-Impfkampagne, teilweise von der Parteilinie abweichende Meinungen. Auch dies verstärkt in der Öffentlichkeit den Eindruck von Unklarheit. Die Partei muss damit umgehen, dass sich ihre Rolle im Parteiensystem in den letzten Jahren verändert hat. Lange lebte sie im Osten des Landes maßgeblich von ihrem Image als Protestpartei. Je stärker sie in den Ländern in Regierungsverantwortung gegangen ist, desto schwieriger konnte sie die Protestrolle ausfüllen. Mittlerweile liegt die AfD in allen ostdeutschen Bundesländern außer in Berlin vor der Linken. […] Die Ursachen für den Stimmenverlust liegen allerdings tiefer: In ihren Gründungsjahren konnte die Linke einhellig gegen den „Sozialabbau“ protestieren. Bei den sozialen Themen fanden die verschiedenen Strömungen der Partei viele Schnittpunkte zueinander. In gegenwärtigen Debatten über die Aufnahme von Geflüchteten, über den Umgang mit Minderheiten und insbesondere in identitätspolitischen Diskussionen ist die Partei zerrissen. Die Folge sind Lähmungserscheinungen in der Außenwirkung. […] Inhaltlich wollte die Linke immer Partei der sozialen Fragen sein. Jedoch genießt sie ausgerechnet hier immer weniger Vertrauen. In den Themen der sozialen Gerechtigkeit, bei angemessenen Löhnen und der Altersversorgung wird die Linke als weniger glaubwürdig gesehen als noch bei der vorangegangenen Bundestagswahl. Besonders auffällig ist, dass die Kompetenzen der SPD auf diesen Gebieten erstmals seit Jahren wieder gestiegen sind. Der Partei also, gegen deren Politik sich die Linke einst gegründet hat. (Michael Freckmann, T-Online)

Mit Oskar Lafontaines Spaltung der einstmals mächtigen LINKE-Fraktion im Saarland bewahrheitet sich einmal mehr das alte Bonmot, nachdem sich Geschichte stets wiederhole: einmal als Tragödie, einmal als Farce. Die Tragödie war das Schisma in der SPD, die Farce ist nun die Spaltung der LINKEn. Der Mann ist zerstörerische Kraft, auf die ein Schumpeter stolz sein könnte. Er reißt nieder, er erschafft, und nun reißt er wieder nieder. Ich bezweifle, dass noch irgendetwas Konstruktives aus dieser Ecke zu erwarten ist.

Ansonsten aber zeigen sich für die LINKE in meinen Augen vor allem zwei Probleme. Einmal macht ihr die AfD die Rolle als Interessenvertreter*in der Ostdeutschen streitig, die bundespolitisch einfach eine Sackgasse ist – eine Sackgasse, aus der die LINKE dank ihrer fundamentalistischen Positionen in der Außenpolitik bisher nicht ausbrechen konnte. Und zum anderen lebte die LINKE von ihrem Kernkompetenzfeld als Partei „sozialer Gerechtigkeit“. Wenn die SPD diesen verlorenen Grund nun einerseits wieder gutmacht und andererseits die Bevölkerung ihren Frieden mit dem Status Quo gemacht hat, verliert die Partei auch hier jegliches politische Kapital.

Aus diesem Dilemma auszubrechen ist extrem schwierig und könnte gut und gern mit der Rückkehr der Partei unter die 5%-Hürde enden. Da wäre sie gut aufgehoben.

6) Menace Enters the Republican Mainstream

From congressional offices to community meeting rooms, threats of violence are becoming commonplace among a significant segment of the Republican Party. Ten months after rioters attacked the United States Capitol on Jan. 6, and after four years of a president who often spoke in violent terms about his adversaries, right-wing Republicans are talking more openly and frequently about the use of force as justifiable in opposition to those who dislodged him from power. […] But historians and those who study democracy say what has changed has been the embrace of violent speech by a sizable portion of one party, including some of its loudest voices inside government and most influential voices outside. In effect, they warn, the Republican Party is mainstreaming menace as a political tool. […] Notably few Republican leaders have spoken out against violent language or behavior since Jan. 6, suggesting with their silent acquiescence that doing so would put them at odds with a significant share of their party’s voters. […] The increasing violence of Republican speech has been accompanied by a willingness of G.O.P. leaders to follow Mr. Trump’s lead and shrug off allegations of domestic violence that once would have been considered disqualifying for political candidates in either party. […] There is little indication that the party has paid a political price for its increasingly violent tone. (Lisa Lerer/Astead Herndon, New York Times)

„Faschismus liegt in der Luft“, schreibt die USA-Expertin Annika Brockschmidt angesichts dieser Entwicklungen. Während ich ihre Besorgnis erregende Analyse durchaus teile – die Republicans haben sich von demokratischer Politik längst verabschiedet – finde ich „Faschismus“ den falschen Begriff. Trump sah sich gerne als ein moderner Mussolini, aber die USA sind wesentlich empfänglicher für dezentralere Formen politischer Gewalt. Man muss nur zurück ins 19. Jahrhundert blicken um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das aussehen kann. Damals wurde massive Gewalt gegen den politischen Gegner ausgeübt, man ergab sich in Straßenschlachten und Terrorattentaten. So etwas sehe ich wahrscheinlicher als den Aufstieg eines charismatischen Führers und den formalen Untergang der Republik.

7) »Perfekte Deutschkenntnisse vorausgesetzt« – warum eigentlich?

Am Arbeitsplatz geht es darum, Informationen sowohl richtig aufzunehmen als zu vermitteln. In vielen Branchen und Positionen ist das auch mit grammatikalischen Fehlern und Akzent möglich. Das können Sie vergleichen mit Deutsch-Muttersprachlern, die in einem Projekt Englisch sprechen müssen. Bei denen wird schließlich auch ohne Bedenken toleriert, dass das Englisch nicht perfekt, aber zum Arbeiten absolut ausreichend ist. […] Selbstverständlich werden Sie Positionen identifizieren, auf denen weiterhin eine fehlerfreie schriftliche und verbale Kommunikation notwendig ist. Aber deshalb muss man nicht ungeprüft zu hohe Sprachanforderungen stellen. Viele gute potenzielle Kandidaten werden durch die Anforderungen »perfekt, verhandlungssicher oder fließend« abgeschreckt – und bewerben sich erst gar nicht. Diese Hürde können sich Unternehmen, die mit Fachkräftemangel zu kämpfen haben, nicht leisten. […] Zu hohe Sprachanforderungen können übrigens dazu führen, dass Mitarbeiter sich scheuen, Deutsch im Arbeitsalltag zu sprechen – zum Beispiel weil sie mit der Grammatik hadern. Das ist aber wichtig, damit sich die Kollegen weiter verbessern können. Machen Sie ihnen Mut! Es ist okay, etwas auf Englisch oder in einer anderen Sprache zu sagen, wenn mal eine Vokabel fehlt. Das Gleiche gilt natürlich auch für Teammitglieder, die plötzlich Englisch sprechen müssen. Gleiches Recht für alle. (Lunia Hara, SpiegelOnline)

Ich finde neben der Tatsache, dass hier wieder einmal die gewisse Willkürlichkeit des Personalauswahlprozesses sichtbar wird, das vor allem deswegen unterhaltsam, weil die meisten Leute ja selbst kein „perfektes Deutsch“ sprechen und gar nicht merken, welche Fehler sie machen oder welche grammatikalischen Besonderheiten sie nicht beherrschen. Ich sag nur „Futur II“ oder „Konjunktiv II“. Auch am Deklinieren des Plusquamperfekt scheitern reihenweise Erwachsene, und das ist Stoff der 5. Klasse. Was gemeint ist ist ja letztlich „fließend Deutsch“ sprechen, also auf eine Art schriftlich und mündlich kommunizieren, die zur Mehrheitsgesellschaft passt.

8) Lockdown für alle?

Es wäre dann eine durchaus offene Frage, ob nicht gerade der Vorteil einer expliziten Feststellung des Ausnahmezustands, ob man ihn nun „epidemische Lage“ oder sonstwie nennen mag, darin liegen könnte, die zeitliche Begrenztheit dieses Zustands zu markieren und ihn durch seine formelle Beendigung von einem Tag auf den anderen einfach abzuschalten, um dann wieder zum Normalbetrieb zurückzukehren. Darauf habe ich keine klare Antwort. Aber auch dieses Argument verliert an Überzeugungskraft, wenn der als solcher gedachte Ausnahme- zu einem Dauerzustand geworden ist, dessen Ende offen ist: Wer sagt eigentlich, dass im nächsten Winter alles besser wird? Oder es überhaupt irgendwann einmal vorbei ist? Bislang hat sich noch jede Nachricht vom Ende der Pandemie, ob durch wärmeres Wetter oder den Impfstoff, zuverlässig als verfrüht erwiesen. Wollen wir dann immer in diesem Modus weitermachen? […] Auch eine allgemeine Impfpflicht ließe sich, wie die bisherige Diskussion gezeigt hat, in diesem Sinne verfassungsrechtlich durchaus begründen; man bräuchte nur eine Vorstellung, wie man sie denn durchsetzt, nachdem die politisch Verantwortlichen sie von Anfang an – und wie sich auch hier zeigt: vorschnell – ausgeschlossen haben. Liefen wir dann trotz allem doch in eine Triagesituation hinein, wie sie natürlich niemand wollen kann, wäre die nüchterne Frage, ob und inwieweit die Weigerung, sich selbst impfen zu lassen, als Kriterium für die dann zu treffende Entscheidung zu berücksichtigen ist. Dafür lassen sich durchaus rechtfertigende Gründe anführen, wie kürzlich gezeigt worden ist. Dabei ginge es nicht um ein achselzuckendes „Selber schuld“, wie oft unterstellt wird, um das Argument von vornherein zu diskreditieren: Natürlich soll jeder, ob geimpft oder nicht, die beste Behandlung bekommen, die möglich ist. Aber wenn eine solche Behandlung nach den gegebenen Umständen nur für einige möglich ist, für andere aber nicht, müssen Kriterien gefunden werden, nach denen die Auswahl getroffen wird. Auch hier entspricht es dann einem Gebot gerechter Lastenverteilung, dass, wenn man Entscheidungen frei und eigenverantwortlich trifft, man im Fall des Falles auch die Konsequenzen dieser Entscheidung zu tragen hat; jedenfalls fällt mir kein plausibles Argument ein, das es rechtfertigen könnte, diese stattdessen auf Dritte – wie andere dringend Behandlungsbedürftige – abzuwälzen. (Uwe Volkmann, Verfassungsblog)

Was in dieser beknackten Diskussion übrigens regelmäßig untergeht: die Mehrheit ist konsistent seit Beginn für schärfere Maßnahmen, und zwar deutlich, aber es wird gerne so getan, als ob die Schwurbler die „schweigende Mehrheit“ darstellen würden. Dabei sind sie nur ein besonders lauter Haufen. Das Problem der Impfpflicht ist nicht der verfassungsrechtliche Rahmen. Es sind die politischen Kosten, die von den Verantwortlichen gescheut werden, und die völlige Verweigerung irgendwelcher Planung und Vorbereitung, die eine Impfpflicht de facto unmöglich machen. Selbst wenn eine solche Pflicht nun verabschiedet würde – die Kapazitäten sind ja gerade gar nicht da, wenn man sich die Schlangen anschaut, die allein wegen der Booster-Impfung gerade entstehen. Und die Impfzentren hat man ja in dieser bescheuerten Weigerung, auch nur eine Woche vorauszudenken, ebenfalls geschlossen.

9) Andrew Sullivan and the Narrative of the „MSM Narrative“

In recent years Andrew Sullivan has been othered by parts of the MSM for sins against current political orthodoxy. To him, these recent developments feel like a big, all-consuming story. Because for him, personally, they have been. And I’ll be honest: I get that. I get that a lot. But someone has to defend the honor of the dreaded mainstream media. Because here is the very boring truth about “MSM narratives”: The media is a vast space where actors and institutions are interconnected, but operate semi-independently, according to a variety of incentives. Sometimes independent actors make good-faith mistakes. Sometimes they make bad-faith mistakes. But in most cases—in nearly every case, actually—the marketplace of ideas eventually wins and the truth outs. The MSM is like a giant peer-review system, but where the peer-reviewing takes place after publication. Jonathan Rauch talks about this at length in The Constitution of Knowledge—that the scientific enterprise and the journalistic enterprise have similar modes of operation. Is the journalistic mode great? No. Like democracy, it is the worst system there is—except for all the others. By its diffuse nature, the media can’t be optimized. There will always be flaws and inefficiencies. (Jonathan Last, Bulwark)

Jonathan Last schlägt in seiner Kritik in die gleiche Kerbe, in die ich mit meinen Artikeln zur Frage der Parteilichkeit und zu den Öffentlich-Rechtlichen auch angesprochen habe: die Medien sind ihr eigenes Korrektiv. Das ist quasi die positive Variante. Negativ gesehen neigen sie eben auch zu einem gewissen Herdentrieb und überkorrigieren dann gerne. Das führt dann zu diesen Einseitigkeiten, die immer wieder von den Betroffenen beklagt werden – ob wie ich seinerzeit in den 2000ern der neoliberale Konsens oder diverse Leute jetzt die verspätete Erkenntnis und Überkorrektur der bisher fehlenden Diversity.

Aber insgesamt ist sicher richtig, dass das System sowohl zur Selbstkorrektur neigt (zumindest langfristig) als auch in seinen Problemen kaum zu reformieren ist. Gerade die Freiheit der Medien, die unabdingbar zur Demokratie gehört, verhindert letztlich, dass diese Grunddynamiken sich jemals ändern können. Jede Institution, jedes System hat seine eigenen Dynamiken und Prozesse, die gleichzeitig sein Funktionieren garantieren und ein Problem sind. Die richtige Strategie scheint mir eher ein informierter Umgang damit und der Versuch, die schlimmsten Auswüchse zu vermeiden, zu sein.

10) SPD will Sondersitzung des Landtags

Die SPD-Fraktion dringt wegen der sich zuspitzenden Corona-Lage im Land auf eine Sondersitzung des Landtags noch vor der Konferenz der Ministerpräsidenten am Donnerstag. „Die passive Haltung der Landesregierung in der Corona-Politik der vergangenen Wochen muss ein Ende haben“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch am Montag in Stuttgart. „Während andere Bundesländer bereits strengere Regeln zur Pandemieeindämmung eingeführt haben, schaut die grün-schwarze Landesregierung wie das Kaninchen auf die Schlange, wann denn endlich die Alarmstufe erreicht ist.“ Die SPD könne bei der grün-schwarzen Landesregierung derzeit keine klare Strategie zur Bewältigung der vierten Corona-Welle erkennen. (dpa, Stuttgarter Nachrichten)

Wir sehen hier dieselbe Dynamik, wie ich sie auch beim Thema der Schuldenbremse kritisiert habe. Die Politik hat die unglückliche Neigung, sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen, indem sie sich an arbiträre Zahlen bindet. Das erlaubt es ihr, kollektiv die Hände in die Luft zu werfen und nichts zu tun. In diesem Fall ist es die „Alarmstufe“. Seit sicherlich zwei Wochen explodieren überall die Inzidenzen. Jede*r weiß, dass zwingend Maßnahmen ergriffen werden müssen, und jede*r weiß, dass diese kommen werden.

Aber anstatt zu handeln, wo diese Dinge klargeworden sind, wartet man, bis die Inzidenzen den (arbitären) Wert erreicht haben, für den man die „Alarmstufe“ festgelegt hat. Niemand tut etwas vorher, es wird auch nicht nennenswert geplant und vorbereitet. Seit über zwei Wochen etwa zeigen alle Zahlen deutlich, dass die Infektionen unter Kindern und Jugendlichen explodieren. Trotzdem hat die Landesregierung sich standhaft geweigert, die Regeln zu ändern, bevor die Alarmstufe wieder erreicht ist, diese sinnlose, bedeutungslose Zahl, an die man sich gekettet hat, um auf scheinbare Sachzwänge zu verweisen und ja keine politischen Entscheidungen treffen zu müssen, für die man dann kritisiert werden könnte.

Deswegen ist auch Armin Nassehis Frage, ob wir nichts gelernt hätten, deplatziert. Es ist ja nicht so, als ob Winfried Kretschmann zu blöd wäre, zu lernen, oder zu faul. Es erfordert tatsächlich eine ganze Menge Aufwand, nichts zu lernen. Das ist ein bewusster, stark getriebener Vorgang, anders sind solche abartigen Aussagen wie „hinterher ist man immer schlauer“ gar nicht zu erklären. Hier wird mit einer arroganten Bräsigkeit ganz bewusst nicht dazugelernt, weil das erfordern würde, eigene Entscheidungen zu treffen, mithin also den Job zu machen, für den man gewählt wurde. Deswegen ist es auch so verquer, dieses Phänomen immer auf Merkel zu verengen. Sie ist der herausragendste Exponent dieser Haltung, aber das findet sich quer über alle Parteien und ist ein Prozess der letzten zwei Jahrzehnte. Es ist eine Weigerung der Politik, politisch zu sein.

11) „Der Schlüssel für die Interessen junger Menschen“ (Interview mit Carl Mühlbach)

ntv.de: Viele junge Menschen gehen in den vergangenen Jahren schon auf die Straße, weil sie sich Sorgen machen, wie Politiker heute ihre Zukunft beeinflussen, etwa durch eine verfehlte Klimapolitik. Wie kamen Sie dazu, sich ausgerechnet mit Fiskalpolitik zu beschäftigen?

Carl Mühlbach: Politisch engagiert war ich schon früher, zum Beispiel als Schülervertreter in Bremen. Damals haben wir gegen harte Sparmaßnahmen im Bildungsbereich demonstriert. Später erst habe ich erfahren, dass diese Kürzungen auf die Einführung der Schuldenbremse zurückzuführen waren. Gezielt aktiv geworden bin ich dann in der Anfangsphase der Corona-Pandemie. Als Volkswirtschaftsstudent hat mich die große Diskrepanz zwischen dem ökonomischen Forschungsstand und der öffentlichen Debatte zum Thema Schulden gestört. Wenn es etwa hieß, dass man die Neuverschuldung aufgrund der Corona-Hilfspakete bald zurückzahlen müsse. Ebenso irreführend ist der Mythos, dass sich Deutschland nur aufgrund der Schwarzen Null der Vorjahre die umfangreichen Corona-Hilfen leisten konnte. Um darüber aufzuklären, und die Debatte zu versachlichen, habe ich Fiscal Future ins Leben gerufen. Inzwischen sind wir circa 70 Menschen, die meisten Studierende. Wir haben eine Website gelauncht, übersetzen den wissenschaftlichen Erkenntnisstand und sind auf Twitter und Instagram aktiv. […]

Sie berufen sich auf den Stand der Wirtschaftswissenschaften. Es gibt allerdings auch Ökonomen, die das ganz anders sehen. Gerade in der vergangenen Woche haben sich immerhin zwei der vier Wirtschaftsweisen vehement für den Erhalt der Schuldenbremse ausgesprochen. Kommen Sie da nicht manchmal ins Zweifeln an ihrer Position?

Es stimmt, dass es auch andere Positionen gibt. Es gibt auch immer noch Ökonomen, die glauben, für den Klimaschutz seien überhaupt keine zusätzlichen staatlichen Investitionen notwendig und es handle sich nur um ein Regulierungsproblem. Doch das sind Positionen, die selbst in Deutschland in den Wirtschaftswissenschaften in die Minderheit geraten. Und global gesehen ist das bereits eine Außenseitermeinung. (Max Borowski, NTV)

Wie ich in meinem Artikel zum Paradigmenwechsel bereits prognostiziert habe, schwingt das Pendel der Wirtschafts- und Finanzpolitik gerade langsam in die andere Richtung. Ich zitiere das obige Interview weniger wegen des Inhalts – offensichtlich teile ich diese Positionen – sondern wegen des Framings. Die Abkehr von der bisherigen Orthodoxie wird als zukunftsgewandt geframet, als eine notwendige Voraussetzung zur zukünftigen Krisenbewältigung. Auch die Betonung, dass es sich bei der bisherigen Orthodoxie mittlerweile um eine Minderheitenmeinung handelt ist ein neuer Ton. Die linke Kritik war bislang immer die des einsamen Rufers in der Wüste. Das ändert sich, und irgendwann in den nächsten Jahren wird eine kritische Masse erreicht sein und den Paradigmenwechsel komplett machen.

{ 72 comments… add one }
  • Stefan Pietsch 18. November 2021, 10:22

    2) Climate change, covid and global inequality

    Die größten Fans der CO2-Bepreisung sitzen bei den Klimaaktivisten und den Grünen. Für sie besteht der Charme eben darin, dass der Verbrauch von klimaschädlichen Gasen exorbitant teuer wird und der Staat noch dazu am Hebel sitzt.

    Die Liberalen und die Konservativen lehnen genau das ab. Über die Reduktionsziele im Emissionshandel bestimmt der Staat einerseits, wie schnell es in Richtung Klimaneutralität geht und andererseits, wie teuer es wird. An dem Trigger: Schnelligkeit bedeutet Geld, kann niemand etwas ändern.

    Nun musst Du Dich entscheiden: worum geht es? Schlaraffenland ist nur eine Fiktion.

    Subventionen übrigens machen die Geschichte nur extra teuer. Erfahrungsgemäß fließen sie an jene, die zu den besser Gestellten gehören, haben einen Wirkungsgrad von nahe Null, manchmal sogar darunter, und sorgen wie bei Drogenabhängigen für harte Entzugseffekte. Ich habe kein Unternehmen kennengelernt, das ohne harte Auswirkungen auf Profitabilität und Beschäftigung („Restrukturierung“) von Subventionen weggekommen wäre.

    Subventionen schaffen eine Illusion. Kein Problem wird dadurch gelöst.

    Viel fällt Dir ja auch nicht ein:
    Ohne begleitende Maßnahmen und politische Aushandlungsprozesse, Subventionen und schmutzige Deals wird da nichts gehen, einfach, weil es politisch anders nicht durchsetzbar sein wird.

    Welche „begleitenden Maßnahmen“? Welche „Aushandlungsprozesse“ (merke: keien Maßnahme, sondern ein Weg)? Welche „schmutzigen Deals“? Wenn der Staat Geld verteilt, bekommen die am meisten, die am lautesten schreien und am besten organisiert sind. Bei „Aushandlungsprozessen“ sind jene stark, die besonders viel Zeit haben. Das sind aber nicht die hauptsächlich Betroffenen und nicht die Vertreter der Mehrheit.

    Placebos, Placebos.

  • Stefan Pietsch 18. November 2021, 10:27

    4) & 5)

    Seltene Zustimmung. Jonas Schaible offenbart ein seltsames Demokratieverständnis. Setzt durch, was mir gefällt, gegen alle Mehrheiten und gegen eure Interessen.

    Lafontaine ist ein Charakter, der immer zerstört hat, was er aufgebaut hat. Schließlich war der Mann auch viermal verheiratet.

    • Stefan Sasse 18. November 2021, 11:51

      Jonas hat kein seltsames Demokratieverständnis. Wird das dein Standardvorwurf gegen Leute, die deine Meinung nicht teilen?

      Jepp.

      • Stefan Pietsch 18. November 2021, 12:01

        Die Beschreibung ging nicht gegen die Person, sondern gegen den politischen Standpunkt.

        • Stefan Sasse 18. November 2021, 14:55

          „Jonas Schaible offenbart ein seltsames Demokratieverständnis.“

          Wenn das nicht gegen die Person geht, was dann?

  • Stefan Pietsch 18. November 2021, 10:41

    7) »Perfekte Deutschkenntnisse vorausgesetzt« – warum eigentlich?

    Ja, es gibt sie noch, die sehr homogenen deutschen Unternehmen. So wie es homogene französische, spanische oder italienische Unternehmen gibt. Ohne perfekte Sprachkenntnisse der Landessprache ist es da mit den Kollegen schon schwer.

    Es gibt auch sehr gute Gründe Muttersprachler in einigen Positionen zu verlangen. Ein radebrechender Vertriebler ist nicht unbedingt ein Aushängeschild und wird wenig Aufträge an Land ziehen. Ein Einkäufer, der die lokalen Nuancen der Verhandlungsführung nicht versteht, kann keinen Vorteil für das Unternehmen herausschlagen. Hinzu kommt, dass in Zeiten der Zerschlagung von Bullshit Castle (Originalton Detlev Schrempp) der Großteil der Beschäftigten irgendwo an der Front sitzt. Auch Verwaltungsleute müssen heute in kleineren und mittleren Unternehmen den Telefonhörer abnehmen, wenn das Telefon klingt. „Sorry, do you speak English?“ veranlasst so manchen eher, wieder aufzulegen. Und Kunden auf der Suche nach Lösungen rufen selten zweimal an.

    Es gibt aber längst auch eine breite Phlanax an Unternehmen und Branchen, in denen die Belegschaften kulturell höchst gemischt sind und Englisch Firmensprache ist. In solchen Organisationen sind Deutsche mit geringeren Fremdsprachenkenntnissen klar im Hintertreffen, so stark, dass sie oft gar nicht eingestellt werden. Was für die Betroffenen auch nicht lustig ist und Resentiments schürt.

    In den Hochzeiten der Staatsschuldenkrise konnte der Arbeitsmarkt in Berlin, München, Frankfurt problemlos hunderttausende Wanderarbeiter aus den Randbereichen der Europäischen Union aufnehmen, Hauptsache Englischkenntnisse. Den Kritikern sei aber mal empfohlen, nach Spanien oder Frankreich zu gehen und zu schauen, wie sehr man sich dort auf ausländische Arbeitskräfte eingestellt hat.

    In den meisten Stellenanzeigen steht zwar das Erfordernis „verhandlungssicher“ oder „fließend“ drin („perfekt“ habe ich praktisch nie gelesen), aber das ist relativ. Die meisten Interviewer trauen sich nicht, die Sprachkenntnisse des Bewerbers zu testen, der ihnen da gegenüber sitzt. Es könnte sein, dass derjenige besser Englisch spricht als man selbst.

    • Stefan Sasse 18. November 2021, 11:52

      Ja, diese Furcht ist sicher real. Dass ein Vertriebler flüssig sprechen können muss ist sonnenklar, der Artikel spricht ja auch explizit von jenen Positionen, in denen keine Verhandlungen oder Verkauf betrieben werden.

      • Stefan Pietsch 18. November 2021, 12:00

        Solche Positionen gibt es gar nicht so häufig. Häufiger ist, was ich beschrieben habe: in manchen Branchen benötigt man nicht perfektes Deutsch, sondern perfektes Englisch. Wer jedoch weder das eine noch das andere entsprechend kann, wird auch weiterhin große Schwierigkeiten haben, beruflich voranzukommen und ein höheres Einkommen kaum erzielen können.

  • Stefan Pietsch 18. November 2021, 10:49

    11) „Der Schlüssel für die Interessen junger Menschen“ (Interview mit Carl Mühlbach

    Ein paar Sätze zur Bestätigung der eigenen Position. Nicht gerade viel.

    Wir erleben gerade das schizophrene Agieren der Linken. Bekannte Protagonisten in Übersee wie manche beim IWF und ganz viele in Brüssel, noch mehr in Italien und Spanien, fordern von Deutschland eine höhere Verschuldung, weil es sich das Land leisten könne. Wenn aber hohe Schulden kein Problem sind, warum können es sich sehr wohlhabende Länder wie Italien und Frankreich nicht leisten, mit einem Boost an neuen Schulden ihre nationalen Krisen zu bekämpfen?

    In den Tagen, wo die Geldpolitik eingestehen muss, über die Inflationsgefahren die Bevölkerung belogen oder getäuscht zu haben (je nach Auslegung) oder schlichtweg in ihrem Kernfeld keine Kompetenz zu besitzen, meinst Du, das Pendel schlüge zurück und nun sei die Zeit hoher Verschuldungsquoten gekommen. Wir haben sie schon, die sind schon da. Nur sind die Probleme damit keinen Milimeter kleiner geworden. Manche meinen, sie seien sogar größer geworden.

    • Stefan Sasse 18. November 2021, 11:52

      Ich bin in meiner Prognose ziemlich zuversichtlich.

      • Stefan Pietsch 18. November 2021, 11:57

        Die Schuldenbremse steht in der Verfassung und kann nur mit Zweitdrittelmehrheit im Bundestag wie Bundesrat geändert werden. Der Verstoß dagegen ist ein glatter Verfassungsbruch. Die Schuldenbremse wurde in einem einmaligen historischen Akt beschlossen, eine solche Sternenkonstellation hat es zuvor in 60 Jahren nicht gegeben.

        Außer den Grünen ist keine Partei gewillt, Verfassungsbruch zu begehen und die Hand an die zivile Ordnung von Staat und Gesellschaft zu legen.

        • Stefan Sasse 18. November 2021, 14:53

          Auch die Grünen nicht. Nimm die ideologische Brille ab. Die Grünen wollen sie abschaffen, was völlig verfassungsgemäß ist. Du schlägst mit diesem Vorwurf nur noch blind um dich.

          • Stefan Pietsch 18. November 2021, 15:08

            Die Grünen haben bei der letzten Bundestagswahl so um die 69,5% erhalten, oder? Blätter, blätter – oh, es waren ja nur 14,8%. Sorry, Stefan, da fehlen ein paar Prozentpunkte zur Zweidrittel-Mehrheit, wenn mich meine mathematischen Künste nicht im Stich gelassen haben.

            Noch einmal: die Grünen wollen das Grundgesetz ändern. Wahlen haben ergeben, dass dafür nicht nur die FDP, sondern auch die der Union notwendig ist. Deren Politiker, mehr aber noch deren Wähler lehnen eine Grundgesetzänderung rigoros ab!

            Die Grünen sind auch der Ansicht, man müsse dann halt in solchen Fällen tricksen. Anders ausgedrückt: die Verfassung nicht einhalten bis jemand kommt und dagegen klagt.

            • Stefan Sasse 18. November 2021, 18:59

              Du bist so blind vor Hass gegenüber den Grünen, das ist echt faszinierend.

  • schejtan 18. November 2021, 12:36

    7)

    In meinem internationalen Freundeskreis sorgt die deutsche Obsession mit „akzentfreiem“ Deutsch ja immer wieder fuer Erheiterung; ueberall sonst wird es als vollkommen normal angesehen, dass Leute mit Akzent sprechen und als Einwanderer auch nach durchaus laengerem Aufenthalt nicht jede Feinheit wie zum Beispiel Idiome verinnerlicht haben.

    Mehr zum direkten Thema: Ich hab ja beruflich haeufiger mit Asiaten vor allem Japanern zu tun. So gut wie keine englische Mail, die ich von denen erhalte ist grammatikalisch korrekt oder enthaelt nur „richtige“ Vokabeln. Verstaendigen koennen wir uns irgendwie trotzdem.

  • Thorsten Haupts 18. November 2021, 15:43

    Zu 1:

    Yup. Eine der wirklich wenigen Obsessionen, die bei mir unter „typisch deutsch“ laufen. Demokratietheoretisch schwierig ist die dahinter stehende, in Deutschland ziemlich festsitzende, Unterstützung der im Kern totalitären Idee der „volontee generale“.

    Zu 9:

    In den letzten 10 Jahren jedenfalls gab es in den liberalen Medien der USA keinen Ansatz zur Selbstkorrektur, sondern eine zunehmende Beschleunigung in Richtung woken Wahnsinns. Sie können in der New York Times inzwischen offen bestreiten, dass es biologisch (!) 2 Geschlechter gibt oder können einen Artikel daüber schreiben, warum die Zuschreibung von Schwangerschaft zu Frauen patriarchale Unterdrückung darstellen – und werden dafür nicht mal ausgelacht. Die USA haben sich ihre rechtsradikalen Medien (von OAN über Fox zu den ganzen rechten Radiosendern) redlich verdient, es ist nämlich das einzige nennenswerte Gegengewicht zu den linksliberalen und linksradikalen Idioten der „MSM“. Die winzigkleine Truppe der verbliebenen klassisch Liberalen (Cathy Young, Bari Weiss Claire Lemon oder eben Andrew Sullivan) ist dagegen publizistisch nichtexistent.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • CitizenK 18. November 2021, 17:28

      zu 1)
      Dazu Mark Schieritz in der ZEIT vom 18.11.21: „Man könn­te des­halb die The­se ver­tre­ten, Rous­seau läh­me die ak­tu­el­le Po­li­tik.“
      „War­um ist die Po­li­tik so zö­ger­lich? Wer je­den mit­neh­men will, kommt nicht vom Fleck“ 

    • Stefan Sasse 18. November 2021, 18:59

      9) Ein Geisterfahrer? Hunderte!

      • Thorsten Haupts 21. November 2021, 12:46

        Ein weiterer Geisterfahrer, demnächst auch bei Ihnen im Theater:

        https://twitter.com/maternus/status/1462338995896029186

        „Der Schulrat von Toronto lehnt eine Veranstaltung mit der jesidischen Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad ab, weil ihre Memoiren über die Gefangennahme und sexuelle Versklavung durch die Terroristen des Islamischen Staates „Islamophobie schüren“ würden.“

        Würg …

        Gruss,
        Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 18. November 2021, 16:57

    Zu 2:

    Ohne begleitende Maßnahmen und politische Aushandlungsprozesse, Subventionen und schmutzige Deals wird da nichts gehen, einfach, weil es politisch anders nicht durchsetzbar sein wird.

    Aber ganz sicher .-). Nur – was zur Hölle spricht dagegen, alle diese Dinge in Verbindung mit exakt einem geeigneten Instrument (CO2 Handel oder CO2 Steuer) zu tun, anstatt die Anstrengungen auf 50 Peferdehändel zu verzetteln? Ich verstehe das Argument einfach nicht – im Kern geht es darum, durch Geldausgeben Arbeitsplätze bzw. reale Nettoeinkommen zu erhalten. Ob man das anhand einer oder anhand von 100 Massnahmen macht, ist doch völlig wurscht?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Lemmy Caution 18. November 2021, 20:27

    zu 7) Die Kommunikation in Software-Projekten ist sprachlich hochinteressant, v.a. wenn man als Projektsprache Deutsch hat.
    a) V.a. osteuropäische Kollegen haben oft nicht so gute Deutsch-Kenntnisse. Das behindert die sicher in ihrer Performance. Oft muss ich nachfragen, was die meinen und manchmal muss ich etwas doppelt erklären. Mach ich aber gerne.
    Ich hatte einen venezolanischen Kollegen mit einem gewaltigen passiven und aktiven deutschen Wortschatz, in der schriftlichen Kommunikation verzichtete er aber konsequent auf gewisse Grammatik-Features wie Akkusativ oder Dativ. Man konnte das übrigens gut lesen.
    b) Einige Inder und Nordafrikaner arbeiten zwar als gutbezahlte Freelancer in Deutschland, weigern sich aber Deutsch zu lernen. Selbst mit Deutsch als Projektsprache. Behindert die sicher in ihrer Performance. Ich erkläre denen gerne Details in Englisch, aber manches bekommen die dann einfach nicht mit.
    c) Ich hab einen holländischen Kollegen, mit dem ich in der Woche im Schnitt bestimmt 4 Stunden auf Deutsch rede. Sprachlich gibt es mündlich überhaupt keine Probleme. Wenn der aber Dokumentation schreibt, sind die Konstrukte manchmal richtig schwer verständlich.
    d) alte Hasen: So Leute mit 20+ business relevante Programmier-Erfahrung haben sich nicht selten einen sehr eigenen Sprachstil angeeignet. Das ganze ist durchsetzt mit Fachbegriffen ihrer Lieblingsthemen. Die verwenden sie aber individuell, d.h. eigentlich nicht ganz richtig. In Gruppen-Chats oder Meeting muss man die oft für die anderen Teilnehmer diskret übersetzen. Diskret ist wichtig, sonst fühlen die sich angegriffen.
    e) business Analysten, Leute auf der Karriereleiter: Kommunizieren in business-kasperanisch. Es gibt bestimmte buzzwords. Mir fällt da aktuell nur ‚unterstützen‘ ein, aber es gibt da viel mehr. Ich antworte auf der ihre Beiträge immer mit einer bewußt einfachen Sprache. Ich hab da leider den Eindruck gewonnen, dass die Benutzung von dieser business-Sprache das Gehirn offenbar sehr in Beschlag nimmt. Einfachste Hinweise wie „schau mal in der Datei auf dem T-Laufwerk“ (und dahinter der Windows-Pfad in
    Klammern) führt nicht selten zu Rückfragen.

    • Stefan Sasse 19. November 2021, 07:43

      Entwickelt nicht jede Fachrichtung ein bisschen ihre eigene Fachsprache? Ich denk grad an die Bundeswehr mit ihrem Abkürzungsfimmel, den Außenstehende überhaupt nicht verstehen 😀

      • Lemmy Caution 19. November 2021, 20:20

        Geht nicht um Abkürzungen, sondern um Konzepte wie Semaphore, Bounded Context, Anti-Corruption Layer, etc. Muss man erlebt haben.

  • Darwins monkey 18. November 2021, 22:13

    Steht im gg nicht auch dass Eigentum verpflichtet?

    • Stefan Sasse 19. November 2021, 07:43

      Klar. Aber daraus folgt ja keine konkrete Handlungsanweisung.

  • CitizenK 19. November 2021, 07:28

    „Verfassungslyrik“ nennen das die …üblichen Verdächtigen.
    Was nicht gefällt, wird für irrelvant erklärt.

    • Stefan Sasse 19. November 2021, 07:43

      Worauf beziehst du dich?

      • CitizenK 19. November 2021, 10:08

        Auf den Beitrag von Darwins monkey – Art. 14 II GG.

        Daraus folgt keine Handlungsanweisung?

        Hätte man bei „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ auch sagen können – hat „man“ ja auch bis 1957 und in Teilaspketen bis 1977 – und lange keine legislativen Konsequenzen daraus gezogen.

        Der Zeitgeist schlägt durch bis in die Interpretation von Verfassungsartikeln . Vielleicht führt ja der von dir erahnte (erkannte?) Paradigmenwechsel auch hier zu einer Veränderung? In letzter Zeit liest man ja wieder von „Commons“ und „Allmende“ und „Externalisierung“. Das galt die letzten fünfzig Jahre als spinnert oder kommunistisch.

        • Thorsten Haupts 19. November 2021, 11:05

          Vielleicht führt ja der von dir erahnte (erkannte?) Paradigmenwechsel auch hier zu einer Veränderung?

          Darauf würde ich nicht wetten. Die einzige Chance dafür läge in einer absolut passgenauen öffentlichen Debatte, die jeden (potentiellen) Eigenheimbesitzer niemals vermuten lässt, er sei mitgemeint. Und diese Chance ist nicht grösser als exakt 0.

          Es gibt einen Grund dafür, warum auf dem Höhepunkt der Massenzuwanderungskrise 2015 praktisch jede/r relevante Politiker/in eine vorsichtig und am Rande geäusserte Idee einiger Irrer – Zwangseinweisungen – sofort dementiert hat. Der 14 er in seiner jetzigen Fassung ist ein Relikt aus 1949/1950 ohne jede praktische Bedeutung. Meine begründete Vermutung ist, sollte er jemals ernst genommen (= mit praktischen Konsequenzen belegt) werden, wird er eher umformuliert bzw. die Gemeinwohleinschränkung abgeschafft.

          Eine halbwegs wohlhabende Mittelschicht ist und wird niemals sozialistisch :-).

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 19. November 2021, 11:25

            Die Einschätzung teile ich auch.

          • CitizenK 19. November 2021, 13:27

            Das ganze GG ist ein Relikt aus dieser Zeit. Es geht nicht um Sozialismus. Aber ich gebe zu: ihr seid sehr erfolgreich mit diesem framing.

            • Stefan Sasse 20. November 2021, 14:04

              Wie jede Verfassung, klar. Aber die wird ja immer neu interpretiert und ausgelegt. Aktuell sind diese eher „sozialistischeren“ Aspekte sehr wenig relevant, aber das könnte sich theoretisch ändern (ich bin aber bei Thorsten dass ich nicht sehe wie).

        • Stefan Sasse 19. November 2021, 11:24

          Genau, mein Punkt ist nur dass zu sagen dass das im GG steht kein Totschlagargument ist. Das erfordert aktives Handeln und Auslegen.

          • CitizenK 19. November 2021, 15:36

            Eben, nur 3 Beispiele
            Zeitgeist Gleichberechtigung: Karlsruhe krempelt das gesamte Familienrecht um.
            Zeitgeist Datenschutz: Karlsruhe erfindet ein Grundrecht, das gar nicht in der Verfassung steht.
            Zeitgeist Klimaschutz: Karlsruhe verpflichtet die Legislative auf sehr Grundlage zu zukünftigem Handeln.

            Ein auf Zeitgeist „Gemeinwohl“ reagierendes Verfassungsgericht könnte aus GG 14.2 ohne Weiteres eine Vermögensteuer für (sehr) große Vermögen ableiten. Ohne Verrenkungen.

            • Stefan Pietsch 19. November 2021, 17:48

              Immer seltsam, dass der vermeintliche Zeitgeist stets links weht. Kommt er im Gewand des Rechtspopulismus daher, ist es kein Zeitgeist, sondern nur ein Irrtum.

              Das Grundgesetz steht der Vermögensteuer nicht entgegen. Sie wird explizit erwähnt. Über die Erhebung jedoch entscheidet, kleine Verfassungskunde, nicht die Judikative, sondern die Legislative. Dabei muss jede Steuer die Grundrechte beachten: nicht konfiskatorisch, verhältnismäßig und vor allem horizontal gerecht. Ein Aktienvermögen von 1 Million Euro korrekt zu besteuern, ist leicht. Sehr schwierig ist es, ein Immobilienvermögen oder gar ein Unternehmensvermögen von 1 Million Euro exakt zu erfassen, so dass es wie das Aktienvermögen besteuert werden kann. Bei Kunst und Schmuck ist es praktisch aussichtslos.

              Es kann aber nicht sein, dass der Aktienbesitzer genau taxiert wird, während man es andernfalls bei Schätzungen und Pauschalen belässt. Es war naheliegend, dass Scholz und die Grünen das Angebot der FDP annahmen, auf eine Vermögensteuer zu verzichten. Puh, nochmal Glück gehabt, dass die Liberalen sie vor ihren Dummheiten gerettet haben.

              • Stefan Sasse 20. November 2021, 14:10

                Politisch verständlich, ja. Und der Zeitgeist weht natürlich auch von rechts, man denke nur an die rassistischen Verschärfungen des Asylrechts oder die Sicherheitsgesetzgebung der 2000er Jahre.

                • CitizenK 20. November 2021, 20:37

                  Der neoliberale i. S. von Reagan/Thatcher Zeitgeist war definitiv nicht „links“. Und hat gewirkt – in alle Lebensbereiche hinein. Und tut es noch.

                • Stefan Pietsch 21. November 2021, 08:01

                  Soso. Artikel 16a Grundgesetz ist rassistisch. Denn der wurde Anfang der Neunzigerjahre tatsächlich in Präzisierung des bisherigen Artikel 16 geschaffen. Ich kopiere ihn jetzt nicht völlig ein, aber was daran rassistisch sein soll, wüsste wahrscheinlich nicht nur ich gerne:

                  (1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
                  (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.

                  https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_16a.html

                  • Stefan Sasse 21. November 2021, 13:05

                    Die Debatte zur Verschärfung war es ohne Zweifel.

                    • Stefan Pietsch 21. November 2021, 20:07

                      Nein, keineswegs. Ich habe damals die Debatten insbesondere im Bundestag verfolgt. Nicht nur die SPD hat damals sehr mit sich gerungen. Aber damals wurde erstmals klar, dass das Individualrecht auf Asyl reformiert werden muss, wenn es in seinem Kern erhalten beleiben soll. Dieses wichtige Recht ist für wenige bestimmt, nicht für Millionen Flüchtlinge, die tatsächlich vor Krieg und Armut fliehen, aber politische Verfolgung vorschützen, um in den Genuss weitreichender Rechte zu kommen.

                      Die Debatten waren abseits der Republikaner ernsthaft, es wurde mit Blick auf die deutsche Geschichte gerungen, aber niemanden kam damals in den Sinn, es wären rassistische Debatten. Mit Blick in anscheinend selektive Geschichtsbücher nach Jahrzehnten so zu urteilen, hat etwas von Arroganz zu spät Geborener.

                • Stefan Pietsch 21. November 2021, 08:06

                  Aber Du hast bestätigt: kommt der Zeitgeist von rechts, ist er rassistisch und damit ein Irrtum. Im Bereich der inneren Sicherheit hinkt Deutschland Lichtjahre den anderen Demokratien hinterher. Wir können ja nicht einmal Terroranschläge eigenhändig aufklären, weil ausländische Dienste für uns die Daten erheben, die wir nicht haben wollen, und die Schwerkriminellen festsetzen, die wir lieber laufen lassen.

                  • Stefan Sasse 21. November 2021, 13:06

                    Es muss ja nicht alles falsch sein, was von rechts kommt, das hast du jetzt gesagt. 😛

                    • Stefan Pietsch 21. November 2021, 19:55

                      In den letzten zwei, drei Wochen habe ich mehrmals die Begeisterung gelesen, wie wichtig und wie nützlich gesellschaftliche Reformen waren. Und dann zählten die drei Kommentatoren nur „linke“ Veränderungen auf. Das ist für mich dann schon ein seltsames Verständnis von „Entwicklung“.

                      Die Kohl-Regierung hat wichtige Vorarbeiten für die später unter Rot-Grün durchgeführten Steuerreformen geleistet. Die Hochsetzung des Rentenentrittsalters war eine sehr wichtige Reform, die sich aus der demographischen Entwicklung ergab. Auch die Schuldenbremse zählt dazu und wird durchgehend vom Großteil der Bevölkerung unterstützt. Die Präzisierung des Asylartikels war absolut notwendig, was heute wieder gilt. Denn das Individualrecht war nie dafür gedacht, von Millionen Menschen in Anspruch genommen zu werden.

                      Warum fallen linken Kommentatoren eigentlich solche Reformen nicht als vorzeigbar ein? 🙂

                    • Stefan Sasse 21. November 2021, 21:52

                      Weil ich die Steuerreform keine positive Veränderung fand, die micht begeistert. Gleiches gilt für Rentenreform. Schuldenbremse lehne ich ab.

                      Merkwürdig, warum feiere ich das nicht?

                    • Stefan Pietsch 21. November 2021, 22:35

                      Schön wie Du die eigene Argumentation zerlegt hast.

                    • Stefan Sasse 22. November 2021, 10:46

                      Im Gegensatz zu dir stelle ich nicht die Behauptung auf, irgendwie der einzige Mensch auf Gottes weitem Erdboden zu sein, der vollständig rational und sachlich an Dinge rangeht.

            • Stefan Sasse 20. November 2021, 14:08

              Korrekt.

  • cimourdain 19. November 2021, 09:37

    1) ‚Hat es schon immer gegeben‘ ist ein schwaches Argument, das auch Diskriminierung von Minderheiten (bei rechtem Licht betrachtet die stärkste Spaltung der Gesellschaft überhaupt) zutrifft. Wichtiger ist doch, dass eine Gesellschaft keine großen Anstrengungen hinkriegt, wenn die Hälfte dagegen schießt.

    3) Die Holocaust-Aufarbeitung ist nur eine Kombination historischer Faktoren zustande gekommen: Totale Niederlage der Nazis; durch die Siegermächte erzwungene Geschichtsaufarbeitung und mediale Präsenz. Diese Kombination sehe ich beim Kolonialismus nicht. [Es sei denn, das UK möchte sein Empire militärisch wieder herstellen und wird in Folge dessen von einer indisch-panafrikanischen Allianz besiegt, besetzt und geteilt]

    5) Freu dich nicht zu früh: Die PDS kam 1998 auch nur um Haaresbreite (5,1%) in den Bundestag. Aber durch das Werbeprogramm ‚Rot-Grüne Regierung‘ stand sie 2005 bei 8,7 % stabil.

    7) Meinst du mit „Auch am Deklinieren des Plusquamperfekt scheitern reihenweise Erwachsene,…“ das Konjugieren im Plusquamperfekt oder das Deklinieren des Wortes Plusquamperfekt? In beiden Fällen eine selbstbestätigende Aussage 😛

    8) Die Mehrheit der Bevölkerung ist im wirklichen Leben weder Team ‚Vorsicht‘ noch Team ‚Freiheit‘, sondern Team ‚Pragmatismus und Rücksichtnahme‘. Dazu gehört vernünftiges Verhalten und ein bemerkenswerter Widerspruch: Jede einzelne staatliche Maßnahme wird – wenn darauf konkret angesprochen – als ungerechtfertigt empfunden, aber in toto sollen sie gerechtfertigt bis zu schwach sein. Woran diese paradoxe Haltung liegt: siehe unten.

    9) Konkret hat die Rudolf-Augstein-Stiftung eine empirische Studie zur Berichterstattung zu Corona herausgegeben. (Lass dich nicht vom provokanten Titel abschrecken, das ist solide Arbeit)
    https://rudolf-augstein-stiftung.de/wp-content/uploads/2021/11/Studie-einseitig-unkritisch-regierungsnah-reinemann-rudolf-augstein-stiftung.pdf
    Wenig überraschend : Eine klare Schlagseite zugunsten einer restriktiven Coronapolitik (lies: Regierungskritik kam fast ausschließlich aus der Richtung ‚zu lasch‘). Die Gründe sind imho. klar: Rudelverhalten, Schwarz-weiß-Denken ‚Haltungsjournalismus‘, Klassen- und Wirtschaftsinteressen, das ganze ‚manufacturing consent‘ Programm halt. Und da ist der ÖR mit seiner beherrschenden Position, was Bildnachrichten betrifft der größte Treiber dieser Tendenzen.

    • Stefan Sasse 19. November 2021, 11:23

      1) Ja, aber du missverstehst mich da ein wenig. Der Punkt ist nicht, dass die Hälfte immer dagegen schießt. Der Punkt ist, dass du nie 100% Zustimmung zu irgendwas haben wirst. Nicht mal 50 oder 60%. Stattdessen werden Aushandlungsprozesse gefunden, und die unterlegene Seite findet sich mit dem Sieg der überlegenen ab und akzeptiert den neuen Status Quo. Aber falsch ist die Sicht, dass alle das toll finden müssten. Das ist nicht der Fall.

      3) Natürlich haben wir die da nicht, aber was du nennst, sind wenn überhaupt notwendige, nicht aber hinreichende Bedingungen. Sonst wäre die Aufarbeitung der japanischen Kriegsverbrechen ja wesentlich besser als sie ist.

      5) Lass mich hoffen.

      7) 😀

      8/9) Immer wieder faszinierend, wie unterschiedlich wir das alle sehen…

      • cimourdain 20. November 2021, 00:48

        1) Und genau da sind wir beinahe beineinander. Der Punkt ist doch, dass dieser Aushandlungsprozess sehr langfristig und in vielen zähen Schritten stattfindet und das gut so ist. Oder glaubst du, es hätte die vielen positiven Veränderungen in der Geschichte gegeben, wenn die jeweils änderungswillige Seite nach einem widrigen Gerichtsurteil/Abstimung etc gesagt hätte’Lasst gut sein, die anderen haben gewonnen‘. Wenn aber dieser Aushandlungsprozess von einer oder gar beiden Seiten verweigert wird, kommt es zu Radikalisierung, Sabotage, im Extremfall Gewalt.

        3) Nenne mich verbittert, aber der Unterschied ist, dass die Opfer der japanischen Kriegsverbrechen keine Weissen waren sondern Asiaten. Warum sollten die USA als Siegermacht das thematisieren? [noch dazu betraf es vor allem China und Korea, also Länder, die in der Nachkriegszeit kommunistisch waren]

        8) Glaube ich eben genau nicht, dass es so unterschiedlich im wirklichen Leben ist. Schau dich im Alltag um. Wie gehst du selber mit Ungeimpften im Bekanntenkreis um? Wo trägst du Maske und nutzt Tests (und wo nicht) unabhängig von Regulierungen? Welche privaten Feiern finden in welchem Rahmen statt? Dieser private Aushandlungsprozess ist sehr viel effizienter und leichter zu befrieden als der in der politischen Öffentlichkeit (siehe 1).

        9) Es ist tatsächlich fast eine ‚ideologische‘ Trennlinie, ob man die Arbeit der klassischen Medien eher Mit Vertrauen oder Misstrauen sieht. Ab dem Moment, wo du einer Sichtweise zuneigst, hast du einen ‚confirmation bias‘ für Aussagen, die dich bestätigenAber deswegen diskutiere ich ja hier: nicht um im Handstreich andere zu bekehren, sondern um viele kleine Zweifelskeime zu säen, bis sich die Einsicht in (meine) richtige Sichtweise bei euch anderen durchsetzt. 😉

        • Stefan Pietsch 20. November 2021, 10:33

          1) Wir haben eine Demokratie und einen Rechtsstaat. D.h. Aushandlungsprozesse werden im Parlament verhandelt und mit Mehrheit beschlossen. Dem hat sich jeder zu fügen. Und wer dann sich widersetzt, wird mit allen Mitteln verfolgt und bestraft. Genau diese Form der öffentlichen Entscheidungsfindung befriedet wie keine andere Form.

          Was vermissen Sie?

          • cimourdain 21. November 2021, 12:07

            Vermissen? Das was Geschichte interessant macht: Revolution, Bürgerkrieg, wenigstens ein Königsmord. Was Sie schildern ist langweilig und langwierig. Es gibt immer wieder ein Rematch: eine neue Regierung, ein geändertes Gesetz, ein anderes Urteil. Und das ergibt das Bild einer Politik, die feststeckt, was manche zu ‚Ein starker Mann (m/w/d) sollte einfach mal durchgreifen‘

            • Stefan Pietsch 21. November 2021, 20:11

              Das ist eigentlich die Argumentationsweise von Demokratiekritikern. Sie ist aber historisch falsch. Selbst Trump gelang es übrigens nicht, Obamacare wieder zurückzudrehen.

              Demokratie ist sehr widerstandsfähig, beweist sich aber fähig zur Korrektur. Was Sie als langweilig und langwierig beschreiben, ist das, was Wohlstand und Zivilisation erst möglich machen.

        • Stefan Sasse 20. November 2021, 14:16

          1) Korrekt.

          3) Spielt bestimmt auch mit rein, ja. Aber wir wurden ja auch nicht dazu gezwungen, das war ein innerdeutscher Prozess, keiner, der von den USA angestoßen worden wäre. Niemand interessierte früher, dass die Deutschen den Holocaust nicht aufgearbeitet hatten – außer den Deutschen selbst irgendwann.

          8) Ich hab keine Ahnung was die aktuellen Regeln sind. Ich trage Maske in Innenräumen. Ich teste mich eh montags, mittwochs und freitags und bevor ich mich am WE mit Leuten treffe. Sind das die Regeln? Ka, aber macht Sinn.

          9) Fair! 😀

          • cimourdain 21. November 2021, 12:17

            3) Aufgezwungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit schon ( Vorführungen von KZ-Dokumentarfilmen). Später haben die Deutschen von Hollywood die Aufarbeitung bekommen, weil die Nazis die idealen Filmschurken waren. Der Krieg Japans dagegen war immer in westlicher Wahrnehmung fokussiert als Konflikt mit den USA, weswegen die Japaner als Gegner dargestellt wurden und nicht als Verbrecher. Das geht bis zu einem (sehenswert) verständnisvollen Blick in ‚Letters from Iwo Jima‘.

            • Stefan Sasse 21. November 2021, 13:07

              Das war aber nur sehr kurz und weitgehend wirkungslos. Und nein, Hollywood-Nazis waren alles, aber keine Aufarbeitung. Die waren das genaue Gegenteil.

  • Thorsten Haupts 19. November 2021, 10:45

    Und da ist der ÖR mit seiner beherrschenden Position, was Bildnachrichten betrifft der größte Treiber dieser Tendenzen.

    Völlig ausgeschlossen. Mir wurde von vielen hundert total seriösen und absolut neutralen Personen im wieder versichert, der ÖRR berichte total ausgewogen, immer neutral und journalistisch zu 100% sauber, das werde nur von gemeinen Rechts- (und ganz manchmal total lieben Links-)radikalen bestritten.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 19. November 2021, 11:24

      Weiß nicht wer das gemacht hat. Ich hab nur gesagt, dass er nicht total einseitig, aktivistisch und zu 100% dreckig ist.

  • Dennis 19. November 2021, 11:13

    Was Spalterisches zu # 1:

    Zitat ganz am Ende:
    „…und deren Austragung uns nach vorne bringt.“

    Da wird‘ s interessant, denn es stellt sich die Frage: Was heißt eigentlich „austragen“ genau und praktisch? Unendliches Talkschaugequatsche ohne handlungsbildendes Ergebnis, weil Uneinigkeit erwünscht und allemal „spannend“ (ein Modewort der Saison) ist?

    Die schlechte Nachricht: Politik heißt wesentlich: Exekutive Maßnahmen mit Zwangscharakter aufgrund von vorherigen legislativen Maßnahmen. Das war noch nie anders und kann auch demokratisch nicht anders sein. Wenn das nicht so wäre, könnte man/frau alles was „politisch“ heißt – weil gänzlich überflüssig – abschaffen. In der schröderianischen Ultrakurzformel ausgedrückt: Basta

    Auch Feddersen in der Taz umschreibt das Problem etwas verschwurbelt um die Hässlichkeit des Begriffes „Zwang“ zu vermeiden, aber alles, was in den letzten Absätzen nach „politisch zu sprechen, darauf käme es an:“ genannt wird, läuft darauf hinaus. Am Ende heißt es

    Zitat:
    „Dass das zu einer Spaltung der Gesellschaft führen kann: Na und? “

    Heißt: Der Staat darf durchgreifen (man/frau mag es netter ausdrücken und rhetorisch in Watte packen), im Rahmen der Gesetze auch gegen Kreuz- und Quer- oder wie auch immer Denker aller Art. Nichtstun zu Gunsten einer handlungsvermeidenden Streitkultur mit Ewigkeitscharakter und die Heiligsprechung des im-Kreis-Laufens (deutsch für „Diskurs“) stößt offenbar an Grenzen.

    Noch was zu 7)

    An einem „Personalauswahlprozess“ dieser, also sprachkundlicher, Art wäre übrigens ein gewisser Albert Einstein weiland in Pinceton kläglich gescheitert. Es gibt nette Anekdoten über sein kreatives Englisch z.B. bei Vorlesungen ( „I will a little tink“).

    Bei Ansprachen pflegte er vorsichtshalber Wort für Wort abzulesen, gleichwohl hielt man zuweilen Untertitel zum besseren Verständnis für ratsam:

    https://www.youtube.com/watch?v=hdprkUgWTg4

    Wie ein Personalauswahlheini wohl das äußere Erscheinungsbild beurteilt hätte, könnte man/frau auch noch fragen.

    • Stefan Sasse 19. November 2021, 11:26

      1) Die Zwangsmaßnahmen der Politik folgen aber aus einer vorherigen Austragung. Der Kram, den der BT beschließt und die BR dann exekutiert wird ja vorher diskutiert.

      7) Jepp.

      • Ariane 20. November 2021, 01:05

        Das ist ganz spannend, ich stimme Dennis da auch teilweise zu. Das hat sich ziemlich abgespaltet, klar wird im Parlament diskutiert.

        Aber es gibt auch zunehmend „Quatschdiskussionen“, viele Medien tragen ja mit ihrem Bothsiderismus dazu bei, dass man den Eindruck bekommt, man hätte es hier mit einer Spaltung der Gesellschaft zu tun, obwohl wie bei den Einschränkungen eigentlich die Mehrheitsmeinung sehr deutlich ist.

        Und das führt ja dazu, dass sich der Diskurs nicht auf sowas konzentriert, wie man denn bitte 3G in Bus und Bahn umsetzen sollte, sondern auf Quatschfeldern landet wie „Existiert Covid wirklich?“ „Ist die Pharmamafia an allem schuld“ oder „wo sind die Echsenmenschen?“ und das ist halt vor allem Lärm und bringt mal gar nichts voran. Außer die nächste Talkshow über die angebliche Spaltung der Gesellschaft^^

  • Ariane 20. November 2021, 01:21

    10) Die Faz hat dazu einen Artikel, der jetzt leider Pay ist (ich hasse das!)
    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/vierte-corona-welle-krise-einer-generation-der-fuehrungsschwachen-17642854.html

    Daniel Günther hatte dazu in einer PK auch einen deutlichen Hinweis an Söder, warum der denn bitte auf eine MPK wartet, anstatt selbst aktiv zu werden. (gut, der Norden hat aktuell ja auch noch gut reden).

    Es ist ja nicht nur Corona, ich erinnere auch nochmal an das Hochwasser. Die gesamten Verantwortlichkeiten sind so gestreut, dass am Ende alle die Hände in die Luft werfen und auf wen anders zeigen. Und nein, das ist nicht nur Merkel, das ist ein allgemeines Problem.

    siehe auch 4)
    Das ist ja alles gut und schön, aber ungeheuer naiv. Es zeigt sich, dass nicht der Wahlkampf problematisch ist in Zeiten der Krise, sondern so ein Schwebezustand noch mehr. Die schaffen es ja nicht einmal eine unmittelbare Krise auch nur irgendwie anzugehen, wie sollen sie es denn bitte mit so einer abstrakten Sache machen?
    Eigentlich bräuchten alle Parteien lange Winterferien, um sich erstmal zu sortieren. Grüne und FDP sind plötzlich Regierungsparteien und die CDU seit langem mal wieder in der Opposition. Es ist ein Wunder, dass überhaupt noch irgendwas (naja) nebenbei passiert.

    5) Einmal macht ihr die AfD die Rolle als Interessenvertreter*in der Ostdeutschen streitig,

    Ja und sie haben generell ihr Image als Protestpartei verloren, zumal sich der Protest übrigens auch nicht mehr allein auf Soziales konzentriert. Die AfD ist da einfach viel breiter aufgestellt, bzw das ist ja kein Protest mehr, sondern eher Widerstand.

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass die LINKE tatsächlich zumindest bundespolitisch verschwindet, vor allem wenn sie diesen Konflikt nicht lösen kann. Ich meine, Wagenknecht wird auch schon angefleht, ihre eigene Partei zu gründen. Viel Spaß damit!
    Für die LINKE könnte es auch eine Chance sein, dass der realpolitische Flügel erhalten bleibt, aber solange sie den nicht entradikalisieren, glaube ich nicht, dass es für die 5%-Hürde reicht. Eher haben wir neben der AfD dann noch eine weitere Regionalpartei.

    • Kning4711 20. November 2021, 12:14

      Zu 10
      Ich frage mich woher dieser Mangel an Leadership-Skills rührt. Ich beobachte das auch in dem Unternehmen, in dem ich arbeite. Obgleich es für die Mitarbeitende so leicht ist wie nie zu vor Verantwortung zu übernehmen und auszuüben, flüchtet man sich in die Verantwortungsdiffusion. Dabei werden immer mehr Hierarchien abgebaut und Verantwortung verlagert. Es muss also ein kulturelles Thema sein.
      Ich vermute es ist die Furcht „abgestraft“ zu werden – Besserwisserei ist ein Krebsgeschwür, dass sich tief in viele Debatten reingefressen hat. Dazu gesellt sich eine urdeutsche Begeisterung an der Schadenfreude und eine zunehmende Unfähigkeit sachlich streiten zu können.

      Ein anderes Beispiel ist für mich das Rennen um den CDU Parteivorsitz. Ich kann nicht verstehen, warum kein CDU Ministerpräsident seinen Hut in den Ring wirft. Da wird ein Führungsanspruch aufgegeben.

      • Ariane 20. November 2021, 14:07

        Ja, Verantwortung ist anstrengend und riskant, das ist wirklich eine Art von „wer sich zuerst bewegt, hat verloren“. Und es hat ja auch null Konsequenzen, Kretschmer und Söder erzählen munter, dass niemand das hätte wissen können und die Wissenschaft hat ja nichts gesagt!

        Und, werden sie von der Presse fertig gemacht? Nö, Wieler wird in der PK gefragt, warum er nicht gewarnt hat (mal abgesehen davon, dass er, Lauterbach, Drosten & Co seit Wochen und Monaten als oberste Panikmacher diffamiert wurden):
        https://twitter.com/NurderK/status/1461631258723852289

        Insofern ist das nicht nur ein persönliches Problem unserer PolitikerInnen, sondern auch des Umfelds, bzw ich finde sogar, es ist ein Verwaltungsproblem. Dummerweise ist das für alle sehr bequem, aber mit klareren Zuständigkeiten und Regelungen kann man dem entgegen wirken, und wenn es nur ist, dass man damit die Ausrede „das sind die Vorschriften“ ermöglicht. (sowas sollte in Deutschland ja eigentlich gut ankommen)

      • Stefan Sasse 20. November 2021, 14:21

        Man muss auch zwei Dinge unterscheiden: flache Hierarchien sind ja nicht dasselbe wie Verantwortungsdifussion. Aus der Verantwortung fliehen kann ich in streng hierarchischen Systemen genauso.

      • Thorsten Haupts 20. November 2021, 18:33

        Ich stelle mir schon lange dieselbe Frage und halte es jetzt fuer eine menschliche Grundkonstante. Das nimmt ausgerechnet in den letzten Jahren sogar zu …

        Gruss,
        Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 20. November 2021, 14:17

      10) Gute Punkte.

      4) Auch wahr.

      5) W-I-D-E-R-S-T-A-N-D! Wobei das natürlich ähnlich performativ ist wie 1968, echten Widerstand leisten die zum Glück ja nicht.

      Ich hoffe, dass sie sich spalten. Das wäre der sicherste Weg.

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