Bohrleute 5: Ein Blick von außen auf den Wahlkampf – und auf die Verkehrspolitik, mit Jon Worth

Mit dem britischen Ex-Pat-Politologen Jon Worth sprechen wir über einen Blick von außen auf den Wahlkampf und vergleichen die deutsche Situation mit der in Großbritannien. Könnte ein Politiker wie Boris Johnson hier Erfolg haben? Und wie vergleichbar sind BBC und ARD?

Wir sprechen außerdem über Verkehrspolitik, ein Feld, für das der selbsterklärte „Bahn-Nerd“ Jon der ideale Gesprächspartner ist. Vom Tempolimit und Inlandsflügen über Zwänge des europäischen Verkehrsnetzes bis hin zum Lastenfahrrad kommen wir auf ziemlich jedes Thema des Individual- und Kollektivverkehrs.

Shownotes:

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{ 18 comments… add one }
  • Stefan Sasse 17. September 2021, 16:54

    Ich habe noch eine Anmerkung, die ich nicht mehr in den Podcast untergebracht bekommen habe. Ich bin anderer Meinung, was die Lastenfahrräder angeht. Klar sind die billiger als ein Auto, aber ohne Auto bist du in Deutschland weitgehend aufgeschmissen. Und 4000 Euro zusätzlich zum Auto macht ein Lastenrad halt klar zu einem Luxusgut, weil ich in der Lage sein muss, mir beides leisten zu können.

  • Hias 18. September 2021, 02:31

    Danke, wieder interessant.

    1.) Ich hab so das Gefühl, dass keiner außer der SPD und der FDP überhaupt realisiert hat, dass man richtig Wahlkampf machen muss. Laschet und Baerbock und deren Vorgehensweise ist echt nur dann nachzuvollziehen, wenn man ihnen unterstellt, dass sie im „Schlafwagen“ ins Kanzleramt wollten. Das Ausmaß der Realitätsblindheit verdeutlicht vielleicht der Schock, den die neueste GMS Umfrage (kurz darauf vom Bayerntrend bestätigt) in der CSU ausgelöst hat. Die Söder-Truppe hat mMn erst dann so richtig realisiert, dass diese ständigen Querschüsse auch ihnen schaden und die CSU unter 30% drücken.
    Auf der anderen Seite kann die Union echt noch von Glück reden, dass die wahlkampferfahrene SPD nur einen Olaf Scholz hat. Wenn man sich die Umfragen für die Landtagswahl in MV (SPD bei 40%!) anschaut, einem eigentlich strukturkonservativen Land, dann kann man mal ahnen, was möglich gewesen wäre.

    2.) Was den USA ihre Waffenfreiheit ist, ist den Deutschen halt ihre freie Fahrt auf der Autobahn. Ich bin mir nicht sicher, ob sich eine neue Dreier-Koalition, die sich erstmal finden muss und wahrscheinlich über die Lager hinweg geht, ausgerechnet sich bei diesem emotional so aufgeladenen Thema versuchen sollte. Noch dazu, weil der Anteil der Verkehrsunfälle mit Personenschaden (nur 6,7%) und der Anteil der Verkehrstoten (11,7%) auf Autobahnen sehr gering ist. Da bringt wahrscheinlich ein verpflichtender Tot-Winkel-Assistent für alle LKWs und ein besserer Ausbau von Radwegen deutlich mehr für die Sicherheit. Und das CO2-Argument verliert mit steigendem E-Auto-Anteil (wenn mit EE-Strom gefahren) dann auch an Wirkung.

    3.) Mich erstaunt immer mehr, wie die Weiterentwicklung der Eisenbahn steckengeblieben ist. Man denkt Züge eigentlich nur als lange Busse mit Gastro, was ich einen massiven Rückschritt im Vergleich zu früheren Zeiten finde, als man z.B. TEE auch als Büros ansah und z.B. mit Zugsekretärinnen ausstattete. Und Jon hat völlig Recht, dass die Bahn Zubringerflüge nicht wirklich ersetzen kann, zumindest dann nicht, wenn man sie nicht dementsprechend weiterentwickelt. So würden so Zubringerzüge z.B. deutlich interessanter, wenn ich während der Fahrt zum Flughafen mein Gepäck aufgeben und schon einchecken könnte und dann am Flughafen nur noch durch die Sicherheitsschleuse durchmüsste. Oder Urlauberzüge in Feriengebiete. Hier könnte man deutlich mehr mit verschiedenen Bereichen (z.B. Familienbereichen mit Rutschen und Spielsache, eng bestuhlte Billigbereiche, etc) arbeiten und somit einen echten Mehrwert schaffen.

    4.) Ich verfolge momentan ganz fasziniert, wie die E-Bikes in meinem sehr ländlichen Geburtsort einen echten Boom erleben. Die sind genau richtig für die alternde Bevölkerung und für die 5-10 km in die nächste Kleinstadt um dort kurz einzukaufen oder zur Bank / zum Arzt, etc. zu fahren. Die ersetzen da nicht den Erstwagen (ohne Auto ist da echt Folter), aber mehr und mehr den Zweitwagen. Und da könnte ein Lastenrad echt einen Mehrwert bringen, weil man damit dann den Einkauf für mehrere Tage erledigen kann. Auf der anderen Seite frage ich mich immer, wo die Leute, die in der Stadt zur Miete wohnen, so ein Lastenrad hinstellen?? In unserem Mehrfamilienhaus z.B. ist das Kellerabteil deutlich zu klein für ein zusätzliches Lastenrad und der Fahrradkeller eh schon überfüllt. Tatsächlich hat man meines Erachtens mit den Lastenrädern in den Innenstädten das gleiche Problem, wie mit Autos: Sie brauchen sehr viel Platz. Und dann nehm ich doch lieber das flexiblere Auto.

    • Stefan Sasse 18. September 2021, 09:21

      1) War MeckPomm nicht schon immer recht vorteilhaftes Terrain für die SPD?

      2) Ich bin da, wie ich im Podcast auch sagte, sehr skeptisch.

      3) Möglich, ja.

      4) Ich sehe auch überall welche. Der Ebike-Boom ist sehr willkommen. Bei Lastenrädern bin auch sehr skeptisch, aus den gleichen Gründen wie du. Das ist ein Luxusgut.

      • Hias 19. September 2021, 02:55

        1.) Naja, eher wie Rheinland-Pfalz mit nur wenig Industrie und kaum größeren Städten. Eigentlich eher konservativ geprägt aber die SPD hat sich über die Jahre auf der Landesebene eine Basis erhalten können. Aber die aktuell gemessenen 40% sind weit über dem Wert der letzten Wahl.

        Interessant wird es eh in den Monaten nach der Bundestagswahl. Sollte Laschet es nicht schaffen, Kanzler zu werden, wird wohl in der Union ein Richtungs- und Machtkampf ausbrechen. Und das wäre kurz vor den Wahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und NRW ein Super-Gau.

        • Stefan Sasse 19. September 2021, 10:59

          Die Grünen haben ihr stärkstes Bundesland in BaWü, das eigentlich eine schwarz-gelbe Herzkammer sein sollte…Abweichungen von der Norm gibt es immer.

          • Hias 20. September 2021, 01:00

            Naja, das dürfte zu einem sehr großen Teil am MP liegen. Nach Winfried dürften die Grünen wohl auch wieder die Macht verlieren. Die OB-Wahl in Stuttgart hat ja gezeigt, dass man solche Posten erobern kann, aber halt auch nur mit sehr starken Kandidaten.

            • Stefan Sasse 20. September 2021, 06:40

              Klar. Aber siehst du die Grünen in den einstelligen Prozentbereich zurückfallen? Ich nicht.

  • CitizenK 18. September 2021, 07:42

    Sehr gute Idee, Jon Worth (hab ihn gleich abonniert) hier hier rein zu nehmen. Danke!
    Es gibt ihn also doch noch, den britischen Pragmatismus ohne Ideologie.

    • Stefan Sasse 18. September 2021, 09:22

      Klaro! Und danke. Wir haben bald noch einen Briten zu Gast, Alexander Clarkson vom King’s College London.

      • CitizenK 18. September 2021, 17:12

        Nachdenkenswert seine Skepsis gegenüber der Wasserstoff-Euphorie. Hab mich auch schon gefragt, ob Diess (VW) und Källenius (Daimler) so falsch liegen. Daimler hat kleinere Batterie-LKWs schon fest in der Produktionsplanung und hält sogar Die Langstrecke für durchaus realistisch.

        @ Stefan P.
        Das liegt völlig quer zu Ihrer Sichtweise. Wie erklären Sie sich das?

        • Stefan Pietsch 18. September 2021, 17:50

          Wieso muss ich das? Ich erkläre doch nicht die Unternehmenspolitik von jedem Unternehmen der Welt. VW und Daimler sind zwei Hersteller. Toyota und BMW agieren anders. Am Ende entscheidet sich das nicht in Deutschland, sondern in Nordamerika und Asien. Und da sind die Bedarfe anders.

          • Stefan Pietsch 18. September 2021, 17:52

            Übrigens: VW ist in Nordamerika schwach und in China stark. Bei BMW ist es umgekehrt. Die USA sind sehr skeptisch gegenüber BEVs, die Chinesen favorisieren sie. Ist auch eine Erklärung.

            • CitizenK 19. September 2021, 08:00

              Dass die Zukunft dem Wasserstoff gehört und die Batterie eine Übergangstechnologie, schien mir klar. Vor allem für LKW und Züge. Mein Bundesland BW setzt ja auch voll darauf. Nun sehe ich, dass gleich zwei der größten Fahrzeughersteller hierzulande das anders sehen (wie Jon). Die haben mehr Informationen und sind schlauer als ich. Wenn sie falsch liegen, steuern sie Schlüssel-Unternehmen gegen die Wand. Das versuche ich zu verstehen. Daher meine Frage (ehrliches Verständnisinteresse) nach Ihrer Erklärung.

              • Stefan Pietsch 19. September 2021, 11:17

                Die haben mehr Informationen und sind schlauer als ich.

                Nein, haben sie nicht. Nein, sind sie nicht.

                Erfurcht vor vermeintlichen Göttern in dunkelblauen Anzügen ist nicht angebracht. Respekt schon. Ich hatte vor einigen Wochen ein Gespräch mit einer Headhunterin, die mir erzählte, dass die jungen Beraterinnen teilweise Angst hätten, mit Managern wie mir zu sprechen. Ich sagte, das wäre nicht angebracht.

                Die Informationen, über die Unternehmen verfügen, sind meist auch breiten Massen zugänglich. Da ist keine geheime Rührküche. Natürlich gibt es speziell in Auftrag gegebene Marktanalysen, die wiederum nach wissenschaftlichen Kritierien erstellt werden und eine hohe Qualität besitzen. Die gelten jedoch häufig nur für bestimmte Märkte und Situationen. Besitzen sie breitere Gültigkeit, finden sie ihren Weg in öffentlich zugängliche Medien.

                Produktentwicklungen Jahre in die Zukunft gerichtet sind immer Wetten. Was ich an Unternehmern bewundere, ist ihr Gespür für zukünftige Bedarfe. Das ist eine Gabe. Eine Gabe, die meist nicht ein Leben lang anhält. Und eine Gabe, welche die meisten Manager, seien sie noch so hoch bezahlt, nicht besitzen. Denn sonst wären sie keine angestellten Manager, sondern besäßen ihr eigenes Unternehmen. Gute Manager sind hervorragende Organisatoren. Das kann eine herausragende Leistung sein. Unternehmer sind sie deswegen nicht.

                Die Menschen machen ihre bahnbrechenden Erfindungen vor ihrem Vierzigsten Lebensjahr. Danach verwalten sie den Erfolg. Das gilt auch für Unternehmer. Herbert Diess ist 62, das Ende des nächsten 5-Jahres-Planungshorizonts wird er nicht mehr als CEO von VW erleben. Der ehemalige Manager von BMW hat die E-Strategie im Konzern gegen zahlreiche Widerstände durchgedrückt, es war sozusagen ein Alleingang. Bei Porsche und Audi war man nicht begeistert. Verantworten muss er das Ergebnis nicht.

                Sowohl Volkswagen als auch Mercedes sind in den letzten 35 Jahren mehrmals bis an den Rand der Liquidität heruntergewirtschaftet worden von Managern, die sich für Unternehmer hielten und sich als Visionäre sahen. Gerade diese Automobilkonzerne sind eigentlich gebrannte Kinder.

                Ich halte von Ola Källenius nicht so viel, dass ich in ihm einen zweiten Elon Musk sehe. Vorsichtig ausgedrückt. Gerade Mercedes steht als Premium-Anbieter unter enormen Druck, den Flottenverbrauch zu senken, zumal man die Hybrid-Technologie doch etwas verschlafen hat. Derzeit geht die Senkung des Flottenverbrauchs nur mit einem gehörigen Mix an E-Mobilen.

                Wasserstoff zählt seit 40 Jahren als Zukunftstechnologie. Es hat seine Gründe, warum wir auf den Durchbruch immer noch warten. Das gilt allerdings auch für den Elektroantrieb. Von diesem wissen wir um seine erheblichen Nachteile, eben weil es eine einfache und gut erforschte Technologie ist. Große Entwicklungssprünge stehen in solchen Fällen nicht mehr zu erwarten. So kenne ich keinen Experten aus der Automobilindustrie, der bezüglich Reichweite noch gr0ße Erwartungen hegt. Physikalisch geht da anscheinend nicht mehr viel.

                Die Nachteile von BEVs sind damit unüberwindlich. Die Wette lautet, ob die Menschen bereit sind, die gegenüber der heutigen Mobilität erheblichen Nachteile in Kauf zu nehmen, zu welchem Preis auch immer. Ich glaube das nicht und würde deswegen dagegen wetten. So sind Menschen nicht gestrickt. Kann natürlich ebenso sein, dass ich mich irre. Aber ich war vor allem in Nordamerika, in Südamerika, in Australien. Meine Vorstellung reicht nicht, dass Amerikaner in 20 Jahren in kleinen BEVs herumsausen.

                Der amerikanische Kontinent ist aber einer der größten Märkte der Welt. Kein Hersteller von Weltgeltung kann es sich leisten, diese nicht zu versorgen. Sicher, in San Francisco und Boston lässt es sich mit E-Autos auskommen. Aber schon wer von New York nach Boston fahren will, hat mit dem E-Antrieb ein Problem. Das gilt auch für die beliebte Strecke zwischen L.A. und San Francisco. San Diego geht allerdings.

                In 20 Jahren werden noch sehr viele Autos mit Verbrennungsmotor herumfahren. Die meisten Menschen auch im entwickelten Teil dieser Erde können es sich schon finanziell gar nicht leisten, ein neues Auto zu kaufen.

                Ich weiß nicht, ob Wasserstoff der Antrieb der Zukunft ist. Ich würde (und tue es auch) einiges Geld darauf setzen, ja. Vielleicht ist es aber auch ein Mix mit synthetischen Kraftstoffen, die in Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen können. Wer weiß. Der Vorteil, das wusste schon der Doc in Zurück in die Zukunft, ist: Die Zukunft ist noch nicht geschrieben.

                • CitizenK 19. September 2021, 15:25

                  Danke.

        • Stefan Sasse 19. September 2021, 10:57

          Ich bin schon allein deswegen skeptisch, weil es ein deutscher Sonderweg ist.

  • Dennis 18. September 2021, 09:49

    Danke für den Podcast. Hab auch sorgfältig alles gehört !

    Merkwürdig, den aktuellen deutschen Wahlkampf locker mit USA oder Frankreich oder auch UK zu vergleichen, also mit a) Präsidentschaftswahlen (interessanterweise wird beim Vergleich nicht an die dortigen Parlamentswahlen gedacht, die es ja auch gibt) und b) Mehrheitswahlrecht mit binären Charakter.

    Ist hier ja anders und die wichtigste Frage ist eigentlich die Koalitionsfrage, die aber im Dunkeln bleibt bzw. wozu der Wahlvolk nichts zu sagen hat. Ist allerdings auch schwierig, denn ALLE Modelle haben draußen im Lande mehr Gegner als Befürworter, sagen jedenfalls die Demoskopen. Na toll. Systemdefekt, würd ich sagen.

    Bei der Diskussion um Johnson wurde übrigens schamhaft verschwiegen, dass der mit beachtlichem Erfolg von Labour die Arbeiterklasse entführt. Koalitionsbildung von denen da unten mit dem altertümlichen gehobenen Bürgertum, vorzugsweise ältere Herrschaften. Was nicht passt, wird passend gemacht. Wie gut Letzteres funktionieren kann, wird von den pundits häufig unterschätzt, IMHO.

    Ach ja, und die Verkehrspolitik; mal was anderes^, aber wichtig. Paris und Hidalgo wurden besprochen. Sie wird bei der Präsidentschaftswahl (falls dabei) als typische Bobo

    https://en.wikipedia.org/wiki/Bobo_(socio-economic_group)

    minimalistisch-einstellig enden, kann man/frau also vergessen. Frankreich ist ländlich und Paris ist exzeptionell. Die Verkehrspolitik (Tempo 30/Vorfahrt für Radler) dort is natürlich sinnvoll. Gemessen an der Einwohnerzahl klein, dicht und eng (auf den größeren Boulevards gilt Tempo 30 nicht!). Wenn Berlin mal 20 Millionen Einwohner hat und ähnlich zugebaut ist kann man/frau das vergleichen. Okay, neben Paris gibt es die berühmt-berüchtigte Banlieue drumrum; eine Kombination aus schwer-reich/konservativ und bettelarm (räumlich getrennt natürlich), mit beiden Welten jenseits der Mauer (Boulevard périphérique) hat Hidalgo nichts zu tun.

    • Stefan Sasse 19. September 2021, 10:55

      Unser Thema war ja nicht der britische oder amerikanische Wahlkampf; es ging ja eher um Aspekte und Dynamiken, die sich auch hier finden. Beziehungsweise, die das nicht tun. Wir kommen ja dabei raus, dass die Vergleichbarkeit eher gering ist.

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