Diffamierende Worte werden von Netanyahu im Home-Office geschrieben und ziehen in Texas chinesische Masken an – Vermischtes 08.06.2021

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Words That Mean Nothing

Much of the time that we think we are talking about ​issues,” we are actually talking about words. One side will argue against one definition of a word, while the other side argues in favor of a different definition of a word. Each side can claim that the other is not addressing the issue, because the issue is defined differently on each side. In this way, political debate can carry on unimpeded by any barriers of mutually agreed upon terms, like separate superhighways rushing on at full speed in opposite directions. This characterizes a large amount of political discourse in this country: Torrents of people talking about different things, all of whom assume that they are talking about the same things. There is much hand-wringing today over the idea that misinformation and conspiracy theories and omnipresent propaganda have created a situation in which Americans don’t seem to have a single set of mutually agreed upon facts. That is true. But it does not capture an even more elementary flaw in what we are doing. We allow entire ​issues” to be created and to be talked about endlessly in the national political media without ever determining what those issues mean. The absurd effect of this failure is twofold. First, it allows bad faith political actors to purposely exploit this rhetorical vulnerability in order to smear the other side by inflating the definition of bad things to include whatever the other side is doing. This is standard issue political scumbag behavior, and is to be expected. Worse, though, it creates a self-reinforcing cycle in which widespread use of some vague, ill-defined term convinces the public that this term is something important, driving media coverage and creating impenetrable towers of meaninglessness that come to dominate our partisan political landscape. (Hamilton Nolan, In These Times)

Ich bezweifle stark, dass es sich hier um ein neues Phänomen handelt; als die CDU „Freiheit oder Sozialismus“ plakatierte, war „Sozialismus“ schließlich auch nicht mehr als ein politischer Kampfbegriff. Auch die völlige inhaltliche Entkernung von „neoliberal“ schlägt in dieselbe Kerbe. Nolan beschreibt in seinem Artikel anhand einiger Beispiele eindrücklich die Bandbreite, die bestimmte Schlagworte im politischen Diskurs (wenn man solch hochtrabende Worte hier überhaupt verwenden will) haben. Damit lässt sich zwar Mobilisieren, aber sicherlich nicht über irgendetwas diskutieren. Addiert man dazu noch die jeweiligen nur von bestimmten Teilgruppen verwendeten Begriffe (so was wie „Gender-Gaga“), bekommt man ein Gewirr, das zwar hervorragend dazu geeignet ist, irgendwelche Emotionen zu wecken, aber sicherlich nicht, um ein Thema zu diskutieren.

2) Was ein Diffamierungswahlkampf anrichtet

Die Einseitigkeit des Diffamierungswahlkampfs ist tatsächlich bemerkenswert. Ich frage mich, woher die kommt. Es gibt eine merkwürdige Beißhemmung aktuell, die sich durchaus noch drehen mag. Aber Laschet ist vermutlich auch keine sonderlich geeignete Angriffsfläche. Während man Merz mit Leichtigkeit alles Schlechte dieser Welt unterstellen kann, ist das bei Laschet deutlich schwieriger (was einmal mehr zeigt, dass seine Wahl so dumm nicht war). Vielleicht ist das auch ein CDU-Ding; man erinnere sich nur daran, wie die es geschafft haben, die ganzen Debakel der schwarz-gelben Ära ausschließlich der FDP aufzuladen. Die bot natürlich umgekehrt auch genug Angriffsfläche, anders als Lindner heute, der weitgehend auf Westerwelle’sche Klopper verzichtet, aber die CDU selbst ist da kaum Opfer. Liegt das an ihrer thematischen Leere? Ich bin echt überfragt. Auf jeden Fall machen sie es durch Ekel-Wahlkampf wett.

3) Achtung – dieser Artikel wurde im Homeoffice geschrieben (und ist trotzdem fertig)

Solange Elternzeiten für Väter und berufliche Aufstiege von Müttern misstrauisch beäugt werden, solange Überstunden als Leistung zählen und nicht die innovative Organisation eines Projekts, solange Präsenz bei Meetings wichtiger ist als Empathie für Kolleginnen und Kollegen, so lange bleibt Deutschland auch in der Bürofrage wohl eher unflexibel. Dabei müsste die Wirtschaft in digitalen Zeiten erkennen: Nicht über den Arbeitsort gewinnt sie Menschen für sich, sondern über die Art, wie Arbeit organisiert ist. Auch über die Haltung von Führungskräften. Haben sie nach der Krise, in der Angestellte nebenbei Kinder beschult und betreut, Leben neu organisiert, Ältere umsorgt und gar nicht nebenbei noch gearbeitet haben, wirklich Grund, ihren Mitarbeitenden zu misstrauen? Und es wurde ja nicht weniger gearbeitet. Im vergangenen Jahr wurden im Land fast 1,7 Milliarden Überstunden geleistet; im Schnitt mehr als die Hälfte davon unbezahlt. Während manche in unfreiwilliger Teilzeit feststeckten oder ihr Gewerbe ruhen lassen mussten, ackerten andere umso mehr. Viele Eltern mit wenig Unterstützung. […] Die Politik muss jetzt eine Antwort geben. Eine andere als für ihre Angestellten in Berlins Behörden und der Bundestagsverwaltung. In vielen Amtsstuben herrschte in der Hochphase der Pandemie zu viel Hochbetrieb. Ja, Arbeitsergebnisse müssen geschafft, Werte geschaffen werden. Und viele wichtige Jobs können nicht zu Hause erledigt werden. Andere schon. Da ist Kontrolle gut. Vertrauen ist besser. Denn übrigens: Auch wenn dieser Artikel im Homeoffice geschrieben wurde – er ist trotzdem rechtzeitig fertig geworden. (Robert Ide, Tagesspiegel),

Die Ablehnung des Home Office durch diverse Arbeitgebende scheint mir weniger in konkreten Problemen mit Home Office per se zu liegen sondern viel mehr darin, dass damit ein empfundener Kontrollverlust einhergeht. Und auch der ist ja nur eingebildet. Denn wer tatsächlich glaubt, alle Arbeitnehmenden im Büro unter Kontrolle zu haben und deren Arbeitsoutput dadurch im Überblick zu haben, lügt sich in die Tasche. Dasselbe Phänomen haben wir ja im Unterricht auch, wo diverse Kolleg*innen sich der Illusion hingeben, die Schüler*innen im Klassenzimmer tatsächlich unter permanenter Aufsicht zu haben und deren Output und Lerneerfolg durch physische Präsenz zu erzwingen. Diese Illusion ist so furchtbar weit verbreitet, es ist zum Haare raufen.

4) Sahra Wagenknecht: „Es sollte keine Viertel geben, wo Einheimische die Minderheit sind“

In Ihrem Buch argumentieren Sie, dass dieses Wir-Gefühl in Deutschland durch Zuwanderung bedroht ist.

Wenn sie ein bestimmtes Maß überschreitet, ja. Es ist klar, dass es ein Grundrecht auf Asyl geben muss. Wenn Menschen davon bedroht sind, wegen einer falschen Äußerung für 20 Jahre in Erdogans Gefängnissen zu verschwinden, dann müssen sie in der Europäischen Union Asyl bekommen. Deutschland braucht aber eine Migrationspolitik mit Augenmaß, um die Gesellschaft nicht zu überfordern. […]

Finden Sie, dass zuletzt zu viele Menschen nach Deutschland gekommen sind?

Ich finde, es sollte keine Stadtviertel geben, wo die Einheimischen in der Minderheit sind und es sollte keine Schulklassen geben, in denen mehr als die Hälfte der Kinder kaum Deutsch spricht. Ganz davon abgesehen, dass wir dringend Regeln brauchen, die verhindern, dass Zuwanderer in unserem Arbeitsmarkt als Lohndrücker missbraucht werden können. Es gibt eine Reihe von Branchen, in denen wären die Löhne in den zurückliegenden Jahren längst gestiegen, wenn die Unternehmen nicht immer wieder auf billige Arbeitskräfte aus dem Ausland hätten zugreifen können. So wird etwa bei Postzustellern oder Reinigungskräften ein miserables Lohnniveau verfestigt, von dem viele Menschen das Leben in einer durchschnittlichen deutschen Großstadt nicht mehr finanzieren können. […]

Wie meinen Sie das?

International betrachtet schadet die Förderung von Migration den Herkunftsländern, weil sie tendenziell ihre besser gebildeten Arbeitskräfte verlieren. Es kommen ja nicht die Ärmsten zu uns, sondern Menschen aus der Mittelschicht. Gerade aus Afrika gibt es da immer wieder die Ansage an die Industrienationen: Ihr schadet uns! Deutschland sollte arme Länder durch eine vernünftige Handelspolitik unterstützen, statt ihnen Verträge zu diktieren, die für die lokale Wirtschaft ruinös sind. Migration, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten hatten, vergrößert die Ungleichheit auf allen Seiten. Sie benachteiligt die armen Länder und sie benachteiligt ärmere Menschen hier in Deutschland. (Matthias Kohlmeier, web.de)

Mir wäre wirklich recht, wenn gerade jemand, der so intelligent ist wie Wagenknecht, die Begriffe „Asyl“ und „Migration“ trennschärfer verwenden würde, denn das ist nicht dasselbe. Deswegen verwischt auch ihre Analyse immer wieder. Das ist ziemlich schade, weil sie eigentlich ein Grunddilemma aufzeigt, das wir erst gestern im Artikel zur Klimaschutzpolitik diskutiert haben: eigentlich wäre die sinnvollste Flüchtlingspolitik jene, die die Flucht überhaupt erst unnötig macht.

Allein, politisch ist das eine praktisch wertlose Feststellung. Selbst Sahra Wagenknecht wird im Zweifel lieber Geld für deutsche als nigerianische Arbeitslose ausgeben. Es ist politisch überhaupt nicht vermittelbar, und schon gar nicht von links außen, Geld und Ressourcen in erheblichem Maße (und wir reden von erheblichen Maßen) in diese Länder zu stecken. Und da Länder, aus denen viele Menschen flüchten, ohnehin nicht stabil sind, müssten wir auch über die Bundeswehr sprechen, und spätestens da gehen bei der LINKEn die Rollläden runter.

Und deswegen passiert mit linken Ansätzen zur Flüchtlingspolitik dasselbe wie mit liberalen Ansätzen zur Klimaschutzpolitik: Die Idee ist nicht doof, aber die Botschaft kommt nicht an. An den Realitäten von Mensch und Politik zerschellen die guten Absichten. Alles, was übrig bleibt, ist, dass Sahra Wagenknecht sich gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik positioniert. Der Rest ist Wortklimbim. Nehme ich ihr die guten Absichten ab? Vielleicht? Es spielt keine Rolle.

Denn der praktisch nutzbare Rest deckt sich mit der AfD. Die will auch „Fluchtursachen bekämpfen“. Das hat sie in der richtigen Erkenntnis auf die Wahlplakate geschrieben, dass sie nie, nie, nie Taten folgen lassen muss. Da kann man sich moralisch erhaben dahinter verstecken und diejenigen kritisieren, die in der echten Politik echte Entscheidungen und Kompromisse treffen müssen. Erneut: darin gleicht sie all jenen, die vom weltweiten Zertifikathandel und der globalen CO2-Steuer schwärmen und nie in die Verlegenheit kommen werden, irgendetwas davon umsetzen zu müssen. Und in der Zwischenzeit kann man alles zerreden, was das Problem zwar nicht löst, aber wenigstens angeht.

5) Die Zuspätrevoltierenden

In Ostdeutschland wirbt die AfD erfolgreich mit dem Slogan »Vollende die Wende« und appelliert damit an das verbreitete Gefühl, hier sei 1989 etwas Erstaunliches auf den Weg gebracht worden, dann aber ins Stocken geraten und seither unabgegolten. Tatsächlich ist die ostdeutsche Revolte von 1989, die zur ersten erfolgreichen Revolution in der deutschen Geschichte hätte werden können, auf halber Strecke steckengeblieben. Die radikalen Anfangsideen, die sich nicht zur Vulgarität des Konkreten hinreißen ließen, sondern zunächst einmal nur eine utopische Spannung erzeugten, die das Gefühl nährte, alles sei möglich, diese fabelhaften Ideen von Leipzig und Berlin wurden, als die Kleinbürger aus Ost (D-Mark-Lüstlinge) und West (die mit der D-Mark im Gepäck) Lunte gerochen hatten, rasch überwältigt und im Einheitskitsch erstickt (»Wir sind ein Volk«). Es gibt also zwei Schuldige, die die Revolte scheitern ließen: die westdeutschen Parteien, die die fetten Köder ausgelegt hatten, und die Ostdeutschen, die darauf hereingefallen sind. Anfangs vollkommen unbeteiligt, taten sich die Ideengangster aus Ost und West zusammen und verübten erfolgreich Anschläge auf die politische Fantasie, so dass bald nichts mehr übrig blieb und alles bleiben konnte, wie es war. Bis heute ist das die deutsche Lage. Und dass dieses 1989 dann auch noch als erfolgreiche »Revolution« gefeiert wird, ist die größte Schmach für die Ostdeutschen, die insgeheim wissen, dass sie es sich vermasseln ließen. (Moritz Rudolph, Merkur)

Ich halte überhaupt nichts von dieser These. Tatsächlich halte ich sie für eine Art versuchter linker Dolchstoßlegende, wenngleich (glücklicherweise) sehr viel weniger erfolgreich als das Original. Die Vorstellung, es habe 1989/90 eine Stimmung oder auch nur das Potenzial für eine Art dritten Weg, eine Reform der DDR und eine Abkehr von der totalitären Planwirtschaft und der parlamentarisch eingehegten Marktwirtschaft gegeben, ist völlig fantastisch. Dieses Potenzial hat nie bestanden.

Und wir wissen, dass es nie bestanden hat. Wir haben einerseits die Meinungsumfragen, die nach dem November 1989 getätigt wurden; wir haben das Wahlergebnis der Volkskammerwahlen im März 1990, bei denen alle reformerischen Splittergrüppchen zusammengenommen nicht einmal in Spuckweite der 5%-Hürde kamen; wir haben die Bundestagswahlen 1990, die dieses Ergebnis noch einmal bestätigten.

Klar kann man sich das mit dem Dolchstoß in den Rücken, den ein sinistrer Helmut Kohl der ostdeutschen Reformbewegung verpasst habe, erklären. Nur macht es das nicht richtig. Es ist Traumtänzerei, ein „was wäre Wenn“, auf einem Level mit den Nachkriegsvorstellungen der Verschwörer vom 20. Juli. Illusion. Zum Glück spielen die Vertreter*innen dieser These eine so geringe Rolle – der radikale linke Rand hat heute etwa so viel Anziehungskraft wie 1990, sprich, keine – dass abgesehen von solchen Essays in Nischenzeitschriften keine große Relevanz besteht. Das ist leider Gottes mit den rechten Mythen völlig anders.

6) Herr Drosten, woher kam dieses Virus?

Herr Drosten, in Deutschland wurden Sie mit dem NDR-Podcast «Corona­virus-Update» für viele zur ersten Informations­quelle in dieser Krise. Was hätten Sie damals, als Sie vor über einem Jahr mit dem Podcast begannen, gerne gewusst, was Sie heute wissen?
Wie die Medien funktionieren, das wusste ich damals nicht.

Was meinen Sie damit?
Was mir überhaupt nicht klar war, ist diese false balance, die entstehen kann in der Öffentlichkeit, in den Medien. Und dass man diese nur bedingt korrigieren kann.

False balance?
Dass man sagt: Okay, hier ist eine Mehrheits­meinung, die wird von hundert Wissenschaftlern vertreten. Aber dann gibt es da noch diese zwei Wissenschaftler, die eine gegenteilige These vertreten. In der medialen Präsentation aber stellt man dann einen von diesen hundert gegen einen von diesen zweien. Und dann sieht das so aus, als wäre das 50:50, ein Meinungs­konflikt. Und dann passiert das, was eigentlich das Problem daran ist, nämlich dass die Politik sagt: «Na ja, dann wird die Wahrheit in der Mitte liegen.» Das ist dieser falsche Kompromiss in der Mitte. Und das ist etwas, das ich qualitativ nicht kannte. Ich wusste nicht, dass es dieses Phänomen gibt. Ich wusste auch nicht, dass das so hartnäckig ist und sich zwangs­läufig einstellt. Das hat sich ja in praktisch allen Ländern eingestellt, dieses Problem. Alle Wissenschaftler sprechen davon. Dass ich da durch einen Podcast mitten in dieses Spannungs­feld reingerate, war mir nicht klar. (Marie-José Kolly/Angela Richter/Daniel Ryser, Republik.ch)

Ich empfehle grundsätzlich das gesamte Drosten-Interview, in dem es eigentlich hauptsächlich und sehr kompetent um Corona geht, zur Lektüre. Ich habe dazu nur wenig zu sagen außer, dass es sehr interessant ist. Der hier zitierte Ausschnitt dagegen geht die Themen dieses Blogs wesentlich mehr an. Wir kennen das false-balance-Problem aus den amerikanischen Wahlkämpfen 2016 und 2020 zur Genüge. Auch hierzulande feiert es leider immer häufiger fröhliche Urständ, je professioneller die randständigen Gruppen werden – ob Klimawandelleugnung, Querdenker*innen oder Rechtsextremisten. Sie werden einer feigen Schein-Objektivität zuliebe legitimiert und gestärkt. Die Folgen sind verheerend.

7) Wenn er weg ist

Binyamin Netanyahu, israelischer Premierminister on and off seit einem Vierteljahrhundert, autoritärer Populist, lang bevor es cool war, Mitbegründer dieses Genres und einer seiner ganz Großen, vor dessen scheinbar gegen alle Wechselfälle der Demokratie gefeiter Unverdrängbarkeit von der Macht selbst Viktor Orbán bislang in scheuer Ehrfurcht das Knie zu beugen hatte. Plötzlich weg. Abgewählt. Auf friedlichem, demokratischem Wege von der Macht entfernt. Das erste Mal in einer parlamentarischen Demokratie, dass das gelingt. Was bedeutet das? […] Das Gegenteil von autoritärem Populismus ist nicht Demokratie, nicht Freiheit, nicht einmal notwendigerweise Rechtsstaatlichkeit – sein Gegenteil ist Pluralismus. Die Vorstellung, dass es so etwas wie politische Verschiedenheit gibt und geben kann und geben sollte, dass verschiedene politische Werte und Interessen und Präferenzen koexistieren, die einander gleichgeordnet und gleichermaßen legitime Teilnehmer am Wettbewerb um politische Macht und gleichrangige Verhandlungspartner im Ausloten von Gemeinsamkeiten beim Finden von Mehrheiten sind: das ist es, was mit autoritärem Populismus schlechthin nicht zusammengeht. Das ist es, was der autoritäre Populismus nicht aushält, wogegen er einen Kampf kämpft, der sein eigentliches Programm ausmacht. Für den autoritären Populismus gibt es nichts als Uns und Die und darf es auch nichts anderes geben. (Maximilian Steinbeis, Verfassungsblog)

Abgesehen davon, dass ich über den Abgang Netanyahus mehr als glücklich bin – trööööt, Party – kann ich das Bekenntnis Steinbeis‘ zum Pluralismus nur unterschreiben. Es ist das Kennzeichen der Autoritären, dass sie abweichende Meinungen nicht zulassen wollen. Dass sie nicht bereit sind, sich den Regeln des demokratischen Machtwechsels zu unterwerfen (wie Netanyahu eindrucksvoll beweist). Dass sie ihre Gegner*innen mit allen Mitteln bekämpfen. Dagegen müssen demokratisch gesinnte Menschen zusammenstehen.

8) 9/11 and 1/6

The scenario then goes like this. The Republicans win back the House and Senate in 2022, in part thanks to voter suppression. The Republican candidate in 2024 loses the popular vote by several million and the electoral vote by the margin of a few states. State legislatures, claiming fraud, alter the electoral count vote. The House and Senate accept that altered count. The losing candidate becomes the president. We no longer have „democratically elected government.“ And people are angry. No one is seeking to hide that this is the plan. It is right there out in the open. The prospective Republican candidates for 2024, Donald Trump, Ted Cruz, and Josh Hawley, are all running on a big lie platform. If your platform is that elections do not work, you are saying that you intend to come to power some other way. The big lie is designed not to win an election, but to discredit one. Any candidate who tells it is alienating most Americans, and preparing a minority for a scenario where fraud is claimed. This is just what Trump tried in 2020, and it led to a coup attempt in January 2021. It will be worse in January 2025. […] In such a scenario, it is not clear what the armed forces or civil servants would do. Most likely they would fracture. An oath to defend the Constitution is hard to honor when it is unclear what it means. Both those who were stealing an election and those who were defending votes would claim that the Constitution was on their side. (Timothy Snyder)

Ich hoffe immer noch, dass wir uns zu Unrecht Sorgen machen. Aber das Beispiel Texas zeigt ziemlich deutlich, wohin die Reise der Republicans aktuell geht. Wie irgendjemand angesichts dessen, das dort gerade vor sich geht, noch der Meinung sein kann, bei dieser Partei handle es sich um Demokraten (haha, Wortspiel), ist mir völlig schleierhaft. Die GOP hat sich von der Demokratie verabschiedet, emphatisch und mit Ansage. Wenn sie die Chance bekommen, werden sie sie benutzen. Die Frage ist, ob sie sie bekommen werden. Und dafür sieht es gut aus.

9) How China escaped, and Eastern Europe was felled by, the Volcker shock

The idea the reformers had in mind was to borrow from the West, use the funds to build either import-substitution industries (as was indeed done in most of the world those days), or hard-currency-earning export-oriented production. In either case, they hoped, borrowings would pay  for itself.  […] In addition, borrowing was politically preferable to trying to lure foreign (Western) investors. When you borrow, you obviously retain full control over the use of such money; one can choose to fulfill other objectives like to help development of poorer regions, to garner political support, or even to use the funds for consumption. With foreign investors, one is limited to accept what they like. That logic led, as is well known, all socialist countries into impasse. Their investments were inefficient, new companies became a burden. […] China, however, avoided all of this, perhaps by sheer luck of being a late reformer and seeing where borrowing without a change in the structure of economic governance led. It escaped the Big Bang too, having come, as Weber details, three times within the hair’s breath to implementing it. Unlike the crackdown in Poland which left Jaruzelski in a limbo, the 1989 Tiananmen violence ironically shifted the energies away from political change into economic development. When Deng made his famous “Southern tour” in 1992 (which he made as, technically, a private citizen) China was ready to embrace the other way: to attract foreign and diaspora investments, to acquire foreign technology, and to emulate the East Asian “miracle” economies. The story told here is important for two reasons. First, in understanding the sources of Chinese success that were not planned, but the product of a number of serendipitous developments. Second, to make us understand that the main impetus behind the fall of communist regimes was economic. Western political scientists love to write about “freedom” and “the spirit of 1989” etc. They often do not know much about communist economics, nor do they have a grasp about how inefficient economies, and a desire to reform them using Western credits, created a powerful combustion that, rather quickly (within less than a decade), broke the back of communism. (Branko Milanovic, Global Inequality)

Es ist faszinierend, wie unterdiskutiert der Fall des Ostblocks immer noch ist. Ich habe das Gefühl, dass da eine gewisse Selbstzufriedenheit der Wendejahre einfach fortgeschrieben worden ist. So hält sich ja auch etwa das längst widerlegte Narrativ, Reagan habe die Sowjets „totgerüstet“, weiterhin hartnäckig. Für das Verständnis heutiger Wirtschaftspolitik einerseits, aber auch Entwicklungs- und Außenpolitik andererseits aber ist es ja essenziell zu verstehen, was da eigentlich geschehen ist.

Denn die (richtige) Aussage, dass die östlichen Planwirtschaften nicht gerade das Gelbe vom Ei waren, ist vergleichsweise nutzlos wenn man nicht genauer hinschaut, was da eigentlich passiert ist – und gerade im Falle Chinas, wie die Transformation erfolgreich ablaufen konnte.

10) Where are the Trumpghazis?

Remember that it was the Republican House majority’s spurious and endless Benghazi inquiry that uncovered former Secretary of State Hillary Clinton’s email practices. The subsequent drumbeat of stories about a completely inconsequential scandal helped torpedo her favorability numbers and led the media to cover the inquiry to the exclusion of almost any other policy issue in 2016. As then-House Majority Leader Kevin McCarthy admitted in 2015, „everybody thought Hillary Clinton was unbeatable, right? But we put together a Benghazi Special Committee, a select committee. What are her numbers today? Her numbers are dropping.“ […] Democrats should form a series of select committees to investigate the administration’s crimes and abuses of power. […] Perhaps Garland’s DOJ is already on top of some of these things. But we’re talking about a target-rich environment here, full of thieves and crooks and self-dealers who are staging an ongoing assault on American democracy and who are waiting for another chance to seize power and finish the job. Democrats can’t afford to wait and see whether Garland has the time or resources to address all of these problems. As with efforts to shore up democracy through reform, they must use the power they have before it’s too late. (David Faris, The Week)

Ein Großteil politischer „Skandale“ sind reine Fabrikation, was schon unter normalen Umständen extrem nervig ist, aber umso schlimmer, wenn diese konstruierten Aufreger den echten Themen die Luft abschneiden. Ich bleibe aber weiterhin skeptisch darüber, ob das für Progressive funktionieren kann. Ich fürchte allerdings, dass die Antwort „ja“ lautet und dass das Werfen riesiger Mengen Dreck in der Hoffnung, irgendwas würde schon kleben bleiben, auf Dauer die Strategie der Wahl wird. Wir sehen das ja gerade im Wahlkampf hierzulande auch wieder, wo eine krasse Waffenungleichheit herrscht.

11) Mal alle tief Luft holen

Skandalös und menschenverachtend, so schimpfen Kritiker, sei die Idee gewesen, minderwertige Masken unter Obdachlosen und Hartz-IV-Empfängerinnen zu verteilen. Kann man Gesundheitsminister Jens Spahn oder welcher seiner Mitarbeiter auch immer die Verantwortung für den Plan trägt, ernsthaft böse Absichten unterstellen? Welches Ziel genau hätte er damit verfolgen wollen? Gruselige Vorstellungen, wenn man den Gedanken mal bis zu Ende denkt. Wahrscheinlich war es so, dass die Masken nun einmal da waren, zwar nicht perfekt, aber nach Ansicht des fraglichen Mitarbeiters im Bundesgesundheitsministerium doch zu schade zum Wegwerfen. Ziemlich nachhaltig eigentlich. Berechtigt ist daneben die Frage, warum die Sache jetzt erst an die Öffentlichkeit kommt, wo das von der SPD geführte Arbeitsministerium offenbar schon vor Monaten die Verteilung stoppte. (Susanne Knaul, taz)

Mein Problem an dem ganzen Skandal (?) ist ein ganz anderes. Obwohl seit Tagen Meldungen die ganzen Zeitungen und TV-Sendungen hoch und runter laufen, ist immer noch völlig unklar, was genau „minderwertig“ denn nun eigentlich bedeutet. Die Journalist*innen und Politiker*innen werfen mit Begrifflichkeiten um sich, ohne dass das irgendwie klar wäre. Grundsätzlich ist von „lebensgefährlich“ bis „fehlt die Zertifizierung nach EU-Richtlinie 57357235/5fv“ alles dabei. Wären die Masken tatsächlich irgendwie krass gefährlich (wofür mir echt die Vorstellungskraft fehlt, so falsch kann man die Dinger doch gar nicht herstellen, oder?), dann wäre die Maßnahme des Gesundheitsministeriums natürlich infam.

Aber wenn sie im Endeffekt nur den Standards des Handels beziehungsweise der Apotheken nicht genügen, dann sehe ich kein Problem damit, Obdachlose und Hartz-IV-Empfänger*innen damit zu versorgen, besonders wenn man bedenkt, dass ausgerechnet das huberthusheilige Arbeitsministerium, das den Scoop nun öffentlich gemacht hat, sich standhaft weigert, diesen Gruppen die Maskenkosten zu ersetzen.

Es macht mich kirre, wie niedrig das Niveau der Debatte hier schon wieder ist. Wir sollten nach deutlich über einem Jahr Pandemie eigentlich inzwischen so weit sein zu wissen, dass ein bisschen Schutz besser als kein Schutz ist. Masken, die nur zu 95% schützen, sind praktisch ununterscheidbar von solchen, die zu 100% schützen (gemessen am Standard irgendwelcher ohnehin arbiträrter Richtlinien). Und Masken, die nur 50% schützen, sind besser als keine Masken. Selbst Masken, die nur auf 10% kommen würden – und erneut, ich finde es schwer vorstellbar, wie man die Maskenherstellung dermaßen verkacken könnte – sind besser als keine Masken.

Kritik an Jens Spahn in allen Ehren, aber ich sehe hier einfach den Skandal nicht.

{ 46 comments… add one }
  • derwaechter 8. Juni 2021, 09:39

    1) „Torrents of people talking about different things, all of whom assume that they are talking about the same things“

    Ich bin nicht sicher, ob die das wirklich annehmen.

    Er beschriebt ja eher ein Symptom. Die zugrundeliegende „Krankheit“ ist doch eher der mangelnde Wille ernsthaft zu diskutieren.

    Man sieht das schön bei Deinem Beispiel „Gender-Gaga“. Das Problem ist ja nicht der Begriff, sondern der Unwille sehr vieler überhaupt inhaltlich zu diskutieren. Auf beiden Seiten. Die einen schreien Gender-Gaga, die anderen stempeln Anhänger des generischen Maskulins als unhöfliche, herzlose Frauenhasser. Der eigentliche Adressat ist offenbar nicht das Gegenüber, sondern die eigene Seite und (vor allem?) das eigene Spiegelbild.

    • Stefan Sasse 8. Juni 2021, 09:42

      Nun, ich zumindest stemple nicht als unhöfliche, herzlose Frauenhasser ab…

      • derwaechter 8. Juni 2021, 10:06

        Ich rede auch nciht von Gender-Gaga. Es gibt natürlich auch ziviliserte Diskussionen 🙂

        Du hast aber zumindest das hier retweetet:

        https://twitter.com/ClaasGefroi/status/1399651980180590596

        Im abgebildeten Ausschnitt aus diesem „wunderbaren Text“ schreibt Nils Minkmaar offenbar allen Ernstes: „Jedem Menschen mit etwas Höflichkeit und Herzensbildung leuchtet ein, dass man nicht an der männlichen Form festhält, wenn nicht nur Männer gemeint sind.“ und unterstellt kurz danach Männern in der Union ein „Trauma“ weil eine Frau seit Jahren im Kanzleramt sitzt.

        Das ist vielleicht feiner formuliert, aber im Endeffekt nichts anderes als das Gender-Gaga der Gegenseite.

        • Stefan Sasse 8. Juni 2021, 11:35

          Jupp.

          • derwaechter 8. Juni 2021, 12:24

            Jupp, im Sinne von, das stimmt?

            Warum teilst Du so was denn dann?
            Ich meine das nicht als Vorwurf, sondern ernst gemeinte Frage. Ich verstehe solche Retweets als Zustimmung, aber vielleicht verstehe ich Twitter auch einfach falsch.

            • Stefan Sasse 8. Juni 2021, 13:00

              Ne, das war eine Zustimmung zu deiner Kritik. Ich hatte den Ausschnitt eher wegen des zweiten Teils, der Diskurskritik Minkmars, geteilt. Hatte dem ersten Satz keine Beachtung geschenkt.

  • Stefan Pietsch 8. Juni 2021, 09:48

    2) Was ein Diffamierungswahlkampf anrichtet

    Selbst Katrin Göring-Eckardt konnte in der Berliner Runde nicht benennen, was die Union eigentlich Falsches verbreitet habe. Sie ging auf den sattsam bekannten Verteidigungsmodus, Baerbock würde nur so angegriffen, weil sie eine Frau sei. Klar. Seit Monaten traut sich die Kanzlerkandidatin nicht in Foren, wo man ihr härtere Fragen stelle könnte als die nach der Unterbringung ihrer Kinder.

    Entweder ist man jedoch in der Grünenzentrale höchst unprofessionell – was Rückschlüsse auf ihre Regierungsfähigkeit zuließe – oder Baerbock ist so naiv hochstaplerisch gewesen davon auszugehen, dass ihr enormes Aufhübschen des Lebenslaufes unentdeckt bliebe. Wie sagte die Deutschland-Chefin von Heidrick & Struggles? Mit der Methode schießt man sich in der Wirtschaft sofort ins Aus. In der Politik dagegen gilt so etwas nach Ansicht der Grünen als „unfair“.

    3) Achtung – dieser Artikel wurde im Homeoffice geschrieben (und ist trotzdem fertig)

    Eigentlich sprichst Du bei dem Thema (wie auch bei jedem anderen arbeitsrechtlichen Thema) immer nur von den Rechten von Arbeitnehmern, nie von der Ausweitung von Pflichten. Irgendwie ziemlich populistisch.

    4) Sahra Wagenknecht: „Es sollte keine Viertel geben, wo Einheimische die Minderheit sind“

    Gerade haben die Ideen und Konzepte der linken Parteien einen deutlichen Denkzettel verpasst bekommen – was Wagenknecht bestätigt und nicht widerlegt. Welche Migration gibt es eigentlich außer Asyl? Vor allem gibt es illegale Migration, aber darüber wollen Grüne lieber nicht sprechen, denn: niemand ist ja illegal.

    Das einzige internationale Konzept zur Bekämpfung des Klimawandels, das tatsächlich in politische Maßnahmen umgesetzt wurde, ist der Zertifikatehandel. Das sollte den Kritikern zu denken geben.

    Heute schimpft die LINKE über die „asozialen“ Pläne zu einer Erhöhung des Renteneintrittsalters, wie sie eine Expertenkommission („Hört auf die Wissenschaft!“) vorschlägt. Ist natürlich legitim.

    • Stefan Sasse 8. Juni 2021, 11:37

      3) Die gehen für mich damit einher? Logischerweise gelten meine Arbeitnehmendenpflichten auch im Home Office. Oder was sollte da neu dazukommen?

      4) Hier zeigt sich mal wieder dein mit Ressentiment gemischtes Unwissen. Es gibt durchaus illegale Migration. Es geht nur darum, Menschen nicht als illegal zu bezeichnen.

      Und ja, ich habe hier schon öfter betont dass jedeR immer die eigenen Expert*innen aufs Podest stellt und die anderen anzweifelt. Ist ja normal.

      • Stefan Pietsch 8. Juni 2021, 17:43

        3) Du willst mehr Rechte und bist nur bereit, gemäß Deinen bisherigen Pflichten zu arbeiten? Wo gibt’s denn so was?

        Das Homeoffice bedeutet deutlich mehr Pflichten und Kosten für den Arbeitgeber. Dazu sind seine Kontroll- und Verfügungsrechte auf den von ihm bezahlten Arbeitnehmer deutlich eingeschränkt – was manche Arbeitnehmer und ihre Interessenvertreter in Parteien ja als Vorteil ansehen. Nun funktionieren Verhandlungen nach dem Prinzip, dass immer beide Seiten etwas einbringen.

        Das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitszeit seines Arbeitnehmers zu kontrollieren, bezieht sich ja nur darauf, dass er die Arbeitsleistung nach diesem Kriterium vergüten muss. Du hättest wahrscheinlich auch ein Problem, wenn Du für Dein Bad einen Handwerker beauftragen würdest, der nach Stunden abrechnet und Du von jeder Kontrolle ausgesperrt wärst.

        Das Zauberwort heißt Vertrauensarbeitszeit. Am Ende läuft es darauf hinaus, den Arbeitnehmer nach erbrachter Leistung und Gewerken zu entlohnen und nicht mehr nach Arbeitszeit. Allerdings, da gehst Du weder mit noch kommt es Dir in den Sinn. Das war mein Punkt.

        4) Neben der Binnenmigration aus den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft bleibt das Asylrecht das wesentliche Tor für die Migration aus Drittländern. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht als solches zur dauerhaften Migration gedacht. Von daher drückt sich Wagenknecht in der Sache klar und zutreffend aus. So, wie es Politiker tun sollten. Und klar, wer sich unerlaubt auf dem Betriebsgelände aufhält, ist illegal dort. Und eventuell ein Krimineller. Ist Dir eine solche Ausdrucksweise lieber?

        4) Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass der Kern der Klimadebatte darum kreist, dass 97% der Experten sich in einer gewissen Weise ausdrücken. Einen ähnlichen Faktor treffen wir übrigens bei der Richtung zur staatlichen Rente an. Sollten wir uns also bei den politischen Maßnahmen zum Klimawandel nicht mehr an den Prognosen von Experten orientieren? Umgekehrt gefragt: warum orientieren wir uns beim Thema Rente nicht endlich an der geballten Einschätzung von Experten?

        • Stefan Sasse 8. Juni 2021, 18:03

          3) Du, ich kenn das gar nicht anders, deswegen kam es mir nicht in den Sinn. Letztlich betrifft Home Office doch praktisch eh nur Leute, bei denen die Arbeitszeit auf die Art gerechnet wird. Ich kenne niemanden, der einfach acht Stunden „Homeoffice“ clockt und dann aufhört. Mir erschienen diese Pflichten einfach als selbstverständlich. Das mag aber an meinem Beruf liegen.

          4) Rente: Gleiches Problem wie beim Klimawandel. Die Prognosen geben ja keine Handlungsanweisung. Die Wissenschaft ist sich einig, dass wir klimatisch und demografisch untergehen. Aber aus der Einigkeit leitet sich ja keine Lösung ab. Das ist das Problem, und es ist ein politisches Problem. Und wir haben auf beiden Feldern eine völlige Verweigerungshaltung der Politik, eine unglaubliche Unernsthaftigkeit.

          • Stefan Pietsch 8. Juni 2021, 18:16

            3) Nun, während der Pandemie nutzten rund 50% ganz oder teilweise das Home Office als Arbeitsplatz. Das soll nach dem Willen der linken Parteien auch so bleiben. In der Tendenz haben viele Arbeitgeber auch nichts dagegen. Aber. Unter den 50% sind eben auch viele Tarifbeschäftigte, manchmal sogar darunter. Arbeiten nach Arbeitszeit ist ziemlich, wie drücken das Linke an anderen Stellen aus? – so old fashion. Es kommt auf das Ergebnis an, nicht, wie lange jemand dafür gebraucht hat. Wenn ein Buchhalter am Tag 100 Geschäftsvorfälle weghauen muss, dann sollte er das auch im Home Office können. Da wird dann aber nicht auf die Uhr geschaut und wenn alles verbucht ist, kann er den Rechner zuklappen. Gehalt (ohne Überstunden) kommt am Monatsende. Waren es halt 200 Buchungsvorgänge, bekommt er eben mehr.

            4) Könntest Du ein bisschen konfrontativer sein? 😉 Wäre hilfreich für die Debatte.

            • Stefan Sasse 8. Juni 2021, 22:50

              3) Ich verstehe dein Beispiel nicht. Was ist mit 200 Vorgängen mehr? – Und grundsätzlich kann es dem AG doch völlig egal sein, in welcher Zeit Angestellte ihr Pensum schaffen. Als ob AGs was gewinnen würden, wenn die ihren Arsch im Büro breit sitzen! Das hat mich in der Privatwirtschaft (und im öffentlichen Dienst sicher auch, aber da hab ich keine Erfahrungen) immer schon genervt, dieser Fetisch um Anwesenheit am Arbeitsplatz. Ganz schlimm bei Bosch damals. Von 8 Stunden waren 2 im Endeffekt tote Zeit, aber man musste sie abgammeln…da wäre allen mehr geholfen, wenn man etwas flexibler sein könnte. Und bevor du jetzt in die Litanei einsteigst dass die bösen Linken das nicht wollen – das ist leider ebenso korrekt wie notwendig, weil wenn AGs „flexibel“ hören, denken sie sofort an unbezahlte Mehrarbeit und sorgen dafür, dass es so wird. Nicht umsonst haben wir im pandemiebedingten Homeoffice einen neuen Rekord unbezahlter Überstunden aufgestellt.

              4) Werd mich bessern. 😉

              • Stefan Pietsch 9. Juni 2021, 09:29

                3) Du hast es völlig missverstanden. Unternehmensleitungen ist es zum Teil egal, wie lange die Leute sitzen. Das ist nicht selten eine Frage für die Kollegen. Der Job muss erledigt sein, für den schließlich bezahlt wird.

                Arbeitnehmervertreter haben das immer umgekehrt gesehen: Der Arbeitgeber zahlt für die Zeit am Arbeitsplatz. Hierum kreisten immer die Vereinbarungen, wie z.B. auch jene zu den Pausenzeiten. Es sind Gewerkschaften und Betriebsräte, die sich gegen die Vergütung nach Leistung wehren. Deswegen sind sie auch keine großen Freunde des Home Office.

                Das ist auch meine Erfahrung, nicht nur bei dem Thema: wenn nach Ergebnis und nicht nach Arbeitszeit vergütet wird, haben einige Beschäftigte das Nachsehen, weil sie zu den Schlechtleistern und Bummlern gehören. Es ist aber die Gruppe, die nicht selten treue Wähler der Betriebsräte sind.

                Flexibel heißt, ein Job muss erledigt werden. Und dafür sollen nicht höhere Kosten anfallen. So einfach ist das. Dein Argument zeigt ja höchstens, dass Du selbst im alten Denken verhaftet bist. Was ist denn Mehrarbeit? Zeitlich mehr Aufwand. Aber wieso? Meine Erfahrung durch die Bank ist: immer wenn ich irgendwo hinkam, klagten die Mitarbeiter als erstes über Arbeitsüberlastung und man bräuchte mehr Leute. Tatsächlich arbeiteten sie viel zu viel manuell. Ihr Wissen war beschränkt, sie waren zu eingefahren und waren nur begrenzt fähig, technische Hilfsmittel adäquat einzusetzen und sie selbständig in ihren Funktionen zu erweitern. Deswegen brauchten sie sehr viel Zeit. Und manche waren auch verliebt in das viele manuelle Arbeiten, weil es ihnen vermeintliche Wichtigkeit verschaffte.

                Nur ist es nicht der Blick, mit dem Arbeitgeber auf Beschäftigung schauen.

                • Stefan Sasse 9. Juni 2021, 09:55

                  Sorry, aber das deckt sich überhaupt nicht mit meinen Erfahrungen. Meinen AGs war immer nichts so wichtig wie Arbeitszeit. Natürlich wollen die auch dass die Arbeit erledigt wird, aber es ist nicht so, als hätten die einen je früher gehen lassen weil man mal früher fertig war oder besonders gut gearbeitet hat.

                  • Stefan Pietsch 9. Juni 2021, 10:26

                    Wie viele Unternehmen hast Du von innen gesehen und wann war das zuletzt?

                    Du darfst Dich nicht wundern: wenn der Arbeitsvertrag auf Arbeitszeit lautet, hast Du da zu sein. Doch es ist kein Gesetz, dass das so sein muss. So lange Betriebsräte darauf bestehen, dass gestochen wird, wird eben die Zeit gemessen. Woran soll auch sonst festgemacht werden, dass die Arbeit getan ist?

                    Ich war ja in den Achtzigerjahren beim Bund. Freitags vor der Heimreise war Stubenreinigung angesagt, von 11 bis 12. Wenn man 11:43 Uhr fertig war, so war dennoch die Stube nicht fertig gereinigt – believe me. Punkt 12 war alles sauber. Keine Minute früher und keine Minute später. Bund eben.

                    • Stefan Sasse 9. Juni 2021, 14:34

                      Ziemlich viele, ich musste nämlich durch mein Erwachsenenleben hindurch arbeiten. Ich bin nicht eben mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden. Zuletzt übrigens heute mittag, als ich meinen Arbeitsplatz verlassen habe.

                    • Stefan Pietsch 9. Juni 2021, 20:44

                      Da haben wir einiges gemeinsam und doch so unterschiedliche Erfahrungen.

                    • Stefan Sasse 9. Juni 2021, 22:48

                      World is a large and complicated place.

                  • Erwin Gabriel 9. Juni 2021, 23:16

                    @ Stefan Sasse 9. Juni 2021, 09:55

                    Meinen AGs war immer nichts so wichtig wie Arbeitszeit. Natürlich wollen die auch dass die Arbeit erledigt wird, aber es ist nicht so, als hätten die einen je früher gehen lassen weil man mal früher fertig war oder besonders gut gearbeitet hat.

                    Genauso wenig, wie ein Arbeitnehmer freiwillig länger bleibt, wenn er vorher geschludert hat. Hängt natürlich vom Job ab; Maschinenbediener, Pförtner etc außen vor.

                    Ansonsten sind das schlechte Chefs. Meiner fragt nicht, ob ich von 09:00 bis 17:00 Uhr auf dem Schreibtischstuhl hocke; ein bestimmtes Arbeitspensum muss zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein, sonst gibt es Ärger mit den Kunden.

                    • Stefan Sasse 10. Juni 2021, 06:40

                      Völlig korrekt.

                      Und ich hab schon eine große Menge echt schlechter Chefs erlebt leider…

                    • Stefan Pietsch 10. Juni 2021, 07:05

                      … aber keine schlechten Kollegen?

                • Erwin Gabriel 9. Juni 2021, 23:10

                  @ Stefan Pietsch 9. Juni 2021, 09:29

                  Arbeitnehmervertreter haben das immer umgekehrt gesehen: Der Arbeitgeber zahlt für die Zeit am Arbeitsplatz.

                  Es sind Gewerkschaften und Betriebsräte, die sich gegen die Vergütung nach Leistung wehren.

                  Wohl wahr.

                  Da habe ich Dutzende Beispiele aus meinem Arbeitsleben.

                  Hierum kreisten immer die Vereinbarungen, wie z.B. auch jene zu den Pausenzeiten. Es sind Gewerkschaften und Betriebsräte, die sich gegen die Vergütung nach Leistung wehren. Deswegen sind sie auch keine großen Freunde des Home Office.

                  Das ist auch meine Erfahrung, nicht nur bei dem Thema: wenn nach Ergebnis und nicht nach Arbeitszeit vergütet wird, haben einige Beschäftigte das Nachsehen, weil sie zu den Schlechtleistern und Bummlern gehören. Es ist aber die Gruppe, die nicht selten treue Wähler der Betriebsräte sind.

                  • Stefan Sasse 10. Juni 2021, 06:38

                    Wie schon oft gesagt, ich habe ein gesundes Misstrauen gegenüber „leistungsgerechter Bezahlung“. Einerseits weil die AG das meist nicht richtig messen können, andererseits weil selbst wenn es eigentlich immer zur Schlechterstellung der AN verwendet wird. Die Gewerkschaften wehren sich da schon aus gutem Grund dagegen. Ich wüsste aber auch nicht, wie man diesen Patt auflösen sollte…

                    • Stefan Pietsch 10. Juni 2021, 07:10

                      Wir kommen zurück zum Anfang: Du willst etwas, ein Recht auf Home Office und Bezahlung ohne auf die Uhr zu schauen (wenn es mal wieder früher wird). Aber Du bist nicht bereit, dafür etwas zu geben. So funktioniert die Welt nicht.

                      Was im Home Office erledigt werden kann, kann auch gemessen und bewertet werden. Wie mehrfach erwähnt: der Job ist getan, wenn er getan ist. Das kann weniger, aber auch länger als acht Stunden dauern.

                      Du musst messen lassen, wofür Du bezahlt werden willst. Überleg´ Dir also gut, was Du willst und forderst.

                    • Stefan Sasse 10. Juni 2021, 08:17

                      Oder später. Wie gesagt, ich bin es gewohnt, nicht nach einer vertraglich festen Arbeitszeit zu arbeiten, und ich bin es gewohnt, im Home Office zu arbeiten. Ich fordere daher für mich erst mal gar nichts. Ich weiß auch nicht wie du auf die Idee kommst, dass ich nicht bereit wäre, etwas dafür zu geben. Und das Messproblem habe ich ja bereits angesprochen.

                    • Stefan Pietsch 10. Juni 2021, 09:30

                      Nochmal: wer bezahlt werden will, muss seine Arbeitsleistung messen lassen. In irgendeiner Form. Und da reicht nicht der Verweis, man arbeite ja schon ordentlich.

                      Derzeit arbeiten viele Callcenter-Angestellte von zuhause. Das ist kontrollierbar. Das Beispiel mit Buchhaltern hatte ich Dir auch gegeben, so lassen sich die meisten Bürojobs organisieren. Und ansonsten gilt eben die Regel (ich wiederhole mich): Der Job ist getan, wenn er getan ist. Ansonsten arbeiten wir halt unter Aufsicht.

                      Gibt es darüber wirklich so viel zu diskutieren? Denk‘ an Deinen Handwerker und probiere daran einfach Deine Ansätze.

                    • Stefan Sasse 10. Juni 2021, 13:08

                      Ne, da widerspreche ich dir ja nicht. Es ist das gleiche Argument wie beim Unterricht: Home Office ist ein schönes ergänzendes Werkzeug, das wir uns erhalten sollen. Es ist weder des Teufels noch der neue heiße Scheiß oder Allheilmittel.

  • derwaechter 8. Juni 2021, 10:31

    11) Wieso ist das unklar?

    Das Problem ist, dass die Masken deutlich durchlässiger sind als sie sein dürften.
    Steht zum Beispiel hier erklärt: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_90138860/spahn-lieferte-offenbar-mangelhafte-masken-an-pflegeheime.html

    Oder auch als Antwort auf Deinen Tweet: https://twitter.com/Asphodelchen/status/1401658999347593219

  • Hanni Hartmann 8. Juni 2021, 15:53

    Zitat: „Wenn Menschen davon bedroht sind, wegen einer falschen Äußerung für 20 Jahre in Erdogans Gefängnissen zu verschwinden, muss die EU und Deutschland …“Zitat Ende. Die Türkei ist zu 95 % asiatisch und nur zu 5 % Europäisch. Die dominierende Religion dort ist der Islam. Also wieso „MUSS“ die EU und Deutsch;and…?? Das ist eine total verbogene Ansicht um zu helfen…

  • cimourdain 8. Juni 2021, 21:46

    3) Es ist wichtig, dass es die Verpflichtung des Arbeitgebers ist, einen Telearbeitsplatz einzurichten (Arbeitsstättenverordnung). Dieser muss im Zweifel auch den gleichen Anforderungen an Sicherheit und Ergonomie genügen, wie ein regulärer Arbeitsplatz. Deshalb pokern die Arbeitgeberverbände auf ein anderes Arbeitsmodell hin: Desk-sharing ergänzt durch mobiles arbeiten mittels einem Laptop. Das spart einen Gutteil der Arbeitsstätten und verpflichtet zu keiner Installation von Heimarbeitsplätzen.

    4) Auch wenn du Wagenknecht nicht magst, solltest du das Interview in Bezug auf die Vermengung von Asyl und Zuwanderung (dein Vorwurf) genau lesen. Der Begriff Asyl kommt genau in zwei Sätzen (im ersten zitierte Abschnitt) vor, in denen sie nichts anderes sagt als dass sie dieses Recht nicht antasten will. Sonst ist immer nur von Migration oder Zuwanderung die Rede (was sie gesetzlich kontrollieren will). Und Migration ist nun mal vor allem Arbeitsmigration (EU-Zuwanderer sind die größte Gruppe).

    8) und 10) Ich gebe dir Recht, dass reale und symbolische Skandale unterschieden werden müssen: Benghazi aufgeblasen, das desaströse Management in Lybien nicht, das ‚coup‘-Kasperletheater am 06.01. aufgeblasen, die Positionierung gefälliger Bundesrichter davor nicht.

    11) a) Der reale Skandal liegt woanders, wenn man sich die Reihenfolge der Ereignisse ansieht: 1) Das Gesundheitsministerium kauft für eine Milliarde untaugliche (nicht zugelassene) Masken, 2) UM das zu vertuschen versucht Spahn diese Fehlinvestition als Wohltätigkeit zu verkaufen.
    Das Ungeschick, dafür eine sozial schwache Gruppe auszuwählen, ist nur ein symbolischer Skandal.
    b) Jenseits aller Corona-Diskussionen. Atemmasken können gesundheitsgefährdende Stoffe enthalten. DM musste im November etwa eine Lieferung wegen Anilin zurückrufen. Eine Empfehlung der Berufsgenossenschaft ist, zum einen die Maske nach dem Auspacken zuerst kurz auszulüften und zum anderen, sie nicht zu benutzen, wenn sie seltsam riecht (Auch wegen der Sterilisierung mit Ethylenoxid-ein Standardverfahren bei Medizinprodukten) .

    • Stefan Sasse 8. Juni 2021, 22:55

      3) Jepp, das ist das was ich im Kommentar zu Stefan auch meinte: die AG beuten halt nur aus, statt das Instrument zu nutzen. Und so gehen Chancen dahin und sinkt die Produktivität, aber Hauptsache drei Büroklammern gespart.

      4) Sorry, nein:
      „In Ihrem Buch argumentieren Sie, dass dieses Wir-Gefühl in Deutschland durch Zuwanderung bedroht ist.

      Wenn sie ein bestimmtes Maß überschreitet, ja. Es ist klar, dass es ein Grundrecht auf Asyl geben muss. Wenn Menschen davon bedroht sind, wegen einer falschen Äußerung für 20 Jahre in Erdogans Gefängnissen zu verschwinden, dann müssen sie in der Europäischen Union Asyl bekommen. Deutschland braucht aber eine Migrationspolitik mit Augenmaß, um die Gesellschaft nicht zu überfordern.“ Die Vermengung mit Asyl macht sie direkt.

      8/10) Ich finde den Coup nicht aufgeblasen, sonst geb ich dir Rect.

      11) a) Guter Punkt, danke.
      b) War das hier der Fall?

      • cimourdain 10. Juni 2021, 23:02

        4) Ich sehe, was du meinst. Für sich genommen, ist jeder Satz klar und unterschreibbar. Aber die Reihung hat etwas von „Ich willl nicht sagen dass […], aber […]“. Nicht ganz sauber.
        11)b) Nein. Ich wollte nur deiner rhetorischen Frage „wofür mir echt die Vorstellungskraft fehlt, so falsch kann man die Dinger doch gar nicht herstellen, oder?“ etwas entgegenwirken.
        6) Als Nachtrag hierzu eine nette Kolumne von einem Wissenschaftsjournalisten: https://www.spektrum.de/kolumne/erkenntnissuche-zwischen-laien-und-experten/1853050

        • Stefan Sasse 11. Juni 2021, 06:40

          4) Genau, das meine ich, und ich unterstelle ihr da schon Absicht.
          6) Danke.
          11b) Danke!

      • Erwin Gabriel 14. Juni 2021, 22:02

        @ Stefan Sasse 8. Juni 2021, 22:55
        3) … die AG beuten halt nur aus …

        Und AN sind alle faul ?

        Ja, nee … is‘ klar

  • Hias 9. Juni 2021, 09:37

    Das Thema Home-Office ist, wenn ich meiner Blase (größere Firmen, v.a. Industrie) vertrauen darf, größtenteils gegessen. Hier gibt es zwar auch viele Vorbehalte, übrigens auch von Betriebsräten, Gewerkschaften und Belegschaft, aber erstens sieht es die Belegschaft überwiegend als positiv an und zweitens werden gerade betriebswirtschaftliche Voraussetzungen dafür geschaffen, indem immer mehr Firmen beginnen massiv Mietverträge für Bürogebäude aufzukündigen, insbesondere in den großen Städten.
    Zusätzlich eröffnet die Ausweitung von Home-Office einer Firma einen deutlich größeren Bewerberkreis für manche Engpassberufe. Oder anders formuliert: Wer keinen ITler mehr vor Ort findet, kann jetzt Deutschlandweit suchen. In einer Zeit des zunehmenden Arbeitskräftemangels werden die Firmen schlicht und einfach gezwungen sein, da mitzumachen.

    Interessant sind an diesem Thema ja ganz andere Punkte: Wie geht Führung, wie funktionieren Karrierewege, wie schaffe ich Teamzusammenhalt, wenn das Team sich nur selten sieht. Wie kann ich die Arbeitssicherheit sicherstellen (ergonomisches Arbeiten, etc) und die Trennung von Beruf und Privatleben.

    Und für die Gesellschaft ganz allgemein: Was bedeutet das für die Provinz. Macht zunehmendes Home-Office auch Regionen außerhalb der Speckgürtel wieder interessant und wie kann ich das vielleicht sogar fördern. Und für die Städte: Wenn größere Büroflächen freiwerden, was bedeutet das für die Stadtentwicklung, Stichwort Wohnungsmangel, Aussterbende Innenstädte, etc.
    Fragen über Fragen, die eine zukunftsorientierte Politik diskutieren sollte.

    • Stefan Sasse 9. Juni 2021, 09:58

      Völlige Zustimmung. Gilt für alle Bereiche. Wenn wir endlich dieses lächerliche Paradigma des Präsenzunterrichts durchbrechen könnten, gibt es auch da viel zu gewinnen.

      • Stefan Pietsch 9. Juni 2021, 10:27

        Für Kinder ist Präsenzunterricht elementar wichtig. Seltsam, dass ich das einem Lehrer sagen muss.

        • Stefan Sasse 9. Juni 2021, 14:35

          Ach Stefan, versuch doch einfach mal ein Modikum an Differenzierung. Als würde ich sagen, wir sollten den Präsenzunterricht abschaffen…

          • Stefan Pietsch 9. Juni 2021, 20:43

            Deine Vorliebe für Wechselunterricht erscheint so groß, wie es sich nicht mit durchschnittlichen Schulklassen verträgt.

            • Stefan Sasse 9. Juni 2021, 22:47

              Wechselunterricht ist furchtbar, das ist das schlimmste von allem. Und ich denke, in dem Fall darfst du mir eine gewisse Expertise zugestehen.

              • Stefan Pietsch 10. Juni 2021, 07:23

                Durchaus. Nur wie Du selbst einräumst, beziehst Du Dich immer nur auf den elitären Bereich der Oberstufenschüler. Das Gros der Schüler gehört aber nicht dazu.

                • Stefan Sasse 10. Juni 2021, 08:18

                  Genau, aber warum unterstellst du mir dann wenn es dir passt, dass ich quasi für alle sprechen und fordern würde, nur um dann wenn es dir das dann passt auf meinen elitären Ansatz zu rekurrieren…?

                  • Stefan Pietsch 10. Juni 2021, 09:26

                    Weil wenn Du so sprichst und formulierst, Dich schon um ein allgemein gültiges Bild bemühen solltest. Ja, alles was wir beobachten, bleibt subjektiv. Aber wenn man nur ein kleines Picture hat, sollte man sich das immer bewusst machen – und erwähnen, wenn man darüber schreibt. Du würdest ja auch nicht akzeptieren, wenn ich die Klagen über niedrige Gehälter zurückweisen würde mit dem Argument, mit einem sechstelligen Betrag ließe sich ganz gut leben. Oder?

                    Fakt ist: Kinder brauchen Schule und Präsenz. Das siehst Du ganz besonders dort, wo es fehlt. Bei uns in der Pandemie und in Schwellen- und Drittweltländern. Schule bedeutet auch Zuflucht und soziale Kontakte. Und wenn man sich darin etwas auskennt, kommt es wie Hohn rüber darauf zu verweisen, dass Kinder, gut organisiert und betreut, wunderbar zuhause lernen könnten.

                    Verstehst Du meinen Punkt?

                    • Stefan Sasse 10. Juni 2021, 13:04

                      Klar, und ich stimme dem Punkt ja auch vollumfänglich zu. Ich sage nur, dass die Pandemie gezeigt hat, dass wir ein ungenutztes Potenzial in ergänzenden digitalen Formaten haben.

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.