Jeff Bezos wird zum Wahlkampf nach Georgia abgeschoben, daddelt aber lieber Cyberpunk2077 im Europäischen Parlament – Vermischtes 21.12.2020


Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Jeff Bezos became even richer thanks to Covid-19. But he still won’t protect Amazon workers

Bezos has accumulated so much added wealth over the last nine months that he could give every Amazon employee $105,000 and still be as rich as he was before the pandemic. […] Decades ago, employees in most large corporations could remedy unsafe working conditions by complaining to their union, which pressured their employer to fix the problems, or to the Occupational Safety and Health Administration (founded in 1970), which levied fines. Alternatively, they could embarrass their companies by going public with their complaints. As a last resort, they could sue. None of these routes is readily available to Amazon warehouse workers – nor, for that matter, to warehouse workers at Walmart, or to most workers in other super-spreader Covid workplaces such as meatpacking plants and nursing homes. […] Amazon employees who go public with their complaints are likely to lose their jobs. The corporation prohibits its workers from commenting publicly on any aspect of its business, without prior approval from executives. […] All of which reveals the utter fatuousness of the US Senate majority leader Mitch McConnell’s and his fellow senate Republicans’ demand that any new coronavirus economic relief package must include a corporate “liability shield” against Covid cases. […] Bezos and Amazon, as well as every major employer in America, can easily afford to protect their workers. And the richest nation in the world can easily afford to provide every American adequate income support during this national emergency. But under Scrooge capitalism, they will not do so unless forced. (Robert Reich, Guardian)

Ich kann mich erinnern, dem Konzept von MilliardärInnen gegenüber generell nicht sonderlich aufgeschlossen zu sein. Die oft gehörte Rechtfertigung bezüglich karitativer Tätigkeiten kann man bei Bezos getrost ignorieren; der Mann leistet nicht einmal dieses absolute Minimum. Es gibt auch keine Entschuldigung für die Arbeitsumstände bei Amazon. So sehr ich den Laden für die Effizienz und Dienstleistung liebe, die er erbringt, so absolut untragbar sind die Arbeitsumstände. Und natürlich die Tatsache, dass diese Umstände legal sind. Wie so oft macht der freie Markt hier nur, was der freie Markt halt macht (auch wenn die meisten Marktteilnehmer nicht ganz so unmenschlich und schweinisch agieren wie Bezos, zugegeben). Aber Fakt ist halt, dass Amazon keine Auflagen hat, die Gesundheit seiner ArbeiterInnen einzuhalten. Also wird jemand, der unmenschlich ist, das nicht tun. Angebot und Nachfrage, Anreiz und Handlung.

2) Hilft ja nichts

Endlich haben die Länderchefs mit der Kanzlerin eine klare Entscheidung getroffen. Sie hätte viel früher fallen können und müssen. Viele Menschen mussten sterben, damit die Regierungschefs endlich den Mut fassen konnten: Mut zur Verantwortung für harte, aber überfällige Maßnahmen. […] Wenn es erlaubt ist, wird es schon in Ordnung sein, sonst wäre es ja wohl verboten – diese Haltung ist menschlich. Niemand kann Eltern einen Vorwurf machen, wenn sie ihr Kind in die Kita bringen, denn die Kita ist doch offen. Niemand kann einem notleidenden Gastronomen vorwerfen, dass er Glühwein auf der Straße verkauft, denn das war doch erlaubt, und er musste Geld verdienen. Und niemand kann sich wundern, wenn Menschen dann diesen Glühwein kaufen und sich vielleicht sogar gegenseitig zuprosten. Der Mensch will vielleicht vernünftig sein, aber das geht nicht ständig, er sucht sich Schlupflöcher. Das Virus schlüpft stets mit hindurch. Schon jetzt ächzt das Gesundheitssystem, manche Intensivstation ist bereits voll, das Personal erschöpft. Noch viele werden sterben müssen. So schrecklich die hohen Todeszahlen sind, so beängstigend die immer stärker ansteigenden Infektionen – diesen Schock hat das Land offenbar gebraucht, um zu begreifen: Ohne klare Regeln können wir diese Pandemie nicht aufhalten. Weil die Länderchefs noch Verordnungen aufsetzen und ihre Parlamente einbeziehen müssen, gelten sie erst ab Mittwoch. Vielleicht schaffen wir es ja, uns schon vorher zusammenzureißen. (Stefan Kuzmany, SpiegelOnline)

Ihr merkt an diesem Artikel, dass das Vermischte eine Weile darben musste; der Beginn des Lockdowns liegt schon deutlich in der Vergangenheit. Das Problem, das Kuzmany hier beschreibt, ist dadurch aber nicht gerade verschwunden. Der hier angesprochene kleine Bruder des Problems ist das Eintreten für Corona-Schutzmaßnahmen, die andere betreffen. Denn viele Leute, ich eingeschlossen, sind sehr vernünftig, wenn es darum geht, menschliche Kontakte dort zu begrenzen, wo man selbst nicht hingeht. In der Stuttgarter Innenstadt die Läden schließen? Ja bitte, ich kauf da eh nicht ein. An Weihnachten keine Versammlung über 5 Personen? Kein Problem, hatte ich eh nicht vor. Die Mechanik ist dieselbe wie bei Debatten um den Sozialstaat oder die Steuern; es kürzt, verbietet und beschneidet sich dort am leichtesten, wo man nicht selbst betroffen ist. Gerade deswegen braucht es in solchen Zeiten Führungsstärke in der Politik, Leute, die bereit sind, für das große Ganze zu denken und zu handeln. Also das, wofür sie gewählt wurden. Und da hapert es leider auf vielen Ebenen.

3) Will Georgia show Democrats ran the wrong campaign against Trump?

Meanwhile, Democrats went easy on the Trump administration throughout his time in office. House Democrats could have gotten Trump’s tax returns from New York state before the election but didn’t push for them because they worried it would appear too partisan. Numerous scandals by Trump cabinet officials didn’t receive full hearings or threats of impeachment. Even when House Democrats did impeach President Trump, Speaker Nancy Pelosi decided to go for a „narrow“ impeachment focused only on the election interference issue. Then that impeachment was barely mentioned by Biden or any other Democrats during the campaign. By comparison, when House Republicans knew they would likely face Hillary Clinton in 2016, over the course of more than two years they spent $7 million holding 33 hearings to produce an 800-page report on just the 2012 terrorist attack in Benghazi. It was a relentless effort that, despite its thin factual premise, laid the groundwork for much of the prolonged controversy over Clinton’s use of a private email server which undoubtedly drove down Clinton’s favorable numbers and eventually her turnout. (Jon Walker, The Week)

Ich habe mit dem Artikel zwei Probleme. Problem Nummer eins ist, dass Georgia nicht die Nation als Ganzes repräsentiert. Die Ergebnisse aus diesem Bundesstaat sind also so oder so Ergebnisse aus diesem Bundesstaat und können nur sehr schwer auf die Nation als Ganzes ausgerollt werden. Dazu kommt, dass der Runoff die Besonderheit hat, dass wir die restlichen Ergebnisse schon kennen – Präsident und Zusammensetzung des Senats sind bekannt. Diese Ergebnisse können daher schon von sich aus nicht zeigen, was „falsch gelaufen“ ist.

Auf der anderen Seite bin ich skeptisch gegenüber der Strategie, Anti-Trump-Wahlkampf zu betreiben. Der Mann war schon so unglaublich negativ, der unbeliebteste Präsident der letzten 70 Jahre. Was hätte mehr negative Wahlwerbung da erreichen sollen? Das funktioniert nur, wenn man jemand in den Dreck ziehen will, der da vorher nicht war (wie etwa jedeR andere KandidatIn der letzten Zeit, ob Romney oder Clinton, McCain oder Obama. Aber bei jemandem, bei dem selbst die eigene Anhängerschaft keinen Zweifel daran lässt, dass sie ihn für einen schlechten Menschen hält – was sollen denn da Negativ-Ads noch ausrichten? Aber vielleicht gibt es gute Argumente, bin gespannt, sie zu hören!

4) Nicht viel verpasst

Ob und was Schüler im Shutdown verpasst hatten, wusste niemand genau. Als erstes und vorläufig einziges Bundesland nun hat Hamburg diese Frage mit Leistungstests beantwortet – mit einem überraschenden Ergebnis: Offenbar haben die Schüler nicht viel verpasst! Für alle vier Jahrgangsstufen, die nach den Sommerferien getestet wurden – dazu gehörten die dritten, vierten, fünften und siebten Klassen –, vermeldet die Schulbehörde: „Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Ergebnisse der Lernstandserhebungen auf keinerlei Lernrückstände hindeuteten.“ Kurz gesagt: Schüler und Schülerinnen haben so viel gelernt wie in den Vorjahren. […] Was sagt das aus? Dass der Fernunterricht (zumindest in Hamburg) besser funktioniert hat, als das vermeintliche „Homeschooling-Desaster“ (spiegel.de) vermuten ließ? Dass die physische Anwesenheit im Klassenraum fürs Lernen gar nicht so wichtig ist? Oder dass – Gott bewahre! – Schule insgesamt überschätzt wird und acht Wochen mit oder ohne Unterricht am Ende keinen Unterschied machen? Die Hamburger Schulbehörde verkündete ihre Ergebnisse jedenfalls nicht selbst mit viel Trara, sondern ziemlich versteckt als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Freilich gibt es gute Gründe, keine allzu weitreichenden Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen zu ziehen. (Martin Spiewak, ZEIT)

Ich sehe es nicht ganz so entspannt, denke das Bild ist komplizierter und sehr individuell. Grundsätzlich sind die Horrorszenarien, die man gerade in der Presse lesen darf – vor allem der Blödsinn so genannter Bildungsökonomen von 10.000 Euro Verlust über das ganze Leben – übertrieben. Verlorener Stoff ist in den seltensten Fällen das Problem; den haben die SchülerInnen ja üblicherweise schon zwei Wochen nach der Klausur wieder vergessen. Das ist natürlich nicht für jeden Stoff gleich korrekt; die GrundschülerInnen sollten das schriftliche Multiplizieren schon beherrschen. Aber ob die Feinheiten des Bienentanzes in Biologie oder Wilhelm Tell in Deutsch nun gemacht wurden oder nicht – das ist verschmerzbar.

Problematischer ist der Verlust erlernter Kompetenzen (wem diese Begrifflichkeiten nicht klar sind, der lese noch einmal meinen Artikel zum Aufbau von Unterricht). Und hier zeigen sich die Qualitätsunterschiede im Fernunterricht auch massiv. Hier hinein fallen Grundtechniken des Arbeitens. Für meine Fächer in der Oberstufe wäre das etwa die Fähigkeit, einen Text zu interpretieren oder eine Quelle auszuwerten zu nennen. Ob wir das anhand dreier Werke der Weltliteratur gemacht haben oder an zweien, ob wir Weimar vollständig behandelt haben oder nicht, ist demgegenüber eher zweitrangig.

5) Farah pflegt schwerkranke Corona-Patienten – jetzt soll sie abgeschoben werden

Obwohl die Fachkrankenpflegerin bereits seit 34 Jahren in Deutschland lebt, besitzt sie keinen Ausweis. Mit zwei Jahren floh sie mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg im Libanon. Das war im Jahr 1986, seitdem ist sie staatenlos. Laut Aufenthaltsgesetz gilt sie als „geduldete Person mit ungeklärter Identität.“ Dank ihrer Geburtsurkunde aus dem Libanon soll die 36-Jährige bis 2005 noch eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besessen haben. […] Frau Demir würde bereits seit Jahren bei Ministerien und Härtefallkommissionen um Unterstützung beten – jedoch erfolglos. Dies stelle eine psychische Dauerbelastung für eine in Deutschland aufgewachsene und voll integrierte Person dar. Der Präsident der Hochschule fügt im Gespräch mit der „HAZ“ hinzu, Demir sei eine „tadellose und bewährte Pflegekraft.“ Man werde sich „auf allen Kanälen“ für sie einsetzen. (Agentur, Focus.de)

Ich habe das Problem schon vor Jahren in meinem Artikel zum Pfad zur Staatsbürgerschaft beschrieben. Es ist kompletter Irrsinn, wie hierzulande die ohnehin viel zu unzureichenden Ressourcen bei der Abarbeitung von Asylanträgen einerseits und dem Abschieben von Leuten andererseits benutzt werden. Jemand, der seit 34 Jahren (!) im Land ist, abzuschieben – wie irre kann ein System eigentlich sein? In der Zeit verjährt außer Mord jede Straftat. Was soll denn der Quatsch? Besonders da die Person, um die es hier konkret geht, eine sozial äußerst wertvolle Arbeit leistet, Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bezahlt und auch sonst unauffällig gewesen zu sein scheint. Oder man nehme dieses Beispiel aus Sachsen, wo der Sohn den abholenden Beamten antwortet: „Ihr könnt mich nicht abschieben, ich schreibe morgen die letzte Klassenarbeit?“ Könnte der Bundestag in der nächsten Legislaturperiode bitte, bitte endlich das Einwanderungsrecht überarbeiten und solche Fälle künftig ausschließen? Holt euch doch einfach die FDP mit ins Boot, die haben da ja durchaus wohl durchdachte und konsensfähige Ideen. Die könnten eventuell die Brücke zwischen CDU-Nationalismus und Grünen-Idealismus an der Stelle bilden.

6) The Cyberpunk 2077 Review Drama

There was a time when game reviews appeared to be held in a very different esteem. Back in the ‘80s and ‘90s, paper magazines were released once a month, and keen readers would pore through them to learn all the news and opinions about their chosen medium of gaming. Each magazine would have a Reviews section, in which the team of writers shared their thoughts and feelings about the latest games, and then, inevitably, gave them a score. […] Come the widespread access to the internet and that authority became immediately diluted. Not only could people immediately access a range of alternative scores and opinions, but—more insidiously—they could gather information about the games directly from the creators and publishers. While print gaming magazines had their significant flaws and their (rare) scandals, they were at least a filter between the people who wanted money, and the people who had the money. The internet broke that barrier down, and now the optimistic spin and outright lies of the publishers could reach the players directly. […] While obviously 2014’s “GamerGate” clusterfuck was always at its core about obliterating the voices of women and minorities in games criticism/journalism, the lie of “ethics in games journalism” caught a large number in its wake. This notion that the entire process was institutionally corrupt, run by a cabal of venal shills, went from the silly whispering of the few to a broad outcry of so many. The disenfranchised, the lonely, the rejected and the naive were swept up by the cruel and the crazy, and coalesced around an identity that relied on there being this Evil Empire for them to oppose. Gaming wasn’t broadening its appeal to more people because more people were making games—it was because of the Evil Empire forcing their progressive politics down our throats. Never mind that vastly more of the types of games this audience demanded were being released than ever before, never mind that white dudes holding giant guns still appeared on the boxes of every other game, their culture was being stolen from them, and all the bad, sad feelings inside them were because of Them. (John Walker, Kotaku)

Ich bleibe dabei, dass die #Gamergate-Kontroverse von 2014 ein sehr gutes Prisma abgibt, um den Aufstieg des Rechtspopulismus‘ weltweit zu verstehen, schon allein deswegen, weil das Thema scheinbar so weit entfernt von der ach so seriösen Politik ist. Wir hatten es erst letzthin im Vermischten anhand des Themas von „Kingdom Come: Deliverance“, wo auch rechte Narrative gepusht wurden. Das ist in Cyberpunk2077 jetzt nicht der Fall, aber hier geht es auch eher um soziale Vorgänge. Denn dieses Fantum, dieses Abschließen in eine Blase, in die keine noch so rationale Kritik zu dringen vermag, eine Selbstradikalisierung – wenn das nicht ein Problem der Gesellschaft als Ganzes ist, dann weiß ich auch nicht. Gleiches gilt für den rapiden Vertrauensverlust der einstigen Gatekeeper. Ich erinnere mich noch zu gut an die Zeit, als die monatlich erscheinenden PC-Spiele-Zeitschriften (ich las PC Action, Gamestar und PC Games parallel!) der einzige Zugang zu Informationen waren und gerade der monatliche Rhythmus und die redaktionelle Begleitung die Debatten bestimmten und in Bahnen hielten. Das hatte natürlich diverse negative Folgeeffekte, was Korruption anbelangte oder dem Verfallen von Hypes wegen begrenzten Zugangs (erinnert sich noch jemand an das Desaster von Black&White im Jahr 2001? Und die wurden dann als Deckmantel für die unglaubliche mysogyne Hasswelle für #Gamergate genutzt. Wie gesagt, die Parallelen sind offenkundig.

7) Trump nach Niederlage „so enttäuscht“ über Supreme Court

Trump sieht sich durch Wahlbetrug um seinen Sieg gebracht. Weder er noch seine Anwälte oder seine Unterstützer haben dafür aber überzeugende Beweise vorgelegt. Das Oberste Gericht hatte am Freitag eine Klage des republikanischen Justizminister von Texas, Ken Paxton, und mehrerer seiner republikanischen Kollegen aus anderen Bundesstaaten abgewiesen. Trump hatte sich der Klage angeschlossen, mit der Bidens Sieg in den Bundesstaaten Pennsylvania, Georgia, Wisconsin und Michigan gekippt werden sollte. […] Das Trump-Lager hat bislang mehr als 50 juristische Niederlagen kassiert. In keinem einzigen Bundesstaat konnten die Befürworter des Präsidenten das Ergebnis der Wahl vom 3. November ändern. Der Supreme Court hatte erst am vergangenen Dienstag einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung zurückgewiesen, mit der das Trump-Lager das Wahlergebnis in Pennsylvania kippen wollte. Kritiker sehen hinter Trumps Weigerung, seine Niederlage anzuerkennen, den Versuch, weiter Spenden von Unterstützern einzusammeln. (dpa, SZ)

Ich möchte noch einmal betonen, dass diese ganzen Klagen von geradezu absurder Inkompetenz sind. Es ist das letzte Geschenk der Trumpianer an ihre Partei, bevor sie das Amt verlassen. Die ganzen rechtsradikalen RichterInnen, die in den letzten Jahren installiert wurden, können sich anhand dieser albernen Klagen mit rechtsstaatlichen Meriten schmücken. Die eigentliche Gefahr ist deswegen aber nicht gebannt. Über die Hälfte der Republicans in Kongress und Bundesstaaten haben sich diesen Klagen angeschlossen – Klagen, die offensichtlicher Blödsinn und völlig inkompetent waren. Selbst diese Klagen wurden in manchen Gerichten anhand von party-line votes, also entlang der Parteigrenzen, abschlägig beschieden. Eine knappere Wahl und etwas kompetenteres Personal, und der Putsch ist durch. Das ist keine Zeit für ein Zurücklehnen und beruhigt Aufatmen. Wir sind, wenn man die arg in Mitleidenschaft gezogene Weimar-Parallele heranziehen will, noch lange nicht an 1933 vorbei. Bestenfalls in den frühen 1930ern.

8) Tweet


Das kommt gerade immer mehr. Die Reaktionären verlieren den Kampf um die „Identitätspolitik“ ganz klassisch: marktwirtschaftlich. In dem Maß, in dem Unternehmen auf diversity setzen, das in ihrer Außendarstellung betonen und in ihre Personalauswahl einbeziehen, wird der Widerstand schwinden und irrelevant werden. Geschlechtergerechte Sprache wird auch in unternehmensinterner Kommunikation kommen, Quoten werden sich durchsetzen, einfach weil das Thema durch die ruhelosen Aktivitäten der AktivistInnen auf der Agenda blieb und mittlerweile so viel Unterstützung genießt, dass es den Unternehmen es nicht wert ist, den Streit zu riskieren, und weil Leute an Entscheidungsstellen kommen, für die diese Entwicklungen natürlich sind. Gesellschaftlicher Wandel. Wie er immer so passiert.

9) CDU und CSU müssen sich endlich gegen Fidesz positionieren

Die unsägliche Beleidigung erfolgte, nachdem Weber den Rechtsstaatsmechanismus verteidigt hatte, mit dem die gerade in Ungarn grassierende Korruption eingedämmt werden soll und im Ernstfall EU-Fördergelder gestrichen werden können. Wie Orbán den Mechanismus zu verhindern suchte, war erpresserisch, unsolidarisch – und entlarvend. Spätestens dieses Verhalten sollte allen in der EVP klargemacht haben, dass Orbán sie benutzt und kein Interesse hat, Vertrauen wieder aufzubauen. Er selbst widerlegt das Argument, durch die Mitgliedschaft von Fidesz in der Fraktion behielte man Einfluss und öffne Gesprächskanäle. Da der EU-Haushalt bis 2027 nun beschlossen ist, gibt es keinen Grund mehr, Orbán zu stützen, der die EU tagein, tagaus verhöhnt und diese schwächen will. Schwach aussehen würden hingegen die 23 Europa-Abgeordneten der CDU und die sechs CSU-Parlamentarier, wenn sie nicht für den Rauswurf votieren. Dies würde zeigen, dass sie sich wirklich alles gefallen lassen – und sie würden auch die Verantwortung nicht nutzen, die sie in der EVP haben. Wenn sich CDU und CSU positionieren, trauen sich andere aus der Deckung. Und bald wäre die Hängepartie über die Suspendierung von Fidesz beendet: Wird der Chef der Fidesz-Delegation rausgeworfen, dann folgen ihm die anderen Abgeordneten und Orbán dürfte Fidesz selbst aus der EVP führen. Wenn CDU und CSU an ihre Konzepte glauben, sollten sie keine Angst haben vor Orbán als politischem Gegner – in Wahrheit ist er das längst. (Matthias Kolb, SZ)

Das Verhalten der CDU und CSU im Streit um die Fidesz ist unerträglich. Immerhin hat Horst Seehofer aufgehört, diese Gruppe öffentlich zu hofieren, um sich im identitätspolitischen Wettkampf zu positionieren. Neben Faschisten zu stehen, scheint inzwischen auch ihm zu heiß, Gott sei Dank. Aber auf die Stimmen von Fidesz verzichten möchte man immer noch nicht. Gerade die Wahl von der Leyens hat deutlich gezeigt, dass die ChristdemokratInnen im Europäischen Parlament auf diesen Machtblock angewiesen sind. Aber welchen Wert hat es, gerade angesichts des Konflikts um den Rechtsstaatsmechanismus, mit solchen Anti-DemokratInnen in einer Fraktion zu sein? Die Kompromisse, zu denen die EVP gezwungen ist, um die Fidesz im Boot zu halten, höhlen die europäische Demokratie völlig aus. Das ist nicht mehr haltbar.

Das Problem ist übrigens nicht nur Horst Seehofer oder die CSU. Auch von Angela Merkel hört man in dieser Beziehung praktisch nichts. Es ist einer der vielen, vielen Fälle, in der ihr „Abwarten und nichts tun“-Ansatz eine blanke Katastrophe mit gewaltigen Flurschäden ist, auch wenn er – wie im Fall der Personalie von der Leyen – die Machtverhältnisse stabilisiert und für den kurzfristigen Machterhalt der Union positiv sein mag.

10) No, Democrats Didn’t Question the Legitimacy of the 2016 Election

Goldberg is right, of course, but in the least of the ways that this is ridiculous. The primary way this is ridiculous is that there’s a huge difference between: Publicly conceding an election, congratulating the winner, beginning the transition process, and occasionally griping that Russia helped Trump win and refusing to concede, filing dozens of lawsuits, tweeting endlessly about Democrats stealing votes, stalling the transition process, and insisting that Biden isn’t truly the winner. To pretend that these two things are even comparable, let alone the same, is nuts. If Fox News wants to blather on about it, that’s fine. There’s nothing we can do about that. But surely no one else should join in on this nonsense. (Kevin Drum, Mother Jones)

Bereits Wochen vor Bidens offizieller Amtseinführung ist der bad faith überall kaum zu ertragen. Nachdem die Gefahr für die Demokratie durch die skrupellose Machtpolitik der GOP jahrelang de facto ignoriert wurde, erfolgen geradezu gierige Gleichsetzungen mit den harmlosesten Konflikten, in die die Republicans die Democrats gerade zwingen können. Seit vier Jahren versuchen republikanische PolitikerInnen, das Narrativ zu pushen, dass die Democrats Trumps Wahlsieg nicht anerkannt hätten, was völlig lachhaft ist. Clinton rief Trump am Tag der Wahl an und gab die Wahl verloren, was Trump bereits 2016 offen angekündigt hatte, im umgekehrten Fall nicht tun zu wollen! Die Lawine an Nonsens setzt sich bereits in Bewegung, und sie wird den Republicans bei ihren Versuchen helfen, die Demokratie weiter auszuhöhlen und spätestens 2024 einen erneuten Versuch zu machen, die Macht ohne Wahlgewinn zu übernehmen – falls sie die Wahl nicht eh gewinnen, was alles andere als unwahrscheinlich ist.

11) Impatience: a deep cause of Western failure in handling the pandemic?

The failure is most starkly seen when contrasted with East Asian countries which, whether democratic or authoritarian, have had outcomes that are not moderately but several orders of magnitude superior to those of Western countries. How was this possible? People have argued that it might be due to Asian countries’ prior exposure to epidemics like SARS, or Asian collectivism as opposed to Western individualism. I would like to propose another deeper cause of the debacle. It is a soft cause. It is a speculation. It cannot be proven empirically. It has never been measured and perhaps it is impossible to measure with any degree of exactness. That explanation is impatience. When one looks at Western countries’ reaction to the pandemic, one is struck by its stop-and-go character. Lockdown measures were imposed, often reluctantly, in the Spring when the epidemic seemed to be at the peak, just to be released as soon as there was an improvement. The improvement was perceived by the public as the end of the epidemic. The governments were happy to participate in that self-deception. Then, in the Fall, the epidemic came back with vengeance, and again the tough measures were imposed half-heartedly, under pressure, and with the (already once-chastened) hope that they could be rescinded for the holidays. […] The public, and thus I think, the governments were unwilling to take the East Asian approach to the pandemic because of a culture of impatience, of desire to quickly solve all problems, to bear only very limited costs. That delusion however did not work with covid. (Branko Milanovic, Global Inequality)
Im Deutschen haben wir ein schönes Wort für das Phänomen, das Milanovic hier mit „Ungeduld“ etwas ungelenk umschreibt: Wohlstandsverwahrlosung. Die ganze deutsche Gesellschaft hat sich völlig eingenistet in ihrer satten Selbstzufriedenheit. „It can’t happen here!“ Aber genau das tat es. Noch heute scheint es in vielen Bereichen geradezu unwirklich zu sein, dass wir in einer mörderischen Pandemie stecken. Wir sehen das ja selbst hier im Blog bei einigen Leuten. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Dazu sortierte man sich gleich in die altbekannten Narrative ein und betrachtete die Pandemie einfach nur als einen weiteren Konflikt, als wäre es die Mütterrente oder so etwas, wo man ritualisiert entweder gesellschaftliche Solidarität und Gerechtigkeit beschwört oder vom dräuenden Sozialismus warnt. Diese abgeschmackten Konfliktlinien haben uns in der zweiten Welle das Genick brechen geholfen.
{ 129 comments… add one }
  • Kning4711 21. Dezember 2020, 10:05

    Zu 5
    Das hat mich ebenfalls fassungslos gemacht – ich kann auch nicht nachvollziehen, dass den handelnden Beamten da nicht ein Licht aufgeht, wie sehr muss man in seiner bürokratischen Blase gefangen sein um nicht zu sehen, was man anrichtet. Es ist schändlich das Deutschland sich beim Thema Einwanderungsrecht so schwer tut – man kann nur hoffen, dass im konkreten Fall von Frau Demir eine pragmatische Lösung gefunden wird und das Thema nach der nächsten Bundestagswahl abgeräumt wird. Es gibt genügend Vorbilder die man kopieren könnte – spannend finde ich auch die kanadische Version des Bürgervisums, wo Bürger sich zusammenschließen können um ein Visum für zugewanderte Personen zu sponsern.

    • Stefan Sasse 21. Dezember 2020, 10:29

      Das hat ja nix mit den BeamtInnen zu tun. Die können ja nicht einfach nach Belieben das Einwanderungsrecht auslegen!

      • Kning4711 21. Dezember 2020, 13:45

        Naja, Du hast schon Ermessensspielräume, im Zweifel lässt Du die Akte einfach mal liegen und nimmst die nächste oder Du fragst den Chef, ob das wirklich eine sinnvolle Sache ist.

        • Stefan Sasse 21. Dezember 2020, 19:00

          Ja, aber das ist ein anderes Level als Gesetze komplett ignorieren oder außer Kraft setzen.

      • TBeermann 21. Dezember 2020, 16:26

        Man kann aber Informationen unterschiedlich werten. Bei Aufenthaltsfragen oder auch Sozialleistungen kann es ja einen großen Unterschied machen, ob man den Antragsstellern gegenüber wohlwollend gegenübersteht oder jede Möglichkeit zur Ablehnung nutzt.

      • CitizenK 21. Dezember 2020, 16:38

        Die Beamten am Ende der Kette sind auch nicht gemeint. Wenn man das Ermessen ins Gesetz schreibt und oben ansiedelt, ist das weder demokratietheoretisch noch rechtsstaatlich ein Problem.

        Im Asylrecht gibt es z. B. eine Klausel, dass ein Bewerber bleiben kann, wenn „ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes regionales Bedürfnis besteht“. Das ist doch bei einer dringend benötigten
        Pflegekraft der Fall.

        In einem Ort nahe Heidelberg gab es übrigens einen vergleichbaren Fall. Die Frau wurde durch eine Bürgerinitiative nach vielen Monaten zurückgeholt.

        • Stefan Sasse 21. Dezember 2020, 19:00

          Sicher, aber letzten Endes ist das System einfach völlig verkorkst.

        • Stefan Pietsch 21. Dezember 2020, 19:29

          Für einen solchen Fall ist das Einwanderungsgesetz zuständig. Wenn dieses das selbst bei entsprechender Auslegung nicht abdeckt, dann ist die Zuwanderung vom Souverän nicht gewünscht. Genau darüber hat sich die Verwaltung nicht hinwegzusetzen.

          Nochmal die zwei elementaren Fragen: warum machen Sie sich keine Gedanken, warum eine Migrantin trotz mehrmaliger Rechtsänderung in 34 Jahren und trotz angeblicher gesellschaftlicher Relevanz keinen legalen Aufenthaltsstatus erhalten hat. Behaupten Sie, das wäre unisono so? Dagegen spricht bereits der Augenschein.

          Wieso fällt bei der Frage nach Ermessensspielräumen für die Verwaltung immer nur der Rechtsbereich der Zuwanderung und des Sozialrechts ein? Ich habe ein Beispiel genannt, wo der Staat einen sehr kleinen Ermessensspielraum der Verwaltung gerade abgeschafft hat, weil diese zu bürgerfreundlich exekutiert wurde.

          Es geht beim Staat immer um Prinzipien. Sonst reden wir über Willkür. Wenn wir der Ansicht sind, der Verwaltung seien Ermessensspielräume einzuräumen, um eine bürgerfreundliche Anwendung der Gesetze zu ermöglichen, dann wäre es angebracht, dieses anhand verschiedener Rechtsbereiche zu diskutieren.

          Doch ich halte das zum einen für vorgeschoben, zum anderen für wenig sinnvoll in Bezug auf eine effiziente Vollziehung des Rechts. Schließlich gelten Gesetze immer für alle und sollten nicht von der Nähe oder Einschätzung einzelner, nicht rechenschaftspflichtiger Staatsdiener abhängig sein. So, wie schon Hayek warnte.

          • CitizenK 21. Dezember 2020, 20:14

            Ich gehe aber davon aus, dass es sich um ein Form-Versäumnis o. dgl. handelt, sonst hätte sie nicht so lange erfolgreich gearbeitet. Es gibt es das Rechtsinstitut, dass ein Fehler „geheilt“ wird. Wäre zu prüfen, ob das zutrifft.

            Wenn durch die unbedingte Durchsetzung eines Paragraphen mehr Schaden entsteht, sollte man davon absehen. Ebenso, wenn durch eine Steuer-Nachforderung ohne Stundung ein Unternehmen in die Pleite getrieben wird: Fiat iustitia et pereat mundus. („Der Satz kann auch ironisch in dem Sinne zitiert werden, um eine Rechtsauffassung und Rechtspraxis zu kritisieren, die die Bewahrung der Rechtsprinzipien um jeden Preis – auch zum Schaden der Gesellschaft – durchzusetzen gewillt ist.“(Wikipedia)

          • Kning4711 21. Dezember 2020, 20:18

            Ich habe schon die Erwartung, dsss Verwaltungen Gesetzen folgen sollen. Manchmal gibt es aber Fälle, da passt die Aktenlage eben nicht zum Buchstaben des Gestzes – so auch in diesem Falle. Ich werbe hier nicht für Rechtsbrucch, lediglich dafüe Menschenverstand einzusetzen. Die Frau hat eine Arbeit, eine sichere noch dazu, ist aktuell sogar wie man so schön sagt systemrelevant und auch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Außerdem schon 34 Jahre in Deutschland. Klare Sache für den Amtsschimmel – das verdient eine. vorderen Platt auf der Abschiebeliste in Hameln. Sorry, da hätte mal den Kopf einschalten Wunder gewirkt – die Frau hatte im übrigen mehrere Male versucht die libanesische und türkische Staatsangehörigkeit nachzuweisen, leider ohne Erfolg. Immerhin hat sich Innenministerium in Hannover eingeschaltet mit dem Ergebnis, dass sie bleiben darf: vgl. https://www.rnd.de/panorama/staatenlose-pflegerin-von-corona-patienten-darf-in-deutschland-bleiben-Y242OYWIECLOFW4EPUUF2R6IIM.html

            • Stefan Pietsch 21. Dezember 2020, 21:18

              Manchmal gibt es aber Fälle, da passt die Aktenlage eben nicht zum Buchstaben des Gesetzes

              Dafür ist die Judikative zuständig, nicht die Verwaltung. Jeder seinen Job.

              Sie zählen all die Gründe auf, weshalb die Frau nicht nur schon längst hätte anerkannt sein müssen, sondern sogar die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen sollen. Das erlaubt ja auch unser Staatsbürgerschaftsrecht. Allein: all das trifft nicht zu. Und das wird Gründe haben, die in der Person liegen. Nur der drohende Rechtsvollzug hat sie wahrscheinlich aufgeschreckt und jetzt sind es nicht ihre jahrzehntelangen (!) Versäumnisse, sondern die gefühllose Verwaltung, die den Schwarzen Peter haben soll.

              Ich werde jedes Jahr mit den Zwängen des Rechts konfrontiert – beruflich und privat. Es nutzt mir und schadet mir, so ist das mit Regeln. Ich finde es zutiefst ungerecht, wenn man in einem Bereich, der einem politisch am Herzen liegt, verlangt, mal halblang zu machen, aber sich ordentlich verhaltende Bürger die volle Last der Regeln aushalten lässt.

              Im Fußball redet man öfters vom Fingerspitzengefühl. Meist geht es dabei um Situationen, wo der eine gegen die Regeln bevorteilt werden soll, was für den anderen einen Nachteil darstellt.

              Mit anderen Worten: Ich finde, es muss immer (!) Konsequenzen haben, wenn jemand sich nicht an Regeln hält. In dem Moment, wo wir sagen, es sollte unter bestimmten Bedingungen keine Konsequenzen haben, hat die Regel ihren Sinn verloren und sollte abgeschafft werden, damit für alle das gleiche Recht gilt.

              • CitizenK 21. Dezember 2020, 22:15

                Es ist ein schmaler Grat, gewiss. Wer in einem Ermessensspielraum auf mittlerer Verwaltungsebene aber schon eine Bedrohung des Rechtsstaats sieht, sollte bedenken, welche Entscheidungs-Spielräume das „pflichtgemäße Ermessen“(!) den Ordnungsbehörden einräumt: https://www.juracademy.de/polizeirecht-ordnungsrecht-nrw/ausuebung-pflichtgemaessen-ermessens.html

                • Stefan Pietsch 21. Dezember 2020, 22:50

                  Es ist ein schmaler Grat, gewiss.

                  Wohl war. Und zuviel für Staatsdiener, die nicht mal entscheiden dürfen, ob sie dem Bürger 30 Euro Verzugszinsen erlassen dürfen oder ein Geschenk über 20 Euro annehmen können. Es ist zu viel, dann freihändig entscheiden zu können, ob jemand Teil der Gesellschaft bleiben darf oder wegen Pflichtversäumnissen das Land verlassen muss. Das ist eine Entscheidung, die gewählten Vertretern obliegen muss. Denn sie müssen es am Ende auch rechtfertigen und die politischen Konsequenzen tragen.

                  Wie gesagt, ich verstehe die Aufregung nicht, wenn die Streichung eines läppischen Ermessensspielraums, von dem prinzipiell über die Hälfte der Bürger betroffen ist, mit einem leichten Kopfnicken akzeptiert wird, die Ausweitung des behördlichen Ermessens aber für eine kleine Gruppe gefordert wird, kaum messbar, die nicht aus reiner Lässigkeit etwas unterlassen haben zu regeln, was entscheidend ist für ihr gesamtes Leben.

                  Ich finde man kann eher bei Strafzinsen mal Fünfe grade sein lassen als bei der Frage, ob jemand zur Gesellschaft gehört oder nicht. Normalerweise gilt im Recht eine klare Abstufung: je weitreichender die Konsequenzen, desto buchstabengetreuer müssen Gesetze, Verträge, Vereinbarungen und Abkommen ausgelegt werden. Je geringer die Konsequenzen sind, desto lässiger lassen sich Normen handhaben.

                  Ich möchte nicht, dass es umgekehrt ist.

                • Erwin Gabriel 23. Dezember 2020, 16:54

                  @ CitizenK 21. Dezember 2020, 22:15

                  Wer in einem Ermessensspielraum auf mittlerer Verwaltungsebene aber schon eine Bedrohung des Rechtsstaats sieht, ….

                  Du kennst meine Einstellung zu dem Thema: jder, der sich in diese Gesellschaft integriert und hier arbeitet (erst Recht, wenn es in einem Berufsstand ist, den wir mit „Eigenmitteln“ offenbar nicht ausreichend besetzt bekommen), ist mir herzlich willkommen.

                  Aber ich bin da bei Stefan P.: Gesetze müssen angewandt und ausgeführt werden. Kommen dabei schlechte Ergebnisse heraus,muss man das Gesetz ändern, nicht die ausgführenden Beamten und Angestellten anhalten, es zu biegen.

                  PS: Unsere aktuellen Gesetze zum Thema taugen nicht die Bohne.

                  • CitizenK 23. Dezember 2020, 19:00

                    Darauf lief ja meine Forderung hinaus. Kein Beamter darf das Recht „biegen“ oder brechen, einfach so.
                    Es gibt aber Möglichkeiten, wie die Reaktion in Hannover gezeigt hat. Sonst müsste Stefan P. in seiner Sorge um den Rechtsstaat die verantwortlichen Beamten verklagen.

                  • Stefan Sasse 23. Dezember 2020, 21:21

                    Ja, so sehe ich das auch.

          • Juri Nello 28. Dezember 2020, 05:14
            • Stefan Pietsch 28. Dezember 2020, 10:47

              Haben wir, seit 2004 / 2005. In diesem Frühjahr ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten.
              https://fachkraefteeinwanderungsgesetz.de/

              Nur weil die Grünen meinen, ein Einwanderungsgesetz würde ihren Vorstellungen nicht genügen, bedeutet das nicht, dass es das nicht gibt.

              • Juri Nello 28. Dezember 2020, 17:24

                Stimmt. 01. März ’20 ist ein dafür denkwürdiges Datum des Inkrafttretens. Durchaus möglich, dass das auch anderen entgangen sein könnte. 20.04. wäre eigentlich landesgerecht gewesen.

                • Stefan Pietsch 28. Dezember 2020, 18:47

                  Nana, jeder einigermaßen politisch Interessierte weiß, dass es da seit langem etwas gibt. Gemessen an klassischen Einwanderungsländern wie USA, Kanada und Australien haben wir allein mit der Aufnahme von Flüchtlingen 2015 / 2016 das Kontingent auf Jahre erfüllt. Typische Einwanderungsländer achten mit ihren Kontingenten auch immer darauf, die Integrationsfähigkeit und -bereitschaft ihrer einheimischen Bevölkerungen nicht zu überfordern.

  • Stefan Pietsch 21. Dezember 2020, 10:22

    1) Jeff Bezos became even richer thanks to Covid-19. But he still won’t protect Amazon workers

    Ich kann mich erinnern, dem Konzept von MilliardärInnen gegenüber generell nicht sonderlich aufgeschlossen zu sein.

    Von welchem Konzept sprichst Du? Ich kenne kein Konzept, dass Milliadäre zum Ziel hat.

    5) Farah pflegt schwerkranke Corona-Patienten – jetzt soll sie abgeschoben werden

    Das Prinzip dahinter ist denkbar einfach. Es bedeutet, aus Unrecht kann niemals Recht werden. Auch ein Dieb darf selbst nach 40 Jahren seine Beute nicht einfach behalten. Und gerade wir Deutschen sollten wissen, wie wichtig das Prinzip ist, wurden doch nach dem Fall der Mauer die Eigentumsrechte für viele neu geregelt.

    Die Frage, die Du nicht aufwirfst, ist doch, warum es jemanden in 34 Jahren nicht gelingen mochte, einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu bekommen. Wir sind hier halt nicht im Libanon, was uns in anderen Bereichen ja ganz recht ist.

    • CitizenK 21. Dezember 2020, 11:16

      „Das Prinzip dahinter ist denkbar einfach. Es bedeutet, aus Unrecht kann niemals Recht werden.“

      Wendet dieses Prinzip auf Tatbestände aus der NS-„Rechtsprechung“ oder meinetwegen auf die der Adenauer-Ära an, zeigt sich: unhaltbar. Was gestern ins Gefängnis geführt hat, ist heute für einen Spitzenpolitiker kein Problem mehr. Der starre Rechtspositivismus hat schon viel Unglück über Menschen gebracht.

      Im konkreten Fall handelt es sich nicht um gesetzliches Unrecht, sondern „nur“ um ein veraltetes Gesetz. Dafür gibt es aber pragmatische Lösungen, die den Rechtsstaats-Grundsatz nicht verletzen. Zum Beispiel das kanadische Modell (s. u. )
      Auch könnte man gewählten Vertretern bzw. indirekt legitimierten Beamten einen Ermessensspielraum einräumen. Nicht unverhältnismäßig wenn man bedenkt, wie weit Richter durch Interpretation das Recht dehnen können. Das berüchtigte Kühnast-Urteil ist noch immer nicht in Gänze aus der Welt geschafft.

      • Stefan Pietsch 21. Dezember 2020, 11:29

        Das NS-Regime war kein Rechtsstaat. Und dennoch haben viele Gesetze und Prinzipien aus der Zeit weiterhin ihre Gültigkeit. Sie sind ja auch nicht gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, weil es von den Nazis postuliert wurde.

        Stefan hat mit dem Verbrecher argumentiert, dessen Vergehen irgendwann nicht mehr verfolgt würde. Doch das gilt nur für die Strafanwendung. Zivilrechtliche Ansprüche bestehen dagegen zum Teil 30 Jahre vollstreckbar und manche ewig. Seine Argumentation war also falsch.

        Das Problem, wenn man ein Prinzip in Teilen außer Kraft hebelt, ist die Abgrenzung. Wenn uns irgendwann egal ist, ob jemand einen rechtsgültigen Aufenthaltstitel hat, wann beginnt das Irgendwann und wie wird der neue Zustand nachgewiesen? Und dürfen Erpresser zukünftig das Lösegeld behalten, wenn sie es nur lange genug verstecken?

        Um Gottes Willen! Sie plädieren dafür, dass Beamte einen Ermessensspielraum bekommen?! Beamte sind Exekutivorgane des Staates. Macht über den Bürger muss in einer Demokratie demokratisch legitimiert sein. Die Macht von Angela Merkel ist demokratisch legitimiert. Sie kann Organe des Staates anweisen, nach ihrem Willen die Macht auszuüben. Das muss aber immer exakt und präzise sein. Ermessensspielräume sind eben das Gegenteil davon.

        In einem Staat, wo ein frustierter Beamter einen Rechtsakt gegen mich aufheben kann, wenn ich nett zu ihm bin oder mit der vollen Härte der Rechtsverordnungen zuschlagen kann, wenn ich das nicht bin, habe ich immer bekämpft. Das ist unerträglich!

        • Maniac 21. Dezember 2020, 12:47

          https://de.wikipedia.org/wiki/Ermessen
          Natürlich kann einem Beamten ein Ermessenspielraum eingeräumt werden. Das Normalste von der Welt. Darüber hinaus könnte man hier aber auch auf der Tatbestandsseite, das Ermessen gehört zur Rechtsfolge, über konkret formulierte Einschränkungen nachdenken.

          Wenn Du doch nur Deinen beschränkten Horizont nicht zur Grundlage von Invektiven („frustrierter Beamter“ mit Drang zu willkürlichen Handlungen, klar, unter dem gehts ja nicht) machen würdest. Hier ist eindeutig, dass Du von einer Materie keine Ahnung hast, aber unbedingt schlau mitreden musst. Dass macht Deine Positionierung bei anderen Materien nicht glaubwürdiger.

          Gruß, M.

          • Stefan Pietsch 21. Dezember 2020, 15:13

            Es wird Ihnen entgangen sein, aber im Steuerrecht hat die Politik gerade erst minimale Ermessensspielräume der Finanzbeamten beseitigt. Bisher konnten sie kulanzhalber auf Verzugszinsen in engem Rahmen verzichten.

            Das ist aber nicht das, was Stefan und CitizenK mit „Ermessensspielräume“ meinen. Da geht es schon um weitreichendere Freiheiten wie der Kulanz, auf Abschiebungen verzichten zu können, also Rechtsakte komplett zu verändern.

            Es befremdet mich ohnehin, wenn Linke auf der einen Seite Flexibilität und Ermessen in ihrem Sinne verlangen, aber in Steuerangelegenheiten stets die volle Härte des Gesetzes fordern. Daran sieht man, wohin solche Art von „Ermessensspielräumen“ führen sollen.

            „beschränkten Horizont“, „einer Materie keine Ahnung hast, aber unbedingt schlau mitreden musst“ – fällt das nicht unter „Invektiven“, angesichts der persönlichen Adressierung sogar unter Beleidigung? Es ist das, was ich erst am Wochenende schrieb: Ihr Linken verliert angesichts eurer rethorischen Unterlegenheit jedes Maß und die Grenzen des zivilisierten Umgangs.

            Es wäre mir neu, dass Sie in den Jahren je eine Positionierung von mir als glaubwürdig empfanden. Von der nichts Neues bei Maniac, jedenfalls nichts, was mich beunruhigen müsste.

            • TBeermann 21. Dezember 2020, 15:35

              Der eigentliche Witz daran ist, dass du dich tatsächlich für intellektuell und rhetorisch überlegen hältst, obwohl du hier kaum mal einen Gedanken äußerst, der sich nicht zu einem Springer Medium oder einem noch unappetitlichen Medium zurückverfolgen lässt (vom ständigen Rausposaunen von Halbwissen bis vollwertigen Lügen gar nicht erst zu reden).

              Dass gerade du hier mehr Höflichkeit einforderst, ist darüber hinaus nur mit einem Fehlen jedes Instinktes für Ironie zu erklären.

            • Maniac 22. Dezember 2020, 11:35

              Ich bin kein Experte für Steuerrecht. Anders als Du, äußere ich mich nicht zu Themen, in denen ich nicht sattelfest bin. In Anbetracht Deiner Vorgeschichte habe ich jetzt aber auch Zweifel, ob Deine Aussage stimmt. Spielt hier aber auch keine Rolle, weil es nicht darum ging, ob irgendwo mal Ermessenentscheidungen eingeschränkt wurden. Im Übrigen ist Ausländerrecht auch nicht Teil des Steuerrechts, sondern (relativ gewöhnliches) besonderes Verwaltungsrecht. Und, kommen wir zum Kern meiner Aussage zurück, da ist die Ausübung von Ermessen durch einen Beamten eine ganz normale Angelegenheit. In jedem Fall, anders als von Dir suggeriert, nicht staatsgefährdend. Nicht mal ansatzweise. Und genau weil dieser Kontrast hier so groß ist, zwischen der Empörung, die Du zugunsten Deines Argumentes (verbunden mit der üblichen Invektive gegen Beamte) vorschiebst, und der Wirklichkeit, verdichten sich bei mir Zweifel, ob Deine sonst auf gleiche Art arrogant und blasiert vorgetragenen Behauptungen, nicht genauso substanzlos sind, wie diese hier. Ein Gefühl, das sich schon länger bei mir abzeichnet, ich bisher aber nicht ganz greifen konnte. Und ja, sorry, sowas kann ich nur als „schlau mitreden ohne Ahnung“ bezeichnen.

              Was unsere persönliche Beziehung betrifft, kann ich Dir nicht ganz folgen. Eigentlich hatten wir bisher eher unspektakuläre Kontakte, was auch daran liegt, dass ich mich selten zu Wort melde. Dein immer ins persönliche gehende Abarbeiten an Beamten und dem öffentlichen Dienst finde ich ziemlich abstoßend, Dein Mahnen zugunsten der positiven Effekte des Wettbewerbs eher erfrischend (was ich Dir auch schonmal geschrieben habe).

              Zur Sache: Im Rahmen der Diskussion ging es um Ermessenspielräume eines Beamten bei der Anwendung eines Gesetzes. Die Ausübung des Ermessens ist, wie bereits erläutert, eine ziemlich übliche Ausprägung der Rechtsfolge.

              Anders als Du es jetzt suggerierst, genau diese Kompetenz haben die Kommentatoren Stefan S. und CitizenK auch angesprochen, als sie meinten, Beamten könne hier doch Ermessen eingeräumt werden. Beispielsweise könnte der § 58 AufenthG, der gerade KEIN Ermessen vorsieht („…ist abzuschieben…“) entsprechend geöffnet werden. Etwa durch „…kann…“ oder „soll abgeschoben werden“. Ich bin nicht fit genug im Aufenthaltsrecht (siehst Du, darf man ruhig sagen), um zu beurteilen, ob sich hier dadurch tatsächlich legitime Spielräume, etwa im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, öffnen würden. Möglich könnte es aber sein.

              Gruß, M.

              • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 12:06

                Da es nicht verstanden wurde, schreibe ich es nochmal explizit: Es geht mir beim Recht immer ums Prinzip. Ein Prinzip, das in einem Rechtsbereich Anwendung findet, muss auch für andere Rechtsbereiche gelten. Jede Durchbrechung von Rechtsprinzipien läuft in die Gefahr der Willkür – die größte Bedrohung für das Recht.

                Ich habe absolut Sympathie für solche Zuwanderer, so wie wir schon vor Jahren eine durchaus harte Debatte zu einem anderen Fall hatten. Aber Sympathie ist keine Kategorie des Rechts, darf es nicht sein. Ich liebe den Rechtsstaat zu sehr, als dass ich die Durchbrechung der rechtsstaatlichen Prinzipien aus Sympathiegründen begrüßen würde.

                Wer für mehr Ermessensspielräume für die Verwaltung eintritt, sollte das des öfteren an wesentlicheren Rechtsbereichen als den Sonderbereichen aufzeigen. Das würde mich eher überzeugen, dass es demjenigen um Rechtsprinzipien geht und nicht um Lobbyismus.

                Zu meiner Aversion gegen Beamte: Ich habe in meinem Leben noch keinen fleißigen Beamten kennengelernt. Keine Verwaltungsbeamte, keine Postbediensteten (waren früher oft Beamte), keine Lehrer, keine Steuerprüfer, keine Richter und keine Professoren. Fleiß ist fraglos eine Kategorie des Charakters und in jedem dieser Bereiche gibt es durchaus fleißige, ehrgeizige Menschen. Nur konzentiert sich deren Fleiß und Ehrgeiz meiner durch keine Ausnahme durchbrochenen Beobachtung auf Bereiche außerhalb ihres eigentlichen Aufgabenbereichs. Was wenig verwunderlich ist: Fleiß und Ehrgeiz werden im Staatsdienst selten honoriert.

                • Stefan Sasse 22. Dezember 2020, 15:45

                  Dann hast du nicht sonderlich genau geschaut, fürchte ich.

                • FS 22. Dezember 2020, 17:12

                  „Ein Prinzip, das in einem Rechtsbereich Anwendung findet, muss auch für andere Rechtsbereiche gelten. Jede Durchbrechung von Rechtsprinzipien läuft in die Gefahr der Willkür – die größte Bedrohung für das Recht.“

                  Ich bin nicht ganz sicher, ob ihr Verständnis eines Rechstprinzips hier mit der geläufigen Bedeutung übereinstimmt. Die Rechtsprinzipien sind nämlich, im Gegensatz zu Rechtsregeln, ziemlich vage und von der Einzelauslegung abhängig (https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzip#Rechtsprinzipien).
                  Abgesehen davon stimmt es auch nicht, dass ein Prinzip in allen Rechtsbereichen notwendig gleich angewendet werden muss: So gilt bspw. das Analogieverbot für die Rechtsfindung im Strafrecht unumstößlich, im Steuerrecht hingegen nicht.

                  • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 17:24

                    Das war in dieser Absolutheit auch nicht so gemeint. Aber Prinzipien lassen sich nicht einfach grundlos durchbrechen. Wie seit Tagen diskutiert dürfte es schon verfassungsrechtlich nicht zulässig sein, im Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftschaftsrecht der Verwaltung große Ermessensspielräume einzuräumen, im Steuer- oder allgemeinen Verwaltungsrecht jedoch die Dinge maximal eng zu sehen. Und selbst wenn doch, ist genau das kaum zu vermitteln.

                    • TBeermann 22. Dezember 2020, 17:59

                      Wenn man es als genau so schwere Härte empfindet, 30 € Verzugszinsen zu zahlen oder seinen Sachbearbeiter beim Finanzamt nicht bestech…also ihm keine kleine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, wie aus einem Land, in dem man eventuell sogar geboren wurde in ein Land abgeschoben zu werden, das man nicht kennt und wo man die Sprache nicht spricht…ja, dann wäre das schwer zu vermitteln.

                    • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 18:46

                      Es ging um den Bereich, wo die Verwaltung Ermessensspielräume haben sollte und wo nicht. Es ist sicher leichter über die Notwendigkeit von 30 oder 100 Euro Verzugszinsen zu befinden als über die Unterlassung einer Abschiebung.

                    • TBeermann 22. Dezember 2020, 21:15

                      Für das Erlassen von einigen Euro Verzugszinsen gibt es keine „Notwendigkeit“. Das ruiniert niemanden. Und für höhere Beträge gibt es Möglichkeiten wie Ratenzahlungen.

                      Bei Entscheidungen, die das Leben von Menschen betreffen, gibt es eine Notwendigkeit von Ermessensspielraum. Wenn wir hier mal den konkreten Fall nehmen, zu dem du ja auch schon einige Urteile über die Person gefällt hast, bei denen mir nicht so ganz klar ist, auch welchen Informationen sie beruhen.

                      Die Familie hatte eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Da ihre Namen 2006 auf einem Auszug des türkischen Personenregisters auftauchten (aber so weit ich gelesen habe, stimmten alle anderen Daten dort nicht) wurde ihnen der Status aberkannt und die Pässe eingezogen, was dazu führt, dass sie weder neue Pässe beantragen können (weil sie dafür in den Libanon müssten), noch in Deutschland einen langfristigen Aufenthaltstitel oder gar die Einbürgerung beantragen (denn dafür bräuchten sie einen Pass).

                      Selbst wenn man die menschliche Seite wegließe und das Ganze rein utilitaristisch sähe, ergibt das keinen Sinn.

                    • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 21:20

                      Bei Entscheidungen, die das Leben von Menschen betreffen, gibt es eine Notwendigkeit von Ermessensspielraum.

                      Wieso das? Die Begründung fehlt. Das ist eine extrem weitreichende Entscheidung, folglich sind solche von Leuten zu treffen, die viel Lametta auf der Schulter haben (Bundeswehrslang). Dafür sind Gerichte da. Solche Entscheidungen sind klar nach Rechtslage zu entscheiden, über die Auslegung entscheiden dann Richter mit entsprechender Kompetenz und Gehaltsstufe und nicht Beamte ohne Kompetenz und niedriger Gehaltsstufe.

                    • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 21:31

                      In den Libanon kann man reisen. Ich hatte dort auch schon geschäftlich zu tun. Und haben jetzt alle, die aus irgendwelchen Gründen keinen Pass auftreiben können, Anspruch auf ein Bleiberecht in Deutschland?

                    • TBeermann 23. Dezember 2020, 12:00

                      Die Rechtslage ist aber kein Monolith, sondern immer Interpretationen unterworfen, ob Sachverhalt A die Voraussetzung erfüllt, Reaktion B auszulösen (bzw. auslösen zu müssen).

                      Und ja, man kann in den Libanon reisen, wenn man einen gültigen Pass hat. Catch 22.

                    • Stefan Pietsch 23. Dezember 2020, 14:02

                      Nochmal die nicht beantwortete Frage: soll jeder, der keinen gültigen Pass vorzuweisen hat, die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten?

                      Sie scheinen es sehr unüblich zu anderen Menschen zu halten: sei großzügig im Großen und geizig im Kleinen. Oder anders formuliert: Wichtig ist nicht ob Versetzung oder Sitzengeblieben, da kann man lässig sein. Wichtig ist die Note in einem bestimmten Fach.

                      Ich sehe in einer solchen Haltung wenig Zielgerichtetheit. Am Ende zählt das Ergebnis. Ob Verzugszinsen notwendig sind oder nicht, ist eine Lapallie. Wichtig ist, dass die Steuererklärung im wesentlichen korrekt ist. Und wichtig ist, ob jemand die (rechtlichen) Voraussetzungen für den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland mitbringt. Dazu gehört für Zuwanderer Ehrlichkeit und Bemühen (um die Erfüllung der Formalitäten).

    • sol1 21. Dezember 2020, 12:04

      „Auch ein Dieb darf selbst nach 40 Jahren seine Beute nicht einfach behalten.“

      Wem wird bei einem Aufenthaltsrecht etwas weggenommen?

      • Stefan Sasse 21. Dezember 2020, 18:59

        Es ist vor allem wirtschaftlich komplett unsinnig!

        • Erwin Gabriel 23. Dezember 2020, 17:08

          @ Stefan Sasse 21. Dezember 2020, 18:59

          Es ist vor allem wirtschaftlich komplett unsinnig!

          Ja, komplett unsinnig, volle Zustimmung.

          Aber der Weg, diese Situationen zu ändern, darf nicht sein, die bestehenden (nicht funktionierenden) Gesetze zu ignorieren. Dann müssen da funktionierende Gesetze hin. Aber solange ALLE Parteien das Thema Einwanderung nicht pragmatisch, sondern ideologisch betrachten, wird das vermutlich nichts.

          Ansonsten kannst Du doch nicht allen Ernstes von Beamten verlangen, dass sie die Intention eines Gesetzes bewusst ins Gegenteil verkehren, weil sie sonst „schlechte Menschen“ sind. Das nächste Mal wird die doppelte Sozialhilfe angewiesen, oder ein durchgefallener Prüfling erhält trotzdem den Führerschein – gefühlte und reale Härtefälle gibt es genug, um einen Haufen Blödsinn anzurichten.

          Wir haben seit Jahrzehnten diesen Mist, und jeder jammert, keiner tut.

    • Dennis 22. Dezember 2020, 11:37

      Zitat Stefan Pietsch:
      „Das Prinzip dahinter ist denkbar einfach. Es bedeutet, aus Unrecht kann niemals Recht werden. Auch ein Dieb darf selbst nach 40 Jahren seine Beute nicht einfach behalten. “

      Soooo denkbar einfach isses nicht. Der letzte Satz ist denkbar einfach falsch. Die hier einschlägige VERJÄHRUNG gem. § 197, Abs. 1, Ziff 2 BGB tritt nach 30 Jahren ein; okay, ich weiß, das kann „gehemmt“ werden, davon haben Sie aber nichts geschrieben 🙂

      Der mittlere Satz ist eher philosophisch, okay eine Meinung. Rechtlich ziemlich schräg, im besprochenen Fall nicht einschlägig und außerdem gibt’s offenbar eine Lösung:

      https://www.welt.de/regionales/niedersachsen/article222985812/Von-Ausweisung-bedrohte-Intensivpflegerin-darf-doch-bleiben.html

      • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 11:54

        Der letzte Satz ist denkbar einfach falsch. Die hier einschlägige Verjährung gem. § 197, Abs. 1, Ziff 2 BGB tritt nach 30 Jahren ein; okay, ich weiß, das kann „gehemmt“ werden, davon haben Sie aber nichts geschrieben

        Ich erwarte schon, dass Sie meine Kommentare lesen, wenn Sie darauf antworten.
        Zivilrechtliche Ansprüche bestehen dagegen zum Teil 30 Jahre vollstreckbar und manche ewig. Seine Argumentation war also falsch.

        Fällt bei Ihnen wieder in die Kategorie „wollte etwas dagegen sagen“.

        • Dennis 22. Dezember 2020, 13:54

          Also nochmal zum Mitschreiben:

          Zitat von jemanden, der schlau mitreden will, obwohl er keine Ahnung hat, was wiederum ein zutreffendes Zitat von Maniac ist:

          „Auch ein Dieb darf selbst nach 40 Jahren seine Beute nicht einfach behalten. “

          Doch, das darf er. Der Herausgabeanspruch ist nach 30 Jahren verjährt.

          • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 15:00

            Das ist Blödsinn. Schauen Sie mal in § 73 StGB. Und dann gehen Sie zu § 78 StGB (Verjährung). Nach § 76a StGB kann immer selbständig eingezogen werden, da gibt es keine Verjährung. Denn wie gesagt – und den Grundsatz sollte eigentlich jeder kennen: aus bösgläubigen Besitz lässt sich kein Eigentum erwerben.

            • Stefan Sasse 22. Dezember 2020, 15:46

              Wäre auch mein Wissensstand.

            • FS 22. Dezember 2020, 17:47

              „Nach § 76a StGB kann immer selbständig eingezogen werden, da gibt es keine Verjährung.“
              Äh, ich bin ja kein Jurist, aber wie erklären Sie sich dann§76b StGB Satz 1:
              „Die erweiterte und die selbständige Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages nach den §§ 73a und 76a verjähren in 30 Jahren.“
              https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__76b.html

              • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 18:44

                Das bezieht sich auf die Norm des § 73 StGB Abs. 3:
                Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
                https://dejure.org/gesetze/StGB/73.html

                Folgender Fall: Der Räuber erwirbt mit der Beute eine Immobilie. Die Immobilie ist nicht Teil der Beute, sondern Ertrag aus dieser. Dieser Ertrag kann 30 Jahre nach der Verurteilung immer noch einkassiert werden.

                Davon unberührt bleibt aber die Beute selbst. Es wäre ja auch fatal für den Rechtsfrieden, wenn ein Bankräuber seine 12 Jahre absäße, das Geld 30 Jahre verbuddelt ließe und dann davon seinen Lebensabend bestreiten könnte.

                • FS 22. Dezember 2020, 19:37

                  Ein Verweis auf §73 Abs. 3 findet sich in §76b nicht, dass kann m.E. nicht stimmen.
                  Aber §73 gilt nach §78 Abs.1 Satz 1 i.V.m. §11 Abs. 1 Nr. 8 nur für die normale Verjährungsfrist der Straftat (Maßnahmen beinhalten Einziehung). Danach tritt § 76a Abs. 2 in Kraft, und der gilt wiederum nach §76b als nach 30 Jahren nach der Tat verjährt. Wie gesagt, ich bin kein Jurist, und die Konstruktion der Paragraphen finde ich nicht ganz übersichtlich. Aber ich glaube mehr und mehr, dass Dennis Recht hat. Ich wäre auch davon ausgegangen, dass das Eigentum prinzipiell zurückerstattet werden muss, ohne Verjährung. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher.

                  • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 20:03

                    Der Verweis ergibt sich im Juristischen durch die Bezeichnung. § 76 b bezeichnet den Tatertrag.

                    § 73 bezeichnet in Absatz 1 den Raub als „etwas“. In Absatz 2 geht es um „Nutzungen des Erlangten“, also der Beute. Absatz 3 schlussendlich spricht von „Gegenständen“, die erworben wurden. Das sind alles unterschiedliche Sachverhalte. Juristen machen das nicht zufällig.

                    Ich bin auch kein Strafrechtler, aber 73 b geht allein auf den Tatertrag und Ertrag ist das, was aus einem (Vermögens-) Gegenstand selbst erzielt wird, nicht der Gegenstand oder die Sache an sich.

                    Sie können das auch googeln, wenn Sie mich nicht überzeugend finden:
                    https://www.finanzfrage.net/g/frage/ist-man-nach-der-verjaehrung-immer-noch-strafbar#:~:text=Das%20Delikt%20an%20sich%20verj%C3%A4hrt,die%20Kohle%20trotzdem%20nicht%20behalten.

                    • FS 22. Dezember 2020, 20:23

                      Äh, nein. Der Tatertrag ist schon die Erlangung der Sache, also die Beute, aus §73 Abs. 1, hat also mit Abs.3 nicht direkt etwas zu tun, dort geht es ja nur darum, dass man mit dem Tatertrag evtl. etwas anderes erworben hat. Die Nutzung der Sache ist nach Abs. 2 zwar auch einziehbar, ist aber auch nicht der Tatertrag, sondern der Gewinn, der aus dessen Verwendung entsteht.

                    • FS 22. Dezember 2020, 20:34

                      Es wäre sonst auch widersinnig, da § 76a, Absatz 2, der ja gerade die Einziehung über die Verjährung hinaus erlaubt, auch von Tatertrag spricht. Dann wäre die Beute schon mit der normalen Verjährungsfrist futsch, der daraus kommende Gewinn (oder die Immobilie) aber erst nach 30 Jahren?!

            • Dennis 23. Dezember 2020, 10:15

              Je nun, bei all dem Beschriebenen handelt es sich um strafrechtliche Vermögensabschöpfung/Einziehung durch den Staat bzw. die Staatskasse; dazu ist es übrigens nicht unbedingt notwendig, dass es überhaupt einen „Verletzten“ gibt bzw. ein solcher „auftaucht“. In diesem Fall geht die Kohle oder das Zeugs an die Staatskasse, was primär sowieso erstmal geschieht. Der Verletzte ist in dieser Sache grundsätzlich nachrangig, in dessem Interesse wird primär nicht gehandelt, das ist bei Strafsachen immer so. Sonst bräuchte man das ja gar nicht, sondern könnte das Zivilrecht als ausreichend ansehen.

              Jedenfalls eine andere Hausnummer als zivilrechtliche Herausgabeansprüche von Eigentum. Letzteres kann verjähren, 197 BGB; nach 30 Jahren.

              Das Ihrerseits Fettgedruckte ist natürlich zutreffend, aber der Anspruch auf Herausgabe des Eigentums kann dennoch verjähren, was wiederum KEINEN Eigentumsübergang darstellt. Die Forderung geht theoretisch nicht unter, kann aber nicht mehr befriedigt werden, weil sich der Schädiger auf die Verjährung berufen kann. Auf staatliche Ansprüche gem. Strafgesetzbuch kann ich mich als Verletzter gegenüber dem Schädiger eh nicht berufen. Getrennt zu betrachtende Rechtsgebiete, auch wenn es gewisse Verbindungen gibt.

              • Stefan Pietsch 23. Dezember 2020, 12:32

                Gehen wir das Ganze mal pragmatisch an. Eine Sache hat immer einen Eigentümer (verzichten wir auf Sonderfälle des Rechts).

                Das Eigentum an geraubtem oder erpressten Geld bleibt wegen der strafrechtlichen Tat immer beim Beraubten / Erpressten. Soweit hoffentlich in Ordnung.

                Entdeckt die Polizei als Wahrer der öffentlichen Ordnung irgendwann nach 34 Jahren die ursprüngliche Beute, stellt sich doch nicht wirklich die Frage nach dem Eigentümer. Nur weil jemand sein Eigentumsrecht nicht ausübt oder ausüben kann, verliert er nicht den Anspruch daran. Dazu bedarf es eines gesonderten Rechtsaktes.

                Kann der Räuber nach 34 Jahren Eigentümer der geraubten Sache geworden sein? Mit Sicherheit nicht. Das wäre eine klare Bedrohung des Rechtsfriedens und würde zu neuen, unerwünschten Geschäftsmodellen führen. Denn die Durchschnittsstrafe für schweren Raub oder Erpressung liegt in Deutschland irgendwo zwischen 10 und 15 Jahren. Es erscheint unter bestimmten Bedingungen dann ökonomisch, mit 25 bis 35 Jahren eine solch schwere Straftat zu begehen, das Geraubte gut zu verstecken, nach 10 Jahren wieder in Freiheit entlassen zu werden und danach die restlichen Lebensjahre mit der Beute zu verbringen.

                Kann die Polizei / der Staat Eigentümer geworden sein, sozusagen als Finderlohn? Nein, der Staat wird nur durch Enteignung seiner Bürger Eigentümer. Das Eigentumsrecht ist ja nicht verloren gegangen. Auch hier läge übrigens eine große Bedrohung für den Rechtsfrieden vor.

                Nehmen wir das Opfer einer Entführung. Das Lösegeld wird gezahlt und verschwindet. Wenn es nach 34 Jahren auftauchen würde, wäre es wohl nicht auszuhalten, würde der Staat die Hand darauf legen. Der Fall Reemtsma: Derzeit fehlen noch 6 Millionen Schweizer Franken. Diese gehören zu einer Serie, die allerdings längst eingezogen wurde. Der Eigentümer allerdings könnte sie immer noch über der Schweizer Nationalbank umtauschen, der Entführer Drach jedoch nicht.

                Das Institut der Verjährung soll Rechtsfrieden schaffen. Das ist sinnvoll, wenn Ansprüche gegen andere bestehen wie z.B. bei offenen Forderungen. Aber bei einem Sachverhalt, wo jemand nie das Eigentum abgegeben hat, wo ihm der Besitz gewaltsam genommen wurde, wäre es dem eigentlichen Sinn widerläufig, würde Verjährung eintreten.

                So wurde das übrigens auch nicht mit den Vermögenswerten in der ehemaligen DDR gehandhabt. Wegen der dortigen Diktatur konnten viele Familien jahrzehntelang weder über ihr Eigentum verfügen noch konnte vollstreckt werden. Folgerichtig mussten sie bei Anwendung des bundesrepublikanischen Rechts nach der Wiedervereinigung zurückübertragen werden. Dass dazu weitere Rechtsakte geschaffen wurden, damit dies nicht unendlich galt, ist eine andere Geschichte, hat aber mit der geltenden Rechtslage nichts zu tun.

  • CitizenK 21. Dezember 2020, 11:26

    Zu 1) Milliardäre
    Ich kann mich der pauschalen Verdammung der Milliardäre immer noch nicht anschließen. Rainer Hank hat in der FAZ einen Gedanken, den ich nicht für ganz verfehlt halte:

    „Dietmar Hopp konnte in Kauf nehmen, alles in den zu Sand setzen, ohne am Ende auf Hartz IV angewiesen zu sein. Mutig zu sein ist leichter, wenn man früher irgendwo anders schon ein paar Milliarden verdient hat.“
    Und
    „Hätte Deutschland erst im Sommer 2020 angefangen, an Corona-Impfstoffen zu forschen, hätten wir gleich einpacken können. Aber Curevac hat eben schon vor fünfzehn Jahren begonnen, die Boten-RNA zu erkunden.“

    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hanks-welt-wozu-milliardaere-gut-sind-ein-vorschlag-fuer-die-liste-der-corona-helden-17110329.html?premium

    • Stefan Sasse 21. Dezember 2020, 18:57

      Ich sehe den Zusammenhang zu privaten Milliardenvermögen nicht.

      • CitizenK 21. Dezember 2020, 20:28

        Kann man das trennen? Dietmar Hopps Vermögen ist größtenteils in Unternehmen investiert. Hätte man ihm das weggesteuert wie Ralf das vor einige Zeit hier propagiert hat, wäre der Erlös in den Staatshaushalt geflossen. Vielleicht hätte ja ein staatliches oder halbstaatliches Instiut (Frauenhofer, Max Planck) die Forschung weitergeführt. Vielleicht hätte der Leiter aber das Vorhaben als aussichtslos aufgegeben – oder der Rechnungshof hätte den Stop verlangt?

        Ich sehe das Problem durchaus, es braucht aber eine differenzierte Betrachtung.

        • TBeermann 21. Dezember 2020, 20:36

          Abgesehen davon findet die Grundlagenforschung nahezu komplett mit öffentlichen Mitteln statt.

          Ich hab vor etwa einer Woche eine Aufschlüsselung über die verschiedenen Impfstoffe gesehen, die aktuell in den Startlöchern stehen. Die allermeisten wurden überwiegend mit öffentlichen Mitteln entwickelt. Der v0n BioNTech-Pfizer zu etwa zwei Drittel.

        • Stefan Sasse 22. Dezember 2020, 09:45

          I see the point.

      • Stefan Pietsch 21. Dezember 2020, 21:06

        Okay, dann helfe ich Dir. CureVac hat bis zum Einstieg des Bundes eine Drittel Milliarde Euro (!) an Verlusten aufgebaut. Kein privater Investor hätte das normalerweise durchgehalten. Ich sage es auf Deutsch: Das Unternehmen CureVac samt seiner Wissenschaftler gäbe es seit Jahren nicht mehr, hätte nicht ein Milliardär einen Narren gefressen und wäre von dem Projekt überzeugt gewesen.

        Dazu gibt es keine wirkliche Alternative, die ohne so hohe Privatvermögen denkbar wäre.

        • Kning4711 22. Dezember 2020, 08:05

          Die spannende Frage ist doch, wie schaffe ich als Gesellschaft, das mehr Reiche einen auf Dietmar Hopp und nicht auf Jeff Bezos machen? Denn es ist eben nicht hausgemacht, dass ein reicher Mann sein Geld in den Dienst der Allgemeinheit stellt. Und falsch gerichtet könnte das viele Geld enormen Schaden anrichten.

          • CitizenK 22. Dezember 2020, 08:28

            Mit dem Stiftungsrecht?

          • Stefan Pietsch 22. Dezember 2020, 11:29

            Gar nicht.

            Eine andere, durchaus ebenso spannende Frage ist doch, ob das überhaupt wünschenswert wäre, ob es wünschenswert wäre, dass alle Vermögenden zu Philantropen mutieren. Was Menschen mit ihrem Geld anfangen, bestimmt sich fast ausschließlich nach persönlichen Neigungen. Dafür verdienen Menschen schließlich ihr Geld, damit sie sich damit Dinge leisten können, die sie sich schon immer leisten wollten.

            Bleiben wir bei Dietmar Hopp: Was bringt es eigentlich der deutschen Gesellschaft, dass er mit seinem Vermögen einen Dorfclub wie die TSG 1899 Hoffenheim in die 1. Liga gepusht hat? Dafür spielt jetzt der Hamburger SV, der in Deutschland weit mehr Fans hat, im Unterhaus. Denn die Plätze in den Ligen sind streng limitiert.

            Oder CureVac: Auf der einen Seite machte es das Milliardenvermögen des SAP-Mitgründers erst möglich, das Pharmaunternehmen bis heute zu erhalten. Ob das Unternehmen deswegen gut geführt ist, kann ich nicht beurteilen, ebensowenig, ob es ein tragfähiges Geschäftsmodell besitzt.

            Aber ein Unternehmen, dass bisher nur als Geldverbrennungsmaschine tätig war, bindet eine Reihe von hoch-qualifizierten Menschen, ohne das der Output so ist, dass es eine befriedigende Nachfrage gefunden hätte. Vielleicht hätten diese Leute in anderen Unternehmen höheren Nutzen gestiftet? Zudem konkurriert dieser gedopte Verlustbringer mit anderen Wettbewerbern um Aufträge, was man auch als unfair bezeichnen könnte.

            Das soll keine Wertung sein, schon gar nicht des Tuns von Dietmar Hopp. Es ist meine persönliche Betrachtungsweise der Dinge. Ich habe es immer abgelehnt für Unternehmen zu arbeiten, die von Subventionen oder anderen Finanzspritzen abhängig sind, weil ihr Geschäftsmodell selbst in der Perspektive nicht tragfähig erscheint.

            Der Vorteil, wenn man einige Länder gesehen hat, ist vor allem, dass man ein besseres Bild bekommt, was man nicht möchte. Ich sehne mich nicht nach einer Gesellschaft, in der es eine möglichst große Ungleichheit von Einkommen und Vermögen gibt, wo manche kaum genug zum Essen haben und auf der anderen Seite eine Geld- und Kapitalelite existiert, die zwar die Staatsangehörigkeit teilt, aber sonst auf einem anderen Planeten lebt.

            Mehr als Amazon sehe ich zunehmend Monopolisten wie Google und Facebook als Bedrohung, zuerst für unsere Wettbewerbsordnung, später aber für die Gesellschaft. Jeff Bezos treibt mit seinen Ideen den Wettbewerb, seine Ideen sind innovativ und nachahmenswert. Das gilt für die anderen von mir erwähnten Unternehmen nicht (mehr), sie erdrücken mit ihrer Marktmacht den Wettbewerb und beuten die Märkte aus.

            Ich denke, der wichtigste Zweck, den Vermögende für die Gesellschaft erfüllen können, ist, dass sie ihr Geld ausgeben. Und ausgeben bedeutet auch, dass sie sich von der Quelle ihres Vermögens emanzipieren Leitung und Eigentum (zumindest teilweise) abgeben. Vermögende einfach zur Gefahr für die Gesellschaft zu erklären, wie das Stefan tut – wenn auch mit anderen Worten -, geht mir viel zu weit.

            • Stefan Sasse 22. Dezember 2020, 15:43

              Ich erkläre nicht „Vermögende“ zur Gefahr, sondern eine extrem kleine Schicht darunter.

              • Dennis 23. Dezember 2020, 10:36

                Diskutiert werden könnte auch noch, dass „Vermögende“ ihre Kohle nicht unwesentlich durch asset inflation „verdienen“ können, also von staatlicher Geld-/Finanzpolitik profitieren. Dieser Inflationsgewinn wird von „Liberalen“ gerne ausgeblendet und zur „Leistung“ umfunktioniert. Aktien hinlegen und einfach nur Abwarten bringt Geld, viel Geld. Warum ? Zusätzliches Geld wird inflationär ins „System“ gepumpt; natürlich ist das nicht der einzige Aspekt, aber der, der am liebsten ausgeblendet wird^. Man könnte natürlich auch sagen: Wenn der Staat das Produzieren von asset inflation für wünschenswert erklärt, was offenbar der Fall ist, dann isses halt so.

                • Erwin Gabriel 23. Dezember 2020, 17:23

                  @Dennis 23. Dezember 2020, 10:36

                  Diskutiert werden könnte auch noch, dass „Vermögende“ ihre Kohle nicht unwesentlich durch asset inflation „verdienen“ können, also von staatlicher Geld-/Finanzpolitik profitieren. Dieser Inflationsgewinn wird von „Liberalen“ gerne ausgeblendet und zur „Leistung“ umfunktioniert. Aktien hinlegen und einfach nur Abwarten bringt Geld, viel Geld. Warum ? Zusätzliches Geld wird inflationär ins „System“ gepumpt; natürlich ist das nicht der einzige Aspekt, aber der, der am liebsten ausgeblendet wird^. Man könnte natürlich auch sagen: Wenn der Staat das Produzieren von asset inflation für wünschenswert erklärt, was offenbar der Fall ist, dann isses halt so.

                  Ich war erst drauf und drann zu schreiben“dann mach das doch“.

                  Ist nicht so einfach; Du kannst soooo viel Geld verlieren, wenn Du aufs falsche Pferd setzt. Nimm Wirecard, nur als letztes, besonders bekanntes Beispiel. Nimm die Lufthansa, deren Geschäftsmodellgerade abraucht. Um in den 7oer Jahren auf Microsoft oder Apple zu setzen, setzte allerdings schon einen gewissen Weitblick voraus.

                  Und genauso, hier der eine oder andere argumentiert, dass die Grundlagenforschung weitgehend in staatlicher Hand liegt und Hopp & Co. die vom Staat erstellte Infrastruktur nutzen, hat der Staat all das mit von den Steuereinnahmen bezahlt, die Unternehmen und Angestellte (die von Unternehmen bezahlt werden) abführen. Ist ein totes Rennen.

                  • Dennis 23. Dezember 2020, 19:44

                    Zitat Erwin Gabriel:
                    „Ich war erst drauf und drann zu schreiben“dann mach das doch“. “

                    Mach ich ja 🙂 🙂 🙂

                    Is ja alles richtig, was du schreibst, gleichwohl stell ich mir die Frage:

                    Wie ist das* überhaupt möglich ? Die Leut, die da investieren (das sind natürlich primär Institutionen und nicht Joe Sixpack), müssen die Mittel, die da reingepumpt werden, ja haben, also von den geldemittierenden Stellen abgreifen, bzw. besagte Stellen (Banken) machen das selbst. Lizenz zum Gelddrucken, sagt man. Und ja, diese Lizenz haben die tatsächlich vom Geldmonopolisten, sprich Staat. Marktwirtschaft gibt’s da nicht. „Liberal“ ist geldwirtschaftlich rein gar nichts.

                    Also mit * meine ich das:

                    https://de.wikipedia.org/wiki/Dow_Jones_Industrial_Average#/media/Datei:DJIA_historical_graph.svg

                    Sieht gut aus, gell; für diejenigen die, sagen wir mal, seit 40 Jahren drinne sind, super gut. Wenn das keine INFLATION repräsentiert, frag ich mich, was Inflation denn sein soll. Leistung muss sich wieder lohnen ? oder so was ?

                    • Erwin Gabriel 26. Dezember 2020, 21:11

                      @ Dennis 23. Dezember 2020, 19:44

                      Mach ich ja

                      🙂 🙂

                      Is ja alles richtig, was du schreibst, gleichwohl stell ich mir die Frage:

                      Wie ist das* überhaupt möglich ? Die Leut, die da investieren (das sind natürlich primär Institutionen und nicht Joe Sixpack), müssen die Mittel, die da reingepumpt werden, ja haben, also von den geldemittierenden Stellen abgreifen, bzw. besagte Stellen (Banken) machen das selbst. Lizenz zum Gelddrucken, sagt man. Und ja, diese Lizenz haben die tatsächlich vom Geldmonopolisten, sprich Staat.

                      Mir haben die Zeiten auch deutlich besser gefallen, als derKauf einer Aktie noch die Unterstützung einer Produkt- oder Service-Idee war.

                      Heute ist es leider nur noch Zockerei.

          • CitizenK 23. Dezember 2020, 18:06

            „….wie schaffe ich als Gesellschaft, das mehr Reiche einen auf Dietmar Hopp und nicht auf Jeff Bezos machen?“

            Offenbar gibt es nicht wenige Reiche (junge Erben meist), die durchaus Bereitschaft zeigen. Das deutsche Stiftungsrecht müsse es ihnen leichter machen:

            https://www.zeit.de/2020/54/spenden-reiche-philantropie-deutschland-vermoegende-stiftungen

            Es gibt offenbar Ansätze, die (jedenfalls mir) bisher nicht bekannt waren:
            https://issuu.com/dialogneuesgeben/docs/dng_20201217
            https://www.betterplace.org/c/ueber-uns/gut-org
            https://ceps.unibas.ch/de/home/
            Das Vorbild aus USA:
            https://resourcegeneration.org

  • Marc 21. Dezember 2020, 11:29

    4) – vor allem der Blödsinn so genannter Bildungsökonomen von 10.000 Euro Verlust über das ganze Leben –

    Ein Modell erstellen und durchrechnen, ist noch keine Wissenschaft. Es muss ja irgendwie auch zu einem gewissen Anteil mit der Wirklichkeit überein stimmen. Daher sind Modellrestriktionen und Prognosekraft entscheidend. In diese sind bei der Ökonomie nicht nur in diesem Fall fragwürdig.

    11) Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Dazu sortierte man sich gleich in die altbekannten Narrative ein und betrachtete die Pandemie einfach nur als einen weiteren Konflikt, als wäre es die Mütterrente oder so etwas, wo man ritualisiert entweder gesellschaftliche Solidarität und Gerechtigkeit beschwört oder vom dräuenden Sozialismus warnt. Diese abgeschmackten Konfliktlinien haben uns in der zweiten Welle das Genick brechen geholfen.

    Dieser Konflikt beeinflusst mein Kontaktverhalten, das wusste ich bisher nicht. Nein, im Ernst, diese Analyse ist hanebüchen. Klar spielen die Konflikte eine Rolle, aber doch nicht in der aktuellen Situation. Es ist doch vielmehr so, dass die vorherrschenden Ideologien verantwortlich sind, wie wir uns auf die Pandemie vorbereitet haben und das staatliche Handeln bestimmen. Reden wir einmal über die Risikogruppen. Wo sind diese außer in Heimen zu finden? Ja richtig, bei Hartz IV Empfänger. Und was wurde mit der Gesundheitsvorsorge, bei der Pflege und Sozialhilfeempfänger gemacht? Drei Dinge: gespart, gespart, gespart. Dass das einen Einfluss auf die jetzige Entwicklung hat, ist doch nachvollziehbar. Das die Diskussion alt ist, sagt doch nichts über die Richtigkeit aus.

    • Stefan Sasse 21. Dezember 2020, 18:58

      Du missverstehst meine Argumentation. Dass H4-EmpfängerInnen wesentlich bedrohter sind als Millionäre steht außer Frage. Aber wenn man das dann gleich in seinen allgemeinen Konflikt reinbackt, wird eben alles immer gleiche Konflikt.

      • Marc 22. Dezember 2020, 09:27

        Sorry, habe ichbin der Tat falsch verstanden.

  • Ariane 22. Dezember 2020, 02:32

    4) Schulen

    Das Thema ist ja mittlerweile unfassbar in Merkwürdigkeiten versackt, was Meinungen oder Verlautbarungen dazu angeht. Ein Wahnsinn. Das mit dem Stoff und 10.000€ oder verlorene Corona-Generation finde ich auch recht hanebüchen. Wie du auch sagst, der einzelne Stoff ist da ziemlich egal.

    Neben den Lernmethoden würde ich das aber auch noch weiter sehen, Schule hat ja noch andere Funktionen. Geregelter Tagesablauf, Gleichaltrige, Autoritätspersonen sehen usw. usf. Das Dilemma ist ja gerade, dass diese sekundären Dinge gerade in unruhigen Zeiten wichtig sind.

    5) Die gute Nachricht ist, dass Farah immerhin jetzt dauerhaftes Bleiberecht und eine Aussicht auf die Staatsbürgerschaft hat, immerhin. Das Beispiel aus Sachsen hat mich noch mehr mitgenommen, kam irgendwie nur in Gang, weil die Familie reinen Tisch machen wollte wohl. Das ganze Verfahren dazu ist einfach komplett untauglich, grausam für die Menschen/Familien, unwirtschaftlich für Deutschland.

    Und wenn wir bei Stefan P.s schiefem juristischen „Diebstahl“-Vergleich bleiben wollen, sollten wir auch nicht vergessen, dass es hier eben nicht um so etwas geht, sondern um eine verquere Form von Sippenhaft, schließlich geht es hier um eine 2jährige, bzw bei der Familie aus Sachsen um hier geborene Kinder. Die weder einen Diebstahl noch überhaupt irgendeine Art von Verbrechen begangen haben, aber am meisten drunter leiden.

    11)
    „It can’t happen here!“ Aber genau das tat es. Noch heute scheint es in vielen Bereichen geradezu unwirklich zu sein, dass wir in einer mörderischen Pandemie stecken

    Ja, das empfinde ich manchmal immer noch so. Das ist einfach jenseits dessen, was man so in Vorstellungskraft hat, dass das schwer zu verdauen ist. Imo eben gerade, weil so ein Virus recht unsichtbar ist – im Vergleich zu sowas wie Explosionen oder Feuer oder etwas in der Art. Insofern vermutlich auch nicht verwunderlich, wenn man dann (gerade die Medien, die so extrem ritualisiert sind) in alte Schemata verfällt.

    Ich fand auch dieses Interview ganz interessant, speziell die These, dass viele sich selbst nach und nach ein eigenes Risikoprofil erstellt haben:
    https://www.tagesspiegel.de/politik/psychische-folgen-der-pandemie-gar-keine-angst-ist-auch-keine-loesung/26737530.html

    Als die Lage unter Kontrolle schien und die Infektionszahlen niedrig waren, haben immer mehr Menschen begonnen, sich ein eigenes Risikoprofil zu erarbeiten.[…]
    Es gibt seit dem Sommer zunehmend mehr Leute, die nicht mehr in erster Linie auf die Einschätzungen der Experten und die Warnungen der Politiker hören, sondern die eigenen Erfahrungen zum Maßstab für ihren Umgang mit dem Virus machen. Weil sie sich monatelang nicht angesteckt haben und vielleicht auch sonst niemanden im direkten Umfeld kennen, der Corona hatte, meinen sie, das Virus wird schon nicht so schlimm sein. Diese Leute bilden sich ein, sie hätten alles im Griff. Dieser Leichtsinn ist gefährlich.

    Ist meiner Meinung nach auch ein Grund, warum wir jetzt ab Herbst mehr Probleme bekommen und (vermutlich) selbst dieser harte Lockdown nicht so gut wirken wird wie im Frühling. Diese neue Mutantenvariante noch gar nicht mit einberechnet.

    • Stefan Sasse 22. Dezember 2020, 09:47

      4) Völlig korrekt.

      5) Korrekt, das macht es ja so absurd. Als ob die was dafür könnten.

      11) Ja.

    • Erwin Gabriel 23. Dezember 2020, 17:33

      @Ariane 22. Dezember 2020, 02:32

      zu 4) Schulen

      … Ein Wahnsinn.

      Zustimmung…
      ein kompletter …!

      zu 5) Abschiebung

      Das ganze Verfahren dazu ist einfach komplett untauglich, grausam für die Menschen/Familien, unwirtschaftlich für Deutschland.

      Zustimmung!

      Die weder einen Diebstahl noch überhaupt irgendeine Art von Verbrechen begangen haben, aber am meisten drunter leiden.

      Es gibt eine Rechtslage, der ist zu folgen. Wer damit ein grundsätzliches Problem hat, muss die Rechtslage ändern. Wer ein individuelles Problem hat, muss den vorhandenen Rechtsweg beschreiten.

      Es sollte, es darf nicht möglich sein, nach Gusto oder Willkür zu entscheiden. Wenn hier ein Beamter sagt „ich ignoriere die rechtliche Situation, und schiebe nicht ab, obwohl ich müsste“, könnte der nächste in einer anderen Situation die Abschiebung veranlassen, obwohl eine Aufenthaltsgenehmigung vorliegt – der Verstoß wäre der Gleiche.

      Keine Türe, die ich aufstoßen möchte …

      Lieber ein gutes Gesetz her.

  • cimourdain 22. Dezember 2020, 22:30

    11) Deine Begriffswahl „Wohlstandsverwahrlosung“ war mir anfangs sympathisch, weil ich diese Frustration dahinter gut nachvollziehen kann. Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr widerstrebt er mir. Zum einen der Wohlstand: Bettelarme europäische Staaten wie Rumänien oder Bulgarien sind genauso betroffen und genauso hilflos. Zum zweiten ist die Nähe zum Dekadenzbegriff reaktionärer Kulturkritik (Untegang des Abendlandes und so) mit dem ganzen moralisierenden Hintergrund sehr suspekt. Zum dritten täuscht dieser Begriff darüber hinweg, wie wenig politische Freiräume das vernetzte System aus Interdependenzen und ‚Sachzwängen‘ überhaupt lässt. Also wenn wir einen psychologischen Begriff für die gesellschaftliche Hemmnis der Coronapolitik wählen müssen, dann eher den des Suchtverhaltens. Süchtig nach dem ’normalen‘ Funktionieren von Arbeit, Konsum und Kapitalfluss.

    • Stefan Sasse 23. Dezember 2020, 15:36

      Gute Kritik. Was hältst du von Jonas Schaibles Begriff von „Normalitarismus“?

    • Erwin Gabriel 23. Dezember 2020, 17:42

      @cimourdain 22. Dezember 2020, 22:30

      zu 11) „Wohlstandsverwahrlosung“

      Also wenn wir einen psychologischen Begriff für die gesellschaftliche Hemmnis der Coronapolitik wählen müssen, dann eher den des Suchtverhaltens. Süchtig nach dem ’normalen‘ Funktionieren von Arbeit, Konsum und Kapitalfluss.

      Ich habe an dieser Stelle ein Problem mit dem überbordenden Individualismus. Von der Fernsehwerbung angefangen wird ein(e) jede(r) von Kindesbeinen an indoktriniert, dass der einzig wirkliche Wert im Leben ist, „sein Ding“ zu machen. In anderen (=nicht-westlichen) Ländern dieser Welt käme das Gros der Bürger gar nicht auf die Idee, in solch einer „Stunde der Not“ die Anweisungen des Staates in Frage zu stellen.

      • CitizenK 23. Dezember 2020, 18:50

        Nicht nur das. Es ist ein Zeichen von Reife, vernünftigen Regeln zu folgen, auch wenn einzelne vielleicht nicht vernünftig sind. Viele, die sich als Kämpfer für Grundrechte inszenieren, sind einfach unerwachsene Trotzköpfe. Darüber könnte man achselzuckend hinwegsehen, wären diese Irren nicht so gefährlich. Einiges an diesem Verhalten ist versuchte gefährliche Körperverletzung und müsste eigentlich so geahndet werden. Aber diese Erkenntnis setzt sich erst jetzt langsam durch, nachdem die Lage wirklich erkennbar bedrohlich ist.

        • Stefan Sasse 23. Dezember 2020, 21:23

          Ja, mich nervt auch tierisch was für infantiler Blödsinn sich hinter Freiheitsrhetorik verbirgt.

        • Erwin Gabriel 26. Dezember 2020, 21:23

          @CitizenK 23. Dezember 2020, 18:50

          Viele, die sich als Kämpfer für Grundrechte inszenieren, sind einfach unerwachsene Trotzköpfe.

          Nicht nur. Du kannst ja keine perfekten Gesetze machen, irgend eine Lückehast Du immer. Und je nach Lücke oder Ausrichtung schreien dann halt die üblichen Verdächtigen los, wobei es in den meisten dieser Fälle nicht um Freiheit, sondern um (wie sagt SasseStefan immer so schön:) um Identitätspolitik geht.

          Ich falle da ja gelegentlich selbst auf diesen Mechanismus rein, bzw. bin nicht immer in der Lage zu erkennen oder zu unterscheiden, ob meine Empörung wirklich mein Anliegen oder Identitätsgetue ist. „Ehe für alle“ ist so ein Beispiel; es nervt mich wirklich immer noch, aber in den meisten anderen Bereichen (etwa beim Thema „Schwangerschaftsabbruch“ oder beim Einsatz von Begrifflichkeiten wie „Negerkuss“) argumentiere ich dann mir selbst und anderen gegenüber, dass mir als Nicht-Betroffener kein Urteil zusteht. Ich sehe viele, wo das deutlich krasser ausgeprägt ist als bei mir.

          Darüber könnte man achselzuckend hinwegsehen, wären diese Irren nicht so gefährlich. Einiges an diesem Verhalten ist versuchte gefährliche Körperverletzung und müsste eigentlich so geahndet werden. Aber diese Erkenntnis setzt sich erst jetzt langsam durch, nachdem die Lage wirklich erkennbar bedrohlich ist.

          Zustimmung

  • Paddepat 24. Dezember 2020, 15:57

    4) eine Schwierigkeit ist auch, was denn gelernt werden soll. Im Fernunterricht lernen die SuS mehr, ihr Lernen selbst zu organisieren, Termine einzuhalten und online synchron und asynchron zu kommunizieren und kooperieren. Fürs Abitur egal, für später sicher nicht.

    • Stefan Sasse 25. Dezember 2020, 13:34

      Kommt natürlich auch hier drauf an, wie der Fernunterricht gestaltet ist. Sie KÖNNTEN das aber lernen.

  • CitizenK 27. Dezember 2020, 09:18

    „Heute ist es leider nur noch Zockerei.“

    Tut gut, das von einem Konservativen zu lesen. Aber warum verhindern die von euch favorisierten Parteien jeden noch so kleinen Schritt zurück? Zumindest den Hochfrequenzhandel auszubremsen müsste doch ganz in eurem Sinne sein? Die Wirtschaft von Analysten über Zehntelprozente bei der Rendite zu steuern, ist verrückt und hat mit der ursprünglichen Idee der Marktwirtschaft nichts mehr zu tun.

    • Stefan Pietsch 27. Dezember 2020, 10:43

      Warum ist noch keiner auf die Idee gekommen, Smartphones zu verbieten oder zumindest deren Nutzung einzuschränken? Selbst Lehrer, die sehr nah an ihren Schülern dran sind, scheitern massenweise bei dem Versuch. Dem Staat ist es auch nicht gelungen, das Glücksspiel nachhaltig einzuschränken, von einem Verbot ganz zu schweigen.

      Zumindest Liberale haben nicht den Glauben, dass der Staat alles regeln könne. Es ist umgekehrt: der Staat soll regeln, was er regeln kann und sich sonst aus dem Leben der Menschen heraushalten. Denn sonst richtet er mehr Schaden an als dass er Nutzen stiftet.

      • CitizenK 27. Dezember 2020, 11:24

        Was spricht gegen eine Börsenumsatzsteuer? In der Zeit, die Erwin Gabriel meint, hat sie nicht „mehr Schaden als Unheil“ angerichtet.

        Ich lese gerade die Autobiografie von John Bercow. Ich stelle mir vor, wie einer wie er den Scholz im Bundestag grillt wegen seiner Verschleppung einer Attac-Steuer. Aber leider gibt es da nur Lindnermat gegen Scholzomat.

        • Stefan Pietsch 27. Dezember 2020, 11:50

          Alles, nur nicht die Theorie.

          Die Börsenumsatzsteuer tifft lokal und damit nicht den Hochfrequenzhandel. Jeder bisherige Versuch der Besteuerung traf nur den Kleinanleger und machte damit die eigentlich wünschenswerte Kapitalanlage in Unternehmensanteilen zusätzlich unattraktiv. Kluge Menschen müssen nicht 100 mal gegen eine Wand rennen um zu merken, dass da eine Wand ist.

      • Stefan Sasse 27. Dezember 2020, 13:43

        1) Smartphones verbieten ist eine beknackte Idee.
        2) An praktisch allen Schulen sind Smartphones verboten oder massiv eingeschränkt.
        3) Diese Einschränkungsversuche sind im Großen und Ganzen recht erfolgreich.

        • Stefan Pietsch 27. Dezember 2020, 16:02

          1) Wer sagt das? Der Verband der Erzieher nicht. 🙂
          2) Und? Funktioniert das Verbot?
          3) Meine grundsätzlichen Zweifel zu Protokoll.

          • Stefan Sasse 27. Dezember 2020, 17:07

            1) Der darf ja gerne seine falsche Meinung haben, es ist ein freies Land.
            2) Kommt drauf an, wie du funktionieren wertest. Benutzt keiner ever Handys? Sicher nicht. Aber kriegst du sie weitgehend aus dem Unterricht raus? Klar.
            3) Noted.

            • Stefan Pietsch 27. Dezember 2020, 18:10

              Benutzt keiner ever Handys? Sicher nicht.

              Eben! Es gibt knapp 200 Mitgliedsländer der UN, darunter werden sich immer einige finden, die den Hochfrequenzhandel ohne Besteuerung zulassen. Wahrscheinlich sogar gut eine Stunde von Frankfurt entfernt. Eine Steuer auf solche Transaktionen wird nur einen Effekt haben, nämlich dass sich solche nach London weiter verlagern.

              • Stefan Sasse 27. Dezember 2020, 18:36

                Den Kontext hab ich völlig verpasst, ich dachte wir reden über Handys an Schulen.

              • CitizenK 27. Dezember 2020, 20:26

                Das Schweizer Bankgeheimnis galt auch als unknackbar, die USA hätten da schon Möglichkeiten, mit der Biden-Administration ginge das möglichweise was. Und nach Singapur wollen sicher nicht alle umziehen, vielleicht erinnert sich da der eine oder andere an Wirecard.

                • Stefan Pietsch 28. Dezember 2020, 01:15

                  Ja, ich weiß. Linke glauben immer daran, etwas geht wenn man es nur wirklich will. Also politisch. Zum einen: kein amerikanischer Präsident wird die Axt an den Wohlstand seines Landes legen, Trump mal ausgenommen.

                  Bei meinen Reisen ist mir etwas Erstaunliches aufgefallen: Dort wo die Finanzmärkte sind, ist Reichtum. Ich bin vor sechs Jahren tausende Kilometer durch den australischen Kontinent gefahren. Nachdem wir in Sidney angekommen waren, sind wir nach einer Woche weiter nach Adelaide und von dort bis hoch nach Darwin.

                  Adelaide ist eine Millionenmetropole, aber wir waren enttäuscht, kein Vergleich zu Sidney. Am Ende unserer Reise waren wir von der doch mit 200.000 Einwohnern relativ kleinen Stadt Darwin am Indischen Ozean geflasht. Die Stadt wirkt edel, elegant, sie gehört in meinen Katalog der schöneren Städte dieser Erde. Wissen Sie, worin sich Sidney, Adelaide und Darwin unterscheiden? Zwei davon beheimaten Wertpapierbörsen.

                  Frankfurt, München, Hamburg, Düsseldorf. Kennen Sie die Gemeinsamkeit? San Francisco war schon vor 20 Jahren eine Wahnsinnsstadt. Boston, New York. Auf dem Südamerikanischen Kontinent beeindrucken Sao Paulo und Santiago mit ziemlichem Wohlstand (ja, ich weiß, neben deutlicher Armut). Und glauben Sie mir, Singapore gehört zu den begehrenswertesten Städten dieser Erde, ich kenne viele, die man nicht prügeln müsste um dort zu arbeiten.

                  Auf Anhieb fällt mir keine relativ wohlhabende Stadt auf diesem Globus ein, die nicht einen wichtigen Finanzplatz beherbergt. Manche Politiker wissen das durchaus. Aussprechen tut es kaum jemand.

                  • TBeermann 28. Dezember 2020, 08:37

                    Korrelation ist nicht Kausalität. Was ein Studenten jeder Gesellschaftswissenschaft im ersten Semester lernt, ist für selbsternannte „Wirtschaftsexperten“ scheinbar noch im fortgeschrittenen Alter zu komplex.

                    Übrigens könnte die Kausalität durchaus auch umgekehrt sein. In Wohlhabenden Städten finden die Reichen irgendwann einen Weg, für mehr Geld gar nicht mehr arbeiten zu müssen, indem sie eine Börse installierten und dem arbeitenden Teil der Bevölkerung noch mehr Geld aus der Tasche ziehen.

                    • Stefan Pietsch 28. Dezember 2020, 10:44

                      Manchmal kommen selbst Totschlagsargumente ziemlich albern herüber. Natürlich ist bewiesen, dass das Kapital dorthin zieht, wo es gute Bedingungen vorfindet. Es ist ja geradezu eine alberne Annahme, in Adelaide würden sich nicht Reiche finden, die Interesse an einer Börse hätten.

                      Kapital wohnt nicht in einer Stadt und hat keine Nationalität. In ganz Südamerika gibt es gerade zwei Finanzmetropolen von übernationaler Bedeutung, Santiago de Chile und Sao Paulo. Internationale Investoren gründen hier ihre Dependenzen, lenken ihr Kapital über diese Finanzzentren. Singapore hat seinen Aufstieg seinen liberalen Gesetzen für den Finanzmarkt zu verdanken, das Kapital ist also dahingezogen und wurde nicht von den Reichen dort gebildet.

                      Hinter so riesigen Kapitalsammelstellen wie BlackRock stehen große wie mittlere und (sehr) kleine Anleger. Sie geben ihr Erarbeitetes und Erspartes freiwillig diesen institutionellen Investoren, damit diese gute Renditen erwirtschaften.

                      Vielleicht sollten Sie sich doch mal damit auseinandersetzen, dass wir im 21. Jahrhundert leben und nicht 1820.

                  • CitizenK 28. Dezember 2020, 08:43

                    Und diese wunderbare Welt des Reichtums und des Wohlstands würde brutal zerstört durch eine Abgabe auf Transaktionen im Promillebereich?

                    • Stefan Pietsch 28. Dezember 2020, 10:35

                      Die Befürworter der Finanztransaktionssteuer versprechen sich ein sehr hohes Aufkommen durch eine solche Abgabe.

                      Sie lassen so viele Fragen unbeantwortet: warum sollte jemand so etwas freiwillig tun? Warum sollten Länder wie die USA, Großbritannien, Singapore oder Australien den Hochfrequenzhandel besteuern, profitieren ihre Volkswirtschaften doch von dem Kapitalumschlag mehr als Deutschland von seinen Ingenieuren. Nicht jede Gesellschaft ist so töricht, die Basis seines Wohlstandes als moralisch einwandfreien Gründen zu zerschlagen wie die Deutschen das gerne tun.

                      Für die Gesetzgebung in den USA ist der Kongress zuständig. So wie es aussieht, wird der neue Präsident Joe Biden dort keine eigene Mehrheit haben.

                  • cimourdain 29. Dezember 2020, 09:28

                    Ihre These „Dort wo die Finanzmärkte sind, ist Reichtum.“ möchte ich mit der Beinahe-Tautologie „Der Reichtum ist dort wo die Reichen sind“ beantworten. Die reichsten Gemeinden in Deutschland sind keine Börsenstandorte sondern Orte wie Heilbronn (Schwarz), Starnberg, Olpe, Baden-Baden oder Hochtaunus.
                    Und in Europa zeichnen sich die reichen Staaten Monaco noch Liechtenstein nicht als Finanztransaktionsplätze aus sondern eher als Finanzparkplätze.

                    • Stefan Sasse 29. Dezember 2020, 09:40

                      Davon abgesehen ist die Aussage zwar richtig, aber erst einmal analytisch wertlos. Ok, der Reichtum ist dort. Aber der Reichtum des Mittelalters war dort, wo die Könige residierten, ohne dass das der dort ebenfalls wohnenden Bevölkerung übermäßig zum Vorteil gereicht hätte (sieht man mal von der Luxusindustrie ab). Es gibt natürlich winzige Trickle-Down-Effekte, aber darüber hinaus sagt das erst mal wenig aus.

                    • Dennis 29. Dezember 2020, 10:19

                      Heilbronn ist interessant. Eine einzige Person ist in der Lage, die Statistik signifikant nach oben zu ziehen, was ich dem Typ nicht vorwerfe.

                      Politisch und „liberal“ gedacht ist es natürlich so, dass durch diesen Sachverhalt alle Heilbronner automatisch reicher werden; Leuchtet sich sofort ein. Die Verwechslung von Liberalismus mit Feudalismus ist im FDP-Lager zunehmend verbreitet.

                    • Stefan Pietsch 29. Dezember 2020, 10:54

                      Wie wär’s mit Luxemburg und der Schweiz? Das ist übrigens nicht der Kern meiner These. Und ich finde die nationale Brille nicht besonders zielführend.

                      Auch Adelaide hat eine vermögende Oberschicht. Es gibt dort auch Golfplätze. Aber die Stadt insgesamt wirkt nicht wohlhabend, viele sehr einfache Läden, im Vergleich zu Sydney aber keine so repräsentative (öffentliche) Gebäude. Längst muss niemand in einer Stadt leben, um dort sein Kapital arbeiten zu lassen. Der Kapitalzufluss lässt die öffentlichen Kassen profitieren. Vermögende einzelne Bürger können das nicht leisten.

                      Schauen wir in die Liste der Standorte der wichtigsten Börsen, so fällt auf, dass es sich ausschließlich um glitzernde Städte handelt. Viele davon haben auch soziale Probleme, das ist nicht der Punkt. Aber sie repräsentieren vor allem einen enormen Wohlstand der Stadt, der Region wie des Landes. Andere Städte der Regionen wie der Länder fallen da weit hinter zurück.

                      Der Wohlstand kommt dabei nicht aus normalen Dienstleistungen wie Friseurhandwerk, Einzelhandel oder industrieller Produktion. Der Reichtum der Bürger wie der öffentlichen Kassen resultiert aus der enormen Finanzkapitalakkumulation, das in diesen Zentren der modernen Industrie umgeschlagen und verteilt wird.
                      https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_stock_exchanges

                      Es mag zwar eine gute Idee sein, aus Kostengründen auf dem Land oder sogar in der Steppe von Rumänien produzieren zu lassen. Um jedoch an die für weitreichende Investitionen notwendiges Finanzkapital zu kommen, um Investoren und Risikokapitalgeber zu gewinnen, sollte ein Unternehmen an den großen Finanzplätzen präsent sein.

                      Es macht keinen Sinn in die Stahlproduktion in Antofagasta zu investieren, wenn man keinen Stützpunkt in Santiago de Chile hat. Und welcher ambitionierte Anlagenbauer oder Projektentwickler geht nach Porto Alegre, wenn er die Geschäfte nicht von Sao Paulo aufziehen kann?

                    • Stefan Pietsch 29. Dezember 2020, 11:06

                      Das Einkommensniveau in Santiago de Chile ist doppelt so hoch wie in einer durchaus auch wohlhabenden Stadt wie Antofagasta. Frankfurt gehört zu den prosperiendesten Städten Deutschlands, dessen Strahlen bis weit ins Hinterland nach Osten, Süden, Norden und Westen reicht. Die Rhein-Main-Region hat so eine einzigartige heterogene Wirtschaftslandschaft.

                      Der Trickle-Down-Effekt ist nicht winzig, er ist riesig.

  • CitizenK 29. Dezember 2020, 10:36

    @ Stefan Pietsch
    Heißt das: Wenn es möglich würde, wären Sie auch dafür?

    • Stefan Pietsch 29. Dezember 2020, 11:16

      Anscheinend ist die Knappheit von Stefan ansteckend.

      Ich habe nichts gegen eine Finanztransaktionssteuer auf den Hochfrequenzhandel unter 2 Bedingungen: Die Steuer ist zielgenau und belastet weder Kleinanleger noch das Risikokapital in Gründerunternehmen. Und zum anderen darf die Steuer nicht so in den Markt eingreifen, dass Finanzkapital in andere Länder umgeleitet wird. Bisher ist noch jeder an dieser Aufgabe gescheitert, was den Verdacht nahelegt, dass eine Steuer zu diesen Konditionen nicht zu haben ist.

      Auch die CSU behauptet seit Jahrzehnten, eine Maut ließe sich in Deutschland einführen, die konform mit den Antidiskriminierungsregeln der EU ist und gleichzeitig deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet.

      • Stefan Sasse 29. Dezember 2020, 13:12

        Die Kritik sehe ich durchaus. Gibst es Kleinanleger überhaupt im Hochfrequenzhandel? Und ließe sich das mit dem Risikokapital entsprechend wasserdicht formulieren?

        • TBeermann 29. Dezember 2020, 13:35

          Nachdem Risikokapital in aller Regel für einen längeren Zeitraum gegeben werden dürfte, sollte eine Finanztransaktionssteuer da ähnlich wie bei Kleinanlegern kaum eine Rolle spielen.

          • Stefan Sasse 29. Dezember 2020, 14:17

            Ich verstehe zu wenig davon, deswegen kann ich da nix dazu sagen 🙁

          • Stefan Pietsch 29. Dezember 2020, 23:29

            Das lässt sich pauschal nicht sagen. In jedem Fall stellt eine solche Steuer finanzschwache Start-ups eine zusätzliche Hürde in den Weg, sich im institutionellen Finanzmarkt mit Kapital zu versorgen.

            • TBeermann 30. Dezember 2020, 09:29

              Der Entwurf, zu dem du den Ausschnitt zitiert hast, schon mal nicht. Kaum ein Start Up dürfte ein Aktienvolumen von einer Milliarde haben. Abgesehen davon sind Erstemissionen (im Absatz darunter, den du nicht zitiert hast) ausdrücklich davon ausgenommen.

              Ich würde allerdings tatsächlich weiter gehen. Die aktuellen Entwürfe bzw. bestehenden Gesetze in anderen Ländern (Frankreich und Großbritannien z.B. haben ja bereits ähnliche Regelungen) erfassen ja gerade nicht die Finanzmarktinstrumente, die in den letzten Jahrzehnten zu den Verwerfungen geführt haben, sondern eben nur den klassischen Aktienhandel, der (auch wenn er dem Grundgedanken schon lange nicht mehr entspricht) in der Regel nicht das Problem darstellt.

              Im Prinzip wurde hier eine Idee entkernt und statt zumindest die extremsten Spekulations-Orgien einzudämmen, geht es jetzt nur um das Abschöpfen von Geld und Steuereinnahmen.

        • Stefan Pietsch 29. Dezember 2020, 23:26

          Nein und ja. Orders werden generell über den computerbasierten Handel durchgeführt. Wer über seine Bank den Auftrag zum Kauf oder Verkauf von Aktien erteilt, sollte das Ergebnis binnen Minuten in seinem Depot sehen. Es ist zwar nicht, was man politisch damit verbindet, aber es lässt sich nicht so einfach trennen.
          https://www.deutsche-boerse.com/dbg-de/regulierung/public-affairs/aktuelle-themen/hochfrequenzhandel

          Die Besteuerung ist ein veritables juristisches Problem. Während der Ertrag einer Wertpapiergeschäfts unter das Einkommensteuergesetz fällt, handelt es sich bei der Finanztransaktionssteuer um eine Belastung des Umsatzes. Nun darf der Gesetzgeber aber nicht einfach nach Adressaten diskriminieren. Warum der Kauf und Verkauf einer Aktie durch Lieschen Müller kein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang sein soll, bei Goldman Sachs aber sehr wohl, erschließt sich nicht. Schließlich muss Mercedes Benz auch Umsatzsteuer entrichten, wenn sie bei Fleurop Blumen für die Jubiläumsfeier bestellen wie das der verliebte Teenager tun muss.

          An diesem Dilemma ist auch Olaf Scholz gescheitert. Kleinanleger lassen sich nicht von der Steuer ausnehmen, wie das Bundesfinanzministerium durchaus klar schreibt:

          Wesentliche Eckpunkte der FTT sind:

          besteuert wird der Aktienerwerb von gelisteten Unternehmen, die ihren Hauptsitz im Inland haben sowie im Inland und im Ausland ausgegebene Hinterlegungsscheine, die mit Aktien dieser Unternehmen unterlegt sind;

          – dabei werden nur Aktien von solchen Unternehmen einbezogen, deren Marktkapitalisierung über 1 Mrd. Euro liegt;

          – der Steuersatz soll 0,2 Prozent betragen; die Besteuerung betrifft in erster Linie institutionelle Anleger, denn der Anteil der Geschäfte von Privatanlegern am Handelsvolumen mit deutschen Aktien ist mit insgesamt 3 Prozent sehr klein.

          An der Rendite nagen nicht nur die Besteuerung der Gewinnausschüttungen wie der Kursgewinne, sondern auch die Gebühren der Finanzinstitute. Da der Gesetzgeber sich seit Jahren nicht dazu herablässt, Gewinne unterhalb der Inflationsrate steuerfrei zu stellen, kommt es de facto zu Substanzbesteuerungen. Geldanlage und Sparen wird bestraft.

          • Stefan Sasse 30. Dezember 2020, 10:09

            Nein, wieso? In einer Hochzinsumgebung werden doch auch nicht meine Kreditraten von der Steuer freigestellt.

            • Stefan Pietsch 30. Dezember 2020, 11:00

              § 20 EStG unterscheidet bei der Ertragsbesteuerung von Kapitaleinkünften nicht zwischen Dividenden und Zinseinkünften. Eine Unterscheidung gibt es in § 32d EStG, wenn der Bezieher z.B. einen maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen ausübt.

              Die Forderung, Erträge, welche lediglich einen Inflationsausgleich darstellen, steuerfrei zu stellen, gelten auch für Zinseinkünfte.

              Was das allerdings mit Deinen Zinskosten zu tun hat, verstehe ich nicht.

              • Stefan Sasse 31. Dezember 2020, 13:41

                Ich glaube, ich verstehe nicht wirklich was der Punkt ist. So wie ich das gelesen habe sprichst du dich für einen Ausgleich von Inflationsverlusten bei Anlegern aus?

                • Stefan Pietsch 31. Dezember 2020, 14:15

                  Der Zins hat klassisch zwei Funktionen: Sicherung des Werterhalts des Vermögens (Eigentum) und Belohnung für Verzicht auf die Nutzung.

                  Substanzbesteuerungen werden seit den Neunzigerjahren (Aussetzung der Vermögensteuer, Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer) auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kritisch gesehen. Allein der Besitz bestimmt noch keine Leistungsfähigkeit. Die Besteuerung der Substanz stellt eine Form der Enteignung dar.

                  Der Staat erhebt auf den ersten Euro Zinsen (oder Dividenden) Einkommensteuer, bei der Abgeltungsteuer sind dies knapp 30% (inklusive Soli). Beträgt der Zins 1%, während die Inflation bei 2% liegt, findet eine Besteuerung der Substanz statt. Das Vermögen vermindert sich nicht nur real, der Staat legt auf die Vermögensminderung noch eine Last drauf, welche den Bestand weiter reduziert.

                  Daher gibt es seit langem Überlegungen, einen Mindestzins von der Besteuerung auszunehmen, das könnten angesichts des schon langanhaltenden niedrigen Inflationsniveaus 1,5% sein. Dann würde nur der überschießende Betrag der Einkommensteuer unterworfen. Wer 2,5% Zinsen auf 100.000 Euro erhält, müsste nicht wie bisher auf 2.500 Euro Zinsertrag 646,88 Euro Abgeltungsteuer abführen, sondern 258,75 Euro (2,5% ./. 1,5% x 25% Einkommensteuer belastet mit 3,5% Soli).

                  • TBeermann 31. Dezember 2020, 14:52

                    Der Staat erhebt auf den ersten Euro Zinsen (oder Dividenden) Einkommensteuer, bei der Abgeltungsteuer sind dies knapp 30% (inklusive Soli).

                    Das stimmt (natürlich) so nicht. Es gibt einen Sparerfreibetrag von 801 €. Darüber hinaus wird von der Bank erstmal die Abgeltungssteuer eingezogen (mit Soli 26,4 %, der aber für die meisten Steuerzahler 2021 wegfällt).

                    Sollte der Abgeltungssteuersatz über dem Grenzsteuersatz des jeweiligen Anlegers liegen, kann darüber hinaus die Differenz mit der Steuererklärung zurückgefordert werden.

                    • Stefan Pietsch 31. Dezember 2020, 16:04

                      Das stimmt natürlich so nicht. Der Sparerfreibetrag wird für die Kosten der Beschaffung, des Haltens und der Veräußerung der Kapitalanlage gewährt. Da der Staat nicht möchte, dass Kosten für Depotgebühren und Maklerkosten einzeln und gesondert geltend gemacht werden, erhält derjenige mit Kapitalerträgen den Freibetrag. Diese Kosten hat der Anleger gesondert zu kalkulieren und müssen durch den Zins (Dividende) abgedeckt werden.

                      Nein, es geht um etwas anderes: wenn eine Anlage nach Abzug der Kosten weniger als den Werterhalt abwirft, so ist eine Besteuerung wegen des Substanzverzehrs fragwürdig, im Zweifel abzulehnen, da es sich wirtschaftlich betrachtet um eine Enteignung handelt.

                  • Stefan Sasse 31. Dezember 2020, 17:08

                    Verstehe. Ist das mit der Substanzfrage nur eine Sichtweise oder quasi Gesetz?

                    • Stefan Pietsch 31. Dezember 2020, 17:57

                      Es ist verfassungsrechtlich umstritten. Das Grundgesetz kennt keine Inflation, alles wird ohne Geldentwertung betrachtet. Das ist jedoch wirklichkeitsfremd. Wirtschaftlich betrachtet ist die Darstellung, dass es sich de facto um eine Steuer auf die Substanz handelt, weitgehend einhellig.

                      Es ist eine Sichtweise, welcher Betrachtung man folgen mag. Die Politik tut bei ihrer Gesetzgebung stets so als gäbe es keine Inflation. Während der Einkommensteuertarif fixe Nominalwerte enthält, werden diese nicht (wie in anderen Ländern) gleichfalls per Gesetz indexiert. Das Gleiche gilt für den Grundfreibetrag und alle anderen Freibeträge.

                      Beides ist offensichtlich verfassungsrechtlich möglich, weshalb ich nicht behauptet habe, es handele sich um eine verfassungswidrige Besteuerung.

                    • Stefan Sasse 31. Dezember 2020, 22:22

                      Deswegen war meine Frage, ob nicht steigende Zinsen dann auch eine Enteignung darstellten, nur eben der Schuldner. Mir ist nicht klar, warum man einseitig die Folgen der Geldpolitik ausgleichen sollte.

                    • Stefan Pietsch 1. Januar 2021, 11:42

                      Du siehst eine Symethrie, die es jedoch nicht gibt. Ich lass‘ mal im Folgenden die Verantwortung des Staates für die Geldpolitik und damit den Zins außen vor, denn er ist für das Prinzip nicht relevant.

                      Schauen wir als erstes auf die Welt ohne Steuerstaat. Wie angeführt hat der Zins für den Kapitalgeber (Sparer) zwei Funktionen: Werterhalt und Belohnung für den Konsumverzicht. Für den Schuldner (Darlehensnehmer) sieht es ganz anders aus. Der Zins spiegelt die Kosten des Kredits – Aufbringung, Refinanzierung und vor allem Garantie für den Gläubiger. Denn das Wichtigste bei einem Kredit ist, dass das Kapital zurückgezahlt wird. Dies sieht bei jedem anders aus, so unterschiedlich ist unsere Bonität.

                      Liegt nun der Zins unter der Inflation, erleidet der Kreditgeber aller anderen Umstände ungeachtet in jedem Fall einen Substanzverlust. Er wird wirtschaftlich bestraft, dass er das Kapital nicht selbst und nicht schnell verbraucht hat. Doch der Staat gleicht solche Verluste typischerweise nicht aus, es gehört zu den Wirtschaftsrisiken.

                      Der Schuldner erleidet auch bei einem hohen Zins keinen Verlust. Der Zins ist ja Ausdruck seiner Bonität, auch bei Nullinflation wird sein Zins immer einen höheren Zahlenwert annehmen. Der Vergleich mit der Inflation ergibt daher keinen Sinn, außer man stellt sich auf den Standpunkt, dass ohne Geldentwertung auch er keine Zinsen zahlen müsste, um fair behandelt zu werden. Doch woher sollte das Geld kommen? Wer wäre in einer solchen Welt bereit, auf sein Kapital zeitweise zu verzichten und dann auch noch das Risiko des wirtschaftlichen Untergangs einzugehen?

                      Nun betrachten wir das Ganze noch mit Steuern. Steuern haben den Zweck, etwas vom Ertrag des Einzelnen für das Gemeinwesen abzuschöpfen (bitte ohne Berücksichtigung von Konsum- und Vermögensteuern). Das setzt aber voraus, dass es einen Ertrag gibt. Der juristische Standpunkt ist, Ertrag ist immer, wenn ein Zins größer 0 gezahlt wird. Der ökonomische Standpunkt dagegen besagt, ein Zinsertrag ist erst dann gegeben, wenn der Preis höher ist als die im Zeitablauf erfahrene Geldentwertung.

                      Nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise erleidet der Kapitalgeber bereits durch einen Zins unter der Inflation einen Vermögensverlust, sein Kapital wird real kleiner. Dieser Verlust wird dann noch vergrößert, wenn er zusätzlich Steuer auf einen Zins zahlen muss, der praktisch nichts darstellt. Das mag bei Inflationsraten von 1% unerheblich sein, aber man stelle sich das in Hochinflationsländern vor.

                      Für den Schuldner gibt es die Steuer nur als Modell zur Reduzierung seiner Last. Der Häuslebauer profitiert steuerlich, wenn der zu zahlende Zins nominal hoch ist, egal, ob er unter oder meist über der Preissteigerung liegt. Vor allem fügt ihm die Steuer keinen zusätzlichen Vermögensverlust hinzu, im Gegenteil. Die Abzugsmöglichkeit gleicht aus.

                      Anders als in anderen Wirtschafts- und Steuerbereichen gibt es bei Kapitalanlagen oft keine Symethrie. Arbeitgeber können den Lohn von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen, während Arbeitnehmer diesen versteuern müssen. Doch beim Zins muss der Kapitalgeber auf jeden Euro Zins Steuern zahlen, während der Kreditnehmer seine Zinsaufwendungen oft nicht geltend machen kann. Umso mehr ist darauf zu achten, dass es sich um „echte“ Erträge handelt, die der Steuer unterworfen werden und nicht nur fiktive.

                    • Stefan Sasse 2. Januar 2021, 15:39

                      Es gibt keine Welt ohne Steuerstaat, in der es Zinsen und Erträge gäbe. Aber das sei mal dahingestellt.

                      Der Zins hat doch als Funktion nicht den Werterhalt, sondern den Profit. Das ist ein Investment. Und wie du schon sagst gehört die Inflationsrate – in beide Richtungen – zu den Investitionsrisiken. Aber sie tut das ja auch für den Gläubiger. Der Ursprungszins ist Ausdruck meiner Bonität, klar, aber wenn ich rekapitalisiere und durch EZB-Maßnahmen zu dem Zeitpunkt die Zinsen zehn Punkte höher liegen – was kann ich denn dafür? Da werde ich ja auch nicht entschädigt. Du sagst, das ist nicht vergleichbar, aber ich sehe nicht weshalb. Ich würde da eher die von dir angesprochene ungleiche Besteuerung beheben als reinfuhrwerken und arbiträr Marktausgleiche finanzieren, nein?

                    • Stefan Pietsch 2. Januar 2021, 16:06

                      Das ist ein Modell. Ein theoretisches Modell, um Dinge klarer zu zeichnen.

                      Der Zins hat doch als Funktion nicht den Werterhalt, sondern den Profit.

                      Doch. Der Werterhalt / Kostendeckung kommt sowohl in der Wirtschaftstheorie wie der betrieblichen Praxis vor dem eigentlichen Gewinn. Erst ist das Eine sicherzustellen, bevor an den Profit gedacht werden kann.

                      Es geht allein um die Wirkung der (Ertrag-) Steuer. Wenn kein (echter) Ertrag da ist zum Besteuern, darf auch nicht besteuert werden. Schließlich muss auch sonst niemand Einkommensteuer nur deswegen zahlen, weil seine Einnahmen gestiegen sind – wenn gleichzeitig die Ausgaben analog zugenommen haben. Null bleibt Null, selbst inflationiert.

                      Wie gezeigt geht es nicht um abiträre Marktausgleiche. Es geht nur darum, Substanzverzehr (durch Inflation) nicht noch mit einer Ertragsteuer zu belegen. Und diese Betrachtung ist ohne Behandlung von Vermögensteuern, welche explizit die Substanz angreifen.

                    • Stefan Sasse 3. Januar 2021, 10:12

                      Ein Modell, dessen Annahmen falsch sind, ist doch wertlos.

                      Aber ich muss doch auch Einkommenssteuer zahlen, wenn meine Gehaltssteigerung durch die Inflation aufgefressen wird. Das ist doch kein Argument!

  • CitizenK 29. Dezember 2020, 10:46

    Die eine Person in Heilbronn finanziert mit ihrem Reichtum einen ganzen Hochschul-Campus. Was uns zu der Diskussion über Milliardäre zurückführt.

    Zum Weiterdenken: Der Typ hat seinen exzessiven Reichtum erworben, indem er zu Discountpreisen Alltagswaren verkauft, die in Qualitätstests immer gut abschneiden. Also nicht unehrenhaft.

    Zwar: Zur anständigen Behandlung seiner Mitarbeiter musste er erst durch öffentlichen und gesellschaftlichen Druck gezwungen werden, aber entspricht das nicht dem ordo-liberalen Modell? Der Staat gibt die Rahmenbedingungen vor und setzt sie durch. So gehört ein in Deutschland verrufenes Kleiderkaufhaus aus Schweden in Dänemark zu den beliebtesten Arbeitgebern, weil der Staat dort dem Profitstreben auf Kosten der Mitarbeiter klare Grenzen setzt. Man kann also was tun, wenn man will.

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