Was 2020 passiert ist – Teil 3: Folgen


Nachdem ich im ersten Artikel dieser Reihe die Fragen angeschaut habe, die durch die Wahlergebnisse entstanden sind, und im zweiten Artikel die Lehren aufgestellt, die man aus diesen Ergebnissen ziehen kann, will ich in diesem Artikel mögliche Folgen der Präsidentschaftswahlen 2020 skizzieren. Es sei ausdrücklich vorgewarnt, dass es sich bei all dem natürlich um Prognosen handelt, die mal mehr, mal weniger gut sein werden. Daher seien alle herzlich eingeladen, ihre eigenen Varianten zu deklarieren und meine zu kritisieren. Ich teile die Voraussagen in thematische Untergruppen. Und los!

Transition

Die „transition“ ist die Periode zwischen der Wahl des Präsidenten am 4. November und der Inauguratrion am 21. Januar. In dieser Zeit ist der abgewählte Präsident noch voll im Amt, während der neue Präsident noch offiziell Privatbürger ist. Eine Reihe von Gesetzen regelt diesen Übergang. Dabei wird vor allem dafür gesorgt, dass in den Behörden zwischen den alten und neuen politischen Bürokraten (die Karriere-Bürokraten bleiben ja im Amt) ein reibungsloser Übergang stattfindet und die neue Administration am 20. Januar voll informiert und bereit zur Arbeit ist.

Dieser Übergang wird von Trump und der GOP bewusst sabotiert. Dass das passieren würde, war völlig klar. Diese Leute sind absolut verkommen, und sie haben kein Problem damit, das Land ins Chaos zu stürzen, nur um ihrem politischen Gegner zu schaden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es dieses Jahr überhaupt keine transition geben und Biden und seinen designierten Leuten der Zugang zur Regierung komplett gesperrt werden wird. Deswegen ist es auch wichtig, dass Trumps Tweets und Kommentare nicht nur leeres Geschwätz waren und sind: Denn die Bundesbehörden folgen seinen Anweisungen, und sie blockieren nicht nur über 6 Millionen in transition money, sondern kooperieren auch nicht mit Biden.

Die Folgen können potenziell katastrophal sein. So gibt es die Theorie, dass die verzögerte Inauguration Bushs 2001 die Wahrscheinlichkeit für das Übersehen von 9/11 erhöht hat. Ich bin nicht sicher, inwieweit ich das glaube und inwieweit es nur eine Schutzbehauptung vor dem Versagen angesichts des schlimmsten Terrorattentats der amerikanischen Geschichte ist, aber es ist offensichtlich, dass eine Sabotage der transition für die Funktionsfähigkeit der Biden-Regierung, noch dazu unter den Umständen einer katastrophal außer Kontrolle geratenen Pandemie, verheerend ist. Und genau das ist, was die GOP will. Für sie ist es völlig in Ordnung, wenn zehntausende sterben und Millionen ins Elend fallen, nur damit sie billig politische Punkte durch Fingerzeigen auf das Chaos der beginnenden Biden-Regierung erringen kann. Bedenkt man den Amtseid, den diese Leute eigentlich schwören, ist es nicht weit hergeholt, von Hochverrat zu sprechen – angesichts der in Artikel 2 angesprochenen Putschversuche sowieso.

Zu den Sabotageakten gehört auch die Positionierung von Loyalisten in der Bürokratie. Ich bin ehrlich gesagt unsicher, in welchem Ausmaß das – genauso wie eine letzte Welle von executive orders – zu den üblichen Spielchen der transition period gehört. Wenn da jemand mehr weiß, gerne kommentieren. Dieses Jahr erhält das Thema aber dadurch, dass Trump inkompetente und absichtlich zerstörerische Leute auf diese Posten setzt, statt „nur“ linientreue Leute, eine besondere Schärfe.

Als ausgemacht dürfte gelten, dass Trump in massivem Ausmaß das Recht auf Begnadigungen missbrauchen wird. Der Präsident kann jede auf Bundesebene verhängte Strafe annullieren (die Begnadigung, pardon) oder den Rest der Strafe aussetzen, wodurch diese zwar rechtsgültig bleibt, aber nicht mehr verbüßt werden muss (commutation). Trump wird vermutlich versuchen, sich selbst zu begnadigen. Ob das geht, ist völlig unklar und wird sicherlich vom rechtsextremistisch geprägten SCOTUS entschieden werden müssen. Der Rest seiner Begnadigungen dürfte gegen bare Münze und Verbindungen an Familie und Freunde gehen.

Zuletzt ist zu erwarten, dass die Trump-Regierung in großem Umfang Dokumente zerstören wird. Es ist unzweifelhaft, dass von Trump und seinen Verbündeten in den vergangenen vier Jahren hunderte von Verbrechen begangen wurden (vor allem, was Korruption, Diebstahl etc. angeht). Hier ist damit zu rechnen, dass alle Spuren verwischt werden, um Strafverfolgung zu erschweren. Die Begnadigungen dürften ihr Übriges tun, dass es praktisch unmöglich sein wird, in nennenswertem Umfang die Trump-Ära aufzuarbeiten. Großer politischer Wille dürfte hierzu ohnehin nicht vorhanden sein. Es ist im Endeffekt eine Wiederholung des Endes der Bush-Ära, wo Obama ebenfalls eine de-facto General-Amnestie aussprach. Nur, dass sie dieses Mal von den Verbrechern selbst kommen wird.

Außenpolitik

Was als praktisch sicher gelten kann ist, dass sich an der amerikanischen Forderung an ihre Verbündeten, ganz sicher aber an die Bundesrepublik, das 2%-Ziel einzuhalten, nichts Substanzielles ändern wird. Sicher, Trumps bescheuerter Ansatz der Schutzgelderpressung wird wegfallen. Biden wird diplomatischer sein. Aber die Grundausrichtung der US-Bündnispolitik wird dieselbe bleiben. Das sollte nicht überraschen, denn Trump hat diese Grundausrichtung ja nicht erfunden, sondern von Obama übernommen, der ebenfalls immer wieder – wenngleich diplomatischer – auf die Einhaltung gepocht hat.

Ebenfalls wenig ändern dürfte sich der Bedeutungsverlust Europas im amerikanischen strategischen Gesamtbild. Bereits unter Obama begann die große Umorientierung von Europa und dem Mittleren Osten in den asiatischen Raum („pivot to Asia„), die sich auch unter Biden fortsetzen wird. Schon alleine deswegen ist eine stärkere Ausbildung von Fähigkeiten in der restlichen NATO alternativlos. Ein Detail in diesem Zusammenhang: Biden hat bereits ein „Review“ der Truppenverlegungen aus Deutschland, die Trump in typischer Manier angekündigt hatte, angekündigt. Ich würde davon ausgehen, dass dieses damit endet, dass die Truppenverlegungen nicht durchgeführt werden, einfach, weil sie nicht im amerikanischen Interesse liegen.

Im Nahen Osten hat Biden bereits die Beendigung der Unterstützung Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg angekündigt. Ob das ein Ende der engen Beziehung zu Saudi-Arabien bedeutet, bleibt abzuwarten. Es ist in jedem Fall gut, dass die US-Regierung dieses Abschlachten endlich nicht mehr unterstützt. Angesichts der schamlosen Korruption, die Trump und seine Spießgesellen mit Saudi-Arabien betrieben haben, könnte es sein, dass die bisher starke Unterstützung des Klientel-Staats in die allgemeine Polarisierung gezogen und ihr Opfer wird.

Ein ähnliches Schicksal könnte Israel drohen. Netanyahus aggressive Unterstützung Trumps und Angriffe auf die Democrats schon während Obamas Regierungszeit dürfte in der demokratischen Partei den einen oder anderen gegenüber der engen Beziehung zum Land eingesäuert haben. Ich glaube nicht, dass das einen fundamentalen Wandel der Politik hervorrufen wird – ich glaube etwa nicht daran, dass die Botschaft wieder nach Tel Aviv zurückverlegt wird oder so etwas – aber Netanyahu dürfte auf eine deutlich kühlere Reaktion in Washington treffen.

Biden hat ebenfalls bereits den Abzug der meisten Truppen aus Afghanistan und Irak angekündigt. Das ist keine Überraschung. Obama hatte dasselbe angekündigt, und Trump auch. Und trotzdem stehen noch Truppen dort, und es werden auch welche verbleiben. Der aktuelle US-Ansatz scheint eine Konzentration auf Special Forces zu sein. Aber der „Blob“ des außenpolitischen Establishments ist extrem mächtig, und ich sehe Biden nicht grundsätzlich in Konflikt zum Pentagon gehen, vor allem nicht jetzt, wo Trump dort seine politischen Säuberungen durchführt (siehe weiter unten). Von daher reden wir hier auch eher von Akzentverschiebungen als von einem grundlegenden Wandel.

Ein solcher dürfte sich eher darin finden, dass auch ein Präsident Biden den von Trump eingeführten stärkeren Fokus auf Transaktionalismus beibehalten dürfte. Trumps größte politische Wirkung auf dem Feld der Außenpolitik dürfte seine effektive Beseitigung der alten Idee sein, dass die USA ein ideologisches Vorbild seien, das seine Werte auf der ganzen Welt durchzusetzen versucht. Stattdessen treten sie nun wie eine Weltmacht auf, die ihre Interessen durchsetzt. Ob das für die internationale Politik besser ist, bleibt abzuwarten.

Ein letzter Aspekt, den ich hier noch beleuchten will, ist die Rüstungskontrolle. Anders als Trump hat sich Biden bereits bereit erklärt, das New-START-Abkommen mit Putin bedingungslos zu unterzeichnen, das Trump noch hat auslaufen lassen wollen. Wenn dieses Abkommen nicht erneuert würde, gäbe es überhaupt keinen gültigen Rüstungskontrollvertrag mehr. Dieser „Rüstungskontrollwinter“, in dem wir uns bereits seit Jahren befinden, wäre dadurch noch kälter geworden. Schon so ist die Lage alles andere als optimistisch stimmend.

Innenpolitik

Wie bereits bei der transition ist zu erwarten, dass die Innenpolitik der nächsten vier Jahren von konstanter Sabotage der GOP geprägt sein wird. Dafür ist keine sonderlich überbordende Fantasie nötig. Die Partei tat beim letzten demokratischen Präsidenten dasselbe. Es gibt keinen Grund nicht anzunehmen, dass sie nicht wieder auf Totalblockade schalten werden. Mit dem wahrscheinlichen Erhalt der Senatsmehrheit haben die Republicans sämtliche Mittel dafür in der Hand. Sie werden Ernennungen blockieren, Gesetze aufhalten, endlose Pseudo-Skandale inszenieren. Wir haben all das gesehen, und die Republicans halten das nicht eben geheim.

Wie bereits 2009 (Stichwort: one term president) ist Mitch McConnell gewohnt offen über seine Obstruktionspläne. Er kann sich darauf verlassen, dass am Ende doch ein „Both Sides“ dabei herauskommt. Bereits jetzt kann man in diversen Zeitungen lesen, dass sich die Positionen „beider Seiten“ bezüglich Corona-Hilfsmaßnahmen verhärten und deswegen kein Kompromiss zustande kommt, was insofern richtig ist als dass eine Seite Hilfsmaßnahmen will, während die andere Seite zehntausende Menschen sterben und Millionen in den Ruin gleiten lassen will.

Eine spezifisch neue Obstruktionspolitik wird durch den „Skandal“ der „gestohlenen Wahl“ auf das Land zukommen. Seit Langem arbeiten die Republicans gemeinsam – bei weitem nicht nur Trump! – an dem Mythos, dass die Wahl nicht legitim sei. Bisher haben die meisten republikanischen Amtsinhaber den Ausgang immer noch nicht anerkannt. Es ist nicht zu erwarten, dass sich das noch substanziell ändern wird; letztlich ist es eine Wiederauflage des Birther-Mythos, der sich auch problemlos jahrelang in der Partei halten konnte. Es ist daher nicht gerade verwegen anzunehmen, dass die Legende von der gestohlenen Wahl die nächsten vier Jahre propagandistisch ausgeschlachtet werden wird. Dabei wird es helfen, die Gerichte des Landes durch zahlreiche alberne Prozesse zu beschäftigen. Es weht der der Geist von Bush v Gore.

Ebenfalls zu erwarten sind weitere Versuche der voter suppression, etwa Lindsay Grahams Ankündigung, die Briefwahl abschaffen zu wollen. Die Republicans versuchen seit Langem, das Wahlrecht wo möglich für ihre Kontrahenten zu beschneiden. Das wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. In Teilen des Landes kann die Partei ohne ja gar keine Wahlen mehr gewinnen; Georgia ist da das prominenteste Beispiel.

Ein eher psychologisches Element beschreibt Helen Lewis im Atlantic als den „Kater“ nach der Wahl, weil Trump letztlich ein großer Haufen Nichts war. Nun steht das normale, dröge Regieren wieder an. Die ganze Aufregung, Dauerberichterstattung, das Atemlose dürfte (hoffentlich!) wieder aus der Politik verschwinden. Es war ja ein explizites Wahlversprechen Bidens, dass Politik wieder langeweilig wäre. Tatsächlich steht zu hoffen, dass sich das erfüllt.

Wirtschaft

Ein Feld ohne gute Nachrichten stellt die Wirtschaft dar. Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass die Republicans die Wirtschaft sabotieren werden, um Joe Bidens Stellung zu unterminieren. Sie taten dasselbe unter Obama. Und die anhaltende Covid-Pandemie wird zumindest für 2021 eine fortgesetzte und sehr wahrscheinlich verschärfte Rezession bedeuten. Hier ist die Hoffnung auf gute Nachrichten praktisch bei Null – eine mehr als katastrophale Aussicht.

Es steht auch zu erwarten, dass die Wirtschaft wieder zurück in die Arme der GOP finden wird. Die große Unterstützung für Joe Biden in der aktuellen Wahl liegt auch an der Reaktion auf die katastrophale Corona-Politik Trumps, die für die Wirtschaft zu zerstörerisch war. Adam Tooze schreibt in seiner „political economy of Trumpism:

If 2020 had gone according to plan, there would no doubt have been strong support from American business for Trump’s reelection. And this would have been even more the case if the Democrats had chosen Bernie Sanders rather than Joe Biden as their candidate, something that could quite easily have happened if the virus had arrived only a few weeks later, boosting Sanders’ campaign for universal health care.

Auf der anderen Seite würde das Land, wie Tooze weiterschreibt, gerade von einem starken Linksdrall profitieren, weil dieser in der Krise dringend benötigte Ressourcen lösen würde:

Ironically, the best thing for the American economy in 2020 would be a Democratic landslide with a powerful left-wing minority, led by figures such as Alexandria Ocasio-Cortez, pushing for the infrastructure spending and welfare reforms that America so urgently needs. Business might squirm around regulation and taxes. One would expect a backlash from the courts. But not only would this deliver growth, but also, only such a program has the chance of actually reconsolidating American society and convincing working-class Americans that the government is for them too. Given challenges such as climate change, given America’s profound polarization, simply waiting for demography and structural change to make the right-wing base fade away is a dangerous game. It was the game the Democrats played in 2016. We know how that ended.

Ein weiterer Faktor in der Wirtschaftspolitik dürfte der Aufstieg des ökonomischen Populismus‘ sein. Trumps Wahlsieg bei den primaries wie bei der general election basierte in großen Teilen auf seiner offensiven Abkehr von der klassischen GOP-Wirtschaftspolitik. Davon blieb im Amt wenig übrig – McConnell und Ryan sorgten dafür – aber sowohl sein Erfolg als auch der Bernie Sanders‘ bei den Democrats zeigen deutlich, wie groß das Verlangen nach ökonomischem Populismus ist – und zwar unabhängig, ob er von rechts oder links kommt. Es werden ziemlich sicher weitere PolitikerInnen in beiden Lagern auf diesen Zug aufspringen, und es sollte uns nicht überraschen, wenn Joe Biden auf manchen Feldern 2024 von seinem republikanischen Herausforderer eher aus einer Richtung attackiert wird, die mit der linken Parteibasis assoziiert werden. Auf jeden Fall etwas, um die Augen offen zu halten.

Als ein letzter Detailpunkt zu möglichen wirtschaftspolitischen Initiativen: Noah Smith schlägt vor, Kleinbetriebe zu fördern, weil diese besonders von den Corona-Pleiten betroffen waren und selbst Republicans mit ihrem traditionellen Fokus auf small business das unterstützen sollten. Ich halte das für Fantasterei. Selbstverständlich passt das in die Rhetorik der Republicans, aber die werden nichts tun, um die Krise zu lindern. Ganz egal, wie es ihnen reinläuft. Obama bot ihnen 10:1 Kürzungen gegen Steuererhöhungen an, um den Staatshaushalt zu sanieren, und sie nahmen es nicht an. Warum sollten sie jetzt plötzlich offen sein?

Die Democrats

Die wichtigste strategische Entscheidung der Democrats in den nächsten Wochen betrifft die Senachtsnachwahlen (run-off) in Georgia. Nur im unwahrscheinlichen Fall, dass beide Wahlen gewonnen werden, hat die Partei im Senat eine hauchdünne Mehrheit. Die beste Strategie hierfür scheint zu sein, die beiden Wahlen in ein Referendum zu verwandeln und von Bidens Popularität zu profitieren: Wollt ihr eine handlungsfähige Regierung? Umgekehrt ist wahrscheinlich, dass die GOP auf den Instinkt der WählerInnen setzen wird, die checks&balances des Systems zu verstärken und eben diese handlungsfähige Regierung nicht zu ermöglichen. Das Konzept des überparteilichen Kompromisses erfreut sich paradoxerweise ja trotz der krassen Polarisierung ungehemmter Popularität. Um noch einmal Adam Tooze auszupacken; er beschreibt im Guardian eindrucksvoll die Folgen der kommenden Obstruktionspolitik Mitch McConnells. Wenn die Democrats diese kommuniziert bekommen, wäre viel gewonnen, selbst wenn die Wahlen verloren gehen.

Es wäre die Hoffnung, dass die Democrats auch den Wert des Organizings erkennen. Besonders augenscheinlich war das nämlich in Georgia: Im Bundesstaat sank die Rate nicht registrierter WählerInnen von 22% auf 2%! Die ständige Organisation der eigenen WählerInnen ist eine klare Schwäche der Partei. Die Erfolge in Georgia gegenüber den Misserfolgen in anderen Bundesstaaten, aber auch gegenüber der wesentlich erfolgreicheren Organisationsarbeit der Republicans in diesem Wahlzyklus zeigen dieses Defizit deutlich auf.

Schon allein aus diesem Grund sollten die Democrats daran arbeiten, dass eine starke Gewerkschaftsbindung in möglichst vielen Staaten existiert und die Gewerkschaften deutlich gestärkt werden. Deren Macht korreliert deutlich mit demokratischen Wahlerfolgen. Deswegen ist etwa auch Nevada trotz seiner geringen Bildungsdichte ein so solide blauer Staat. Gleichzeitig bekommen die Democrats keinen Fuß auf den Boden, wo eine besonders gewerkschaftsfeindliche Stimmung vorherrscht, obwohl die Demographie für sie sprechen würde, wie in vielen Staaten des Sunbelt. Auch im mittleren Westen ist die Korrelation zwischen der Zerstörung der Gewerkschaften und der Erosion der demokratischen Stammwählerschaft augenfällig.

Man sollte deswegen auch keinesfalls den Fehler machen, von der Popularität bestimmter Einzelpolitiken auf elektorale Erfolge der Partei zu schließen, wie das etwa Bernie Sanders tut:

Einige dieser Politiken – Stichwort Mindestlohn – sind offensichtlich keine progressiven Politiken! Es wäre ein Fehler anzunehmen, sie würden mit der eigenen Seite identifiziert. Die SPD hat hierzulande den gleichen Irrtum begangen und profitiert überhaupt nicht vom Mindestlohn. Auf der anderen Seite haben manche progressive Herzensangelegenheiten wie eine Stärkung der affirmative action selbst im tiefblauen Kalifornien an der Wahlurne verloren. Es liegt der Verdacht nahe, dass eine Konzentration auf klassischen ökonomischen Populismus, wie bereits oben angesprochen, für die Democrats eine lohnende Strategie sein könnte.

Und das bringt uns direkt in den parteiinternen Konflikt zwischen Moderaten und Progressiven in der Partei. The Truce is already over, schreibt Elaine Godfrey im Atlantic. Besonders um die Person Alexandria Ocasio-Cortez‘ ist ein Deutungskampf darum entbrannt, welcher der beiden Flügel die Zukunft verkörpert. Ich halte das für die völlig falsche Debatte. Die Partei hat nur eine Zukunft, wenn sie breit aufgestellt ist. Sherrod Brown als moderater Democrat in Ohio war ein Sieger – und ein Gegenmodell zur ebenfalls siegreichen AOC. Es braucht beides! Progressive KandidatInnen können in progressiven Wahlkreisen reüssieren, moderate KandidatInnen in moderaten Wahlkreisen. Die Partei muss eine big tent party sein. Mit dieser Strategie fuhr sie die großen Erfolge 2018 ein.

Was man gerade sieht, ist da eher kontraproduktiv. Der Krieg des DCCC gegen die progressiven HerausforderInnen und der folgende Backlash zeigen, dass das Problem beileibe nicht nur bei der radikalen Parteibasis liegt. Die plumpen, aggressiven Versuche des Establishments, diese zu unterdrücken, können ziemlich fies zurückschlagen. Die Partei sollte sich stattdessen als Bündnis begreifen und zusammenarbeiten, statt einen Sieg über den jeweils anderen Flügel erreichen zu wollen. Ich dachte nicht, dass ich je Merkel zitieren würde, aber: Flügel geben Auftrieb.

Was die Democrats dagegen nicht tun sollten ist zu versuchen, sich zu verraten, weder nach links noch nach rechts. Es ist vermutlich müßig, die DSA-Mitglieder und Jill-Stein-WählerInnen umwerben zu wollen. Genauso nutzlos ist es für die Partei, sich ständig um die UnterstützerInnen der Gegenseite zu bemühen. Das ist ein abgedroschenes und nutzloses Narrativ. Ich unterstütze die Forderung, sich von Trumps Unterstützern zu emanzipieren.

Stattdessen muss die Partei sehen, dass sie ein halbwegs kohärentes Angebot für etwa 60-70% der AmerikanerInnen macht. Mehr ist selbst unter Idealbedingungen nicht möglich, und wenn sie das erreicht, erreicht sie viel. Und dieses Angebot kann weder darin bestehen, reflexartig auf die progressive Basis einzuschlagen noch reflexartig die Revolution dieser Basis gegen moderate AmtsinhaberInnen zu fordern.

Zuletzt möchte ich noch Peter Unfried in der taz zitieren:

Es wird darum gehen, kleine Brötchen zu backen. Ja, ist so. Aber diese eben wirklich zu backen, statt reflexhaft die Brötchen der Populisten zu kritisieren und sie damit größer aussehen zu lassen. Die Beschwörung, wie schlimm alles ist, das ist der Job von Rechts- und Linkspopulisten. Unserer ist es, auf der Basis eines nicht blinden, sondern konstruktiven Vertrauens in die Demokratie und ihre Institutionen (einschließlich Polizei) eine Zukunftspolitik der Mehrheit zu befördern.

Ob man es mag, oder nicht, das ist die Realität der nächsten vier Jahre, und das wussten wir schon vor der Wahl. Die Democrats müssen, wie bereits unter Obama, erst einmal den Flurschaden der GOP-Regentschaft beseitigen. Ohne ausreichende Mehrheiten bleiben ihnen dazu nur kleine, inkrementelle Schritte. Das ist ungeheuer frustrierend, aber solange diese Mehrheiten nicht erreicht sind, kann es nichts anderes geben.

Medien

Ich habe mich oft genug über die Berichterstattung über Trump und die Republicans geärgert, ich muss diese Fundamentalkritik hier nicht wiederholen. Auffällig war allerdings, dass mit dem Moment der Niederlage urplötzlich eine neue Courage in den Medien einzog:


Ich kommentierte dies direkt:


Denn entweder galt das schon immer, und man hätte Trumps Lügen immer schon ausblenden und deutlich machen können. Oder es war immer falsch, weil sich die Medien neutral gegenüber dem gewählten Staatsoberhaupt positionieren sollten. Beide Möglichkeiten sind in sich kohärent. Aber wenn er abgewählt ist plötzlich Bonuspunkte auf die Art generieren zu wollen hinterlässt echt mehr als nur einen schalen Beigeschmack. Ich habe deswegen auch ernsthafte Zweifel, dass die Medien irgendetwas aus diesen vier Jahren gelernt haben. Aber vielleicht werde ich ja noch überrascht.

Die Republicans

Bleiben die Republicans. Es ist unwahrscheinlich, dass sie die Niederlage als Anlass nehmen werden, wieder vernünftiger zu werden und sich um Mehrheiten zu bemühen. Ich habe bereits anderer Stelle über den Einfluss der QAnon-Spinner und die voter suppression gesprochen. Daher wird die Partei mit der bisherigen Strategie weitermachen. Warum auch nicht? Es funktioniert ja.

Ich erwarte daher, dass die Behauptung, dass die Wahl gestohlen wird, bei den primaries 2022 zum Lackmustest der Republicans werden wird. Solche Lackmustests hat die Partei mittlerweile an vielen Stellen eingeführt. Erst war es die Birther-Theorie, dann war es das Bekenntnis zu Trump und dem größten Wahlsieg aller Zeiten. Es ist ein typisches Machtmittel von Totalitaristen, die eigenen Leute zu Bekenntnissen von offensichtlich falschen Dingen zu zwingen. Nichts verstärkt die eigenen Loyalitätszyklen so sehr. Man denke nur an die rituellen entsprechenden Bekenntnisse der realsozialistischen Staaten.

Ebenso zu erwarten sind Versuche, die Legitimation des demokratischen Prozesses generell weiter zu zerstören. Beispiele hierfür kann man gut in diesem lesenswerten Twitter-Thread sehen. Auch dürfte gewalttätige Identitätspolitik weiter eine zentrale Rolle spielen, wie man am Beispiel Gianfortes in Montana sehen kann.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich an dieser Stelle erschöpft bin und gar nicht weiter darauf eingehen. Die Gesamtstrategie ist furchtbar trostlos und offensichtlich und, leider, erfolgversprechend. Dieser Thread skizziert sie gut. In Kurzform: Blockade, Hetze, Missbrauch der Gerichte, voter suppression. Die Strategie ist klar. Die Gegenwehr ist schwierig. Aber gerade weil so offensichtlich ist, was die Partei versuchen wird, gilt es, sich entgegen zu stellen. Sonst war die Wahl Joe Bidens keine Trendwende zur Rettung der amerikanischen Demokratie, sondern vielmehr ihr Abgesang. Und das wäre verheerend.

{ 34 comments… add one }
  • Stefan Sasse 13. November 2020, 12:55

    Noch zu dieser Geschichte mit dem ökonomischen Populismus:
    https://www.theamericanconservative.com/articles/the-realignment-is-real/

  • Stefan Pietsch 13. November 2020, 13:33

    Zuvorderst, Dinge, die Du weißt: Joe Bidens Inauguration ist am 20. Januar 2020, nicht am 21. Es gibt zwar Busch-Kriege, aber der von 2001 – 2009 amtierende Präsident hieß Bush (ohne „c“). Was die Republikaner betrifft, so machen sich immer mehr, auch Senatoren, dafür stark, das Biden-Team am Weißen Haus vorbei mit Geheimdienstberichten zu briefen, unter anderem der von Dir geschmähte Lindsey Graham.

    Überhaupt macht Dein Furor, da wiederhole ich mich, Dich ein Stück blind für Entwicklungen. Die Senatsmehrheit ist keineswegs eine feste Phalanx, wie sich bereits im Amtsenthebungsverfahren zeigte. Mehr als in Deutschland schauen Senatoren auf ihre direkten Wiederwahlchancen. Und meines Wissens nach können Mehrheitsführer auch abgewählt werden.

    Georgia ist eine Hochburg der Republikaner. Dass beide Senatorenposten an die Demokraten gehen könnten, halte ich für so unwahrscheinlich wie Du. Was Du allerdings übersiehst – und was sich in der deutschen Berichterstattung ebenfalls nicht findet, wenn Du so nonchalant Biden doch einen überzeugenden Sieg attestierst:

    Georgia mit seinen 16 Wahlmännerstimmen ging nur deswegen an Joe Biden, weil zahlreiche konservative Wähler für die Libertäre Jo Jorgensen (62.000 Stimmen) votierten. Auch in Arizona mit seinen 11 Wahlmännern war die Libertäre mit 51000 Stimmen das Zünglein an der Waage. Auch Wisconsin konnte der Demokrat nur gewinnen, weil sich das rechte Lager etwas splittete und Jorgensen 38000 Stimmen absahnte. Selbst in einem Mehrheitswahlsystem kann Stimmensplitting wahlentscheidend sein.

    Genauso regst Du Dich auf, dass die Verschwörungstheoretikerin und QAnon-Anhängerin Marjorie Taylor Greene ins Repräsentantenhaus gewählt wurde. In einem Land mit 330 Millionen Einwohnern ist es nunmal nicht unwahrscheinlich, dass ab und zu auch Spinner gewählt werden. Doch Du hast die Italiener nie als verkommen gebrandmarkt, weil sie Clowns zu Ministerpräsidenten und Parteiführern gemacht haben oder die Grünen und LINKE, weil sie aktionistische Rechtsbrecher in Staatsfunktionen gehievt haben. Und Deutschland ist wesentlich kleiner als die USA.

    Viele Republikaner haben sich gegen ihren Parteiführer gestellt und stehen dafür, dass die Wahl fair war. Sie alle mit „verkommen“ zu umreißen, ist – niederträchtig.

    • Stefan Sasse 13. November 2020, 17:31

      Korrigiert, danke.

      Das Problem ist die Polarisierung, die es extrem unwahrscheinlich macht, dass strict partyline voting bestraft wird. Die Ausnahmen kannst an einer Hand abzählen.

      Das mit dem Stimmensplitting ist ein sehr interessanter Punkt, danke. Ich forsch da mal nach. Kurzes Caveat schon mal: akzeptieren wir diese Erklärung, hätte HRC auch wegen Jill Stein und Gore nur wegen Nader verloren, oder?

      Ich sage ja auch nicht, dass „die Amerikaner“ total verkommen sind, sondern die Partei, die diesen Entwicklungen nicht Einhalt gebietet.

      Das „Diese Leute sind völlig verkommen“ bezieht sich einmal mehr und explizit auf die GOP, NICHT ihre Wähler. Wie oft muss ich das denn noch klarstellen? Das geht doch aus der Syntax eindeutig hervor.

      • Stefan Pietsch 13. November 2020, 18:07

        Ich denke schon, dass in den USA mehr Persönlichkeitswahl besteht als in Deutschland. Das ist aber ohne wissenschaftliche Validierung.

        Ich bin eher zufällig über den Punkt gestolpert. Ein Freund von mir, der doch immer wieder Sympathie für die Richtung Trump erkennen ließ (ja, er mag den Typ nicht), hat immer hervorgehoben, den Republikaner nicht gewählt zu haben, sondern eben Jorgensen, also die Libertäre Partei. Dann habe ich geschaut, wie die Dame eigentlich abgeschnitten hat und siehe da, daraus resultierte, dass mein Freund de facto Biden gewählt hat. Pointe.

        In Nevada sah es lange ähnlich aus, dass die Libertären Trump die entscheidenden Stimmen abgenommen hätten. Ja, natürlich ist es nicht neu, dass Stimmensplitting auf mehrere Kandidaten nur dem eigentlichen Mehrheitskandidaten schadet. Das ist ja nicht parteipolitisch zu betrachten. Im Detail ist das Wahlergebnis eben höchst kompliziert. Amerikaner sind deutlich konservativer als Europäer und die Demokraten würden einen großen strategischen Fehler begehen, würden sie eine kontinentaleuropäische Politik durchsetzen wollen.

        Ich habe das schon verstanden. Allerdings hast Du meinen Einwand nicht verstanden. Trotz allem kannst Du nicht die gesamte GOP in Haftung nehmen, so wie ich nicht die gesamte Grüne Partei für die Stützung des Berliner Bezirksstadtrats Florian Schmidt in Haftung nehme. Die Grünen tragen dort auch alles mit, was der Typ verbricht.

        Geschenkt, dass die GOP in der Führung einen sektiererischen Weg eingeschlagen hat. Auch geschenkt, dass die meisten Senatoren (aus taktischen) Gründen Trump weiterhin nicht öffentlich angehen. Schließlich können sich die LINKEN auch nicht von den Linksextremisten in Leipzig distanzieren. Mach‘ die Dinge nicht so einfach wie Du sie im eigenen Land so elegant ignorierst.

        • TBeermann 13. November 2020, 20:54

          Das ist immer wieder spannend und mir auch schon bei vielen Rechten und weit Rechten aufgefallen…übrigens vor allem in den USA.

          Es wird jede Gelegenheit genutzt, noch schnell ein paar Behauptungen und Seitenhiebe (bei dir wie gewohnt grob verzerrt) unterzubringen. Immer alle Talking-Points unterbringen, auch wenn sie mit dem Thema gar nichts zu tun haben.

          • Stefan Sasse 14. November 2020, 10:02

            Ich glaube, das ist eine allseits beliebte Kommunikationsstrategie im politischen Bereich.

            • TBeermann 14. November 2020, 12:47

              Ja, aber anders.

              Gut, in diesem Fall ist es typische rechte Trollerei, so viele Behauptungen und Nebenkriegsschauplätze wie möglich unterzubringen, dass in der Erwiderung möglichst nicht allen davon widersprochen wird. Kennen wir.

              Aber ich denke das ist durchaus symptomatisch für die Rechte. Ich höre ganz gerne den Podcast „Left, Right & Center“ des Radiosender KCRW aus Los Angeles. Es sind immer zwei Gäste, einer eben „konservativ“ und einer „links“. Es ist im Prinzip die übliche Simulation von Diskurs, aber der Ton ist etwas zivilisierter und es ergibt einen ganz passablen Überblick über die Argumente beider Seiten.

              Am Ende jeder Sendung haben die Teilnehmer ein paar Minuten Zeit, frei über ein Thema ihrer Wahl zu sprechen. Man kann fast immer darauf wetten, dass der/die linke TeilnehmerIn irgendein emotionales, privates oder kulturelles Thema wählt, während der rechte Teilnehmer (tatsächlich fast immer Männer) noch mal ein Thema wählt, das in der Woche aktuell war und ein halbes Dutzend (meistens falsche oder mindestens verzerrte) Angriffe auf oder Behauptungen gegen die „Linken“ zu Themen dabei unterbringt, die mit dem Thema wiederum gar nichts zu tun haben. Quasi ein Wochen-Best-Of von FOX News.

        • Stefan Sasse 14. November 2020, 10:01

          Ich hab mich mal bei meinen in der US-Politik tätigen Bekannten erkundigt, die meinten, dass die Leute, die DrittkandidatInnen wählen, im Normalfall eher zuhause bleiben. Das heißt, Jill Stein WählerInnen würden nicht HRC oder Biden wählen, sondern im Zweifel gar nicht, und bei den Libertarians auch. Scheint durch die Empirie auch gedeckt zu sein. Deren Einfluss auf das Ergebnis ist daher eher minimal.

          Du hast Recht, was die Gesamtverurteilung der GOP angeht. Aber zumindest auf Bundesebene sieht das Bild da echt düster aus. Ich geb dir auch den Vergleich mit der LINKEn und den Extremisten; der qualitative Unterschied ist halt, dass (um im Bild zu bleiben) die in den USA an der Macht sind und nicht ein Splitterflügel.

          • Stefan Pietsch 14. November 2020, 10:46

            Das kann ich wenig beurteilen. Den einzigen Wähler der Libertarian Party, den ich live kenne, ist alles andere aber kein potentieller Nichtwähler. Wenn Du das Programm ließt, hast Du auch Zweifel, dass das Unengagierte sein könnten. Und Dir wird vielleicht klarer, was mich als Liberalen von Libertären unterscheidet. Welten.

            Worum es jedoch eigentlich ging: die Zahlen verdeutlichen, dass die USA immer noch vor allem ein konservatives Land mit sehr freiheitlichen Denken sind. Sozialdemokratische Ansichten, wie sie in Kontinentaleuropa vorherrschen, werden dort einer Partei nicht die Mehrheit bringen.

            Es ist immer noch der Bürger, der in einer Demokratie über die Menschen bestimmt, die regieren und nicht die Parteien. Die machen Vorschläge.

            • Stefan Sasse 14. November 2020, 11:13

              Ja, das schreibe ich ja in meinem Artikel auch. Strukturkonservatives Land. Wie die BRD ja übrigens auch.

              • Stefan Pietsch 14. November 2020, 11:34

                Den Vergleich finde ich nicht gerade passend. Amerikaner sind dort konservativ, wo es Deutsche nicht sind (Glaube an Gott und die Nation, Waffengebrauch, Todesstrafe, Kampf gegen Sozialismus) und liberal und aufgeschlossen, wo es die Deutschen auch nicht sind (neue Technologien, Scheitern als Chance, unternehmerische Begeisterung, Leistungsgedanken). Deutsche denken gutbürgerlich, aber haben ein tiefes soziales und gemeinschaftliches Empfinden („links“). Das gibt es so bei Amerikanern nicht.

                • Stefan Sasse 14. November 2020, 12:40

                  Das wollte ich auch nicht vergleichen. Nur hat es progressive/sozialdemokratische Politik aus dem Grund der Strukturkonservativität in beiden Ländern schwer. „Konservativ“ bedeutet ja auch was völlig anderes.

    • Dennis 14. November 2020, 10:04

      Zitat Stefan Pietsch:
      „Georgia mit seinen 16 Wahlmännerstimmen“

      Um das Korrigieren von kleinen Ungenauigkeiten zu ergänzen:

      ca. die Hälfte dieser 16 Personen sind Frauen. Sieht man hier. Es gilt die mittlere Spalte:

      https://sos.ga.gov/admin/uploads/2020PresidentialElectors.pdf

      Okay, ich kenn schon die Antwort: „Männer“ seien in diesem Fall generisch und außerdem war es war schon immer so 🙂

      Zitat:
      „….ging nur deswegen an Joe Biden“

      Nach dieser Theorie hätte die dritte Kandidatin, wenn sie gewollt hätte, das Trump gewinnt, nicht kandidiert, hat sie aber. Sie selbst sieht das so :

      https://www.cnbc.com/2020/11/06/libertarian-presidential-candidate-jo-jorgensen-on-third-party-voting.html

      Man müsste solche Theorien unter Laborbedingungen bei mehrfachen Versuchen testen, es gibt notabene auch noch die „Nichtwählerpartei“. Das wird schwierig. Im Übrigen gilt: Es ist so wie es ist und nicht so wie es unter Bedingungen, die nicht existierten, hätte sein können, wobei Letzteres eine reine Glaubensfrage ist. Konstruktionen mit empirisch nicht nachvollziehbaren Bedingungen sind problematisch.

      • Stefan Pietsch 14. November 2020, 10:38

        Im amerikanischen Wahlrecht sind das „electors“, nicht male, nicht femal. Und da wir immer von Wahlmännern gesprochen haben, auch wenn wir das Geschlecht im einzelnen nicht kannten, wüsste Ichsucht, warum wir das ändern sollten. Können Sie mir sagen, wer sich diskriminiert fühlen könnte? Nein? Ist das also wieder so ein, wie drückt man das aus?

        Darüberhinaus ging und geht es nicht um die Kandidaten, sondern die Wähler? Wozu neigen sie, wenn es um politische Lager geht? Wenn Sie mal das Programm der Libertarian Party gelesen haben, bezweifeln Sie vielleicht auch, dass solche Leute Biden/Harris unterstützen würden.

        • Stefan Sasse 14. November 2020, 11:13

          Benutz doch einfach den gleichen Begriff wie ich, Elektoren. Der ist geschlechterneutral. „Wahlmänner“ ist völlig veraltet.

          • Stefan Pietsch 14. November 2020, 11:29

            Oh, damit habe ich überhaupt kein Problem, von jemand deutlich jüngeren wie Dir als altmodisch bezeichnet zu werden. Ich sag‘ ja umgekehrt auch, ihr seid noch ziemlich grün hinter den Ohren. So lange meine Mama mir nicht kommt, ich wäre altmodisch, ist alles in Ordnung. 🙂

            • Stefan Sasse 14. November 2020, 12:39

              Du hattest ja gefragt welcher Begriff besser ist, soviel Lernwilligkeit muss dann auch von den älteren Semstern erwartet werden können 😉

              • Stefan Pietsch 14. November 2020, 13:22

                … sagt der, der immer noch BRD schreibt. 🙂

                • Stefan Sasse 14. November 2020, 20:41

                  Das war in dem Fall nur um Zeit zu sparen. In den Artikeln habe ich seit deinem Hinweis immer darauf geachtet es nicht zu tun.

                • Erwin Gabriel 17. November 2020, 22:18

                  🙂

                  @Stefan Sasse

                  Florett, nicht Breitschwert

                  • Stefan Sasse 18. November 2020, 11:28

                    Wie meinen?

                    • Erwin Gabriel 22. November 2020, 00:20

                      Der andere Stefan hat’s bestimmt verstanden; Hatte ich schon mal erklärt, die unterschiedlichen Diskussionsstile

                    • Stefan Sasse 22. November 2020, 09:54

                      Oki.

                    • Stefan Pietsch 22. November 2020, 00:41

                      🙂

  • cimourdain 13. November 2020, 14:08

    Du zählst viele positive Aspekte auf und ich hoffe, dass es sich auch ähnlich entwickeln wird. Dennoch gibt es ein paar Punkte bei denen ich skeptisch bin oder wo ich mehr wünschen würde:

    Innenpolitik:
    – Sowohl Biden als auch Harris haben eine unrühmliche Bilanz, was das Füllen der Gefängnisse mit Schwarzen und Armen betrifft. Da ist einiges gutzumachen.
    – Wird es einen Schutz für Whistleblower vor staatlicher Repression (*hust Assange*) geben?

    Außenpolitik/MIlitär:
    – Welche Falken (Susan Rice, Michelle Flournoy, Samantha Power) kommen ins Kabinett ? [Nebenfrage: Warum sind so viele liberal Hawks‘ weiblich ? Und wie sexistisch-unangebracht wäre die Bezeichnung ‚chick-hawks‘ ?)
    – Neben NewSTART sind auch der INF-Vertrag und der ABM-Vertrag von republikanischen Präsidenten aufgekündigt worden
    – Wie wäre es damit: https://de.wikipedia.org/wiki/Atomwaffenverbotsvertrag

    Weltinnenpolitik:
    – Biden will wieder dem Pariser Abkommen und der WHO beitreten. Trump hat auch die UNESCO verlassen.
    – Wird er es schaffen, internationale Menschenrechtsabkommen (z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/UN-Kinderrechtskonvention#/media/Datei:Convention_on_the_Rights_of_the_Child.svg) zu ratifiziern?

    Nachbemerkung: Nachdem mehrere ‚Mainstream‘-Kommentatoren am letzten Wochenende dafür geworben haben, dass Europa sich wegen Abwahl Trumps in den USA mehr Waffenzulegen soll ( euphemistisch ‚Übernahme internationaler Verantwortung‘) , war ich nicht überrasch, dass die Aktienkurse für europäische Rüstungswerte am Montag extrem gestiegen sind: Airbus/EADS +17,09%, SAFRAN SE +13,32%, Rheinmetall +8,39 %

    • Stefan Sasse 13. November 2020, 17:33

      Innenpolitik:
      – Ich erwarte eine Trendwende, aber keine signifikaten Änderungen.
      – Würde mich extrem überraschen.

      Außenpolitik:
      – Keine Ahnung, keine Ahnung und nein.
      – Hoffen wir auf Erneuerungen und neue Verträge dieser Art.
      – Nein.

      Weltinnenpolitik:
      – Hoffen wir, dass er da auch wieder reingeht.
      – Nein. Die USA ratifizieren nichts –> Polarisierung. Erfordert 2/3 Mehrheit. Snowball’s chance in heaven.

      Nachbemerkung: Jepp, wenig überraschend.

  • Kirkd 13. November 2020, 16:40

    Ich kann Deine Empörung über die Trump und die GOP verstehen und es ist in der Tat emoörend. Aber gute Politik darf sich nicht im lamentieren verlieren, sie muss umsetzbare Massnahmen identifizieren. Sollen Sie doch lauter Saboteure in der Administration positionieren, dann verlieren alle in den nächsten zwei Monaten eingesetzten Mitarbeiter eben ihren Job. Wenn die Biden Administration dazu nicht in der Lage ist, dann kann ich ihnen auch nicht helfen. Das bei Regierungswechsel 1000 Dokumente zerstört werden, gibt es überall, war bei Kohl und Schöder auch so und Merkel wird es genauso machen (ok vielleicht nicht, sie war auch so blöd, ein ungeschütztes Handy zu nutzen). Da ist es was mich am Progressiven Lager ankotzt, es wird gejammert und keiner scheint irgendeinen Anspruch daran zu haben, dass man selber vielleicht die nötige Kaltschnäuzigkeit braucht, um es mit einem sinistren Gegner aufzunehmen.

    • Stefan Sasse 13. November 2020, 17:33

      Da bin ich ständig hin und her gerissen. Ich bin instinktiv eigentlich eher in der „when they go low we go high“ Fraktion.

      • TBeermann 13. November 2020, 18:20

        Da haben wir jetzt aber schon eine Weile gesehen, dass dabei außer „in Schönheit sterben“ nicht viel rum kommt.

        Letztendlich kommt es darauf an, den Anhängern zu zeigen, dass man etwas für tut. Nicht umsonst haben sich die (angeblich) Religiösen weiter hinter Trump versammelt, weil sie wussten, dass er ihnen Richter etc. verschafft.
        Analog wären viele Meschen auch vermutlich nicht böse, wenn tatsächlich zur Abwechselung mal etwas durchgesetzt würde, was in ihrem Interesse ist. Und vermutlich würden selbst einige Rassisten und Homophoben darüber hinweg sehen, wenn man sich zusätzlich auch für Minderheiten einsetzt.

        Die Demokraten müssten ja nicht voll auf die republikanische Schiene wechseln, aber eben alle Möglichkeiten nutzen, ihre Inhalte umzusetzen. Und das wäre (nicht zuletzt, weil an linke Parteien und Politiker andere Maßstäbe angelegt werden) die zweite wichtige Voraussetzung: Es muss um die Sache gehen und nicht persönliche Bereicherung.

        • Stefan Sasse 14. November 2020, 10:02

          The jury is still out, methinks.

        • Erwin Gabriel 17. November 2020, 22:21

          @TBeermann 13. November 2020, 18:20

          Da haben wir jetzt aber schon eine Weile gesehen, dass dabei außer „in Schönheit sterben“ nicht viel rum kommt.

          Es muss um die Sache gehen und nicht persönliche Bereicherung.

          Ausnahmsweise Zustimmung

  • Lemmy Caution 15. November 2020, 07:55

    Ich komme über eine Sache nicht hinweg. Es ist in den Diskussionen hier nun wirklich kein neuer Aspekt:
    Die reichen, neuen Internetmedien machen ihren Job für die Vermeidung gefährlicher Massenmanipulation nicht und ich halte das für brandgefährlich. Viele Menschen fehlen leider offensichtlich die Anti-Körper für Desinformationskampagnen.
    https://www.derstandard.de/story/2000121615020/aktivisten-enttarnen-neues-fakenews-netzwerk-von-steve-bannon

    • Stefan Sasse 15. November 2020, 10:12

      Völlig korrekt! Ich verweise auch auf das Buch LikeWar zu dem Thema, das hatte ich mal besprochen (siehe Liste).

    • Stefan Pietsch 15. November 2020, 12:36

      Ich denke, es hat viel mit einem grundsätzlichen Desinteresse an Politik zu tun. Die Schnittmengen mit Frustrationen und Enttäuschungen sind da ausdrücklich inkludiert. Nur so 42-48 Prozent interessieren sich nennenswert für Politik, aber zwischen 70 und 80 Prozent beteiligen sich an allgemeinen nationalen Wahlen. Umfragen suggerieren mit ihrer 100%-Summe ein allgemeines Interesse an Politik, das es so nicht gibt. Wer wählt also mit?

      Die Privatsender RTL, Sat1 und Pro7 haben in Kenntnis, dass gerade junge Menschen nur ein überschaubares Interesse an der allgemeinen Nachrichtenlage haben, eigene Nachrichtensendungen aufgebaut. Tagesthemen und heute journal besitzen eine überschaubare Anhängerschaft und die hat nicht selten das aktive Erwerbsleben längst verlassen.

      Die Frage ist also, wofür interessieren sich Menschen tatsächlich, wenn an jeder Ecke Zerstreuung lockt und eine 30minütige Informationssendung den Großteil der Seher so überfordert, dass die Fluktuation vor dem Fernseher hoch ist.

      In der Wissenschaft ist unumstritten, dass die Konzentrationsfähigkeit und gleichzeitig die Frusttoleranz deutlich abgenommen haben. Konzentration ist unabdingbar, um sich mehr als einen kurzen Moment mit einer Sache beschäftigen zu können. Frusttoleranz ist die Eigenschaft, Fehler, Versagen und Misserfolge akzeptieren und sie bestenfalls in neue positive Energie umkehren zu können. Wenn beides abnimmt, entsteht Platz für das schnelle Erlebnis, die Sensation in der sensationsarmen Welt.

      Trump selbst hat immer betont, kein Politiker zu sein. Er empfindet sich als Unterhalter, so hob er die Kommunikation der Regierung mit den Bürgern auf eine völlig neue, ungekannte Ebene. Seine Twitter-Attacken schufen die Unterhaltung, die ja nicht nur seine Fans begehrten. Erratisch, für den Augenblick. Der Erfolg der sozialen Medien von WhatsApp bis zu Twitter beruht ja gerade auf der Schnelligkeit der (Nicht-) Information mit hohem Unterhaltungscharakter.

      Vor einigen Wochen hat sich ein Kommentator beklagt, dass ein Artikel unleserlich, weil zu lang sei. Der Artikel, über den er sich mokierte, hatte eine Länge von etwas mehr als 4 DIN-A 4-Seiten, was bei normaler Lesegeschwindigkeit einer Lesedauer von 5-7 Minuten entspricht. Es war zum Lesen kein besonders anspruchsvoller Artikel, eine typische Mischung zwischen lockeren Formulierungen und Faktenhäppchen, die zur Meinung kumulierten. Das ist für viele zu viel.

      Ich sehe das bei dem Publikum auf Facebook, wohin ich regelmäßig Artikel in eine Community verlinke. Binnen kurzem haben dort dann 15-20 Teilnehmer den Artikel angeklickt, aber nicht wirklich gelesen.

      Die unangenehme Wahrheit ist: Trump ist ein Abbild großer Teile unserer Gesellschaften. Auch seine Brüder im Geiste, Boris Johnson in Großbritannien und Bolsonaro in Brasilien, die es ähnlich schnell from the bottom to the Top geschafft haben, bieten ihrem Publikum ähnlichen Unterhaltungswert. Und die Bürger haben Spaß daran. So war ich fassungslos, als junge Briten bei Befragungen direkt nach dem BREXIT-Votum bekannten, für den Ausstieg gestimmt zu haben, obwohl sie natürlich für den Verbleib seien. Sie wollten halt einfach mal etwas Wirbel machen und hatten nicht gedacht, dass ihre Wahl Konsequenzen haben könnte.

      Es entspricht dem Bild, dass ich in Gesprächen gerade mit jungen Leuten gewonnen habe: Dort ist eine Haltung weit verbreitet, dass es keine Unterschiede gebe und Wahlen nicht in der Wahlkabine entschieden würden.

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.