Privilegien und Sprache werden von mit Wahlzetteln bei Starbucks ausgeschenkt – Vermischtes 19.06.2020


Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Uns fehlen die Worte

Wir haben deshalb so wenige Worte, um über Rassismus zu sprechen, weil es nicht Teil unserer Kultur ist, über Rassismus zu sprechen. Das ganze Thema wird als Minenfeld empfunden, weil die oberste Priorität darin besteht, selbst kein Rassist zu sein. Viele Menschen betonen, wann immer es um Rassismus geht: „Ich sehe keine Hautfarbe! Ich beurteile jeden individuell.“ Und ich verstehe den Impetus. Sie WOLLEN sagen: „Ich bin kein Rassist, der Menschen nach ihrer Hautfarbe beurteilt.“ Was sie aber in Wirklichkeit sagen, ist: „Ich weigere mich, den Rassismus zu sehen, dem Menschen wegen ihrer Hautfarbe ausgesetzt sind.“ Denn Rassismus funktioniert – genau wie andere Unterdrückungsstrukturen – dadurch, dass er für Unbetroffene unsichtbar ist. Um ihn aufzulösen, müssen wir ihn sichtbar machen und über ihn sprechen. Denn wir alle können rassistisch sein, was uns nicht gleich den vernichtenden Stempel Rassist aufdrückt. Ich höre oft: „Man weiß ja gar nicht, was man heute noch sagen darf.“ Dazu Folgendes: Wenn du nicht weißt, was du sagen darfst, um deine Mitmenschen nicht zu verletzen, dann hast du sie nicht gefragt. Du hast nicht mit ihnen gesprochen. Und wir müssen sprechen. (Marina Weisband, Deutschlandfunk)

Diese Sprachlosigkeit ist etwas, das ich auch hier im Blog öfter feststelle. Das betrifft ja nicht nur Rassismus und Sexismus. Während die Innenperspektive beileibe keine Voraussetzung ist, um an der Debatte teilzunehmen – das wäre eine geradezu fahrlässige Perspektivverengung – braucht es doch meist eine Beschäftigung mit dem Gegenstand und der spezifischen Sprache, ein sich-vertraut-Machen mit dem Thema.

Mir fällt das etwa immer wieder auf, wenn ich mit Stefan Pietsch oder Erwin Gabriel über Unternehmertum und Finanzwirtschaft und so was diskutiere. Ich habe überhaupt keinen Bezug zu diesen Lebenswelten, ich habe oft nicht mal das Vokabular, aber das dumpfe Gefühl, sie mit meinen unzureichenden, unpräzisen Worten zu triggern. Gleiches gilt, und das weiß ich sicher, bei Themen wie Rassismus oder Sexismus in die umgekehrte Richtung.

Gerade das aber macht, um in einer positiven Note zu enden, Einrichtungen wie dieses Blog so wertvoll. Wir können ein bisschen Einblicke in die jeweilige Sprache bekommen, die Lebenswelten vielleicht etwas besser nachvollziehen. Zumindest, wenn wir das wollen.

2) Zwei People of Color fragen Deutschland Liebe Weiße, wie profitiert ihr von Rassismus?

Sie haben beide in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, sich mit ihrem Weißsein auseinanderzusetzen. Was soll das bringen?
APRAKU: Schwarze werden regelmäßig gefragt: Wie fühlt sich Rassismus an, erzähl doch mal! Ich habe ein Problem damit, meine persönlichen, echt schmerzhaften Erfahrungen zu teilen, damit Weiße etwas lernen können. Weiße können auch ganz gut Rassismus thematisieren, ohne dass wir nur über die schrecklichen Erfahrungen von Schwarzen sprechen. Denn das Minus, dass Schwarze Menschen erfahren – schlechterer Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt –, das ist das Plus für Weiße. Wir sind Teil eines rassistischen Systems. Deswegen ist es wichtig, dass auch Weiße sich fragen: Wo ist es für mich leichter gewesen? Wo habe ich in der Schule vielleicht ein Kind rassistisch beschimpft? Oder stand ich nur daneben und habe nichts gesagt? Und das kann zu der Frage führen: Muss ich mehr Verantwortung übernehmen? […]

Warum glauben Sie, ist es für Weiße so schwer, sich damit zu beschäftigen?
OHANWE: Genau solche Fragen sollen jetzt Weiße beantworten.

APRAKU: Wir leben in einem Land, das an Leistungsgesellschaft glaubt und dass jeder seines Glückes Schmied sei. Wenn sich dann herausstellt, ich habe mein Glück gar nicht selber geschmiedet, sondern jemand hat mir einen Koffer gegeben und da war mein Glück die ganze Zeit drin, ich habe den Koffer halt noch tragen müssen – wenn ihn nicht sogar jemand für mich getragen hat –, ist das eine unangenehme Erkenntnis. Außerdem meinen Menschen, wenn sie über Rassismus sprechen in aller Regel die bösen anderen und die Nazis. Den Vorwurf zu hören, man sei rassistisch, ist einer der schlimmsten. Wir müssen aber wegkommen von der Frage: Sind wir gute oder böse Menschen? Wir müssen uns bewusst werden, dass Rassismus durch Gesetze, Normen, Wertvorstellungen immer eine Rolle spielt. Niemand ist böse, weil er Privilegien hat, aber er muss sich fragen, welche Verantwortung daraus folgt.

OHANWE: Ich will auch nicht, dass Weiße sich in Schuldgefühle stürzen. Aber die Situation ist da und jetzt müssen wir eben damit umgehen. Nur weil du als Weißer nicht dein halbes Gehalt als Reparationszahlung für die Herero hergibst, heißt das nicht, dass du gar nichts machen kannst. Wie – das muss jeder selbst wissen. Wir sind nicht die schwarze, moralische Instanz. (Sidney Gennies, Tagesspiegel)

Ich finde dieses Interview eine spannende Ergänzung zu gleich zwei Artikeln hier auf dem Blog. Einmal ist das „Privileg“ von Thorsten, in dem er genau die oben erwähnten Gedanken des „check your privilege“ umzusetzen versucht. Zum anderen ist das mein „Rassismus ist wie Brokkoli„, in dem ich versucht habe, die weit verbreitete Fehlannahme, Rassismus sei in binärer Zustand, abzuschalten und mehr Sensibilität für seine Funktionsweise zu wecken. Beides finde ich sowohl im Kontext von Fundstück 1 als auch der Black-Lives-Matter-Proteste gerade sehr wichtig.

3) Starbucks bans employees from wearing anything in support of Black Lives Matter

A video from a top company executive reportedly sent with the memo warned employees that „agitators who misconstrue the fundamental principles“ of the movement could seek to „amplify divisiveness“ if the messages are displayed in stores. „We know your intent is genuine and understand how personal this is for so many of us. This is important and we hear you,“ the memo read. A company spokesperson confirmed the memo’s authenticity to BuzzFeed and said that such messages are prohibited „to create a safe and welcoming“ environment at Starbucks locations. „We respect all of our partners’ opinions and beliefs, and encourage them to bring their whole selves to work while adhering to our dress code policy,“ the spokesperson said. The development comes as protests have erupted around the country over the police killing of George Floyd in Minneapolis in late May. Video of his arrest reinvigorated support for the Black Lives Matter movement and has led to numerous companies showing support for it. (Jon Bowden, The Week)

Ich kann absolut nachvollziehen, warum Starbucks diese Entscheidung trifft. Im  Rahmen des Obergfell-Urteils, mit dem der Supreme Court 2015 die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierte, war Starbucks einem konzertierten Shitstorm von rechts ausgesetzt, bei dem Rechtsextreme von den Republicans im Kongress über FOX News zu den einschlägigen Twitterblasen und Talk Radio Stimmung gegen den Produzenten kaffeeähnlicher Getränke machten. Für den Umsatz der Firma war das nicht besonders hilfreich.

Ich erwähne diese Episode hier so ausdrücklich, weil das danach praktisch nicht diskutiert worden ist. Stattdessen wird in der westlichen Welt vor allem in konservativen Kreisen permanent die Bedrohung der Meinungsfreiheit durch linke Aktivisten beklagt, vorrangig mit irgendwelchen Geschichten absurder studentischer Aktivisten (weil aller tiefgreifender Wandel dieser Welt ja immer von studentischen Aktivisten ausging). Gleichzeitig ist die gesamte Debatte auf dem rechten Auge blind.

Und diese Einschränkung der Meinungsfreiheit ist tatsächlich massiv und gefährdet aktiv die Umsätze eines milliardenschweren, globalen Unternehmens! Da wird aber nicht in düsteren Tönen vor political correctness gewarnt. Das heißt übrigens nicht, dass das ein rein rechtes Phänomen wäre oder okay wäre wenn es von links passiert; ich finde es nur auffällig, wie unterschiedlich das rezipiert wird. Es ist ein mehr als schädlicher Doppelstandard.

4) Politischer Klimawandel

Der rechte Extremismus und der Rechtspopulismus waren recht erfolgreich in den vergangenen dreißig Jahren mit ihrem Projekt der Diskursverschiebung. Dennoch wäre es aber unangebracht, zu glauben, dass die modernen Gesellschaften sich wie auf einer schiefen Bahn nur in eine Richtung bewegen. Es kann paradoxerweise zeitgleich zu „Linksverschiebungen“ und „Rechtsverschiebungen“ kommen. Es ist ja sowieso eine der skurrileren Seiten unserer Debatten, dass Linke gerne über die rechte Hegemonie jammern, während die Rechten die Herrschaft eines linken Mainstreams beklagen. Und betrachtet man die Dinge nüchtern, haben beide irgendwie recht. […] Aber gerade weil die emanzipatorischen Werte heute allgemeiner verbreitet sind, können sie als der „herrschende Mainstream“ angesehen werden. Welzel spricht von zwei „moralischen Stämmen“. Die einen halten progressive Werte hoch, die anderen lehnen sie ab – eher konventionelle Milieus. Und weil es in den konventionellen Milieus dagegen eine Gegenreaktion gibt, „sind sie für Rechtspopulisten besser ansprechbar“. (Robert Misik, Arbeit&Wirtschaft)

Misik argumentiert hier in eine Richtung, die ich auf dem Blog seit Längerem vertrete. Wir haben es definitiv sowohl mit einer Links- als auch mit einer Rechtsverschiebung von Diskursen zu tun, und ich würde auch soweit gehen zu sagen, dass die Gesellschaft sich insgesamt deutlich in die progressivere Richtung verschoben hat. Nur passieren diese Verschiebungen eben auf völlig anderen Feldern. Oder will irgendjemand abstreiten, dass sich auf dem Feld von Asyl-, Migrations- und Flüchtlingspolitik das Framing von Rechts praktisch komplett durchgesetzt hat? Dass auf dem Feld der Gleichstellung von Frauen und sexuellen Minderheiten das Framing von Links völlig dominiert? Ich glaube, wer diese Gleichzeitigkeit übersieht und sich allzu leicht in Fantasien des völligen Siegs dieser oder jener Geistesströmung ergibt, niemals die aktuellen Entwicklungen wird analysieren und immer in einem Reich der Fieberträume bleiben wird.

5) Tweet

Ich muss ehrlich sagen, ich kann diese Zahlen nicht verifizieren oder auch nur in Kontext setzen. Ich möchte dies daher mit einer Bitte und einer Feststellung stehen lassen. Einerseits die Bitte an die, die sich auskennen: Was hat es damit auf sich? Ist die Analyse dieses Tweets tragfähig? Und andererseits die Feststellung: Wir hatten in der Debatte zur Euro-Einführung ja die Behauptung seitens Stefan Pietschs, dass Italien et al die Euro-Gewinner und Deutschland der Euro-Verlierer sei, was ich damals schon bezweifelt habe. Diese Zahlen scheinen mir schon darauf hinzudeuten, dass das Thema deutlich komplexer ist und sich in diesen nationalistischen Kategorien nicht fassen lässt.

6) The history of the British Empire is not being taught

None of this seems to have been unusual. When I asked friends (well; Twitter), I found that most of those whose schools did cover the empire in any depth did so at GCSE or A-level – a point at which most kids had stopped studying history at all. And while some schools may have taught classes on the Atlantic slave trade, this was sometimes merely a necessary precursor to talking about Britain’s role in its abolition. That was certainly more likely to come up than the links between the slave trade and imperialism, or the role its profits played in shaping cities like Bristol and Glasgow, or the possibility it may have funded the Industrial Revolution. Not only don’t we talk about what the British Empire did to the world; we don’t talk about what it did to Britain. And because we don’t want to talk about empire, we talk surprisingly little about much else that was happening in the 18th or 19th centuries. Sure, those years were critical in terms of shaping both the country we live in and the world today. But on the other hand they’re a bit embarrassing, aren’t they? Best stick to the Tudors instead. (John Elledge, The New Statesman)

Der Geschichtsunterricht in Großbritannien ist fast legendär schlecht. Ich erinnere mich noch an einen Spiegel-Artikel von 2004 (or thereabouts), in dem das von einem Exil-Briten bemängelt wurde. Dazu trägt auch maßgeblich bei, dass anders als bei uns das Fach abgewählt werden kann, weswegen die GeschichtslehrerInnen versuchen müssen, den „coolen“ Stoff zu machen und die SchülerInnen bei der Stange zu halten, was auf eine unbotmäßige Konzentration auf die Weltkriege hinausläuft.

Auf der anderen Seite sind aber auch die Lehrpläne unterirdisch. Was im obigen Kommentar bemängelt wird kann ich aus eigener Anschauung bestätigen; ich habe im Referendariat eine Zusatzausbildung für bilingualen Geschichtsunterricht gemacht, in der wir auch britische Geschichtsbücher angeschaut haben, und die Konzentration auf die „Greatest Hits“ der angeblichen britischen Geschichte (ohnehin ein irriges Konstrukt) mit „1066 and all that“ und dann wieder auf den Imperialismus ist…problematisch, to say the least.

Nicht dass unsere Deutschland-Zentriertheit im Bildungsplan so viel besser wäre, aber das britische Niveau ist schon echt unterirdisch. Der absolute Mangel an kritischem Hinterfragen der eigenen Geschichtsmythen, selbst von britischen Akademikern, betoniert diese Defizite und packt sie gleichsam unter das Brennglas. Die Churchill-Hagiographie, die sich dieses Land leistet, ist etwa völlig Banane.

7) Tweet

Ich zitiere mal meinen eigenen Tweet, weil das Format dieser Artikelserie nach einer Quelle verlangt und der Gedanke mir keinen eigenen Artikel rechtfertigt 😉 Ich frage mich das angesichts dieser atemlosen Wahlkampf-Debatten aber immer wieder. In den US-Zeitungen ist das völlige Zerlegen des Slogans von „Defund the Police“ gerade genauso angesagt wie vorher das Kritisieren studentischer Aktivisten und Beschwören ihrer Bedrohung der Meinungsfreiheit (siehe Fundstück 3 oder dieser Kommentarstrang).

Dabei gibt es meines Wissens nach keine Gruppe mit irgendwelcher politischer Gestaltungsmacht oder auch nur mit halbwegs großer Vernetzung, die diese  Forderung aktuell vertritt. Stattdessen war es ein Slogan, der auf einigen Plakaten zu sehen war und sich sehr gut eignete, um im Wahlkampf als Waffe verwendet zu werden (wenig überraschend, würde ich auch nicht anders machen). Seither gibt es in den US-Medien eine Riesen-Diskussion um „Defund the Police„, aber mir scheint, das fordert eigentlich gar niemand? Ist echt wild.

8) The coming political whiplash

These trends, combined with polls showing a big, rapid shift in the direction of support for Black Lives Matter, are convincing some on the left that the dam has finally broken — that years of quasi-fascist trolling by Trump has triggered a long-hoped-for lurch to the left in public opinion. But this is premature. The far more likely scenario is that the left will overreach — indeed, that it already has — and that even if a sizable portion of the electorate decides that it’s time for Trump to go in November, this shift will be followed by a rapid rebound in the other direction. That’s because we now live in an era of polarization and centrifugal ideological forces that aren’t just going to be dissipated by a single electoral repudiation of the Republicans. Such is the dynamic in a time of tilt-a-whirl politics that a big landslide for the left might actually be the best possible scenario for the GOP, just as Trump himself was rocket fuel for Democrats in 2018 and perhaps this year as well. That’s because while Trump has practiced and shown the electoral viability of a harder right form of politics, his distinctive incompetence and malevolent narcissism have made him an atrocious president by any measure. A Trump trouncing in 2020 would enable the GOP to coalesce around a less flamboyantly terrible model of leadership for the future of the party and the country. Tom Cotton, Nikki Haley, Mike Pompeo, Mike Pence, Marco Rubio, Tucker Carlson — any of these and possibly many other potential presidential candidates would be nicely set up by a Trump defeat for a strong run in 2024. But that scenario will not only be rendered more likely by Trump getting booted from the White House in November. It will also be advanced by the left overplaying its cards. (Damon Linker, The Week)

Ich teile die Befürchtungen Damon Linkers absolut und denke, er hat mit den beschriebenen Mechanismen grundsätzlich Recht. Ich denke allerdings, dass es dazu nicht kommen wird, denn die Democrats sind einfach viel zu moderat. Sollten sie tatsächlich die Regierungsmehrheit erringen, würden Chuck Schumer, Nancy Pelosi und Joe Biden die drei relevanten Organe anführen, während der Supreme Court weiterhin fest in der Hand der Rechten wäre. Sieht irgendjemand in dieser Konstellation einen krassen overreach kommen? Dazu schreibt auch Matthew Walters in seinem Artikel „The Revolution is not coming„. Auch Ryan Cooper, der eine Chance für ein „Ende des war on crime“ beschwört, ist sehr pessimistisch.

Gleichzeitig gehe ich aber vollständig davon aus, dass der von Cooper beschriebene wiplash trotzdem mit voller Härte erfolgen wird. Der Grund dafür sind die Medien. Diese werden sich nämlich garantiert ihrer alten Routinen erinnern und jede Initiative der Democrats als linksradikale Übertreibung geißeln, wo sie vorher noch angesichts von Konzentrationslagern an der mexikanischen Grenze dem Bothsiderismus gefröhnt haben. Da habe ich keinerlei Zweifel.

9) America Is Giving Up on the Pandemic

But as the pandemic persists, more and more states are pulling back on the measures they’d instituted to slow the virus. The Trump administration’s Coronavirus Task Force is winding down its activities. Its testing czar is returning to his day job at the Department of Health and Human Services. As the long, hot summer of 2020 begins, the facts suggest that the U.S. is not going to beat the coronavirus. Collectively, we slowly seem to be giving up. It is a bitter and unmistakably American cruelty that the people who might suffer most are also fighting for justice in a way that almost certainly increases their risk of being infected. […] Few people believe that the U.S. is doing all it can to contain the virus. A brief glance at Covid Exit Strategy, a site that tracks state-by-state progress, reveals that most states are not actually hitting the reopening marks suggested by public-health experts. Yet state leaders have not stuck with the kinds of lockdowns that suppressed the virus in other countries; nobody has suggested that cases must be brought to negligible levels before normal activity can resume. No federal official has shared a plan for preventing transmission among states that have outbreaks of varying intensity. The Trump administration did not use the eight weeks of intense social distancing to significantly expand our suppression capacity. What our colleague Ed Yong called “the patchwork pandemic” appears to have confused the American public about what is going on. The virus is not following one single course through the nation, but, like a tornado, is taking a meandering and at times incomprehensible path through cities and counties. Why this workplace but not another? Why this city or state but not others? (Alexis C. Madrigal, The Atlantic)

Dieser Aufgeben-Effekt scheint mir recht weit verbreitet  zu sein. Er ist menschlich auch sehr verständlich. Gerade der Erfolg der Präventionsmaßnahmen hat jedes Gefühl für die Dringlichkeit der Krise verschwinden lassen, und die auf die Gesamtbevölkerung gerechnet immer noch recht niedrige Zahl von Fällen tut ihr Übriges dazu. Wenn man von der Corona-Bedrohung immer nur hört, sie aber im eigenen Umfeld nicht erleben kann, wird sie irgendwann unwirklich.

In den USA ist das besonders dramatisch, weil die Krisenpolitik der Trump-Regierung so chaotisch war. Nachdem bereits im Mai die Totenzahlen die des Vietnam-Kriegs überschritten, hat Covid-19 nun mehr Opfer gefordert als der Erste Weltkrieg. Wenn das so weitergeht, knacken die USA auch noch den Zweiten Weltkrieg. Die Wirkung, die von einer inkompetenten Regierung ausgeht, ist absolut verheerend. Man sieht das jenseits des Atlantiks ebenso deutlich wie jenseits des Kanals, wo Boris Johnson ein ähnliches Desaster hinterlassen hat.

10) Der Ernstfall

Ich habe dieses Problem mit schöner Regelmäßigkeit hier im Blog diskutiert, nur um jedes Mal die Kritik zurückzubekommen, dass ich da völlig übertreiben würde und es sich um Einzelfälle handle. Man fragt sich, wann der Punkt erreicht ist, an dem die Masse der Einzelfälle zu einem systemischen Problem wird. Dass gerade das KSK voll von Rechtsextremisten ist, ist seit Jahren ein offenes Geheimnis. Das jetzt als große und erschreckende Enthüllung zu sehen ist geradezu lächerlich. Von der Leyen hatte mit ihrer Aussage vom „Haltungsproblem“ völlig Recht.

11) Wenn Männer über Männer reden, reden Männer Männern nach

Umfangreiches Forschungs­material für mehrere Sprachen – auch für das Deutsche – und mit verschiedenen Methoden zeigt aber konsistent: Wir Menschen denken seltener an Frauen, wenn wir generisch maskuline Formen hören. Bei Lesern, Patienten, Wissenschaftlern denken wir zunächst an Männer. […] Gerade bei Berufs­bezeichnungen liegt der Einwand nahe, dass es nicht die Sprache ist, die diese einseitigen Zuschreibungen bewirkt, sondern stereotype Rollenbilder in der Gesellschaft. Bauarbeiter oder Chirurg nehmen wir als männliche Berufe wahr und denken eher an Männer. Kosmetik umgekehrt wird eher als weiblicher Beruf wahr­genommen, und deshalb denken wir beim Wort Kosmetiker … ebenfalls an Männer. Die generisch maskuline Form ist hier, wie Studien gezeigt haben, offen­sichtlich stärker als das Klischee. Es ist also die Sprache, die Männer in unsere Köpfe setzt, nicht das Stereotyp. […] Manchmal geht es sogar um Leben und Tod. Männer haben bessere Möglich­keiten als Frauen, sich vor dem Corona­virus zu schützen, weil Masken und Schutz­kleidung für männliche Körper optimiert sind. Männer haben bessere Chancen als Frauen, einen Herz­infarkt zu überleben, weil die Symptome bei Männern bekannter sind und Medikamente vor allem an Männern erforscht wurden. Männer haben bessere Chancen als Frauen, einen schweren Auto­unfall zu überleben, weil Autos mit Crashtest-Dummys getestet werden, die der männlichen Anatomie nachempfunden sind. Nun lässt sich gut argumentieren, dass solche Effekte nicht viel mit Sprache zu tun haben, sondern vielmehr damit, dass Männer in vielen Bereichen immer noch im Vorder­grund stehen. Schaut man aber etwas genauer hin, so wird der Zusammen­hang mit Sprache sichtbar. Frauen wurden zu wenig mitgedacht, weil die Forscher, die Ärzte, die Ingenieure über lange Zeit zur Mehrheit Männer waren und die weibliche Perspektive auf die Frage­stellungen fehlte. (David Bauer/Marie-José Kolly, Republic.ch)

Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf verwiesen, dass die häufige gehörte Verteidigung des generischen Maskulinums – dass Frauen mitgemeint seien und dass es keine negativen Effekte habe – von Studie hinter Studie widerlegt wird. Sprache definiert unsere Umgebung und unsere Wahrnehmung. Auf welche Art und Weise man am Besten das Problem angehen sollte, weiß ich nicht. Mir ist klar, dass mein eigener Versuch der Etablierung des Binnen-I bestenfalls durchmischte Ergebnisse mit sich bringt. Aber ich bin nicht bereit, hier länger tatenlos zu bleiben. Dafür ist das Thema offensichtlich zu bedeutend. Über konstruktive Vorschläge wäre ich daher dankbar.

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  • R.A. 19. Juni 2020, 10:38

    1.) „weil die oberste Priorität darin besteht, selbst kein Rassist zu sein.“
    In der Tat, das halte ich nach wie vor für die oberste Priorität. Während ich Weisbands übrigen Unterstellungen nicht folge.
    Wichtig finde ich aber Deinen Schlußsatz: „Wir können ein bisschen Einblicke in die jeweilige Sprache bekommen, die Lebenswelten vielleicht etwas besser nachvollziehen. “
    Deswegen an dieser Stelle einmal sehr herzlichen Dank für dieses Blog.

    2.) „Ich habe ein Problem damit, meine persönlichen, echt schmerzhaften Erfahrungen zu teilen, damit Weiße etwas lernen können.“
    Kann ich erst einmal nachvollziehen. Ist natürlich ein kompletter Gegensatz zu Weisband.
    Vor allem aber: Wenn sie nicht darüber sprechen, dann können sie auch nicht erwarten, daß „die Weißen“ etwas ändern. Man kann auch nicht über etwas nachdenken, von dem man überhaupt nichts weiß.

    Und zum „darüber sprechen“ müssen natürlich auch nachvollziehbare Belege kommen. Wer etwas Betriebsratserfahrung hat weiß, daß „gefühlte Benachteiligung“ sehr häufig objektiver Nachprüfung nicht standhält.
    Und „schlechterer Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt“ ist eine Behauptung, die müßte man belegen können. Und zwar nicht nur übers Ergebnis, das wäre nur der übliche Trugschluß.

    3.) „Und diese Einschränkung der Meinungsfreiheit ist tatsächlich massiv“
    Gut daß wir da Konsens haben.
    Selbstverständlich war diese Kampagne gegen Starbucks falsch. Aber daß sie nicht diskutiert wurde, liegt nicht an Einseitigkeit. Sondern die hat hierzulande halt keiner mitbekommen. Und sie ist wohl die krasse Ausnahme, üblicherweise gehen solche Kampagnen von links aus.
    Ich könnte mir vorstellen, daß deswegen die rechte Anti-Starbuck-Kampagne hier nicht zum Thema wurde. Denn die Linken hätten das ja gar nicht problematisieren können, ohne ihrem eigenen Vorgehen die Basis zu entziehen.

    4.) „Oder will irgendjemand abstreiten, dass sich auf dem Feld von Asyl-, Migrations- und Flüchtlingspolitik das Framing von Rechts praktisch komplett durchgesetzt hat?“
    Selbstverständlich bestreite ich das. Ich kann nicht einmal ansatzweise nachvollziehen, wie Du auf so etwas kommst.
    Wenn man mal die Asyldebatten der 90er Jahre mit der heutigen vergleicht, dann war das, was damals von allen bis auf Linken und Grünen im Konsens vertreten wurde, etwa auf Linie der heutigen AfD.
    Die auch in den Medien heute dominierende Sicht der Bundesregierung auf Flucht/Migration/Asyl war damals exotische Außenseiterposition.
    Wir haben seitdem einen ganz deutlichen Linksruck.

    5.) Wahrscheinlich weiß niemand, wie dieser Vergleich genau aussieht. Denn der Anteil der Schattenwirtschaft ist in Italien sehr groß.

    Außerdem ist „standard of living“ etwas deutlich anderes als BSP pro Kopf. Es kommt ja immer darauf an, wieviel vom BSP dann wirklich beim Einzelnen ankommt. Angesichts der in Deutschland deutlich höheren Steuern und Abgaben und anderer Kosten bleibt da vom BSP-Abstand wohl nicht mehr viel.
    Und schließlich ist da noch die Frage der Vermögen. Da haben die Italiener deutlich mehr in Reserve – in erster Linie durch Immobilieneigentum.
    Und für den Lebensstandard ist das mietfreie Wohnen im Eigentum natürlich ein massiver Beitrag zur pekuniären Lebensqualität.

    Was den Euro betrifft: Der hat erst einmal allen Seiten genutzt, weil unnötige Transaktionskosten weggefallen sind. Für den Handel ist die verwendete Währung neutral, da haben weder Deutschland noch Italien profitiert.
    Italien konnte erst richtig profitieren, nachdem Deutschland mit den Schuldenpaketen Geldtransfers nach Süden bezahlte.

    6) Ich höre regelmäßig den BBC history podcast. Und da sind die Schwerpunkte schon merkwürdig. Sehr viel zweiter Weltkrieg, dann erster Weltkrieg, Tudors, etwas napoleonische Zeit und Mittelalter, dann wieder zweiter Weltkrieg …
    Und ab und zu werden dann politisch korrekt spezielle Beiträge eingestreut, mit unbekannten Historikern die ihre Arbeit, die gefühlt so rüberkommt wie „Der kulturelle Beitrag lesbischer Einwanderinnen aus Nigeria im Manchester der 1950er Jahre“.
    Und das Problem ist dann, daß dieser kulturelle Beitrag minimal war (was hätten die armen Frauen unter den Bedingungen dieser Zeit auch reißen können?) und damit wirkt das eher lächerlich als daß es problembewußt machen würde.

    Ein ähnliches Problem hat auch die feministische Geschichtsforschung. Die möchte gerne Identifikationsfiguren und Vorbilder darstellen. Die es aber eben wegen der Benachteiligung von Frauen in der Geschichte nur ganz wenige gibt. Und dann bekommt man dann Vorträge über die Schwester des berühmten Dichters X. Die halt selber nicht berühmt ist, weil sie nicht publizieren konnte. Von der die Vortragende aber annimmt, daß sie wegen ihrer Bildung und der kunstvollen Komposition ihrer erhaltenen drei Briefe ganz bestimmt hervorragende Romane hätte schreiben können.
    Das reißt kein junges Mädchen vom Hocker oder inspiriert sie zu Höherem.

    • Kning4711 19. Juni 2020, 11:13

      Ein ähnliches Problem hat auch die feministische Geschichtsforschung. Die möchte gerne Identifikationsfiguren und Vorbilder darstellen. Die es aber eben wegen der Benachteiligung von Frauen in der Geschichte nur ganz wenige gibt. Und dann bekommt man dann Vorträge über die Schwester des berühmten Dichters X. Die halt selber nicht berühmt ist, weil sie nicht publizieren konnte. Von der die Vortragende aber annimmt, daß sie wegen ihrer Bildung und der kunstvollen Komposition ihrer erhaltenen drei Briefe ganz bestimmt hervorragende Romane hätte schreiben können.

      Eventuell werden eben auch einfach die falschen Frauen ausgewählt und eine zu hohe Erwartung daran gestellt, was die Frauen hätten leisten müssen, um als Groß und bedeutend zu gelten.

      Ich glaube es wichtig darzustellen, dass es trotz der Lebenswelten, in denen Frauen zur jeweiligen Zeit lebten, diese sich aufmachten die „Welt zu verändern“ – und diese Weltveränderung taugt vielleicht nicht immer als Headline für ein Geschichtsbuchkapitel.
      Mein Geschichtsunterricht ist leider schon fast 20 Jahre her, aber ich kann mich nicht erinnern dort etwas über Clara Zetkin (Ideengeberin des Weltfrauentags), Elisabeth Selbert (Mitwirkerin am Grundgesetz) oder Bärbel Bohley (widerstandskämperin in der DDR) gehört zu haben.

      In meinen Augen wird Geschichte, zu häufig an den sogenannten großen historischen Persönlichkeiten erklärt und verkommt dann (wie bei Churchill) ein Stück weit zur Verklärung und Überhöhung.

      • R.A. 19. Juni 2020, 11:37

        „Eventuell werden eben auch einfach die falschen Frauen ausgewählt“
        Korrekt.
        Es gibt ja durchaus genug „große“ Frauen um ausreichend Vorbilder zu finden. Mehr als eine Handvoll Persönlichkeiten merken sich Jugendliche doch ohnehin nicht.

        Und es ist auch wissenschaftlich nicht verkehrt mal nachzuforschen was es da noch an Frauen gibt, die bisher nicht beachtet wurden.

        Aber die sind dann halt nur bedingt geeignet um in den Medien präsentiert zu werden.

      • Stefan Sasse 19. Juni 2020, 13:17

        Genau das.

      • Ariane 20. Juni 2020, 23:31

        Eventuell werden eben auch einfach die falschen Frauen ausgewählt und eine zu hohe Erwartung daran gestellt, was die Frauen hätten leisten müssen, um als Groß und bedeutend zu gelten.

        Jep, das liegt auch daran, dass der Geschichtsunterricht so deutschlandzentriert ist und die bedeutenden Frauen einfach nicht vorkommen.

        Und bitte nichts gegen feministische Geschichtsschreibung. Es gibt einen Haufen bedeutender Frauen in der Geschichte, von Kassandra über Boudicca über Johanna von Orleans über Adelheid von Burgung über Hildegard von Bingen über Eleonore von Aquitannien über Elisabeth I über Katharina die Große über Maria Theresia über Louise von Preußen über Rosa Luxemburg über Clara Zetkin und so weiter und so fort.

        Und das war nur eine kleine Auswahl, während meiner Schulzeit wurde höchstens Rosa Luxemburg (im Zusammenhang mit Liebknecht) erwähnt.

        Und was meinste denn, wenn du Leute auf der Straße fagst, von welchen bedeutenden Frauen die schon mal gehört haben?
        Mir gehts noch nicht mal um den Schulunterricht zwingend, sondern worüber diskutiert wird in den Medien. Hitler, Bismarck, Hindenburg, Hitlers Helfer, Hitlers Frauen, Hitlers Pläne usw.

        Das ist vielleicht auch reichlich öde? Alle Frauen, die ich mal eben aufgetippselt hab, sind weiteraus faszinierender als die ganzen Typen, die wieder und wieder durchgekaut werden.

        • CitizenK 21. Juni 2020, 13:45

          Es gibt die TV-Reihe „Frauen, die Geschichte machten“ über die von Dir Genannten und z. B. über Marie Curie und Lise Meitner, die in der Liste fehlen. Immerhin ein Versuch, das aufzuarbeiten.

          • Ariane 22. Juni 2020, 02:07

            Stimmt, vom Stil war ich glaube ich nicht so begeistert, aber das war ein guter Anfang. Insgesamt wäre ein weiteres Geschichtsbild, das auch etwas gesamteuropäischer ist, da schon hilfreich.

            Glaub Stefan hatte das auch schon mal gesagt, es liegt auch ein bisschen an militärischer Verengung. Jede Schlacht wird zigtausendfach analysiert (siehe Dünkirchen und das war mehr ne Flucht) aber das drumrum, die Logistik, die Beratungen, die Feldlager, die Medizin wird ausgelassen. Florence Nightingale hatte einen totalen Einfluss auf die Medizingeschichte.

            Das ist heute schon besser, aber so die meisten haben da mehr die Eroberungen und Kriege im Kopf und das drumherum weniger. Und FeldFrauen sind eher selten. (Jeanne D’arc!)

            • CitizenK 22. Juni 2020, 08:33

              Es gibt noch mehr Beispiele: Das Dokudrama „Wettlauf zum Ruhm“ (leider kaum noch im TV, aber noch als DVD) zeigt die bedeutende Rolle von Rosalind Franklin bei der Entschlüsselung der DNA. Die späteren Stars Crick und Watson hatten ihre Ergebnisse buchstäblich geklaut und von ihr auch entscheidende Hinweise für ihr Modell erhalten, für das sie dann den Nobelpreis erhielten.

              Die „ZEIT“ hatte ein ausführliches Portrait der Wissenschaflterin (und Gefährtin von Voltaire) Émilie du Chatelet (https://de.wikipedia.org/wiki/Émilie_du_Châtelet).

              Auf die zahlreichen Dokus über die Frauen von Künstlern, denen von ihren Ehemännern die künstlerische Arbeit schwer gemacht oder ganz „verboten“ wurde, will ich noch hinweisen.

              • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 08:53

                Und umgekehrt wie viele männliche Künstler und Wissenschaftler nur wegen der fachlichen Unterstützung ihrer Frauen überhaupt berühmt wurden und das mit keiner Silbe je erwähnten.

                • Stefan Pietsch 22. Juni 2020, 11:17

                  … und wie viele Frauen allein wegen dem Können ihrer Männer zu Ruhm gekommen sind. Da sind wir bei der Debatte längst auf der Ebene von Küchenweisheiten wie „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“ angekommen.

                  • Ariane 22. Juni 2020, 14:26

                    Bitte sage nicht wir, wenn du deine persönliche sexististische Sichtweise meinst.

                    • Stefan Pietsch 22. Juni 2020, 14:50

                      Bitte sprich mich nicht an und verhalte Dich so, wie Du es Dir von mir gewünscht hast.

                  • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 18:33

                    Nein, das ist schlicht false equivalence.

                    • derwaechter 22. Juni 2020, 18:45

                      Warum? Gibt es so viel mehr bedeutende Männer, die von einer starken Partnerin im Hintergrund profitiert haben als umgekehrt?

                      Ist das überhaupt ein verbreitetes Phänomen (in beide Richtungen)?

                      Ernstgemeinte Frage. Ich kenne mich da bis auf ein paar Anekdoten nicht aus.

                    • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 19:36

                      Ja selbstverständlich.

                    • Ariane 23. Juni 2020, 03:21

                      @Wächter

                      Ist das überhaupt ein verbreitetes Phänomen (in beide Richtungen)?

                      Jein, ich denke es sind mehr als Einzelfälle, es kommt aber auch auf den Zeitraum an. Studieren, Wissenschaft, oder auch künstlerisch tätig sein ist gerade für Frauen aus eigener Kraft wahnsinnig neu. Und das konnten ja nicht alle geschlechtsunabhängig. Das war total elitär.

                      Frauen dürfen ja noch nciht solange studieren, die ersten „Studierten“ waren Ärztinnen und Lehrerinnen, weil Kinder und Krankenpflege Frauensache war. Künste war auch relativ früh ok.

                      Frauen konnten also weder veröffentlichen noch auf eigene Faust durch die Weltgeschichte reisen wie Humboldt zb. Da haben sich oft Partnerschaften gebildet, entweder Ehepaare oder kluge Frauen, die einen Mentor gefunden haben. Also es ist kein singuläres Phänomen, wurde oft gleichberechtigt geforscht und der Mann hatte dann die Möglichkeit, damit berühmt zu werden. War damals so und Reste von diesem Ungleichgewicht gibt es heute noch.

                    • derwaechter 23. Juni 2020, 12:25

                      „Ja selbstverständlich.“

                      Irgendwie fand ich Arianes Antwort erhellender.

              • Ariane 22. Juni 2020, 14:25

                Wettlauf zum Ruhm haben wir glaube ich im Chemieunterricht mal gesehen.

                Es gibt so eine Neuauflage von „Geheimnisse des Universums“ heißt das glaube ich.
                Das ist auch absolut genial und hochmodern, ging zb um den Wissenschaftler, der jahrelang gegen die Öl-Lobby gekämpft hat, weil er herausfand, dass bleihaltiges Benzin die Umwelt vergiftet.

                Und da wurde auch Wert auf Forscherinnen gelegt, gerade im Bereich Astronomie ist ja bekannt (siehe Hidden Figures), dass die Frauen oft im Hintergrund die kleinteilige Arbeit erledigt haben und eine Gruppe Forscherinnen hat das Spektrum der Sonne klassifiziert. Und was ich auch nicht wusste, es war vorrangig eine Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann herausfand, dass die Kontinente auf Platten liegen und früher zusammengehörten.

                Davon gibt es ja unzählige Beispiele. Besonders in der Naturwissenschaft, weil das klassisch männlich war. Da ist Marie Curie bis heute die, die jeder nennen kann und auch die einzige Wissenschaftlerin (inklusive der männlichen), die zwei Nobelpreise bekam. (während die meisten ihren Mann nicht kennen^^)

                Im künstlerischen Bereich, vor allem Literatur, war das gemischter. Und jetzt ratet mal, warum immer so abfällig über „Frauenliteratur“ gesprochen wird.

        • cimourdain 22. Juni 2020, 18:00

          Dieses Thema ist ein sehr interessanter Konversationsstarter in ‚geselliger Runde‘. Alle haben eine Favoritin, wie man auch hier sieht (Meine wäre Zheng I Sao) .
          Und für die, die noch keine haben oder nicht immer die gleichen Namen wollen, hat hier jemand einige interessante role-models gesammelt:

          https://www.rejectedprincesses.com/

          • Ariane 23. Juni 2020, 03:32

            Oh sowas darfst du mir nicht zeigen, eine chinesische Piratin? Wie cool ist das denn? 😀

            Auch sehr schöner Link, ich hatte vor kurzem eine Diskussion, weil es wohl in der „Comicszene“ oder was auch immer eine Bewegung dafür gibt einen Shera-Film zu drehen. (das weibliche Pendant zu He-Man) und sie reitet auf einem geflügelten Einhorn!
            https://de.wikipedia.org/wiki/She-Ra

            Ich glaube der Einfluss sowohl von Dissney als auch der japanischen Comic/Film-Szene ist nicht zu unterschätzen. Aber die haben sich ihre Ideen (auch für die Frauenfiguren) immer aus allen möglichen Sagen und Mythologien zusammengeklaubt und daraus was anderes gemacht.
            Siehe Arielle, Pocahontas, Mulan, auch die Eisprinzessinen usw sind ja durchaus „reale“ Figuren. Hab ich erst viel später erfahren und die Realität war ganz anders, aber es gab eine Pocahontas, die etwas mit einem englischen Eroberer „hatte“.

            Und das erreicht übrigens viel mehr Leute (Kinder und Jugendliche zumal) als feministische Geschichtsschreibung. Ich beantrage auch sofort eine Verfilmung dieser chinesischen Piratin!

            • cimourdain 25. Juni 2020, 00:17

              Pocahontas ? Wo Disney uns die unangenehmen Details verschwiegen hat: Dass sie bei der John Smith Romanze 10 Jahre alt war, ihre spätere Geiselnahme, Zwangstaufe und -heirat, ihre Rolle als Postergirl für ‚zivilisierbare Wilde‘ sowie den Tod im Alter vom 22. Immerhin hat sie noch einem englischen Tabakpflanzer einen männlichen Nachkommen produziert.

              • Stefan Sasse 25. Juni 2020, 10:30

                Ich glaube Pocahontas gehört nicht zu Disneys Sternstunden^^

                • Ariane 25. Juni 2020, 11:41

                  Als Kind fand ich den Pocahontas-Film toll, aber in den 80ern war da überhaupt kein Bewusstsein für sowas, das war gerade eher die Zeit, wo festgestellt wurde, dass Negerkuss nicht so das beste Wort ist. Da sagte man für die PoC dann „Dunkelhäutige“

                  Disney hat da mittlerweile ja doch dazugelernt, insofern sind die Neu-Verfilmungen sicherlich auch keine schlechte Idee (und natürlich bringts Kohle)

                  • Stefan Sasse 25. Juni 2020, 13:12

                    Pocahontas war 1995, aber sonst… ja 🙂

                  • CitizenK 25. Juni 2020, 17:55

                    “Don’t part with your illusions. When they are gone you may still exist, but you have ceased to live.”
                    ― Mark Twain

                • Glaukon 25. Juni 2020, 14:54

                  Etwas Off-Topic: Beim Film würde ich dir zustimmen, aber das dazugehörige Videospiel hatte in der Version fürs Sega Mega Drive geradezu unfassbar gute Animation zu bieten.

                  Hat nur kaum jemand mitgekriegt, weil die Platform zu dem Zeitpunkt bereits so gut wie tot (die Nachfolgegeneration mit Saturn/PS1 war schon über ein Jahr auf dem Markt) und das Spiel selbst auch eher so mittel war.

                  Trotzdem: Als jemand, der auch mal mit Pixeln seinen Lebensunterhalt bestritten hat, ziehe ich meinen Hut.

    • Stefan Sasse 19. Juni 2020, 13:16

      1) Danke euch, ohne euch wäre das hier ein digitales Tagebuch ^^

      2) Deckt sich nicht mit meiner Betriebsraterfahrung.

      3) Es ist eben keine Ausnahme! Das ist genau der Punkt. Die Rechten machen das permanent! Denk mal an die Kampagne gegen Nike wegen Kaepernick oder Pepsi! Das ist kein ideologisch festgelegtes Phänomen!

      4) Du sprichst da einen sehr wichtigen Punkt an: Der Bezugsrahmen ist natürlich wichtig. Seit 1993 definitiv. Aber wenn ich die Debatte mit den frühen 2000ern vergleiche…

      5) Ich halte den Euro generell für etwas, das manchen nützt, manchen schadet, sich aber sicher nicht so vereinfachend zusammentragen lässt.

      6) Ist sicher ein reales Problem, aber ich denke du überziehst etwas.

      • R.A. 19. Juni 2020, 19:27

        „2) Deckt sich nicht mit meiner Betriebsraterfahrung.“
        Das wundert mich. Liegt aber vielleicht an der Branche.
        Wir haben regelmäßig Fälle, wo jemand meint mit seinen Qualitäten (meist oft nur formalen Qualifikationen) müsse er bei einer Besetzung zum Zuge kommen – aber die Vorgesetzten hätten Vorurteile, würden ihn/sie mobben etc.
        Und bei genauem Nachfragen (insbesondere bei seinen Kollegen) kommt schnell raus, daß halt alle möglichen anderen Aspekte fehlen und er zu Recht nicht in Frage kommt.
        Will sagen: Bei vielen Leuten ist die Selbsteinschätzung nur begrenzt zuverlässig, man braucht also zusätzliche Nachweise.

        3) „Die Rechten machen das permanent!“
        Vielleicht in den USA, da kenne ich mich zu wenig aus. Aber nicht in Deutschland.

        4) „Seit 1993 definitiv. Aber wenn ich die Debatte mit den frühen 2000ern vergleiche…“
        Ich habe kaum Veränderung zwischen 1993 und 2003 mitbekommen. Die einzige Veränderung zwischen 1990 und 2015 war eigentlich, daß die legale und regulierte Einwanderung mehr Zuspruch bekam. Beim Asyl dagegen blieb der Konsens doch unverändert.

        6) „ich denke du überziehst etwas.“
        Ja, das war aber auch etwas satirisch gemeint.

        • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 10:29

          2) Wir haben das gegenteilige Problem. Man muss die Leute zum Jagen tragen.

          3) Ja, davon red ich. Sorry, das war nicht klar.

          • Erwin Gabriel 20. Juni 2020, 13:13

            @ Stefan Sasse 20. Juni 2020, 10:29

            2) Wir haben das gegenteilige Problem. Man muss die Leute zum Jagen tragen.

            🙂

            Ist häufig so: Die, die wollen, können oft nicht. Und die, die könnten, wissen oft genug, um nicht zu wollen.

    • CitizenK 22. Juni 2020, 14:53

      „…ist „standard of living“ etwas deutlich anderes als BSP pro Kopf“

      Allerdings. Und es kommt in der Tat darauf an, „was beim Einzelnen ankommt“ -ob beim Großaktionär oder beim Normalo.

      Dass das auch mit „Lebensstandard“ zu tun hat – Bildung, Gesundheitswesen, Umwelt – kommt euch nicht in den Sinn.

  • Marc 19. Juni 2020, 11:16

    5) Das BIP pro Kopf ist ein valides Maß, es müsste nur um innere Auf- und Abwertungen im Euro korrigiert werden. Aber ansonsten lässt sich die Moraländerungen vortrefflich ablesen. Die Moral schwankt und gerade Italiener sind da gerne auf Abwärtsbewegungen.

    • R.A. 19. Juni 2020, 11:34

      „Das BIP pro Kopf ist ein valides Maß“
      Ja – aber die Frage ist wofür?
      Für die wirtschaftliche Entwicklung ist es wohl eins.
      Aber behauptet wird hier daß es ein Maß für den Lebensstandard wäre. Und das ist m. E. falsch.

      • Marc 19. Juni 2020, 13:01

        Für die wirtschaftliche Entwicklung ist es wohl eins.
        Aber behauptet wird hier daß es ein Maß für den Lebensstandard wäre. Und das ist m. E. falsch.

        Das ist richtig. Es wäre besser gewesen, von einer relativen Änderung des Lebensstandards zu sprechen. Denn wir hatten immer mehr Kuchen zum Verteilen, während die Italiener nur Wachstumskrümel hatten. Aber ich bleibe lieber bei der Moral, das lässt sich leichter backen.

        • Ariane 21. Juni 2020, 02:15

          Ich hatte auch mal die Wirtschaftsbubble angefragt dazu. Es hat schon mit den Änderungen Im-/Export zu tun und natürlich mit den Sparkursen während der Eurokrise.

          Aber Italien ist auch einfach ein schlechtes Beispiel, weil die so ein Gefälle zwischen Nord und Süd haben, als gesamtes Land zum Vergleich taugen die nur bedingt.

  • Stefan Pietsch 19. Juni 2020, 11:18

    11) Wenn Männer über Männer reden, reden Männer Männern nach

    Warum redet noch jeder auf einer Krankenstation von der Krankenschwester? Weil der Beruf wie der der Erzieher maßgeblich von Frauen ausgeübt wird. Andererseits nennen wir punktgenau Vorstandsassistenten und Vorstandsassistentinnen nach ihrem Geschlecht. Die nicht regulierte Sprache folgt der Realität, nicht umgekehrt.

    Dieses Gendern von Sprache würde erst dann überzeugend wirken, wenn es auch im Negativen gälte. Tatsächlich geht es jedoch nur um Lobbyismus. Männer sterben weit häufiger am Coronavirus, weil sie vom Organismus schlechter auf die Infektion vorbereitet sind. Aber dem Autor geht es darum, dass Frauen weniger geschützt seien. Männer werden weit häufiger Opfer von Verkehrsunfällen, da sie zum einen sich risikoorientierter verhalten, andererseits mobiler sind. Aber es geht darum, dass Frauen im Falle des Falles weniger geschützt seien. Ich kenne allerdings Frauen, die sich nicht anschnallen oder als Beifahrerinnen den Gurt vom Körper weghalten, damit ihre Kleidung nicht zerknittert. Ob das ein Mann in der selben Form tun würde?

    Warum reden wir nicht allgemein von Verbrecherinnen, Steuerhinterzieherinnen, Vergewaltigerinnen, Ausbeuterinnen, Betrügerinnen? Weil der weit überwiegende Teil der Personen männlich ist. Und wer will schon mit Negativem assoziiert werden? Aber genauso sprechen wir von Unternehmern, Unternehmensgründern, Forschern. Der weit überwiegende Teil der Personen ist hier nämlich ebenfalls männlich, Frauen kommen dagegen oft nur in Spurenelementen vor. Hier allerdings bestehen die Gender-Befürworter darauf, dass Frauen unbedingt mitgenannt werden müssen. Klar.

    Überall, wo überragende Leistungen erforderlich sind, dominieren Männer die Szene. Das gilt selbst bei einem typischen Frauenthema wie der Mode oder Kultur. Frauen beherrschen die Masse, Männer die Spitze, so ließe sich das zusammenfassen. Selbst jetzt, wo eine Pandemie die Welt gefangen hält, starrt man auf Männer. Drosten, Streeck, selbst der Entdecker des Virus lässt sich nicht mit der Ergänzung -in umschreiben. Die Start-ups, die nun genannt werden, einen Impfstoff zu finden – alle von Männern gegründet und finanziert.

    Es ist im Grunde ein Desaster für die Gleichstellung der Frau im öffentlichen Raum. Frauen erledigen als Krankenschwestern, Pflegerinnen, Supermarktverkäuferinnen den Job der breiten Versorgung, Männer retten die Welt.

    Wo wir dabei sind: Der Angriff der Genderbewegten auf den Prototyp des Weltenretters, den britischen Agenten James Bond, ist abgeblasen. Von einer Frau, der Produzentin Barbara Broccoli, die ihren Geschlechtsgenossinnen Bemerkenswertes ins Stammbuch schrieb. Bond ist männlich. Frau sollten sich doch bitte eigene Heldinnen suchen statt die von Männern kopieren zu wollen.

    Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

    • derwaechter 19. Juni 2020, 12:15

      „Männer retten die Welt.“, vor den (anderen) Männer, die sie zerstören .

      Wenn schon, denn schon.

      • Stefan Pietsch 19. Juni 2020, 12:24

        Ist jetzt schon der Coronavirus männlich?!

        Ups, ja…. 😉

      • Erwin Gabriel 20. Juni 2020, 13:15

        @ derwaechter 19. Juni 2020, 12:15

        „Männer retten die Welt.“, vor den (anderen) Männer, die sie zerstören .

        Wenn schon, denn schon.

        Autsch. Guter Punkt 🙂

    • Stefan Sasse 19. Juni 2020, 13:17

      Von Krankenschwestern reden eigentlich echt nur noch Leute, die völlig unverbesserlich sind. Die sagen wahrscheinlich auch noch Politesse.

      • derwaechter 19. Juni 2020, 15:04

        Meine Erfahrung mit deutschen Krankenhäusern in letzter Zeit ist das nicht. Schwester scheint noch sehr üblich. Sogar als Eigenbezeichnung.
        Solche Änderungen dauern enorm lang.

        • Stefan Sasse 19. Juni 2020, 17:55

          Ich hab das schon ewig nicht mehr gehört. Immer KrankenpflegerIn.

          • Stefan Pietsch 19. Juni 2020, 17:59

            Dir fehlen einfach praktische Erfahrungen. Stell‘ Dich einfach auf den Flur des nächstgelegenen Krankenhauses und lausche den Worten. Vom Schreibtisch wirst Du das nicht erfassen.

            • Stefan Sasse 19. Juni 2020, 18:59

              lol

            • Dennis 19. Juni 2020, 21:27

              @ Stefan Pietsch

              Die Frage ist allerdings, ob man als Liberaler anstrebt, dass sich veraltete Gewohnheiten allmählich ändern oder ob man das als Konservativer nicht wünscht.

              • Stefan Pietsch 19. Juni 2020, 21:39

                Ein Liberaler will nicht die Menschen ändern. Das wollen links denkende Menschen. Liberale akzeptieren Menschen wie sie sind.

                • TBeermann 19. Juni 2020, 22:23

                  Also Akzeptanz für andere Menschen lese ich aus so gut wie keinem deiner Texte heraus.

                  • Stefan Pietsch 19. Juni 2020, 22:32

                    Akzeptanz beginnt damit, dass ich Sie gebeten habe, mich zu siezen.

                    • TBeermann 20. Juni 2020, 09:33

                      Und jetzt darfst du drei Mal raten, warum ich das nicht mache.

                    • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 10:06

                      Okay, dann lassen wir das. Bitte schreiben Sie erst wieder, wenn sich das geändert hat. Mit solchen Typen diskutiere ich nämlich nicht.

                  • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 10:31

                    Ja, das kann man wohl unterschreiben. Kehrseite des Stils, nehme ich an.

                • Dennis 20. Juni 2020, 00:04

                  @ Stefan Pietsch

                  Sie meinen also, die liberalen Philosophien des 18. und 19. Jahrhunderts bestanden darin, die Aristokraten, Könige und Fürsten und überhaupt die feudale Ordnung hinzunehmen, weil man Menschen halt so akzeptiert, wie sie sind.

                  Ferner entsteht u.a. die Frage, warum die 7 % FDPler nicht endlich von der politischen Bühne verschwinden, obwohl doch klar ist, daß über 90 % der Menschen, so wie sie nun mal sind, von denen nichts halten.

                  • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 10:04

                    Zur Erinnerung:

                    Ein Liberaler will nicht die Menschen ändern.

                    Liberale streben eine Ordnung an, wo jeder sich nach seinen Fähigkeiten bewegen kann. Das sind typischerweise keine Diktaturen, keine Autokratien und keine Monarchie. Oberflächlich, ich weiß, würden Sozialisten das auch behaupten. Liberale denken dabei jedoch nicht an den Staat, der als guter Hegemon die Dinge ordnet. Ihr Ideal sind selbstregulierende Mechanismen.

                    Im Gegensatz zu Sozialisten und ihrem Pedant den Nationalsozialisten bekämpfen Liberale deswegen Machtballungen und Monopolbildungen.

                    Andererseits akzeptieren Liberale die Unterschiedlichkeit der Menschen, mehr noch, sie ist das Elixier. Erst aus der Individualität entsteht Fortschritt. Sozialisten und ihrem Pedant den Nationalsozialisten haben Individualität immer bekämpft. Deswegen akzeptieren Liberale prinzipiell große Einkommensunterschiede entstanden aus unterschiedlichem Können, Fleiß, Begabung und Sozialisten wollen sie weitgehend einebnen.

                    Wer den Unterschied zwischen Sozialisten und Liberalen erfahren will, hatte dazu diese Woche im Bundestag Gelegenheit. Während die FDP problemorientiert und zielgerichtet forderte, Unternehmen auf der Ertragsteuerseite zu entlasten, da die in Folge der Pandemie gesunkenen Erträge das Eigenkapital aufzehren, verlangten Linkspartei und Grüne auch Hartz-IV-Empfängern einen Pauschalbetrag zukommen zu lassen. Diese Gruppe hat zwar unter den Folgen der Coronakrise zumindest nicht beim Einkommen zu leiden, aber es sollten alle bedacht werden. Zudem sollten die Vermögenden den unteren durch eine Vermögensabgabe angeglichen werden.

                    Das eine ist eine Politik, die die Unterschiedlichkeit bewahrt und die Regulierung den Bürgern überlässt, das andere ist die Gleichsetzung aller unabhängig vom Problem und einkommens- und vermögenstechnische Gleichsetzung.

                    Der Liberalismus hatte es in Kontinentaleuropa nie leicht. Viele freiheitlich denkende Menschen sind im 18. und 19. Jahrhundert nach Nordamerika ausgewandert und tun es bis heute. Zurück bleiben die Etatisten. Das hat in Westeuropa in den letzten 30 Jahren nicht mehr, sondern weniger Wohlstand geschaffen. Bei einer aktuellen Civey-Umfrage kommt die FDP auf knapp 7%. Dabei bekennen sich in der gleichen Umfrage 9% dazu, dass die Liberalen ihre erste Wahl seien. Ganz offensichtlich werden von der Seite gerade ein paar Bonuspunkte an die Union vergeben.

                    Wenn es also sinnvoll sein soll, dass eine Partei, die immerhin knapp jeden Zehnten Bürger mit ihrem ideologischen Gedankengut vertritt, verschwinden soll, wird es sehr einsam auf der politischen Bühne. Es zeigt damit auch, welch Geistes Kind Sie sind: Ein Sozialist, dem Individualität suspekt ist.

                    • Marc 20. Juni 2020, 13:32

                      Liberale streben eine Ordnung an, wo jeder sich nach seinen Fähigkeiten bewegen kann.

                      Das ist der Grund, weshalb eine kapitalistische Wirtschaft nicht im engeren Sinne liberal ist, denn das gilt nicht für alle, sondern nur für diejenigen, die über entsprechende ökonomische Potenz verfügen. Wer das nicht hat, unterliegt drastischen Zwängen bis hin zur Exklusion. Einen liberalen Kapitalismus für alle gibt es nicht.

                    • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 15:52

                      Jeder hat die Chance dazu nach seinen Möglichkeiten. Wo es Monopolunternehmen gibt wie im Sozialismus hat man keine Wahl und ist den Entscheidern wie ein Knecht ausgeliefert. War bisher in jeder sozialistischen Ordnung so.

                    • Marc 20. Juni 2020, 17:01

                      Wenn die Chancen nach der Geburt zementiert sind, har das nichts mehr mit liberaler Gesellschaft zu tun.

                      Chancengerechtigkeit über Umverteilung kommt dem liberalen Ideal deutlich näher.

                    • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 17:52

                      Sind sie ja nicht. Die deutsche Gesellschaft war nie in den Schichten so durchlässig, als sie besonders ordnungspolitisch liberal war und die Selbständigenquote hoch. Mit der Umwandlung des Sozialstaates in einen Wohlfahrtsstaat zementierten sich die Schichten.

                      Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie sein wollen: sozialistisch oder liberal. Es hat nichts von Gerechtigkeit, wenn 2 Teenager mit gleichem Intellekt und Begabung der eine fleißiger ist und mit mehr Selbstbewusstsein und Ehrgeiz an die Sache rangeht und später ein doppelt so hohes Gehalt wie sein Altersgenosse bezieht, aber in Einkommen und Vermögen nahe an den Lebensversager herunternivelliert wird.

                      Das Leben belohnt und bestraft und das ist gerecht.

                    • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 18:34

                      Als ob dieses Zerrbild auch nur ansatzweise so passieren würde. Die Ungleichheit hat sich in den letzten 20 Jahren so drastisch entwickelt, dass das wie blanker Hohn klingt.

                    • Ralf 20. Juni 2020, 18:36

                      Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie sein wollen: sozialistisch oder liberal. Es hat nichts von Gerechtigkeit, wenn 2 Teenager mit gleichem Intellekt und Begabung der eine fleißiger ist und mit mehr Selbstbewusstsein und Ehrgeiz an die Sache rangeht und später ein doppelt so hohes Gehalt wie sein Altersgenosse bezieht, aber in Einkommen und Vermögen nahe an den Lebensversager herunternivelliert wird.

                      Ich glaube, da liegt Ihr Fehler. Es gibt im realen Leben nicht nur “sozialistisch” und “liberal”, jeweils in den extremen Ausprägungen, die Sie unter diesen Begriffen verstehen. Stattdessen gibt es hunderte moderate Zwischenstufen, die einen Kompromiss zwischen den beiden Ansätzen suchen.

                      Und ich denke auch nicht, dass Ihnen jemand widersprechen würde, dass ein fleißigerer Arbeiter wirtschaftlich besser dastehen sollte als ein fauler. Kein Mensch hat etwas dagegen, wenn jemand, der früh angefangen hat hart zu arbeiten und sich einen Aufstieg erkämpft hat am Ende doppelt so viel verdient, wie jemand, der lediglich den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist. Ihre Probleme mit den anderen Kommentatoren hier fangen meist da an, wo der Fleißige nicht mehr das Doppelte sondern das Fünfzigfache, das Zweihundertfache oder das Fünfhundertfache dessen verdienen will, was der Durchschnittsarbeiter bekommt.

                    • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 19:33

                      Exakt.

                    • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 20:32

                      @Ralf

                      Es gibt im realen Leben nicht nur “sozialistisch” und “liberal”, jeweils in den extremen Ausprägungen, die Sie unter diesen Begriffen verstehen.

                      Meine Rede. Es wird mir ja immer mal wieder in gesellschaftspolitischen Themen der Vorwurf gemacht, nicht liberal zu argumentieren. Genau, weil ich dann konservativ (oder manchmal sozialistisch) argumentiere. Nur, man kann nicht liberal und gleichzeitig sozialistisch argumentieren, weil das Gegensätze sind.

                      Was in diesen Fragen so oft gezeichnet wird, ist ein absolutes Zerrbild. Das Einkommen eines Menschen ist von sehr vielen Faktoren und Entscheidungen abhängig. Branche, Region, Karriereweg, Herangehensweise, Performance im Vorstellungsgespräch, zeitlicher Einstieg ins Berufsleben und vieles mehr sorgen bei einer Position bereits für dafür, dass die Entlohnung um mehr als den Faktor vier variieren kann.

                      Im Jahr 2015 gehörte jemand mit einem Nettoeinkommen von 3.450 Euro als Single bereits zu den oberen 10%. Das entspricht umgerechnet einem Bruttoentgelt von rund 5.000 Euro, ein gutes Facharbeiterentgelt in der Chemie oder Metall und Elektroindustrie. Nach einer Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln waren darunter 13% Rentner, 11% Vorarbeiter und Meister, 10% Beamte. Mit einem Drittel bilden Führungskräfte die größte Gruppe, 20% sind Selbständige mit und ohne Mitarbeiter. Also bunt gemischt. Wird der Fokus auf die obersten 1% verengt, sind es vor allem unternehmerisch tätige Menschen, die hier noch vertreten sind. Ihre Spitzenposition ist also vor allem durch eine direkte Marktentlohnung geprägt, anders als bei abhängig Beschäftigten.

                      Ich habe in einer Reihe von Branchen für Unternehmen der Größe rund 100 bis 4.000 Mitarbeiter gearbeitet. Also ein breites Bild außerhalb des Prime-Marktes. Geschäftsführer und Vorstände erhalten in diesem Bereich typischerweise Vergütungen zwischen 150.000 und 500.000 Euro. Die besten Mitarbeiter auf Vice- und Director-Positionen sowie Spezialisten (Programmierer, Vertriebsleiter) liegen bei der Hälfte bis so 75% des Spitzenentgelts. Das Durchschnittsentgelt (was meist gleichlautend mit dem Median ist) beläuft sich zwischen 2.200 und 4.200 Euro. Wie schon die Metazahlen Gini und Einkommensverteilung nach Dezilen nahelegen, differieren die Einkommen nicht so gravierend wie mancher das annimmt. Die größeren Unterschiede finden sich eben nach Regionen und Branchen, aber dafür kann ein Unternehmen nichts.

                      Kann ich also ernsthaft einen politischen Skandal formulieren, wenn zwei Einser-Abiturienten danach ihre Karriere unterschiedlich angelegt haben? Der Eine studiert Wirtschaftsingenieur und endet mit einem Vorstandsentgelt von 250.000 Euro, der andere orientiert sich geisteswissenschaftlich und landet bei 60.000 Euro. Gleiche Voraussetzungen, völlig unterschiedliche freie Entscheidungen wie Begabungen. Dies zu akzeptieren ist liberal. Gravierend in die Einkommensverteilung an dieser Stelle eingreifen zu wollen, ist sozialistisch (gleichmacherisch).

                      Das ist kein moralischer Vorwurf, wenn man zu dem einen oder anderen tendiert. Aber es folgen halt, je nachdem, welche Politik man deswegen präferiert, zu höchst unterschiedlichen Konsequenzen. Wir sind nicht nur ein freies Land, wir leben in offenen Gesellschafts- und Wirtschaftsräumen. Wer hohen Wert auf ein hohes persönliches Einkommen legt, wird deswegen in anderen Ländern zufriedener sein. Mehr noch: bei entsprechendem Talent wird er andernorts mit Handkuss genommen. Und so brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn High Potentials auf dem Weltmarkt weniger Deutschland als Ziel wählen als die USA, Großbritannien oder die Schweiz. Auf die Dauer hat eine solche gleichmacherische Politik dann auch Auswirkungen auf Einkommen der Gesellschaft und Beschäftigungschancen für alle.

                  • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 20:38

                    @Stefan

                    Dass Du in solchen Fragen nicht besonders faktenorientiert bist, weiß ich ja inzwischen. Der Gini in Deutschland lag zuletzt bei 0,289. Im Jahr 2011 betrug er 0,291, wie gehabt deutlich unter dem OECD-Mittel.
                    https://data.oecd.org/inequality/income-inequality.htm

                • Erwin Gabriel 20. Juni 2020, 13:16

                  @ Stefan Pietsch 19. Juni 2020, 21:39

                  Ein Liberaler will nicht die Menschen ändern.

                  Ausnahme: Linke 🙂

                  • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 15:12

                    Selbstverständlich wollen Liberale Menschen ändern. Stefan hat hier schon ausdrücklich in zahlreichen Artikel seinen tiefen Wunsch geäußert, die Menschen mögen anders sein und Bildungspolitik und Wertschätzung durch die Gesellschaft mögen darauf hinwirken, dass sie sich ändern (Stichworte mehr Mut zum Unternehmertum, Selbstverantwortung, etc). Deswegen kann ich das auch überhaupt nicht als Debattenbeitrag ernst nehmen. Es ist einfach nur Moralisieren: Ihr macht X, ich mache X nicht, deswegen bin ich besser als ihr, case closed.

                    • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 15:57

                      Du hast da Dinge grundsätzlich missverstanden. Doch wenn die Neigung zum Unternehmertum sinkt und niedrig ist, stimmen offensichtlich die Bedingungen nicht. Dann ändere ich nicht die Menschen, sondern die Ordnung. Mehr Freiheit und die Möglichkeit Zu mehr Rendite. Selbstverantwortung ist die Natur des Menschen. Jeder ist als erstes für sich verantwortlich, für persönlichen Erfolg wie Misserfolg- das ist eine Selbstverständlichkeit und keine Erziehung.

                    • Erwin Gabriel 21. Juni 2020, 15:40

                      @ Stefan Sasse 20. Juni 2020, 15:12

                      Selbstverständlich wollen Liberale Menschen ändern.

                      Jein. Da geht es mehr um die Umstände.

                      Stefan hat hier schon ausdrücklich in zahlreichen Artikel seinen tiefen Wunsch geäußert, die Menschen mögen anders sein und Bildungspolitik und Wertschätzung durch die Gesellschaft mögen darauf hinwirken, dass sie sich ändern (Stichworte mehr Mut zum Unternehmertum, Selbstverantwortung, etc).

                      Ja. Andere träumen vom Weltfrieden. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt.
                      Sowohl Linke wie Liberale (sorry für die folgenden Unschärfen und Verallgemeinerung; treffender bekomme ich das nicht hin) verfolgen das gleiche Ziel: dass es den Menschen bessergehen soll. Dazu wollen beide die Gesellschaft umgestalten.

                      Der liberale Ansatz ist, die Gesellschaft so zu gestalten, dass sich ein jeder möglichst frei und selbstständig entfalten kann. Dazu soll jeder die gleichen Ausgangsmöglichkeiten bekommen; wie er die nutzt, ist seine individuelle Entscheidung, seine individuelle Verantwortung.

                      Nachteilig an diesem Ansatz ist, dass sich stärkere oder auch egoistische Persönlichkeiten besser behaupten und durchsetzen können, so dass das Risiko besteht, dass Schwache, Unselbstständige unter die Räder kommen (mit Einschränkungen: Das Recht der Stärkeren).

                      Der linke Ansatz ist, die Gesellschaft so zu gestalten, dass alle auf ähnlichem Niveau leben können – ähnlicher Lebensstandard, nicht zu große Gehaltsunterschiede (= z.B. keine Milliardäre), gleiche Bildung etc. Schwächere schützt und trägt die Gemeinschaft, es greift auch bei individuellen Schwächen die Gruppenverantwortung. Nachteilig an diesem Ansatz ist, dass das dafür erforderliche Regelwerk sich eher am kleinsten gemeinsamen Nenner orientiert, so dass die Starken sich nicht entfalten und ihre Begabungen und Leistungen nicht zum Tragen bringen können (mit Einschränkungen: Das Recht der Schwächeren).

                      In diesem Sinne hat Stefan P. recht: Liberale wollen nicht direkt die Menschen (besser: Individuen) verändern, sondern die Umstände, in denen sie leben; gleiche Chancen für jeden, und anschließend muss ein jeder mit den Folgen seiner Entscheidungen im Guten wie im Schlechten leben.

                      Dahingehend wollen Linke die Menschen durchaus verändern (bzw. über Regeln in deren Leben eingreifen); dahingehend, dass Individuen ihre Egoismen und ihr eigenes Vorankommen freiwillig einschränken, um auch die Schwachen mitzunehmen.

                      Es ist einfach nur Moralisieren: Ihr macht X, ich mache X nicht, deswegen bin ich besser als ihr, case closed.

                      Jetzt moraliserst Du 🙂

                      Ansonsten ist es keine Frage von richtig oder falsch, sondern eine Frage des Standpunktes.

                    • Stefan Sasse 21. Juni 2020, 17:52

                      Klar.

                    • Ralf 21. Juni 2020, 15:46

                      Der liberale Ansatz ist, die Gesellschaft so zu gestalten, dass sich ein jeder möglichst frei und selbstständig entfalten kann. Dazu soll jeder die gleichen Ausgangsmöglichkeiten bekommen; wie er die nutzt, ist seine individuelle Entscheidung, seine individuelle Verantwortung.

                      Nachteilig an diesem Ansatz ist, dass sich stärkere oder auch egoistische Persönlichkeiten besser behaupten und durchsetzen können,

                      Gleiche Ausgangsmöglichkeiten für alle? Da bin ich an Bord. Damit sind wir dann beide gegen Erbschaften und für einen Hochsteuerstaat, der die hervorragenden Kindergärten, fantastisch ausgestatteten Schulen, brillanten Universitäten und all die Infrastruktur finanzieren kann, damit es wirklich gleichgültig ist, aus welchem Haus ein Kind kommt und was der Bildungs- und wirtschaftliche Hintergrund der Familie ist.

                    • Stefan Sasse 21. Juni 2020, 17:53

                      Und da sind wir beim Problem, wie Erwin ja schon richtig sagt: das ist reine Utopie. Daher muss man sich immer die Frage stellen, was überhaupt umsetzbar ist. Und da landet man dann bei Kompromissen. Und Abwägungen.

                    • Stefan Pietsch 21. Juni 2020, 17:49

                      Die schlechteste Lösung ist immer die Kombination der Nachteile aller.

                      Eine Gesellschaft wird nicht dadurch freier und liberaler, in dem möglichst viel beim Staat abgegeben wird. Sie müssen sich schon entscheiden: entweder Sie besteuern das Vererbte / Geschenkte hoch oder Sie besteuern das, aus dem Menschen überhaupt die Möglichkeit erhalten Wohlstand zu bilden hoch. Beides zusammen ist die schlechteste Kombination aller. Liberal ist jedenfalls nicht, den Menschen möglichst viel von dem zu nehmen, was sie sich selbst erarbeitet haben. Das ist sozialistisch. Und da Sie der Sozialist sind und ich der Liberale, kommen wir an der Stelle nicht zusammen.

                    • Erwin Gabriel 22. Juni 2020, 21:46

                      @ Ralf 21. Juni 2020, 15:46

                      Gleiche Ausgangsmöglichkeiten für alle? Da bin ich an Bord.

                      Wie schön …

                      Damit sind wir dann beide gegen Erbschaften und für einen Hochsteuerstaat …

                      Abgesehen davon, dass es absolut sinnfrei und öde ist, wenn Du mir mal wieder erklärst, wofür ich dann auch sein müsste – ich kann diesen neidigen Scheiß, bei jedem Problem erst mal zu überlegen, wem man was wegnimmt, bevor man über eine Lösung nachdenkt, echt nicht mehr hören.

                      Das zeigt mir immer aufs neue, dass Dich das Wegnehmen deutlich mehr interessiert als die eigentliche Problemlösung.

                      …der die hervorragenden Kindergärten, fantastisch ausgestatteten Schulen, brillanten Universitäten und all die Infrastruktur finanzieren kann, damit es wirklich gleichgültig ist, aus welchem Haus ein Kind kommt und was der Bildungs- und wirtschaftliche Hintergrund der Familie ist.

                      Gut gemacht! Toller Nachweis, dass Du den Unterschied zwischen „gleiche Voraussetzungen für alle“ und „optimale Voraussetzungen für alle“ nicht verstanden hast.

                      Über die Probleme im Bildungsbereich haben wir hier schon oft diskutiert; hat nichts mit Erbschaft oder Steuern zu tun.

                      Wenn man Dinge falsch angeht, ist das Scheiße. Wenn man Dinge im großen Stil, mit großem Geld falsch angeht, ist das große Scheiße.

                      Wenn Du schon wieder alles besser weißt, mach‘ Dir lieber mal einen Kopf zum Thema „wie“. Hast Du ein gutes Konzept, schreib dazu einen Artikel. Ohne ein funktionierendes Konzept über die Finanzierung reden, ist sinnlos.

                    • Ralf 22. Juni 2020, 22:09

                      Also zusammengefasst, die gleichen Ausgangschancen sind Dir dann doch gleichgültig, jetzt wo Dir aufgefallen ist, dass Dich das ja was kosten würde … 😉

                    • Erwin Gabriel 22. Juni 2020, 23:00

                      @ Ralf 22. Juni 2020, 22:09

                      Also zusammengefasst, die gleichen Ausgangschancen sind Dir dann doch gleichgültig, jetzt wo Dir aufgefallen ist, dass Dich das ja was kosten würde …

                      Und Du erzählst mir ja schon wieder, was ich denken soll …

                      Ansonsten ist Deine Aussage falsch. Wenn Du so ein Zeug schreibst, zeigt mir das nur, dass Du meine Sachen nur liest, um widersprechen zu können. Eine Auseinandersetzung mit meinen Standpunkten sehe ich nicht.

                      Ich habe beispielsweise meine pauschal ablehnende Haltung gegenüber der Erbschaftsteuer nach einer Diskussion mit Stefan Sasse revidieren müssen; seine Argumente waren besser als meine. Ich habe hier auch schön öfter erklärt, dass ich grundsätzlich gegen eine höhere Besteuerung von Besserverdienern nichts einzuwenden hätte, wenn man sich an die wirklichn Besserverdiener halten würde, und nicht an „normale“ Ingenieure, Meister, Vorabeiter, Abteilungsleiter etc. Offenbar ist mir also klar, dass mich meine Vorstellungen etwas kosten werden.

                      Nun schau auf Dich: Wie auf Knopfdruck spulst Du bei bestimmten Stichwörtern Deine phantasielosen Steuererhöhungsphantasien ab, ohne je konkret zu werden, ohne sinnvolle Bedingungen zu entwickeln – Hauptsache besteuern, Hauptsache wegnehmen, dann wird alles gut. Au weia…

                      Flexibilität, Meinungsänderungen, Entwicklungen von Standpunkten konnte ich bei Dir auch noch nicht sehen. Aber wenn ich an einer Stelle „A“ sage, erklärst Du mir, dass ich „B“ sagen muss, und was „B“ bedeutet?

                      Und ist Dir klar, was „Dein“ Preis für die erfolgte Zustimmung zur Chancengleichheit wäre? Wenn sich einer durchbeißt, sich hocharbeitet, was leistet, darf er gutes Geld verdienen, ohne dass der Staat ihm den größten Teil abnimmt. Wenn einer sein Leben trotz aller guten Voraussetzungen nicht in den Griff kriegt, trägt er selbst die Verantwortung und die (auch kaufmännischen) Konsequenzen. Bist Du dazu bereit?

                      Ich will weder einen Raubtier-Kapitalismus, bei dem sich jeder raffen kann, was er in die Finger kriegt, noch eine Versorgungsgesellschaft, die Menschen mit geschenktem Brot ruhigstellt, anstatt ihnen zu zeigen, wie man backt, oder eine Gesellschaft, die Initiative, Risikobereitschaft und Erfolg bestraft.

                      Denn eine Gesellschaft, die so ausgerichtet ist, wie Du es offenbar möchtest, wird sich ihre (Deine) Wünsche nicht erfüllen können.

                    • Ralf 23. Juni 2020, 09:56

                      Und ist Dir klar, was „Dein“ Preis für die erfolgte Zustimmung zur Chancengleichheit wäre? Wenn sich einer durchbeißt, sich hocharbeitet, was leistet, darf er gutes Geld verdienen, ohne dass der Staat ihm den größten Teil abnimmt. Wenn einer sein Leben trotz aller guten Voraussetzungen nicht in den Griff kriegt, trägt er selbst die Verantwortung und die (auch kaufmännischen) Konsequenzen. Bist Du dazu bereit?

                      Ich hab ein einfaches Steuersystem vorgeschlagen, das den allergrößten Teil der Gesellschaft moderat entlasten würde: Im unteren Einkommensbereich die Steuern etwas runter, im mittleren Bereich bis 100.000 Euro Jahreseinkommen alles praktisch so wie heute und ab 100.000 Euro heftige Steueraufschläge in Schritten 60% und 80%, bis ab 150.000 Euro 100% Steuern verlangt werden. 150.000 Euro ist dann das Maximalgehalt. Von einer solchen Steuerreform würden wie gesagt viele profitieren und nur einige wenige würden wirklich etwas verlieren.

                      Und die, die etwas verlieren würden, wären diejenigen, die den Verlust am einfachsten verkraften könnten. Sie stünden trotz allem immer noch an der Spitze der Gesellschaft. Wenn sie eine wichtige Funktion ausüben, hätten sie auch nach wie vor einen herausgehobenen Status. Und wie ich Dir und anderen jetzt bereits mehrfach vorgerechnet habe, muss ein Gutverdiener weniger und weniger seines Einkommens für die Basiskosten des Lebens aufwenden, weshalb dramatisch mehr für Vergnügen und Hobby bleibt. Deshalb müssen wir uns auch um die Lebensqualität der Geschröpften keine Gedanken machen, denn deren Lebensqualität wird immer noch über der, der gewöhnlichen Bürger stehen. Die Unterschiede werden halt nur nicht mehr so entsetzlich krass und ungerecht sein wie heute.

                      Aus all diesen Gründen gäbe es auch nach meiner vorgeschlagenen Steuerreform Motivation sich anzustrengen und hochzuarbeiten. Und dem talentierten Fleißigen ginge es besser als dem lernunwilligen Faulenzer. Ich glaube, anderswo nennt man das den “American Dream”.

                    • Erwin Gabriel 24. Juni 2020, 14:23

                      @ Ralf 23. Juni 2020, 09:56

                      Ich hab ein einfaches Steuersystem vorgeschlagen, das den allergrößten Teil der Gesellschaft moderat entlasten würde: Im unteren Einkommensbereich die Steuern etwas runter, im mittleren Bereich bis 100.000 Euro Jahreseinkommen alles praktisch so wie heute und ab 100.000 Euro heftige Steueraufschläge in Schritten 60% und 80%, bis ab 150.000 Euro 100% Steuern verlangt werden. 150.000 Euro ist dann das Maximalgehalt.

                      Es scheint immer noch Dein Ansatz zu sein, dass Du die individuelle Entfaltung hinter der individuellen verantwortung für die Versorgung der Gesellschaft zurückstellst; da kommen wir nie auf einen Nenner.

                      Mich stört am aktuellen Steuersystem die Progression für den Mittelstand. Unten weniger, die ganze Kurve etwas flacher, dann auch gerne nach oben hin mehr.
                      Eine Beschränkung auf ein Höchstgehalt halte ich für unsinnig, erst recht auf einen so niedrigen Wert (nicht, dass das ein absolut betrachtet niedriges Gehalt ist).

                      Habe ich schon mal (leider nur für kurze Zeit) verdient – als stellvertretender Abteilungsleiter. Dann gab es den Abteilungsleiter, den Bereichsleiter, den Geschäftsführer, den Bereichs-Vorstand, den Vorstandsvorsitzenden als darüber liegende Hierarchiestufen. Wie soll das funktionieren? Alle verdienen das Gleiche?

                      Von einer solchen Steuerreform würden wie gesagt viele profitieren und nur einige wenige würden wirklich etwas verlieren.

                      Ich glaube, da liegst Du falsch. Wenn ich nun den Vorstandschef auf 150.000 Euro begrenze, verdient der Bereichsvorstand weniger, der Geschäftsführer weniger als der Vorstand, der Bereichsleiter weniger …. etc. Wo landet dann der einfache Angestellte?

                      Entweder ich entzerre die Hierarchiestufen nach unten, oder aber es gibt keine Unterschiede zwischen den Stufen, da das, was mehr kommt, weitgehend weggesteuert wird (1000 Euro brutto mehr = 200 bis 300 Euro netto mehr). Beides nicht gut.

                      Wenn Du die unterschiedliche Struktur zwischen Beamtenapparat und freier Wirtschaft kennst, kannst Du in etwa erkennen, worauf das alles hinauslaufen wird: Du beschneidest nicht nur das Gehalt der Top-Manager, Du ziehst ALLES automatisch mit nach unten.

                      Mit Chancengleichheit hat das rein gar nichts zu tun.

                      Und wie ich Dir und anderen jetzt bereits mehrfach vorgerechnet habe, muss ein Gutverdiener weniger und weniger seines Einkommens für die Basiskosten des Lebens aufwenden, …

                      Ich verstehe den Punkt, selbst wenn ich Deine Sicht für vollkommen praxisfremd halte. Wenn man als Alleinverdiener 2.000 Euro brutto bekommt, trägt man vielleicht eine Jeans von kik. Verdient man brutto 3.000, trägt eine Markenjeans. Die „Basiskosten“ wachsen also mit dem Gehalt.

                      Unberücksichtigt sind bestimme Anforderungen an beruflich erforderlicher Kleidung (man sollte je nach Funktion einen gewissen Standard nicht unterschreiten) und Ähnliches. Gleiches gilt für Lebensmittel, Möblierung etc.

                      Basiskosten in Höhe von X für alle gleich anzusetzen und alles darüber als „Vergnügen“ abzutun, ist schon recht simpel gedacht – oder sehr arrogant.

                      … weshalb dramatisch mehr für Vergnügen und Hobby bleibt.

                      Dramatisch ist nur Deine Aussage. Wenn ich bei einem Gehaltsanstieg von 3.000 auf 4.000 Euro gerade mal 300 Euro mehr herausbekomme, ist das (erst recht bei steigenden „Basiskosten“) nicht so weit her.

                      Wenn ich beispielsweise ein neues Auto kaufen möchte, etwa einen Opel Corsa, kostet der Wagen in Grundausstattung mit kleinster Motorisierung (75 PS) ohne weitere Extras 14.655 Euro. Nun bin ich mit einer beginnenden Arthrose gesegnet, möchte also ein Automatikgetriebe. Das treibt den Preis des Corsa auf mindestens 20.260 Euro – auch dann habe ich außer dem Automatikgetriebe, das einen größeren Motor (100 PS) und die nächsthöhere Ausstattungslinie erfordert) kein zusätzliches Extra gebucht.

                      Wenn ich also eine entsprechende Gehaltserhöhung bekomme, brauche ich (bei der von Dir gewünschten Besteuerung wie bisher) immer noch über anderthalb Jahre, nur um über das Netto-Mehrgehalt meinem Kleinwagen ein Automatikgetriebe zu gönnen. In der Zeit laufe ich dann immer noch mit einer Jeans von kik durch die Gegend und „freue“ mich über mein „dramatisches“ Plus für mein Vergnügen.

                      Deshalb müssen wir uns auch um die Lebensqualität der Geschröpften keine Gedanken machen, …

                      „Sorry für die Spitze: Das Du Dir keine Gedanken gemacht hast, sehe ich. Immerhin – „geschröpft“ ist die passende Bezeichnung für das, was Dir vorschwebt.

                      … denn deren Lebensqualität wird immer noch über der, der gewöhnlichen Bürger stehen. Die Unterschiede werden halt nur nicht mehr so entsetzlich krass und ungerecht sein wie heute.

                      Ich mag vielleicht eine „Ungerechtigkeit“ („gerecht“ und „ungerecht“ sind rein subjektive Wahrnehmungen) erkennen, wenn ich sehe, dass ein Herr Winterkorn von VW knapp 1,5 Mio. Euro Betriebsrente pro Jahr bekommt. Aber die Bereiche, in die Du eingreifen bzw. abgreifen willst, liegen ja viel, viel niedriger.

                      Und dem talentierten Fleißigen ginge es besser als dem lernunwilligen Faulenzer.

                      Kaum, dass es sich lohnt. Denn es wäre nicht so, dass alle über 150.000 Euro p.A. gekappt würden, sondern zum Teil würde das Gehaltsniveau sich nach unten bewegen, zum Teil würden viele mittelständische Unternehmen auswandern, viele talentierte Kräfte ins Ausland gehen, so dass sich die ganze wirtschaftliche Situation dramatisch rückläufig entwickeln würde.

                      Oder man spielt Lotto. Mit einem ordentlichen Gewinn macht man dann größere Sprünge, als man des durch lebenslange Arbeit erreichen kann.

                      Ich glaube, anderswo nennt man das den “American Dream”.

                      Echt jetzt? Das Wort, was Du gesucht hast, heisst „Nightmare“.

                      Das ist wieder so ein Moment, wo ich Dich eigentlich fragen möchte, was Du beim Schreiben dieser Zeilen eigentlich geraucht hast. Dann denke ich mir, dass mich Teile der Antwort verschrecken können, und frage lieber nicht.

                      Und die Topleute mit dem höchsten Einkommen sind dann die Lottogewinner?

                      Deshalb müssen wir uns auch um die Lebensqualität der Geschröpften keine Gedanken machen, denn deren Lebensqualität wird immer noch über der, der gewöhnlichen Bürger stehen. Die Unterschiede werden halt nur nicht mehr so entsetzlich krass und ungerecht sein wie heute.
                      Aus all diesen Gründen gäbe es auch nach meiner vorgeschlagenen Steuerreform Motivation sich anzustrengen und hochzuarbeiten. Und dem talentierten Fleißigen ginge es besser als dem lernunwilligen Faulenzer. Ich glaube, anderswo nennt man das den “American Dream”.

                    • Ralf 24. Juni 2020, 19:05

                      @ Erwin Gabriel

                      Ein Steuersystem kann man nicht danach ausrichten, dass Du möglichst rasch einen Opel Corsa Automatik kaufen kannst. Schließlich gibt es auch viele andere Menschen, die gerne einen Opel Corsa Automatik hätten und in ihrem Beruf viel leisten. Denken wir zum Beispiel an die noch vor kurzem viel gelobten Krankenschwestern und Altenpfleger. Auch ich könnte mir nicht morgen einfach einen Opel Corsa Automatik kaufen und ich verdiene nicht schlecht. Dann muss man halt ein paar Monate sparen.

                      Dass die Basiskosten des Lebens mit dem Einkommen steigen, kann man so sehen. Allerdings führt das dann dazu, dass für den Milliardär Villen und Jachten zu Basiskosten werden, was dann nicht wirklich sachdienlich ist. Ich definiere die “Basis” deshalb für mein Modell – zugegebenermaßen etwas vage formuliert – als das Mindeste, das man haben muss, um eine “untere Mittelklasse”-Existenz zu führen. Das ist der Lebensstandard, mit dem ich mich am besten auskenne, weil ich damit aufgewachsen bin. Für eine “untere Mittelklasse”-Existenz reicht bei einer Einzelperson z.B. ein Studioapartment oder eine kleine 2-Zimmerwohnung. Wenn ich stattdessen wegen eines höheren Gehaltes in eine geräumige 2-Zimmerwohnung oder gar in eine 3-Zimmerwohnung ziehe, dann ist die Differenz zur Basis eben ein Teil des Luxus, den ich mir erlauben kann.

                      Zur Staffelung der Gehälter: Mir kann keiner erzählen, dass der Gehaltsrahmen bis 100.000 Euro nicht bereits praktisch alle Stufen der fairen Entlohnung abdeckt. Und mein vorgeschlagenes Höchstgehalt liegt ja nochmal 50.000 Euro drüber. Ja, gewisse Branchen zahlen mehr und andere zahlen weniger. Allerdings liegt das selten an der Wichtigkeit der Branche, wie wir gerade in Covid-19-Zeiten gelernt haben. Und wenn in diesen “Überschussbranchen” in Zukunft weniger gezahlt würde, würden sich die Leute daran gewöhnen. In den USA werden z.B. Lehrer dramatisch viel schlechter bezahlt als in Deutschland, während Krankenschwestern dramatisch viel besser bezahlt werden als in Deutschland. Weder hat das zu einem Exodus amerikanischer Lehrer nach Deutschland geführt, obwohl in Deutschland lange Lehrermangel herrschte und Lehrkräfte verzweifelt gesucht wurden, noch hat das zu einem Exodus von deutschen Krankenschwestern in die USA geführt. Man gewöhnt sich einfach an das Lohnniveau und lebt dann damit.

                      Und abschließend: Einkommen ist ein wichtiger Faktor beim Job, aber nicht der einzige Faktor. Es gibt auch andere Motivationen, wie die Möglichkeit sich zu verwirklichen, die Freude daran Projekte zu leiten, zu formen, zu beeinflussen und erfolgreich zu sein. Gerade mit den besser bezahlten Jobs geht ein hoher gesellschaftlicher Status einher. Das mag zwar ein ideeller Wert sein, aber das heißt nicht, dass er wertlos ist. Selbst wenn ein Klempner und ein Professor gleich bezahlt werden würden (was im übrigen niemand vorschlägt), würde kaum ein Professor in der Folge beleidigt zum Pömpel greifen und die Karriere wechseln. Aber das Beispiel ist schlecht gewählt, denn der Professor verdient keine 100.000 Euro, wäre also von meiner vorgeschlagenen Steuerreform überhaupt nicht betroffen.

                    • Stefan Pietsch 24. Juni 2020, 19:19

                      In einer freien Gesellschaft gibt es kein Höchstgehalt. Dazu übersehen Sie, dass das Einkommen bei 150.000 Euro plus, das also, was Sie komplett wegbesteuern wollen, zu einem sehr hohen Anteil von Selbständigen und Unternehmern erbracht wird. Darf ein Wirtschaftsprüfer kein Mandat mehr annehmen, wenn durch den Zusatzauftrag sein Einkommen (Personengesellschaft!) darüber steigt? O der hat er die Aufträge umsonst zu erledigen? Dass es nach Ihren Maßstäben kein Unternehmen mit Umsatz >25 Millionen Euro gäbe, haben Sie sicher auch nicht bedacht. Nur kann man von 25 Millionen nicht wahnsinnig viele Arbeitnehmer beschäftigen. Die Konsequenzen wären Massenarbeitslosigkeiten.

                      Dazu sollte Ihnen bekannt sein, dass es neben Deutschland noch knapp 200 andere Staaten gibt. Nach meinem Kenntnisstand kennt keines eine solche, noch dazu enge Limitierung der Einkommen. Es gibt also für jemanden, der 150.000 und einen Euro verdient, zahlreiche Möglichkeiten, sein Einkommen in anderen Ländern anfallen zu lassen. Tja, und dann müssten sie noch 150 Doppelbesteuerungsabkommen ändern (neben dem Grundgesetz, was wiederum nicht möglich ist).

                      Und jetzt überlegen Sie noch mal in Ruhe, wie sinnvoll und vernünftig Ihre Ideen sind. Oder vielleicht auch das Gegenteil davon.

                    • Erwin Gabriel 25. Juni 2020, 19:18

                      Bitte nach ganz unten scrollen, da geht es weiter …

                  • Erwin Gabriel 22. Juni 2020, 21:59

                    @ Stefan Sasse 21. Juni 2020, 17:53

                    Daher muss man sich immer die Frage stellen, was überhaupt umsetzbar ist. Und da landet man dann bei Kompromissen. Und Abwägungen.

                    Genau das! Jede der beiden von mir so grob geschnitzten Richtungen unterdrücken auf die eine oder andere Art. Deswegen braucht es eine Mischung, braucht es Kompromisse. Und es ist absolut legitim, nur eine Seite konsequent zu vertreten (so, wie es Thorsten B in die eine Richtung und Stefan P. in die andere Richtung tun); es wird schon andere geben, die es anders halten.

                    @ Stefan Pietsch 21. Juni 2020, 17:49

                    Sie müssen sich schon entscheiden: entweder Sie besteuern das Vererbte / Geschenkte hoch oder Sie besteuern das, aus dem Menschen überhaupt die Möglichkeit erhalten, Wohlstand zu bilden, hoch.

                    Sollte eigentlich logisch sein.
                    Man kann natürlich auch beides machen, aber dann geht nach kurzer Zeit alles den Bach runter.

                    • CitizenK 24. Juni 2020, 14:36

                      Das von Ralf vorgeschlagene Steuersystem ist eine reine U-(oder Dys-)topie. Bar jeder Realisierungschance. Eine Diskussion darüber ist abstrakt-akademisch.

                      Deshalb würde ich Dich gern fragen, was Du über den skandinavischen Weg denkst: Hochkapitalismus bei gleichzeitigem Hochsteuersystem, bei dem die unterhalb der Top 10 Prozent auch ein gutes Leben haben: Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Wohnen.

                    • Stefan Pietsch 24. Juni 2020, 18:06

                      Sie leben in Illusionen. Warum neigen Sie eigentlich wie so alle Linken dazu zu fragen, wie hoch der Staat besteuern kann ohne dass es obszön wird? Kein normaler Menschen, der nicht in Deutschland lebt, würde so fragen. Sie hätten sich die Schweiz nehmen können – aber die sind ja nur geeignet, wenn es darum geht, Besserverdiener an der Finanzierung der Altersvorsorge zu beteiligen. Sie hätten die Niederlande nehmen können, aber die eignen sich nur um zu illustrieren, wie hoch die Renten sein könnten.

                      Sie sollten mitbekommen haben, dass laut OECD inzwischen kein Land so hoch belastet wie Deutschland (Ausnahme: Belgien). Es kann also für die Einkommensbelastungen hierzulande nur noch eine Richtung geben, die angezeigt wäre: nach unten, und zwar generell.

                      Zu Ihrem Beispiel: In Deutschland lag die „Income tax plus employee contributions, 2019“ für Einkommen 167% des Durchschnitts für einen Single bei 43,4%. In Schweden jedoch betrug die Belastung nur 35,6%. Ein Alleinstehender mit 80.000 Euro Gehalt hat am Ende des Tages 6.400 Euro mehr auf dem Konto als in Frankfurt. Von der Schweiz reden wir da noch gar nicht.
                      https://www.oecd-ilibrary.org/sites/047072cd-en/1/3/1/3/index.html?itemId=/content/publication/047072cd-en&_csp_=61ab1636a3c5e6e66df4c2ea29c39562&itemIGO=oecd&itemContentType=book#section-1d1e186860

                      Die Unternehmenssteuern liegen in Deutschland bei 30%, in Schweden bei 22%. Mir war neu, dass Sie für Steuersenkungen plädieren wollten. Sie sehen daran, wie abgehoben von der globalen Entwicklung wir längst agieren und debattieren.

                      Ich würde mich also freuen, Sie demnächst als FDP-Mitglied hier begrüßen zu können. 😉

                    • Erwin Gabriel 27. Juni 2020, 21:11

                      @ CitizenK 24. Juni 2020, 14:36

                      Deshalb würde ich Dich gern fragen, was Du über den skandinavischen Weg denkst: Hochkapitalismus bei gleichzeitigem Hochsteuersystem, bei dem die unterhalb der Top 10 Prozent auch ein gutes Leben haben: Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Wohnen.

                      Vorab: Mein Fachgebiet ist Technik, nicht Zahlen oder Finanzen. Deswegen kann ich viele Dinge nur nach dem (hoffentlich reichenden) gesunden Menschenverstand eines niedersächsischen Hausmannes (=Bauchgefühl) beurteilen. Und ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mich in Skandinavien gut auskenne.

                      Ich hatte das an anderer Stelle schon zu Ralf gesagt: Ich halte die Steuer für die unteren Schichten (ob Bevölkerung, Firmen etc.) für zu hoch. Selbst der „normale“ Mittelstand wird zu stark abgegriffen, da die Steuerprogression viel zu selten angepasst wird. Bei „wohlhabend“ (so stufe ich mich ein) ist es halbwegs OK.

                      Ich sehe auf der anderen Seite aber auch, dass nach oben raus viel Mist passiert. Etwa den EX-VW-Chef Winterkorn mit etwa 1.5 Mio. Ruhegehalt nach Hause zu schicken oder mit Milliarden eine marode Bank retten, dessen Manager Millionen an Bonuszahlungen kassieren, geht aus meiner Warte gar nicht.

                      Die von Dir angesprochenen Themen (Bildung …) auch den unteren 10% zukommen zu lassen, finde ich sehr gut; das von wirklich fetten Einkünften oder Gewinnen mitfinanzieren zu lassen, auch.

                      Im Moment füttern bei uns die Wohlhabenden den unteren Mittelstand; ganz unten und ganz oben passiert zu wenig.

                      Ich hoffe, dass Dich diese nicht gerade scharf konturierte Antwort trotzdem zufrieden stellt.

                    • Stefan Sasse 27. Juni 2020, 22:45

                      Da kann ich durchaus mitgehen.

          • derwaechter 19. Juni 2020, 20:46

            Könnte auch daran liegen, dass diejenigen wegen denen ich da war alt sind. Da passen die Mitarbeiter die Sprache vielleicht einfach an anstatt hundert mal zu erklären wie das jetzt korrekt heißt 🙂

  • derwaechter 19. Juni 2020, 11:55

    11) Ich zweifele diesen Effekt nicht grundsätzlich an, denke aber, dass ihm zu viel Raum eingeräumt wird und das die positiven Effekte einer Änderung minimal sind. Es lenkt von den wichtigeren Problemen im Bereich Gleichberechtigung ab.

    Im Zitat bin ich an einigen Dingen hängen geblieben.

    „Bauarbeiter oder Chirurg nehmen wir als männliche Berufe wahr und denken eher an Männer. Kosmetik umgekehrt wird eher als weiblicher Beruf wahr­genommen, und deshalb denken wir beim Wort Kosmetiker … ebenfalls an Männer.“
    Das ist naheliegend. Männliche Kosmetiker sind so selten, dass man stutzt wenn man nicht das viel häufigere Kosmetikerin hört. Gilt ähnlich auch für Kassierer oder Kindergärtner.

    „Es ist also die Sprache, die Männer in unsere Köpfe setzt, nicht das Stereotyp.“
    Jein. Wer bei Bauarbeiter an Männer denkt,hat nicht nur ein Stereotyp im Kopf sondern die Realität. Man kann das gut oder schlecht finden aber nahezu alle Bauarbeiter sind männlich. Wenn wir von Bauarbeitenden sprächen, hätten wohl immer noch die allermeisten einen Mann im Kopf.

    […] Manchmal geht es sogar um Leben und Tod. Männer haben bessere Möglich­keiten als Frauen, sich vor dem Corona­virus zu schützen, weil Masken und Schutz­kleidung für männliche Körper optimiert sind. Männer haben bessere Chancen als Frauen, einen Herz­infarkt zu überleben, weil die Symptome bei Männern bekannter sind und Medikamente vor allem an Männern erforscht wurden. Männer haben bessere Chancen als Frauen, einen schweren Auto­unfall zu überleben, weil Autos mit Crashtest-Dummys getestet werden, die der männlichen Anatomie nachempfunden sind. “
    Es gibt m.W. auch Gegenbeispiele wie Krebsvorsorge oder Psychologie. Außerdem gibt es wohl kaum einen medizinischen Bereich der historisch so viel mehr Lebenserwartung gebracht hat wie die Frauenheilkunde, insbesondere Geburtsmedizin und Verhütung.

    Die drei Beispiele sind außerdem für das Argument der Autoren ungünstig gewählt, denn es sterben mehr Männer an Corona und an Autounfällen. Und Männer erleiden auch häufiger Herzkrankheiten (Haben jedoch eine geringere Sterblichkeit). Bei akuten Herzinfarkten (Beispiel im Zitat) liegt die Sterblichkeit wiederum bei Männer höher. https://dgk.org/pressemitteilungen/herzkrankheiten-maenner-erkranken-haeufiger-frauen-sterben-oefter-daran/
    So gesehen wäre ein Focus auf Männer gar nicht so verkehrt.

    „Nun lässt sich gut argumentieren, dass solche Effekte nicht viel mit Sprache zu tun haben, sondern vielmehr damit, dass Männer in vielen Bereichen immer noch im Vorder­grund stehen. Schaut man aber etwas genauer hin, so wird der Zusammen­hang mit Sprache sichtbar. Frauen wurden zu wenig mitgedacht, weil die Forscher, die Ärzte, die Ingenieure über lange Zeit zur Mehrheit Männer waren und die weibliche Perspektive auf die Frage­stellungen fehlte.“

    Das ist logisch nicht schlüssig. Der letzte Satz soll den vorletzten offenbar bestätigen, tut aber genau das Gegenteil.

    Ich denke dass die Realität die größte Rolle spielt. Obwohl die meisten bei „Arzt“ wohl noch an Männer denken, studieren mittlerweile mehr Frauen als Männer Medizin. Überhaupt studieren mehr Frauen als Männer. Hier in Norwegen m.W. noch viel mehr als in Deutschland.
    In einigen Jahren gibt es dann zwangsläufig überwiegend weibliche Ärzte. Dann denken wohl deutlich weniger Menschen bei „Arzt“ an einem Mann. Eben weil sie bei den letzten 10 Arztbesuchen, 7 mal Ärztinnen gegenüberstanden.

    • Ralf 20. Juni 2020, 12:52

      Also ich denke bei „Arzt“ nicht per se an einen Mann. Und um auf Herrn Pietsch oben zu antworten, auch nicht beim Begriff „Forscher“. Mit diesen Termini verbindet man das, was man aus seiner eigenen Erlebniswelt kennt. Zumindest in meinem Feld sind die Hälfte der Forscher weiblich. Und die meisten Ärzte, die ich in meinem Leben besucht habe, waren ebenfalls Frauen. Deshalb haben sich diese Assoziationen, die im Text unterstellt werden, nie bei mir eingestellt. Und je mehr Frauen studieren und in vormalige Männerdomänen eindringen, desto stärker werden die kritisierten Assoziationen auch in der Gesamtbevölkerung zurückgehen. Auch ohne die deutsche Sprache mit hässlichen Konstrukten wie dem Binnen-I zu verschandeln.

      • derwaechter 20. Juni 2020, 13:10

        Aber wenn wir keine gendergerechte Sprache einführen werden Frauen niemals in diese Männerdomänen vordringen.

        Solange wir Ärzte statt ÄrztInnen schreiben, kommt kaum eine junge Frau auf die Idee, dass sie Medizin studieren könnte.

        • Ralf 20. Juni 2020, 13:15

          Klar. Das ist natürlich ganz offensichtlich so … ^^

        • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 16:02

          Bei Frauen ist Medizin das drittbeliebteste Studienfach, bei Männern rangiert es nur an 8. Stelle. Ihre Theorie passt nicht zu den Fakten.
          https://www.studieren-im-netz.org/vor-dem-studium/orientieren/beliebte-studiengaenge

          • derwaechter 20. Juni 2020, 19:18

            Ist das ernst gemeint oder eine Art Meta-Ironie, die sich mir gerade nicht erschliesst.

            • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 19:52

              Sie haben behauptet, das Interesse von Frauen am Beruf hinge an einer gendergerechten Sprache. Das ist natürlich Unsinn. Aber wahrscheinlich haben Sie das auch nur ironisch gemeint?

              • derwaechter 20. Juni 2020, 21:55

                Natürlich! Ich dachte das wäre offensichtlich.

        • CitizenK 20. Juni 2020, 16:54

          Die Briten sehen das so:
          „Der Weg zur Gleichheit ist Gleichheit. (…) Jede sprachliche Sichtbarmachung von Geschlecht hebt das Geschlecht hervor, weist auf Unterschiede hin, betont, dass eben dieses Geschlecht so wichtig ist, dass es in jeder Lebenslage erwähnt werden muss, und zementiert damit die Ungleichheit“. ( ISBN 978-386971-203-1, S. 192)

          • derwaechter 20. Juni 2020, 19:40

            Genau das hatte ich vor kurzem beim Whoopy Goldberg Zitat zu Actor/Actress gemeint. Nur nicht so eloquent 🙂

            Daher wäre das beste, man würde auch im Deutschen auf die weibliche Form verzichten. Wenn man unbedingt das Geschlecht hervorheben will, sagte man halt weiblicher Arzt. Aber das ist wohl kaum realistisch umzusetzen.

      • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 15:05

        Nun, Studien belegen das Gegenteil.

        • Ralf 20. Juni 2020, 15:24

          Das müsste man sich im Detail anschauen. Ich habe nicht viel Erfahrung mit sozialwissenschaftlichen Studien, aber bei denen, die ich mir genauer angeschaut habe, hatte ich oft den Verdacht, dass da das Ergebnis schon vor der Studie feststand und die gesamte Versuchsanordnung so zugeschnitten war, dass es mit dem Teufel zugehen müsste, wenn nicht das gewünschte Resultat rauskäme. Eine Studie zu sexueller Gewalt z.B. kam zum Schluss, dass mehr als 80% aller Frauen in ihrem Leben Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Man musste dann ins Kleingedruckte gehen, um herauszufinden, dass auch ein Nachpfeifen auf der Straße oder eine unerwünschte Einladung zum Date zu “Gewalt” zählte. Bei der Definition bin natürlich auch ich ein Opfer sexueller Gewalt und mich wundert, dass die Studie nur auf 80% statt auf 100% Opfer kam. Ähnliche Probleme gibt es bei Studien über Rassismus in der Gesellschaft, wo Probanden oft Aussagen im Mund verdreht werden, um zu “belegen”, dass die Hälfte der Bevölkerung Antisemiten sind oder eine Nähe zum rechtsextremen Spektrum zeigen. Ich bin da deshalb sehr vorsichtig geworden mit der Interpretation von sozialwissenschaftlichen Studien. Sicher gibt es in jedem Fach auch gute Arbeit. Aber das, was es in die News schafft, sind oft die schlagzeilenträchtigen polarisierenden Studien. In den Naturwissenschaften ist das im übrigen genauso. Und sehr oft erweisen sich diese schlagzeilenträchtigen Ergebnisse am Ende als irreführender Hype und inhaltlich falsch …

          • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 18:32

            Mir hat noch nie eine Frau nachgepfiffen.

            Ich möchte dich nur davor warnen, bei dem Thema poppers Fehler der Corona-Diskussion zu wiederholen. Nur weil du die Ergebnisse der Studien nicht magst, die dazu gar nicht aus deinem Gebiet wissenschaftlicher Expertise stammen, solltest du extrem vorsichtig sein, mit breitem Pinsel alle Studien als unwissenschaftlich oder gar gefälscht darzustellen.

            • Ralf 20. Juni 2020, 18:46

              Ich behaupte nicht, dass alle sozialwissenschaftlichen Studien unwissenschaftlich oder gefälscht sind. Aber jedes Mal wenn ich mir wirklich die Mühe gemacht habe, gerade bei diesen schlagzeilenträchtigen Studien mit aufschreckenden Ergebnissen, genauer hinzuschauen und die Studie wirklich zu lesen, bin ich schockiert gewesen über die Machart. Das macht mich zumindest extrem vorsichtig. Wer außerordentlich überraschende Resultate präsentiert, steht in der Pflicht auch außerordentlich überzeugende Beweise zu liefern.

              • CitizenK 20. Juni 2020, 21:22

                Hast Du dafür ein griffiges Beispiel?

                • Ralf 20. Juni 2020, 21:24

                  Ja. Findet sich einen Kommentar weiter oben.

            • Stefan Pietsch 20. Juni 2020, 19:55

              Selbst schuld. Ist mir öfters passiert.

        • derwaechter 20. Juni 2020, 19:33

          Wie gesagt, ich denke nicht dass das völlig falsch ist. Aber halt auch nicht soooo zentral.
          Und meine Erfahrung ist auch, wenn man sich Studien oder Artikel näher anguckt findet man viel Schwachpunkte und gewagte Schlussfolgerungen. Genau wie bei deinem Fundstück.

          Für mich zählen v.a. zwei ganz übergeordnete Beobachtungen:
          1. Die Gleichberechtigung hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht (trotz aller weiter bestehenden Probleme). Gendergerechte Sprache hingegen ist aber, immer noch, ein Nischenphänomen.
          2. Länder mit Sprachen die quasi natürlich gendergerechte(er) als das Deutsche sind, sind im Bereich Gleichberechtigung nicht unbedingt weiter.
          Und ohne dass ich da jetzt eine Quelle zur Hand hätte, bin ich sicher, dass ein Engländer oder ein Norweger beim Wort Builder bzw. Byggearbeider auch an einen Mann denkt. Obwohl die Bezeichnungen genderneutral sind.

          • Ariane 22. Juni 2020, 14:54

            Ich antworte mal zwecks Übersichtlichkeit hier, du hattest da soviel vermischt.

            Ich denke, das Sprachliche ist wichtig, aber es ist halt nur ein Aspekt. Das Problem ist eher, dass man damit die Stereotype immer weiter und weiter in eine Zeit trägt, die dazu gar nicht mehr passt.
            Fällt total auf, wenn man mal in eine Kinderabteilung kommt oder einen Kinderkatalog durchblättert. Rosa Einhörner und Küchen und Putzzeug für die Mädels. Autos, Technik und Kinder-Heimwerker-Kram für die Jungs.

            Damit schleppt man das immer weiter und weiter, gibts ja auch schon für Erwachsene, Männer-Bratwurst und Frauen-Bratwurst und so ein Schwachsinn.
            Dadurch werden die Kategorien aber immer stärker getrennt und das ist für die Männer problematischer, das wirkt wie ein Verbotsschild „Achtung, wer mit rosa Einhörnern Teeküche spielt und dazu Frauen-Bratwurst isst, ist bestimmt schwul“

            Wenn man nur von ÄrztInnen spricht und sonst nichts ändert, wird man das grundlegende Problem auch nicht ändern.

            2. Etwas anderes ist die wirklich körperliche Ebene. Hier ist die Problematik anders, denn natürlich gibt es körperliche Unterschiede, schließlich können nur Frauen schwanger werden und Kinder gebären. Darauf ist der Körper ausgelegt, hier ist es übrigens ein Problem, dass viele Männer auch wenig Kenntnisse über den weiblichen Zyklus und daraus auftretende Hormonschwankungen haben – auch ohne Schwangerschaft.

            Das wird dann mit „die hat bestimmt ihre Tage“ abgehakt und fertig ist (natürlich völlig unabhängig davon, in welcher Phase des monatlichen Zyklus die Frau ist, dafür müsste man ja überhaupt wissen, dass es unterschiedliche Phasen gibt)

            Ich glaube Stochowski nannte das in einem Interview mal „Mystifizierung der Frau“ und das ist immer noch absolut extrem vertreten. Hier wurde laut „Unsägliches“ gerufen, weil Sassestefan und ich über ein VagPic scherzten.

            Freunde von uns haben letztes Jahr ihr zweites Kind bekommen und der Vater (Pflegedienst!) hat gesagt, er macht das nicht nochmal mit, weil es da mehr Blut gibt als im Schlachthaus.
            Es gibt einen Väter-Podcast von Spiegel, da ging es in einer Folge auch darum. Das ist ja eine ganz neue Entwicklung, dass Väter richtig am Familienleben teilhaben wollen, was auch heißt, die Mutter während der Schwangerschaft, Geburt und Wochenzeit zu unterstützen.

            Ich glaube, da sind Sassestefan und ich die erste Generation, für die das bei genug Weltoffenheit normal und selbstverständlich ist. Damit hat aber überhaupt niemand Erfahrungen. Mit „ich mach einfach mal mit bei dem Familiengedöns“ ist es eben nicht getan. Die meisten Männer mögen sich überhaupt nicht damit auseinandersetzen und sind dann traumatisiert, weil ne Geburt jetzt nicht klinisch rein vonstatten geht, sondern immer noch eine hoch blutige und auch gefährliche Angelegenheit ist.

            Und das ist medizinisch ein ganz großes Problem, weil diese Wissenslücken nur zu weiteren Problemen führen, das ist nämlich wirklich angeboren. So gesehen Männer machen Medizin für Männer und die Frauen geraten dadurch in unnötige Lebensgefahr.

            Also ja, wer meint Emanzipation und Feminismus ist Gedöns, sollte nochmal darüber nachdenken. Denn ich habe dadurch während einer Pandemie bessere Überlebenschancen als die Männer. Oder soll ich mal ausprobieren, was hier abgeht, wenn ich daraus mein gottgewolltes Recht ableite, länger zu leben weil die Natur das eben so bestimmt hat und deswegen sollten wir umgehend ein Matriarchat einführen?

            • derwaechter 22. Juni 2020, 19:23

              „Wenn man nur von ÄrztInnen spricht und sonst nichts ändert, wird man das grundlegende Problem auch nicht ändern.“

              Ganz genau. Deshalb nervt es mich, dass das Binnen I soviel Platz in der Debatte einnimmt.

              Ich habe drei Geburten hautnah (meine eigene nicht eingerechnet 🙂 ) miterlebt. Ich fand das ehrlich gesagt gar nicht so dramatisch sondern v.a. etwas besonderes. Wer sich als Partner davon traumatisieren lässt sollte mal tief in sich gehen. Bei schweren Komplikationen ist das natürlich was anderes.

              Ich sehe die medizinische Schieflage wie gesagt durchaus. Bezweifele nur sehr stark, dass Sprache da überhaupt eine messbare Rolle spielt. Die Autoren des Artikels schreiben das ja, wohl ungewollt, selbst.

              Aber bei Geburtsmedizin und Familienplanung gab es unfassbare Fortschritte, trotz enormer Mönnerdominanz in der Medizin und genereischem Maskulinum in der Berufsbezeichnung.

              Sind diese Fortschritte nicht sogar ein wichtiger Grund, warum Frauen heute im Schnitt länger leben als Männer?

              • Ariane 23. Juni 2020, 04:06

                Ganz genau. Deshalb nervt es mich, dass das Binnen I soviel Platz in der Debatte einnimmt.

                Ich halte es nicht für unwichtig, aber es ist nur ein Aspekt und vor allem funktioniert sowas meist nur im schriftlichen Bereich. Das ist mir etwas zu elfenbeinturmig. Ich hab aber auch das Privileg, keine Wissenschaftlerin zu sein und einfach neue Wörter zu erfinden 😉

                Ich fand das ehrlich gesagt gar nicht so dramatisch sondern v.a. etwas besonderes. Wer sich als Partner davon traumatisieren lässt sollte mal tief in sich gehen

                Ich halte ja wie gesagt das recht neue Verhältnis von Männern zu Familie für den großen Modernisierungsmotor und das ist sehr unterschiedlich. Ich kenne auch Männer, die da an die Geburt mit wissenschaftlichem Interesse rangehen und Männer die mit der Situation (sie können ja auch nichts machen und die Frau leidet) überfordert sind.

                Dass Männer selbstverständlich in Verhütung, Geburtsvorbereitung, Geburt, Wochenbett eingebunden werden und nicht das Baby plötzlich als Paket in den Händen halten ist ziemlich einzigartig, damit müssen Männer und Frauen (und Homosexuelle oder Transmenschen) erstmal zurechtkommen. Und die Entmystifizierung gehört dazu.

                Ein weiteres Feld und mein persönlicher Hauptfeind: alte Traditionen, die sich darum drehen. Das fängt an, dass man unverheiratet mit 30 fegen oder Klinken putzen soll. Das geht weiter mit Verlobung (weiß gar nicht obs das offiziell noch gibt), mit JunggesellenInnen-Parties zu absolut unzeitgemäßen Hochzeitstraditionen zu Dingen wie Babypinkel (am TAg der Geburt geht der Vadder erstmal mit seinen Kumpels saufen) usw. usf.
                Amerika, Bollywood und andere haben einen totalen Hochzeitskitsch entfacht.

                Sind diese Fortschritte nicht sogar ein wichtiger Grund, warum Frauen heute im Schnitt länger leben als Männer?

                Jep, übrigens hat man das Kindbettfieber-Problem dadurch erledigt, dass ein Mann sich die Hände gewaschen hat 😀

                Es hat zwei Gründe, zum Einen ist immer noch die größte Lebensgefahr für Frauen rund um Schwangerschaft und Geburt, trotz allem Fortschritt. Das ist ne gefährliche Sache.

                Zum anderen funktioniert das Immunsystem von Frauen durch das Schwanger-Werden-Können anders, vermutlich damit die Kinder sie mit ihren Kinderkrankheiten nicht gleich ins Grab befördern (Kindersterblichkeit war früher dramatisch), aber da ist die Forschung noch sehr jung, könnte aber bei Corona eben eine Rolle spielen.

                Und Frauen führen eben immer noch einen sichereren Lebenswandel, während die Männer oft noch in den Macho-Regeln verhaftet sind. Die sind ja nicht nur genetisch anfälliger, die Todesraten für Verkehrsunfälle, Gewaltdelikte, Selbstmord, Alkoholismus u.ä. klaffen total auseinander. Herzinfarkte und Arbeitsunfälle kommen vielleicht auch noch dazu.

                Das sind ja häufig Dinge, die sich theoretisch vermeiden ließen. Wo in den letzten Jahren auch wahnsinnig große Fortschritte erzielt worden sind.

                Das dauert halt und läuft auch nicht gleichmäßig ab. Aber ich kenne eigentlich niemanden mehr in meinem Alter, der auch nur auf die Idee käme, seine Kinder nur abends ins Bett zu bringen und am Sonntag mit ihnen in den Zoo zu gehen. Das wird die nächste Front 😉

            • derwaechter 22. Juni 2020, 19:26

              „Hier wurde laut „Unsägliches“ gerufen, weil Sassestefan und ich über ein VagPic scherzten.“

              Müsste das nicht eher VulPic heissen? 🙂

  • sol1 19. Juni 2020, 13:03

    6) Die Vorstellung eine Nationalgeschichte als Greatest-Hits-Kompilation spukt ja auch hierzulande durch konservative Köpfe. Wenn dann noch wie beim anglophilen Alexander Gauland eine Verharmlosung der NS-zeit als „Vogelschiß“ hinzukommt, wird es richtig gruselig.

    8) Das System Trump zerschellt gerade an externen Schocks, auf die es nicht angelegt war:

    https://www.republik.ch/2020/06/17/die-unschuld-des-donald-trump

    Da halte ich es für eher unwahrscheinlich, daß die Republikaner auf einen Erdrutsch a la 1988 (mittlerweile wackelt auch Texas) darauf reagieren, den nächsten Trump ins Rennen zu schicken.

    10) Auch aus psychologischer Hinsicht spricht alles dafür, den Badass-Kult um abgestumpfte Kampfmaschinen zu beenden:

    /// Zu den zentralen Aufgaben, die nun auch Soldaten üben, gehört: das Positive in der Welt sehen; dankbar sein für Dinge, die gut gelaufen sind; und lernen, sich selbst und anderen zu verzeihen. Teil des Programms ist es auch, die Ausbilder in der Armee zu schulen. Statt die Soldaten in Grund und Boden zu schreien, sollen sie ihnen eine positive Weltsicht vermitteln. Sie sollen ihnen erzählen, dass alle Menschen verletzbar sind und Angst und Trauer gesunde Reaktionen. Auch ermuntern sie die Soldaten, offen über ihre Schwierigkeiten zu sprechen. Es gibt immer schlechte Tage, lautet die Devise. Aber man kann mit ihnen auf möglichst gute Weise umgehen.

    Inzwischen wurde das Programm wissenschaftlich evaluiert. Die Soldaten mit dem Resilienztraining sind demnach emotional belastbarer, verfügen über aktive Bewältigungsstrategien und sind insgesamt optimistischer eingestellt als jene ohne. Und schließlich entwickelten die seelisch gestärkten Soldaten nach einem Auslandseinsatz seltener eine PTBS, Angststörung oder Depression. „Auch die Rate von Drogenmissbrauch halbierte sich“, schrieb Martin Seligman im vergangenen Jahr im Annual Review of Clinical Psychology.

    Zum Erstaunen der Generäle gefiel den Soldaten das Programm sogar. Während die Oberen in der Armee schon gefürchtet hatten, ihre „hartgesottenen Soldaten“ würden das Resilienztraining für „Mädchenkram“, „Gefühlsduselei“ oder „Psychoquatsch“ halten, bewerteten diese den Kurs mit durchschnittlich 4,9 von 5,0 Punkten. Etwa jeder Zweite sagte, das sei das Beste gewesen, was er jemals in der Armee gelernt habe. Er könne jetzt auch Probleme im Privatleben besser bewältigen. ///

    https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/posttraumatische-belastungsstoerung-veteranen-usa-ptbs-1.4934642

  • Dennis 19. Juni 2020, 23:43

    Was zu 6

    Zitat“
    „Der absolute Mangel an kritischem Hinterfragen der eigenen Geschichtsmythen, selbst von britischen Akademikern,…..“

    Das hängt halt halt davon ab, in welche Mythen sich die Akademiker oder auch die Geschichtslehrer selbst verlieben^.

    Zitat:
    ….Die Churchill-Hagiographie…..

    Tja, solche vermeintlich veralteten Sachen wie Heiligenverehrung sind halt nicht wirklich veraltet^.

    Vor zwei Jahren und auch schon vor zwölf Jahren wurden wir Zeuge, wie an der 68-er Hagiographie gebastelt wurde mit dem unbedingten Willen damaliger Teilnehmer zur Mythenbildung. In diesem Fall linke Mythen. Bei solchen Ereignissen, die – jedenfalls bei älteren Herrschaften – noch im Erlebnishorizont liegen, kann man das ganz gut ablesen, wie das so funktioniert: Durch Aufblasen beiläufiger Bedeutung zur Riesenbedeutung und/oder dem gezieltem Weglassen wesentlicher Begleitumstände sowie der Beiträge anderer, die nicht dazu gehören sollen und notabene der Inanspruchnahme von Meriten, die anderen gehören.

    Andererseits gäbe es je keine Identitäten ohne Mythen, also zum Beispiel auch keine „Deutschen“ . Zwecks emotionaler Gruppenbildung muss man sich halt schöne Geschichten einfallen lassen, als Alternative zur Geschichte, zumindestens mal „ergänzend“.

    Mein ultimativ genialer Vorschlag zu 11:

    Zitat:
    „Über konstruktive Vorschläge wäre ich daher dankbar.“

    Einfach den Spiess umdrehen. Ich lese hier zum Beispiele oben auf der Seite, dass der Blog zur Zeit von fünf Bloggerinnen geschrieben wird.

    Nur Frauen? i wo, is ja nur grammatisch gemeint. Natürlich sind bei „Bloggerinnen“ auch Männer inkludiert, unter anderem die Person Stefan Sasse, also ein grammatisch Femininer, wie alle Personen.

    Bereits vielfach angewendet werden ja auch die PPAs, also die Partizip-Präsens-Aktiv-Menschen *, also hier die Bloggenden zum Beispiel, der Annahme folgend, dass das PPA im Plural eine geschlechter-neutralisierende Wirkung entfaltet. Auszubildende (früher: Lehrling) gibt’s gesetzlich schon seit 50 Jahren. Daraus machen wir schon lange Azubis so wie in neuerer Zeit aus Studierenden Studis; geht doch; das klingt auch ästhetisch ganz nett, find ich.

    * „Mensch“ ist noch ein Problem besonderer Art. Kommt etymologisch zweifelsohne von „Mann“ 😯 Da muss manfrau sich noch was überlegen……..grübel

    Zitat:
    „Aber ich bin nicht bereit, hier länger tatenlos zu bleiben. Dafür ist das Thema offensichtlich zu bedeutend. “

    Zustimmung. Ganz ohne Flachs. Bin diesbezüglich selbst auf meine alten Tage noch lernfähig.

    • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 10:33

      PPA geht halt nicht immer. Ich versuche es anzuwenden wann immer möglich gerade. Generisches Femininum finde ich doof. Und Zustimmung zur 68er-Hagiographie, bin froh dass die Generation jetzt langsam endgültig weg ist.

  • Erwin Gabriel 20. Juni 2020, 13:08

    @ Stefan Sasse

    Zu 1) Uns fehlen die Worte

    … ich habe oft nicht mal das Vokabular, aber das dumpfe Gefühl, sie mit meinen unzureichenden, unpräzisen Worten zu triggern. Gleiches gilt, und das weiß ich sicher, bei Themen wie Rassismus oder Sexismus in die umgekehrte Richtung.

    Vorab: Ein Unterschied ist, dass es sich bei Geld / Finanzen (da kenne ich mich selbst nicht so gut aus) und Wirtschaft um Sachthemen geht; sich mit Wirtschaft nicht richtig auszukennen ist eine eher lässliche Sünde; dann kennt man sich eben woanders aus.

    Rassismus und Sexismus sind ganz andere Kaliber; da ist man dann kein ahnungsloser, sondern gleich ein schlechter Mensch, und ein entsprechender Vorwurf greift massiv das eigene Weltbild, die eigene Person an. Und das auf eine Art und Weise, die keine Verteidigung ermöglicht – die Beschuldigung ist in der Regel auch eine Urteilsverkündung, die keine Revision zulässt.

    Zum Thema: Über Deine Worte musste ich eine ganze Weile nachdenken. Natürlich empfinde ich mich nicht als Rassisten; dazu kenne ich viel zu viele Leute mit Migrationshintergrund, mit denen ich einen entspannten, normalen Umgang pflege. Aber das ist nicht, was Du meinst (das habe ich erst durch Deinen klugen Hinweis auf die Sprache verstanden), und das ist letztendlich auch nicht, was mich frei macht von einem möglichen Vorwurf bzw. „Tatbestand“. Denn alle die oben genannten Leute kenne ich persönlich, und ich kann mir nur deshalb eine Meinung bilden, die sich auf ein eigenes Urteil und nicht auf ein mögliches Vorurteil stützt.

    Was ich, wenn ich in mich hineinhorche, feststellen kann, sind Vorbehalte nicht aufgrund von Rasse, aber gegen bestimmte kulturelle Aspekte, die eben sehr oft mit einer anderen Hautfarbe einhergehen. Ich lehne beispielsweise monotheistische Religionen, die damit verbundenen „Führerkulte“, Hierarchien und Verhaltensregeln stark ab (keinesfalls den Glauben oder die Spiritualität – nur die Religionen). Treffe ich einen überzeugten Christen, sehe ich einen Spinner; treffe ich einen überzeugten Muslim, befürchte ich eher einen potentiellen Islamisten. Was diese meine Vorurteile angeht, spielt viel stärker das Thema „fremd“ eine Rolle als „Rasse“.

    2) Zwei People of Color fragen Deutschland Liebe Weiße, wie profitiert ihr von Rassismus?

    Womit ich mich (um das Thema von oben weiterzuführen) allerdings noch nie auseinandergesetzt habe, ist das Thema „ich bin weiß“. Ist für mich genauso weit weg wie das Thema „ich bin nicht behindert“, „ich bin ein Mann“, „ich bin nicht arm“ etc.; ist halt einfach so.

    Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass ein Afrikaner, der in seinem Heimatland einem Weißen über den Weg läuft, sich fragt, was „schwarz sein“ für ihn in seiner Gesellschaft bedeutet.

    3) Starbucks bans employees from wearing anything in support of Black Lives Matter

    Stattdessen wird in der westlichen Welt vor allem in konservativen Kreisen permanent die Bedrohung der Meinungsfreiheit durch linke Aktivisten beklagt, vorrangig mit irgendwelchen Geschichten absurder studentischer Aktivisten (weil aller tiefgreifender Wandel dieser Welt ja immer von studentischen Aktivisten ausging). Gleichzeitig ist die gesamte Debatte auf dem rechten Auge blind.

    Das finde ich lustig, dass Du das so formulierst 🙂

    Die Rechten beklagen die Bedrohung der Meinungsfreiheit durch Linke (zu recht!), und die Linken beklagen das Gleiche aus der anderen Richtung (sicherlich ebenfalls zu recht). Der ganz normale Kampf ums „richtige Framing ist halt keine Frage der Fakten, sondern des Standpunkts.

    Die Starbucks-Nummer erinnert mich ansonsten an diesen Spacko, der vor ein paar Jahren versuchte, Tichys Einblick, Achgut und anderen die Werbegelder abzudrehen.

    4) Politischer Klimawandel

    Wir haben es definitiv sowohl mit einer Links- als auch mit einer Rechtsverschiebung von Diskursen zu tun, und ich würde auch soweit gehen zu sagen, dass die Gesellschaft sich insgesamt deutlich in die progressivere Richtung verschoben hat.

    Ja

    Oder will irgendjemand abstreiten, dass sich auf dem Feld von Asyl-, Migrations- und Flüchtlingspolitik das Framing von Rechts praktisch komplett durchgesetzt hat?

    Natürlich streite ich das ab. Wie kommst Du darauf?

    5) Tweet

    Und andererseits die Feststellung: Wir hatten in der Debatte zur Euro-Einführung ja die Behauptung seitens Stefan Pietschs, dass Italien et al die Euro-Gewinner und Deutschland der Euro-Verlierer sei, was ich damals schon bezweifelt habe.

    Grundsätzlich gilt, dass Du Zahlen finden kannst, die Deine Aussagen belegen – wie immer die lautet.

    Deine Verkürzung der Aussagen von Stefan P. verfehlen ein wenig das Ziel.

    Zur Euro-Einführung profitierten erst einmal alle Länder, allerdings unterschiedlich; die Deutschen mit erleichterten Ausführ-Möglichkeiten, die Italiener mit niedrigeren Zinsen. Aber das ist nicht das, was sich aus den Zahlen herauslesen lässt.

    Wenn Deutschland auf 100 % indiziert ist (es sind ja keine absoluten Zahlen, sondern Relationen) und über den anderen schwebt, ist das der Zustand, der die wirtschaftliche Leistung Deutschlands widerspiegelt. Dass die anderen Länder ab 1989/1990 „aufholen“, muss nicht bedeuten, dass sie besser werden, sondern kann auch heißen, dass Deutschland schlechter geworden ist.

    Dieser Zeitpunkt fällt ziemlich genau mit der Deutschen Einheit zusammen, und die damalige Struktur unserer Wirtschaft (Deutschland AG oder „kranker Mann Europas“, hat Stefan P. mal ganz gut erklärt) war recht erstarrt. Das Kurve kippt wieder mit dem Einsetzen der Reformen der Agenda 2010 durch die Regierung Schröder.

    • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 15:10

      1) Darauf wollte ich mit raus, weswegen ich auch das Wirtschafsbeispiel mit benutzt habe. Das Phänomen ist universell und nicht auf Ethnie oder Geschlecht begrenzt. Es liegt in der Natur des Menschen. Unsere Erfahrung ist notwendig begrenzt, und wir können diese Begrenztheit mit Offenheit und Empathie zu kontern versuchen – oder es eben lassen. Und ich denke tatsächlich, dass letztere Option jemand zu einem schlechteren Menschen macht. Ich meine, der Vorwurf an Menschen wie mich, die „besorgten Bürger“ nicht zu verstehen und uns ihren „Sorgen und Nöten“ zu verschließen, war nicht völlig falsch.

      2) Die haben aber auch keine unterdrückten weißen Minderheiten.
      Ich denke aber es ist sinnvoll, sich mit der Frage zu beschäftigen. Ich mache das auch erst seit sehr Kurzem. Was bedeutet es, nicht behindert zu sein? Ein Mann zu sein? Weiß? Schwabe? Akademiker? Mittelschichtenkind? Wie in 1) beschrieben öffnet das den Blick, und das kann ja eigentlich nur gut sein. Mit dieser Beschäftigung ist ja kein moralischer Aufrag des sich-schlecht-Fühlenns verbunden.

      3) Ja, sicher richtig.

      4) Ich war 2015 bis 2020 in Deutschland lebendig.

      5) Das macht Sinn, danke. Deswegen habe ich auch so skeptisch gefragt 🙂

      • Erwin Gabriel 21. Juni 2020, 00:06

        @ Stefan Sasse 20. Juni 2020, 15:10

        zu 4) Politischer Klimawandel

        Ich war 2015 bis 2020 in Deutschland lebendig.

        Ich auch. Wir sind trotz AFD immer noch weit links des Meinungsbildes, was wir etwa 1990 hatten.

        • Stefan Sasse 21. Juni 2020, 13:16

          Das bezweifle ich ja gar nicht. Meine These ist die, dass 1990-2015 die Entwicklung auf dem Feld nach links ging und seither wieder nach rechts rutscht. Wir sind definitiv noch weit davon entfernt, was wir 1990 hatten. Keine Frage.

          • Erwin Gabriel 21. Juni 2020, 15:47

            @ Stefan Sasse 21. Juni 2020, 13:16

            Das bezweifle ich ja gar nicht. Meine These ist die, dass 1990-2015 die Entwicklung auf dem Feld nach links ging und seither wieder nach rechts rutscht. Wir sind definitiv noch weit davon entfernt, was wir 1990 hatten. Keine Frage.

            Da kann ich gut zustimmend. Ich bestritt nur die ausschließlich rechte Betrachtungsweise des Themas „Migration“.

            • Stefan Sasse 21. Juni 2020, 17:54

              Nein! Das wollte ich auch nicht sagen. Nur dass es eben eine Rechtsverschiebung gab. Es gibt ja auch keine ausschließlich linke Betrachtungsweise der Emanzipationsfrage, die ist nur dominant.

              • Erwin Gabriel 22. Juni 2020, 22:02

                @ Stefan Sasse 21. Juni 2020, 17:54

                Nein! Das wollte ich auch nicht sagen. Nur dass es eben eine Rechtsverschiebung gab.

                So wird es für mich klarer, da kann ich zustimmen.

                Es gibt ja auch keine ausschließlich linke Betrachtungsweise der Emanzipationsfrage, die ist nur dominant.

                Ich sehe im Bereich der Zuwanderung derzeit eigentlich zwei dominate Meinungen, die entgegengesetzt sind. Praktisch nichts in der Mitte.

    • Marc 20. Juni 2020, 17:14

      Zur Euro-Einführung profitierten erst einmal alle Länder, allerdings unterschiedlich;

      Dem widerspreche ich. Es gibt ernsthafte Nachteile: Eine Währungsunion transferiert die Währung in eine Fremdwährung, die dem nationalen Zugriff entzogen wird. Währungspolitische Maßnahmen können nicht mehr autonom vollzogen werden. Gerade in Krisen wird dieser Verlust teuer, was auch zu sehen war. Für kleine Länder ist die Gefahr der Kapitalflucht wesentlich größer als für größere Länder.
      Es gibt Vorteile, wie der zeitweise [sic!] niedrige Zins, sie sind aber teuer erkauft.

      Das Kurve kippt wieder mit dem Einsetzen der Reformen der Agenda 2010 durch die Regierung Schröder.

      Nein, das passt zeitlich nicht hin. Die Agenda 2010 kann vor 2005 nicht wirksam werden, die Kurve kippt deutlich früher.

      • Erwin Gabriel 21. Juni 2020, 00:26

        @ Marc 20. Juni 2020, 17:14

        Nein, das passt zeitlich nicht hin. Die Agenda 2010 kann vor 2005 nicht wirksam werden, die Kurve kippt deutlich früher.

        Ich schrieb ja, dass die indizierte Variante keine klaren Aussagen zulässt. Vielleicht wird es mit dieser Grafik zum Wirtschaftswachstum, bei der Deutschland nicht stumpf auf 100 % gesetzt ist, deutlicher.

        Die Auswirkungen des Wechsel von der DM zum Euro sind fast vernachlässigbar; viel stärker zählen Ereigniosse wie Deutsche Einheit, Agenda 2010, Finanzkrise 2008/2009

        • Marc 21. Juni 2020, 10:13

          Schaut man auf die Entwicklung der Sektoren:

          https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftssektor#/media/Datei%3ABIP_nach_Wirtschaftssektoren_1976-2011.png

          Sieht man, dass vor der Finanzkrise der Sekundärsektor stagniert und der Wachstum aus dem tertiären kommt. Das spricht gegen einen Effekt der Agenda 2010 und für eine heißlaufende Blase, die daraufhin platzt.

          • Erwin Gabriel 21. Juni 2020, 15:53

            @ Marc 21. Juni 2020, 10:13

            Schaut man auf die Entwicklung der Sektoren: …

            Geht es da um Österreich? Das hilft bei der Betrachtung von Deutschland nicht wirklich weiter.

            Aber nochmal: Bei so komplexen Themen gibt es nienur eine Ursache pro Wirkung, und ich finde (deshalb) für jede Aussage eine stützende Statistik.

  • CitizenK 20. Juni 2020, 14:36

    6) Wie passt aber hierzu, dass die lesbarsten Darstellung von Geschichte (auch bei uns) von britischen (oder dort sozialisierten) Autoren stammen? Wie auch das Histotainment im deutschen TV fast völlig britisch dominiert ist?

    Vielleicht ist die Geschichtswissenschaft hier wissenschaftlicher (obwohl: Cambridge!?), gesellschaftlich und politisch wirksamer ist sie nicht.

  • Stefan Sasse 20. Juni 2020, 15:05
  • Ariane 21. Juni 2020, 03:24

    1&2)

    Marina Weisband hatte die Frage „wie man vom Weißsein profitiert“ auch auf Twitter, da hab ich mitgemacht. Glaub damit, dass ich nie oder nur flüchtig kontrolliert werde, selbst auf Flughäfen oder vor Stadionbesuchen. Vieles merkt man als weißer Durchschnittsmensch auch einfach nicht. Die Menschen reagieren ja mehr oder weniger immer gleich, weiß ja keiner, ob er einen Job oder eine Wohnung bekommen hat, weil er dem Durchschnitt entspricht.

    Und ja, wir brauchen mehr Worte und mehr Offenheit (Romane lesen hilft dabei übrigens Jungs^^) Mir tuts zum Beispiel ganz gut, dass ich nicht mehr so auf die Sprache achte und hier gelegentlich einfach runtertippsel oder flapsiger schreibe. Und es war ja offensichtlich, dass das etliche Kommentatoren getriggert hat. Weil ich so ordinär bin.

    Ich probier ja auch immer Begriffe aus oder klau die einfach. Siehe linksgrünversiffter Gutmensch. Das benutzt die Rechte glaub ich gar nicht mehr, das wurde gekapert. Mit PoC u.ä. bin ich auch nicht glücklich, ist mir zu akademisch. Jetzt sind wir schon bei BiPoc oder so. Das ist ja Geheimsprache. Da nehme ich schon lieber Schwarze oder das englische Black People oder so.

    Und ich würde gerne mal einen Schritt weiterkommen, es zermürbt mich, wenn jedes Mal eine Diskussion losbricht, warum man denn nicht mehr N.-Kuss sagt, weil man das ja schon immer so gemacht hat!!!! Ja, weil das andere Menschen verletzt. Fertig. Ich mein, die Schaumkuss-Debatte ist 25 Jahre alt oder so. Das ist schon längst abgehakt.

    5) Ich hatte da ja die Wirtschaftsbubble gefragt, aber ich halte Italien einfach für ein schlechtes Beispiel. Die Frage ist ja auch, was man hernimmt, BIP, Lebensstandard (von wem), Arbeitslosenquote.

    Die Eurozone ist nichts halbes und nichts ganzes, das sorgt immer für Schräglagen. Deutschland ist total exportabhängig, was uns gerade ziemlich um die Ohren fliegt und das sorgt dann in anderen Ländern wieder für Probleme. Das ist schwer ohne vernünftigen Ausgleichswesen (sprich: EZB). Ganz wird man das aber mit oder ohne Euro nicht loswerden.

    6) britische Geschichte
    Ja, die Engländer sind da echt krass drauf, aber es ist wirklich ein Problem, das die völlig besessen sind von ihrer Heldenverehrung und das verengt das Geschichtsbewusstsein total. Ich wäre auch dafür den Geschichtsunterricht mehr auf die ganze EU auszuweiten, die anderen Länder kommen ja hauptsächlich als Kriegsgegner oder Konkurrenten vor, das ist nicht sehr zeitgemäß.

    9) Dieser Aufgeben-Effekt scheint mir recht weit verbreitet zu sein. Er ist menschlich auch sehr verständlich. Gerade der Erfolg der Präventionsmaßnahmen hat jedes Gefühl für die Dringlichkeit der Krise verschwinden lassen

    Ja, das ist echt wacklig, die Pandemiechaosapokalypse hat sich erstmal wieder gelegt, und jetzt ist alles wieder auf und Tönnies baut ein neues Ischgl und wir haben dutzende Ausbrüche hier und da. Tönnies wird richtig fies glaube ich.

    Niedersachsen hat schon wieder eine PK gegeben, die an Konfusität nicht zu überbieten war (eine Ministerin war das) und es ist jetzt quasi alles erlaubt, was Geld kostet und Treffen von 10 Personen. Ich sag mal, das erweckt alles nicht gerade Vertrauen, was von der Landesregierung kommt. Nämlich nichts. „besonnen durch die Krise und hier sie wurden ausgewählt, nach Ibiza zu fliegen, viel Spaß“

    Aso und die Info-Ebene ist brutal zusammengebrochen, keine Ahnung ob die alle in die Ferien abgehauen. Aus Schweden zwei Tage keine Zahlen, mein Ort ist verseucht und so ganz weiß man nicht, was die machen, wen die testen, da kommen nur Blubberblasen. In Gütersloh, Göttingen und ich glaub Berlin stehen die Landkreise scheinbar allein auf weiter Flur und versuchen, ein dramatisches Problem wieder einzufangen.

    Ich meine, wie trottelig stellt man sich da an. Die Wirtschaft bricht gleichzeitig weiter ein, das wird in den Sommerferien oder spätestens danach ein böses Erwachen geben meiner Meinung nach.

    10) Ich glaub ja, dass AKK da genau richtig ist, aber das lässt sich nicht mit ein bisschen Klein-Klein in den Griff bekommen, es sollte auch gar nicht mehr diskutiert werden, ob Bundeswehr, Polizei, Verfassungsschutz und Innenministerien völlig extremistisch unterwandert sind.

    Ja sind sie, wir müssen einmal alles von oben nach unten kehren. Immerhin, ich hab schon das Gefühl, dass die Politik und Behörden seit Lübcke aufmerksamer sind, aber das reicht halt nicht. Und das muss auch unabhängig geschehen, damit nicht ständig etwas durchgestochen wird. Immerhin, AKK und der neue Kommandant des KSK haben ja deutliche Worte gewählt, daran werden sie gemessen.

    10) Ich spiel da immer ein bisschen mit rum und versuche schon Formulierungen zu finden, die geschlechtsneutral sind, deswegen mag ich auch Anglizismen. Oder Sachen wie Kids oder Studis. Oder ich wechsel halt und sage Pflegekraft und LKW-Fahrerin.

    Finde ich besser, als wenn man mit PoC oder * herumwuselt. Binnen-I mach ich auch häufiger, aber ich hätte gerne Begriffe, die man auch sprechen kann und die selbsterklärend sind.

    Es ist ja nicht nur die Schriftsprache, es ist alles. Die Medien, die Werbung, Geschichte, Schriftstellerinnen, etc. Wir müssen insgesamt mehr Diversity und unterschiedlichste Rollenbilder „Normaler“ machen.

    Siehe Maischberger, die nur mit weißen Menschen über Rassismus sprechen will und ich bin sicher, das ist niemandem aufgefallen, dass das komisch wirkt. 😉

    • Marc 21. Juni 2020, 11:28

      5) So sieht einfach die Realität aus. Das Problem sind die Mythen, wie „Der Euro ist gut und hilft allen jederzeit“, „der Süden schmarotzt auf Kosten des Nordens“ oder „die Agenda 2010 hat gewirkt“. Schaut man auf die Fakten, bleibt nur Ideologie übrig.

      • Ariane 22. Juni 2020, 02:23

        Ja, ich hab da auch keine Lust mehr zu, das ist auch total personalisiert irgendwie. Ich meine der Euro ist halt eine Währung. So funktionieren Währungen nun mal. Sehe gar keinen Grund, da so ein Heiopei jedes Mal zu machen.

        Obwohl verrückterweise die EZB-Krise und der Voßkuhle schon längst wieder Schnee von gestern sind. 2020 ist einfach total kaputt.

      • Erwin Gabriel 22. Juni 2020, 22:10

        @ Marc 21. Juni 2020, 11:28

        Das Problem sind die Mythen, wie „Der Euro ist gut und hilft allen jederzeit“, „der Süden schmarotzt auf Kosten des Nordens“ oder „die Agenda 2010 hat gewirkt“. Schaut man auf die Fakten, bleibt nur Ideologie übrig.

        Ceterum Censeo …

        Viel mehr als derartige Ideologie (ich übersetze mal lieber in „einseitige Betrachtung“) habe ich von Dir auch nicht gelesen. Wenn Du sagst, dass dere Euro ein zweischneidiges Schwert ist, bin ich ja bei Dir. Aber zu sagen, dass nur Deutschland profitiert und über den Euro die Südländer ausbeutet, ist einfach nicht richtig.

        Deutschland wollte den Euro nicht, Frankreich wollte ihn. Und sowie die Idee im raum war, wollten die Südländer da auch mitmachen. Die sind doch nicht alle blöd gewesen …

    • Stefan Sasse 21. Juni 2020, 13:17

      10) VdL ja auch schon, aber die wurde ziemlich heftig dafür kritisiert.

      • Ariane 22. Juni 2020, 02:20

        Ja ich glaube AKK passt da besser mit ihrem herbem Durchsetzungsvermögen. Von der Leyen hat das aber angeschoben, wie auch übrigens das Beschaffungswesen zumindest versucht aufzuräumen.

        Das Problem ist ähnlcih wie bei der Polizei der Korpsgeist und zweitens die deutsche Befindlichkeit, was das Militär angeht. Der KSK Kommandant ist ja relativ neu und die scheinen an einem Strang zu ziehen, und es kommt ja wie mit dem MAD viel ans Licht.

        Das ist absolut erschreckend, aber es heißt eben auch, sie schauen hin. Der Brandbrief des KSK-Soldaten ist ein gutes Zeichen. Die Aufgabe wird nur schwerer, wenn AKK nicht die volle Unterstützung hat, sondern von links und rechts angegriffen wird.

        • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 08:52

          Ja, ich fand schon die harsche Kritik an von der Leyen in der Sache sehr befremdlich.

          • Ariane 22. Juni 2020, 15:08

            Muss gestehen, seit Corona hege ich den Verdacht, dass da voll der Ödipus-Konflikt durchschlägt. Ist ja unfassbar, wieviele einen Nervenzusammenbruch bekommen, wenn Merkel der Republik rät, sich die Hände zu waschen.

            Gibt genug, die VdL Flinten-Uschi genannt haben und sie war eine gute Verteidigungsministerin. Jetzt haben sie ja eher die Esken am Wickel. Ist ja schrecklich, jetzt bin ich wegen ihr schon Antifa und dabei mag ich sie nicht mal, aber wenn Frauen/Ausländer erwähnen, dass es ein strukturelles Rassismus-Problem gibt, führt das direkt zu Männerbünden.
            Mittlerweile wird erzählt, in Stuttgart gab es Krawalle, weil eine Taz-Journalist*in (anscheinend kein binäres Geschlecht) und Frau Esken mal was Gemeines über die Polizei gesagt hat.

            Da ist kollektiver Nervenzusammenbruch schon fast zu harmlos für. Deswegen glaub ich AKK ist genau die richtige, ich mag solche Politikerinnen ja (ist sie eigentlich nebenbei immer noch Vorsitzende?) aber bei der Bundeswehr ist sie genau richtig, hat sich den KSK-Kommandanten als Verbündeten geschnappt und die lässt sich bestimmt nicht auf der Nase herumtanzen.

            War politisch nicht klug, aber ich hab sie heimlich sehr dafür gefeiert, wie sie Merz direkt herausgefordert hat, als er nach seiner Niederlage immer versucht hat, Strippen zu ziehen. Also sie bekommmt sofort von mir ein SPD-Antragsformular überreicht. 🙂

            • Ralf 22. Juni 2020, 15:11

              Gibt genug, die VdL Flinten-Uschi genannt haben und sie war eine gute Verteidigungsministerin.

              Naja, “Flinten-Uschi” passt nun wirklich garnicht. Die Bundeswehr hat ja keine funktionierenden Flinten oder anderes operationstüchtiges Equipment. “McKinsey-Uschi” wäre passender …

            • TBeermann 22. Juni 2020, 15:14

              Wo war von der Leyen eine gute Verteidigungsministerin? Außer durch horrende Beraterverträge ist sie durch nicht all zu viel aufgefallen. Man hat sie nicht durch den Wechsel nach Brüssel aus der Schusslinie genommen und gerettet. (Ich würde da durchaus so weit gehen, dass sie außer ihrem Vater und ihrer Gebärfreudigkeit auch nicht all zu viele Qualifikationen mitgebracht hat).

              AKK kann ich politisch nicht wirklich einschätzen, aber ihre Einlassungen zu gesellschaftlichen Themen (und besonders Minderheiten), waren schon ziemlich widerlich.

              • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 18:36

                VdL hat diverse gute Projekte angestoßen, von der größeren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundeswehr zu der offenen Kritik des Rechtsextremismus und so weiter.

                • Stefan Pietsch 22. Juni 2020, 18:52

                  Welche Aufgabe hat die Bundeswehr nochmal?

                  • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 19:36

                    Landes- und Bündnisverteidigung, warum?

                    • Stefan Pietsch 22. Juni 2020, 20:24

                      Und ich dachte Rassismusbekämpfung und Schaffung von Betriebskindergärten.

                    • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 20:42

                      Da liegst du falsch. Aber freut mich, dich aufklären zu können.

                • TBeermann 22. Juni 2020, 19:10

                  Hat sie das tatsächlich? Also, ist eine ernst gemeinte Frage.

                  Beim spontanen Googeln habe ich die Ankündigung von ihr gefunden, aus dem Januar 2014. Allerdings nichts Aktuelleres, obwohl sie danach ja noch 5 Jahre Verteidigungsministerin war. Die entsprechenden Gesetze und Regelungen scheinen nämlich fast alle deutlich älter zu sein (2005 – https://www.bundeswehr-kinderbetreuung.de/kp/Schon-gewusst-Teilzeit-auch-fuer-Soldatinnen-und-Soldaten-moeglich und 2010 https://redaktion.bundeswehr-kinderbetreuung.de/C125757600377287/CurrentBaseLink/W295RMZU912KPBWDE/$File/handbuch_familie_und_dienst.pdf).

                  Einzig das „Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Soldatinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ ist während ihrer Zeit als Verteidigungsministerin entstanden (2016), allerdings im Innenministerium.

                  • Ariane 24. Juni 2020, 23:29

                    Also ich würde mal sagen, sie hat auf jeden Fall viel aufgewirbelt, ich denke, so wirklich wird man das erst in den nächsten Jahren beurteilen können.

                    Die Sicherheitslage hat sich seit ihrem Amtsantritt ja völlig verändert und da war ja noch die Abschaffung der Wehrpflicht.

                    Mal abwarten, das sind teils so krasse Strukturen und die Rüstungsbranche ist so hart umkämpft. Das war ja auch noch ein totaler Turnaround, an den Küsten hatten sie noch nicht mal alles abgebaut, was sie geschlossen hatten. Da fiel dann auf, dass Putin gar nicht so friedlich ist. Jetzt bauen sie hastig wieder auf (dazu kommt, dass die Marine wieder wichtiger ist jetzt) und wegen Gentrifizierung ist das gar nicht so einfach, weil da jetzt lustige Yachthäfen und Ferienwohnungen an ehemaligen Standorten stehen.

                    Also das ist auch einfach ein undankbarer Job, ich möcht den auch nicht machen. Mal sehen, könnte jetzt mit Corona auch helfen, weil da sicher mehr Gelder für die Infrastruktur und auch das Militär freiwerden.

            • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 18:35

              Die Stuttgart-Debatte ist völlig abgespacet. Ich hab mir überlegt was dazu zu schreiben aber das ist es mir irgendwie nicht wert…

              • Stefan Pietsch 22. Juni 2020, 18:51

                Bemüh‘ Dich nicht, ist bereits in Arbeit. 😉

                • Stefan Sasse 22. Juni 2020, 19:36

                  Jetzt hab ich Angst.

                  • CitizenK 22. Juni 2020, 20:02

                    Fürchte dich nicht. Wir sind ja auch noch da 😉

              • Ariane 23. Juni 2020, 04:24

                Muss zugeben, die Stuttgart-Sache hatte ich a) überhaupt nicht auf dem Schirm, b) überschnitt sich das ja auch noch mit Seehofer zeigt die taz an und c) war ja noch mein Ort Hotspot, Tönnies, Göttingen, Fußball.

                Seit Corona ist Stuttgart irgendwie ein Hort der Verrückten, erst habt ihr Ken Jebsen und sein Spinnergefolge bei euch und jetzt spielt die „internationale Party/Eventszene“ Krawalltourismus im Schwabenländle. Schlimm genug alles ich weiß auch immer noch nicht, wie sowas passieren konnte. Wenn als absurder Höhepunkt ein demoliertes Polizeiauto in die Innenstadt transportiert wird und „feierlich“ enthüllt wird, ist das vermutlich auch nicht mehr herauszufinden.

                Ich bin ebenso verdutzt wie die schwäbische Polizei. Ich meine, Berlin macht „versehentlich“ einen Schlauchboot-Rave (ganz friedlich) und in Stuttgart tobt plötzlich ein bürgerkriegsähnlicher Mob der internationalen Partyszene?

                • Stefan Sasse 23. Juni 2020, 08:10

                  Ich bin kein Stuttgarter. Mich darfst das nicht fragen, ich habe keinen Bezug zu der Stadt, auch wenn sie nur 15min weg ist^^

                  • Ariane 23. Juni 2020, 11:52

                    Hier hat die ZEIT mal versucht, die Ereignisse zu rekonstruieren: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-06/krawalle-stuttgart-ausschreitungen-pluenderungen-polizei-randale-innenstadt/komplettansicht

                    Ich hab gestern nebenbei die Pressekonferenz von Seehofer und Strobel (wohl BaWü-Innenminister oder so gesehen) und die haben quasi die Taz-Journalistin und Saskia Esken verantwortlich gemacht für den bürgerkriegsähnlichen, radikalen Mob.

                    Das ist natürlich vollkommen bekloppt. Das war doch kein politisch interessierter Lesekreis. Das waren irgendwelche gelangweilten Jugendlichen und die Polizei liest scheinbar nur die BILD oder sonstwas und hat da mal eine Drogenkontrolle mit einem Streifenwagen oder so angeleiert.

                    Und dann hieß es „Polizei mischt Ausländer auf“ und alles eskalierte (so ist zumindest meine Blitz-Analyse).

                    Das kennt man in Schwaben vermutlich nicht, aber mich und einige Bekannte hat es an die 1. Mai-Problematik erinnert, die es vor allem in Hamburg und Berlin gibt und die man meist Krawalltourismus nennt. Nur dass das hier wohl kein Tourismus war.

                    Das ist ein riesiges Problem, hätte man vermutlich vermeiden können, aber wenn etwas so spontan eskaliert, wird die Strafverfolgung extrem schwer, trotz Videomaterial. Ich meine, einen haben sie heute wieder freigelassen, weil er erst 16 Jahre alt ist.

                    Kannst gleich wieder deinen Artikel über toxische Männlichkeit verlinken. Im Fußball hat man die Problematik ja auch, das nutzen einige, um sich mal kräftig zu betrinken und „Stress zu suchen“ Ob mit gegnerischen Fans, einer Kneipenschlägerei oder gegen die Polizei bzw Autorität allgemein.

                    Und dass wir gerade eine fragile Stimmung im Land haben und dann noch die ganzen Kids auf einem Haufen auf ner Wiese zusammen abhängen, macht es so gefährlich. Da war die schwäbische Polizei auch völlig unvorbereitet (weil ihr ja erst kürzlich ein Hort der Spinner seid). Schlimm. Aber vor allem ärgerlich, weil es vermutlich sehr einfach zu vermeiden gewesen wäre 🙁

            • Erwin Gabriel 22. Juni 2020, 22:28

              @ Ariane 22. Juni 2020, 15:08

              … und sie war eine gute Verteidigungsministerin.

              Echt jetzt? Die war der Horror.
              Hat im Beschaffungswesen nichts gerissen, hat den lausigen Zustand der Ausrüstung (der nicht auf ihre Kappe geht) nicht um einen Deut verbessern können, hat JEDEN EINZELNEN Soldaten unter Nazi-Generalverdacht gestellt, hat jeden Spind persönlichen Spind durchsuchen lassen, hat endlos Geld für Berater ausgegeben, die nichts brachten, hat unsere Soldaten ungebeten für Auslandseinsätze angeboten, für die sie nicht ausgerüstet waren (was von der Leyen wusste). Und über allem schwebt die hohe Empfindlichkeit, die hohe Reaktivität bei persönlicher Kritik. Ich sag’s ja ungern, aber was Souveränität angeht, kann vdL viel von der Bundeskanzlerin lernen.

              Man kann ja zur Bundeswehr stehen, wie man mag – von Abschaffen bis Aufstocken. Aber über einen Punkt sollte man sich klarsein: Das sind keine in Öko-Baumwolle gewandete Veganer, die nur deswegen durch den Wald streichen, um ihn zu pflegen. Die müssen im Zweifelsfall in einen krieg ziehen, werden dort eventuell getötet. Den Respekt sollte man haben, dass man sie ernst nimmt und für ihre Aufgaben ordentlich ausstattet. Hat die Selbstverteidigungsministerin vdL überhaupt nicht verstanden.

              Wo ich ganz auf Deiner Linie bin: AKK geht das mit deutlich mehr Seriösität und deutlich weniger Eitelkeit an. Sie hat eine gewisse Ruhe hereingebracht; man liest nicht ständig irgendeinen Boulevard-Bullshit, was ein gutes Zeichen ist. Das haben viele vor ihr schon spürbar schlimmer hingebracht.

              • Ariane 23. Juni 2020, 12:07

                Das sprengt jetzt doch ein bisschen die Kommentarspalte, ich hatte zu meinem Artikel über Merkel da etwas zu geschrieben glaub ich, weil ich Außen/Sicherheitspolitik irgendwie gesondert beschrieben habe.

                Ja, ich fand sie war eine gute Verteidigungsministerin. Man muss bedenken, dass zu Guttenberg die Wehrpflicht Knall auf Fall abgeschafft hat und dann über sein Blendertum stolperte und weg war.

                Und das Verteidigungsministerium ist sowieso ein Moloch und diese Problematik kam noch oben drauf.
                Kam ja niemand auf die Idee, sowas wie die Abschaffung der Wehrpflicht mal vorher zu diskutieren und zu planen.

                Das ist eine totale Zäsur. Immer noch. Eine Freiwilligen-Armee ist nun mal was ganz anderes. Das ist nicht mal „fix“ erledigt. Ich rechne vdL hoch an, dass sie die Probleme angepackt hat.

                Deswegen hatten wir soviele Skandale übrigens, das war ja nicht durch sie ausgelöst. Die rechtsextremen Tendenzen, das Beschaffungswesen, die absolut unzureichende Ausstattung, dass Frauen dienen dürfen wurde ebenfalls irgendwann erlaubt, aber nie mal überlegt, was das für Probleme aufwirft.

                Erinnert sich noch jemand an die tote Marinesoldatin der Gorch Fock? Dessen Tod bis heute nicht aufgeklärt ist und schon solange zurückliegt, dass ich mich erinnere, vor 10 Jahren oder so mit einem Freund darüber diskutiert hab, der bei den Marinefliegern war und sie kannte?

                Sie hat zumindest angefangen, den Laden auszumisten, musste diese ganzen ignorierten Probleme irgendwie anpacken und seit ihrem Amtsantritt ist die Sicherheitslage eher eskaliert, wir haben mehrere Tausend Soldaten im Ausland eingesetzt.

                Von daher rechne ich ihr jeden Skandal der seitdem bekannt wurde, hoch an. Es sind keine neuen Probleme und da lief bestimmt einiges schief. Aber sie holt die Dinge an die Oberfläche und dass Deutschland ein gestörtes Verhältnis zu seinem Militär hat, wurde hier ja schon häufig thematisiert.

                Ich glaube, AKK passt da besser mit ihrem burschikosen Auftreten. Als Vorsitzende der CDU passte das gar nicht, aber in der Bundeswehr ist sie goldrichtig. Obwohl ihre Aufgabe mit KSK und MAD und Pandemie usw noch schwieriger ist.

                Bin wirklich Fangirl und ein bisschen traurig, dass sie – egal wie die Wahl ausgehen wird – höchstwahrscheinlich nächstes Jahr in der Versenkung verschwindet. Ich traue auch den Grünen zu, einen guten Verteidigungsminister zu stellen, aber ich glaube jemand aus der SPD wäre besser geeignet, weil es da weniger Vorurteile gegen gibt. Peter Struck war übrigens auch ein guter Verteidigungsminister. An den erinnert sich nur niemand mehr 😉

                • Ralf 23. Juni 2020, 14:08

                  Oh mein Gott, ich weiß garnicht wo ich anfangen soll mit dem Widersprechen …

                  Vielleicht fange ich mal hier an. Peter “Deutschland wird am Hindukusch verteidigt” Struck war ein guter Verteidigungsminister???

                  • Ariane 23. Juni 2020, 16:37

                    Peter “Deutschland wird am Hindukusch verteidigt” Struck war ein guter Verteidigungsminister???

                    Keine Ahnung ehrlich gesagt, mir ist kein Skandal bekannt und ich weiß, dass er bei der Truppe sehr beliebt war.
                    Das ist sehr wichtig, weil du da sonst nichts erreichst, wenn die Soldaten nicht mit den Ministerien zusammenarbeiten.
                    Dann haben wir einen deep State und Situationen wie beim KSK und in anderen Teilen der Bundeswehr, das erledigt sich auch nicht durch eine Kasernendurchsuchung und Beschlagnahmung von Hakenkreuzfahnen.

                    Das ist eine Mammutaufgabe und muss vorrangig aus den Reihen der Bundeswehr selbst angegangen werden, und ja VdL und AKK haben das angestoßen.

                    • Ralf 23. Juni 2020, 16:55

                      Ich glaube, die Tatsache, dass Peter Struck in die Geschichte eingegangen ist, als jemand, der eine völlig abstruse Rechtfertigung erfunden hat deutsche Soldaten am Ende der Welt für nichts zu opfern, wiegt schwerer als die Frage, ob er beliebt war. Im übrigen ist nicht klar, ob es nicht schon damals Hakenkreuzfahnen bei dem einen oder anderen Soldaten gegeben hat. Damals hat nur keiner danach gesucht.

                    • Stefan Sasse 23. Juni 2020, 17:49

                      Das Problem wurde schon in den 1960er Jahren thematisiert. Damals hat Helmut Schmidt sich allerdings geweigert, dem nachzugehen – er wollte sein „gutes Verhältnis zur Truppe“ nicht gefährden. Peter Struck ja genauso. Von der Leyen war da genauso wie AKK etwas aufrechter.

                    • Ariane 24. Juni 2020, 02:02

                      Muss ich irgendwann nochmal googlen, ich meine, Struck kam nach Scharping? Könnte auch bis vdL der letzte gewesen sein, der ganz normal aus dem Amt schied.

                      Es ist auch echt ein schmaler Grat, man darf sich nicht zu beliebt machen, aber wenn die hohe Bundeswehr-Ebene nicht mitmacht, kommt man eben auch nicht voran. Ist halt Korpsgeist da. Das gibt auch totale Unterschiede, die Marine ist zb automatisch diverser, einfach weil das nur Berufssoldaten machen und die logischerweise alle an die Küste müssen. Heeres-Stützpunkte sind dagegen überall, da hat man eher eine kulturelle Monokultur.

                      Ich weiß auch gar nicht, ob der alte KSK-Kommandant (der war wohl quasi der Ober-Nazi) freiwillig gegangen ist und ob vdL ihn noch geschasst oder verrentet hat. Aber AKK und der KSK-Kommandant ziehen da an einem Strang, das ist gerade in so einer Einheit natürlich enorm wichtig.

                      In Eckernförde sind auch die Kampftaucher stationiert, das ist auch so eine Elite-Einheit wie die Navy Seals quasi. Die sind einfach qua Berufsbild total abgeschottet, selbst von den anderen Marinesoldaten. Für das GSG9 gilt das ja auch. Die brauchen einen gewissen Korpsgeist und ne feste Kommandostruktur (wie alle Soldaten, aber da ist es halt wirklich lebenswichtig), deswegen ist es umso wichtiger, dass die Führungsoffiziere gut ausgewählt sind.

                      Das klingt mit dem KSK zumindest als ginge es in die richtige Richtung, anders gehts auch nicht, wenn die sich alle gegenseitig misstrauen oder nicht Nazis drangsalieren, können die ihren Job nicht machen, dann können wir sie wirklich auflösen. Nur wir brauchen so eine Einheit. Zumindest wenn man nicht aus der NATO austreten will und die Bundeswehr abschaffen will.

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 08:36

                      Sicher, das bedingt sich. Genau deswegen muss man da ja so genau hinschauen.

                    • Ariane 24. Juni 2020, 02:08

                      @Ralf

                      als jemand, der eine völlig abstruse Rechtfertigung erfunden hat deutsche Soldaten am Ende der Welt für nichts zu opfern, wiegt schwerer als die Frage, ob er beliebt war.

                      Zum Einen hat nicht Peter Struck entschieden, bei Afghanistan mitzumachen und zum Zweiten ist eine abstruse Rechtfertigung nun wirklich nicht das Problem des Afghanistan-Einsatzes. Ich muss die Daten nochmal prüfen, aber der KFor-Einsatz hat ja weitaus besser funktioniert, da konnte Deutschland einfach ein bisschen mitlaufen, aber aus heutiger Sicht muss Kosovo wohl als Erfolg betrachtet werden.

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 08:37

                      Mal davon abgesehen, dass die Rechtfertigung nicht ganz so abstrus ist wie ihr tut.

                    • Ralf 24. Juni 2020, 09:14

                      Selbstverständlich ist die Rechtfertigung abstrus. Dieser Einsatz hat null zu unserer Sicherheit beigetragen, einen Dauerbürgerkrieg geschaffen, dessen Konsequenz ein Flüchtlingsexodus war und geholfen unter den Tausenden Opfern in Afghanistan immer neue Terroristen zu rekrutieren, die uns heute bedrohen. Auch war von vornherein klar, dass das passieren würde. Da musste man ja nur in die jüngere Geschichte von Afghanistan schauen. Beim Einsatz ging es schlicht und ergreifend darum, dass man sich nicht getraut hat den Amerikanern zu sagen, dass man dieses unsinnige Abenteuer nicht mitmachen wird. Denn das hätte wohl wirtschaftliche Nachteile bewirkt und damit Profit gekostet. Also hat man lieber die Klappe gehalten und deutsche Soldaten ohne jeden Sinn und Zweck in den Tod geschickt. Und Strucks Aufgabe war die griffige Rechtfertigung dafür zu liefern. Im wesentlichen auf dem selben Niveau wie Colin Powell später, als er vor der UN über die angeblichen Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein log.

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 12:14

                      Ich denke die Rechtfertigung ist mittlerweile sehr abstrus geworden, aber im Kontext des war on terror war es nicht völlig bescheuert. Fraglos ging schließlich von Afghanistan der größte Terroranschlag der jüngeren Geschichte aus, und 2005 gab es massive Anschläge der gleichen Leute in Madrid und London.

                    • Ralf 24. Juni 2020, 13:18

                      Fraglos ging schließlich von Afghanistan der größte Terroranschlag der jüngeren Geschichte aus

                      Der Chef der Truppe ebenso wie die meisten Mitglieder kamen aus Saudi Arabien und von dort kam auch das Geld, das sie finanziert hat. Der Masterstratege des Anschlags war Pakistani und der pakistanische Geheimdienst hat die Gruppe ebenfalls massiv protegiert, versorgt und gestützt. Die leitende Figur der Anschläge vor Ort, die die Planung in Deutschland koordiniert hat, war Ägypter.

                    • Ariane 24. Juni 2020, 14:35

                      Das Problem ist eher, dass wir heutzutage sowas wie globalisierte Partisanenkriege haben. Und natürlich war 9/11 da eine Zäsur.

                      Aber das Problem gab es auch bei der Landshut/Mogadischu und dem Lockerbie-Anschlag (ich meine, das war Ghaddafi oder er hat es sich auf die Fahne geschrieben)

                      Natürlich gehört das zur Sicherheitspolitik und kein Land kann die Schultern zucken und sagen „och ja das ist ja nun ärgerlich, aber wir müssen die Ursachen beseitigen und ja was? Die arabische Welt bitte, weniger islamistisch zu sein?“

                      So funktioniert Außen/Sicherheitspolitik nun mal nicht. Natürlich muss es eine Antwort geben und das ist bei Partisanenkriege mal echt schwer. Die Nazis haben einfach das nächstliegene Dorf ausgerottet übrigens. Wäre dir das lieber?

                      Das Problem ist, dass man nicht wusste, was man da wollte. Die Taliban vertreiben. Jo hat geklappt, locker. Und dann wusste man nicht weiter. Hat mal dies und mal jenes gemacht. Und jetzt gibt man das Unternehmen als aussichtslos auf.

                      Und weißt du, was dann passiert vermutlich? Die Taliban übernehmen wieder die Macht, die warten schon drauf. Und töten jeden, der in der ganzen Zeit versucht hat, die Lage in Afghanistan zu verbessern.

                      Das ist Saigon. Nur damals hat es die Leute noch interessiert. Hier wird ein Schild mit „Diplomatie!“ – „Soldaten sind Mörder“ hochgehalten.

                      Das ist billig. Man kann sich ja eine Utopie ohne Militär zusammenträumen. Aber dann sollte man nicht vorgaukeln, sich für das afghanische oder arabische Volk zu interessieren.

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 16:53

                      Ich meine, man tut ihm ja auch Unrecht wenn man das Zitat komplett auf Afghanistan verengt. Das war ja metaphorisch gemeint.

                    • Ralf 24. Juni 2020, 17:10

                      Wenn “Hindukusch” eine Metapher war, dann war es offensichtlich eine Metapher für das Ende der Welt, einen Ort wo Deutsche nichts verloren haben, einen Ort, von dem die meisten Deutschen noch nie gehört haben. Ich selbst kann mich erinnern, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wer oder was der Hindukusch war, als das Zitat fiel und ich halte mich zumindest nicht für unterdurchschnittlich gebildet.

                      Insofern war “Hindukusch”, falls es überhaupt als Metapher gemeint war, kein Begriff, der auf Regionen hindeutete, in denen Deutsche bzw. Europäer berechtigte Interessen haben könnten (meinetwegen das ehemalige Jugoslawien). Sondern hier ging es – auch in der Metapher – darum, deutsche Soldaten zum Sterben irgendwo nach Timbuktu zu schicken. Und der Bevölkerung wurde erzählt, sie würde da irgendwie verteidigt.

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 23:14

                      Nun, das kannst du natürlich so lesen und empfinden. Aber ich würde das anders sehen.

                    • Ralf 1. Juli 2020, 18:36

                      Und wegen dieser Furcht vor Bestrafung waren wir dann auch im Irak dabei, richtig?

                      Richtig. Sobald Schröder die Wahl gewonnen hatte, unterstützte das deutsche Militär die Operation im Irak nach Kräften.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 06:41

                      Oh come the fuck on.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 06:42

                      ???

                  • Erwin Gabriel 27. Juni 2020, 21:28

                    @ Ralf 24. Juni 2020, 17:10

                    Wenn “Hindukusch” eine Metapher war, dann war es offensichtlich eine Metapher für das Ende der Welt, einen Ort wo Deutsche nichts verloren haben, …
                    Die etwas schnoddrige Ansage sollte klarmachen, dass, wenn uns (=Westen / NATO-Bündnis) Terroristen aus dem Hindukush angreifen, wir dort gegen die Terroristen vorgehen und unser Land schützen sollten, anstatt zu warten, bis die nächsten hierher kommen.

                    Man kann über jeden Aspekt („uns“, „Terroristen“ etc.) sicherlich trefflich und kontrovers diskutieren. Aber der Gang nach Afghanistan erfolgte nicht, weil jemand eine „3“ würfelte und deshalb nach Afghanistan vorrücken musste.

                    Wie gesagt, man kann darüber, ob man, um einen saudischen Terroristen zu verfolgen, der die USA angegriffen hat, nach Afghanistan und in den Irak einmarschieren muss, sehr wohl unterschiedlicher Meinung sein. Aber der Spruch zu dem Zeitpunkt war kein „dummer“ Spruch.
                    .

                    @ Stefan Sasse 24. Juni 2020, 23:14

                    Nun, das kannst du natürlich so lesen und empfinden. Aber ich würde das anders sehen.

                    Da bin ich bei Dir; ich auch.

                    • Ralf 27. Juni 2020, 22:44

                      Aber der Gang nach Afghanistan erfolgte nicht, weil jemand eine „3“ würfelte und deshalb nach Afghanistan vorrücken musste.

                      Nein, natürlich nicht. Der Gang nach Afghanistan erfolgte, weil die Amerikaner wollten, dass wir dorthin gehen und wenn wir “nein” gesagt hätten, wären wir bestraft worden. Wahrscheinlich etwas weniger transparent als jetzt unter Donald Trump, aber eben doch spürbar. Dieselbe US-Regierung versuchte ja auch später das “alte” gegen das “neue Europa” auszuspielen. Insofern war Strucks Aussage kein “dummer Spruch”, sondern eine machiavellistische Rechtfertigung, die der Schröder-Regierung erlaubte die Leben deutscher Soldaten gegen Wirtschaftsinteressen zu tauschen.

                    • Erwin Gabriel 1. Juli 2020, 12:09

                      @ Ralf 27. Juni 2020, 22:44

                      Der Gang nach Afghanistan erfolgte, weil die Amerikaner wollten, dass wir dorthin gehen und wenn wir “nein” gesagt hätten, wären wir bestraft worden. Wahrscheinlich etwas weniger transparent als jetzt unter Donald Trump, aber eben doch spürbar. Dieselbe US-Regierung versuchte ja auch später das “alte” gegen das “neue Europa” auszuspielen.

                      Sehe ich ähnlich

                      Insofern war Strucks Aussage … eine machiavellistische Rechtfertigung, die der Schröder-Regierung erlaubte die Leben deutscher Soldaten gegen Wirtschaftsinteressen zu tauschen.

                      Damit machst Du es Dir zu einfach. Der Gang nach Afghanistan war Teilnahme an einem NATO Bündnisfall. Sich da rauszuhalten, obwohl ein „Angriff“ deklariert wurde, hätte die deutsche Mitgliedschaft ad absurdum geführt.

                      Der Einmarsch in den Irak war nicht als Bündnisfall deklariert, und Deutschland ließ die Truppen daheim.

                    • Stefan Sasse 1. Juli 2020, 18:27

                      Und wegen dieser Furcht vor Bestrafung waren wir dann auch im Irak dabei, richtig?

                    • Ralf 1. Juli 2020, 12:28

                      Der Gang nach Afghanistan war Teilnahme an einem NATO Bündnisfall. Sich da rauszuhalten, obwohl ein „Angriff“ deklariert wurde, hätte die deutsche Mitgliedschaft ad absurdum geführt.

                      Deutschland hatte ja seinen Anteil daran, dass überhaupt dieser absurde Bündnisfall erklärt wurde. Und auch das Ausmaß des Einsatzes hätte Deutschland drastisch reduzieren können. Eben weil kein plausibler Bündnisfall vorlag. Bei einem plausiblen Bündnisfall, also einem klaren Angriff eines Nichtallianzstaates auf einen NATO-Staat, wäre das Ausmaß des Einsatzes hingegen sehr klar definiert und nicht mehr Auslegungssache gewesen.

                      Der Einmarsch in den Irak war nicht als Bündnisfall deklariert, und Deutschland ließ die Truppen daheim.

                      Genauer formuliert: Der deutsche Bundeskanzler ließ sich unter dem Versprechen beim Irak-Krieg nicht mitzumachen wiederwählen, was das Hauptwahlkampfthema damals war. Und sobald er im Amt war, unterstütze er den Irak-Krieg mit deutschen Militärressourcen hintenrum doch.

                    • Stefan Sasse 1. Juli 2020, 18:27

                      Warum absurd?

                    • Ralf 1. Juli 2020, 18:37

                      Und wegen dieser Furcht vor Bestrafung waren wir dann auch im Irak dabei, richtig?

                      Richtig. Sobald Schröder die Wahl gewonnen hatte, unterstützte das deutsche Militär die Operation im Irak nach Kräften.

                    • Ralf 1. Juli 2020, 18:49

                      Warum absurd?

                      Mich wundert die Frage. Der Bündnisfall ist ein militärischer Angriff auf einen NATO-Staat. Die USA sind aber nicht militärisch angegriffen worden. Schon garnicht von Afghanistan. Oder warum wurde beim Lockerbie-Attentat nicht der Bündnisfall ausgerufen? Oder bei den RAF-Morden, deren Täter ja auch aus dem Ausland unterstützt wurden? Terroristen sind keine Krieger und der “War on Terror”, genau wie der “War on Drugs”, war nie mehr als eine Marketingkampagne. Terrorbekämpfung ist Sache der Polizei und möglicherweise der Geheimdienste, nicht der Armee.

                      Dazu kommt, dass der “Angriff” auf die USA nicht aus Afghanistan kam. Der Chef der Bande stammte wie gesagt aus Saudi Arabien. Die Ideologie kam aus Saudi Arabien. Und die Gruppe wurde finanziert aus Saudi Arabien. Operative Unterstützung für die Terroristen kam aus Pakistan. Der Chefstratege kam aus Pakistan. Der Vizechef aus Ägypten. Und der lokale Führer der Terroristen, der den Anschlag konkret vorbereitete und dann auch mit durchführte, kam ebenfalls aus Ägypten. Wenn ich mich richtig erinnere, kamen null der Flugzeugentführer von 9/11 aus Afghanistan.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 06:42

                      Wenn ich mich richtig erinnere, war deren Basis in Afghanistan. Sie operierten von Afghanistan aus. Sie taten das in Einvernehmen und Wissen der afghanischen Regierung.

                    • Ariane 2. Juli 2020, 07:03

                      Wo kommtn da jetzt ne „Bestrafung“ her? Wie soll die aussehen?

                      Und es wurde als Bündnisfall eingestuft. Weil der 11. September natürlich ein dramatischer Terroranschlag mit vielen Toten war. Und Bin Laden und die Taliban hatten dort ihre Basis und sich ja auch zu dem Anschlag bekannt.

                      Er war ja dann auch durchaus in der Nähe und wurde schon seit Jahren irgendwo im Grenzgebiet von Afghanistan/Pakistan vermutet. Mal abgesehen davon, dass in Afghanistan nicht nur radikalislamische Taliban wohnen, sondern auch andere Menschen und ganze Völker.

                      Und ich erinnere auch nochmal daran, dass zu der Zeit durchaus noch aufwendig geplante Terrorakte durchgeführt worden sind wie in Madrid und London. .

                      In diesem Punkt (obwohl ich jetzt nicht sage, dass der Erfolg aufs Militär zurückzuführen ist) war die Strategie ja sogar erfolgreich. Nur gucken Islamisten auch Nachrichten und haben wie der IS ihre Strategie angepasst und setzen auf Blitzradikalisierung ohne große Zellen und Planung.

                      Das hilft den Afghanen nun leider auch nicht und ist auch mehr auf den ständigen Bürgerkrieg innerhalb der Muslime zurückzuführen. Aber es bleibt festzuhalten, so geplante Terrorakte von Islamterroristen gab es schon länger nicht mehr. Das sind wie im Fall Amri oft eher ungeplante Terrorakte, da hat sich der Bedrohungsfokus eher nach Rechts verschoben.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 07:14

                      Die Bestrafung wäre in Form von wirtschaftlichen Nachteilen gekommen.

                      Dass die Taliban sich zu dem Anschlag bekannt hätten, ist mir neu. Hast Du da eine Quelle dazu?

                      Die Terroristen wurden in erster Linie von Saudi Arabien finanziert und vom pakistanischen Geheimdienst protegiert. Die saudiarabische Regierung unterstützt heute noch aktiv Programme, die die Ideologie, der die Terroranschläge von 9/11 zugrundelagen, verbreiten sollen.

                      Die militärische Antwort auf den radikalen Islamismus war auch nicht erfolgreich. Nach zwanzig Jahren Krieg und unzähligen Opfern stehen die Taliban bereit, die Macht im Land wieder zu übernehmen. Dazwischen gab es den Islamischen Staat. Und Jemen. Die Extremisten dort wurden übrigens ebenfalls von Saudi Arabien finanziert.

                    • Ariane 2. Juli 2020, 07:45

                      Ich bin nicht die Auskunft. Aber ja, die internationale Organisation war Al-Quaida, die Taliban sind einfach die afghanischen Islamisten.
                      Aber das Camp und die Ausbildungslager waren in Afghanistan. Aber scheinbar ist es egal, wenn die Afghanen töten, dann sind es keine Terroristen?

                      Wenn du deinen Antiamerikanismus mal kurz zurückstellen könntest. Hätten wir lieber in Saudi-Arabien angreifen sollen? Oder mehr so gezielte Tötungen?
                      Oder mehr so Ursachenbekämpfung? Per christlicher Mission oder lieber den Weg für Putin frei machen? Was davon soll es sein?
                      Ja, Saudi-Arabien hat großen Einfluss in der muslimischen Welt durch das Wahabitentum. Das heißt aber nicht, dass die einen böse und die anderen schlecht sind.
                      Die sind alle sehr sehr gut, sich gegenseitig umzubringen. Al Quaida ist mittlerweile quasi nonexistent. Nicht wegen den Amerikanern oder den Russen, sondern weil wegen des IS.
                      Und es war aus sicherheitspolitischer Sicht erfolgreich, wir haben in den NATO-Staaten heute andere Probleme und islamistische große Terrorakte stehen nicht mehr ganz oben.
                      Gesetz der Fische. So läuft Extremismus, in der muslimischen Welt wie in der AfD.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 08:47

                      Woher willst du das wissen?

                      Die Taliban haben sich nicht dazu bekannt, das war Al-Qaida. Die Taliban haben sich geweigert, bei der Verfolgung von Al-Qaida zu kooperieren.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 12:40

                      Woher willst du das wissen?

                      Weil die Amerikaner ziemlich klar waren. Colin Powell drohte Frankreich und Deutschland damals ganz offen (i.e. “Frankreich wolle man bestrafen und Deutschland zukünftig ignorieren”). Rumsfeld hetzte das “neue Europa” gegen das “alte Europa”. Und Deutschland wurde 2004 mit einem amerikanischen Truppenabzug ganz konkret für sein Zögern im Wahlkampf 2002 bestraft.

                      Die Taliban haben sich nicht dazu bekannt, das war Al-Qaida. Die Taliban haben sich geweigert, bei der Verfolgung von Al-Qaida zu kooperieren.

                      Die Taliban sind ein Regime, das mit den USA ideologisch verfeindet ist. Es ist völlig selbstverständlich, dass keine Regierung der Welt eine Feindmacht zu kriegerischen Handlungen auf ihrem eigenen Territorium einlädt. Wenn ich mich recht erinnere, wurde von Seiten der Taliban eine Auslieferung Osama bin Ladens angeboten, was dann an einem Ultimatum der USA scheiterte.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 13:54

                      Danke für die Info.

                      Korrekt, aber es ist schwer zu sagen wie ernst das war. Da bin ich auch nicht genug Experte. Es klingt ein bisschen wie dieses japanische Friedensangebot um den Atombombenabwurf rum.

                    • Stefan Pietsch 2. Juli 2020, 12:56

                      Colin Powell drohte Frankreich und Deutschland damals ganz offen

                      Das war bezüglich des bevorstehenden Irakkrieges im März 2003. Da war man längst in Afghanistan. So viel Genauigkeit sollte schon sein, gerade wenn man etwas seltsame Thesen vertritt.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 13:55

                      Ja, aus dem Irakkrieg kenne ich es auch noch, aber aus Afghanistan war mir nichts bekannt.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 13:06

                      Stefan Sasse hatte gefragt, wie ich auf die Idee komme, dass die Amerikaner Deutschland bestrafen würden, wenn Deutschland nicht gehorcht. Das lässt sich am Beispiel Afghanistan nicht zeigen, denn da hat Deutschland ja gehorcht. Der folgende Konflikt im Irak ist folglich die erste wirkliche Probe der These. Und sie ist deutlich positiv.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 13:55

                      Und diese gewaltige Strafe hat uns 2003 nicht abgehalten, genausowenig wie Trumps plumpe Bestrafungsversuche jetzt. Warum sollte es also 2001 plötzlich so bedeutend gewesen sein?

                    • Stefan Pietsch 2. Juli 2020, 13:23

                      Das sind wirklich seltsame Ausdrucksweisen. Deutschland ist ja furchtbar bestraft worden…

                      Ich denke, die amerikanische Politik ohne Sanktionen unter Trump hat mehr etwas von Strafaktionen. Aber das ist völlig ohne Krieg.

                      Übrigens finde ich es seltsam, dass gerade Sie von Wirtschaftssanktionen gegen Afghanistan überzeugt sind. Meines Wissens nach stand das Taliban-Regime 2001 nicht unter der Meistbegünstigungsklausel. Und bezüglich Russlands argumentieren Sie stets, wie wenig sinnvoll das Sanktionsregime gegen Moskau sei, dass weltweit Morde in Auftrag gibt. Nennt man eigentlich so etwas gemeinhin nicht „Terror“?

                    • Ralf 2. Juli 2020, 13:41

                      Ich habe nichts von Wirtschaftssanktionen gegen Afghanistan geschrieben.

                      Was man hätte machen sollen, ist die Terrorcamps aus der Luft zu zerstören. Dafür hätte es keinen einzigen Soldaten am Boden gebraucht. Man hätte Osama bin Laden ausliefern lassen sollen. Genau das hatte das Talibanregime ja auch angeboten. Man hätte weiterhin die Finanzströme, die dem internationalen Terror dienen, trockenlegen sollen. Dafür hätte man allerdings Saudi Arabien auf die Füße treten müssen. Und man hätte den Export der radikalislamistischen Ideologie aus Saudi Arabien abschalten sollen. Stattdessen hat man zugeschaut wie das dortige absolutistische Regime bis zum heutigen Tage extremistische Imame unter anderen in Deutschland fördert und finanziert. Man hätte mit Blick auf die Zukunft die Abhängigkeit von der Region stärker verringern müssen. Und statt einem militärischen Einmarsch und folgendem zwanzigjährigem Bürgerkrieg hätte man die Kooperation von Polizei und Geheimdiensten über Grenzen hinweg verbessern sollen. Diese Koordination gelingt aufgrund nationaler Egoismen noch nicht mal innerhalb der EU besonders gut. Das wären also Betätigungsfelder gewesen, mittels derer man Terror wirklich hätte bekämpfen können. Plus natürlich massiven außenpolitischen Druck auf die Terrorunterstützer Saudi Arabien und Pakistan, wo man viel mehr Hebel besaß als beim ohnehin international isolierten Taliban-Regime.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 13:57

                      Du willst mir jetzt nicht plötzlich ernsthaft Luftschläge auf Terrorcamps als weise Außenpolitik verkaufen, oder?

                    • Ariane 2. Juli 2020, 18:28

                      Was man hätte machen sollen, ist die Terrorcamps aus der Luft zu zerstören.

                      Großartige Idee Ralf! Luftschläge auf Kindersoldaten, das ist natürlich humaner. Äh.

                      Meinst du, in Afghanistan (!!) sitzen nur menschenverachtende Menschen in den Terrorcamps herum? Das ist das Dilemma der Geopolitik.
                      Damit hat man sofort unfassbare Kollateralschäden und nichts gewonnen, weil den Radikalislamisten das nichts ausmacht, die machen nebenan ein neues Camp auf.

                      Gleiches Problem wie in Syrien. Es gibt keine Lösung mehr, außer die Flüchtlinge aufzunehmen und zu warten, dass sich eine Großmacht durchsetzt. (und dann wiederum die Verlierer aufzunehmen)
                      Es ist scheißegal mittlerweile, ob das die Amis, Assad, Putin oder Erdogan sind. Die hören alle erst auf, wenn alle anderen tot oder still sind.
                      Und je länger es dauert, desto länger und schwieriger wird ein langfristiger Frieden. Und solange das ein Spielball der Großmächte ist, haben die Völker dort oder die Staaten oder die Regierungen auch nicht die Möglichkeit, das ganze aus eigener Kraft zu lösen.

                      In Afghanistan gilt das gleiche. Das Al-Quaida-Problem hat der IS netterweise für uns erledigt. Also können die Taliban wieder übernehmen. Oder die Russen.
                      Oder meinetwegen die neureichen Chinesen. Wir können das auch gerade gar nicht mehr, weil Osteuropa in Panik ist. Oder Griechenland. Oder die Türkei, aber da wäre es ja verdient, wenn die sich mit den Russen kloppen statt mit anderen NATO-Staaten.

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 08:06

                      Ja, das hat mich auch verwundert. Normalerweise ist die Kritik an diesen Luftangriffen ja mehr als deutlich.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 14:29

                      Und diese gewaltige Strafe hat uns 2003 nicht abgehalten, genausowenig wie Trumps plumpe Bestrafungsversuche jetzt. Warum sollte es also 2001 plötzlich so bedeutend gewesen sein?

                      Du konstruierst hier eine selbstbewusste deutsche Unabhängigkeit, die so nicht existiert. Dass Schröder wagte den Amerikanern vor der Wahl 2002 zu widersprechen, hatte offensichtlich damit zu tun, dass das Argument Machterhalt das Argument Wirtschaftsinteressen übertrumpfte. Das ist alles andere als unüblich. Und gleich nach der Wahl hat er ja auch wieder den Schwanz eingezogen und die Invasion dann doch nach Kräften unterstützt, unter anderem mit dem Aussuchen von vielversprechenden Zielen für die amerikanischen Bomben. Mehr war von den Deutschen ja ohnehin nicht erwartet worden.

                      Was Trump angeht, so ist man dem amerikanischen Präsidenten ein um’s andere Mal – pardon, für die Ausdrucksweise – in den Arsch gekrochen. Man hat Beleidigung um Beleidigung, Affront um Affront hingenommen, damit unter anderem die deutsche Autoindustrie weiter Autos in den USA verkaufen kann. Dass Deutschland mittlerweile ein bisschen selbstbewusster auftritt, hat in erster Linie damit zu tun, dass Trump Legislaturperiode zu Ende geht und seine Wiederwahl im Chaos von Pandemie und Wirtschaftskrise mit jedem Tag unwahrscheinlicher wird. Der scheidenden Lame Duck kann man dann durchaus aus der Ferne auch mal den Stinkefinger zeigen …

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 15:59

                      Dass es nicht im deutschen Wirtschafts- ODER Sicherheitsinteresse ist, die USA zu verärgern, ist glaube ich auch eine Binsenweisheit. Damit wäre auch nichts gewonnen worden. Ich teile außerdem deine Einschätzung von „nach Kräften unterstützt“ nicht. Ja, man hat unterstützt, aber sicherlich nicht bis zum Maximum des Möglichen, sondern eher das Minimum geleistet das man brauchte, um das Problem zu erledigen.

                    • Ariane 2. Juli 2020, 18:38

                      Ich teile außerdem deine Einschätzung von „nach Kräften unterstützt“ nicht.

                      Das ist allerdings ein formaljuristisches Problem sozusagen, ähnlich wie mit den Atombomben.
                      In Deutschland befinden sich von den Amerikanern ziemlich wichtige Standorte, die sie für das Mittelmeergebiet brauchen.
                      Ramstein ist zum Beispiel ein totales Drehkreuz, gerade für Evakuierungen und Erstversorgung von Verletzungen. Für Flugzeuge und neuerdings Drohnen gilt das häufig auch.
                      Die Sicherheitslage ist hier nämlich besser und ich geh davon aus, die NATO-Soldaten leben auch lieber in Deutschland als in der Wüste. Das ist alles vertraglich per NATO oder bilateralen Verträgen geregelt, da kann Deutschland auch nicht einfach so sagen, dass es bitte nicht mitmachen möchte. Zumindest nicht wenn wir in der NATO bleiben wollen und dann doch gerne hätten, dass jemand hilft, wenn der Russe kommt. (oder sonstwer)

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 08:07

                      Um Ramstein zu benutzen brauchen die Amis nicht unsere Unterstützung, und nach Kräften schon gar nicht.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 14:32

                      Du willst mir jetzt nicht plötzlich ernsthaft Luftschläge auf Terrorcamps als weise Außenpolitik verkaufen, oder?

                      Luftschläge auf Terrorcamps folgen einem klaren, nachvollziehbaren und moralisch rechtfertigbaren Ziel und sind weisere Außenpolitik als ein Angriffskrieg mit Invasion.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 16:00

                      „Angriffskrieg“ ist vielleicht nicht das Wort, das man für einen UN-sanktionierten Einsatz verwenden sollte…

                    • Ariane 2. Juli 2020, 18:31

                      Luftschläge auf Terrorcamps folgen einem klaren, nachvollziehbaren und moralisch rechtfertigbaren Ziel und sind weisere Außenpolitik als ein Angriffskrieg mit Invasion.

                      Aso, würdest du den Libyen-Einsatz auch human nennen oder ist das amerikanischer Imperialismus?

                    • Stefan Pietsch 2. Juli 2020, 17:18

                      Wenn Sie das so gesagt haben, dann habe ich Sie mit den Wirtschaftssanktionen missverstanden.

                      Was man hätte machen sollen, ist die Terrorcamps aus der Luft zu zerstören.

                      Hat man getan. Punkt erfüllt.

                      Dafür hätte es keinen einzigen Soldaten am Boden gebraucht.

                      Sie scheinen nicht mehr zu wissen, dass die Taliban am Boden von der Nord-Allianz vertrieben wurden – mit freundlicher Luftunterstützung der US Air Force.

                      Man hätte Osama bin Laden ausliefern lassen sollen.

                      Das hat das Regime von Mohammed Omar abgelehnt, schließlich war Osama Bin Laden einer der wichtigsten Unterstützer des Terrorregimes.

                      Genau das hatte das Talibanregime ja auch angeboten.

                      Wo haben Sie nur Ihre Geschichtskittung her? Das ist das Gegenteil von wahr.

                      Nach den Anschlägen des 11. September auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington forderten die USA die Auslieferung Bin Ladens, was Mullah Omar jedoch versagte. Darauf folgte die Militäroperation „Operation Enduring Freedom“ der USA und der internationalen Staatengemeinschaft im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
                      https://www.planet-wissen.de/kultur/naher_und_mittlerer_osten/afghanistan/pwietaliban100.html#osama

                      Das einzige, was Mullah Omar damals anbot, war Bin Laden vor ein Taliban-Gericht zu stellen. Sehr witzig unter einem Regime, das sich zum Recht wie die Nacht zum Tag verhielt.

                      Man hätte weiterhin die Finanzströme, die dem internationalen Terror dienen, trockenlegen sollen.

                      Genau darum hat man sich intensiv gekümmert, was schließlich zwar zum Ruin von Al Qaida führte, aber nicht dazu, dass Bin Laden sich den USA stellte.

                      Ich bin ehrlich gesagt sehr negativ überrascht, wie Sie sich an historischen Fakten vorbei viel vormachen und zu einem Urteil kommen, das mit den tatsächlichen Abläufen nichts zu tun hat.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 21:44

                      Großartige Idee Ralf! Luftschläge auf Kindersoldaten, das ist natürlich humaner. Äh.

                      Kindersoldaten? Keine Ahnung wovon Du hier redest. Die militanten Islamisten in den afghanischen Terrorcamps waren weit überwiegend keine Kinder. Dazu waren die Terrorcamps die operativen Basen, an denen Angriffe geplant und Attentäter ausgebildet wurden. Dass diese Lager eliminiert wurden, war ziemlich logisch. Mein Argument ist, dass man über die Zerstörung der Lager nicht durch die Entfachung eines Bürgerkriegs hätte hinausgehen sollen. Die Luftschläge, die ohnehin erfolgt sind, hätten gereicht. Insofern wären mit dieser Lösung Zehntausende Afghanen noch am Leben.

                    • Ariane 3. Juli 2020, 01:50

                      Ralf. Gibt es etwas, das du über Afghanistan weißt? Meinst du wirklich, dass diese Camps alleine in der Wüste oder im Gebirge stehen mit ausschließlich erwachsenen Männern, die bereit sind, jeden zu ermorden, der sich bewegt?
                      Natürlich sind die nicht so isoliert und in solchen Ländern werden Jungen von klein auf indoktriniert und ab 12-15 zu „Kämpfern“ ausgebildet. Und die FAmilien wohnen auch nicht Tausend Km weit weg.
                      Oder meinst du, die waschen ihre Wäsche selbst und kochen sich das Essen und putzen die Küche? Da sind immer Frauen und Kinder dabei.

                      Und es ist Afghanistan. Wenn gerade keine Großmacht ihnen Kopfgeld anbietet, führen die da Bürgerkrieg gegeneinander. Die Nordallianz hat auch die Gelegenheit genutzt, sich mit der NATO zu verbünden.
                      Und die Taliban machen ihre Anschläge in letzter Zeit nahezu ausschließlich gegen die offizielle afghanische Regierung. Jetzt setzt Putin ein Kopfgeld für tote NATO-Soldaten aus. Und wenn der letzte NATO-Soldat raus ist, werden die Amerikaner, Briten, Franzosen, Deutsche dasselbe machen. Und selbst wenn irgendwem mal auffällt, dass das Land echt ziemlich egal ist und alle gehen und es sich selbst überlassen, werden sich die Afghanen gegenseitig umbringen.

                      So ist die Welt leider Gottes. So ist auch Geopolitik. Oder meinst du, bisher war die Menschheit einfach zu doof für Frieden im Nahen Osten? Das hat nichts mit den USA oder Russland zu tun, die Probleme existieren da länger als es die Russen oder Amerikaner überhaupt gibt. Da waren es halt Perser, Römer oder Babylonier. Es gibt da keine guten und schlechten Möglichkeiten. Es geht nur Schadensbegrenzung und keiner weiß wie.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 21:47

                      Aso, würdest du den Libyen-Einsatz auch human nennen oder ist das amerikanischer Imperialismus?

                      ???

                      Der Libyen-Krieg war ein Regime-Change-Krieg in einem ölreichen Land ohne jeden Plan für die Zukunft nach Ghadafi. Das hat mit “human” überhaupt nichts zu tun.

                    • Ariane 3. Juli 2020, 01:40

                      Es wurde mit hauptsächlich Luftschlägen ein Massaker in Benghazi (war es doch?) verhindert und die Demokratiebewegung unterstützt.
                      Ich sehe nicht recht, was daran weniger human sein soll als Terrorcamps aus der Luft zu bombardieren? Also hätte die NATO lieber einmarschieren sollen und sich nochmal am Nationbuilding probieren?
                      Oder ist einfach alles was die NATO (bzw für dich scheint das immer US-Amerika zu sein) inhuman? Und seit wann ist Libyen denn so ölreich? Da gibts ja durchaus noch passendere ölreiche Länder.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 07:47

                      Demokratiebewegung in Libyen??? Ich glaube, Du beliebst zu scherzen …

                      Also hätte die NATO lieber einmarschieren sollen und sich nochmal am Nationbuilding probieren?

                      Nein, die NATO hatte in Libyen nichts verloren und hätte sich einfach raushalten sollen. Allenfalls ein Flugverbot für die Regierungstruppen hätte man durchsetzen können.

                    • Ariane 3. Juli 2020, 09:07

                      Demokratiebewegung in Libyen??? Ich glaube, Du beliebst zu scherzen …
                      Das war mitten im arabischen Frühling und Ghaddafi war einer der brutalsten Despoten, die es gab.
                      Meinst du alle Libyier finden das gut? Haben Araber, Muslime, Libyer keinen Wunsch nach Demokratie oder Freiheit?
                      Was ist das denn bitte für ein Menschenbild? Wir in Deutschland wissen doch, dass das nicht so einfach zu bewerkstelligen ist.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 07:59

                      @ Ariane

                      Die afghanischen Terrorcamps waren in der Tat einigermaßen isoliert und die, die dort trainiert haben, waren weit überwiegend erwachsen. Mehrheitlich handelte es sich um Ausländer, nicht Afghanen.

                      Dass diese Camps, von denen unmittelbar Anschläge ausgingen, ausradiert wurden, ist eine Selbstverständlichkeit. Dafür braucht man keinen einzigen Mann am Boden. Und das ist auch das erste, was im Afghanistankrieg geschehen ist. Der Disput betrifft nun die Frage, was als Nächstes kommt. In der Realität schloss sich an die erfolgreichen gezielten Luftschläge auf tatsächliche gefährliche Feindeinrichtungen einer dieser gescheiterten Regime-Change-Kriege an, der den Terroristen immer mehr neue Rekruten in die Arme trieb und unzählige Zivilisten ihr Leben kostete. Ohne langfristig irgendetwas im Land zum Positiven zu verändern, wo die Taliban nun vorhersehbar erneut die Regierung übernehmen werden, sobald die Amerikaner das Land verlassen.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 08:15

                      Ja, das hat mich auch verwundert. Normalerweise ist die Kritik an diesen Luftangriffen ja mehr als deutlich.

                      Das wundert Dich nur deshalb, weil Du jetzt jede Art von Luftangriff zusammenwirfst. Eine limitierte Zahl an Luftschlägen gegen eine klar eingrenzbare Gruppe von bedeutenden Zielen ist aber nicht dasselbe wie ein jahrzehntelanger Drohenterror gegen Klein-Targets, unter Inkaufnahme zehntausender toter Zivilisten.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 08:20

                      Um Ramstein zu benutzen brauchen die Amis nicht unsere Unterstützung, und nach Kräften schon gar nicht.

                      Selbstverständlich brauchen die Amerikaner unsere Unterstützung, um Rammstein zu benutzen. Und unsere Unterstützung für den Irakkrieg beschränkte sich auch nicht auf das Angebot von Militärbasen. Wir waren auch eingebunden in Aufklärungsarbeiten und direkt beteiligt an der Auswahl von Zielen für den Bombenkrieg.

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:01

                      Die Nutzung der Basen ist vertraglich geregelt und nicht an die Haltung der Regierung zu spezifischen Einsätzen gebunden, darauf will ich raus. Wir könnten die Basis natürlich sabotieren – so was à la Berlin-Blockade – aber das wäre ziemlich offenkundig Blödsinn.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 09:18

                      Meinst du alle Libyier finden das gut? Haben Araber, Muslime, Libyer keinen Wunsch nach Demokratie oder Freiheit?

                      Freiheit und Demokratie sind zwei verschiedene Dinge. Und nein, die Mehrheit der Libyer, ebenso wie die Mehrheit der Syrer z.B., hat keinen Wunsch nach Demokratie und auch nicht nach einer Freiheit, so wie Du den Begriff “Freiheit” definieren würdest (also etwa mit Frauenrechten, Minderheitenrechten etc.). Deshalb konnte der Westen auch weder in Syrien noch in Afghanistan noch in Libyen je einen ernstzunehmenden Partner finden. Stattdessen musste man sich mit brutalen Warlords, Extremisten und Mördern alliieren.

                    • Ariane 3. Juli 2020, 10:18

                      die Mehrheit der Libyer, ebenso wie die Mehrheit der Syrer z.B., hat keinen Wunsch nach Demokratie und auch nicht nach einer Freiheit

                      Tja, weißt du Ralf. Genau das hätte man mit Fug und Recht über die Mehrheit der Deutschen 1918 und 1945 sagen können.
                      Warum sollten die Libyer oder Syrer das denn nicht haben? Was unterscheidet sie denn von uns? Deutschland war 1945 voller Warlords, Extremisten und Mördern.
                      Oder haben wir ein Freiheitsgen? Den richtigen Glauben? Den Standortvorteil? Sorry aber ich halte das für einen Witz. Das ist die Wiege der Menschheit.
                      Da sind Zivilisationen und Religionen entstanden, da haben wir noch in einer Höhle gesessesn und uns mit Keulen erschlagen.

                      Und jetzt sind das halt Barbaren und allesamt Mörder und Extremisten? Die man sich selbst überlassen soll oder neu-kolonialisieren? Echt jetzt?
                      Und du findest das nicht irgendwie problematisch oder eventuell einen Tick zu unterkomplex? Oder antiliberal?

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:09

                      Ich finde diese Argumentation auch befremdlich.

                    • Erwin Gabriel 3. Juli 2020, 09:26

                      @ Ralf 2. Juli 2020, 12:40

                      Wenn ich mich recht erinnere, wurde von Seiten der Taliban eine Auslieferung Osama bin Ladens angeboten, was dann an einem Ultimatum der USA scheiterte.

                      Ich weiß. Das kam aber erst sehr spät raus, da waren alle schon am Gange.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 11:07

                      Die Nutzung der Basen ist vertraglich geregelt und nicht an die Haltung der Regierung zu spezifischen Einsätzen gebunden, darauf will ich raus. Wir könnten die Basis natürlich sabotieren – so was à la Berlin-Blockade – aber das wäre ziemlich offenkundig Blödsinn.

                      Die Türkei hat ihre Basis in Incirlik z.B. zeitweise für die Aktivitäten der Amerikaner gesperrt, weil sie politisch mit diesen Aktivitäten nicht einverstanden war. Dieser “offenkundige Blödsinn” wird also in der Realpolitik praktiziert. Nur eben nicht von uns. Und die Frage ist warum.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 11:11

                      Warum sollten die Libyer oder Syrer das denn nicht haben? Was unterscheidet sie denn von uns? Deutschland war 1945 voller Warlords, Extremisten und Mördern.
                      Oder haben wir ein Freiheitsgen? Den richtigen Glauben? Den Standortvorteil?

                      Was uns unterscheidet, sind Kultur, Geschichte und Traditionen. Dazu eigene Erfahrungen mit Demokratie. Und dadurch, dass wir auch 1918 und 1945 in ein System von funktionierenden Demokratien eingebettet waren, durchaus auch ein Standortvorteil.

                    • Ariane 3. Juli 2020, 17:12

                      Was uns unterscheidet, sind Kultur, Geschichte und Traditionen

                      Keine weiteren Fragen mehr. Bitte beschwere dich nie wieder über Imperialismus Ralf.
                      Wo du Anfang des 20. Jahrhunderts funktionierende Demokratien auszumachen denkst, will ich auch lieber gar nicht wissen.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 17:31

                      Keine weiteren Fragen mehr. Bitte beschwere dich nie wieder über Imperialismus Ralf.
                      Wo du Anfang des 20. Jahrhunderts funktionierende Demokratien auszumachen denkst, will ich auch lieber gar nicht wissen.

                      Schön dass Du keine weiteren Fragen hast. Dann konnte ich ja wenigstens in diesem Punkt alles beantworten.

                      Über Imperialismus werde ich mich natürlich trotzdem weiter beschweren. Hab ja auch keinen Grund das nicht zu tun.

                      Anfang des 20. Jahrhunderts gab es übrigens mehrere funktionierende Demokratien. Die USA z.B. oder Großbritannien. Auch die Weimarer Republik war ein zunächst erfolgreiches Demokratieexperiment. Und demokratische Traditionen reichen in Deutschland zurück bis hin zum Parlament von 1848. Nichts dergleichen gibt es oder gab es zu der Zeit in den archaischen Stammesgesellschaften in Libyen, Syrien oder Afghanistan.

                    • Ariane 3. Juli 2020, 17:52

                      Nichts dergleichen gibt es oder gab es zu der Zeit in den archaischen Stammesgesellschaften in Libyen, Syrien oder Afghanistan.
                      Weil die archaischen Stammesgesellschaften da schon längst Kolonien waren Ralf. Von so funktionierenden Demokratien wie Großbritannien beherrscht.
                      1848 passierte übrigens, weil die funktionierende Demokratie Napoleons dafür die Idee in die Köpfe der Studenten pflanzte.

                      Funktionierende Demokratien die Drei-Klassen-Wahlrecht haben? Die kein Wahlrecht für Frauen haben? Die Apartheitssysteme haben? Die Kolonien haben?
                      Oder ist funktionierend wenn der wohlhabende (weiße) Mann das Sagen hat und alle anderen haben leider Pech gehabt? Dann waren auch die Südstaaten sehr gute Demokratien.

                    • Ralf 3. Juli 2020, 18:05

                      Ich habe von funktionierenden Demokratien gesprochen, nicht von “sehr guten Demokratien”. Und ja, bei allen Makeln und Problemen waren auch die sklavenhaltenden USA und das kolonienhaltende Großbritannien funktionierende Demokratien. Das Fundament mit einer Tradition von Wahlen, einer Verfassung, einem Parlament, der Abwesenheit eines absolutistischen Fürsten und gewissen Menschenrechten existierte. Dazu eine Tradition des Humanismus. Auf diesem Fundament konnte man aufbauen und Rechte auf neue Personengruppen erweitern. Nichts dergleichen gibt es in Afghanistan, Libyen oder Syrien. Und kein Mensch behauptet, dass das deren Schuld ist. Ich hab auch kein Wort von Schuld geschrieben. Ich beschreibe lediglich den Ist-Zustand. Und dieser Ist-Zustand ist, dass Du in den meisten arabischen Ländern Demokraten – so wie Du “Demokrat” definierst – mit der Lupe suchen kannst. Es gibt einfach kaum welche.

  • Ariane 22. Juni 2020, 02:27

    Als Ergänzung hier noch ein Interview mit Otto Addo (früherer Spieler beim BVB und heute Trainer für die Jugendmannschaft) über Rassismus.

    https://www.spiegel.de/sport/fussball/borussia-dortmund-talentetrainer-otto-addo-ueber-rassismus-a-12c754a2-eeb7-4619-8042-f3a00ac2d3c6

  • cimourdain 22. Juni 2020, 18:00

    5)Hier ist der Zusammenhang (und vor allem der Zeitpunkt) bei der Auseinanderentwicklung schön sichtbar:

    https://www.theglobalist.com/italy-germany-eurozone-reforms-economy/

  • CitizenK 22. Juni 2020, 23:15

    „Versorgungsgesellschaft, die Initiative, Risikobereitschaft und Erfolg bestraft“

    Ist Dänemark eine solche Gesellschaft? Ob die Dänen Brot geschenkt kriegen, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass die Lehrer dort einen Dienst-Laptop und die Schüler ein Tablet kriegen. Geschenkt. Ohne Bedürftigkeitsprüfung. Hier haben die meisten Schulen noch nicht mal ein funktionierendes WLAN.

    Soviel zu „optimalen“ Startbedingungen.

    • Ariane 23. Juni 2020, 12:27

      Nein, Dänemark ist natürlich nicht so eine Gesellschaft, in der jeder Vollversorgung hat und alles bestraft wird.

      Das Land eignet sich nicht zum Vergleich, es ist teilweise ganz anders aufgebaut und obwohl meine Tante Gewerkschafterin ist (eine hohe wohl), hab ich bis heute nicht verstanden, wie das genau da organisiert ist.

      Das ist wohl nicht wie hier an die Unternehmen gekoppelt, sondern läuft über die Kommunalebene. Meine Tante macht das seit ich denken kann. Sie macht das hauptberuflich und muss sich alle paar Jahre zur Wahl stellen (wenn sie nicht gewählt wird, ist sie erstmal arbeitslos). Und dann ist sie für einen Bezirk (vermutlich ähnlich wie hier Landkreise) die Gewerkschafterin – für alle, die dort leben. Und führt Verhandlungen für alle Bewohner mit der nächsthöheren Ebene (also Stadt und Land) und mit den Nachbarkreisen.

      So hab ich das verstanden, es ist extrem anders als Deutschland. Ich wurde auch schon ganz erstaunt gefragt, ob hier wirklich nur deutsch im Fernsehen und Kino usw gesprochen wird, das kennen die überhaupt nicht. Und digital sind die totale Parallelwelt, da hat jeder eine Kreditkarte und bezahlt damit. Wir mussten schon oft Freunde oder Geschäftspartner auslösen, die Deutschland nicht so gut kennen und erstaunt sind, wenn sie im Niedersachsenhof bar bezahlen sollen. In Dänemark bezahlt man auch beim Bäcker mit Karte. Und ja, dafür hat Deutschland nicht die Infrastruktur und auch gar nicht die Bereitschaft, das mal anzugehen weil es heißt, das ist alles Teufelszeug.

      Meine Mutter und ich haben nebenbei mit einem dänischen Geschäftspartner (der zwischendurch in den USA lebt) zusammengearbeitet. Der macht so Meditations/Einschlaf-CDs für Kinder und Erwachsene auch. Die sind scharf auf den Markt hier.

      Soviel zum Unternehmertum. Das ist in Deutschland viel schlimmer, der ist ein total erfolgreicher Selfmade-Unternehmer und zerschellt regelmäßig am deutschen Markt. Weil unsere ganze Kultur da nicht zu passt. Das geht los mit der Sprachbarriere, weil hier niemand gut Englisch kann und logischerweise erst recht kein Dänisch. Das geht weiter mit digitalen Zahlunngsmöglichkeiten, wo alles außer Paypal und Kreditkarte ein Elend ist. Über Werbemaßnahmen, weil die das über Internet verkaufen und über Facebook und Google bewerben. Falls jemand meint, Community Management wäre ein lustiges Hobbyprojekt: Nein, absolut nicht.

      Oh und die Währungs/Steuerproblematik kam auch noch dazu. Er war in den USA, die Firma dänisch und wir deutsch. Das hat echt Spaß gemacht, war ein geiles Projekt, aber leider war es viel Arbeit und man hat quasi kein Geld damit verdient, echt schade.

      Also nein, das Problem in Deutschland ist eher, dass es einen Haufen wichtiger Arbeit gibt, der aber nicht bezahlt wird und jeder seinen Lebensunterhalt mit etwas verdient, was eher frustrierend ist.

  • Ariane 24. Juni 2020, 14:09

    Mal eine kleine Anekdote zu Frauen/Männer-Medizin:
    Und die Krankenkasse arbeitet wohl wieder, vor paar Tagen „Geburtstagspost“ Herzlichen Glückwunsch, ab 35 Jahren haben sie Anspruch auf einen HPV-Abstrich alle 3 Jahre zur Vorsorge vor Gebärmutterhalskrebs.

    Mit großer Broschüre, da ist man mindestens einen Tag deprimiert und fühlt sich uralt. Aber Ultraschall immer schön selber zahlen!

    Ich hatte über Weihnachten Zyklusprobleme (hier Unsägliches denken^^) und das ist ja ganz doofes Timing und war zwischen den Tagen dann bei einer anderen Gynäkologin.

    Es war nichts Besonderes, irgendwie Hormon-Durcheinander und eine Zyste war irgendwie hyperaktiv. Das wurde übrigens nur durch einen Ultraschall herausgefunden (den man normalerweise extra zahlen muss)

    Es war insofern aber interessant, weil das eigentlich kein Ding ist, mir aber gesagt wurde, dass ich zb nicht Silvester wild tanzen soll, weil sich dann die Eileiter verknoten könnten und das wäre dann schon gefährlich. Allerdings war mir eh nicht nach Tanzen, ich hab im Bett gelegen und Filme geguckt und um Mitternacht mit den Nachbarn angestoßen 🙂

    Funfact: Da die mich nicht kannten, fragten sie erstmal, ob ich einen Menstruationskalender führe.
    Ich: Äh? Zählt ein Kreuzchen im Tischkalender?
    -> Ja, stellt sich raus ich führe einen Menstruationskalender 🙂

    Stefan hatte das Thema Sexualaufklärung, Umgang mit Romantik etc ja auch schon angesprochen. Das ist geschlechtsunabhängig ein Problem auch durch die Medien heutzutage, es existieren enorm viele Legenden und Mythen und Gerüchte, aber wirklich mal vernünftige Information gibts echt wenige.

    @Sassestefan: Wie ist das denn heutzutage? Ich meine wir hatten das in Biologie 6. Klasse oder so und das war es dann, vielleicht in der Oberstufe nochmal, da ging es aber eher um Genetik. Weniger Sexualaufklärung.

    Romantik – hast du ja auch angesprochen – kam dann ja eher in Deutsch und Fremdsprachen durch die Literatur wieder rein und Latein (aber da hatten wir mehr Cäsar und Asterix)

    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 14:11

      Weiß nicht genau ich unterrichte praktisch nur Oberstufe…

  • Erwin Gabriel 25. Juni 2020, 19:17

    @ Ralf 24. Juni 2020, 19:05

    ich mache mal hier weiter, ehe es zu mühsam wird.

    Ein Steuersystem kann man nicht danach ausrichten, dass Du möglichst rasch einen Opel Corsa Automatik kaufen kannst.

    Immer wieder interessant, die Wirksamkeit Deiner Scheuklappen zu erleben.

    Wenn ich aus einer Gehaltsstufe komme, um mir etwas wie einen Opel Corsa leisten zu können, brauche ich nach Deinem Konzept gleich drei Stufen nach oben, um mir den gleichen Wagen mit Automatik kaufen zu können. So ein System gab es schon mal. Nannte sich Sozialismus, und statt Opel Corsa hießen die Autos Trabant.

    Diese feinen bis keinen Gehaltsabstufungen werden nicht reichen.

    Dass die Basiskosten des Lebens mit dem Einkommen steigen, kann man so sehen. Allerdings führt das dann dazu, dass für den Milliardär Villen und Jachten zu Basiskosten werden, was dann nicht wirklich sachdienlich ist.

    Ist gleich eine mehrfache populistische Panne: Zum einen ist der Besitz von Villen und Jachten nicht erforderlich, um ein Unternehmen zu leiten oder um in eine Geschäftsführer-Position zu kommen; das werden also keine Basiskosten. Für einen Abteilungsleiter bei einer Bank ist ein Anzug schon angebracht, und Farbe, Material oder Hersteller des Anzugs spielen durchaus eine Rolle. Kann man Scheiße finden, ist aber so.

    Zum anderen reden wir (bzw. explizit Du) nicht von Milliardären, sondern von einer Welt mit einer Einkommensbeschränkung auf maximal 150.000 brutto. Ich setze einen normalen Angestellten nicht mit einem Hartz-IV-Empfänger gleich, und Du nicht mit einem Milliardär – einverstanden?

    Ich definiere die “Basis” deshalb für mein Modell – zugegebenermaßen etwas vage formuliert – als das Mindeste, das man haben muss, um eine “untere Mittelklasse”-Existenz zu führen. Das ist der Lebensstandard, mit dem ich mich am besten auskenne, weil ich damit aufgewachsen bin.

    Jetzt wird mir vieles klar. Na gut, dass kann ich bei einem Linken akzeptieren, dass er seinen persönlichen Maßstab wählt, um die ganze Welt danach zu formen. 🙂

    Wenn ich stattdessen wegen eines höheren Gehaltes in eine geräumige 2-Zimmerwohnung oder gar in eine 3-Zimmerwohnung ziehe, dann ist die Differenz zur Basis eben ein Teil des Luxus, den ich mir erlauben kann.

    Kinder werden dann Luxus.

    Mir kann keiner erzählen, dass der Gehaltsrahmen bis 100.000 Euro nicht bereits praktisch alle Stufen der fairen Entlohnung abdeckt.

    An Deinem Wesen soll die Welt genesen? na gut: Mir kann keiner erzählen, dass die Stufen reichen.

    In den USA werden z.B. Lehrer dramatisch viel schlechter bezahlt als in Deutschland, während Krankenschwestern dramatisch viel besser bezahlt werden als in Deutschland. Weder hat das zu einem Exodus amerikanischer Lehrer nach Deutschland geführt, obwohl in Deutschland lange Lehrermangel herrschte und Lehrkräfte verzweifelt gesucht wurden, noch hat das zu einem Exodus von deutschen Krankenschwestern in die USA geführt. Man gewöhnt sich einfach an das Lohnniveau und lebt dann damit.

    Zum einen hast Du doch selbst schon an anderer Stelle Klage darüber geführt, dass unsere kapitalistische Gesellschaft ausländische Ärzte, Ingenieure oder Programmierer dazu verlockt, ihre Heimat verlassen, um in Deutschland ihr Wohl zu suchen, während die heimische Gesellschaft „ausblutet“.

    Zum anderen: Mag sein, dass fast keine Krankenschwestern in die USA auswandern; allerdings wandern viele unserer Wissenschaftler und (meiner Meinung nach immer noch zu viele) Jungunternehmer in die USA aus. Noch nicht alle, zugegeben, aber auch hier möchte ich nochmal auf unseren ehemaligen „sozialistischen“ Bruderstaat DDR hinweisen, die unter den kapitalistischen Verlockungen des Westens derart litten, dass sie den Bau einer Mauer für erforderlich hielten.

    Einkommen ist ein wichtiger Faktor beim Job, aber … es gibt auch andere Motivationen, wie die Möglichkeit sich zu verwirklichen, die Freude daran Projekte zu leiten, zu formen, zu beeinflussen und erfolgreich zu sein.

    Zustimmung, es ist immer das Gesamtpaket, was zählt. Aber wenn man nicht davon leben kann, reichen nette Kollegen oder reizvolle Aufgabe nicht.

    Selbst wenn ein Klempner und ein Professor gleich bezahlt werden würden (was im übrigen niemand vorschlägt), würde kaum ein Professor in der Folge beleidigt zum Pömpel greifen und die Karriere wechseln.

    Nein. Aber wenn der Jungabiturient nicht die theoretische Option eines nach oben offen Gehalts hat, wird er vielleicht erst gar nicht studieren. Man lebt doch gerade in jungen Jahren auch von der Hoffnung auf eine Karriere.

    Aber das Beispiel ist schlecht gewählt, denn der Professor verdient keine 100.000 Euro, wäre also von meiner vorgeschlagenen Steuerreform überhaupt nicht betroffen.

    Da hast Du zumindest eingeschränkt einen Punkt; er wäre nicht betroffen, wenn alles so bleibt, wie es ist, und nur diejenigen, die über 100.000 Euro verdienen, würden geschröpft. Aber das halte ich für eine Fehlannahme. Ich muss davon ausgehen, dass sich dann das gesamte Gehaltsgefüge neu bzw. nach unten sortiert. Nach einer Übergangszeit wären auch Professoren betroffen.

    Dann:
    • Was ist mit Unternehmern? Werden ihre Einkünfte beschnitten, selbst wenn sie erfolgreich sind?
    • Was ist mit Leuten, die über ein gehobenes Vermögen verfügen? Wenn die als Geschäftsführer zwei Häuser mit Mieteinnahmen haben, werden die eingezogen, oder wird das Gehalt des Geschäftsführers so eingekürzt, dass in Summe wieder auf 150.000 Euro brutto heruntergebuchst wird?
    • Was ist mit Verkäufern, die auf Provisionsbasis (vielleicht ind er Medizintechnik?) arbeiten? Dürfen die ihre Provision behalten, wenn sie durch einen Großauftrag die Summe überschreiten? Wenn nicht, wer bringt sie dazu, weiterzuarbeiten, wenn ihr Zieleinkommen von 150.000 Euro erreicht ist? Was ist, wenn sie im Rahmen ihrer Provisionsvereinbarung auf ein Einkommen von 250.000 Euro kämen? Behält der Unternehmer/Hersteller das Geld ein? Muss er zahlen, aber der Verkäufer sieht nichtsb davon, und der Staat freut sich?
    • Was ist, wenn ich in diesem Jahr 200.000 Euro verdienen würde – von denen natürlich 50.000 Euro Übersatz an den Staat gehen, aber im nächsten Jahr habe ich nur 100.000 Euro verdient – kann ich dann umschreiben und mir das Geld wiederholen?

    Sicherlich, man kann der Meinung sein, dass das Luxusprobleme sind. Aber man kann nicht so naiv sein und annehmen, das sich ausser dem Netto-Gehalt für die Top-Verdiener nichts ändern würde.

    • Erwin Gabriel 25. Juni 2020, 19:22

      @ Stefan Pietsch 24. Juni 2020, 19:19

      Darf ein Wirtschaftsprüfer kein Mandat mehr annehmen, wenn durch den Zusatzauftrag sein Einkommen (Personengesellschaft!) darüber steigt? Oder hat er die Aufträge umsonst zu erledigen? Dass es nach Ihren Maßstäben kein Unternehmen mit Umsatz >25 Millionen Euro gäbe, haben Sie sicher auch nicht bedacht. Nur kann man von 25 Millionen nicht wahnsinnig viele Arbeitnehmer beschäftigen. Die Konsequenzen wären Massenarbeitslosigkeiten.

      Aber es gäbe neue Stiftungen, wirklich viele neue Stiftungen … 🙂

    • Ralf 25. Juni 2020, 22:10

      Sorry, ich hab auf den falschen Reply-Button geklickt und Dir ganz unten geantwortet.

  • Ralf 25. Juni 2020, 22:09

    Wenn ich aus einer Gehaltsstufe komme, um mir etwas wie einen Opel Corsa leisten zu können, brauche ich nach Deinem Konzept gleich drei Stufen nach oben, um mir den gleichen Wagen mit Automatik kaufen zu können. So ein System gab es schon mal. Nannte sich Sozialismus, und statt Opel Corsa hießen die Autos Trabant.

    Das ist Unsinn. Die mit Abstand meisten Opel Corsa werden in unserer Gesellschaft von Bürgern gefahren, deren Gehalt weit unterhalb der 100.000 Euro-Schwelle liegt. In meinem ganz engen Bekanntenkreis kenne ich zwei Menschen, die sich einen Opel Corsa-Neuwagen gekauft haben. Der eine war Rentner aus der unteren Mittelklasse. Der andere war Student aus einer Arbeiterfamilie. Wenn Du mir erzählst, du kannst Dir bei 100.000 Euro Jahresgehalt keinen Opel Corsa leisten, mit keinem akzeptablen Finanzierungsmodell, dann solltest Du vielleicht mal Deine Finanzen und Ausgaben überdenken.

    Für einen Abteilungsleiter bei einer Bank ist ein Anzug schon angebracht, und Farbe, Material oder Hersteller des Anzugs spielen durchaus eine Rolle. Kann man Scheiße finden, ist aber so.

    Wenn ein Unternehmen Spezialkleidung verlangt, deren Anschaffungskosten signifikant über das privat Zumutbare hinausgehen, dann sollte das Unternehmen auch für diese Spezialkleidung bezahlen. Auch die Krankenschwester bringt sich übrigens nicht ihren Kittel zur Arbeit mit, sondern bekommt den gestellt. Wenn man einen Anzug ausschließlich für den Dienstgebrauch benötigt und andernfalls nicht trägt und wenn der Anzug vom Unternehmen als essentiell für die Ausübung der Tätigkeit betrachtet wird, dann sollte das Unternehmen auch für den Anzug bezahlen.

    Zum anderen reden wir (bzw. explizit Du) nicht von Milliardären, sondern von einer Welt mit einer Einkommensbeschränkung auf maximal 150.000 brutto. Ich setze einen normalen Angestellten nicht mit einem Hartz-IV-Empfänger gleich, und Du nicht mit einem Milliardär – einverstanden?

    Ich habe nichts gleichgesetzt. Ich habe Dir – zunächst mal unabhängig von meinem Steuermodell – erklärt, weshalb ich die Basisausgaben in meiner Argumentation so definiert habe und nicht anders. Und Bill Gates z.B. hat andere, dramatisch höhere Basisausgaben als ein oberer Mittelklassebürger mit 100,000 Euro Jahreseinkommen. Aber vieles, eigentlich fast alles dessen, was für Bill Gates zu den Basisausgaben gehört, ist für den oberen Mittelklassebürger unnötiger Luxus. Dem hingegen schaut der Arbeiter mit seinem winzigen Gehalt auf den oberen Mittelklassebürger und findet auch da, dass dessen Basisausgaben fast vollständig unnötiger Luxus sind. Und der Hartz IV-Empfänger schaut mit ähnlichen Gefühlen auf den Arbeiter.

    Deshalb habe ich eine feste, unveränderliche Größe für die Basisausgaben gesucht. Ich bin bei der unteren Mittelklasse fündig geworden. Ich bin in einer solchen Familie aufgewachsen. Ich weiß, dass wir nie viel hatten, aber das was wir hatten, hat zu einer menschenwürdigen Existenz und sogar ein bisschen bescheidenem Wohlstand gereicht. Eine Wohnung, in der die Kinder ihr eigenes Zimmer haben konnten, wenngleich die Eltern dafür ihr Schlafzimmer aufgeben und im Wohnzimmer schlafen mussten. Ein Auto für die Familie. Ein Jahresurlaub am Mittelmeer. Ich habe auch viele Leute gekannt, die weniger hatten als wir. Das nannte man damals Sozialhilfeempfänger. Heute sagt man Hartz IV-ler. Damals wie heute führen diese Menschen kein menschenwürdiges Leben und ihre Lage führt zum immer tieferen Abrutschen, während ein Aufstieg praktisch ausgeschlossen ist. Ich will, dass alle zumindest auf dem Niveau leben können, das ich als Kind hatte. Das ist ein Niveau, bei dem klar ist, dass man seine Miete wird bezahlen können, dass man gesundes Essen auf den Tisch wird bringen können und dass man ein lebenswertes Leben leben kann. Nur in einem solchen Umfeld gedeihen Hoffnungen auf wirtschaftlichen Aufstieg. Nur in einem solchen bürgerlichen Umfeld wird die Bedeutung von Bildung erkannt. Meine „Basisausgaben“ sind der Garant auf eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und die unbedingte Voraussetzung für Aufwärtsmobilität. Wer deutlich mehr verdient als diese Basisausgaben, ist ein glücklicher Mensch. Auch in meinem Steuermodell gibt es Leute die 70.000 Euro, 90.000 Euro oder 100.000 Euro verdienen. Und das ist ja auch gut so. Aber das, was diese Menschen jenseits dessen haben, was zu einem menschenwürdigen Leben notwendig ist, ist eben ein Luxus. Und ich meine „Luxus“ hier nicht als etwas Abwertendes. Wer das größere Auto hat, die geräumigere Wohnung oder den Fernurlaub ist privilegiert. Ich freue mich mit ihm.

    An Deinem Wesen soll die Welt genesen?

    […]

    Na gut, dass kann ich bei einem Linken akzeptieren, dass er seinen persönlichen Maßstab wählt, um die ganze Welt danach zu formen.

    Keine Ahnung, wo das jetzt herkommt. Wir sind hier auf einer Diskussionsplattform und ich habe eine Meinung geäußert, wie ich mir ein gerechtes Steuersystem vorstelle. Ich marschiere nicht mit Gewehren auf Berlin. Ich gründe noch nicht einmal eine Partei. Ich habe einfach eine Meinung und finde, dass ich diese Meinung auch begründet habe. Es ist ja Dein gutes Recht anderer Meinung zu sein und Gegenargumente zu bringen. Aber wir sollten uns nicht gegenseitig die Unverschämtheit vorwerfen eine andere Ansicht zu haben. Du bist nun zum Beispiel auch ziemlich meinungsstark und vertrittst die eine oder andere Meinung, der ich nicht zustimmen kann. Da werfe ich dir auch nicht vor, dass Du denkst, dass an „Deinem Wesen die Welt genesen soll“ …

    Im übrigen habe ich nirgends behauptet, dass ich die Welt nach meinem Maßstab der unteren Mittelklasse formen will. Auch in meinem Steuermodell gäbe es weiterhin Menschen mit weit, weit überdurchschnittlichen Gehältern wie 90.000 oder 100.000 Euro und – mit hohem Steueraufschlag – sogar jenseits dieser Grenze. Mein Maßstab der unteren Mittelklasse dient lediglich der Erklärung der Basisausgaben, so wie ich sie definiert habe. Ansonsten forme ich überhaupt nichts.

    Zum einen hast Du doch selbst schon an anderer Stelle Klage darüber geführt, dass unsere kapitalistische Gesellschaft ausländische Ärzte, Ingenieure oder Programmierer dazu verlockt, ihre Heimat verlassen, um in Deutschland ihr Wohl zu suchen, während die heimische Gesellschaft „ausblutet“.

    Mir ist nicht erinnerlich, dass ich darüber Klage geführt habe. Aber ja, das ist ein Problem. Allerdings ein zweischneidiges Schwert. Wenn die Ärzte, Ingenieure oder Programmierer zuhause keine Arbeit finden, ist es durchaus sinnvoll, wenn sie dorthin gehen, wo sie einen Lebensunterhalt verdienen können.

    Mag sein, dass fast keine Krankenschwestern in die USA auswandern; allerdings wandern viele unserer Wissenschaftler und (meiner Meinung nach immer noch zu viele) Jungunternehmer in die USA aus. Noch nicht alle, zugegeben, aber auch hier möchte ich nochmal auf unseren ehemaligen „sozialistischen“ Bruderstaat DDR hinweisen, die unter den kapitalistischen Verlockungen des Westens derart litten, dass sie den Bau einer Mauer für erforderlich hielten.

    Der DDR-Vergleich ist Unsinn und reine Polemik. In der DDR herrschte nach objektiven Maßstäben Armut und Mangel. Mein vorgeschlagenes Steuermodell sieht für Gehaltsklassen bis 100.000 Euro praktisch keine Änderungen vor, außer dass die am ganz unteren Ende des Spektrums in die untere Mittelklasse gehoben würden. Die Armut und der Mangel, die zu erwarten wären, wären also kleiner als das, was wir heute in unserer Gesellschaft haben.

    Und was sagt Dir das eigentlich, dass die Wissenschaftler auswandern, nicht aber die Krankenschwestern? Doch wohl, dass es dabei nicht primär um’s Geld geht. Ansonsten wären ja beide weg. Die Gehälter von Jungwissenschaftlern wie Doktoranden und Postdoktoranden – die mit Abstand größte Gruppe an Auslandswissenschaftlern – sind übrigens vergleichbar in den USA und in Deutschland. Der Grund für den Strom von Wissenschaftlern raus aus Deutschland in die USA ist nicht das persönliche Einkommen, sondern die besser ausgestatteten Grants, der Ruf der Eliteuniversitäten und das Weniger an Forschungsregulierung. Und die Entwicklung kehrt sich übrigens gerade um.

    Und fast alle Auslandswissenschaftler kommen zurück nach Europa. Ich habe fast 13 Jahre als Wissenschaftler in den USA gelebt und kenne exakt NULL Wissenschaftler, die wegen des Geldes in den USA geblieben sind. Die einzigen Westeuropäer, die geblieben sind, sind geblieben, weil sie sich in eine Amerikanerin verliebt und geheiratet haben. Ansonsten bleiben unter Europäern praktisch ausschließlich Osteuropäer in den USA. Schlicht weil die zuhause keine Job-Perspektive haben.

    Ansonsten sind die Gehälter in der Privatwirtschaft insgesamt in den USA zwar höher. Wenn Du Deinen ersten Arbeitsvertrag in San Francisco unterschreibst, bist Du stolz wie Bolle, was für ein Mega-Gehalt Du da ausgehandelt hast. Und dann stellst Du fest, dass die Wohnungspreise, das fünf- bis sechsfache dessen betragen, was in Europa üblich ist. Eine Bekannte von mir hatte das Pech in den USA Zwillinge zu bekommen. Die Kita-Kosten haben das Gehalt der Wissenschaftlerin mit Doktorat überschritten. Sie hätte Geld sparen können, wenn sie ihre Karriere an den Nagel gehängt und selbst auf die Kinder aufgepasst hätte. Nachdem ihr Zweiverdienerhaushalt wegen dieser erdrückenden Kosten immer weiter in die Schulden abgerutscht ist, haben gottseidank sie und ihr Mann Job-Angebote in Deutschland bekommen und sind bei der ersten Gelegenheit wieder heimgekehrt. Du hast ja z.B. vier Töchter, wenn ich mich recht erinnere. Du hättest in den USA deshalb wirtschaftlich keinen Fuß auf die Erde gekriegt. In den USA kannst Du nur zu etwas werden, wenn Du gesund bist, keine Kinder hast oder eine Frau, die Heimchen am Herd ist.

    Zustimmung, es ist immer das Gesamtpaket, was zählt. Aber wenn man nicht davon leben kann, reichen nette Kollegen oder reizvolle Aufgabe nicht.

    Nenn mir mal ein konkretes Beispiel von jemandem, der mit einem Gehalt von 60.ooo Euro, 80.000 Euro oder 100.000 Euro „nicht leben kann“.

    Aber wenn der Jungabiturient nicht die theoretische Option eines nach oben offen Gehalts hat, wird er vielleicht erst gar nicht studieren. Man lebt doch gerade in jungen Jahren auch von der Hoffnung auf eine Karriere.

    Ich kenne exakt NULL Leute, bei denen die Hoffnung auf eine Karriere Grund des Studiums war. In meiner Abiturabschlussklasse wollten die Schüler hauptsächlich einen Beruf, der zu ihnen passt. Viele haben sich gefragt, „Würde mir das Spass machen?“ oder „Will ich das den Rest meines Lebens machen?“. Gerade in dem Alter waren die meisten auch sehr unsicher. Man wollte erstmal eine normale Existenz, sein eigenes Geld verdienen, keinen Rückschritt, von dem was man wirtschaftlich gewohnt war. Viele haben auch gar keinen Plan gehabt und haben sich erstmal in irgendeinem Studium geparkt.

    Zu Deinen Fragen am Ende: Ich behaupte nicht, auf alle eine Antwort zu haben. Jede Steuerreform löst immer manche Probleme und schafft dafür andere. Die Frage ist, was man bereit ist als Kompromiss zu akzeptieren. Ist ja nicht so, als wenn unser heutiges System funktionieren würde. Weltweit wächst in den westlichen Ländern die Ungleichheit, während das Vertrauen der Bürger in Staat, Normen und Institutionen zunehmend erodiert. Überall kriechen Populisten und Extremisten aus ihren Löchern und werden politisch immer erfolgreicher. Anti-Establishment-Ressentiments werden überall heftiger, während Gesellschaften zunehmend polarisieren. Und jetzt kriegen wir oben drauf möglicherweise auch noch die schwerste Rezession der neueren Geschichte, gepaart mit einem ungelösten Pandemieproblem. Der soziale Sprengstoff, den das bisherige System akkumuliert hat, droht wie ein Pulverfass hochzugehen. Es wird Zeit, dass es zu einem echten Wandel kommt. Einem Wandel ohne Extremismus. Einem Wandel, in dem sich echte Marktwirtschaft entfalten kann. Und das kann meiner Meinung nach nur in einem regulierten Rahmen erfolgen, in dem es weder oben noch unten zu große Ungerechtigkeiten gibt und die Kräfte des Marktes in der Mitte wirken. Mein Steuermodell ist ein Vorschlag das zu bewirken. Ich höre mir gerne Gegenmeinungen an. Aber bisher höre ich im wesentlichen nur „Lass uns so weiter machen wie bisher, denn was wir bisher hatten, war wahnsinnig erfolgreich“. Und das ist eben eine nachweislich falsche These.

  • Erwin Gabriel 26. Juni 2020, 02:17

    @ Ralf 25. Juni 2020, 22:09

    Die mit Abstand meisten Opel Corsa werden in unserer Gesellschaft von Bürgern gefahren, deren Gehalt weit unterhalb der 100.000 Euro-Schwelle liegt.

    Drücke ich mich so unverständlich aus? Punkt ist nicht der absolute Wert des Corsa, oder von mir aus der eines Porsche. Der Punkt ist, dass ausgehend von der Basis jede kleine Steigerung enorm teurer wird. Wenn Du eine wirksame Decke einziehst, werden die Unterschiede zwischen den Gehaltsstufen so klein, dass von einem Aufstieg um eine Stufe fast nichts überbleibt. Du nimmst Differenzierungsmöglichkeiten, und die leute stehen nun mal drauf, sich positiv abzuheben.

    Ich gehe auch davon aus, dass in dem von Dir präferierten Steuermodell nicht nur oben beschnitten wird, sondern dass sich automatisch auch Verschiebungen weiter unten zwangsläufig ergeben werden.

    Auch die Krankenschwester bringt sich übrigens nicht ihren Kittel zur Arbeit mit, sondern bekommt den gestellt. Wenn man einen Anzug ausschließlich für den Dienstgebrauch benötigt und andernfalls nicht trägt und wenn der Anzug vom Unternehmen als essentiell für die Ausübung der Tätigkeit betrachtet wird, dann sollte das Unternehmen auch für den Anzug bezahlen.

    Nicht böse sein, da kann ich wieder nur den Kopf schütteln. Ob Du das wahrhaben willst oder nicht, die Funktion eines Anzugs ist nicht vergleichbar mit der Funktion einer Pflegertracht oder eines Blaumanns.

    Ich habe Dir – zunächst mal unabhängig von meinem Steuermodell – erklärt, weshalb ich die Basisausgaben in meiner Argumentation so definiert habe und nicht anders. Und Bill Gates z.B. hat andere, dramatisch höhere Basisausgaben als ein oberer Mittelklassebürger mit 100,000 Euro Jahreseinkommen.

    Nun, Jachten und mehrere Villen gehören nicht dazu.

    Aber vieles, eigentlich fast alles dessen, was für Bill Gates zu den Basisausgaben gehört, ist für den oberen Mittelklassebürger unnötiger Luxus.

    Den ganzen Schmonzes vorher und nachher können wir uns eigentlich schenken. Das ist ein sehr deutlicher Satz von Dir. Und losgelöst von den Grenzen und Summen lese ich das Wort „unnötig“. Da rühren meine Bauchweh her, dass Du anderen erklären willst, was nötig und was unnötig ist. Das halte ich für unglaublich anmaßend.

    Dem hingegen schaut der Arbeiter mit seinem winzigen Gehalt auf den oberen Mittelklassebürger und findet auch da, dass dessen Basisausgaben fast vollständig unnötiger Luxus sind. Und der Hartz IV-Empfänger schaut mit ähnlichen Gefühlen auf den Arbeiter.

    Solange jemand über einen anderen sagt „was der hat, ist Luxus“, kann ich gut damit leben. Solange einer sagt „was der hat, ist unnötig“, nicht. Das mag ich nicht akzeptieren.

    Deshalb habe ich eine feste, unveränderliche Größe für die Basisausgaben gesucht. Ich bin bei der unteren Mittelklasse fündig geworden. Ich bin in einer solchen Familie aufgewachsen. Ich weiß, dass wir nie viel hatten, aber das was wir hatten, hat zu einer menschenwürdigen Existenz und sogar ein bisschen bescheidenem Wohlstand gereicht.

    Ich habe den Punkt durchaus verstanden. Das, was ich wieder anmaßend finde, ist, dass Du sagst „Mir genügt das, jetzt muss es allen genügen“. Ich fahre ein Auto mit 100 PS, also soll keiner ein Auto mit 200 PS fahren; ich brauche nur zwei Paar Schuhe, also soll keiner mehr als vier Paar haben etc (ich rede vom Prinzip, und will Dir keine Aussagen unterstellen).

    Deswegen auch mein Spruch von Deinem Wesen, an dem die Welt genesen soll. Man kann ja über den Unterschied von Basis und Luxus trefflich diskutieren, aber, und das ist auch nur meine ganz persönliche Meinung, sollte der Maßstab dafür objektiver gewählt sein. „Dein Maßstab als Basis für die Basis“ kann ich als Deine private Meinung gerne akzeptieren, aber für eine Diskussionsgrundlage ist es vielleicht etwas einseitig.

    Ich will, dass alle zumindest auf dem Niveau leben können, das ich als Kind hatte.

    Dafür hast Du meine Unterstützung. Aber Du ziehst mit Deinem Steuersystem nicht die Untergrenze hoch, sondern die Obergrenze runter.

    Aber das, was diese Menschen jenseits dessen haben, was zu einem menschenwürdigen Leben notwendig ist, ist eben ein Luxus. Und ich meine „Luxus“ hier nicht als etwas Abwertendes. Wer das größere Auto hat, die geräumigere Wohnung oder den Fernurlaub ist privilegiert. Ich freue mich mit ihm.

    Warum dann die feste Obergrenze?

    [An Deinem Wesen …]
    Keine Ahnung, wo das jetzt herkommt.
    Hatte ich oben erklärt, war nicht mal bös gemeint; sondern nur eine(zugegeben: etwas spitze) Reaktion darauf, DEINE Befindlichkeit zum Maßstab für ALLE zu wählen.

    Du bist nun zum Beispiel auch ziemlich meinungsstark und vertrittst die eine oder andere Meinung, der ich nicht zustimmen kann. Da werfe ich dir auch nicht vor, dass Du denkst, dass an „Deinem Wesen die Welt genesen soll“ …

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich Meinungen vertrete, die eine solche Beschreibung zuließen. Ich denke mir immer, dass vom Prinzip her die Freiheit des einen da aufhört, wo die des anderen anfängt (ich lehne beispielsweise die meisten Religionen strikt ab; ich würde aber niemandem verbieten wollen, einer Religion zu folgen, aber mich dennoch sehr dagegen wehren, von so einer Person Vorschriften aufgedrückt zu bekommen).
    Deswegen kann ich Dir folgen, die Untergrenze hoch zu ziehen, weil das für niemanden eine Einschränkung ist. Ich kann Dir aber nicht folgen, die Obergrenze fest zu kappen (obwohl auch ich einiges als Auswuchs empfinde).

    Im übrigen habe ich nirgends behauptet, dass ich die Welt nach meinem Maßstab der unteren Mittelklasse formen will.

    Dann hat einer von uns beiden Dich nicht richtig verstanden. Wenn Du die untere Schwelle hoch- und die obere Schwelle runterziehen willst, gibt’s Du schon einen schmalen Korridor vor (schmal in dem Sinne, dass der Platz für Abstufungen durchaus eng wird).

    Wenn die Ärzte, Ingenieure oder Programmierer zuhause keine Arbeit finden, ist es durchaus sinnvoll, wenn sie dorthin gehen, wo sie einen Lebensunterhalt verdienen können.

    Die finden daheim Arbeit. Hier auch. Und sie folgen dem Geld.

    Der DDR-Vergleich ist Unsinn und reine Polemik. In der DDR herrschte nach objektiven Maßstäben Armut und Mangel.

    Das war von mir nicht als Polemik, sondern ernst gemeint. Der Lebensstandard in der DDR war so hoch, dass alle anderen sowjetischen Vasallenstaaten ihn angestrebt haben. Deine „objektiven“ Maßstäbe sind die damalige BRD.

    Und was sagt Dir das eigentlich, dass die Wissenschaftler auswandern, nicht aber die Krankenschwestern? Doch wohl, dass es dabei nicht primär um’s Geld geht. Ansonsten wären ja beide weg.

    Den Unterschied solltest Du aber verstehen …

    Die Gehälter von Jungwissenschaftlern wie Doktoranden und Postdoktoranden – die mit Abstand größte Gruppe an Auslandswissenschaftlern – sind übrigens vergleichbar in den USA und in Deutschland.

    Ja, es ist nicht nur das Geld; es sind die Chancen. Du beschneidest ja mit Deinem Steuermodell auch nicht nur das absolute Gehalt, sondern auch die Chancen auf mehr.

    … Du hast ja z.B. vier Töchter, wenn ich mich recht erinnere. Du hättest in den USA deshalb wirtschaftlich keinen Fuß auf die Erde gekriegt. In den USA kannst Du nur zu etwas werden, wenn Du gesund bist, keine Kinder hast oder eine Frau, die Heimchen am Herd ist.

    Oder erfolgreicher Unternehmer (was bei einer guten Idee und hohem Einsatz dort deutlich leichter fällt als hierzulande). Aber ja, mein Leben wäre in den USA schlechter verlaufen, und ich hätte nicht nur erheblich weniger verdient, sondern auch deutlich höhere Kosten zu stemmen gehabt.

    Nenn mir mal ein konkretes Beispiel von jemandem, der mit einem Gehalt von 60.000 Euro, 80.000 Euro oder 100.000 Euro „nicht leben kann“.

    Erwischt – „nicht leben“ ist ein zu pathetischer Begriff für das, was ich damit meine.

    Meine zwei grundlegenden Punkte sind (und bleiben):
    – So sehr wir uns über eine nach oben anziehende Steuer einigen könnten, so sehr lehne ich eine absolute Obergrenze ab.
    – Das, was Du Dir vorstellst, würde auch Einfluß haben auf Bereiche, die Du nicht verändern willst.

    Ich kenne exakt NULL Leute, bei denen die Hoffnung auf eine Karriere Grund des Studiums war.

    Ich kannte nur solche. Den einen zog es in den Maschinenbau, den anderen in die E-Technik, den nächsten in die Informatik. Der erste wollte in die Entwicklung von Mercedes, der zweite in die Entwicklung von Bosch oder Siemens, der Dritte in die Entwicklung einer Firma, die es nicht mehr gibt; Peacock o.ä..

    Zu Deinen Fragen am Ende: Ich behaupte nicht, auf alle eine Antwort zu haben.

    Das kann ich nachvollziehen und akzeptieren. Wahrscheinlich gibt es keine bessere Antwort, um mich ruhigzustellen. 🙂

    Ist ja nicht so, als wenn unser heutiges System funktionieren würde.

    Es funktioniert hat besser als alle, die ich so sehen kann.

    Es wird Zeit, dass es zu einem echten Wandel kommt.

    Du schriebst selbst, dass einige Probleme gelöst, andere neu aufgerufen werden. Ich halte Deine (Steuer-)ansichten auch für extrem, zumal ich großes Mißtrauen entwickle, wenn einer dem anderen Vorschriften macht, die über meine Prämisse (die Freiheit des einen endet, …) hinausgehen.

    Denn mit dem gleichen Recht schreibt der zurück – das ist ja letztendlich, was die Polarisierung fördert.

    Aber bisher höre ich im wesentlichen nur „Lass uns so weiter machen wie bisher, denn was wir bisher hatten, war wahnsinnig erfolgreich“. Und das ist eben eine nachweislich falsche These.

    Sagen wir mal so: Ich bin halt konservativ. Das „wahnsinnig“ würde ich vielleicht weglassen, aber sonst: Ja, erfolgreich. Der Durchschnitt bei uns lebt besser als der Durchschnitt woanders.

    Und ohne dass ich Dir da zu nahe treten will: Was ich nicht glaube, ist, dass Du einen funktionierenden Weg in eine bessere Gesellschaft gefunden hast, auf den noch keiner gekommen ist. Regulierter Markt und gedeckeltes Gehalt hatten wir halt schon mehrfach, hat nie funktioniert. Und Du kannst nicht an einer Stellschraube drehen und erwarten, dass sich nur diese Stellgröße verändert, und der Rest bleibt.

    PS: „Gerechtigkeit“ ist übrigens ausschließlich subjektiv.

  • CitizenK 26. Juni 2020, 11:04

    Innerhalb eines Werterahmens von Aufklärung, Rationalität und Demokratie kann man zumindest abgrenzen, was nicht-gerecht ist: Unterschiedliche Besteuerung nach Religion zum Beispiel (historisch) oder Steuerfreiheit für bestimmte Stände (Adel) usw.

    Die Nichtbesteuerung (auch die Fast-gar-nicht-Besteurung) von Einkommen und Vermögen, das ohne persönliche Leistung erworben wurde und wird, würde ich unverfroren dazuzählen.

    • Stefan Sasse 26. Juni 2020, 11:29

      Genau.

    • Erwin Gabriel 27. Juni 2020, 21:41

      @ CitizenK 26. Juni 2020, 11:04

      Innerhalb eines Werterahmens von Aufklärung, Rationalität und Demokratie kann man zumindest abgrenzen, was nicht-gerecht ist:

      Dazu kriegst Du zwei Anworten von mir:

      1) Genau (genauso ernst gemeint wie von meinem Vorredner); in der Theorie stimme ich Dir zu.

      2) Unabhängig davon, wie Du das heute siehst, hat sich der Adel früher als „gottgegeben“ betrachtet, seine Privilegien waren für ihn selbstverständlich und gerecht. Und was das Erben angeht: Wenn ich im Leben etwas erwirtschaftet habe, warum darf ich dann nicht darüber entscheiden, was damit geschieht (Versorgung der eigenen Kinder, z.B.)?

      Gerechtigkeit unterliegt der subjektivenn Bewertung eines jeden über richtig und falsch. Aber wenn jeder eine eigene Gerechtigkeit hat, kann es „die Gerechtigkeit“ als absoluten Werrt nicht geben.

      • Stefan Sasse 27. Juni 2020, 22:46

        Absolut richtig.

      • CitizenK 28. Juni 2020, 14:13

        Ja, danke Dir. Respekt, dass du Deine eigene Situation so ehrlich darstellst.

        Wichtiger Punkt: „Wenn ich im Leben etwas erwirtschaftet habe, warum darf ich dann nicht darüber entscheiden, was damit geschieht (Versorgung der eigenen Kinder, z.B.)?“

        Selbstverständlich muss man das dürfen, gar keine Frage. Aber es kann nicht der alleinige Grundsatz sein, wenn es darum geht, das Geld für wichtige Gemeinschaftsaufgaben zu erheben. Eine Frage der Abwägung, der Verhältnismäßigkeit. „Leistungsfähigkeit“ ist zu recht ein Prinzip der Besteuerung. Wo nichts ist, kann auch der Staat nichts holen (außer durch Verbrauchssteuern, natürlich). Wer leistungsfähig ist, kann und muss mehr beitragen als diejenigen, die das nicht können.

        Ich wundere mich immer über die Verteidigung der Hyperreichen (Neid! Neid!) durch Mittelschichtler, auch hier im Blog. Ich kann mir das nur psychologisch erklären – sie fühlen sich dann auch als Teil der Geldelite und können sich abgrenzen nach unten. Wie arme Schlucker sich als Mittelschicht wähnen, um die Realität nicht sehen zu müssen.

        Aber auch die Mittelschicht kann vom Fiskus nicht so ausgeraubt sein, wie oft dargestellt. Selbst auf dem Parkplatz vor meinem Supermarkt sehe ich nicht wenige Autos, die mehr als ein Jahreseinkommen von mir kosten, oft ein Vielfaches. Die gehören doch bestimmt nur ehrlichen Steuerzahlern? Von Häusern, Villen und Luxushotels gar nicht erst anzufangen. Das Luxussegment (Uhren, Schmuck, Boote, Villen) hat immer Hochkonjunktur.

        Also bleibt in der deutschen Steuerhölle doch genug für ein gutes Leben?

        Wenn ich den Statistiken glauben würde, läge ich bzgl. „Familien-Einkommen und Vermögen über dem Durchschnitt. Warum kann ich mir dann gerade mal eine Woche Familienurlaub ohne Extras leisten, die teueren destinations sind (waren vor Corona) aber immer knallvoll? Bekanntlich werden die Top-Einkommen und die Vermögen statistisch gar nicht erfasst. Daran hat auch die jahrelange Regierungsbeteiligung einer angeblich „linken“ Partei nichts geändert: Die (Macht-) verhältnisse, die sind halt so.

        • R.A. 28. Juni 2020, 14:52

          „Ich wundere mich immer über die Verteidigung der Hyperreichen (Neid! Neid!) durch Mittelschichtler, auch hier im Blog.“
          Das liegt schlicht an der Erfahrung der letzten Jahrzehnte. Wenn die Linken Maßnahmen gegen die „Hyperreichen“ durchsetzten, stellte sich hinterher heraus, daß „hyperreich“ schon beim Facharbeitergehalt beginnt.
          In der politischen Begründung werden die Milliardäre genannt, aber dann in der politischen Realität wird die Mittelschicht abgezockt.

          „Aber auch die Mittelschicht kann vom Fiskus nicht so ausgeraubt sein, wie oft dargestellt.“
          Wenn man mehr als die Hälfte seines Einkommens an den Staat abdrücken muß, dann ist das schon ziemlich ungerecht. Auch wenn trotzdem noch irgendjemand ein teures Auto vor dem Supermarkt abstellen kann.

        • Erwin Gabriel 29. Juni 2020, 18:56

          @ CitizenK 28. Juni 2020, 14:13

          [Wenn ich im Leben etwas erwirtschaftet habe, warum darf ich dann nicht darüber entscheiden, was damit geschieht (Versorgung der eigenen Kinder, z.B.)?“]

          Aber es kann nicht der alleinige Grundsatz sein, wenn es darum geht, das Geld für wichtige Gemeinschaftsaufgaben zu erheben.

          Grundsätzliche Zustimmung.

          Wer leistungsfähig ist, kann und muss mehr beitragen als diejenigen, die das nicht können.

          Auch hier: Uneingeschränkte Zustimmung.

          Was so gerne übersehen wird, ist, dass das schon in üppigem Maße geschieht. Wenn ich „Linke“ (sorry für die Verallgemeinerung, mir fällt nichts Besseres ein) und manch andere so höre, habe ich immer das Gefühl, dass da etwas eigenartig gedacht wird.

          Etwa so: „Wir Armen zahlen Steuern, die Reichen zahlen auch nur Steuern; das ist ungerecht – die müssten viel mehr Steuern zahlen“; so, als würde der gleiche Begriff auch den gleichen Steuersatz bedeuten. Verdient einer brutto 2.500 Euro und ich das Doppelte, denkt er, dass ich das Doppelte verdiene; ich kriege aber netto bei weitem nicht das Doppelte ausbezahlt. Für einen Gehaltsvergleich ist brutto irrelevant.

          Also ja, wer „leistungsfähiger“ ist, leistet bereits jetzt erheblich mehr. Das ist kein Zustand, der erst noch angestrebt werden muss, sondern schon jetzt Realität.

          Ich wundere mich immer über die Verteidigung der Hyperreichen (Neid! Neid!) durch Mittelschichtler, auch hier im Blog. Ich kann mir das nur psychologisch erklären – sie fühlen sich dann auch als Teil der Geldelite und können sich abgrenzen nach unten. Wie arme Schlucker sich als Mittelschicht wähnen, um die Realität nicht sehen zu müssen.

          Wenn es nur darum geht, die „Reichen“ mehr zahlen sollen (obwohl sie das bereits tun), sehe ich als treibendes Motiv „Gutmenschen-Neid“ (Neid in moralisierendem Gewand). Ich habe noch nie jemanden gehört, der öffentlich überlegte, das deutsche Sozialhilfe-Niveau auf griechisches oder rumänisches Niveau abzusenken, um mehr „Gerechtigkeit“ in der EU herzustellen. Es ist immer „Ich will mehr, wem nehme ich es weg?“.

          Wer sich in eine Position hochgearbeitet hat, in der er gut verdient, braucht keinen Herrn Neunmalklug, der sich nur darüber ein Kopf macht, wie man ihm das alles wieder wegnehmen kann, um es anderen geben und sich dafür feiern zu lassen.

          Also bleibt in der deutschen Steuerhölle doch genug für ein gutes Leben?

          Wer viel verdient, kann sich trotz höherer Steuern mehr leisten als ein Niedrigverdiener. Was man sich leisten könnte, wenn man auch nur die niedrigeren Steuern zahlen müsste, steht auf einem anderen Blatt.

          Wenn ich den Statistiken glauben würde, läge ich bzgl. „Familien-Einkommen und Vermögen über dem Durchschnitt. Warum kann ich mir dann gerade mal eine Woche Familienurlaub ohne Extras leisten … ?

          Weil die Steuern so hoch sind 🙂

          • CitizenK 29. Juni 2020, 20:02

            „Für einen Gehaltsvergleich ist brutto irrelevant“.

            Nicht ganz. Die Alternative wäre, Gemeinschaftsaufgaben mehr über Gebühren zu finanzieren: Straßenmaut, Schulgeld, Studiengebühren usw. Das wird oft übersehen bei Steuer-Vergleichen mit USA und der Schweiz etwa. Hab mal 3 Kinder und bezahle denen die gesamte Ausbildung, da bleibt auch nicht mehr so viel vom Netto.

            Der Vergleich mit „den rumänischen Sozialhilfesätzen“ oder gar afrikanischen Ländern ist kein Argument. Damit könnten wir den größten Teil unseres Sozialstaats einstampfen. Die globale Ungerechtigkeit steht sozusagen vor der Klammer unserer innenpolitischen Steuerdiskussionen.

            Unstrittig ist doch, dass es auch in unserem Land Mängel und Ungerechtigkeiten gibt, die durch Geld verringert werden könnten. Wer sich also gegen Steuern sträubt, erklärt damit sein Einverständnis für das Fortbestehen dieser Zustände.
            Zwei Aspekte noch, dann hör ich auch auf: Soll Einkommen durch Kapital (auch ererbtes) wirklich gleich behandelt werden wie das durch („harte“) Arbeit, auch durch Leistung und Aufstieg? Und die Möglichkeiten der Steuervermeidung und -hinterziehung sind für einige Gruppen der Gesellschaft signifikant größer als für andere. Kein Handlungsbedarf?

            • Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 20:19

              Sie wollen also sagen, in Deutschland sind nur deswegen die Steuern und Sozialabgaben so rekordhoch, weil bei uns der Staat alles bezahlt? Warum ist die Unzufriedenheit mit dem Leistungsniveau des Staates in Bildung, Gesundheit, Altersvorsorge, Pflege und Infrastruktur so groß, dass in Summe Billionenausgaben gefordert werden? Diese „Erwartungen“ müssten doch dann auch zu dem jetzigen Abgabenniveau addiert werden.

              Die Maut in Österreich und der Schweiz ist nicht demgemäß, dass es einen Durchschnittshaushalt ans Existenzminimum bringt. In Deutschland studieren nur 25% eines Jahrgangs, anders als in Ländern mit Studiengebühren. Das passt jetzt nicht so ganz zu Ihrer Argumentation.

              Vier von fünf hinterzogenen Steuern stammen aus der Schwarzarbeit, der Steuerhinterziehung des kleinen Mannes. Dieser geht dann oft noch einher mit Sozialabgabenbetrug. Beides wird bei diesen Gruppen verhältnismäßig gering bestraft. Sehen Sie da also Handlungsbedarf? Oder sind Sie gar nicht so problemorientiert?

            • Erwin Gabriel 1. Juli 2020, 15:24

              @ CitizenK 29. Juni 2020, 20:02

              [Für einen Gehaltsvergleich ist brutto irrelevant.]

              Nicht ganz. Die Alternative wäre, Gemeinschaftsaufgaben mehr über Gebühren zu finanzieren: Straßenmaut, Schulgeld, Studiengebühren usw. Das wird oft übersehen bei Steuer-Vergleichen mit USA und der Schweiz etwa. Hab mal 3 Kinder und bezahle denen die gesamte Ausbildung, da bleibt auch nicht mehr so viel vom Netto.

              Das ist doch, was ich meine. Ich habe vier Töchter …

              Der Vergleich brutto gegen brutto sagt gar nichts. Aber die Unterschiede zwischen brutto hoch und brutto niedrig treiben die (Neid-)Debatte, nicht die Unterschiede zwischen dem, was wirklich ausbezahlt wird, oder welche Belastungen da zu tragen sind.

              Der Vergleich mit „den rumänischen Sozialhilfesätzen“ oder gar afrikanischen Ländern ist kein Argument.

              Aber sicher. Jede Gerechtigkeits-Debatte wird relativ begründet; der hat mehr als ich, ich habe weniger als der (Nachbar / Kollege / Durchschnitt – whatever). Die Definition von Gerechtigkeit wird maßgeblich durch den subjektiven Maßstab bestimmt, den der Gerechtigkeits-Suchende anlegt. Und JEDER, der sich über fehlende Gerechtigkeit beschwert, schaut nach oben, nie nach oben UND nach unten, um erst mal seine Position zu bestimmen.

              Das ist ungerecht.

              Damit könnten wir den größten Teil unseres Sozialstaats einstampfen. Die globale Ungerechtigkeit steht sozusagen vor der Klammer unserer innenpolitischen Steuerdiskussionen.

              Ja, der Konsequenz und der Sicht stimme ich zu. Aber bedeutet das nicht auch automatisch, dass wir global schon einen richtig hohen Standard haben? Oder verstehe ich Dich da falsch?

              Unstrittig ist doch, dass es auch in unserem Land Mängel …

              Ja!

              … und Ungerechtigkeiten …

              Das ist wie gesagt eine sehr subjektive bzw. individuelle Festlegung, die ich nicht als objektiv meßbar und damit alslösbares Problem akzeptieren kann.

              … gibt, die durch Geld verringert werden könnten.

              Wie gesagt, grundsätzliche Zustimmung, aber …

              Wer sich also gegen Steuern sträubt, erklärt damit sein Einverständnis für das Fortbestehen dieser Zustände.

              🙂 Abgesehen davon, daas das Fortbestehen der Zustände nicht die schlechteste Situation ist, wenn wir uns vor unserer Haustüre umschauen und unsere Zustände mit denen anderer länder vergleichen – ich sehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat.

              In jedem Falle werte ich positiv, dass Du „Steuern“ statt „höhere Steuern“ schreibst. Aber Steuereinnahmen dienen ausschließlich dazu, das Konstrukt „Staat“ am Leben zu erhalten, so wie es die Führung des Staats für richtig hält. Wie diese Einnahmen eingesetzt werden, ist dann Sache der jeweiligen Regierung.

              In unserem Falle werden die Einnahmen in weitem Maße für soziale Ausgaben eingesetzt, hauptsächlich (das ist zumindest meine Wahrnehmung) von den Parteien, um sich die Wähler gewogen zu halten und so länger oder stärker in der Regierung verankert zu sein. Würden die Parteien vermuten, dass sie ihre Wähler durch andere Themen locken könnten, würden sie die präferieren und finanzieren.

              In China beispielsweise dienen Steuereinnahmen viel stärker als hier dazu, einen Kontroll- und Überwachungssystem zu finanzieren, denn das ist der Weg, den die herrschende Kaste Chinas als maßgeblich und erfolgreich ansieht, um ihr Staatskonstrukt am Leben zu erhalten und um in Amt und Würden zu bleiben.

              Soll Einkommen durch Kapital (auch ererbtes) wirklich gleich behandelt werden wie das durch („harte“) Arbeit, auch durch Leistung und Aufstieg?

              Da habe ich ein ganz subjektives Gerechtigkeitsempfinden (ja, ich weiß … 🙂 ), dass ich nicht als Maßstab nehmen möchte. Mir gefällt das grundsätzliche Prinzip, dass bei der Erbschaft ein Sockelbetrag freigestellt wird, und erst darüber der Staat zugreift. Wie hoch der Sockel ist, wie sehr der Staat zugreift, oder ob beispielsweise der Erb-Überschuss (bzw. die Abgaben darauf) nicht dem Staat, sondern einer wohltätigen Organisation zugeführt werden soll, über die vielleicht sogar der Erblasser oder der Erbe mitentscheiden darf, entzieht sich meiner Fachkunde. Da kann ich mich nicht kompetent zu äußern.

              Ähnlich sehe ich das bei Kapitalerträgen. Auch hier sollte die Höhe entscheidend sein; „unten“ ein freier Sockelbetrag, um Kleinanleger nicht zu schröpfen. Darüber hinaus lässt sich sicherlich ein Abgaben- bzw. Besteuerungsverfahren finden, dass sich am Prinzip des Steuerrechts orientiert.

              Aber ich bin nicht kompetent genug, um ein geschlossenes bzw. schlüssiges System zu entwickeln.

              Und die Möglichkeiten der Steuervermeidung und -hinterziehung sind für einige Gruppen der Gesellschaft signifikant größer als für andere. Kein Handlungsbedarf?

              Ein klares „Ja“ bzw. „Doch“. Wobei ich grundsätzlich den Ansatz verstehe, dass jemand, der Geld erwirtschaftet hat, dass als „sein“ Geld ansieht und sich vor Abgaben zu drücken sucht (das Äquivalent auf der anderen Seite vom Spektrum wäre, Menschen, die vom Staat abhängig sind und über die Sozialhilfe versorgt werden, als Gegenleistung ein gewisses Maß an Arbeitsleistung abzuverlangen, damit die ihren Anteil leisten – würde auch nicht jeder gut finden).

              Mein allgemeiner Eindruck ist aber der, dass das Steuersystem nicht klar genug ist, so dass Leute mit Geld Schlupflöcher finden können, normale Angestellte nicht. Das gesamte Niveau etwas niedriger, im Ausgleich aber Entfall von Ausweichmöglichkeiten würde mir gefallen.

              Des Weiteren denke ich, dass man mal über andere Wege nachdenken sollte; etwa über eine Begrenzung der Absetzbarkeit der Kosten von Markenrechten (um bei Firmen wie Amazon oder Apple zu verhindern, dass Gewinne ins steuerbegünstigende Ausland verschoben werden), oder eine Art Bereitstellungsgebühr für Infrastruktur (ein pauschaler Betrag / Umsatz- oder Gewinn-Anteil), die, wie die Kosten für einen Handy-Vertrag, unabhängig davon anfallen, ob man wirklich alle Möglichkeiten nutzt.

              Der Staat ist da recht einfallslos. Damit meine ich nicht, dass der Staat noch stärker schröpfen sollte wie bisher – die Belastungen und Steuereinnahmen sind hier schon sehr, sehr hoch; sondern, um eine gerechtere Verteilung zu erzielen, um die Arbeitnehmer mit den nicht ganz so hohen Gehältern stärker zu entlasten. Aber wie gesagt, ich bin da kein Fachmann, und urteile da nur so ins Blaue.

              Angenehme Diskussion übrigens. Danke

              • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 16:34

                Angenehme Diskussion übrigens.

                Ist es (fast) immer mit CitizenK. Er ist halt ein angenehmer Zeitgenosse.

              • CitizenK 1. Juli 2020, 18:01

                Danke auch.

                Ja, wir haben ein sehr hohes Niveau. Sicher. Die Frage ist, ob wir im Vergleich zu (sehr) viel ärmeren Ländern dann zufriedengeben sollen und keine Verbesserungen mehr anstreben?

                Dann dürften wir auch nicht über ungenügendes HomeSchooling (geht in vielen Ländern gar nicht) klagen oder über Verkehrsstau (anderswo viel schlimmer). Auch die Ungleichheit ist vielerorts viel schlimmer.

                Ich bin eher dafür, zu den noch besseren Ländern aufzuschließen: Kanada, Neuseeland, Niederlande, Dänemark, früher mal Schweden.

                Zur Erbschaftssteuer: Ohne eine kleine Erbschaft (Freibetrag, Familie) hätte ich mir mein Reihenhäuschen nicht leisten können. Wer aber gar nichts erbt, bringt oft nicht mal den Eigenkapitalanteil für den Kredit auf – und muss zusätzlich noch Grunderwerbsteuer zahlen.

                Deshalb ist auch der Freibetrag für Oma ihr klein Häuschen nicht wirklich sozial gerecht. Eine über zehn oder zwanzig Jahre gestreckte Steuer, die das ausgleicht, hätte ich nichts einzuwenden.

                • Stefan Sasse 1. Juli 2020, 18:33

                  Sehe ich genauso.

                • Erwin Gabriel 2. Juli 2020, 13:19

                  @ CitizenK 1. Juli 2020, 18:01

                  Ja, wir haben ein sehr hohes Niveau. Die Frage ist, ob wir im Vergleich zu (sehr) viel ärmeren Ländern dann zufriedengeben sollen und keine Verbesserungen mehr anstreben?

                  Mir scheint, dass diese Frage eine Antwort impliziert, verstehe nur nicht, welche. Sollen wir dann eine Verbesserung für uns oder für die ärmeren Länder anstreben?

                  Zur Erbschaftssteuer: Ohne eine kleine Erbschaft (Freibetrag, Familie) hätte ich mir mein Reihenhäuschen nicht leisten können. Wer aber gar nichts erbt, bringt oft nicht mal den Eigenkapitalanteil für den Kredit auf – und muss zusätzlich noch Grunderwerbsteuer zahlen.
                  Deshalb ist auch der Freibetrag für Oma ihr klein Häuschen nicht wirklich sozial gerecht. Eine über zehn oder zwanzig Jahre gestreckte Steuer, die das ausgleicht, hätte ich nichts einzuwenden.

                  Als ich jung war, bekam das eine Nachbarskind zum bestandenen Abitur ein Auto geschenkt, das andere nicht. In einer anderen Familie gab es 10.000 Euro für das erste Enkelkind, dass die Eltern ins gerade entstehende Haus stecken konnten. Ein Nachbar von mir, der für einige Jahre in einer hohen Position in München arbeitete, hatte sich dort eine Wohnung gekauft, die seine Tochter nun während des Studiums dort kostenfrei bewohnen kann.

                  Ist all das eine Frage „sozialer“ Gerechtigkeit? Muss man diese Vorteile durch Steuern wieder ausgleichen?

                  Dieser Drang, alles „auszugleichen“, geht von einer Voraussetzung aus, dass alle irgendwie gleich sind oder gleich sein sollten. Diese Annahme halte ich für grundlegend falsch.

                  Wenn der eine Enkel Omas Häuschen erbt und der andere nicht, kann es sein, dass sich der eine gekümmert hat und der andere nicht. Wenn die eine Person einen tollen Job ergattert oder befördert wird und die andere nicht, kann es sein, dass die eine Person besser ausgebildet ist oder eine reifere Persönlichkeit hat als die andere. Ich muss nicht alles im Leben ausgleichen, selbst dann nicht, wenn der eine im Leben einfach Glück hatte, und der andere hatte eben Pech (etwa beim Lottospielen).

                  Situationen anzugleichen, aus einem Prinzip heraus gleich machen zu wollen, halte ich für einen denkbar falschen Ansatz, weil es die Verantwortlichkeit des Einzelnen außer Acht lässt; die Menschen selbst sind nicht gleich.

                  Ich habe (um mal ein Bild zu geben) kein Problem damit, jedem anderen Fahrer Starthilfe zu geben, aber ich habe ein großes Problem damit, alle nach Hause zu schleppen oder ihnen das Taxi zu bezahlen.

                  • Ralf 2. Juli 2020, 13:28

                    Wenn der eine Enkel Omas Häuschen erbt und der andere nicht, kann es sein, dass sich der eine gekümmert hat und der andere nicht.

                    Dass manche Enkel Omas Häuschen erben und andere Enkel nicht, liegt meist daran, dass die einen Enkel eine Oma mit Haus haben und die anderen eben nicht.

                    Es geht um Chancengleichheit. Alle Kinder sollten die gleichen Chancen haben etwas aus ihrem Leben zu machen. Gegenwärtig ist das nicht gegeben. Und zwar deshalb nicht, weil Chancengleichheit herzustellen enorm teuer ist und das dafür notwendige Geld nur aus der Besteuerung der Wohlhabenden kommen kann. Bildungsangebote in Kindergärten, hochqualifizierte Lehrer, engagierte Sozialarbeiter, Top-Ausstattung in Schulen und digitale Infrastruktur, Sprachaufenthalte in Nachbarländern, Bezahlung bei Praktika etc. gibt es eben nicht umsonst.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 13:57

                      Kein Problem mit Erben grundsätzlich, aber ich sehe nicht, warum das steuerfrei sein sollte. Und ich sage das als jemand, der durchaus was zu erben hat.

                    • Erwin Gabriel 3. Juli 2020, 09:44

                      @ Ralf 2. Juli 2020, 13:28

                      Es geht um Chancengleichheit. Alle Kinder sollten die gleichen Chancen haben etwas aus ihrem Leben zu machen. Gegenwärtig ist das nicht gegeben. Und zwar deshalb nicht, weil Chancengleichheit herzustellen enorm teuer ist …

                      Ich verstehe unter Chancengleichheit, dass ich barfüßigen Kindern ein paar Schuhe hinstelle, ihnen eine Banane und eine Flasche Wasser in die Hand drücke, und ihnen erkläre, wo sie langlaufen müssen. Du willst, dass vorher alle wochenlang trainiert werden, damit der Muskelaufbau und Fettanteil bei allen gleich ist, feilst ihnen die Fußnägel gleich lang, und schiebst bei den Langsamen mit.
                      Ich bin dennoch bereit, Dir auf Deinem Weg dieser intensiven Chancengleichheit zu folgen, wenn Du am anderen Ende dabei mitmachst, dass die so perfekt Geförderten dann genauso gleich gemacht werden bei der zu erbringenden Arbeitsleistung – und sei es durch Zwangsarbeit. Denn um Dein sehr teures System der Chancengleichheit auch für die folgenden Generationen zu finanzieren, MUSS jeder ran.

                      Alles andere wäre sonst „ungerecht“.

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:06

                      Ich glaube eines der Grundprobleme dieser Debatte ist, dass Chancengleichheit grundsätzlich ja ein tolles Ziel ist. Nur haben wir die halt nicht, weswegen Progressive noch an den Ergebnissen rumschrauben. Wenn wir echte Chancengleichheit hätten, da stimme ich dir völlig zu, bräuchten wir auch das danach nicht mehr. Aber die haben wir halt nicht.

                    • Erwin Gabriel 6. Juli 2020, 12:10

                      @ Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:06

                      … dass Chancengleichheit grundsätzlich ja ein tolles Ziel ist. Nur haben wir die halt nicht, weswegen Progressive noch an den Ergebnissen rumschrauben.

                      Konservative doch auch. Doch beide Seiten versuchen, dabei ihr Weltbild durchzusetzen.

                      Aus meienr Sicht liegt das daran, dass man dem Thema Finanzierung (die einen wollen behalten, die anderen wollen ihnen wegnehmen) eine zu starke Gewichtung gibt, statt sich auf ein Ideal zu einigen, um dann anzustreben, möglichst viel davon in die Praxis umzusetzen.

                    • Stefan Sasse 6. Juli 2020, 14:59

                      Ja, da hast du Recht.

                  • CitizenK 2. Juli 2020, 15:25

                    Hier haben wie einen grundlegenden Meinungsunterschied. Der muss zwar nicht unbedingt ausgeglichen werden ;-), lohnt aber eine Diskussion.

                    Die natürliche Ungleichheit ist gewaltig: Ob man gesund ist, welche Gene man hat, in welches Land/in welche Familie man hineingeboren wird etc. Jemand hat das die „Natürliche Lotterie“ genannt, in der gewinnen oder verlieren kann. Statt Ungleichheit kann man auch sagen: Ungerechtigkeit. Das Leben IST ungerecht.

                    Du sagst: Ist halt so, kann man nichts machen.
                    Ich sage: Ist so, deshalb sollten wir das (wenige) ausgleichen, was durch menschliches Handeln ausgeglichen werden kann. Dazu gehört auch die Politik.

                    Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern um Chancengleichheit. (Das sagen auch die Liberalen, aber sie handeln nicht so.) Auch dann bleibt noch so viel an Ungleichheit: Begabung, die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen, nicht krank zu werden oder ein Unfall zu haben usw.

                    Ihr werft uns vor, alles gleich machen und die Vielfalt und Unterschiede zwischen den Menschen einebnen zu wollen. Stefan Pietsch nennt mich immer mal wieder „Sozialist“ und meint das durchaus – sagen wird: kritisch. Und hält mir dann die Menschenrechtskonvention oder das Grundgesetz unter die Nase, die doch von der Gleich(wertig)keit der Menschen ausgehen. Das ist doch ein Widerspruch.

                    Auch in einer Gesellschaft nach meinen Vorstellungen wären die Unterschiede und Möglichkeiten noch groß, doch die gröbsten Ungleich-(gerechtig)keiten wären beseitigt. Und damit hätten mehr Menschen als vorher die Möglichkeit, ein Leben noch ihren Vorstellungen zu führen – dem liberalen Ideal. Sozial und liberal sind nicht die krassen Gegensätze, sondern bedingen sich ein ganzes Stück gegenseitig.

                    • Stefan Pietsch 2. Juli 2020, 17:05

                      Aber hier machen Sie sich doch etwas vor oder betreiben Etikettenschwindel. Chancengleichheit bedeutet, alle werden gleichermaßen auf Null gesetzt und dann schauen wir, was rauskommt. Am Ende wird jedoch nicht mehr eingegriffen, denn das Ergebnis ist ja dann fair.

                      Das ist eine Fiktion, die auch Liberale verfolgen. Aber sie ist in dieser Form so wenig realisierbar wie das Gegenteil, die Verteilungsgerechtigkeit. Wussten Sie eigentlich, dass Erbschaften die Vermögensungleichheit reduzieren? Das erstaunt Sie jetzt, schon klar. Dabei hat Erwin Gabriel das schon an seinem Beispiel anschaulich dargestellt. Tatsächlich haben Erbschaften bei mittleren Einkommen und Vermögen eine höhere Bedeutung am Gesamtvermögen als bei der Premiumklasse, die ihren Wohlstand weitgehend auf Unternehmenswerte stützt.
                      https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/beitrag/maximilian-stockhausen-erbschaften-und-schenkungen-reduzieren-die-vermoegenskonzentration-461558.html

                      Diese Erkenntnis ist nicht so wahnsinnig neu, hat aber bisher wenig Eingang in die politische Debatte gefunden. Tatsächlich haben schon frühere Studien unter anderem des DIW betont, dass die Oberklasse keineswegs ihr Vermögen zu höheren Teilen als in der Mittelschicht auf Erbschaften gründet.

                      Aber auch die Schaffung von Verteilungsgerechtigkeit stößt an natürliche Grenzen. In Deutschland sind die Einkommen traditionell gleicher verteilt als im Durchschnitt der OECD. Doch dies wird mit einem Maximum bei der Spreizung der Einkommensteuersätze erreicht. Mehr noch: Deutschland hat bei der Primärverteilung mit die größte Ungleichheit, nur die skandinavischen Länder kommen hier noch ran. Erst durch die Umverteilung durch das Steuersystem und die Sozialabgaben sowie soziale Transfers wird dieses Maß an Gleichheit hergestellt.

                      Doch warum sind die Primäreinkommen ungleicher als in anderen Ländern verteilt? Forscher der OECD und des DIW sind inzwischen davon überzeugt, dass die Verteilungswirkung des Steuer- und Abgabensystems bei der primären Einkommensverteilung, sprich Gehaltsverhandlungen, von den Wirtschaftssubjekten antizipiert wird. Mehr Umverteilung durch den Staat führt zu mehr Ungleichheit bei den Primäreinkommen.

                      Tatsächlich sehe ich Sie als waschechten Sozialdemokraten der seriösen Prägung. Nur, wie das bei den Sozis so ist, büchsen Sie gerne in Utopien des Wohlfühlparadieses aus und werden in Ihren Äußerungen zum Sozialisten.

                      Die Gleichheit der Menschen im Grundgesetz wie der Menschenrechtscharta beziehen sich auf jene vor dem Gesetz, nicht bei Einkommen und Vermögen noch sonst. Der Mensch ist individuell und kann niemals gleich zu anderen sein.

                      Liberal und sozial (in Form von „sozialistisch“) sind Gegensätze. Allerdings liegt die Wahrheit nie im Extrem. Deswegen bin ich auch kein Libertärer, sondern dem Staat freundlich, aber sehr kritisch zugewandt.

                    • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 17:10

                      Ist es relevant, ob Gleichheit schon bei Primäreinkommen oder erst Post-Umverteilung hergestellt ist? Ernsthafte Frage.

                    • Ralf 2. Juli 2020, 17:21

                      Ja, das ist relevant, denn im einen Szenario entsteht psychologisch das Gefühl, dass dem Verdiener vom Staat viel von seinem Einkommen weggenommen wird, während der Verdiener im anderen Szenario viel von seinem Einkommen behält. Das erzeugt im ersten Szenario den Schein von Ungerechtigkeit, im zweiten aber nicht. Und das obwohl die beiden Szenarien faktisch am Ende zahlenmäßig im Output identisch sind.

                      Abgesehen davon kostet das erste Szenario den Arbeitgeber mehr. Das zweite Szenario hingegen kostet den Staat Steuereinnahmen.

                    • Erwin Gabriel 3. Juli 2020, 10:18

                      @ CitizenK 2. Juli 2020, 15:25

                      Die natürliche Ungleichheit ist gewaltig:
                      Ob man gesund ist, welche Gene man hat, in welches Land/in welche Familie man hineingeboren wird etc. Jemand hat das die „Natürliche Lotterie“ genannt, in der gewinnen oder verlieren kann. Statt Ungleichheit kann man auch sagen: Ungerechtigkeit. Das Leben IST ungerecht.

                      Ungleichheit ist objektiv, Ungerechtigkeit ist subjektiv.

                      Aber ich verstehe, was Du meinst.

                      Du sagst: Ist halt so, kann man nichts machen.

                      Sage ich nicht 🙂

                      Unser Ausbildungssystem ist so aufgebaut, dass z.B. die Kinder bevorzugt werden, die ihr Wissen daheim vertiefen können; durch sich kümmernde Eltern, durch Nachhilfe etc. Weitgehend eine Frage von Geld und von Bildung der Eltern. Nicht gut.

                      Ich sage: Ist so, deshalb sollten wir das (wenige) ausgleichen, was durch menschliches Handeln ausgeglichen werden kann.

                      Da bin ich grundsätzlich auch für, habe ich hier ja schon oft geäußert.

                      Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern um Chancengleichheit.

                      Was mich an Ralfs Standpunkt stört, ist, dass seine Vorstellung von Chancengleichheit eben auch sehr starke Elemente von Gleichmacherei beinhalten.

                      Ihr werft uns vor, alles gleich machen und die Vielfalt und Unterschiede zwischen den Menschen einebnen zu wollen. Stefan Pietsch nennt mich immer mal wieder „Sozialist“ und meint das durchaus – sagen wird: kritisch. Und hält mir dann die Menschenrechtskonvention oder das Grundgesetz unter die Nase, die doch von der Gleich(wertig)keit der Menschen ausgehen. Das ist doch ein Widerspruch.

                      Ich bin noch nicht genau dahintergekommen, inwieweit sich unsere Meinungen decken oder eben nicht. Aber Du bist nicht Ralf, und ich nicht Stefan P. 🙂

                      Und nein, das ist kein Widerspruch, sondern eine Frage der Interpretation.

                      Auch in einer Gesellschaft nach meinen Vorstellungen wären die Unterschiede und Möglichkeiten noch groß, doch die gröbsten Ungleich-(gerechtig)keiten wären beseitigt.

                      Du äußerst Dich nicht konkret, so dass ich zu Deinen Standpunkten keine Stellung beziehen kann. Aber jede Lösung, die AUS PRINZIP erst mal anderen wegnehmen will, lehne ich ab.

                      • Verbesserung des KiTa-Systems, mit ersten Schritten für Sprache und Mathe: Was immer die Fachleute für gut halten, ich bin dabei.
                      • Verbesserung des Schulsystems, so dass die komplette Ausbildung in der Schule läuft statt ein Großteil daheim – ich bin dabei
                      • Einsatz moderne Technologien, Tabletts etc., digitale Lernmethoden – alles, was hilft und fördert, und mehr Möglichkeiten erschließt, ich bin dabei.
                      • Von Oma geerbtes kleines Häuschen besteuern, um finanziell alle „gleichzustellen“ – ohne mich.
                      • Alles Einkommen über 150.000 Euro pro Jahr an den Fiskus – ohne mich.

                      Wenn Du hier ein Muster erkennst, ist das schon mal gut. (Fast) alle Maßnahmen, die bessere Chancen für die bringen, die am Anfang ihres Weges stehen, finden meine Unterstützung. Maßnahmen, die diejenigen beschränken, die schon erfolgreich unterwegs oder erfolgreich angekommen sind, nicht.

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:09

                      Ich bin für eine moderate Besteuerung von Omas Häuschen. Und ich glaube die wenigsten werden fordern, alle EInkommen über 150k an den Fiskus abzutreten. Nicht mal alle über 150 Millionen.

                    • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 12:26

                      Was ist für Dich moderat?

                    • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 13:09

                      Gegenfrage: Macht es für Dich einen Unterschied, ob Du ein Gehalt überwiesen bekommst, dass Du das „fair“ betrachtest oder ob Du diese Fairness erreichst, in dem Du noch Kindergeld, Wohngeld und andere Sozialvergünstigungen bekommst?

                      Die Menschen besitzen ein Gefühl für Fairness. Das zeigen ja auch die Studien, die in diesem Zusammenhang oft von Linken herangezogen werden.

                      In Deutschland beträgt der Gini der primären Einkommensverteilung seit 2004 ziemlich konstant 0.5 (frühere Daten nicht verfügbar). Die sekundäre Einkommensverteilung liegt mit 0.29 weit darunter, woran Du erkennst, wie stark der deutsche Staat umverteilt. Aus den Zahlen lässt sich also kein erhöhter Umverteilungsbedarf erkennen.

                      In der primären Einkommensverteilung unterscheidet sich Deutschland nicht von den USA oder UK, Frankreich liegt mit 0.52 noch deutlich darüber, die baltischen Staaten, Israel, Australien und Kanada zum Teil sehr deutlich darunter. Selbst die Krone des neueren Neoliberalismus kommt mit 0.495 auf einen etwas niedrigeren Wert.

                      Das Bild ist zugegeben nicht einheitlich, aber die These ist erlaubt, dass sehr freiheitliche Staaten eigene Selbstregulierungsmechanismen haben.
                      https://stats.oecd.org/viewhtml.aspx?datasetcode=IDD&lang=en#

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 13:19

                      Ne, da gebe ich dir völlig recht, mir geht es mehr um die Frage der volkswirtschaftlichen Effizienz.

                      Ich glaube aber selbst du widersprichst nicht, dass sehr freiheitliche Staaten wesentlich krassere Ungleichheiten haben, oder?

                    • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 19:04

                      Selbstregulierende Systeme sind immer der Steuerung durch eine übergeordnete Einheit vorzuziehen. Kosten der Verhandlung und Bürokratie sind weit niedriger, ebenso lässt sich mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Pareto-optimales Ergebnis erzielen.

                      Ja, die Ungleichheit ist in freiheitlichen Systemen größer. Das liegt ja in der Natur der Sache. In Wohlfahrtsstaaten korrigiert der Staat die in freien Verhandlungen erzielten Ergebnisse, die wir als Gesellschaft in Summe nicht als fair betrachten. Warum auch immer.

                      Ich kenne keinen Neoliberalen, der nicht die Korrektur der Einkommen durch einen Umverteilungsstaat befürwortet. Im Gegenteil. Ich sage explizit, das Maß der Umverteilung in Deutschland ist in Ordnung. Ob es jetzt etwas weniger sein könnte, ist nicht materiell. Aber, die Möglichkeiten, über das Steuer- und Transfersystem zu korrigieren, sind an einem Endpunkt. Das zeigen die maßgeblichen Indikatoren und Vergleiche. Wenn wir mehr Gleichheit wollen, müssen wir das mit anderen Instrumenten angehen. Deswegen gehe ich so heftig an, wenn manche glauben, mit der Steuerschraube und der reichenden Hand mehr Gleichheit herstellen zu können. Das ist übrigens die Position der FDP.

                      Ralf sieht wie wesentliche Teile des linken Spektrums noch große Spielräume, das weiter zu dehnen. Wer ist dann der Extremist? Jener, der als Liberaler sagt, das heutige, historisch hohe Maß an Umverteilung ist prinzipiell in Ordnung oder jener, der in ganz neue Sphären vorstoßen will, die es bisher nur in Diktaturen gab?

                      P.S.: Das nicht genannte Paradies des neueren Neoliberalismus habe ich versehentlich nicht erwähnt. Ich meinte Chile, das bei den Primäreinkommen weniger Ungleichheit aufweist als Deutschland.

              • Stefan Sasse 1. Juli 2020, 18:29

                Würde noch einwerfen, dass Brutto wegen der Sozialabgaben relevant ist: Bestimmt ja mal deine Rentenhöhe.

                • Erwin Gabriel 2. Juli 2020, 12:46

                  @ Stefan Sasse 1. Juli 2020, 18:29

                  Würde noch einwerfen, dass Brutto wegen der Sozialabgaben relevant ist: Bestimmt ja mal deine Rentenhöhe.

                  Rentenhöhe ist so ein großes Wort 🙂

                  Würde noch einwerfen, dass ich, wenn ich in Sachen Rente 3.000 Euro brutto hätte ansetzen können – und damit sowohl meine monatlichen Beiträge als auch die spätere Rente beschränkt hätte – um die Differenz zu den Rentenbeiträgen, die ich die ganzen Jahre bezahlt habe nach meinem Gusto für meine Altesversorgung anzulegen,
                  ich wohl mit einer Eigentumswohnung oder gar einem Haus mehr in Rente gehen würde.

                  Natürlich würden die Beiträge allein nicht reichen, um das zu finanzieren, aber sie hätten als Draufzahlung auf die Miete zur Finanzierung gereicht.

                  So habe ich solidarisch Tausende Euro für die Gemeinschaft bezahlt, und zehntausende Euro verloren.

                  • Stefan Sasse 2. Juli 2020, 13:54

                    Ich will dir nicht groß widersprechen was deine Rentenhöhe angeht, aber ich denke der Hinweis ist gerechtfertigt, dass das Brutto schon auch relevant ist.

                    • Erwin Gabriel 3. Juli 2020, 10:23

                      @ Stefan Sasse 2. Juli 2020, 13:54

                      … aber ich denke der Hinweis ist gerechtfertigt, dass das Brutto schon auch relevant ist.

                      Ja, für vieles, zweifellos.

                      Ich bezog mich aber ausdrücklich auf den direkten Einkommensvergleich: Nur weil ich brutto das Doppelte verdiene, bekomme ich netto nicht das Doppelte ausbezahlt. Also ist für diesen oft durch Neid bestimmten individuellen Gehaltsvergleich der vergleich der Brutto-gehälter nicht die richtige Kennziffer.

                      mehr war nciht.

                    • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 11:09

                      Das ist natürlich korrekt.

    • Erwin Gabriel 27. Juni 2020, 21:45

      @ CitizenK 26. Juni 2020, 11:04

      Innerhalb eines Werterahmens von Aufklärung, Rationalität und Demokratie …

      … wobei das für mich eine der besten und akzeptabelsten Rahmenbedingungen ist, die ich mir denken kann.

      Insofern: Zustimmung

  • CitizenK 28. Juni 2020, 13:40

    Das „skandinavische Modell“ wirkt noch in Dänemark, Norwegen und Finnland, Schweden hat sich abgekoppelt, nicht nur bei der Corona-Bekämpfung.

    In unserer Region verlegt ein schwedischer Konzern ein Zweigwerk gerade nach Ungarn (!), nicht weil er hier Verluste macht, sondern nur um die Rendite zu steigern. Der neue CEO von ABB aus Schweden will „rücksichtslos“ vorgehen, um 15 Prozent Rendite zu erreichen.

    Das ist obzön. Obszön ist auch, wenn ich einem reichen Land das Geld für lebenswichtige Berufe fehlt, die Schulen schlechter ausgestattet sind als in vergleichbaren Ländern und dieses unser Land immer noch ein „Paradies für Geldwäscher“ ist.

    • Stefan Pietsch 28. Juni 2020, 14:09

      Worauf 15%? Und ist das hoch oder Branchenschnitt? Wie setzt sich Ihr Urteil zusammen, dass 15% obszön seien, wenn Sie keine Relationen bilden können?

      ABB ist kein Konzern, dem es in den letzten 20 Jahren besonders gut ging oder der am Markt besonders erfolgreich gewesen wäre. Dennoch haben Eigentümer und Investoren dem Unternehmen die Stange gehalten, statt es dem Lauf allen Irdischen zu überantworten – mitsamt der Arbeitsplätze. War das auch obszön?

      • CitizenK 28. Juni 2020, 16:45

        Ich wollte Sie auf die fragwürdige Verwendung des Begriffes „obszön“ hinweisen.

        Zu ABB folgende Ergänzung: „Offenbar kennt Rosengren wenig Hemmungen. „Wir machen das auf unsentimentale Art”, kündigte der Schwede an, der gut 100 Tage im Amt ist. ABB peilt unter seiner Führung unter anderem ein jährliches Umsatzwachstum von drei bis sechs Prozent und eine Gewinnmarge von 13 bis 16 Prozent an. „Ich werde nicht zufrieden sein, bevor wir nicht 15 Prozent erreicht haben”, sagte Rosengren. 2019 kam ABB auf 11,1 Prozent.“
        https://www.rnz.de/wirtschaft/wirtschaft-regional_artikel,-heidelberg-abb-soll-profitabler-werden-_arid,518758.html

        „Unsentimental“ heißt hier: Ohne Rücksicht auf Menschen und gesellschaftliche Auswirkungen. Shareholder statt Stakeholder, die alte Geschichte.

        • Stefan Pietsch 28. Juni 2020, 17:05

          Ich verstehe Ihre Formulierungen nicht. Und ich habe den Eindruck, dass Ihnen praktische Kenntnisse fehlen.

          Allgemein gesprochen: in der Zukunft ist alles bunt. Ich habe in 30 Jahren keine Mittelfristplanung erlebt, die nicht von deutlichem Umsatzwachstum und gestiegener Profitabilität ausging. So ist das Leben. Selbst die SPD plant noch, den Kanzler zu stellen. Es gab auch schon Hochzeiten im Himmel, auf Jahre unschlagbare Nationalmannschaften, Pflegeunternehmen, die von zweistelligen Umsatzrenditen träumten und ein HSV, der im Jahr 2014 unter den Top 20 in Europa sein wollte und eine Bank, die dauerhaft eine 25% Eigenkapitalrendite anpeilte. Wenn Sie tatsächlich Mittelfristplanungen zum Nennwert nehmen, können Sie unmöglich älter als 16 sein.

          Ich weiß immer noch nicht, von welcher Rendite Sie reden. Das scheint selbst für Sie nicht relevant, Hauptsache obszön. Es ist jedoch keineswegs obszön, eine Umsatzsteigerung etwas über der europäischen Preissteigerung anzuvisieren, zumal ABB sein Geld maßgeblich nicht in Europa, sondern in Drittwelt- und vor allem Schwellenländern verdient. Und da bedeutet eine 3-6prozentige Umsatzsteigerung bestenfalls nicht mehr als Entwicklung mit den Emerging Markets. Wenn dann die Kostenentwicklung mit der Umsatzsteigerung nicht Schritt hält (wovon Management immer ausgeht und ausgehen muss, wo sollte sonst die Managementleistung bestehen?), ist man in einigen Jahren schnell bei Renditesteigerungen von 3-4 Prozentpunkte.

          Und ob es so kommt? ABB hat sich in den vergangenen 20 Jahren schon viel vorgenommen. Als ich das Unternehmen aus dem Blick verlor, hatte es eine miserable Unternehmenskultur und eine Hire & Fire-Mentalität im Management. Dass man da nicht die besten Führungskräfte bekommt, versteht sich von selbst.

          Aber Hauptsache, Sie hatten wieder Ihr Aufregerthema fürs Wochenende. Es sei Ihnen gegönnt, wenn nichts anderes Ihren Puls nach oben bringt. 😉

          • CitizenK 28. Juni 2020, 19:19

            @ Stefan P.
            Also bitte, den Begriff haben Sie hier in die Debatte eingeführt, gegen sogenannte „Linke“, also aus Ihrer Sicht: Leute wie mich, weil die angeblich „obszön“ hohe Steuern fordern.

            „Obszön: In das Schamgefühl verletzender Weise auf den Sexual-, Fäkalbereich bezogen; unanständig, schlüpfrig.“ (Duden)

            Der Steuerspartrieb der Deutschen, wird gesagt, sei stärker als der Sexualtrieb:
            https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/mythos-ist-den-deutschen-steuernsparen-wichtiger-als-sex-a-1110077.html

            Passt 😉

            • Stefan Pietsch 28. Juni 2020, 19:38

              Wer die Hälfte meines Einkommens fordert, ist obszön. Gibt es da wirklich zwei Meinungen? Und ja, Linke sind da absolut schamlos. Jeder, wirklich jeder außerhalb des Staates würde vor Scham im Erdboden versinken und käme deswegen gar nicht auf den Gedanken, die Hälfte von mir zu fordern, damit er damit selbst schöne Dinge tun kann. Nicht mal beim Scheidungsrecht kamen Richter auf die Idee, dem trennungswilligen Ehepartner die Hälfte des Einkommens zuzubilligen. Vielleicht haben Sie jetzt eine Idee, warum ich das Ansinnen (und die Realität) als so obszön empfinde.

              Was das allerdings mit ABB und deren Absichtserklärungen zu tun hat, weiß ich immer noch nicht. Der Fiskus will immerhin klar 50% meines Einkommens. Aber welche Rendite (% auf was?) der Schweiz-schwedische Konzern nun möglicherweise im Jahr 2030 erzielen will und was daran obszön sein könnte, weiß ich immer noch nicht. Hat ABB angekündigt, die einzelvertraglich und tarifvertraglich vereinbarten Gehälter um die Hälfte zu kürzen? Okay, dann wäre ich bei Ihnen, das wäre in der Tat obszön und unanständig. Weit wichtiger allerdings: ungesetzlich, vertragswidrig und unmöglich. Also, da bedarf es keiner moralischen Wertungen. 😉

              Der Steuerspartrieb der Italiener ist noch größer: noch weniger Babys, noch weniger Einzahlungen in die Staatskasse. Mehr noch: die wählen sogar Politiker, die Steuersenkungen machen. Da sind sie schlauer als die Deutschen, die hohe Abgaben fordern und sich diese durch Schwarzarbeit dann sparen.

              • Ralf 28. Juni 2020, 19:54

                Wer die Hälfte meines Einkommens fordert, ist obszön. Gibt es da wirklich zwei Meinungen?

                Mit “obszön” fühle ich mich unzutreffend beschrieben. Und klar gibt es da zwei Meinungen. Vermutlich sogar noch mehr.

                • Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 12:24

                  Klar. Ich hatte das ja eingeschränkt auf die 99% der Weltbevölkerung, zu der Sie und ich nicht gehören:

                  Warum neigen Sie eigentlich wie so alle Linken dazu zu fragen, wie hoch der Staat besteuern kann ohne dass es obszön wird? Kein normaler Menschen, der nicht in Deutschland lebt, würde so fragen.

                  Es ist obszön, wenn man einem Menschen die Hälfte (und mehr) seines Erwerbs abknöpft, damit weltweit eine Vorrangstellung einnimmt und dann trotzdem fragt: „Darf’s noch ein bisschen mehr sein?“ In keinem anderen Lebensbereich gilt ein solches Prinzip. Nicht mal die Mafia ist nach meiner Kenntnis so gierig wie Sie es dem (deutschen) Staat zubilligen.

                  P.S.: Es gibt zu den absurdesten Themen Leute, die meinen, eine andere Meinung vertreten zu können. Es sind zumeist dann Ansichten, die vom gemeinen Bürger nicht wirklich ernst genommen werden und nur als Aufreger dienen. So wehren sich die Linkspartei und Grünenvertreter heftig, dass auch in ihrem Namen Ansichten vertreten und Handlungen gerechtfertigt wurden und werden, die man nur als kriminell bezeichnen kann. Okay, das würde ich nicht als obszön bezeichnen.

                  • Ralf 29. Juni 2020, 12:37

                    “Obszön” ist daran wie gesagt garnichts. Sie stören sich halt an hohen Steuern. Das ist Ihr gutes Recht. Aber Sie sind hier nur eine Meinung in einem Meer von Meinungen.

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 12:42

                      Es sind ja nicht hohe Steuern, sondern maßlos hohe Abgaben. Sie selbst können Ihre Position ja auch nicht mit allgemeinen Normen und Vergleichen begründen.

                      Stefan hat indirekt ja schon Italiener als dumm bezeichnet, weil sie gegen hohe Steuern wählen. Ich halte das für ziemlich übersteigert.

                    • Ralf 29. Juni 2020, 12:54

                      Wiederum steht Ihnen frei hohe Steuern für “maßlos” zu halten. Aber das ist eben keine allgemeingültige Sicht, sondern lediglich Ihre Privatmeinung, die nicht moralischer und anständiger ist als anderer Leute Meinung. Und selbstverständlich beruhen Forderungen nach hohen Steuern auf Normen. Z.B. der Norm das Gemeinwesen vor dem maßlosen Reichtum Einzelner zu schützen. Sehen Sie, ich hab auch meine Privatmeinung darüber, was “maßlos” ist …

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 13:37

                      Doch, sie ist moralischer und anständiger.

                      nd selbstverständlich beruhen Forderungen nach hohen Steuern auf Normen. Z.B. der Norm das Gemeinwesen vor dem maßlosen Reichtum Einzelner zu schützen.

                      Netter Versuch. Die Norm gibt es nicht. Weder in der Menschenrechtskonvention noch im Grundgesetz findet sich ein solcher Verweis nur im Ansatz. Im Gegenteil, es wird ausdrücklich das Menschenrecht auf Eigentum zugebilligt. Dies ist weder relativ zu den Einkommen anderer Menschen noch in der Höhe (wie z.B. Sie es fordern) eingeschränkt. Mehr noch, die Väter des Grundgesetzes haben sehr deutlich gemacht: das Recht auf Eigentum ist zwingend zu garantieren (sogenannte „Muss-Vorschrift“). Der Hinweis, dass Eigentum auch dem Allgemeinwohl dienen sollte, ist eben das: eine „Soll-Vorschrift“. Sie kennen das das vielleicht noch aus Ihrer Kindheit: Wenn die Mutter im strengen Ton gesagt hat, „Ralf, Du darfst nicht …!“, wussten Sie, das duldet weder Aufschub noch Widerspruch. Die Formulierung, „Ralf, Du sollest mal Dein Zimmer aufräumen“, ließ Ihnen da immer noch ordentlich Spielraum. Sinnvoll, aber nicht zwingend.

                      Man kann auch das in der amerikanischen Verfassung verbürgte Recht aufs Glücklichsein dahingehend interpretieren, dass der Staat einen Menschen nicht daran hindern, sondern eher unterstützen soll, unermesslichen Reichtum anzuhäufen. Denn dies zu verweigern, wenn der Wunsch besteht, hieße, auf eine normative Einschränkung verweisen zu können. Können Sie nicht.

                      Da es also entgegen Ihrer Behauptung keine Norm zur absoluten Beschränkung von Reichtum und Einkommen gibt, wohl aber Normen, die das Gegenteil zumindest ermöglichen und da es auch sonst keine Norm gibt, die in irgendeinem Lebensbereich Privatpersonen den übermäßigen Eingriff in das Vermögen und Einkommen eines anderen ermöglicht, ist die Forderung, einem Bürger in bestimmten Bereichen alles oder nur mehr als die Hälfte wegzunehmen, obszön zu nennen.

                    • TBeermann 29. Juni 2020, 13:49

                      Vor allem: Wie können Abgaben angeblich „maßlos hoch“ sein und gleichzeitig kaum die Ausgaben abdecken, die sie finanzieren sollen?

                      Die Rentenkasse muss aus Steuermitteln aufgestockt werden. Die Arbeitslosenversicherung hatte in den letzten Jahren moderate Überschüsse. Was von den Rücklagen nach Corona noch übrig ist, wird man sehen (und müsste ehrlicherweise zugeben, dass es nicht die dümmste Idee ist, wenn Rücklagen angelegt werden). In etwas das Gleiche gilt für die Krankenkassen, wobei da schon 2019 ein Defizit unter dem Strich stand.

                    • Ralf 29. Juni 2020, 15:40

                      @ Stefan Pietsch

                      Eine Norm muss nicht in der Menschenrechtskonvention oder im Grundgesetz stehen, um zu existieren und Ihre Lesart des Eigentumsschutzes ist nicht universal gültig. Schließlich bin auch ich für den Schutz des Eigentums. Ich interpretiere diesen Schutz lediglich anders als Sie. Und nein, an meiner Meinung ist nichts Unmoralisches oder Unanständiges.

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 16:09

                      Es ist nicht meine Lesart des Artikels 14, es ist die juristische Schreibweise. Das wird Ihnen jeder Jurist bestätigen. Die Formulierungen und Hierarchien sind kein Zufallsprodukt, sondern bewusst gesetzt.

                      Natürlich wollen Sie das Recht auf Eigentum abschaffen, nämlich für jene, die über 150.000 Euro verdienen (im Grunde über 100.000 Euro).

                      Sie verwechseln etwas Grundsätzliches: ein politisches Ziel ist keine Norm und damit eine gesellschaftliche Konvention. Das Grundgesetz ist es auf nationaler, die Menschenrechtskonvention auf internationaler Ebene. Sie selbst wissen ja nichts wirklich darauf zu erwidern, schließlich konnten Sie nun vier Kommentare lang nicht ableiten, was eigentlich längst gefordert war: wie kommen Sie darauf, dass die Wegnahme von über 50% des Einkommens eine gesellschaftliche oder gar, wie von mir heftig bestritten, eine Konvention wäre, hinter der sich nur eine Mehrheit der Weltbevölkerung versammeln könnte? Wenn es denn so wäre, hätten die meisten Länder Steuergesetze, die genau das zum Ziel hätten.

                      Sie haben insistiert, meine Privatmeinung sei nicht moralischer und anständiger als Ihre. Doch, muss ich hier sagen, solange Sie nicht vergleichbares Gewicht in die Waagschale werfen können. Sie wissen schon, Grundgesetz, Menschenrechtskonvention, so in der Art.

                    • Ralf 29. Juni 2020, 16:37

                      Interpretationen von Juristen ändern sich im Laufe der Zeit. Garnichts Ungewöhnliches.

                      Falsch ist, dass ich das Recht auf Eigentum für Verdiener über 150.000 Euro abschaffen will. Auch der Höchstverdiener im von mir vorgeschlagenen Steuermodell kann sich darauf verlassen, dass der Staat sein Eigentum schützt und nicht willkürlich wegnimmt. Es wird lediglich eine obere Verdienstgrenze eingezogen.

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 17:14

                      Halten wir an dieser Stelle erstmal fest, worauf Sie weder Argument noch Begründung haben:

                      1. Sie haben sich nicht geäußert, was mit dem Einkommen von Unternehmen und Selbständigen geschehen soll, die heute über 150.000 Euro Gewinn erzielen. Das läuft auf einen Umsatz von 10 – 30 Millionen hinaus, was bei Ihren Grenzen bedeutet, größere Unternehmen kann es dann nicht mehr geben. Darüber hinaus unterliegen viele Selbständigen einem (Teil-) Berufsverbot.

                      2. Es gibt anscheinend keine allgemein gesellschaftlich anerkannte Norm, die es rechtfertigt, generell Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens wegzunehmen.

                      Trotz dieser großen Logik- und Argumentationslücken machen wir dann weiter.

                      Einkommen ist Eigentum. Das bestätigen Deutschlands Arbeitsgerichte hundertmal an jedem (Arbeits-) Tag. Viele Menschen verdienen heute über eine halbe Million Euro im Jahr. Sie wollen diesen den Großteil ihres Eigentums wegnehmen und behaupten dennoch, jedem Eigentum zu gönnen.

                      Dann gibt es noch das Problem mit Eigentumstransfers im Rahmen von Vermögensübertragungen. Nach Ihrer Idee soll es zwar nicht mehr möglich sein, mit Einkommen über 150.000 Euro Vermögen zu bilden (weil weggesteuert), aber dann muss diese Idee auch auf Vermögensübertragungen ausgeweitet werden. Es darf nicht möglich sein, in diesem Konzept noch Lottogewinne von über 150.000 Euro zu erzielen oder generell Spielgewinne. Erbschaften und Schenkungen über Ihrer Höchstgrenze müssen ausgeschlossen sein. Denn ansonsten machen wir aus Deutschland nicht nur ein sozialistisches Land ähnlich Venezuela, sondern auch noch ein Spielparadies und der Patrone.

                      Kleiner Nebeneffekt: Profisport wird es hierzulande auch nicht mehr geben. Macht nichts, es gewinnt schon heute kein deutscher Club einen der europäischen Pokalwettbewerbe.

                      Es geht nicht um Interpretationen von Juristen, sondern deren Schreibregeln. Die Abstufung von Muss-, Soll- und Kann-Regeln galten 1949 genauso wie sie heute Gültigkeit besitzen und sich in jedem der von Parlamenten verabschiedeten Gesetze finden. In Artikel 14 der Absätze 1-3 findet sich der Klassiker.

                      Die linke Hoffnung, dass sich die Regeln irgendwann ins Gegenteil umkehren, eine Kann-Regel als Muss-Regel zu interpretieren ist, gehört zwar im linken Kosmos zu den allgemeinen Filterblasen und kann mich bei Ihnen nicht überraschen. Aber: so ist die Welt nicht, denn solche Regeln gelten universell auf dieser Erde.

                      Und zum Glück sind Linke da immer in der Minderheit, denn sonst würde ich auswandern. 🙂

                    • Erwin Gabriel 29. Juni 2020, 20:38

                      @ TBeermann 29. Juni 2020, 13:49
                      Vor allem: Wie können Abgaben angeblich „maßlos hoch“ sein und gleichzeitig kaum die Ausgaben abdecken, die sie finanzieren sollen?

                      Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

                    • Erwin Gabriel 29. Juni 2020, 20:49

                      @ Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 17:14

                      1. Sie haben sich nicht geäußert, was mit dem Einkommen von Unternehmen und Selbständigen geschehen soll, die heute über 150.000 Euro Gewinn erzielen. Das läuft auf einen Umsatz von 10 – 30 Millionen hinaus, was bei Ihren Grenzen bedeutet, größere Unternehmen kann es dann nicht mehr geben. Darüber hinaus unterliegen viele Selbständigen einem (Teil-) Berufsverbot.

                      Selbst wenn Ralf die Frage nicht explizit beantwortet hat, so hat er sich doch dazu geäußert – dahingehend, dass es ihm um eine Richtung und ein Prinzip geht, und dass er nicht alle für alle dazugehörigen Fragen auch dazugehörige Antworten hat.

                      Was, für sich genommen, seine Vorstellung weder adelt noch verdammt.

                      2. Es gibt anscheinend keine allgemein gesellschaftlich anerkannte Norm, die es rechtfertigt, generell Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens wegzunehmen.

                      Es gibt für vieles keine gesellschaftliche Norm.

                      Ich denke schon, dass es einen gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, bei den aktuell herrschenden Umständen einem Verdiener von 2.000 Euro brutto im Monat keineswegs die Hälfte wegzusteuern.

                      Ich denke aber auch, dass wir mit Leichtigkeit einen gesellschaftlichen Grundkonsens herstellen können, einem Martin Winterkorn, der für den VW-Dieselskandal verantwortlich zeichnet, die Hälfte seiner VW-Ruhestandszahlung von rund 3.500 Euro / Tag wegzusteuern.

                      Schwarz-Weiß-Schnitzereien führen zu nichts, wenn der einzig gangbare Weg ein Kompromiss zwischen „keine Steuern“ und „alles Steuern“ ist.

                    • Stefan Sasse 30. Juni 2020, 09:38

                      Sehe ich genauso.

                    • Ralf 29. Juni 2020, 21:52

                      @ Erwin Gabriel

                      Selbst wenn Ralf die Frage nicht explizit beantwortet hat, so hat er sich doch dazu geäußert – dahingehend, dass es ihm um eine Richtung und ein Prinzip geht

                      Ja. Vielleicht hätte ich das auch stärker klarmachen sollen. Ich bin nicht mit der Zahl 150.000 Euro als Höchstgehalt verheiratet. Vielleicht lassen sich gute Argumente finden, dass 200.000 Euro angemessener wären. Oder 250.000 Euro.

                      Worum es mir geht ist, dass eine Grenze existiert, jenseits derer die unbegrenzte Vermögensakkumulation nicht mehr möglich ist. Die Grenze muss hoch genug liegen, um ein differenziertes Lohnspektrum zu ermöglichen. Der Fleißige muss die Möglichkeit haben einen signifikant höheren Lebensstandard zu erwirtschaften als der Faule. Aber niemand sollte in meinen Augen Vermögen in einem Maße anhäufen können, dass er zu einem wirtschaftlichen Player auf Augenhöhe mit ganzen Staaten wird. Heutzutage sind einzelne Tech-Konzerne mehr wert als mittelgroße Länder samt ihren Gesellschaften. Banken sind so groß, dass sie too-big-to-fail sind. Und ihre CEOs sind too-big-to-jail. Der kleine Mann hat nur seine eine kleine Stimme bei der Bundestagswahl. Großkonzerne und Superreiche haben hingegen einen riesigen Chor von Lobbyisten, die Politiker mit Parteispenden, hochbezahlten Nebenjobs und einem VIP-Platz in der Welt der Schönen und Reichen locken. Demokratie kann so nicht funktionieren. Recht kann so nicht funktionieren. Die Erosion des Glaubens der Bürger an unsere Demokratie, der totale Verfall des Ansehens des Berufs des Politikers in der Gesellschaft und die zunehmende Attraktivität von Anti-Establishment-Bewegungen zeugen davon, wie sehr die Menschen merken, dass unser System nicht mehr funktioniert. Das Grundgesetz schützt unser Eigentum vor willkürlichem staatlichen Zugriff. Es garantiert nicht das Recht auf Reichtum. So wie wir Geschwindigkeitsbeschränkungen auf unseren Straßen erlassen können, obwohl die meisten Autos schneller fahren könnten, können wir im Interesse der Gemeinschaft Einkommensbeschränkungen erlassen. Letztendlich ist die Frage, wie wir leben wollen.

                    • Stefan Sasse 30. Juni 2020, 09:39

                      Milliardäre und Demokratie sind unvereinbar, sag ich da nur. Völlig bei dir im Grundsatz.

                    • Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 22:40

                      Eine Verschiebung löst nicht das Kernproblem Ihres Ansatzes. Absolute Grenzen verhindern immer Entwicklung.

                      Mit einem erfolgreichen Start-up ist man schnell im dreistelligen Millionenbereich und Umsatzrenditen zwischen 5 und 20 Prozent. Das ist normal und sogar notwendig. Diese Erträge verteilen sich aber meist auf wenige Personen. Sie sagen nichts anderes als dass Sie keine erfolgreichen Unternehmensgründungen und Innovationen möchten.

                      Sehr gute Schönheitschirurgen verdienen leicht über eine Million Euro im Jahr. Der Markt wächst immer noch schnell, die Nachfrage nimmt zu. Die Zahl der Anbieter kann damit nicht mithalten, weshalb interessierte Kundinnen auf ärmere Länder mit niedrigeren Standards ausweichen.

                      Die Einführung eines Salary Cap, das nicht bei 10 oder 20 Millionen Euro beträgt, wird einen erheblichen Preisdruck bei gleichzeitig verschlechterten Bedingungen für die Gesundheit der Frauen führen. Die Besten werden ihr Angebot drastisch reduzieren, womit die Qualität bei OPs sinkt. Ein sinkendes Angebot führt aber immer zu deutlich steigenden Preisen, viele werden sich die gewünschte Scheinheitsverbesserung nicht mehr leisten können.

                      Das mögen Sie ja teilweise begrüßen, aber das hat nichts mehr mit persönlicher Freiheit und Entscheidungsfindung zu tun.

                      Sie betrachten die Dinge zu sehr aus dem Blickwinkel von der absoluten Spitze und von Milliardenkonzernen. Das ist jedoch nicht das wahre Leben. Sie kümmern sich zu sehr darum, denen oben den Wohlstand zu vermiesen und überhaupt nicht darum, denen im Mittelbau Wohlstand zu ermöglichen. Denn dort, Ralf, so eine neue Studie, liegt das wahre Vermögensproblem in Deutschland. In internationalen Relationen hat Deutschland weder übermäßig viele Milliardäre noch Millionäre. Die mittleren Einkommensbezieher haben zu wenig Vermögen.

                      Wenn Sie tatsächlich mehr Vermögensgleichheit wollen – dort müssen Sie ansetzen.

                    • Stefan Pietsch 30. Juni 2020, 10:48

                      Ich denke aber auch, dass wir mit Leichtigkeit einen gesellschaftlichen Grundkonsens herstellen können, einem Martin Winterkorn, der für den VW-Dieselskandal verantwortlich zeichnet, die Hälfte seiner VW-Ruhestandszahlung von rund 3.500 Euro / Tag wegzusteuern.

                      Ich denke darauf werden wir uns definitiv nicht einigen können. Es ist allein Sache von VW, Ansprüche abzuerkennen. Ich möchte nicht in einem Land leben, wo das Recht von der Nase einer Person und einem öffentlichen Shitstorm abhängt und Verurteilungen bei Verdacht erfolgen.

                      Wenn der Staat nicht in der Lage ist, binnen 5 (in Worten: fünf) Jahren einen Beschuldigten anzuklagen und einen Sachverhalt juristisch aufzuarbeiten, ist das eher ein Indiz, dass wir im Staatsdienst viele Pfeifen beschäftigen, als dass die Notwendigkeit zu steuerlichen Eingriffen gegen einzelne Personen angezeigt wäre.

                    • Erwin Gabriel 30. Juni 2020, 13:34

                      @ Stefan Pietsch 30. Juni 2020, 10:48

                      [Ich denke aber auch, dass wir mit Leichtigkeit einen gesellschaftlichen Grundkonsens herstellen können, einem Martin Winterkorn, der für den VW-Dieselskandal verantwortlich zeichnet, die Hälfte seiner VW-Ruhestandszahlung von rund 3.500 Euro / Tag wegzusteuern.]

                      Ich denke darauf werden wir uns definitiv nicht einigen können.

                      Wir zwei nicht, das ist mir klar.

                      Es ist allein Sache von VW, Ansprüche abzuerkennen.

                      Definieren Sie „VW“.

                      Ich halte es in dieser Angelegenheit mit unserem großen Vorsitzenden Christian Lindner: „Natürlich kann man einen Vorstandschef mit einer derartigen Summe in den Ruhestand schicken. Aber das müssen die Eigentümer entscheiden. Diese Frage hätte man den Aktionären vorlegen müssen, und die wurden nicht gefragt.“ Er war da sehr überzeugend.

                      Ich möchte nicht in einem Land leben, wo das Recht von der Nase einer Person und einem öffentlichen Shitstorm abhängt und Verurteilungen bei Verdacht erfolgen.

                      Wurde das Recht durch einen Shitstorm gebeugt? Nein, Herr Winterkorn wurde trotz heftigem Verdacht und zahlreicher Indizien nicht verurteilt. Soweit ich weiß, suchen ihn nur die USA mit Haftbefehl.

                      Und unter uns, wenn unternehmerische Persönlichkeiten wie Pierch und Winterkorn in einem derart straff und durch hierarchischen Druck geführten Unternehmen wie VW „nichts wussten“, liegt das nicht mit Sicherheit nicht daran, dass sie nichts wussten – dass sollten Sie im stillen Kämmerlein viel besser wissen und verstehen als ich.

                      Wenn der Staat nicht in der Lage ist, binnen 5 (in Worten: fünf) Jahren einen Beschuldigten anzuklagen und einen Sachverhalt juristisch aufzuarbeiten, ist das eher ein Indiz, dass wir im Staatsdienst viele Pfeifen beschäftigen, …

                      Aber sicher, volle Zustimmung

                      … als dass die Notwendigkeit zu steuerlichen Eingriffen gegen einzelne Personen angezeigt wäre.

                      Sie haben doch verstanden, dass Winterkorn nicht als Individuum, sondern als Prinzip angeführt wurde. Legen Sie dann in Zukunft Ihre eigenen Worte mit der gleichen Pingeligkeit auf die Goldwaage? 🙂

                    • Stefan Pietsch 30. Juni 2020, 16:39

                      @Erwin Gabriel

                      VW
                      Die Organe als da sind Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung. In dieser Reihenfolge. Volkswagen ist ein Konzern, wo die Arbeitnehmer traditionell eine sehr starke Stellung besitzen und wo der Staat einen maßgeblichen Einfluss (HGB-Definition) ausübt. Es wird also seine Gründe haben, warum man anders als von Ihnen gefordert und trotz heftigem Verdacht und zahlreicher Indizien die Pensionsansprüche bisher nicht ausgesetzt hat.

                      Natürlich, es ist möglich, dass Anteilseigner, Staat und Arbeitnehmerbank dies nur tun, um nicht einen verdienten Manager zu belangen. Ende der Diskussion, bis zum nächsten Mal, Herr Gabriel.

                      Ach so, wir könnten allerdings auch sehr nüchtern nachdenken – was die meisten nicht tun, weil sie entweder zuviel Schaum vorm Mund, zu wenig Wissen bei großem Geltungsbedürfnis, oder einfach nicht genug in der Birne haben. Entschuldigen Sie die harten Worte, sie sind definitiv nicht auf Sie gemünzt, sondern auf all jene, die meinen, mit Volkes Meinung hausieren gehen zu können.

                      Ich habe oft Schach gespielt, wie die meisten nicht. Denn wer das gelernt hat, wird gezwungen, mehr als eine Aktion zu denken, sonst verliert er jedes Spiel in vier Zügen.

                      Also nochmal Winterkorn. Sie sind die Personalabteilung und teilen Herrn Professor Dr. Winterkorn mit, dass aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe die Pensionszahlungen bis zur Begleichung des entstandenen Schadens eingefroren werden. So stellen Sie sich das vor, gell? Gut. Herr Winterkorn reicht darauf eine Einstweilige Verfügung gegen VW, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, auf Zahlung ein. Da Herr Winterkorn nach einer Vermögensübertragung auf seine Frau nicht so wohlhabend ist, dauerhaft auf die Pension verzichten zu können, wird dem ziemlich schnell stattgegeben. Erster Zug und Sie stehen bereits im Schach. Bisher nicht sehr überzeugend gespielt.

                      Ein bis vier Monate später wird die Klage Winterkorn ./. Volkswagen AG vor dem Arbeitsgericht Braunschweig verhandelt. Sie müssen nun die Vorwürfe darlegen und beweisen. Kurz gesagt, Sie müssen genau das tun, was eigentlich der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht mit weit umfangreicheren Möglichkeiten vorbehalten ist. Zudem sind die Anforderungen strenger. Sie müssen eine unmittelbare Täterschaft des ehemaligen Organmitglieds beweisen und nicht nur behaupten. Das scheint nicht so trivial zu sein wie Sie unterstellen, sonst würden nicht zahlreiche Staatsanwälte an dem Fall herumdoktern.

                      Die Chancen, dass Herr Winterkorn den Prozess gewinnt, sind im jetzigen Stadium sehr gut. Anders verhält es sich, wenn ihm eine Strafkammer ein strafwürdiges Vergehen, das zudem mit einer Freiheitsstrafe nicht unter 2 Jahren geahndet würde, nachweisen könnte.

                      Das ist der Grund, warum VW abwartet. Natürlich könnte der ehemalige Arbeitsgeber selbst das kriminelle Verhalten nachweisen, würde sich aber dazu zahlreiche Probleme zusätzlich verschaffen, abgesehen davon, dass sie den Job jener erledigen würden, die eigentlich dafür bezahlt werden.

                      Ach, nebenbei: Schachmatt in 3 Zügen. Probieren Sie’s nochmal. 😉

                      Die Organe einer Aktiengesellschaft sind verpflichtet, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Bei inzwischen theoretisch einbehaltenen 4,3 Millionen Euro Pension hätte Volkswagen schon jetzt 425.000 Euro bei aktuell 4,12% Verzugszinsen p.a. an Herrn Prof. Dr. Martin Winterkorn zu zahlen. Eine bessere Wertanlage ist derzeit nicht leicht zu bekommen. Und dieser Verzugsschaden hätte wahrscheinlich auch dann Bestand, würde Winterkorn tatsächlich irgendwann zu Schadensersatz an Volkswagen verurteilt.

                      Schieben wir also für einen Augenblick das für den Stammtisch Naheliegende beiseite, dass alle nur einen reichen Ex-Top-Manager schützen wollen, gibt es vielleicht durchaus plausible Gründe, die Pension zum jetzigen Zeitpunkt nicht einzubehalten. Zumindest so lange nicht, bis die etwas schläfrige Staatsanwaltschaft Braunschweig in die Gänge kommt und das tut, was die Amerikaner und die Kollegen in Ingolstadt längst in die Wege geleitet haben.

                      Ich konnte kein Prinzip in Ihrem Statement erkennen, sorry. 🙂

                    • Erwin Gabriel 1. Juli 2020, 15:40

                      @ Stefan Pietsch 29. Juni 2020, 12:42

                      Es sind ja nicht hohe Steuern, sondern maßlos hohe Abgaben.

                      Ihr „maßlos“ ist, wie auch die Beurteilung von „sozialer Gerechtigkeit“, eine sehr, sehr subjektive Wahrnehmung. Wer deutlich unterhalb unseres Einkommens liegt, wird mit einer höheren Steuer für Sie und mich keine Probleme haben und sie nicht als maßlos – wie auch, er selbst ist ja nicht betroffen. Und eine Argumentation über mittlere Einkommen etc. als Maßstab, wie von Ralf vorgeschlagen, lehnen wir beide ja ab.

                      Umgekehrt sind Forderungen von einer Niveausenkung der sozialen Ausgaben für Leute wie uns, die davon nicht betroffen sind, ebenfalls müßig bzw. bestenfalls theoretischer Natur.

                      Sie selbst können Ihre Position ja auch nicht mit allgemeinen Normen und Vergleichen begründen.

                      Da begeben Sie sich auf dünnes Eis. Es gibt keine allgemeine Norm, die besagt, dass man jemandem sein halbes Gehalt wegsteuern soll – da stimme ich zu. Es gibt aber auch keine Norm, die „obszön“ hohe Steuern bei „obszön“ hohen Einkommen untersagt. Ich denke, dass es sinnlos ist, auf diesem subjektiven Niveau eine solche Debatte zu führen; genauso könnten wir darüber streiten, ob Ihr oder mein blauer Fleck mehr schmerzt.

                      Meiner Einschätzung nach kann man sich diesem Thema nur in Schritten nähern: Wo will man hin, was will man leisten, wie bringt man die Summen auf. Wenn jeder bei einer Einzelposition aufschreit, weil er gerade betroffen ist, mag das verständlich sein; zielführend ist es nicht.

                    • Erwin Gabriel 1. Juli 2020, 16:35

                      @ Stefan Pietsch 30. Juni 2020, 16:39

                      Yee-haw – da gehen Sie aber in die Vollen.

                      VW
                      Die Organe als da sind Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung. In dieser Reihenfolge.

                      Ich stelle fest, dass sie die Eigentümer außen vorlassen. Was haben Sie gegen Eigentum?

                      Natürlich, es ist möglich, dass Anteilseigner, Staat und Arbeitnehmerbank dies nur tun, um nicht einen verdienten Manager zu belangen. Ende der Diskussion, bis zum nächsten Mal, Herr Gabriel.

                      Ihr Intellekt lässt heute aber zu wünschen übrig. Es ist auch möglich, dass alle die Schnauze halten, um nicht selbst unter die Räder zu kommen. Ende der Diskussion, Herr Pietsch?

                      Da Herr Winterkorn nach einer Vermögensübertragung auf seine Frau nicht so wohlhabend ist, …

                      Sagen wir mal so: Wohlhabend – das bin ich. Wenn Herr Winterkorn, nicht so wohlhabend, also eine tägliche Ruhegeldzahlung von 3.500 Euro braucht, um auf mein Niveau zu kommen, ist einer von uns beiden schlecht in Mathe.

                      Seine Frau hat ihn übrigens nicht vor die Tür gesetzt, er kann weiterhin alle Vorteile seines ehemaligen Vermögens nutzen.

                      Sie müssen eine unmittelbare Täterschaft des ehemaligen Organmitglieds beweisen und nicht nur behaupten.
                      D
                      ie Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung ist nachgewiesen. Der Einsatz der Schummel-Software geschah, um sich zu Lasten Dritter zu bereichern.

                      Das ist der Grund, warum VW abwartet. Natürlich könnte der ehemalige Arbeitsgeber selbst das kriminelle Verhalten nachweisen, würde sich aber dazu zahlreiche Probleme zusätzlich verschaffen, abgesehen davon, dass sie den Job jener erledigen würden, die eigentlich dafür bezahlt werden.

                      Jetzt kommen wir dem Problem schon deutlich näher.

                      Die Organe einer Aktiengesellschaft sind verpflichtet, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Bei inzwischen theoretisch einbehaltenen 4,3 Millionen Euro Pension hätte Volkswagen schon jetzt 425.000 Euro bei aktuell 4,12% Verzugszinsen p.a. an Herrn Prof. Dr. Martin Winterkorn zu zahlen.

                      Wenn Sie mir jetzt erklären wollen, dass die Organe von VW Herrn Winterkorn auszahlen, um Schaden von VW abzuwenden, muss ich gleich weinen meinen Papierkorb vollspeien. Wissen Sie, wie viele Milliarden VW inzwischen an Entschädigungsleitung weltweit hat zahlen müssen? Den Schaden hat Winterkorn maßgeblich verursacht – entweder hat er den Einsatz der Schummel-Softwere aktiv angeordnet oder stillschweigend geduldet, in jedem Falle aber aktiv gedeckt – von Ferdinand Piëch einmal abgesehen, gibt es wohl keinen anderen hochrangigen Automanager, der sich so gut mit Motorentechnik auskennt wie Winterkorn (der – soviel Trivia muss ein – seine Karriere bei Bosch begann, die die Schummel-Software programmierten, und bei Audi den Geschäftsbereich „Technische Entwicklung“ leitete).

                      Zwei Indizien dafür: Er hat sein Vermögen auf seine Frau überschrieben, um im Falle von Schadensersatzleistungen aus dem Schneider zu sein; und die USA suchen ihn per Haftbefehl, weil seine Ausführungen, mit denen sich die deutsche Justiz offenbar begnügt, die amerikanische Justiz nicht zufriedenstellt; so gar nicht.

                      Schieben wir also für einen Augenblick das für den Stammtisch Naheliegende beiseite, dass alle nur einen reichen Ex-Top-Manager schützen wollen, …

                      Ich vermute, dass man dass an Ihrem Stammtisch so vermutet. An meinem erzählt man sich, dass man den Schwamm-drüber-Blues angestimmt hat, um weiteren Ärger und höhere Schadensersatzforderungen zu vermeiden.

                      Ich konnte kein Prinzip in Ihrem Statement erkennen, sorry.

                      Wer nicht erkennen will, mag sich mit der Erkenntnis schwertun.

                      Für Sie also noch mal eine Zusammenfassung:
                      Herr Winterkorn hat an verantwortlicher Stelle im Unternehmen Schaden nicht nur nicht abgewendet, sondern sogar mitverursacht; ob durch aktives Anweisen von Fehlverhalten, Dulden von Fehlverhalten, oder eklatanten Mangel in der Aufsicht. Seine Mitverantwortlichkeit, die sich spätestens aus seiner Funktion ergibt, ist nicht zu leugnen.

                      Unter derartigen Umständen eine solch hohe Versorgungssumme freizugeben statt unter Rechtsvorbehalt auf Eis zu legen, ist verantwortungslos.

                      Darüber hinaus hätte die Summe von den Aktionären genehmigt werden müssen. Wenn Vorstand und Aufsichtsrat festlegen, was Aufsichtsrat und Vorstand verdienen, besteht akute Mißbrauchsgefahr.

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 16:51

                      Ihr „maßlos“ ist, wie auch die Beurteilung von „sozialer Gerechtigkeit“, eine sehr, sehr subjektive Wahrnehmung.

                      Nein. Zwischen 10% und 50% Abgabe an den Staat ist sehr viel Platz. Das Problem nicht nur von Linken in Deutschland: sie sehen nur den Platz ab 50% aufwärts. Steuern sind Zahlungen des Bürgers ohne Anspruch auf Gegenleistung. Sinn und Zweck ist die Finanzierung der Staatstätigkeit. Doch davon haben sich Linke längst verabschiedet. Das Ziel ist einerseits umgedeutet worden (siehe Ralf) zu verhindern, dass einzelne Personen über mehr Einkommen verfügen als man selbst für angemessen hält und andererseits treten Linke ja bewusst für die Verlagerung der Staatsfinanzierung (zum Teil) weg von Steuern und Abgaben hin zur Staatsverschuldung ein. Da hat man auf der linken Seite des politischen Spektrums nicht hingehört, als im Elternhaus Vernunft und Maß gelehrt wurde.

                      Ich habe hier schon öfters die Armutsfalle thematisiert. Wenn es nicht interessiert hat, waren die Linken im Blog. So wie die Linkspartei sich ja auch mehr um höhere Spitzensteuersätze als die Glättung der Eingangsbelastung interessiert. Das sind wesentliche Gründe, warum ich Linken in dieser Pauschalität das Eintreten für angebliche soziale Ungerechtigkeiten nicht abnehme. Wenn es zum Schwur kommt, sind sie nur mit Piepsen zu vernehmen: „Erhöhung Hartz-IV!“ „Erhöhung Mindestlohn!“ Ob man mit 500 Euro Lohn weniger als die Hälfte von einem Zuverdienst übrig behält oder ob bei 100.000 Euro, macht nicht wirklich für die Gefühlslage einen Unterschied.

                      Es gibt aber auch keine Norm, die „obszön“ hohe Steuern bei „obszön“ hohen Einkommen untersagt.

                      Doch, abgeleitet aus dem Menschenrecht auf Eigentum.

                    • Ralf 1. Juli 2020, 17:03

                      Es gibt kein Menschenrecht auf Reichtum.

                      Und Ihr “nicht obszöner” Steuerrahmen von 10%-50% ist völlig willkürlich gewählt. Er ist auch inhaltlich bedeutungslos. Was für den Lebensstandard des Bürgers zählt, ist der absolute Betrag, der nach Abzug der Steuern vom Einkommen übrig bleibt, nicht der relative Prozentsatz der erhobenen Steuern.

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 17:30

                      @Ralf

                      Es gibt kein Recht, dieses Streben zu verhindern. Und es gibt kein Recht, alles nur von einem – willkürlichen – Existenzminimum her zu betrachten, wonach alles darüber „Wohlstand“ darstellt.

                      Weitere zwei Anmerkungen: Einkommen ist nach Ansicht des Gesetzgebers etwas, was einem Bürger regelmäßig zufließt. Dies kann aus einer oder fünfhundert Quellen stammen und wird durchaus unterschiedlich behandelt. Mit dem gleichen Argument könnte man jemanden, der 4 Häuser besitzt 3 wegnehmen und immer noch behaupten, man ließe ihm ja Eigentum.

                      Zweite Anmerkung: Wenn jemand 60% von etwas hat und der andere 40%, wem gehört etwas hauptsächlich? Ich mache es Ihnen leicht: Gemäß dem demokratischen Gesetzgeber ist der mit dem Hauptanteil der Bestimmer, der andere besitzt nur Minderheitenrechte. Es ist also nicht willkürlich, spätestens bei 50% eine Grenze einzuziehen, was sowohl die Väter des Grundgesetzes in Artikel 14 Abs. 2 zum Ausdruck gebracht haben als auch die Verfassungsrichter prinzipiell für eine Grenze anerkannten.

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 18:00

                      @Erwin Gabriel

                      [Die Organe als da sind Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung. In dieser Reihenfolge.]
                      Ich stelle fest, dass sie die Eigentümer außen vorlassen. Was haben Sie gegen Eigentum?

                      Ich stelle fest, dass Recht nicht Ihre Stärke ist. Sie werden andere haben. Die Hauptversammlung ist das Organ der Aktionäre. Aller stimmberechtigten Aktionäre. Aktionäre, so steht es im Aktiengesetzbuch, sind die Eigentümer einer Aktiengesellschaft. Auf einer Hauptversammlung hat jeder Aktionär (Eigentümer) Rederecht, selbst wenn er nur 0,000000000001% der Gesellschaft besitzt. Die Hauptversammlung ist der einzige Ort an dem Eigentümer über die Geschicke eines Unternehmens entscheiden. Das Äquivalent bei der GmbH ist die Gesellschafterversammlung.

                      Seine Frau hat ihn übrigens nicht vor die Tür gesetzt, er kann weiterhin alle Vorteile seines ehemaligen Vermögens nutzen.

                      Das zählt im deutschen Recht nicht. Selbst wenn mich eine Prostituierte im Bordell übernachten lässt, macht mich das nicht zum Besitzer des Establishments noch kann ich irgendwelche Ansprüche ableiten neben jenen, für die ich bezahlt habe. Umgekehrt kann mir der Verbleib auch nicht angerechnet werden, außer vielleicht von der Ehefrau, aber das ist ein anderes Thema.

                      Mit anderen Worten: es steht Frau Winterkorn frei, einen Mittellosen in ihrem Hausstand aufzunehmen. So lange muss die Gemeinschaft nicht für den Mittellosen aufkommen, das war’s aber bereits.

                      Sie können sich den Schaum vorm Mund einfach nicht abwischen. Bisher ist Herr Prof. Dr. Martin Winterkorn ein zwar nicht überragend vermögender, aber sonst unbescholtener Bürger, für den selbstverständlich auch die Unschuldsvermutung gilt. Inkompetenz und Dilettantismus sind hierzulande keine Vergehen, weshalb wir Menschen Ansprüche aberkennen oder sie sogar ins Gefängnis werfen.

                      Und so lange das so ist, werden Sie mit dem Einbehalt der Pension gerade bis zum ersten Monat kommen. Das ist nicht klug, sondern das Gegenteil.

                      Nicht Herr Winterkorn in Person hat einen Milliardenschaden verursacht, sondern das Unternehmen Volkswagen. Ob und inwieweit Herr Winterkorn daran mitgewirkt hat, ist leider juristisch noch zu klären, Privatmeinungen (Originalton Ralf) sind dafür völlig unerheblich.

                      Sicher ist jedoch, dass Herr Winterkorn weder den gesamten Schaden wird begleichen können noch wird ihm je der gesamte Pensionsanspruch von einem Gericht gekürzt werden. War beispielsweise der Aufsichtsrat informiert (was Sie zufällig behaupten), so geht eine Teilverantwortung auf dieses Organ über. Es gibt darüber hinaus in Deutschland keine Sippenhaft nach dem Motto, wenn der nicht zahlen kann, zahlt ein anderer, sondern Verantwortung wird zugewiesen.

                      Auch wird sich Volkswagen nur in Teilen an Einkommen und Vermögen von Herrn Winterkorn befriedigen können. In welchem Umfange, wird juristisch zu klären sein. Entsprechend wird sein Pensionsanspruch nicht vollständig einbehalten werden können, sondern der Schaden nur in Teilen angerechnet werden. Über all dies lässt sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren, weshalb VW auf dieser Basis keine Kürzung vornehmen darf.

                      Ein Schaden wird nicht durch Gesetzesbrüche geheilt. Das ist Willkür und das versuchen wir in Rechtsstaaten zu verhindern.

                      Würde VW einem eigenen Organ nachweisen, vorsätzlich Kunden geschädigt zu haben, wären die anhängenden Klagen leichter zu klären – zum Schaden von VW selbst. Vielleicht wissen Sie es nicht, aber ein Delinquent hat durchaus das Recht, sich selbst vor Ansprüchen zu schützen, selbst wenn diese objektiv gerechtfertigt sind.

                      Auch für Organe gilt grundsätzlich die Abstufung Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Und danach richtet sich grundsätzlich die Haftung.

                      Zum Schluss: Die Hauptversammlung (Eigentümer) wählen den Aufsichtsrat und bestimmen dessen Vergütung. Der gewählte Aufsichtsrat legt entweder gesamt oder über den Vergütungsausschuss die Bezahlung des Vorstandes fest. Das ist die Aktionärsdemokratie. Die Dominanz von Familienstämmen auf einer Hauptversammlung wie bei BMW durch die Geschwister Quandt hat einen stark dämpfenden Einfluss auf die Vorstandsbezüge. Aber das wollen die Linken im Land ja abschaffen.

                    • Erwin Gabriel 2. Juli 2020, 14:19

                      @ Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 18:00

                      unten geht’s weiter

              • Stefan Sasse 28. Juni 2020, 21:56

                Total schlau! Deswegen sind Verwaltung und Wirtschaft in Italien auch legendär effizienter und besser als die der dummen Deutschen.

                • Stefan Pietsch 28. Juni 2020, 21:59

                  Willst Du damit sagen, Italiener seien dümmer als Deutsche? So direkt hätte ich mich das nie getraut, das ist ja rassistisch! 😉

    • R.A. 28. Juni 2020, 14:48

      „Das ist obzön.“
      Wieso? Wenn Sie zwei Geschäfte zur Auswahl haben, und in einem davon kostet die gewünschte Ware 10% weniger – dann werden Sie dort kaufen. Das ist nicht obszön, sondern rational und legitim.

      Offenbar schaffen die ungarischen Arbeiter genau dieselben Werte wie die deutschen. Ist es da nicht obszön, daß die deutschen Arbeiter deutlich mehr Lohn für dieselbe Arbeit haben wollen als die ungarischen?

      • CitizenK 28. Juni 2020, 16:28

        Ein von Analysten gesteuerter Konzern verlagert, um Arbeitnehmern in einem anderen Land bessere Verdienstmöglichkeiten zu verschaffen? Nicht sehr wahrscheinlich. Ungarn steuert auf eine Diktatur zu oder ist bereits eine. Solche Regime neigen dazu, Arbeitnehmerrechte zu beschneiden. (Ich gebe allerdings zu, dass ich mich in dem konkreten Fall nicht über die aktuelle Lage der Arbeitnehmer in Ungarn informiert habe.) Der Begriff „obszön“ war eine Replik, um auf auf die ebenso unangemessene Verwendung bei Stefan Pietsch hinzuweisen.

      • Stefan Sasse 28. Juni 2020, 19:06

        Alle überbezahlt, außer ich.

        Jede Führungskraft ever.

    • Ariane 28. Juni 2020, 18:00

      @Citizen

      Schweden hat sich abgekoppelt, nicht nur bei der Corona-Bekämpfung.

      Kurios: Bei mir taucht immer jetzt auf den Kontoauszügen „Worldline Sweden“ auf. Ist übrigens EC-Zahlung bei meiner Shell.

      Worldline ist übrigens direkter Konkurrent von Wirecard und wartet wohl darauf, die Filetstücke aus der Insolvenzmasse einzukaufen. Wenn sie bei Wirecard zumindest irgendwann irgendwas gemacht haben außer ne Banklizenz erwerben und Milliarden im Ausland zu „verbummeln“.

      Ich meine, die DRP (deutsche Rechnungsprüfung) privat organisiert wurde schon gekickt, und zum Agieren der BAFIN wird es vermutlich mehrere Untersuchungs-Ausschüsse geben. So etwas kann nicht auf Dauer gutgehen, Bankenkrise, CumEx, jetzt das Börsendesaster. Und nächstes Jahr ist auch hier Wahl.

      Wenn das so weitergeht, kriegen die Grünen die aboslute Mehrheit. Egal wie doll der Merz an ihnen herumbaggert.

  • Ariane 28. Juni 2020, 15:14

    Als Ergänzung zu Citizen (und Gabriel):
    Aber auch die Mittelschicht kann vom Fiskus nicht so ausgeraubt sein, wie oft dargestellt. Selbst auf dem Parkplatz vor meinem Supermarkt sehe ich nicht wenige Autos, die mehr als ein Jahreseinkommen von mir kosten, oft ein Vielfaches.

    Ja, Luxussegment boomt ohne Ende, ich weiß auch nicht, wo die das Geld dafür hernehmen, hab ja geschrieben, dass hier absolut krasse Luxuskarren gerade zu sehen sind.

    Ich denke, es ist auch eine Frage der Anspruchshaltung. So wie ich eben die Alleinerbin von meinem Vater bin. Es ist aber niemand von uns reich, im Gegenteil, der Wohnungskram verursacht ständig Kosten und Ärger, das war überhaupt nicht zum Geldverdienen gedacht. (ist auch typisches Bankenproblem, wenn die nur „Beamter“ hören, hat mein Dad drei krasse Kreditangebote auf dem Tisch)

    Aber ich habe keinen „Anspruch“ darauf, dass er das alles schön für mich aufbewahrt, bis ich erben kann. Eigentlich ist sein Plan, alles zu verkaufen bis zur Rente und dann den Lebensabend zu genießen und das ist sein gutes Recht. Sein Wohnhaus läuft über seine Frau. Er hat also jedes Recht, alles zu verjuxen und mir gar nichts zu hinterlassen.

    Dieses Waldgrundstück haben wir schon als Generationending geplant, das ist ja keine Investition, sondern mehr ein langfristiges Projekt.

    Was Citizen auch sagte, ich glaube wir müssen mal unsere Gedanken von „Vermögen“ weglenken und wirklich überlegen, was wir wollen, wie wir leben wollen. Hey, Geld will jeder haben. Aber ich persönlich hätte zb gar kein Interesse daran, mir ernsthaft Gedanken um „Vermögen“ zu machen. Bin schon genervt, dass ich hier jetzt irgendwie die Assistentin für das „Vermögen (haha)“ meines Vaters bin.

    Ich meine, da ist ja jeder anders drauf. Aber das hat viel von „höher, weiter, schneller“ wo ich mich häufig frage, ob die Leute da echt Spaß dran haben. In einer VIP-Lounge Fußball gucken? Eine Kreuzfahrt? Ein Luxusauto? Urlaub auf Fuerteventura? Schrottimmobilien in Husum?

    Deswegen finde ich diese Neid-Debatte immer so absurd. Ich hätte da keine Lust drauf. Klar hätte ich gerne mehr Geld aber als Sicherheit! Nicht um ein Jetset-Leben zu führen. Da bin ich dann doch froh, dass ich nicht zusammen mit 2MRD Euro auf den Philippinen sitze 🙂

    • Erwin Gabriel 29. Juni 2020, 21:01

      @ Ariane 28. Juni 2020, 15:14

      Was Citizen auch sagte, ich glaube wir müssen mal unsere Gedanken von „Vermögen“ weglenken und wirklich überlegen, was wir wollen, wie wir leben wollen. Hey, Geld will jeder haben. Aber ich persönlich hätte zb gar kein Interesse daran, mir ernsthaft Gedanken um „Vermögen“ zu machen. Bin schon genervt, dass ich hier jetzt irgendwie die Assistentin für das „Vermögen (haha)“ meines Vaters bin.

      Man überlegt, wie man leben will, und macht das dann? Damit machst Du Citizen zum Liberalen (sorry, Citizen 🙂 ).

      Aber ich verstehe Deinen Punkt. Ich bin ja eher der Techniker als der Kaufmann; den Geldkram, Steuern, Versicherungen etc. erledigt meine Frau, und ich bin froh, dass ich mich nicht drum kümmern muss. Mich ruft da auch nichts.

      Hey, Geld will jeder haben.

      Ganz genau; so viel, dass man es sich bequem machen kann. Wenn man sich nichts leisten kann, ist’s scheiße, wenn man sich alles leisten kann, auch.

      Deswegen finde ich diese Neid-Debatte immer so absurd. Ich hätte da keine Lust drauf.

      Spricht für Dich, wenn Du nur auf Dein Leben schaust, und gut ist. Ich schon des Öfteren mal einen dummen Spruch bekommen, so, als würde ich mein Geld von irgendeiner ominösen Quelle geschenkt kriegen.

      Da bin ich dann doch froh, dass ich nicht zusammen mit 2MRD Euro auf den Philippinen sitze

      🙂 🙂 Der ist gut …
      Wenn das Ding wirklich so gelaufen ist, wird er wirklich viel geld brauchen.

      Klar hätte ich gerne mehr Geld aber als Sicherheit! Nicht um ein Jetset-Leben zu führen. Da bin ich dann doch froh, dass ich nicht zusammen mit 2MRD Euro auf den Philippinen sitze

      • Ariane 29. Juni 2020, 22:21

        Man überlegt, wie man leben will, und macht das dann? Damit machst Du Citizen zum Liberalen

        Ich habe Citizen schon immer als Liberalen wahrgenommen 🙂

        Spricht für Dich, wenn Du nur auf Dein Leben schaust, und gut ist. Ich schon des Öfteren mal einen dummen Spruch bekommen, so, als würde ich mein Geld von irgendeiner ominösen Quelle geschenkt kriegen.

        Naja, die Sicherheit die Geld bringt, will ich auch haben. Aber ich hab eigentlich keine Konsumwünsche, die irgendwie „Vermögen“ erfordern. Ich mag meinen ollen Fiesta und mein altes Fahrrad, das genau auf meine Größe passt und seit Jahren bei meinem Fahrradmenschen geflickt wird. Wenn ich höre, was einige für Autos, Häuser, Boote, Reisen kaufen/konsumieren, ganz ehrlich das wäre mir viel zu stressig.

        Ich meine, ich vermute eh, dass es meinem Dad nicht gelingen wird, mein Erbe komplett durchzubringen (alle paar Jahre ruft er unvermittelt an und will über sein Testament sprechen, da macht er vermutlich die Steuererklärung) aber wirklich sauer wäre ich wirklich nur, wenn das Waldgrundstück verkauft würde, Mit einem echten Vermögen würde ich eh nur ein Kinder/Tier/Waldheim aufmachen, von daher passt das 🙂

        Wenn das Ding wirklich so gelaufen ist, wird er wirklich viel geld brauchen.

        Laut SZ ist der Ösi-Gründer wohl untergetaucht und will sich nicht stellen. Ich meine, das ist bei Pandemie ja mal echt blöd. Das letzte was ich hörte war, dass bisher keiner weiß, ob die 2Mrd verbummelt wurden oder überhaupt nie existiert haben. (und ohne 2Mrd will ja erst recht niemand auf den Philippinen festsitzen) 😀

      • CitizenK 29. Juni 2020, 22:43

        „Damit machst Du Citizen zum Liberalen (sorry, Citizen)“

        Kein Grund für sorry. Ich bin ein ganzes Stück weit einer. Nicht ohne Grund zitiere ich hier immer wieder John Rawls, einen Liberalen und berufe mich auf Karl Hermann Flach aus der Freiburger Zeit der FDP. Übrigens die erste politische Gruppe, in die ich reingeschnuppert habe, war die Jungen Liberalen.

        Es ist wie mit mit der Freiheit, der liberty: Jeder soll sein Leben führen können wie er will, soweit er die Freiheit anderer nicht einschränkt. Das gilt aber auch materiell. Wer materiell Not leidet oder – im Vergleich zu seinem sozialen Umfeld – stark benachteiligt ist, der ist nicht frei. Wer über viel Geld verfügt, kann das Leben anderer bestimmen und deren Freiheit einschränken.

  • CitizenK 30. Juni 2020, 12:44

    „…im Staatsdienst viele Pfeifen“

    Was schlagen Sie vor, gute Leute in den Staatsdienst zu bringen? Bessere Bezahlung? Mehr Anerkennung?

    Durch Beschimpfungen und Herabsetzungen ist noch keiner besser geworden.

    • Stefan Pietsch 30. Juni 2020, 13:06

      Wir haben doch ein Erkenntnisproblem. Also ganz am Anfang. Wir beschäftigen die Menschen im Staatsdienst, die wir da beschäftigen wollen. Gehaltsvergleiche zeigen: Die Tarife im Öffentlichen Dienst sind im unteren Bereich vergleichsweise hoch, wer mit Hauptschule in den Staatsdienst tritt, kommt auf einen Lohn, der sich sonst nicht erzielen lässt. Im Mittleren Dienst sind die Gehälter unterdurchschnittlich, werden aber durch weitere Kompensationen gerade für Frauen aufgewogen. Im oberen Gehaltssegment sind sie fern vom Markt. Ich habe mir mal paar Anzeigen angesehen. Für vergleichbare Qualifikationen zahlt der Staat irgendwo zwischen 25 und 40 Prozent weniger, ohne dass wir uns über die absoluten Topleute unterhalten.

      Die Tarife zeigen, welche Leute der Öffentliche Dienst beschäftigen will. Und die bekommt er dann halt. Ein junger Staatsanwalt beginnt bei 4.458 Euro, da liegen die guten Kanzleien schon deutlich drüber. Hat jemand ein Prädikatsexamen (Voraussetzung in Deutschland für die Richtertätigkeit) und weitere Qualifikationen, startet er heute leicht zwischen 80.000 und 90.000 Euro. Für jemanden, der 6-8 Jahre in die Ausbildung investiert und sich hoch außeruniversitär beschäftigt hat, sind etwas mehr als 53.000 Euro Jahresgehalt lächerlich.

      Wer zum Staat geht, hat andere Interessen als ein Top-Einkommen zu erzielen. Und der Ehrgeiz liegt dann halt oft außerhalb der eigentlichen Profession. Entsprechend sind die Ergebnisse. Das wollen wir so, also bekommen wir es.

      Wie gesagt, wir haben ein Erkenntnisproblem.

      • Stefan Sasse 30. Juni 2020, 22:54

        Ja, viele Menschen wollen dem Land und den Menschen dienen. Sie wollen etwas bewegen, die Welt besser machen. Das alles sind Motivationen, die Leute in den Staatsdienst bringen. Aber du bestehst immer darauf, sie als Gruppe zu beleidigen.

        • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 00:49

          Nein, das ist nicht richtig. Das erwähne ich regelmäßig und würdige ich. Zufällig ist meine Frau aus den gleichen Gründen in einen Bereich gerutscht, der nicht vor allem in Geld entlohnt. Natürlich gibt es nicht wenige (und gerade Frauen), die nicht allein des monetären Lohns arbeiten.

          Nur, keine Organisation lässt sich allein und vor allem mit Idealismus betreiben. Der Idealismus verschwindet meist und damit die Motivation. Nicht von ungefähr sind die meisten Beschäftigten im Erzieherwesen unter weit unter 40, weil die meisten dem Beruf, den sie typischerweise als Teilzeitkräfte aufgenommen haben, fliehen. Denn wie unsere Großeltern schon wussten: von Luft und Liebe lässt sich auf Dauer eben auch nicht leben.
          http://www.deliberationdaily.de/2017/02/die-dunkle-seite-der-fruehkindlichen-betreuung/

          Und so sortiert sich das eben, believe me my friend. Ich habe nun Jahrzehnte Erfahrung mit Gehältern und Löhnen. Es gibt eine deutliche Korrelation zwischen Fähigkeiten, theoretischer Stärke und Bezahlung. Frag‘ mal in der Bauwirtschaft: die Unis können den Bedarf an Bauingenieuren nicht decken mit der Folge rasant steigender Gehälter. Fast die gesamten Absolventen werden derzeit von den Top-Arbeitgebern abgesaugt und der Staat gehört nicht dazu. Dann wundern wir uns, dass die Belegschaft im Öffentlichen Dienst schneller als in guten Unternehmen altert und der Staat seine Infrastrukturaufgaben nicht mehr qualitativ gut erfüllen kann. Und seine Gesetze kann er auch nicht mehr ohne private Hilfe schreiben, ohne dass die Juristen in den Top-Kanzleien Lachkrämpfe bekommen.

          Das ist die Wirklichkeit, my friend.

          • Stefan Sasse 1. Juli 2020, 06:40

            Ich bezweifle nicht dass das in manchen Bereichen ein echtes Problem ist, ich wehre mich nur gegen die allzu breite Formulierung, dass quasi entweder Pfeifen da sind oder Leute die unbedingt Teilzeit wollen.

            By the way, my friend, die ErzieherInnengehälter gingen die letzten Jahre erfreulicherweise ziemlich deutlich nach oben. Bin gespannt, ob das dann mittelfristig einen entsprechenden Bleibe-Effekt haben wird. Die Qualifizierung ist jedenfalls bereits deutlich höher in den letzten Jahren als noch vor zwei Dekaden.

            • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 11:12

              Menschen ergreifen aus einer Reihe von Gründen einen Beruf und entscheiden sich für einen Arbeitgeber. Menschen, die Großes erreicht haben, Innovationen gemacht, Rekorde aufgestellt, bahnbrechende Erfindungen vorangetrieben, Organisationen von Geltung aufgebaut haben, haben sich immer einer Sache verschrieben. Entlohnung wie große Selbständigkeit waren immer der wesentliche Treibsatz. Beides kann der Staatsdienst nicht bieten. Mehr noch: in Deutschland sorgt die Gleichmacherei in der Entlohnung wie Karriereentwicklung dafür, dass Unterschiede eingeebnet werden und Herausragendes sich nicht bilden kann. Ich verstehe nicht, dass Du gegen die Feststellung der Ergebnisse opportunierst, die aus den Bedingungen erwachsen.

              Ja, die Gehälter die Erzieherinnen sind deutlich gestiegen, wobei Du das Gender-I sparen kannst. Männer sind in dem Beruf weiterhin kaum vorhanden. Nur ändert das nichts an dem Problem der Gleichmacherei. Ob eine Erzieherin kaum der deutschen Sprache mächtig ist, von Eltern nicht geschätzt wird, von Kindern nicht angenommen und einen wesentlichen Teil der Arbeitszeit wegen Krankheit und Urlaub ausfällt oder empathisch ist, sich weiterbildet, von Eltern über die Maßen geschätzt und von Kindern geliebt wird und keine Fehlzeiten aufweist, ändert an der Entlohnung nichts. Da Menschen aber aus der unterschiedlichen Motiven einer Erwerbsarbeit nachgehen (siehe oben), wird das immer dazu führen, dass sich die Leistungsbereiten ausgenutzt fühlen.

              Bei meiner Frau ist es so, dass sie nur noch zu den Top-Einrichtungen geht. Das sind solche, die eine Reihe Nebenleistungen anbieten. Das sind solche, die eine gut situierte Kundschaft haben, wo Eltern keine wesentlichen Einkommensprobleme, eine höhere Bildung und der Nachwuchs überdurchschnittlich gebildet und gefördert ist. Wo es keine sozialen Brennpunkte gibt.

              Also dort, wo der Staat weniger Bedarf hat, tätig zu werden. Die benachteiligen Kinder der Gesellschaft brauchen ja keine gute Betreuung und großzügige Betreuungsschlüssel. Und falls Du es nicht erkannt hast: Dieser Absatz war Ironie.

          • CitizenK 1. Juli 2020, 07:33

            Und wem verdanken diese Top-Juristen und -ingenieure ihre tollen Verdienstmöglichkeiten? Der kostenlosen Ausbildung an einer STAATlichen Hochschule, an der wohl doch nicht gar so „viele Pfeifen“ arbeiten. Aber der Gesellschaft etwas zurückzugeben, das ist uncool, für manche sogar obszön.

            • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 10:52

              Und Sie meinen, kein Sozialist zu sein? Ich hätte nicht erwartet, dass Sie mir mal auf die Art Recht geben werden. Wenn ich aus meinem christlichen Menschenbild eingefordert habe, dass junge Menschen der Gesellschaft auch etwas zurückzugeben haben, wenn ihnen diese ein Studium ermöglicht, haben Sie das immer abgelehnt. Ein Student, so Ihre Position, muss nicht zügig studieren, sich anstrengen und versuchen, so viel wie möglich zu erreichen. Aus der Möglichkeit des Studiums, so Ihre Haltung, erwächst kein Anspruch gegenüber der Gesellschaft.

              Wie soll ich also diesen Punkt werten? Sind nur Menschen, die besonders fleißig, bissig, ehrgeizig und zielstrebig sind, Dienst am Vaterland zu leisten? Sie wissen doch: aus den Leistungen, die eine freie Gesellschaft mit ihren Sozialleistungen den Bürgern gewährt, erwächst keine Verpflichtung. Nicht die geringste.

              Also: entweder Sie ändern zukünftig Ihre Argumentation oder Sie lassen solche Anwürfe. Bitte Konsequenz. Übrigens: die Elite-Absolventen, die dann zu Beiten Burkhardt und anderen Kanzleien gehen, haben oft nicht nur in Deutschland studiert. Der Ertrag aus dem „Investitionskapital“ steht nicht nur dem deutschen Staat zu, und schon gar nicht mehr als die Hälfte. Das dennoch zu verlangen, ist obszön. Wir würden nicht über diesen Punkt reden bei einer Abgabenlast von 25%.

              Zudem: Nutznießer des kostenlosen Studiums sind im Wesentlichen Kinder aus begüterten Haushalten. Diese wiederum tragen aber ohnehin den Großteil der Steuerlast, aus der die Universitäten finanziert werden. Es sind die Eltern der Besserverdienenden und Reichen, die über den Umweg ihrer Steuern die Ausbildung bezahlen. Studiengebühren wären direkter, aber das möchten Sie ja nicht.

              Meiner Erfahrung nach hatten die guten, namhaften Professoren immer lukrative Nebenbeschäftigungen als Unternehmensberater und Gutachter. Das Engagement an der Uni war dagegen gedrosselt, Seminare und Tutorien wurden von den Assistenten abgehalten. Der Vorteil der nicht so guten Professoren: sie waren anwesend. Sie machen sich was vor: deutsche Universitäten haben in der Welt keinen herausragenden Ruf, was viel mit der Unterfinanzierung der Forschung und der leistungsfeindlichen Bezahlung des Öffentlichen Dienstes zu tun hat.

              Und deswegen haben wir halt überdurchschnittlich viele Pfeifen im Staatsdienst. Übrigens: wir sind über den Weg Winterkorn zu dem Thema gekommen, wo das Justizsystem offensichtlich wegen Faulheit, Inkompetenz oder Überforderung vor dem Anspruch versagt, innerhalb angemessener Zeit Verfahren einzuleiten. Suchen Sie sich’s aus.

              • CitizenK 1. Juli 2020, 11:49

                @ Stefan Pietsch
                Bitte hören Sie auf, Dinge zu behaupten, die ich nie geschrieben habe. Was soll das?
                Und wenn die Reichen über den Steuer-Umweg die Ausbildung bezahlten, wäre das ja in Ordnung. So wird ja argumentiert, aber dann kann man keine Steuersenkungen begründen. Und das mit der Steuerlast stimmt ja auch nur für die direkten Steuern, nicht für die indirekten.

                Wie wollen Sie Richter nach Leistung bezahlen? Nach Anzahl der Urteile pro Zeiteinheit? Nach Höhe der verhängten Strafen? Die Anforderungen an das Richteramt sind hoch, der Rest liegt in der Eigenverantwortung – die Sie ja sonst immer wieder fordern.

                • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 12:54

                  Haben Sie nicht? Wir hatten vor einem Jahr eine intensive Debatte darüber, wo Sie meiner Erinnerung nach das Recht von Studenten verteidigt haben, zu bummeln und ihre Ausbildung nach langer Lernzeit ohne Abschluss zu schmeißen.

                  Schon amerikanische Studien aus den Siebzigerjahren zeigten bei der Umsatzsteuer (Value Added Tax – VAT) lineare Verteilungswirkungen, wobei in den USA verminderte Steuersätze nicht die Bedeutung haben wie in Deutschland. Das Gros der Konsumausgaben ärmerer Haushalte ist entweder steuerbefreit (Miete, im Schnitt rund 50% der Gesamtausgaben) oder mit einem verminderten Steuersatz versehen. Die Annahme einer degressiven Verteilungswirkung – wir können das gerne durchspielen – ist nicht ganz plausibel. Die Berücksichtigung der erhöhten Sparneigung von besser gestellten Haushalten hilft da nicht. Wer nichts ausgibt, besitzt auch nichts. Sparen ist auch nur dafür da, irgendwann das Geld auszugeben.

                  Die oberen 50% schicken fast ausschließlich ihre Kinder an Hochschulen. Sie zahlen aber fast in Gänze die Steuerhaushalte, aus denen Universitäten finanziert werden.

                  Die Forderung nach Steuersenkungen ist noch eine Frage nach Verteilung und Priorisierung. Der Staat muss weder Reichen die Hochschulausbildung noch den Kulturbetrieb bezahlen. Auch keine Elektroautos des Typs Tesla X oder die frühkindliche Betreuung zu Betragssätzen von 100€. Das sind erstaunlicherweise die Themen von Linken, die angeblich sich um die Ärmeren der Gesellschaft sorgen. Ich habe nicht das geringste Verständnis dafür, dass der Staat die Spielereien von Wohlhabenden bezahlen soll inklusive der Stützung der Etats von Profivereinen zu Bezahlung von Millionengehältern. Wir können darauf nicht hohe Steuern begründen.

                  Was mich an Euch Linken, dazu zähle ich Sie und Stefan explizit, so maßlos aufregt ist Ihr Fan-Gehabe. Jedes System, jede Form des Wirtschaftens hat Vor-, aber auch Nachteile. Fans übersteigern die Vorteile und reden Nachteile weg – also genau das, was Sie in Bezug auf den Staat machen.

                  Private Unternehmen, die gewinnorientiert wirtschaften und mit diesem Antrieb sehr ökonomisch effizient arbeiten, sind mit Sicherheit in vielen Bereichen die richtige Wahl. Sie führen zu den besten Ergebnissen. Aber: renditegetriebene Organisationen sind nicht überall die beste Wahl. Im falschen Bereich führen sie zu teils desaströsen Ergebnissen. Als Neoliberaler weiß ich das und argumentiere so. Ich würde den Bereich der Sicherheit niemals privaten Unternehmen überantworten.

                  Das gilt natürlich vis versa auch für gemeinwirtschaftliche Organisationsformen. Hinzu kommt die Rekrutierung von Personal. Stefan kann artikelweise darüber räsonieren, dass der Staat unter seinem Dach angeblich rechtsextremistische und rassistische Strukturen züchtet, die natürlich anzugehen sind. Aber er schweigt sich immer darüber aus, dass Bezahlung und Arbeitsweisen im öffentlichen Sektor auch überproportional sicherheitsverliebte, faule, bequeme, unehrgeizige Menschen anzieht. Entgeltformen und Karrierebedingungen haben in Ihrer Welt anscheinend keinen Einfluss auf die Motivation von Menschen.

                  Sie sind Fans des Staates. Darüber schüttel ich einerseits den Kopf und rege mich argumentativ auf. Würden Sie dem Staat zugestehen, was des Staates ist und den Unternehmen, was der Unternehmen ist und nicht beides liebend gern vermischen, den Staat als die bessere Konkurrenz und das leistungsfähigere Modell und dazu noch die staatliche Ordnung auf immer mehr Lebensbereiche ausweiten wollen, hätten wir überhaupt keinen Dissens.

                  So lange Sie jedoch nicht Ihr Fangehabe ablegen können, werde ich auch immer spotten. 🙂

                  • CitizenK 1. Juli 2020, 15:01

                    Worauf ich in jener Diskussion hinauswollte: Unter kreativen Menschen sind viele Studienwechsler und Abbrecher, auch Langzeitstudenten. Das weitet den Blick und schafft neue Perspektiven. Der Begriff „Fachidiot“ ist ja etwas aus der Mode gekommen.

                    Ich selbst musste mein Studium (= meine Berufsausbildung) unter materiellem Druck möglichst schnell zu Ende bringen und konnte daher kaum nach links und rechts schauen. Das war nicht nur für mich als bildungswilliger Mensch (aus ökonomisch bedingter Bildungsferne) bedauerlich, sondern hat auch meine berufliche Qualifikation nicht unbedingt befördert.

                    Nun, die ehemaligen „Universitäten“ sind ja spätestens seit Bologna zu Ausbildungs-Einrichtungen geworden nur noch mit dem Ziel, ihren Absolventen eine bessere berufliche Position und damit ein höheres Einkommen zu verschaffen. Wo heute „Universität“ draufsteht, ist meist eine höhere Berufschule drin. Von der „Universitas“ ist wenig bis nichts geblieben. Dabei käme eine wirkliche Bildung nicht nur dem Indididuum zugute, sondern auch der Gesellschaft im Hinblick auf Demokratie und Toleranz.

                    Aber auch wenn man Bildung nicht als gesellschaftliche Aufgabe begreifen will, dann wäre eine Eltern-unabhängige Studienförderung wie sie die FDP (!) vorschlägt, dem gegenwärtigen BaföG-Bürokratiemonster vorzuziehen. Auch das habe ich hier schon mehrfach geschrieben! Die BaföG-Antragsformulare – der Passierschein A38 bei Asterix ist nix dagegen -machen fassungslos. Auch volljährige Kinder brauchen jede Menge Unterlagen und Nachweise von ihren Eltern. Unwürdig.

                    Wenn jede(r) selbst (bzw. die Eltern) die Ausbildung bezahlen solle, dann sind Gebühren natürlich zielgenauer als eventuelle höhere Steuern in der Zukunft. Da stimme ich Ihnen durchaus zu. Aber nur, wenn diese nachgelagert und einkommensabhängig sind. Verhältnisse wie in GB und USA will ich nicht. Die Gebühren dort sind ja oft schon für ein Kind höher als ein Lehrer-Bruttogehalt hierzulande. Trotzdem studieren dort viele Kinder von deutschen Mittel- und Oberschicht-Eltern, die das trotz des angeblichen fiskalischen Würgegriffs offenbar können.

                    Aber auch wenn man die Ausbildung als eine private Investition in die Zukunft betrachtet so wie Sie, müsste man konsequenterweise die Berufsschulen, Berufskollegs, überhaupt alle berufsbildenden Schulen einbeziehen. Das zu verwalten würde wieder jede Menge Bürokratie erfordern.

                    Weil ich Bürokratie nicht mag, bin ich ein Fan des alten FDP-Slogans: Bildung ist Bürgerrecht!

                    https://www.deutschlandfunk.de/bildung-ist-buergerrecht-ralf-dahrendorfs-leben-zwischen.1310.de.html?dram:article_id=407471

                    https://www.zeit.de/2015/46/ralf-dahrendorf-streitschrift-bildung-buergerrecht-aktualitaet

                    • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 16:14

                      Sie betrachten es aus einem Bereich, nicht das Overall Picture. Ich wiederhole mein zentrales Argument: Jeder Mensch kann irren und marschiert mal in die falsche Richtung. Das ist normal und gerade bei jungen Leuten. Aber wer 10 Jahre (entspricht einem Viertel des aktiven Lebens) nicht merkt, auf dem falschen Dampfer zu sein und eine Sache dann nicht zu Ende bringen kann, der hat ein Problem in der Persönlichkeit. Jeder, der mir mit einer sehr langen Studienzeit ohne Abschluss begegnet ist, hat danach auch wenig zustande bekommen – oder blieb weit unter den eigentlichen Möglichkeiten. Es gibt nun mal unter den Studenten auch immer eine Schicht, die in der akademischen Ausbildung schlicht eine Verlängerung der Schulzeit sieht. Und dafür möchte ich als Bürger nicht herangezogen werden.

                      Ich selbst habe die meiste Zeit zielgerichtet studiert. Dann wurde ich Vater und bekam etwas Manschetten vor dem Examen, weshalb sich meine Studiendauer um ein Jahr verlängert hat. Ich bin nicht perfekt, aber alles hat Grenzen. Und wir sollten immer eingestehen, wenn wir scheitern. Denn darin liegt auch der Kern für den nächsten Erfolg.

                      Ja, ich bin zutiefst überzeugt, dass Menschen mit Begabung, Talent und Intelligenz eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft haben. Ich denke aber nicht, dass diese Verpflichtung auf jenen beruht, die fleißiger, ehrgeiziger und karriereorientierter sind. Verstehen Sie den Unterschied?

                      Deswegen möchte ich nicht, dass jemand die Leistungen, die unsere Gesellschaft erbringt, 10 Jahre seines Lebens so in Anspruch nehmen kann. Das ist nicht in Ordnung, das geht zu Lasten jener, die fleißig und ehrgeizig sind. Jedes Studium kostet pro Semester ungefähr das Gleiche. Es ist von daher nur fair, jedem den gleichen Betrag nach dem Studium aufzubürden. Das sorgt dafür, sorgfältig mit dem Faktor Zeit umzugehen ohne dass es hinterher jemanden überfordert. Nur Menschen noch dafür zu belohnen, dass sie erst nicht ordentlich studiert haben und dann (auch deswegen) weniger verdienen, sind die völlig falschen Anreize. Ein Akademiker bezieht durchschnittlich 60-70 Prozent mehr Einkommen als ein Durchschnittsverdiener. Ob es sich lohnt, muss jeder selbst entscheiden, aber es ist nicht umsonst.

                      Unser langgelebtes Prinzip hat jedenfalls nicht zu dem Ergebnis geführt, das gesetzt worden ist. Das, lieber CitizenK, ist Scheitern. Und das sollte man ehrlich eingestehen und aus dem Scheitern Konsequenzen ziehen. Nicht dabei bleiben, weil es einem nun mal am Bequemsten erscheint.

                      Leider sind Sie auf mein Anspiel nicht eingegangen, daher trete ich es so platt. Warum lehnen wir Liberale die direkte Einmischung des Staates in die Entscheidungen der Bürger ab? Weil es dann total unfair wird, und das ist wörtlich zu nehmen.

                      Sie haben von der Landesbürgschaft der Regierung von NRW für Schalke 04 gehört? Das heftig überschuldete Bundesland gibt eine Bürgschaft über 40 Millionen für den mit rund 200 Millionen Euro verschuldeten Fußballclub, damit dieser den Spielbetrieb aufrechterhalten und die über Branchenschnitt liegenden Spielergehälter weiter bezahlen kann. Was meine ich damit?

                      2018 wechselte der aus Köln stammende Stürmer Mark Uth von der TSG Hoffenheim zum FC Schalke 04. Auch die Domstädter hatten damals Interesse an einem Transfer, der aber nie eine Chance auf Realisierung hatte, weil die Knappen im Gehalt unschlagbar vorne lagen. Als der Effzeh im vergangenen Jahr wieder aufstieg, zeigte man erneut Interesse an dem technisch versierten Spieler, dem in der Veltins-Arena kein Glück beschieden war. Doch die Schalker konnten großzügig ablehnen, zu gering war das Ablöseangebot und das offerierte Salär für den Spieler. Köln geriet daraufhin in große Nöte, während Schalke eine hervorragende Vorrunde spielte. Im Winter 2019/2020 kam es dann doch zum Transfer mit einer festgeschriebenen Ablöse von 10 Millionen Euro.

                      Heute ist Schalke de facto pleite und wird durch die Bürgschaft am Leben gehalten. Gleichzeitig wird der Einstieg von Investoren erschwert. Der FC Kölle kämpft weiter um den Spieler, aber die Gelsenkirchener können mit dem Land im Rücken aus einer stärkeren Position verhandeln. Der FC, der anscheinend besser gewirtschaftet hat, wird so gegenüber den zu lange auf zu großem Fuß lebenden Schalkern wirtschaftlich und sportlich benachteiligt.

                      Das ist unfair. Der Staat hat als Mitspieler nichts auf dem Feld zu suchen.

  • CitizenK 1. Juli 2020, 17:31

    @ Stefan Pietsch

    Kein Wort zu Dahrendorf? Mir fehlen Leute wie er und Hidlegard Hamm-Brücher. Ihnen nicht?

    Ob der Schalke-Vergleich hier trägt, kann ich mangels Detailwissen nicht beurteilen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich mir das alles nicht merken.

    Dass Staatshilfen manchmal (oft?) falsch eingesetzt werden, ist nicht neu. Liegt manchmal an Lobbyismus, manchmal an Unfähigkeit. Deshalb brauchen wir gute Leute beim Staat. Wenn schon nicht bei allen Ministern (Scheuer), dann bei den Beamten. Sie haben bisher keinen Weg aufgezeigt, oder einen Vorschlag gemacht, wie das zu erreichen wäre. Häme ist jedenfalls fehl am Platz. Wenn Lobby-Juristen „Lachkrämpfe kriegen“ oder wie bei CumEx die Staatsdiener austricksen, ist das kein Grund zur Freude für den Bürger im Staat.

  • CitizenK 1. Juli 2020, 17:43

    „Menschenrecht auf Eigentum“

    Grenzenlos? War die Zerschlagung von Standard Oil ein Verstoß gegen die Menschenrechte? Und die Steuern unter Roosevelt ein Menschheitsverbrechen?

    Die Frage könnte bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Corona-Folgen unversehens aktuell werden.

    • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 18:21

      Die Zerschlagung eines Konzerns mit typischerweise vielen Anteilseignern ist nicht zwangsläufig eine Enteignung. Das ist aber ohnehin definitiv nicht das, worüber wir bisher diskutiert haben. Zudem irren Sie sich in der Zeitschiene. Standard Oil wurde 2011 zerschlagen, Roosevelt war von 1933 bis 1945 US-Präsident. Die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen (gegründet 1945) wurde jedoch erst 1966 verabschiedet und noch später ratifiziert. Weder die Zerschlagung von Standard Oil noch die hohen Steuersätze in den USA zu Kriegs- und Nachkriegszeiten konnten daher gegen die ratifizierten Menschenrechte verstoßen haben. Sie waren nämlich noch nicht vereinbart.

      Fakt ist jedoch, dass seit Inkrafttreten der Menschenrechtskonvention die Grenzsteuersätze in allen Demokratien im wesentlichen auf unter 50% gesenkt wurden und es in den Jahrzehnten keinen Ausbruch mehr gab, diese wieder deutlich über die Schwelle zu heben. Ich denke, Sie haben sich an der Stelle selbst versenkt. 🙂

      • CitizenK 1. Juli 2020, 18:40

        Bin schon wieder aufgetaucht Setzte voraus, dass Sie mir die Kenntnis der Zeitschiene zutrauen. Ich denke politisch, nicht juristisch. Außerdem steht das Recht auf Eigentum schon in mehreren früheren Dokumenten.
        Standard Oil gehörte doch überwiegend Mr Rockefeller, wenn ich nicht irre.

        • Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 19:00

          Hätte ich auch nicht anders erwartet. 🙂

          Ich sage immer: die Begrenzung auf irgendwo von maximal 50% ist abgeleitet. Sie ist nicht bestimmt. Aber ich halte nun mal auch nichts davon, die Grenzen von Rechtsnormen (darf’s noch ein bisschen mehr sein?) auszutesten. Das macht typischerweise ein Kind. Ein seriöser Menschen probiert nicht aus, wie weit er gehen kann, sondern hält sich dort auf, wo man über Zweifel erhaben ist.

          Enteignung bedeutet, dass einem Bürger etwas weggenommen wird. Davor steht die Einschränkung von Verfügungsmacht. Im Recht kommt es immer wieder vor, dass in einem einzelnen Akt der Wille eines Bürgers durch ein Gericht ersetzt wird. Damit wird noch nichts weggenommen, nur eingeschränkt.

          Rockefeller wurde nicht enteignet. Standard Oil wurde auf Basis von Antitrust-Gesetzen, gegen die das Unternehmen verstoßen haben soll, in mehrere Gesellschaften zerlegt. Wir schreien auch nicht Enteignung, wenn ein Bürger mit seinem Eigentum Kriminelles anstellt und dieses daraufhin eingezogen wird.

          In diesem Zusammenhang wäre interessant, wie irgendwann mit Google und Facebook zu verfahren wäre, denn ich denke schon, dass es hier irgendwann zu einer Begrenzung der Marktmacht kommen muss und wird.

  • Ariane 2. Juli 2020, 03:15

    Zitat @Citizen (die Diskussion oben ist etwas unübersichtlich)
    Dann dürften wir auch nicht über ungenügendes HomeSchooling (geht in vielen Ländern gar nicht) klagen oder über Verkehrsstau (anderswo viel schlimmer). Auch die Ungleichheit ist vielerorts viel schlimmer.

    Ich glaube, wir müssen auch mehr davon wegkommen, Leistung und Wertschätzung nur über Geld, Vermögen, Einkommen, whatever zu definieren. Stefan sagte das neulich ja so schön, jeder möchte Held seiner Geschichte sein und mal scheinen.

    Und ich glaube bzw bin sogar ziemlich sicher, dass Wertschätzung und Anerkennung und aufrichtiges Interesse mehr zählen als zb das Gehalt oder gar die Steuerlast. Egal, wer wieder interviewt wird, das KSK, Pegida, die Ostdeutschen. Jedes Mal kommt „niemand hört uns zu und beachtet unsere Sorgen und Ängste“

    Das Gefühl dahinter ist ja real, das wird nur einfach irgendwohin projeziert, Syrer, Ex-Jugoslawen, Muslime, Juden, Merkel, die Medien, die Pandemie bzw Drosten, das System an sich, whatever.

    Das hat nichts mit Geld zu tun. Geld ist ein erbärmlicher Ersatz für Anerkennung und Wertschätzung, genauso wie Jetset und Luxusdinge. So etwas steht auch nie auf diesen „Wunschlisten“. Deswegen ist die Neid-Debatte auch immer so ein Strohmann.

    Klar kann man sagen, ich wäre ein fauler Schmarotzer, weil ich einen mies bezahlten Job habe, der nicht Abitur und ein abgebrochenes Studium erfordert. Ich hätte mich auch „zusammenreißen“ können und wäre dann vielleicht jetzt freie Journalistin (was ähm ebenfalls ein erbärmlich bezahlter Job ist, also nun ja). Es hätte also meine persönliche Situation vermutlich auch nicht verbessert, außer dass ich mich als fleißige Leistungsträgerin bezeichnen könnte.

    Nur das war ja meine freie Entscheidung, gerade weil ich mein ganzes Leben unter äh fleißigen selbstständigen LeistungsträgerInnen aufgewachsen bin und auch jetzt noch in diesem Umfeld aktiv bin. Und das wollte ich nicht, ich hab es gehasst. Ein einzelner kann nämlich nicht völlig frei und unabhängig (zb von der konjunkturellen Lage) agieren.

    Ich mag meinen Job, er ist spannend, ich hab für vieles auch die richtigen Fähigkeiten, man lernt viele Menschen kennen. Aktuell ist äh das ja kein „Job“ mehr, das Aufgabengebiet ist irgendwie unklar. Aber wenn das nicht zu konfus wird, yeah voll ungewöhnliche Freakprobleme. Landen alle im Knast oder werden wir Krisengewinnler (50/50-Chance wohl).

    Es ist eine Tätigkeit, die übrigens jeder braucht und die total begehrt ist. Aber kein Mensch will dafür Geld ausgeben. Und das wissen die doch, sowohl Behörden oder die Privatwirtschaft, das ist eingepreist. Egal ob es um Telefonfirmen oder Krankenkassen oder Subsubunternehmer geht. Die AOK scheint da spezialisiert zu sein, da wird jeder Antrag erstmal pauschal abgelehnt. Außer mir ist auch niemand so bekloppt und telefoniert 2 Stunden lang freundlich mit einer Telefonfirma, bis irgendein undurchsichtiges Problem gelöst ist.

    Mir persönlich ist es lieber so. Ich hab das Glück, dass ich mir zb um meine Miete keine Sorgen machen muss, dass ich genug Family und Freunde haben, die mir zb helfen würden, wenn eine meiner Katzen ne teure Tierarzt-Behandlung bräuchte. (mein persönliches finanzielles Katastrophenszenario).

    Es bedeutet aber dass ich höchstwahrscheinlich nie viel Einkommen oder gar ein Vermögen haben werde, dass ich aus eigener Kraft sehr wahrscheinlich in Altersarmut landen werde. Ja meinetwegen „selbstverschuldet“ ich hätte ja einen anderen Berufsweg einschlagen können, Ingenieurswesen studieren oder Business Management oder so. Oder einen reichen Mann heiraten und zwei Kinder kriegen.

    Da sind wir dann wieder bei Citizens „liberty“. Will ich nicht, ich will auch kein Vermögen. Ich möchte eine gewisse Sicherheit und ich möchte zumindest das Gefühl haben, etwas Sinnvolles beizutragen.

    Und hier kommt die Philosophie ins Spiel: Meine These ist, das WILL JEDER. Es denkt auch jeder von sich selbst (die mit einigermaßen gesundem Nervensystem), der Höcke und der Gauland denken das auch. Ganz ernsthaft. Selbst der verschollene Wirecard-Typ auf den Philippinen meint das bestimmt. Die KSK-Soldaten denken das eben auch. Selbst die Obernazis der 2. Kompanie. Selbst der Ken Jebsen und der Attila denken das.

    Und da müssen wir ran. Das lässt sich mit Geld nicht lösen. Wenn wir uns hinstellen und sagen, Einkommen/Vermögen ist die einzige Form der Anerkennung, dann vernebelt es uns das Gehirn. Wenn wir diese Mythen um Leistungsträger und Elite und sowas immer weiter produzieren, dann haben wir genau die abgefuckte, beschissene Situation von heute. Und ne Statue ins Wasser schmeißen ist dann irgendwann unser allerkleinstes Problem.

    • CitizenK 2. Juli 2020, 08:24

      @ Ariane

      Du hast meinen Punkt, glaube ich, missverstanden. Mir geht es darum:

      Wenn wir unsere Probleme mit denen in Afrika oder in weiten Teilen Asiens vergleichen, sind sie lächerlich. Als wir hier z. B. über die Benachteiligung von Hartz4-Familien sprachen, kam von Stefan Pietsch der Hinweis auf die Elendsviertel in Südamerika. Das sei Armut, wir sollten uns hier nicht so anstellen.

      Objektiv ist das richtig. Im Vergleich zu einem Elektroschrott-Verbrenner in Bangla Desh sind wir alle hier Superreiche. Schon im Vergleich zu Rumänien und Bulgarien. Und jetzt? Sollen wir keine Verbesserungen mehr fordern für Arbeitslose?

      Das Bewusstsein um die global extreme Ungleichheit bewegt nur wenige hier wirklich zur Tat. Mich auch nicht. Ein paar Spenden, die letztlich zur Gewissensberuhigung dienen. Aber auch wenn ich mein ganzes Einkommen spenden würde – das Problem wäre nicht gelöst. Also lebe ich damit und unterstütze weiterhin eine Politik, die deutsche Arbeitslose besser stellt oder Hartz4-Kindern HomeSchooling ermöglicht.

      In früheren Jahrzehnten habe ich, haben wir und sehr für Entwicklungshilfe eingesetzt. Der Erfolg war gering. Daher auch die Resignation. Der einzige Politiker, der das unermüdlich anspricht derzeit ist BMZ Gerd Müller, CSU!. Er hat meinen Respekt.

      Wenn ich Dich richtig verstehe, ist Dein Punkt, sich unabhängig zu machen von Geld und Status. Aber auch das ist ein weites Feld.

      • Ariane 2. Juli 2020, 17:55

        Schon im Vergleich zu Rumänien und Bulgarien. Und jetzt? Sollen wir keine Verbesserungen mehr fordern für Arbeitslose?

        Ich halte absolut nichts vom Argument „in Afrika/woanders ist alles noch viel schlimmer“. Ja.
        Woanders ist immer irgendwo irgendwas noch viel schlimmer, das heißt ja nicht, dass in Deutschland oder bei mir oder dir keine Probleme existieren, es sind nur andere.

        Wenn ich Dich richtig verstehe, ist Dein Punkt, sich unabhängig zu machen von Geld und Status

        Jein. Geld braucht man immer, wir leben ja nicht mehr in steinzeitlichen Clangesellschaften. Personal, Ausstattung, Reisen, sämtliche existenziellen Sachen kosten Geld. Darauf lässt sich nicht verzichten – also zumindest halte ich von derlei Ideen nichts.

        Aber wir sollten Geld nicht mit Leistung, Anerkennung, Elite oder anderen abstrakten „Werten“ gleichsetzen.

        Sonst kommen wir nämlich in den gefährlichen Umkehrschluss, dass Leute wie meine Oma oder die türkische Putzfrau, der polnische LKW-Fahrer oder der rumänische Schlachtarbeiter aufgrund ihrer Lage einfach als dumm, faul, ausländisch, sonstwas bezeichnet werden. Oh oder als äh geldgeile, liederliche Frauen, ganz vergessen.

        Das ist ja einserseits Quatsch und ein totales Zerrbild der Realität, andererseits halte ich diese Sichtweise aber für extrem gefährlich. Ist ja eine totale Entindividualisierung. Man hat nur mit „Geld“ eine neue Kategorie neben Hautfarbe, Bildung, Staatsangehörigkeit eingeführt.

        Nur Geld ist ja (ich bin ja eine tugendradikale Wertegutmenschin) überhaupt keine Tugend oder moralische Kategorie. Es ist das moderne Tauschmittel unserer Zeit. Wie früher Pelze oder Goldbarren oder Salz.

        Es lässt sich im Kleinen ersetzen, um bei deinem Beispiel zu bleiben durch gute Arbeitsbedingungen für Lehrer* und Schüler*. Freies Wlan, Schul-Tablets, vernünftige Vorgaben, gute Atmosphäre untereinander, weniger Blick auf Noten und Prüfungen, usw.

        Das alles kostet eine Menge Geld und Digitalisierung ist ein totales Status-Symbol. Wenn wir aber mal die Finanzierungen – gerade in Deutschland – aus diesem finanziellen Konkurrenzdenken lösen würden, könnten wir die Zufriedenheit an Schulen vermutlich dramatisch verbessern. Ohne dass man direkt die finanzielle Situation von Lehrern oder Schülern verändert.

        Gilt ja auch woanders, gerade in Care-Berufen. Da wird einfach angenommen, weil das so weiblich gelesene Dinge sind, dass die Leute das quasi umsonst und noch dazu unter unfassbar unmenschlichen Bedingungen machen wollen. Und dann heißt es „selbst schuld“, geh halt an die Börse (oder sowas).

        Das ist keine reine Frage des individuellen Gehalts. Das wissen doch auch alle, die sich für die Berufe entscheiden, dass man damit nie nicht auch nur wohlhabend werden kann. Das sollte aber kein Grund sein, diesen Berufen vernünftige, gute Bedingungen vorzuenthalten. Was eben anderes sein kann als eine Gehaltserhöhung.

      • Ariane 2. Juli 2020, 18:04

        Der einzige Politiker, der das unermüdlich anspricht derzeit ist BMZ Gerd Müller, CSU!.

        Ich hab ja auch vor paar Wochen noch Scherze über ihn gemacht. Mittlerweile vermutlich der einzige aus der CSU, der nicht in merkwürdige krasse Affären verwickelt ist. (oder er profitiert von seinem Namen^^)

        Söder fliegt vermutlich das Wirecard-Desaster noch mit um die Ohren.
        Also meine alte Idee, einfach aus den Trümmern der großen Koalition eine neue Partei (Arbeitsname „die Unbestechlichen“) zu gründen war ja geradezu prophetisch.

        AKK, Steinmeier, Esken, NowaBo, Müller, Giffey, Lauterbach, Daniel Günther, Karin Priem, oh hier KaJo Laumann würde ich auch noch ne Chance geben.

        Da könnte man schon was mit anfangen. Kriege, Seuchen und Skandale. Wenn die GroKo sich nicht selbst reinigt, wird es schon schwierig, noch gegen Politikverdrossenheit zu argumentieren.

  • Erwin Gabriel 2. Juli 2020, 14:17

    @ Stefan Pietsch 1. Juli 2020, 18:00

    Ich stelle fest, dass Recht nicht Ihre Stärke ist. Sie werden andere haben.

    Ja, sogar zwei 🙂

    Worauf ich hinauswollte, ist, dass nicht die VW-Hauptversammlung die Pensionsregelung für Herrn Winterkorn genehmigt hat. Danke für den Hinweis auf die unpassende Formulierung.

    Sie können sich den Schaum vorm Mund einfach nicht abwischen.
    Doch; das ist eine meiner beiden Stärken.

    Nicht Herr Winterkorn in Person hat einen Milliardenschaden verursacht, sondern das Unternehmen Volkswagen. Ob und inwieweit Herr Winterkorn daran mitgewirkt hat, ist leider juristisch noch zu klären.

    „Ob“ lässt sich inzwischen sagen, „inwieweit“ leider noch nicht. Keinesfalls wurde Schaden vom unternehmen abgewendet.

    Sie haben, lieber Herr Pietsch, doch genau verstanden, wo mein Problem mit der Situation liegt, und wir kennen uns nun lange und gut genug, dass Sie wissen, dass mir die juristischen Grundbedingungen der Situation klar sind.
    Doch so, wie eine gute Portion Intelligenz und gesunder Menschenverstand ausreicht, um beispielsweise Russlands Verfehlungen in der Ukraine zu erkennen, reichen die gleichen Mittel bei gleicher Dosierung aus, um zu erkennen, dass bei VW etwas gewaltig aus dem Ruder gelaufen ist, und die eigentlichen Verantwortlichen noch nicht einmal mit einem blauen Auge, sondern praktisch unbehelligt davonkommen.
    Natürlich können Sie sich – wir diskutieren hier ja nur unsere unterschiedlichen Meinungen – auf eine formaljuristische Position berufen, so wie ich mich auf meinen gesunden Menschenverstand berufe. Aber wenn Sie allen Ernstes davon ausgehen, dass Herr Winterkorn in die ganzen Vorgänge nicht maßgeblich involviert war, bitte ich um ihre private Adresse – dann muss ich Ihren gesunden Menschenverstand auf der nächstgelegenen Polizeistation als „vermisst“ melden.

    • Stefan Pietsch 2. Juli 2020, 17:49

      Worauf ich hinauswollte, ist, dass nicht die VW-Hauptversammlung die Pensionsregelung für Herrn Winterkorn genehmigt hat.

      Wie gesagt, dass ist bei großen Publikumsgesellschaften meist dem Tarifausschuss des Aufsichtsrates vorbehalten. Nicht ganz zu Unrecht, schließlich räumt der Gesetzgeber ausdrücklich auch prominenten Vorständen das jedem Arbeitnehmer verbürgte Recht ein, dass Einzelheiten seines Vertrages der Verschwiegenheit unterliegt und damit vor der Öffentlichkeit verborgen bleibt.

      Alles, was Sie bisher zu Protokoll gegeben haben, ist Zeitungswissen. Doch nicht alles, was in der Zeitung steht, muss auch so stimmen.

      Einer meiner absoluten Lieblingsfilme ist „Eine Frage der Ehre“ (A Few Good Men). Wir sehen den Film mindestens einmal im Jahr. An einer Stelle, als die etwas heißblütige Demi Moore behauptet, das Handeln auf Befehl zum eigentlich verbotenen Code Red (Disziplinarmaßnahme) läge doch auf der Hand, weist der Held Daniel Kaffee (Tom Cruise) sie in die Schranken: Es kommt allein darauf an, was er beweisen könne, nicht was behauptet wird.

      So ist es. Es kommt nicht darauf an, was ich glaube oder annehme. Jahrzehntelange Erfahrung mit dem Recht hat mich gelehrt, mich darauf zu konzentrieren, was belegbar ist und auf den richtigen Zeitpunkt zu warten. Denn gerade im Juristischen ist das Timing enorm wichtig, sonst kann es sehr teuer werden.

      Nach heutigem Ermessen ist der zu leistende Schadensersatz wahrscheinlich das geringste juristische Problem des Martin Winterkorn. Unter Berücksichtigung des zuvor Gesagten gehe ich je nach vorhandenem Vermögen und Schuldzumessung davon aus, dass hier eine Summe zwischen 5 und 10 Millionen Euro herauskommen wird, bestenfalls für VW 20 Millionen Euro. Jetzt setzen Sie das in Relation zu dem Schaden. Das ist mit Verlaub nichts. Berücksichtigung wird auch das Alter des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden finden. Der heute 73jährige wird am Ende des Verfahrens ein Greis sein. Ein Urteil oder Verhandlungsergebnis, das ihn mittellos und ohne jedes Vermögen lässt ohne das der Schaden nur annährend kompensiert würde, halte ich für schlicht undenkbar, selbst wenn der Stammtisch nach Blut schreit.

      Das größere Problem ist der Strafprozess. Schon heute kann Winterkorn Deutschland nicht mehr verlassen. Angesichts der Schwere der Versäumnisse – das habe ich schon 2015 geschrieben – , der Beteiligung an der Verschleierung und den nicht vorhandenen Aufklärungswillen des Beschuldigten wird eine deutliche Haftstrafe herauskommen. Können Sie sich vorstellen wie es ist, als Mitsiebziger für 2-4 Jahre in den Knast zu gehen, bei hygienisch fragwürdigen Zuständen und erwartbaren schlimmen Belästigungen angesichts der Prominenz (siehe Fall Hoeneß)?

      Alles zu seiner Zeit.

      Aber wenn Sie allen Ernstes davon ausgehen, (..) dann muss ich Ihren gesunden Menschenverstand auf der nächstgelegenen Polizeistation als „vermisst“ melden.

      Fantastisch diese Formulierung! 🙂 I love it! Ralf hat schon vor kurzem einen echten Knaller gebracht („Auf Männergrillfesten gibt es keinen Salat!“), dass ich Tage lang Tränen vor Lachen in den Augen hatte. Danke!

  • Erwin Gabriel 3. Juli 2020, 10:37

    @ Stefan Pietsch 2. Juli 2020, 17:49

    Es kommt nicht darauf an, was ich glaube oder annehme.
    Aye, dünnes Eis.
    Diese Aussage wird Ihnen in Zukunft jedes Mal um die Ohren fliegen, wenn Sie dann doch wieder mal etwas glauben oder annehmen – was nach meiner Erfahrung nicht soooo selten ist 

    Können Sie sich vorstellen wie es ist, als Mitsiebziger für 2-4 Jahre in den Knast zu gehen, bei hygienisch fragwürdigen Zuständen und erwartbaren schlimmen Belästigungen angesichts der Prominenz (siehe Fall Hoeneß)?

    Ja, wäre aber nicht nur verdient, sondern auch egal; es kommt nicht darauf an, was Sie (oder ich) glauben oder annehmen, auch nicht zu Zuständen im Knast.

    PS: Ihre Adresse, bitte 🙂

    • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 11:05

      Diese Aussage wird Ihnen in Zukunft jedes Mal um die Ohren fliegen, wenn Sie dann doch wieder mal etwas glauben oder annehmen – was nach meiner Erfahrung nicht soooo selten ist

      Tja, sehr unaufmerksam, Herr Gabriel. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt „angenommen“ oder „geglaubt“ habe. Ich verwende das „unter der Annahme“ nur im Rahmen von Normprüfungen. Zu glauben und zu mutmaßen habe ich mir vor sehr langem abgewöhnt. Es bringt nämlich nichts und führt sowohl in meinem Job als auch im Juristischen nur auf falsche Fährten. Und Vorstände und Eigentümer „glauben“ auch nicht, die wollen Handfestes, wenn man eine Theorie über bestimmte Sachverhalte hat. Auf Basis von Vermutungen lässt sich nichts entscheiden. Deswegen habe ich es mir total abgewöhnt und verwende die Vorgehensweise auch nicht in Debatten.

      Herr Winterkorn hat niemanden umgebracht und niemanden vergewaltigt. Er hat keine Kinder geschändet. Da bin ich dann doch sehr altmodisch, es ist am Ende nur Geld, Herr Gabriel, über das wir reden. Ich kann mir schwer vorstellen, dass den Käufern eines VW Golf seelischer oder gar körperlicher Schaden zugefügt wurde, was eben für die Schwere der Schuld nicht unerheblich ist.

      Auch Ihnen geht anscheinend mal die Abstufung verloren oder wollen Sie ein Vermögensdelikt tatsächlich wie eine Vergewaltigung behandelt sehen?

      P.S.: Meine Adresse haben sie ja, zumindest die elektronische…

  • CitizenK 3. Juli 2020, 10:51

    @ Erwin Gabriel
    Ich bin auch nicht Ralf.

    Bei der Bildung sind wir uns offenbar einig, und das ist ein entscheidender Punkt. Ich wollte schon den schlichten Vergleich mit den Läufern bringen, von denen einer einen Klotz am Bein hat. Aber ne Banane, das ist … Banane, also echt zu wenig. Außerdem: Hier trifft Gerechtigkeit (gibt es doch!) auf gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Begabungsreserven zu heben und künftige Steuerzahler (!) statt Stütze-Empfänger zu bekommen, ist doch in unser aller Interesse.

    „Omas klein Häuschen“ (kann von mir aus gern steuerfrei bleiben) habe ich als Beispiel genommen, weil ich die Möglichkeit, Wohneigentum zu erwerben, für wichtig halte. Da bin ich ganz bürgerlich, sogar mit CDU und FDP einig. Nicht von einem Vermieter abhängig zu sein war mir so wichtig, dass ich dafür schon exorbitante Zinssätze zu zahlen bereit war.

    Allerdings waren und sind die bisherigen Maßnahmen nicht optimal. Ein allererster Schritt wäre die Senkung der Grunderwerbsteuer für Geringverdiener/-familien und die Abschaffung der Umgehungsmöglichkeit für Kapitalgesellschaften (da haben die Lobby-Juristen mal wieder ganze Arbeit geleistet.)

  • CitizenK 3. Juli 2020, 11:08

    @ Stefan Pietsch

    Die Stockhausen-Studie bringt einen interessanten Punkt. Hatte ich so bisher nicht gesehen. Stimmt allerdings im Falle von Familien-Clans nur, wenn die sich zerstreiten.

    P.S. (Off Topic, sehe parallel die phoenix)

    Bouffier (!) unterstützt und verteidigt Merkels Deal mit Macron. Das seien keine Geschenke, sondern das Wohlergehen Europas liege unmittelbar im Interesse des Bundeslandes Hessen, wg. seiner starken Abhängigkeit vom Export in die EU) Bouffier!

    • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 12:09

      Da verstehe ich nicht Ihre Gedankengänge. Typischerweise werden meist nur die eigenen Kinder und da zu gleichen Teilen bedacht. Allerdings folgen auf 2 Erblasser nur 1,4 Erben, was zu horizontalen Vermögenskonzentrationen führt. Zudem – Vermutung – ist die Sparneigung der heutigen Erwerbsgeneration zumindest bei mittleren und niedrigen Einkommen tendenziell niedriger als sie in der heutigen Rentnergeneration war. Gründe hierfür sind Einstellungsfragen und die geringere Belastung mit Steuern und Abgaben (:-) ). Diese Aspekte führen dazu, dass Erbschaften im mittleren Einkommenssegment eine verhältnismäßig hohe Bedeutung besitzen.

      Die Werte von Unternehmen und Finanzkapital sind in den letzten 30 Jahren deutlich überproportional gestiegen. Diese konzentrieren sich aber in der Hand weniger, was eben auch wieder mit kulturellen Befindlichkeiten zu tun hat. Die Deutschen werden weniger gern Unternehmer / selbständig und sie legen ihr Geld lieber als andere Nationen in festen Geldanlagen und, ja, staatlichen Rentenbezug an. Das Ergebnis lässt sich sehr deutlich in internationalen Vermögensvergleichen ablesen.

      P.S.: ???

      Wie gut, dass ich die CDU nie gewählt habe. Auch nicht in Hessen. Bouffier hat seit dem Abgang von Roland Koch ohnehin grüne Kreide gefressen und regiert ja schon lange mit den Grünen.

      • CitizenK 3. Juli 2020, 12:45

        Wie gesagt: Kontra-intuitiv, aber relevant. Mein „Gedankengang“ (ganz kurz, denn Vermögenskonzentration als solche ist grad nicht das Thema).

        Wenn Unternehmensanteile durch Erbschaft an mehrere Familienmitglieder oder andere Erben gehen, können die trotzdem weiter wirtschaftlich als eine Einheit agieren, Beispiel Reimann. Die vom Vermögen ausgehende wirtschaftliche Macht ist dann nicht zersplittert.

        • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 13:35

          Okay, das ist jedoch nicht der Punkt. Es geht um Relationen, nicht absolute Werte. Natürlich sind Vermögen konzentriert und zwar weit mehr als Einkommen. Das liegt schon daran, dass Vermögen anders als Einkommen sich akkumuliert.

          Nehmen wir zwei Extrempunkte. die Kinder von Bill und Melinda Gates werden auch durch Erbschaft nicht so weit im Vermögen vorne liegen wie dies bei einem armen Haushalt der Fall sein wird. Der Effekt wird nicht nur durch die Erbschaftsteuer bedingt, sondern vor allem dadurch, dass die Kinder von Reichen wiederum Tätigkeiten ergreifen (oft Unternehmer werden), die sie selbst wieder wohlhabend macht. Außerdem hat Gates mehr als die Hälfte seines Vermögens vermacht und in Stiftungen eingebracht, die Kinder starten also nicht als weit die reichsten Menschen. Noch ein Beispiel: Die beiden Söhne des Milliardärs Hopp sind beide Geschäftsführer und in der Lage, ein Millionenvermögen aufzubauen. Zu Milliardären werden sie es in der Rolle allerdings nicht bringen.

          Tatsächlich lassen sich Unternehmen nicht so einfach vererben. Diese sind nämlich nicht für die Ewigkeit und haben nur eine durchschnittliche Lebensdauer von 20 Jahren. Typisches Beispiel Schickedanz, die sogar innerhalb einer Generation erbte, aber in dieser Zeit von einer der reichsten Frauen Deutschlands zur einfachen Millionärin schrumpfte. Das darauf basierende Unternehmen ist nämlich am Markt nicht mehr gefragt, andere Geschäftsmodelle machten andere Unternehmen und damit andere Eigentümer erforderlich. Der Wert von Unternehmen ist vergänglich, was sich nirgends so deutlich zeigt wie in den USA, wo die meisten Top-Unternehmen binnen einer Generation ihre Position verlieren.

          • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 17:56

            Sicher richtig, aber wenn du mir erzählst es sei ein hartes Schicksal „nur“ ein paar zig oder hundert Millionen und eine fertige Karriere mit allen nützlichen Netzwerken zu erben muss ich bitter lachen. Sie kriegen also nicht 100% des väterlichen Superreichtums, sondern nur einen Teil. Okay. Das ist immer noch weit mehr, ohne jede Eigenleistung, 99,9% jemals in Eigenleistung erreichen werden.

            • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 18:51

              Nein, habe ich nicht. Aber wenn Du 0,1% zum Maßstab politischen Handelns erhebst, hast Du meiner Ansicht nach erhebliche Demokratiedefizite. Ist Dein Ansatz wirklich, alle finanziell weitgehend auf Null zu setzen? Die Konsequenz ist aber auch klar: da jeder nur aufgrund eigenen Könnens und Fleißes etwas erreicht hat und der Staat am Ende ohnehin alles einkassiert, gibt es keine Rechtfertigung mehr, vom Einkommen Steuern einzubehalten. Keine.

              • Stefan Sasse 3. Juli 2020, 21:30

                Gottes Willen nein, und das habe ich jetzt auch oft genug betont. Ich bin dafür, dass es kein leistungsfreies Einkommen gibt und dass es nicht möglich ist, Milliardär zu sein.

                • Stefan Pietsch 3. Juli 2020, 22:41

                  Ja, ich kenne da Deine Position. Und mir ist auch klar, dass Dich weder die juristische Unmöglichkeit (ein Grundpfeiler jeder zivilen Gesellschaft) noch die Widersprüchlichkeit interessieren. Weder Bill Gates noch Jeff Bezos sind leistungslos zu Milliardären geworden.

                  • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 13:28

                    Behaupte ich auch nicht. Ich sage, dass diese Leistungen mit einigen hundert Millionen abgegolten wären.

                    • Stefan Pietsch 4. Juli 2020, 17:31

                      Du wirst das nicht entscheiden. Jeff Bezos bekommt die Milliarden nicht als CEO-Gehalt überwiesen. Es ist der Wert seiner Anteile an einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Das Geld liegt nicht auf irgendeinem Konto. Wenn in der Corona-Krise der Umsatz um 25% zulegt und der Börsenkurs allein seit Ausbruch der Krise um 67% gestiegen ist, dann ist der Gründer des Unternehmens nun einmal reicher geworden. Was willst Du dagegen tun? Sollen die Leute gefälligst nicht bei Amazon kaufen und sich die Aktie nicht ins Portfolio legen!

                      Dein Ansatz wie der manch anderer, Wohlstand absolut und anhand behaupteter Vermögenswerte zu begrenzen, ist und bleibt ein Rohrkrepierer. Du solltest Dir praktikablere Ansätze suchen, die uns nicht direkt in eine Diktatur führen.

                    • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 19:11

                      Wir hatten in der Phase des Ost-West-Konflikts eine wesentlich geringere Einkommensspreizung als heute. Solche Supervermögen gab es fast keine. Und du wirst sicher nicht behaupten, dass dazu diktatorische Mittel notwendig waren. Es ist kein Naturgesetz, dass CEOs gigantische Aktienoptionen etc. bekommen. Und dass Amazon immer noch ein Konzern ist, spottet jedem Gedanken an Wettbewerb, Monopolvermeidung und Kartellaufsicht.

                    • Stefan Pietsch 4. Juli 2020, 20:09

                      Dass wir heute eine größere Einkommensspreizung haben, liegt an der Öffnung der Märkte und damit der gewachsenen Bedeutung von Kapital. Einhergehend damit haben wir heute eine Wirtschaftswelt, wo Wissen und Können das entscheidende Kapital ist. Letzteres haben sich Linke immer gewünscht, aber anscheinend nicht bedacht, dass einfache Serienfertigungen so standardisiert sind, dass sie zu Löhnen mit geringen Bandbreiten führen. Wird aber alles individuell, sind auch die Einkommen individuell. Ich hatte es früher schon erwähnt: ich brauche mir nur 3-4jährige anzusehen, da liegen bereits Entwicklungsunterschiede von 5 Jahren und mehr dazwischen. Und dieser Multiplikator nimmt in der weiteren Entwicklung noch zu. Es ist logisch, dass dies später zu enorm großen Verdienstunterschieden führt.

                      Jeff Bezos bekommt keine Aktienoptionen. Das wäre ja ziemlich bescheuert. Die zusätzliche Ausgabe von Aktien verwässern den Kurs ohne dass der Wert des Unternehmens steigt. Eigentümer haben an der Verwässerung kein Interesse.

                      Der Amazon-Gründer hält heute noch 12% an seinem Unternehmen. Amazon wird derzeit an der Börse mit 1,4 Billionen Euro bewertet. Nun rate mal, wie hoch das Vermögen von Bezos taxiert wird. Ich denke, Du findest die richtige Antwort, ist mathematisch nicht so schwer.

                      Wenn Du aus Bezos also einen einfachen Millionär machen willst, musst Du ihm bis auf eine kleine Restgröße alle Aktien wegnehmen. Nicht klug. Studien zeigen eindeutig, dass Unternehmen mit Ankeraktionären weit erfolgreicher sind – nicht zuletzt für die Mitarbeiter.

                    • Stefan Sasse 4. Juli 2020, 21:03

                      Ja, die Mitarbeiter von Amazon profitieren legendär von dessen Erfolg, das ist weitreichend bekannt.

                      Aber du hast natürlich Recht, was die gestiegene Rolle von Kapital angeht. Wo ich nicht mit dir d’accord gehe ist die Betrachtung dieser Entwicklungen als Naturgesetz.

                    • Stefan Pietsch 5. Juli 2020, 12:16

                      Die weiter steigende Bedeutung von Know-how und Innovationsfähigkeit ist praktisch ein Naturgesetz und damit unumkehrbar. Inwieweit wir die Globalisierung zurückdrehen können und wollen, werden wir aller Voraussicht nach in der Post-Corona-Ära ausprobieren.

                      Amazon zahlt überall überdurchschnittliche Löhne. Logistikunternehmen liegen in der Entlohnungsskala eher weiter unten, es wäre absurd von Amazon zu erwarten, Lageristen wie IT-Programmierer in San Jose zu bezahlen.

                      Von einem Aktienkurs kann man niemanden bezahlen. Er ist nur der wesentliche Indikator für den Vermögenswert, den jemand besitzt. Amazon selbst scheffelt keine Milliarden, sondern investiert im wesentlichen in seine Marktposition.

  • CitizenK 3. Juli 2020, 19:34

    “JEDER der sich über mangelnde Gerechtigkeit beschwert, schaut nur nach oben“

    Nein. Wir kennen offenbar sehr unterschiedliche Menschen.

  • Ariane 3. Juli 2020, 22:37

    @Ralf/Stefan
    Ich beschreibe lediglich den Ist-Zustand. Und dieser Ist-Zustand ist, dass Du in den meisten arabischen Ländern Demokraten – so wie Du “Demokrat” definierst – mit der Lupe suchen kannst. Es gibt einfach kaum welche.

    Ich halte das grundlegend für falsch und kurzsichtig. So gesehen sind die USA übrigens in einem Zustand der Barbarei, das ist gerade überhaupt keine funktionierende Demokratie. Also muss ich dir leider mitteilen, dass du auch nicht meine Definition eines Demokraten erfüllst.

    Und nein Ralf, stell dir vor, ich halte keine Demokratie für funktionierend, in der ich nicht wählen darf und das Eigentum meines Vaters oder meines Ehemannes bin. Übrigens völlig egal ob das im christlichen Deutschland oder im arabischen Syrien ist. Oder in Indien, wo ich einfach verhungert wäre, weil die es tatsächlich schaffen, noch frauenfeindlicher zu sein. Oh die größte Demokratie der Welt natürlich, ich vergaß.

    Demokratie ist kein binärer Zustand. Im Gegenteil. Sie ist hart umkämpft und das Zitat „Der Baum der Freiheit muss mit Blut begossen werden“ ist leider richtig und ich wünschte, dieser Zustand wäre endlich mal beendet. Ist er aber nicht, wie George Floyd, Lübcke, Martin Luther King, Marwa al-Shirbini und unzählige andere immer und immer wieder beweisen.

    Das ist barbarisch. Nicht mehr und nicht weniger als in Libyen oder Syrien. Nur das Ausmaß ist anders. Das ist nämlich der Kernsatz des Linksliberalismus Ralf. Die Menschen sind immer gleich.

    Es gibt dutzende Beispiele und aberdutzende Beispiele von erfolgreichen demokratischen Gesellschaften in Afrika, Arabien, Lateinamerika und überall sonst. Das Dumme ist, dass das den Nichtdemokraten nie gefällt. Nach der französischen Revolution haben alle Staaten Frankreich angegriffen. Israel und Kurdistan sind in Arabien vermutlich die stabilsten Demokratien westlicher Prägung. Und jeder will sie umbringen.

    Hier eine deiner Barbarinnen Ralf und hier noch eine Barbarin

    Anscheinend ist die Vorstellung, dass es sowas wie eine natürliche Überlegenheit gibt echt noch weit verbreitet (weswegen wir übrigens jede verdammte Statue abreißen müssen, die irgendwo rumsteht)

    • Ralf 3. Juli 2020, 22:47

      Was Du hier von “Barbaren” und “Überlegenheit” schreibst, hat nun wirklich null mit dem zu tun, was ich geschrieben habe. Insofern drischst Du auf einen Strohmann ein, der keinerlei Bezug mehr hat zu unserer Diskussion.

      Was Demokratie angeht, sind wir aber offensichtlich fundamental unterschiedlicher Meinung. Wer Demokratie als so ein rosarotes Luftschloss definiert, der findet dann eben nirgends auf der Welt Demokratie. Nicht in den USA. Nicht in Deutschland. Und ganz sicher nicht im von Dir erwähnten Israel.

      Aber da können wir uns gerne auf ein “agree to disagree” einigen. Wir haben halt einen völlig unvereinbaren Demokratiebegriff.

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