Die Zerstörung Europas – Der Krieg der Richter

Es war ein letzter Auftritt. Und es war ein starker Abgang. Anfang Mai trat Andreas Voßkuhle ein letztes Mal als Präsident der altehrwürdigen Institution des Bundesverfassungsgerichts vor die TV-Kameras und verkündete ein Urteil, das das Potential hat, die ohnehin wankende Eurozone, vielleicht sogar die Europäische Union zu sprengen. Es war eine Bombenlegung mit Ansage, wie es in Karlsruhe Tradition hat. Punkt zehn Uhr verkündeten die fünf wegen der Coronakrise ausgelosten Richter ihre Bedenken gegen das Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) und legten dem Deutschen Bundestag eine Prüfungspflicht auf. Es ist vielleicht die letzte Warnung der Roten Roben an die Währungshüter in Frankfurt wie an die Kollegen des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH), sich nicht immer ungenierter über europäische Akte und nationale Souveränitätsrechte hinwegzusetzen. Der Fehdehandschuh ist geworfen, Brüssel und Luxemburg werden entscheiden müssen, ob sie ihn wirklich aufnehmen.

Das deutsche Verfassungsrecht, maßgeblich im beschaulichen Karlsruhe konzipiert, bewegt sich von jeher tastend in neue Rechtsgebiete vor. Diese Umsicht verschafft den obersten Richtern in Deutschland seit Jahrzehnten das hohe Ansehen, auf das ein Verfassungsorgan angewiesen ist. Das Bundesverfassungsgericht steht damit allein im Verfassungsbogen der Institutionen, nachdem die Deutsche Mark abgeschafft und die Geldpolitik von der Bundesbank zur Europäischen Zentralbank gezogen ist. Es ist bedenklich, wenn die Institutionen des gemeinsamen Europas seit nunmehr Jahrzehnten nicht dieses Ansehen in gleicher Form erwerben konnten. Ein Staatswesen lebt von der Akzeptanz seiner Einrichtungen, nicht von einer Idee. Nicht ohne Grund nennen sich die meisten Deutschen Verfassungspatrioten.

Ansehen wird erworben, nicht verliehen. Der Europäische Gerichtshof mit seinen 28 Richtern genießt seit langem den Ruf der Abgehobenheit und in der Kritik, Unionsrecht unzulässig auf nationale Rechtsfelder auszudehnen. Der Vorwurf der Kompetenzüberschreitung, den die deutschen Verfassungsschützer Anfang Mai in aller Deutlichkeit erhoben, ist nicht neu, das böse Wort vom Agent der Zentralisierung wurde schon oft erhoben. Fragwürdige Eingriffe der Richter in Luxemburg geben solchen Einschätzungen immer wieder neue Nahrung. So urteilte der EuGH im vergangenen Jahr über die Erfassung von Überstunden durch den Arbeitgeber. Das mag dem ein oder anderen Sozialpolitiker und Arbeitsrechtler gefallen, allein, das Arbeitsrecht fällt eindeutig in die Kompetenz der Mitgliedsländer.

Auch fühlen sich die Deutschen und ihr Geld von der Europäischen Zentralbank nicht geschützt, im Gegenteil, sie sehen sich durch eine Geldpolitik, die ihre Zinsen auf Null gesetzt haben, während die Notenbanker in Billionengröße Staatsanleihen aufkaufen, in ihren Interessen verraten. Der Bruch zu den Versprechungen, die in den Neunzigerjahren für die Hingabe der geliebten DM gegeben wurden, ist eklatant. Und Geld ist in Deutschland eine sensible Sache. Zwei Weltkriege mit Hyperinflationen haben die Deutschen extrem vorsichtig gemacht. Das Dritte Reich ruinierte nicht nur die Staatsfinanzen, sondern entwertete das Vermögen von Generationen. Die enorme Stabilität der Nachkriegswährung verschaffte die Anerkennung in der Welt und gewann die Oberhand über die Scham des begangenen Völkermordes. Je dominierender die DM in Europa wurde, desto mehr fühlten sich die Partnerländer von der Bundesbank beherrscht. Genau die Staaten, die schon lange vor dem Euro versuchten, Wettbewerbsnachteile durch Abwertung ihrer Währung aufzufangen und damit ihre Bevölkerungen ärmer machten, sind die gleichen, die auch heute nach permanenter Staatsfinanzierung durch die Notenbank verlangen.

Der Euro sollte das ändern. In der öffentlichen Wahrnehmung war in den Neunzigerjahren sehr klar, wer Gewinner einer solchen Geldgemeinschaft sein würde. Während in Skandinavien die Bevölkerungen so ablehnend eingestellt waren, dass Schweden und Dänemark nicht mitmachte, die Briten sich innerlich ohnehin an den Kopf tippten und die Schweiz von Anfang an abwinkte, nötigte es der politischen Klasse in den Niederlanden und Deutschland einen Kraftakt ab, ihre Länder in die Währungsunion zu zwingen. In mehreren Urteilen versicherten Regierungsvertreter den Verfassungsrichtern, nur Souveränitätsrechte gemäß den geschlossenen Verträgen von Maastricht auf die neue Zentralbank zu übertragen, das neue Institut mit seiner Unabhängigkeit wie Beschränkungen nach dem Vorbild der Bundesbank gebildet zu haben und alles zu unterlassen, was zu einer weiteren schleichenden Übertragung von Souveränitätsrechten auf europäische Institutionen führen könnte.

Unter diesen Einschränkungen ließ Karlsruhe die Teilnahme Deutschlands an der Europäischen Währungsunion zu. Auf der anderen Seite unternahmen die Weichwährungsländer Spanien, Portugal, Italien und Griechenland alle Anstrengungen, um Mitglied der neu geschaffenen Eurozone zu werden. Wie erst später öffentlich wurde, schreckten eigentlich unabhängige Statistikbehörden dabei nicht einmal vor betrügerischen Machenschaften zurück. Um die Begeisterung der Bürger mussten sich die Regierungen in Rom, Athen und Madrid ohnehin nicht sorgen, zu groß war die Hoffnung, die verhassten Weichwährungen Peseta und Lira endlich loswerden zu können.

Europäische Politik ist nicht ohne Kenntnis solcher geschichtlichen Zusammenhänge zu verstehen. Und erst recht nicht die regelrechte Wut, die sich inzwischen tief ins Bürgertum reingefressen hat. Selbst die acht Richter konnten ihre Verärgerung über die Kollegen in Luxemburg kaum verhehlen, berührt die Frage von Kompetenzen doch den Stolz der Zunft. Hinzu kommt die tiefe Verbitterung angesichts der Herablassung, mit dem der EuGH in seinem Urteil vom 11. Dezember 2018 die Bedenken der deutschen Verfassungshüter abkanzelten und für null und nichtig erklärten. Es lohnt sich, das Verdikt in Gänze zu lesen, um die daraus triefende Überheblichkeit zu sehen. Karlsruhe, das bislang in der Frage der Staatsfinanzierung durch die EZB vorsichtig abwog, wurde arroganter behandelt als es sich deutsche Amtsrichter von übergeordneten Berufsständen gefallen lassen müssen.
Die schallende Ohrfeige findet sich zum Schluss:

Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 4 zu antworten, dass ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit des Beschlusses 2015/774 beeinträchtigen könnte.

Wohlgemerkt, es geht um die Frage, ob Notenbanker in Frankfurt heimlich Staatsfinanzierung betreiben oder nur gemäß ihrem Ziel handeln, die Geldwertstabilität im Euroraum zu sichern. Zu dieser Frage kann es auch für Laien nach acht Jahren relevanter Interventionen der EZB am Anleihenmarkt keine zwei Meinungen geben. Wenn die die anderen großen Notenbanken der Fed wie der Bank of Japan mit völlig gegensätzlicher Zielsetzung die gleiche Interventionspolitik betreiben, dann ist die Verteidigung der EZB-Spitze nichts anderes als eine Schutzbehauptung.

Es dient nicht der eigenen Unabhängigkeit, sich in einem Urteil absolut einseitig auf die Seite einer Institution zu schlagen, zumal die Vorwürfe massiv und die Indizien doch sehr belastend sind. Denn wenn die Währungshüter ihr Mandat überdehnen, sich also außerhalb ihres Auftrags befinden, unterliegen sie in ihrem Handeln der Kontrolle durch oberste Richter. Auffällig ist, wie sehr der EuGH allein die Argumente der Bank gelten lässt und alles andere vom Tisch wischt.

Der Ankauf von Staatsanleihen diene dem Ziel der Geldwertstabilität
Die Vertreter von Mario Draghi behaupteten, durch den systematischen Erwerb von Bonds würde die Kreditvergabe angeregt. Doch tatsächlich konnte davon seit 2012 keine Rede sein. Viele Kreditinstitute im Euroraum nutzten die gewonnene Zeit dazu, ihre Bilanzsummen zu verringern, Kreditrisiken abzubauen und ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen. Die geringen Preissteigerungen waren maßgeblich von einem enormen Preisdruck außerhalb des Währungsraumes und sinkender Rohstoffpreise geprägt.

Das Programm ist zeitlich und im Volumen begrenzt
In diesem Punkt konnte die Begründung des EuGH nur als schlechter Witz gesehen werden, allerdings nicht der einzige. Die Wertpapierkaufprogramme des Eurosystems, vor allem das Public Sector Purchase Programme – PSPP gegen das sich die Klagen maßgeblich richten, laufen seit 2009. Die Befristungen sind offensichtlich nur dazu da, den eigentlichen Charakter zu verschleiern. Inzwischen hat die EZB über ein Drittel der ausgegebenen Staatsanleihen der Mitgliedsländer in ihrem Portfolio, Trend weiter steigend.

Der Aufkauf ist nicht garantiert
Da die Emissionen erst nach einer Haltefrist von wenigen Tagen aufgekauft werden, ließe sich das Verhalten der EZB nicht so berechnen, dass von einem garantierten Aufkauf auszugehen sei. Die Chuzpe der Richter macht an dieser Stelle nur noch sprachlos, wissen doch alle Marktteilnehmer, wie geschmiert die Maschinerie beim Ankauf funktioniert.

Angesichts solcher Begründungen der europäischen Juristen hat der Verriss aus Karlsruhe jede Berechtigung: die Einschätzung des EuGH ist in keiner Weise nachvollziehbar und das Gericht hat seine Kompetenzen überschritten. Tatsächlich gilt als herrschende Meinung, dass die nationalen Verfassungsgerichte und nicht der Gerichtshof in Luxemburg Hüter der europäischen Verträge sei. Und so betonte der scheidende Gerichtspräsident Voßkuhle im Interview mit der ARD nochmal, die nationalen Regierungen hätten nur jene Rechte auf die europäische Ebene übertragen, zu der sie auch ermächtigt waren. Staatsfinanzierung durch die Notenbank gehört eindeutig nicht dazu. Eindeutig weist der Präsident Vergleiche mit Polen zurück, denn im Gegensatz zu unserem Nachbarland verlangt Karlsruhe mehr und nicht weniger Kontrolle durch den EuGH.

Derzeit scheinen EU-Kommission und EuGH bereit, den Konflikt über europäische Kompetenzen weiter auf die Spitze zu treiben. Die Kommissionspräsidentin von der Leyen lässt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland prüfen. Und der EuGH könnte sich in der Frage, ob er überhaupt innerhalb seiner Kompetenzen geurteilt habe, für unbefangen erklären. Die nächste Eskalationsstufe könnte jedoch ausreichend Sprengpotential für das europäische Projekt entwickeln. Denn die EZB steht Hand in Hand mit der Kommission bereit, die Schäden der Coronakrise auf dem Rücken der europäischen Regeln und der wohlhabenderen Steuerzahler zu beseitigen. Schon stocken die Verhandlungen mit Großbritannien über die zukünftigen Vertragsbeziehungen. Obwohl eine reine Formalie, weigert sich die britische Regierung, eine Verlängerung der Übergangszeit, die Ende des Jahres ausläuft, zu beantragen aus Sorge, für weitere Zahlungen herangezogen zu werden.

Die Mutlosigkeit der letzten anderthalb Jahrzehnte, nicht rein zufällig die Phase, in der das mächtigste Land der Europäischen Union von einer Taktikerin ohne jede Vision regiert wurde, ließ das größte Friedensprojekt des alten Kontinents erst stagnieren und nun vor aller Augen im Zeitraffer zerfallen. Nach der globalen Finanzkrise 2007-2009 war Europa eher interessierter Beobachter, wie in den USA der Finanzsektor stabilisiert und neu organisiert wurde und China seit Mitte des letzten Jahrzehnts eine Abkehr von der extrem expansiven Geldpolitik der vorherigen Jahre betrieb. Als dann die Staatsschuldenkrise folgte, überließen es die Europapolitiker den Finanzinstitutionen EZB und IWF für Konsolidierung zu sorgen. Eine eigene Vorstellung über die institutionelle und Finanzarchitektur der Gemeinschaft fehlt in Berlin bis heute. Kaum waren die schlimmsten Verwerfungen einigermaßen aufgefangen, die Explosionsgefahr für Europa hatten, trieb ausgerechnet Deutschland mit seinem Alleingang in der Flüchtlingspolitik den Spaltpilz tiefer ins Gebälk.

Die Folgen nicht gelöster Probleme hatten sich so aufgestaut, dass sich in Großbritannien, einem der Hauptfinanziers des europäischen Projekts, eine Mehrheit für den Ausstieg fand. Diese Mehrheit ist ob der Zerstrittenheit und Machtlosigkeit der Union selbst im Angesicht hoher BREXIT-Kosten nicht geschwunden. Es wäre längst der Punkt zur Selbstkritik gekommen, denn ohne tiefgreifende Reformen und ohne den Rückzug auf den Grundgedanken der EU wird der Club der 28 weiter in seine Einzelteile zerfallen.

 

Der 2. Teil folgt mit „Im Steinbruch des Europäischen Rechts“

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  • Conejero 22. Mai 2020, 22:33

    Bin ja neu hier, aber nach Studium vieler Beiträge und Kommentare:

    Sind Sie sich sicher, dass Sie auch die Lebensrealitäten der realen Menschen bei aller hochtrabenden Theorien Philosophiererei noch erfassen?

    Das hört sich so an, als betrachtet man eine Bergkette aus der Ferne und erachtet sie als Naturschauspiel – und sieht nicht den Borkenkäfer-Befall und die tägliche Last der Waldarbeiter…

    • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 11:43

      Erst einmal: Willkommen im Blog, und viel Spaß 🙂

    • R.A. 23. Mai 2020, 11:46

      Das sind keine „hochtrabenden Theorien“, sondern politische Entscheidungen die die Lebensrealität von Millionen von Menschen konkret beeinflußt.
      Das zeigt der Borkenkäfer-Vergleich nur von einem tiefen Unverständnis für das Thema.

    • Erwin Gabriel 23. Mai 2020, 20:12

      @ Conejero 22. Mai 2020, 22:33

      Sind Sie sich sicher, dass Sie auch die Lebensrealitäten der realen Menschen bei aller hochtrabenden Theorien Philosophiererei noch erfassen?

      Darum geht es ja gerade. Die „realen Menschen“ verlieren Geld, während Spekulanten, Banken und hochverschuldete Länder von der EZB-Politik profitieren.

      • Jens Happel 24. Mai 2020, 14:48

        Die „realen Menschen“ verlieren Geld,

        Das ist arg verkürzt und stimmt so nicht. Wer sein Geld aufs Sparbuch packte hat schon immer Geld verloren. Die Realzinsen aufs Sparbuch nach Abzug der Inflation waren häufig negativ, nach Abzug der Besteuerung dito.

        Im Gegenzug hat die Niedrigzinspolitik der EZB aber sehr lukrative Anlagemöglichkeiten an den Börsen geschaffen. Wer Geld hatte konnte dort sein Geld anlegen und mehr Reibach machen als zuvor. Natürlich mit mehr Risiko. Insofern verlieren Sparer durch die EZB nur, wenn sie schecht investieren.

        Was hingegen weggefallen ist sind sichere Anlageformen wie deutsche Rentenpapiere (Staatsschulden). Das liegt aber überwiegend daran, dass wir eine schwarze Null haben und sogar Überschüsse in den öffentlichen Haushalten haben. Hier sinkt das Angebot an deutschen Rentenpapieren und gleichzeit steigt die Nachfrage nach sicheren Anlagemöglichkeiten. Was glauben sie warum die SNB krampfhaft versucht den schweizer Franken abzuwerten und dabei zum Großaktionär von Google, Apple und Facbook wurde.

        https://www.fuw.ch/article/snb-wird-zum-apple-grossaktionaer/

        Glauben sie SNB macht, dass um schweizer Sparer zu enteignen? Die EZB macht im de facto nichts anderes.

        Durch die Rettung des Euros konnte Deutschland weiterhin in den Süden ExportÜBERschüsse einfahren (siehe Target2), die hier zum „Jobwunder“ beigetragen haben und dem deutschen Sparer niedrigere Lohnnebenkosten beschert haben.

        Unter dem Strich hat die deutsche Mittelschicht (zu der der deustche Sparer ja gehört) bislang profitiert von der EZB sowie schweizer Bürger von der Politik der SNB. Draufgezahlt haben die unteren 40% in Deutschland die seit Einführung des Euros reale Kaufkraft Verluste haben hinnehmen müssen. Die unteren 40% haben kaum Geldmittel übrig die sie sparen könnten.

        Denn ohne EZB hätten wir mit 100%er Sicherheit keine 8% und mehr ExportÜBERschuss am BIP und auch keinen Euro.

        Und für die Schulden die die EZB und die Buba aufgenommen haben gilt das gleiche wie für die anderen Staatsschulden. Die werden nie zurück gezahlt. Es werden neue aufgenommen und damit die alten bezahlt werden. Die Zinseinkünfte der EZB und der Buba fließen an die Länder zurück. An dieses Spiel werden wir uns gewöhnen (müssen).

        Durch die legalen Steurschlupflöcher für Konzerne und Superreiche kummuliert zu viel Geld bei denjenigen die Investitionen vor nehmen. Das heißt, sie können investieren ohne Darlehn aufnehmen zu müssen. Die Bürger sparen in nahezu allen westlichen Industrienationen sowieso (was auch vernünftig ist). So bleiben als einzige Schuldner, die in Zukunft noch die für das Geldmengenwachstum nötigen Schulden aufnehmen können die Staaten.

        Japan und die USA machen es vor. Japan hat schon seit zwei Jahren mehr als 200% Staatsschulden in Relation zum BIP. Das ist das neue Normal.

        Anstelle den Umweg über Darlehn sollten wir über direkte Staatsfinanzierung druch die Notenbanken nachdenken. Die Bank of England hat nun diese Erlaubnis, dank Brexit möglich. Die kanadische Staatsbank durfte das schon immer.

        Ich wette Kanda und UK werden das Mittel sinnvoll einsetzen unsere dogmatischen von keinerlei Empirie getrübten Ökonomen, werden dass aber hier zu verhindern wissen.

        Gegenüber Japan und den USA haben wir schon gehörig Boden verloren. Bei UK schauen wir mal. Ich bin sehr gespannt über die Auswirkungen des Brexit. Mein Tipp ist, dass er ein Erfolg wird.

        Gruß Jens

        • Erwin Gabriel 25. Mai 2020, 17:23

          @ Jens Happel 24. Mai 2020, 14:48

          Jeder, der nicht in Immobilien oder Aktien geht, wird fester gebeutelt als zuvor. Jeder, der von einer Lebensversicherung abhängig ist, muss mit erhöhten Risiken und schlechteren Erträgen leben..

          Im Gegenzug hat die Niedrigzinspolitik der EZB aber sehr lukrative Anlagemöglichkeiten an den Börsen geschaffen. Wer Geld hatte konnte dort sein Geld anlegen und mehr Reibach machen als zuvor. Natürlich mit mehr Risiko. Insofern verlieren Sparer durch die EZB nur, wenn sie schecht investieren.

          Das ist eine einerseits zutreffende, andererseits arrogante Sicht auf die Dinge. Es gab früher eine sichere Anlageform, die Staatsanleihe. Die ist weg. Die meisten Menschen, die ich kenne (mich eingeschlossen), verstehen zu wenig vom „Geschäft“, um von Aktienkäufen zu profitieren. Also läuft es darauf hinaus, dass eine kleine Gruppe profitiert, und Otto Normalverbraucher die Zeche zahlt.

          Verkürzte Darstellung? Mag sein. Aber ich hoffe, der Punkt wird trotzdem klar.

        • Erwin Gabriel 25. Mai 2020, 17:24

          @ Jens Happel 24. Mai 2020, 14:48

          Ich bin sehr gespannt über die Auswirkungen des Brexit. Mein Tipp ist, dass er ein Erfolg wird.

          Ich vermute, dass Du da richtig liegst.

    • Ariane 23. Mai 2020, 23:41

      Herzlich Willkommen sorry bisschen verspätet. Viel Spaß in der Runde 🙂

  • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 11:58

    Die Legitimation von Institutionen entspringt nicht ihrem Alter. Zu insinuieren, der EuGH sei weniger legitim, weil er nicht so alt ist wie Karlsruhe, mag zwar für den Raum des moralisierenden Bürgertums funktionieren, aber sicherlich nicht im rechtlichen Bereich.

    Auch das übliche Moralisieren über die parasitären südeuropäischen Länder verdeckt natürlich nicht, dass hinter der Einführung des Euro auch handfeste wirtschaftliche und politische Interessen Deutschlands standen. Die Meistererzählung eines Helmut Kohl, dem man die Mitgliedschaft im Euro abgepresst habe, ist so etwas wie Dolchstoßlegende der Euro-Kritiker. Nicht nur konnte Deutschland sich in der EU-Integration massiven Einfluss sichern und entscheidende Pflöcke bei der Gestaltung einrammen; die Währungsunion gehörte auch mit zum größeren Paket der deutschen Einheit, ohne die Frankreichs Zustimmung bei den 2+4-Verträgen nicht zu erreichen gewesen wäre. Dazu kommt, dass Deutschland auch wirtschaftlich vom Euro profitiert, weil der Wechselkurs zu den Nachbarn, in die die Exporte des Exportweltmeisters fließen, sehr vorteilhaft für genau diese Exportwirtschaft sind.

    Komplett richtig liegst du mit der Kritik an Merkel. In ihrer Regierungszeit wurden die Probleme offenkundig, und sie hatte mehrfach Gelegenheit und Partner, um die Eurozone zu reformieren. Leider ließ sie sich immer vom moralisierenden Bürgertum in ihren Reihen beeinflussen und tat daher nur, was absolut nötig war, um die jeweilige Katastrophe zu vermeiden.

    • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 12:07

      Du liegst in Deiner Einschätzung der Kohlzeit falsch. Wie aufgezeichnet gab es auch in Deutschland keinen Ruf nach einer Gemeinschaftswährung, das Thema kam 1992 plötzlich von der Politik aufgezogen auf. Populär war die Aufgabe der DM nie. Im Gegenteil: die Deutschen genossen viele Vorteile aus ihrer starken Währung, die zu den Leitwährungen der Welt avancierte. No changes needed. Und wie früher aufgezeichnet, beeinflusste der Kurs der Mark immer bestenfalls kurzfristig die Exportchancen deutscher Unternehmen.

      Ob Kohl also selbst der Ansicht war, eine gemeinsame Währung sei eine gute Idee für die Integration in Europa, oder ob ihm diese abgepresst wurde, ist historisch kaum von Belang. Der Euro, der damals noch nicht so hieß, hatte bis zu seiner Einführung im Norden des Kontinents nur eine überschaubare Zahl an Fans. Und auch Deine weitere Zeichnung ist falsch: da Deutschland 2001 in eine Jahre anhaltende Rezession fiel, war der damalige Kurs der Stabilität gegenüber dem Dollar kontraproduktiv. Das Bild änderte sich erst Jahre nach der Einführung. Anfang des Jahrtausends profitierten Spanien und Frankreich, später Deutschland. So ist das mit einer gemeinsamen Währung.

      Bitte ließ noch einmal den Anfang. Da steht nichts davon, dass eine Institution mit dem Alter Legitimation erwürbe. Es ging um Ansehen in der Bevölkerung.

      Ich fürchte, der 2. Teil wird Dir überhaupt nicht gefallen. 🙂

      • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 12:39

        Spontane Freudenkundgebungen gab es für den Euro auch in Rom und Paris nicht. Das Thema war generell keines, das sich für „Fans“ eignet. Es war reichlich technisch. Der Euro hatte in Deutschland auch nicht viele bekennende Feinde. Er war einfach.

        Aber das ist ja genau mein Punkt: Der Euro ist für Deutschland keine Nettoverlust und die Südländer keine Nettogewinn. Es ist mal so, mal so. Wie vorher bei den Wechselkursen auch.

        Auch das Ansehen der Bevölkerung spielt für die Legitimation keine Rolle.

        Das ist nun keine Überraschung 😀

        • Marc 23. Mai 2020, 12:51

          Der Euro ist aus Sicht Deutschland eine weiche Währung, für die Südländer eine harte. An sich heben sich die Vor- und Nachteile auf, nicht aber bei den Staatsschulden, die von einer Landeswährung in Euro umgewandelt wurden. Deutschland hat nun weichere Staatsschulden und profitierte Netto, während die Südländer weiche Schulden in harte unwandelten und Netto verloren.

          • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 13:14

            Ich sag ja, Vor- und Nachteile.

          • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 13:27

            Es gibt aber Unterschiede: in Deutschland war (und ist) niemand an solchen Vorteilen interessiert. Das ist so als preisen sie jemanden Zuckerwatte an, wo der nunmal streng vegetarisch lebt. Die Mittelmeeranrainer haben massiv darum gekämpft, am Euro teilnehmen zu können, während die wohlhabenden Briten, Dänen und Schweizer abgewunken haben. Schweden hat dazu bewusst Konvergenzkriterien verletzt, um nicht beitreten zu müssen, während die Griechen sogar Statistiken gefälscht haben, um teilnehmen zu können.

            Wenn Sie das gleichsetzen – na denn.

            • Marc 23. Mai 2020, 14:14

              Wir haben aber weiche Zuckerwatte im Überfluss bekommen, während die Südländer einen Riesenberg harten Zwieback verputzen müssen. Das macht das deutsche Jammern über den Euro so unglaubwürdig.

              • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 14:21

                Zuckerwatte, die wir nicht wollten. Daher hat sie keinen Wert. Die Südländer haben dagegen Zuckerwatte bekommen, die sie wollten. Denn zumindest die Bürger wollten eine stabile Währung, für die man sich auch etwas kaufen kann. Sie wollten auch nicht jedes Jahr mitbekommen, wie die Touristen aus dem Norden immer mehr in ihrem Land kauften. Die Politiker sagen auch die Vorteile, nicht ständig von den eigenen Wählern vorgerechnet zu bekommen, warum die Lira nun wieder ein paar Nullen dazubekommen hätte. Nun haben sie das Problem, diesen Bürgern erklären zu müssen, dass eine stabile Währung nur mit Wohlstandsgewinnen zu haben ist. Dumm gelaufen.

                Aber dafür haben sie ja nun die deutliche Mehrheit im EZB-Rat und im Ministerrat auf EU-Ebene.

                • Marc 23. Mai 2020, 15:05

                  Zuckerwatte, die wir nicht wollten. Daher hat sie keinen Wert.

                  Ah, so funktioniert das! Ich gehe gleich nächste Wochen zu Bank, sage, ich will die Schulden nicht, also sind sie wertlos! Danke, toller Tip.

                  • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 15:19

                    Wie muss ich mir Marc als Kind vorstellen? Sprach‘ die Mutter: du bekommst eine dicke Belohnung, wenn du in Mathe eine 2 schreibst! Klein-Marc hängte sich also rein und schrieb sogar eine 1! Die Mutter, klar, ließ sich nicht lumpen, schließlich ist sie eine Mutter. Also sprach sie zu Klein-Marc: Wir wollten doch immer im Sommer in die Berge zum Wandern fahren. Das machen wir diesmal und es ist schon alles gebucht! Doch Klein-Marc war arg enttäuscht, denn er wollte eigentlich ans Meer und am Strand spielen. Stattdessen standen ihm nervige Wanderungen bevor.

                    Und immer wenn Klein-Marc sich an die 1 in Mathe erinnerte, sagte die Mama: aber du hast auch eine tolle Belohnung bekommen!

                  • Marc 23. Mai 2020, 18:57

                    Und Groß-Pietsch erklârt mir ganz stolz, dass ein Urlaub und Staatsschulden das gleiche sind.

                    • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 19:59

                      Wo? Dass Sie keinen Sinn für Analogien haben, haben Sie jetzt eindrucksvoll bewiesen.

              • Erwin Gabriel 23. Mai 2020, 20:32

                @ Marc 23. Mai 2020, 14:14

                Wir haben aber weiche Zuckerwatte im Überfluss bekommen, während die Südländer einen Riesenberg harten Zwieback verputzen müssen.

                Der Unterschied liegt nicht in dem, was man uns auftischt. Der Unterschied liegt, um im Bild zu bleiben, an den Zähnen, mit denen das Servierte kleingekaut wird.

                • Marc 23. Mai 2020, 21:03

                  Um im Bild zu bleiben. Wir hatten aufgrund der D-Mark ein stahlhartes Gebiss und kein Problem mit der Zuckerwatte, der Zwieback war für den Süden zu hart.

                  Es gab keine Vorwarnung und keiner hatte gewarnt, dass es zu Verdauungsproblemen kommt.

                  Ich sehe also weniger die Schuld bei den Südländern, sondern vielmehr bei Europa, die den Euro völlig falsch managte. Statt auf die Härte der Nahrung schaute man auf den Kalorienverbrauch. Ist wichtig, hat aber mit der Ursache des Problems nichts zu tun.

                  • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 22:58

                    Bevor der Euro eingeführt wurde, gab es einen fast 10-jährigen Anpassungsprozess. Italien und Spanien drängten in die Gemeinschaftswährung, sie wurden nicht reingezogen. Und Spanien war nicht hoch verschuldet.

                    Fordern Sie eigentlich den Austritt der Südländer aus dem Euro? Die griechische Bevölkerung hat sich noch 2015 wie verrückt an den Euro geklammert, die wollten nicht raus.

                    • Marc 24. Mai 2020, 00:38

                      Die Anpassung war gut gemacht, doch nach einem Beitritt wurden die Kaufkraft Unterschiede nicht weiter verfolgt noch angeglichen. Nach Ausbruch der Krise müsste der Süden abwerten. Das hätte nicht sein müssen, wenn vorher die Gefahr beseitigt worden wäre.

                      Die Verantwortung für diese divergierende Entwicklung lag nicht im Süden oder Norden, sondern bei der EU.

                      Ich halte den Euro für eine kaputte Währung. Er hat als einzige Währung negatives Zentralbankgeld – eine Anomalie. Daher hat der Euro auch eine viel zu große Zentralbankgeldmenge.

                      Meine Lösung habe ich schon mehrmals beschrieben, ich wiederhole mich gerne: Nationale Parallelwährungen einführen.

                    • Stefan Pietsch 24. Mai 2020, 10:54

                      Wie im Artikel zitiert, gehört zu den Pflichten eines Mitglieds der Währungsunion, eine solide Finanzpolitik – also im Zweifel auf dauerhaft ausgeglichene Haushalte angelegte – zu betreiben. Das ist offensichtlich nicht passiert, was im zweiten Teil genauer ausgeführt wird.

                      Was bringen Parallelwährungen?

                    • Marc 24. Mai 2020, 13:38

                      Die Haushalte eines Landes mit Landeswährung oder Gemeinschaftswährung unterscheiden sich nun mal. Das haben die Konstrukteure des Euros negiert. Mehr dazu im zweiten Teil.

                  • Erwin Gabriel 24. Mai 2020, 09:20

                    @ Marc 23. Mai 2020, 21:03

                    Um im Bild zu bleiben. Wir hatten aufgrund der D-Mark starken Wirtschaft ein stahlhartes Gebiss und kein Problem mit der Zuckerwatte, der Zwieback war für den Süden zu hart.

                    Es gab keine unterschiedliche Kost für die EU-Länder. Es gab für alle eine (anfangs) harte Währung und niedrige Zinsen auf Staatsschulden. Die Länder, die vorher auch eine harte Währung und ein passendes Steuer-/Finanz-/Sozial-Korsett hatten, kamen naturgemäß besser mit der „Härte“ der Währung klar, hatten aber geringe Nachteile durch den minimal gestiegenen Zinssatz. Die Länder die aus einer eher „weichen Währung kamen, hatten stärkere Anpassungsprobleme, bekamen nun aber Geld zu deutlich niedrigeren Zinsen..

                    Es gab keine Vorwarnung …

                    Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich am 7. Februar 1992 durch den Vertrag von Maastricht gegenseitig erstmals zu den EU-Konvergenzkriterien (zumeist Maastricht-Kriterien genannt) verpflichtet. Diese Kriterien bestehen aus fiskalischen und monetären Vorgabewerten.

                    Bereits sieben Jahre vor der Einführung des Euro als Buchgeld (und zehn Jahre vor der Einführung als Bargeld) wurden die Kriterien bestimmt, die Bedingung waren für den Beitritt zum Euro. „Keine Vorwarnung“ passt da nicht ganz…

                    Ich sehe also weniger die Schuld bei den Südländern, sondern vielmehr bei Europa, die den Euro völlig falsch managte.

                    Das sehe ich etwas anders (halte aber auch den Begriff „Schuld“ für nicht ganz passend). Die Entscheidung zum Euro-Beitritt wurde niemandem aufgezwungen, die Konvergenz-Kriterien und die Konsequenzen bei der Umsetzung waren Jahre standen lange fest, auch die Vor- und Nachteile einer harten Währung waren allen bekannt.

                    Wo sich die Länder unterschieden, war die vorhandene wirtschaftliche Struktur und der Umgang mit Staatschulden (die Grafik lässt sich umschalten, da nicht alle Länder sinnvoll auf ein Chart passen).

                    Letztendlich geht fast jede regierende Partei den Weg, ihre Wähler mit Geld zu befriedigen. Die Verschiebungen weg von Deutschland hin zu anderen EU-Ländern führten bei uns zur Agenda 2010 (um den Preis, dass die ausführende Regierung ihre Mehrheit verlor). Andere Parteien, andere Länder gingen halt andere Wege, die in andere Situationen führten. Nationale Entscheidungen und Entwicklungen (natürlich auch globale) prägen hier deutlich stärker als rein europäische.

                    • Marc 24. Mai 2020, 10:23

                      Ich stimme der Analyse zu, aber mit Vorwarnung meine ich eine ganz konkrete Warnung:
                      Hallo Griechenland, du lebst seit Zeitpunkt x über deine Verhältnisse. Stelle das bis Termin y an, Ansonsten wird die Krisengefahr unverantwortlich hoch.
                      Eine solche Warnung gab es vor der Krise nicht.

                      Jedes Land ging seine Wege und die EU hat signalisiert, dass diese Divergenzen okay sind. Als die Krise ausbrach, hat man Deutschland als Primus definiert und den Süden als Schuldigen. Das ist jedoch keine logische Definition, sondern reine Machtprojektion.

                    • Erwin Gabriel 28. Mai 2020, 13:39

                      @ Marc 24. Mai 2020, 10:23

                      … aber mit Vorwarnung meine ich eine ganz konkrete Warnung:
                      Hallo Griechenland, du lebst seit Zeitpunkt x über deine Verhältnisse. Stelle das bis Termin y an, Ansonsten wird die Krisengefahr unverantwortlich hoch.
                      Eine solche Warnung gab es vor der Krise nicht.

                      Solche Warnungen sind überflüssig. Jedes Land weiß, ob es „über seine Verhältnisse“ lebt, so, wie Du es weißt, wenn Du Dir einen Kredit nach dem anderen besorgst, ohne ihn tilgen zu können.

                      Als die Krise ausbrach, hat man Deutschland als Primus definiert und den Süden als Schuldigen. Das ist jedoch keine logische Definition, sondern reine Machtprojektion.

                      Zum einen wurde Deutschland nicht als „Primus“ definiert, sondern Deutschland IST nach allen wirtschaftlich relevanten Kriterien in der EU oder unter den Euro-Ländern der Primus, ob Deutschland das so wünscht oder nicht.

                      Auch ging es nicht um das Thema „schuldig“ oder „nicht schuldig“. Griechenland war in der Bredouille, aus Gründen, die im eigenen Handeln lagen.

                      Das, was man als „Machtprojektion in weitestem Sinne hätte einordnen könne, wäre das Verfahren gewesen, mit der man die Situation löst. Und dort hätte ich einen anderen Weg bevorzugt, nämlich den, der in den Verträgen über die Zusammenarbeit in der EU festgelegt ist. Der hätte wahrscheinlich weniger Schaden angerichtet.

          • Jens Happel 24. Mai 2020, 15:15

            Die Vor- und Nachteile heben sich nicht auf. Im Gegenteil die kumulieren.

            Der Süden ist nicht wettbewerbsfähig genug für Deutschland, deswegen ist dort die Arbeitslosigkeit auch viel höher. Seit die Staatschulden so hoch sind, dass der Süden wegen der Regularien des Euro auch nicht mehr fiskalisch dagegen angehen kann, verfestigt sich die Arbeitslosigkeit.

            Um Wettberebesfähigkeit kurzfristig wieder zu erlangen kann der Süden nur seine Löhne kürzen. Da die dortige Wirtschaft aber in wesentlichen eine Binnenwirtschaft ist, führt jede Lohnreduktion zu einem sinken des BIP.

            Der Süden müte also seine Löhne in Bezug zu seinen Produktivitätszugewinnen langsamer steigen lassen als in Deutschland die Löhne in Bezug zu seinen Produktivitätszugewinnen steigen. Leider steigen die Löhne in Deutschland nur sehr moderat, (deswegen ist die Inflation so niedrig), dass heißt der Süden darf über Jahre sein Löhne nicht steigern. Das führt in der Summe zu der anhaltenen extrem niedriegen Inflation in der Euro Zone. Nirgendwo kommen die Löhne aus dem Quark (Bezogen auf Produktivitäts und BIP Wachstum).

            Kurz ohne massive Investitionen in den Süden wird dieser unter den bestehenden Euro Regeln NIE aus dem Quark kommen.

            In Deutschland bauen wir dafür Strukturen für eine Extreme Exportwirtschaft auf, die uns komplett um die Ohren fliegen wird, wenn der Euro platzt. Die dann neue DM wird dermaßen aufwerten, dass die 8% Exportüberschuss am BIP auf nahe Null verdunsten werden. Das heißt bei einem platzenden Euro müssen wir 8% unseren bisherigen BIP plötzlich durch Binnennachfrage lösen.

            Viel Spass dabei, dass wird kurzfristig gar nicht funktionieren und mittel und langfristig, wird das viele Investitionen hier abwerten.

            Zur Zeit hat Deutschland nur Vorteile durch den EURO. Nahezu Vollbeschäftigung, da wir in einer unterbwertenden Waährung stecken und ultraniedrige Zinsen für die Staatsanleihen. Bislang haben wir noch nicht einen Euro für die Griechenlandrettung ausgegeben. Die ganzen Sicherheiten die Deutschland für die griechischen Darlehn gegeben hat, mussten nicht eingesetzt werden, da Griechenland nicht geplatzt ist, dank EZB.

            Die Zeche zahlen im Moment der Süden mit horrender Arbeitslosigkeit und in Deutschland die unteren 40% die reale Gehaltseinbußen hinnehmen mussten. Den Reichen im Süden hat die EZB mit der Rettung des Euros ebenfalls geholfen, die parken jetzt ihr Vermögen in Deutschland. Ein Grossteil der Target2 „Verbindlichkeiten“ kommen durch Vermögensverlagerungen von südländischem Vermögen nach Deutschland.

            Wo sich hier Vor- und Nachteile aufheben kann ich nicht erkennen. Möchtest du mit dem Süden tauschen? Wenn sich Vor- und Nachteile aufheben wäre das ja kein Problem. Willst du in ein Land ziehen mit 20% Jugendarbeitslosigkeit und denken ist ja nicht so schlimm, dafür haben wir ja niedrige Zinsen?

            Wir (Deutschland) kriegen die Nachteile erst mit voller Wucht zu spüren, wenn der Euro platzt, was im übrigen nicht ausgemacht ist. Prof. Stelter sagt deswegen Deutschland hat nur eine Scheinblüte.

            Gruss Jens

            • Erwin Gabriel 28. Mai 2020, 14:40

              Jens Happel 24. Mai 2020, 15:15

              Der Süden ist nicht wettbewerbsfähig genug für Deutschland, …

              Was ich an der ganzen Diskussion nicht verstehe, ist der grundsätzliche Ansatz, dass Deutschland offenbar „Schuld“ hat, egal, was es tut.

              Als der Euro kam, waren wir bei weitem nicht in der aktuellen Situation, die Arbeitslosigkeit lag bei etwa 10 %. An den hohen Zahlen gab es heftige Kritik

              Es folgte die Agenda 2010 durch die Regierung Gerhard Schröder, mit einem (trotz Finanzkrise 2008/2009) ständigen Sinkflug bis hin zu einer Halbierung bei den Arbeitslosenzahlen. Ist irgendwie auch nicht recht.

              Wir haben unsere damalige Situation nicht dadurch verbessert, dass wir zur Finanzierung unserer Arbeitslosenunterstützung Eurobonds gefordert haben, sondern durch interne Maßnahmen.

              Solange alles darauf hinausläuft, dass an allem, was in Europa an Schlechtem passiert, Deutschland die Schuld trägt, solange Deutschland bezahlen soll, ohne dass man sich darüber Gedanken macht, wie die Probleme in den anderen Ländern entstanden sind, ohne zu überlegen, was die betroffenen Länder tun können, um derartige Probleme zukünftig zu vermeiden, so lange kann ich die Diskussion nicht ernst nehmen – sorry.

              Die ganzen Sicherheiten; die Deutschland für die griechischen Darlehn gegeben hat, mussten nicht eingesetzt werden, da Griechenland nicht geplatzt ist, dank EZB.

              Guckst Du hier

              • Stefan Sasse 28. Mai 2020, 17:47

                Du musst fairerweise schon zugeben, dass die Kritik von 2000 an Deutschland von völlig anderen Leuten kommt als die 2020.

        • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 12:59

          Nochmal: Du unterliegst einem historischen Irrtum. Die Spanier und Italiener waren spontan begeistert. Und zwar nicht nur die Regierungen. Und das wärst Du auch, wenn jedes Jahr Deine sauer verdiente Gehaltserhöhung durch Inflation zunichte gemacht würde.

          Das Ansehen ist für jede Autorität, die in einer Demokratie Macht ausüben soll, elementar. Nur ein Beispiel: ein Manager, der nicht mehr das Ansehen seines Teams genießt, kann einpacken und wird oft irgendwann entlassen.

          • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 13:13

            Die Rechtmäßigkeit eines Urteils hängt nicht am Respekt der Bevölkerung für das Gericht! Das wäre das Todesurteil für den Rechtsstaat.

            • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 13:21

              Nochmal: die Behauptung im Artikel war – und dabei bleibe ich angesichts fehlender Gegenbeispiele – dass jede demokratische Institution auf Dauer das Ansehen und den Respekt derjenigen benötigt, die dem Recht folgen sollen.

              • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 13:46

                Das ist sicherlich korrekt. Ich sehe jetzt aber auch keine Probleme außer beim bürgerlichen Rand, Ansehen und Respekt für europäische Institutionen zu empfinden.

                • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 14:10

                  Das Misstrauen gegen die EZB ist weit verbreitet.

                  • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 18:51

                    Kein Zweifel; bei der Riesekampagne, die seit mindestens 2010 gegen sie gefahren wird, wäre alles andere auch echt komisch. Nur ist das für jemanden, der noch in meinem letzten Artikel vorwarf, Vaterlandsverrat zu begehen und mich zum Büttel ausländischer Interessen zu machen, weil ich selbst Kritik an einer Institution übte und ihr ein klein wenig misstraute, schon fast schizophren. Aber Nationalismus scheint da vieles zu kitten.

                    • Stefan Pietsch 23. Mai 2020, 19:58

                      Oh ja, böse Kampagnen. Böse!

                    • Erwin Gabriel 23. Mai 2020, 20:39

                      @ Stefan Sasse 23. Mai 2020, 18:51

                      Kein Zweifel; bei der Riesekampagne, die seit mindestens 2010 gegen sie gefahren wird, wäre alles andere auch echt komisch.

                      Mach es Dir doch nicht so einfach. Glaubst Du allen Ernstes, dass die Ursachen für fehlende Akzeptanz der EU-Institutionen ein paar Kampagnen sind?

                    • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:10

                      Nein, das hat sehr viele Ursachen. Aber die spielen schon massiv mit rein. Also du kannst nicht behaupten dass es sie nicht gäbe und/oder dass sie keinen Effekt hätten.

                    • Erwin Gabriel 25. Mai 2020, 17:32

                      @ Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:10

                      [Glaubst Du allen Ernstes, dass die Ursachen für fehlende Akzeptanz der EU-Institutionen ein paar Kampagnen sind?]

                      Nein, …

                      Dann sind wir uns hier einig.

                      … das hat sehr viele Ursachen.

                      Henne-und-Ei-Vergleiche passen nicht immer – hier schon. Die schwindende Akzeptanz der EU und ihren Institutionen hat viel mit Abgehobenheit, mit Intransparenz und mit dem Eindruck zu tun, alle wollen sich nur bedienen. Bis auf wenige Köpfe ist das EU-Personal unbekannt bis lausig, neigen Regierungen dazu, sich bei unliebsamen Entscheidungen hinter der EU zu verstecken, oder gar dazu, diese unliebsamen Entscheidungen an die EU auszulagern, die aber qualitätiv nicht in der Lage ist, irgendwelce größeren Probleme sinnvoll zu lösen und die Lösung zu kommunizieren.

                      Solange die EU von den Regierungen auf Geld reduziert wird und Deutschland größter Nettozahler ist, wird es keine Akzeptanz geben.

                      Dann kommen die Kampagnen – als Folge, nicht als Ursache.

                      Aber die spielen schon massiv mit rein. Also du kannst nicht behaupten dass es sie nicht gäbe und/oder dass sie keinen Effekt hätten.

                    • Stefan Sasse 25. Mai 2020, 18:40

                      Ich halte den Faktor, sich hinter der EU zu verstecken, für relevant. 90%+ können doch gar keine EU-Politiker oder -Institutionen korrekt benennen.

                    • Erwin Gabriel 28. Mai 2020, 13:41

                      @ Stefan Sasse 25. Mai 2020, 18:40

                      Ich halte den Faktor, sich hinter der EU zu verstecken, für relevant. 90%+ können doch gar keine EU-Politiker oder -Institutionen korrekt benennen.

                      Das spielt doch keine Rolle. Ich brauche auch nicht die Namen der Banker oder der Banken zu kennen, die uns 2008 die Finanzkrise eingebrockt haben, um zu verstehen, dass Ursache der Krise ein Fehlverhalten der Banken war.

                    • Stefan Sasse 28. Mai 2020, 17:44

                      Good point.

                • Ariane 24. Mai 2020, 00:05

                  Ich sehe jetzt aber auch keine Probleme außer beim bürgerlichen Rand, Ansehen und Respekt für europäische Institutionen zu empfinden.

                  Ich bezweifle, dass selbst unsere Nerdrunde hier auch nur die Hälfte der europäischen Institutionen aufzählen könnte. Die meisten Menschen kennen doch hauptsächlich die Namen, geschweige denn dass sie noch genau über Zuständigkeiten und Funktion informiert sind.

                  Dass Notenbanken unabhängig agieren sollten, spielt in den meisten Debatten ja auch plötzlich keine Rolle mehr. Und was hab ich mich da zwischendurch immer drüber aufgeregt, wenn dieses Argument kam. Jetzt gilt irgendwie das Gegenteil und da sind soviele Leute bemüht, der EZB hineinzureden, dass ich total den Überblick verloren habe.

                  • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:14

                    Das war ja genau der Punkt meines Artikels! Jahrelang hat man die Unabhängigkeit der EZB hochgehalten wie das Goldene Kalb, das BVerfG reißt sie jetzt einfach ab, und alle jubeln…? Das geht doch überhaupt nicht zusammen. Aber das ist immer so mit Prinzipien; man hält nur solange an ihnen fest, wie sie einem helfen.

                    • Ariane 24. Mai 2020, 21:17

                      Ja, da wechseln die Positionen plötzlich, jetzt verteidige ich die Unabhängigkeit der Notenbanken (sind ja jetzt mehrere beteiligt) und plädiere dafür, es wie die USA zu machen.

                      Da verschieben sich gerade irgendwie die Fakten. Ist mit der Inflation genauso. JAHRELANG war die Inflation das größere Kalb und der EZB ist es trotz aller Programme nicht gelungen, auch nur in die Nähe der 2% zu kommen.

                      Grad geguckt: Aktuell ist Deutschland bei 0,9% Inflation und das könnte noch tiefer gehen:

                      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1045/umfrage/inflationsrate-in-deutschland-veraenderung-des-verbraucherpreisindexes-zum-vorjahresmonat/

                      Prinzipien; man hält nur solange an ihnen fest, wie sie einem helfen.

                      Ja, das könnte ich noch verstehen. Aber ich weiß nicht mal mehr, was das jetzige Prinzip ist. Außer „Deutschland soll mal allen zeigen, was ne Harke ist“
                      Faktisch ist es vermutlich egal, weil das Programm von Pandemie-Notfall abgelöst wurde.
                      Ist aber wie in der Außenpolitik: wenn man sich seiner Interessen nicht sicher ist, dann wirkt man nur durchgedreht und niemand weiß, was das alles soll.

              • Stefan Sasse 23. Mai 2020, 18:49

                Korrekt. Du und ich sehen die Gefahr hierfür nur aus unterschiedlicher Richtung.

                • Erwin Gabriel 23. Mai 2020, 20:42

                  @ Stefan Sasse 23. Mai 2020, 18:49

                  Du und ich sehen die Gefahr hierfür nur aus unterschiedlicher Richtung.

                  Du willst nichts anfassen, damit nichts schlimmer wird. Ich will verbessern, damit es nicht schlimmer wird.

                  Wenn die EU sich in „Deine“ Richtung weiterentwickelt, wird sie in kürzester Zeit weder von außen noch von innen kontollierbar sein.

                  • Ariane 24. Mai 2020, 00:07

                    Wenn die EU sich in „Deine“ Richtung weiterentwickelt, wird sie in kürzester Zeit weder von außen noch von innen kontollierbar sein.

                    Ähm wie kommst du zu dieser ziemlicher sicher vorgebrachten Prognose? Und wie definierst du „kontrollierbar“?

                    Ich meine die EU an sich mit ihren 27(?) Ländern scheint mir eh gerade recht unkontrolliert taumelnd. Aber ich bin nicht sicher, ob du die EU, die Eurozone oder die EZB meinst?

                    • Erwin Gabriel 24. Mai 2020, 09:42

                      @ Ariane 24. Mai 2020, 00:07

                      [Wenn die EU sich in „Deine“ Richtung weiterentwickelt, wird sie in kürzester Zeit weder von außen noch von innen kontrollierbar sein.]

                      Und wie definierst du „kontrollierbar“?
                      Ich meine, die EU an sich mit ihren 27(?) Ländern scheint mir eh gerade recht unkontrolliert taumelnd.

                      Mir auch, und mir scheint es schlimmer zu werden.

                      „Kontrollierbar“ bedeutet aus meiner Sicht, dass die EU und die Institutionen ausführen, was von den Mitgliedsstaaten an sie herangetragen wird, dass Verantwortlichkeiten klar werden, dass Konsequenzen bei Fehlverhalten ausgeübt werden können. Der Weg (auch durch die von Macron und Merkel forcierte Übergabe von nationalen Kompetenzen in EU-Hände) wird dahin gehen, dass durch die Zersplitterung der Meinungen / Ansichten / Ansprüche eine bürokratisierte Übermacht entsteht, die aus sich selbst heraus agiert, sich eigene Vorschriften macht, sich über Gesetze hinweghebt.

                      Das könnte man grundsätzlich für erstrebenswert halten (das tue ich auch), wenn es eine ausreichende gemeinsame Basis und vernünftige Instrumente der Steuerung gäbe. Aber weder ist die wirtschaftliche und finanzielle Basis gegeben, wurden Steuer- und Sozialsysteme angeglichen, noch stimmt die politische Basis – Duda/Kaczyński und Orban lassen grüßen.

                      Unter diesen Bedingungen halte ich jede weitere „Gemeinsamkeit“ für kontraproduktiv, da sich vergebene Kompetenzen und erteilte Zugeständnisse nur sehr schwer zurückholen lassen.

                  • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:11

                    Ich will die EU auch verbessern. Massiv sogar. Wenn es nach mir ginge, würde man die EU radikal umgestalten. Nur bin ich halt Realist. Ich muss mit der EU arbeiten, die wir haben, nicht mit der, die ich gern hätte. Das ist der Unterschied zwischen uns.

                    • Erwin Gabriel 28. Mai 2020, 14:15

                      @ Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:11

                      Ich will die EU auch verbessern. Massiv sogar. Wenn es nach mir ginge, würde man die EU radikal umgestalten. Nur bin ich halt Realist.

                      Der bin ich auch. Daher rührt meine Kritik.

                      Ich muss mit der EU arbeiten, die wir haben, nicht mit der, die ich gern hätte. Das ist der Unterschied zwischen uns.

                      Auch ich muss mit der EU arbeiten, die da ist. Aber ich begreife, dass sich die EU ständig wandelt und verändert. Das scheint ein weiterer Unterschied zwischen uns zu sein, wenn ich Deinen Ausführungen folge.

                      Und ich verstehe außerdem, dass sich die EU auf eine verantwortungslose Art und Weise weiterentwickelt. Sie wird bestimmt von Politikern und Bürokraten, die so handeln, als könnte man alle Probleme mit Geld und noch mehr Geld lösen. Und die dort agierenden Leute halten sich für umso wichtiger, je mehr Geld sie dazu in die Hand nehmen.

                      Beides falsch. Geld ausgeben kann jeder Trottel, Probleme lösen nicht. Geld ist wie eine Schicht Lack auf einer Karosserie. Ich kann den Rost überlackieren, so oft ich will; der Rost bricht irgendwann durch. Derzeit entwickelt sich die EU in eine Richtung, diese Situation festzuschreiben: Die Nase hoch, die Augen zu, die Taschen offen.

                    • Stefan Sasse 28. Mai 2020, 17:45

                      Nein, ich sehe den permanenten Wandel der EU, wie den jedes Staatswesens. Darüber schreibe ich ja auch oft genug (Artikelserie incoming, was? ^^). Nur Leute, die nichts von Institutionen und Politik verstehen, glauben an Stasis oder ihren Wert. Da sind wir definitiv beieinander. Wir haben nur völlig andere Ziel- und Wegvorstellungen.

                    • Erwin Gabriel 2. Juni 2020, 17:44

                      @ Stefan Sasse 28. Mai 2020, 17:45

                      Wir haben nur völlig andere Ziel- und Wegvorstellungen.

                      Weißnicht.

                      Ob wir ein „Europa der Vaterländer“ oder die „Vereinigten Staaten von Europa“ bekommen, ist mir eigentlich egal. Aber wenn es die Vaterlands-Version werden soll, geht die Staatsfinanzierung bzw. Haftungsübernahme durch die EZB nicht in Ordnung, dann muss jeder Staat für sich klarkommen.

                      Sollen es dagegen die Vereinigten Staaten von Europa werden, ist eine Angleichung der Sozial-und Steuersysteme (mit den entsprechenden Kürzungen bei uns), ein Abschied vom heißgeliebten Vetorecht oder vom Wirtschaften nach regionaler Wählergunst dringend erforderlich.

                      Sag mir, was Du haben willst, ich folge Dir da gerne. Aber welchen Weg man auch immer einschlägt, man muss die entsprechenden Voraussetzungen festlegen und umsetzen. Was momentan praktiziert wird, macht es unmöglich, sich in die eine oder andere Richtung zu entwickeln; man stagniert und geht in ein immer stärkeres Risiko. Das ist mir zuwider, das macht mir Angst, das lehne ich ab.

                    • Stefan Sasse 2. Juni 2020, 18:11

                      USE. All the way. ^^

                    • Erwin Gabriel 2. Juni 2020, 21:39

                      @ Stefan Sasse 2. Juni 2020, 18:11

                      USE. All the way. ^^

                      Wie gesagt, auch da gehe ich gerne mit – wenn man es denn konsequent genug angeht. Aber mit Wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass-dabei-Merkel und Konsorten geht das nicht. Und auch sonst sehe ich niemanden in Europa, der dafür die Eier hat.

                    • Stefan Sasse 2. Juni 2020, 23:26

                      Ich bin der letzte, der Merkels EU-Politik verteidigt.

            • Erwin Gabriel 23. Mai 2020, 20:36

              @ Stefan Sasse 23. Mai 2020, 13:13

              Die Rechtmäßigkeit eines Urteils hängt nicht am Respekt der Bevölkerung für das Gericht! Das wäre das Todesurteil für den Rechtsstaat.

              Es mag zutreffen, dass die Rechtmäßigkeit eines einzelnen Urteils nicht vom Respekt der Bevölkerung für das Gericht abhängt. Aber die Rechtmäßigkeit der gesamten Gesetzgebung an der Zustimmung durch die Bevölkerung.

              Das Volk versteht das meiste falsch; aber es fühlt das meiste richtig.
              Kurt Tucholsky

              • Ariane 24. Mai 2020, 00:09

                Wenn wir über europäische Institutionen reden, gilt aber das Gefühl aller europäischen Bevölkerungen, bzw meinetwegen aller Völker der Euro-Zone, nicht das deutsche Empfinden für sich gesehen.

                Das ist glaub ich der Kern meiner und Stefans Kritik, wir haben hier mehr Kompetenzen bzw mehr Köche als nötig.

                • Erwin Gabriel 24. Mai 2020, 09:54

                  @ Ariane 24. Mai 2020, 00:09

                  Wenn wir über europäische Institutionen reden, gilt aber das Gefühl aller europäischen Bevölkerungen, bzw meinetwegen aller Völker der Euro-Zone, nicht das deutsche Empfinden für sich gesehen.

                  Das ist gleichermaßen richtig und falsch. Die ursprüngliche Intention von „Europa“ war, sich von einem „Europa der Vaterländer“ aus weiterzuentwickeln. Dazu gehört, dass man an entscheidenen Stellen eine gemeinsame Basis schafft (beispielsweise gemeinsame Werte, angeglichene Steuer- und Sozialsysteme, gemeinsame Ziele der Außen- und Verteidigungspolitik). Dann kann man anfangen, ausgehend von einzelnen Bereichen eine Gemeinschaft herzustellen.

                  Momentan hat man eine (zumindest teilweise) gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Basis dafür. Man hat unterschiedliche Standpunkte zu China, Russland und den USA. Man hat 27 Mitgliedsländern mit weitgehenden Veto-Rechten.

                  Das kann nicht so funktionieren, und es wird nicht besser, wenn man da noch mehr Kompetenzen hineinverschiebt.

                  Das ist glaub ich der Kern meiner und Stefans Kritik, wir haben hier mehr Kompetenzen bzw mehr Köche als nötig.

              • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:10

                Ich bin kein Fan des „gesunden Volksempfindens“.

                • Erwin Gabriel 2. Juni 2020, 21:41

                  @ Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:10

                  Ich bin kein Fan des „gesunden Volksempfindens“.

                  Von „gesundem Volksempfinden“ (in wessen Interpretation?) habe habe ich nicht gesprochen. Sollte Dir klar sein.

                  • Stefan Sasse 2. Juni 2020, 23:27

                    Ich warne halt nur vor dieser Argumentationslinie. Die Rechtmäßigkeit von Urteilen von vox populi abhängig zu machen…auf diesem Weg wartet das Ende des Rechtsstaats.

                    • Erwin Gabriel 3. Juni 2020, 15:16

                      @ Stefan Sasse 2. Juni 2020, 23:27

                      Die Rechtmäßigkeit von Urteilen von vox populi abhängig zu machen…auf diesem Weg wartet das Ende des Rechtsstaats.

                      Da, wo „gesundes Volksempfinden“ hervorgekramt wird, geht es in der Regel um irgendwelche rechten Spinner, die für ihren Scheiß keine anderen Argumente haben. Das ist nicht, was ich meine.

                      Es gibt trotzdem bei den meisten ein Gespür, ob etwas richtig oder falsch läuft. Und wenn sich hier die Mehrheitsmeinung bildet, dass etwas falsch läuft, verlieren die Leute, die diese Politik vertreten, die nächste Wahl. Gegen die Stimme des Volkes zu agieren, bringt auch nichts.

                    • Stefan Sasse 4. Juni 2020, 07:30

                      Mein Problem damit: Die Mehrheitsmeinung ist grundsätzlich für wesentlich härtere Strafen. Die Mehrheitsmeinung wäre für die Wiedereinführung der Todesstrafe für Sexualstraftäter. Und so weiter.

                      Ich bezweifle gar nicht, dass die Mehrheitsmeinung auch bei Dingen, die ich selbst als richtig empfinde, mal Unwohlsein hat. Aber sie hat halt auch häufig ziemlich miese Instinkte, weswegen sie im Rechtsstaat keine Rolle spielt.

          • sternburg 24. Mai 2020, 00:29

            „Das Ansehen ist für jede Autorität, die in einer Demokratie Macht ausüben soll, elementar. Nur ein Beispiel: ein Manager, der nicht mehr das Ansehen seines Teams genießt, kann einpacken und wird oft irgendwann entlassen.“

            In Erinnerung an einen Austausch von, nunja, „Gedanken“ die Tage mit Dir möchte kurz anfügen:

            Herrje. Schon wieder so kurz vor der Erkenntnis gewesen und schon wieder keine Erkenntnis gewonnen.

          • Jens Happel 24. Mai 2020, 15:26

            Und das wärst Du auch, wenn jedes Jahr Deine sauer verdiente Gehaltserhöhung durch Inflation zunichte gemacht würde.

            Daran hat sich aber auch im Euro nix geändert. Jetzt haben wir halt auch nur sehr kleine nominale Lohnsteigerungen. Unter dem Strich hat sich auch für den Süden nix geändert.

            Auch in Deutschland sind die realen Gehälter für die unteren 40 % runter gegangen. Der Süden hat anfangs seine Löhne zu stark steigen lassen, deswegen haben sie ja die Probleme jetzt.

            Für die realen Lohnsteigerungen ist weniger die Inflation entcheidend sondern der Produktivitätszuwachs, nur der kann „verteilt“ werden.

            Was die Inflation angeht mach die EZB übrigens einen tollen Job. Noch nie war so lange die Inflation so niedrig wie im Euro, auch nicht für Deutschland. Das ist auch kein Wunder, denn alle Regeln zielen auf eine niedrige Inflation. Wenn jetzt alle Länder aus unterschiedlichen Gründen über den Euro und die EZB klagen, sollte man mal vielleicht über die Regeln des Euro nachdenken.

        • R.A. 24. Mai 2020, 19:36

          „Der Euro ist für Deutschland keine Nettoverlust und die Südländer keine Nettogewinn. “
          Richtig. Der Euro war sauber konstruiert und hat grundsätzlich allen Vorteile gebracht, weil der Gebrauch so vieler verschiedener Währungen nur Ineffizienzen gebracht hat.

          Die Verluste für Deutschland kamen erst mit der sogenannten „Euro-Rettung“ und den dafür aufgewandten Milliardentransfers. Und mit der vertragswidrigen EZB-Politik, die den EU-Problemländern die Staatsverschuldung finanziert.

          • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 20:05

            Wären die Kosten eines chaotischen Auseinanderbrechens der Eurozone durch Bankrotte Griechenlands, Portugals, Spaniens und Griechenlands geringer gewesen? Ich bezweifle das.

            • Stefan Pietsch 24. Mai 2020, 20:24

              Griechenland ist doppelt, muss ich abziehen. 🙂

              Wieso Bankrotte Spaniens und Portugals?

              • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 20:50

                Haben die nicht auch Hilfen bekommen müssen?

                • Ariane 24. Mai 2020, 21:30

                  Und Irland! PIIGS
                  Bzw ich meine über Italien waren wir ein wenig uneinig, ob sie das mit eigenen Sparprogrammen noch verhindern konnten. War Island nicht auch noch pleite oder knapp davor?

                  Irland ist da etwas außen vor, die haben ja einfach ein Steuerparadies gegründet.
                  Entzündet hat sich alles an Griechenland, weil durch die Drohung des „Rausschmisses“ direkt Italien, Spanien und Portugal mit in den Abgrund gezogen wurden und die Anleihen so teuer geworden sind.
                  Und dann war man bei der Idee Nord- und Süd-Euro und das hat dann endgültig Währungsschwankungen ausgelöst.

                  So ist meine Erinnerung zumindest, habs jetzt nicht nachgelesen. Der Ösi-Stephan hatte mir zwischendurch erzählt, dass vermutlich jedes Land seitdem Pläne für nen Währungscrash in der Schublade hat. Was nun nicht wirklich beruhigend war. Meine Vermutung ist, dass die damaligen Schwankungen so bedrohlich waren, dass man lieber umgeschwenkt ist und die 2-Euro-Idee verworfen hat. (Außerdem wusste ich zumindest nie, ob Frankreich Süd oder Nord ist)

                • Stefan Pietsch 25. Mai 2020, 00:54

                  Portugal und Irland bekamen Hilfsgelder aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Später ging dies über auf den European Stability Mechanism (ESM). Irland schied 2013 wieder aus, Portugal 2014. Spanien erhielt ebenfalls Hilfsgelder.

                  Damit waren die Staaten aber nicht bankrott, im Gegensatz zu Griechenland, das einen Teilzahlungsausfall hinlegte und 2015 vom EFSF für insolvent erklärt wurde.

                  • Stefan Sasse 25. Mai 2020, 07:03

                    Aber ich glaube wir sind uns einig dass sie ohne ESM-Hilfen ziemlich Probleme gehabt hätten, oder?

                    • Stefan Pietsch 25. Mai 2020, 10:33

                      Sicher. Nur stellen sich zwei Fragen: Was hätten die Länder vor dem Euro gemacht, ist der Sinn einer gemeinsamen Währung, sich finanzpolitisch zu stützen? Vielleicht sollten die USA das dann mal für Südamerika praktizieren. Wohlgemerkt, die Frage kann man so oder so beantworten, ich verneine sie nicht ausdrücklich. Zweitens: Die Programme konkurrieren mit dem IWF, der weit mehr Erfahrung besitzt, was in finanzwirtschaftlichen Krisensituationen angemessen ist.

                    • Stefan Sasse 25. Mai 2020, 13:13

                      Ich fragte nicht vor der Prämisse „vor Euro“, sondern auf der, die ihr aufgemacht habt: Der Euro funktionierte bis zur Währungskrise. Meine Frage ist quasi, welche bessere Alternative 2010 (nicht 1993!) bestanden hätte.

                    • Stefan Pietsch 25. Mai 2020, 15:36

                      Die saubere Lösung ist ein Default, was gleichbedeutend mit dem Ausscheiden aus dem Euro wäre. Wenn Italien jetzt noch 0,5%-Punkte auf Neuanlagen weniger Zinsen zahlen würde, könnte das das Land auch nicht retten. In dieser Debatte ist man jenseits der Alpen schon ein ganzes Stück vorangekommen. Die Vorstöße von Lega und Movimento 5 Stelle 2018 werden nicht die letzten gewesen sein. Italien ist am nächsten am Austritt und wenn das in 1-3 Jahren passieren sollte, ist der Euro in der jetzigen Form erledigt.

                      Die Konsequenzen von Eurobonds will ja auch niemand ziehen: alle nationalen Haushalte müssten von Brüssel genehmigt werden. Italien hat dies zuletzt für 2019 abgelehnt. Das hieße massive Durchgriffsrechte, das hieße zumindest für Deutschland eine neue Verfassung, das hieße Volksabstimmungen in der gesamten EU.

                      Du solltest klug genug sein zu wissen, wie solche Referenden ausgingen und wie realistisch das ist. Möchtest Du Dich nicht mit realistischeren Dingen beschäftigen?

                    • Stefan Sasse 25. Mai 2020, 16:30

                      Ob eine Lösung sauber oder schmutzig ist, interessiert mich nicht. Ich will wissen ob sie sinnvoll ist oder nicht. Ich fange mit diesen moralischen Kategorien nur wenig an.

                      Ich stimme dir aber völlig zu, dass ein Austritt den Euro erledigen würde. Gerade deswegen ist an der Lösung auch gar nichts „sauber“.

                    • Stefan Pietsch 25. Mai 2020, 16:38

                      „Sauber“ ist hier nicht als moralische Kategorie gemeint, sondern ökonomisch.

                      Seit Jahrtausenden haben Staaten so das Problem der Überschuldung erledigt. Es hat also seine Berechtigung. Mir fehlt jedoch jeder Ansatz von Dir und anderen, wie mit den italienischen Staatsschulden von 2,4 Billionen Euro (Deutschland: 2,3 Billionen Euro) umgehen.

                      Sollen die EU-Staaten
                      a) diese übernehmen
                      b) soll Italien sie weiter tragen, obwohl sie von zahlreichen Ökonomen als nicht tragfähig erachtet werden
                      c) sollen die Italiener durch Vermögensabgaben dies signifikant zurückführen
                      d) keins von allen.

                    • Stefan Sasse 25. Mai 2020, 18:36

                      Ich verstehe immer noch nicht, was einen Bankrott „sauber“ macht.

                      Wie man damit umgehen soll kann ich dir nicht sagen, ich habe schlicht nicht genug Sachkenntnis. Von mir aus auch ein Staatsbankrott! Wenn du mir begründen kannst, dass das für alle Beteiligten die beste Lösung ist. Aber mit Werturteilen wie „sauber“ fange ich in dem Zusammenhang echt nichts an.

                    • Stefan Pietsch 25. Mai 2020, 20:40

                      Falsche Frage. Die richtige Frage lautet: hält die staatliche Führung den Schuldenstand für dauerhaft tragfähig. Daran gab es sowohl in Athen als auch in Rom schon länger erhebliche Zweifel. In diese Richtung müssen schließlich auch die Forderungen nach Eurobonds gewertet werden. Wenn die Schuldenlast unter Berücksichtigung der langfristigen Refinanzierungsbedingungen als tragfähig erachtet würde, wären solche Überlegungen obsolet.

                      Wenn man zu dem Schluss kommt, die Schulden sind nicht tragfähig, erübrigt sich die Frage, zu welchen Kosten eine Entschuldung zu erfolgen hat. Denn dann ist schon das Ziel klar. Natürlich ist ein staatlicher Default kein Spaziergang, da geht es Gesellschaften wie Unternehmen und privaten Haushalten. Die Refinanzierungskosten der verbleibenden Schulden steigen erheblich, die Gefahr von Liquiditätsengpässen ist hoch. Da unterscheidet man sich wie gesagt nicht. Doch was ist die Alternative? Staaten, Gesellschaften und Volkswirtschaften leiden dauerhaft unter einer sehr hohen Schuldenlast, sie hemmen Wirtschaftswachstum und die Modernisierung des Staatswesens.

                      Würde die EZB die Schulden der Mitgliedsländer streichen, wäre das übrigens ein Default. Auch Deutschland würde im Rating heruntergestuft und würde wohl seine Bestbewertung verlieren. Das wäre ärgerlich, weil Deutschland eine Schuldenstreichung nicht benötigt. Auch unter diesem Gesichtspunkt halte ich übrigens Eurobonds für fatal. Insbesondere Italien hilft zur Linderung seiner Probleme nur eine Kürzung der Anleihen, es wird über kurz oder lang nicht um einen Bankrott herumkommen. Ein Austritt (der allerdings dann zwangsläufig wäre) hilft nicht, denn die heutigen Anleihen laufen im wesentlichen auf Euro und lassen sich daher nicht in angemessener Zeit weginflationieren.

                      Die hochverschuldeten Staaten hoffen auf die Streichung bei der EZB, weil es der bequemste Weg zur Entschuldung wäre. Die niedrigverschuldeten Länder fürchten es, weil sie Wiederholungstäter fürchten. Das ist nicht aus der Luft gegriffen, es wäre zweifellos ein Dammbruch. Der französische Linke Mélenchon hat schon gefordert, die EZB möge alle Anleihen aufkaufen und sie dann vernichten. Anschließend, so Mélenchon, könne sich Frankreich wieder in Höhe von knapp 2 Billionen Euro verschulden.

                    • Stefan Sasse 25. Mai 2020, 21:44

                      So gesehen hat das bisher noch nie ein entwickelter Staat versucht, oder? Gerade aus der MMT-Ecke kommen doch da entsprechende Vorschläge.

                    • Stefan Pietsch 26. Mai 2020, 00:09

                      Kommt darauf an, was Du als entwickelten Staat bezeichnest.

                      Da Staaten einseitig ihre Zahlungsunfähigkeit erklären können, sind die Kriterien streng, wann bereits ein Zahlungsausfall vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn Anleihen nicht pünktlich bedient werden, Forderungsverzicht geleistet wird oder Zinsen ausgesetzt werden. Auch die einseitige Veränderung der Konditionen zählt als Default.

                      So betrachtet hat Griechenland innerhalb weniger Jahre zwei Varianten genutzt. 2010 wurde ein Teil-Forderungsverzicht verhandelt, 2015 wurden Anleihen nicht pünktlich bedient. Auch die Streckung von Tilgungen, wie mit den EU-Gläubigern vereinbart, ist im Grunde ein Zahlungsausfall. Argentinien erlebte eine umfangreiche Insolvenz 2001 und in der Folge rutschte auch Uruguay 2003 in einen technischen Default, als die Banken für mehrere Tage zwangsweise geschlossen wurden. Chile und Brasilien leisteten sich 1983 jeweils einen Zahlungsausfall und auch die Abkehr vom Goldstandard (Bretton Woods) wird den USA als Zahlungsausfall zugerechnet.

                      Fakt ist, nie zuvor waren zu einem Zeitpunkt so viele Länder auf dem Globus so hoch verschuldet wie heute. Und das wird, anders als manche denken, zunehmend zu einem Problem. Du kennst da meine Position, ich denke, dass viele Staaten ihre Schulden restrukturieren müssen, damit die Weltwirtschaft nicht in den nächsten Jahren abgewürgt wird. Das wiederum muss mit weitreichenden Verpflichtungen einhergehen: Einmal und nie wieder.

                    • Stefan Sasse 26. Mai 2020, 06:52

                      In absoluten Zahlen sicherlich, aber relativ zum BIP sind die Verschuldungsraten eher gering. Ich meine, schau mal an, wie krass die großen Nationalstaaten etwa im 18. Jahrhundert verschuldet waren und wie oft sie Staatsbankrott erklärt haben. Nach beiden Weltkriegen lag die Staatsverschuldung auch wesentlich höher als heutzutage. Japans Defizite sind ja praktisch legendär. Also so einzigartig scheint mir die Situation nicht zu sein.

                    • Stefan Pietsch 26. Mai 2020, 09:50

                      Das stimmt nicht. Die meisten Insolvenzen geschahen bei weit geringerem Verschuldungsgrad, meist zwischen 40 und 90 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Geschichte zeigt jedoch auch, wie trügerisch die Relativierung ist. Russland beispielsweise bracht in den Neunzigerjahren mit einem Verschuldungsgrad von 40 (?) Prozent zusammen. Oder Irlands Ausflug Anfang des Jahrzehnts in luftige Höhen von 111% waren auch dem starken Rückgang der Wirtschaftsleistung geschuldet.

                      Japan ist das einzige Land von knapp 200 weltweit, die ein so irrwitzig hohes Niveau an Staatsschulden aufweisen, wobei der Großteil längst bei der Zentralbank liegt. Es ist also die Ausnahme von der Regel, das die Regel bestätigt. Nicht umgekehrt.

                      Wie gesagt, wenn Du der Ansicht bist, Italiens Schuldenlast wäre im Grunde kein Problem, weiß ich nicht, worüber wir diskutieren wollen. Ich will Dir das nicht einreden. Nur wären dann auch Deine Forderungen nach Eurobonds obsolet, denn wo kein Problem, da keine Notwendigkeit die Dinge zu ändern.

                    • Stefan Sasse 26. Mai 2020, 15:11

                      Ich weiß. Auch die Schuldenlast der DDR war geradezu lächerlich niedrig verglichen mit dem Euro-Raum. Nur ist es offenkundig, dass zwar seit mittlerweile Jahrzehnten darauf hingewiesen wird, wie problematisch das alles ist, es aber bisher nur ein politisches und kein wirtschaftliches Problem war, diese hohen Schuldenstände durch neue Schulden abzulösen und auf dem Niveau zu erhalten. Warum – keine Ahnung. Ob das dauerhaft geht – keine Ahnung. Aber man sollte das Phänomen anerkennen.

                    • Stefan Pietsch 26. Mai 2020, 15:40

                      Na ja, das stimmt so nicht. Unternehmen aus einem Hochzinsland können sie meist nur zu höheren Refinanzierungskosten mit Kapital versorgen. Dazu leiden die Bürger unter einer hohen Schuldenlast, das signifikante Teile des Steueraufkommens nicht für staatliche Aufgaben zur Verfügung stehen. Das muss ich als Liberaler Dir doch nicht sagen.

                    • Stefan Sasse 26. Mai 2020, 18:30

                      Wir sind ja aber kein Hochzinsland!

                    • Stefan Pietsch 27. Mai 2020, 09:22

                      Schön. Schön, wie Du alle Argumente für Eurobonds zerdepperst.

                      Wir haben keine nennenswerten Belastungen durch Zinsen auf staatlicher Ebene.
                      Zinsunterschiede für die Wirtschaft sind in Niedrigzinsphasen nicht von Belang.
                      Die italienischen Staatsschulden sind tragfähig.

                      Und Ariane sekundiert noch: die hohe Schuldenlast ist nicht das geringste Problem.

                      Tja, also keine Eurobonds. Schön das wir das geklärt haben. Die FDP hat ja ausgerechnet, dass die Belastung durch ein Deutschland nachempfundenes Rettungspaket durch Gemeinschaftsanleihen nur zu geringfügigen Einsparungen führen würde. So ist es, deswegen brauchen wir es nicht.

                    • Stefan Sasse 27. Mai 2020, 10:59

                      Ich häng auch nicht an dem Werkzeug Eurobonds; wie gesagt, ich verstehe von der Thematik eh zu wenig. Worum es mir geht ist eine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mehr europäische Integration in dieser Richtung.

                    • Stefan Pietsch 27. Mai 2020, 11:03

                      Dazu brauchst Du eine Änderung der Verträge. Es würde sich also lohnen, für die Einleitung von Volksabstimmungen und Verfassungsänderungen zu werben als mit der Frage, wie die Brüsseler Zentrale Gelder nach Südeuropa schleusen kann.

                    • Stefan Sasse 27. Mai 2020, 13:24

                      Das ist ja das Grunddilemma und bleibt es, ja.

                    • Ariane 25. Mai 2020, 19:30

                      @Pietsch
                      ist der Sinn einer gemeinsamen Währung, sich finanzpolitisch zu stützen?

                      Eine Frage, hast du jemals in anderen Währungen gehandelt oder in einem Land Urlaub gemacht, das keine Leitwährung hatte?

                      Der Sinn einer Währungsunion ist eine Absicherung gegen Währungsschwankungen. Und der Euro ist eine der Leitwährungen.

                      Deswegen kann die FED problemlos massenweise Staatsanleihen der USA kaufen. Weil der Dollar DIE Leitwährung ist.

                      Wenn du irgendwo im Ausland unterwegs bist, ist dir vielleicht schon mal aufgefallen, dass die Leute hocherfreut sind, wenn du fragst, ob du mit Dollar oder Euro zahlen kannst?

                      Das ist wie beim Schwarzhandel. Alkohol und Zigaretten gehen immer, das sind dann die Ersatzwährungen. Und im Ausland sind es dann eben Dollar und Euro.

                      Also tut mir ja leid. Aber das ist jetzt kein Hexenwissen, ich will sehr hoffen, dass du hier überspitzt und nicht ernsthaft überzeugt bist von dem, was du schreibst. Da stehen mir die Haare zu Berge.

                    • Stefan Pietsch 25. Mai 2020, 20:17

                      Eine Frage, hast du jemals in anderen Währungen gehandelt oder in einem Land Urlaub gemacht, das keine Leitwährung hatte?

                      Eine seltsame Frage an jemanden, von dem Du weißt, dass er umfangreiche Finanzerfahrung besitzt und in Ländern ohne Euro und Dollar Urlaub macht. Was meinst Du denn, womit in internationalen Unternehmen gerechnet wird? Mit Bananen?

                      Die Spitze war, als ich um die Jahrtausendwende für ein in Tel Aviv (Israel) basiertes, im NASDAQ-gelistetes Unternehmen gearbeitet habe. Die gleichen Zahlen mussten nicht nur in DM, sondern in der Buchwährung Euro und Dollar ausgewiesen werden. Und in Israel wird neben Dollar auch in Schekel bezahlt. Daneben habe ich in Chilenischen Peso, Australischen Dollar, Chinesischen Renminbi, Schwedischen Kronen, Schweizer Franken, Brasilianischen Real, Lettischen LAT, Kanadischen Dollar, Japanischen Yen, Dänische Krone, Spanische Peseta aus beruflichen Gründen gearbeitet. Also ja, ich denke, es wird hier im Blog wenige geben, die es diesbezüglich an Erfahrung mit mir aufnehmen können. Dich übrigens eingeschlossen.

                      In Südamerika sind die Leute nicht so erfreut, wenn Du in Dollar bezahlen willst. Sie nehmen es, aber dann sehr großzügig.

                      Die USA haben Inflationsraten, die im historischen Vergleich meistens über der Zielmarke der EZB liegen. Problemlos? Kommt eben, wie im Artikel geschrieben, auf die Zielsetzung an. Damit gestehst Du gerade mal zu, dass die EZB gegen ihr Mandat handelt. Auch so kann ein Eingeständnis daherkommen. 😉

                      Die Fed hat ungefähr 20% der amerikanischen Anleihen im Portfolio, die EZB, obwohl ihr Staatsfinanzierung untersagt ist, inzwischen über ein Drittel, Tendenz deutlich steigend. Ich denke der Unterschied zwischen 20% und 35% ist schon gravierend, also mathematisch betrachtet. Und das geht schon über Hexenwissen hinaus.

                    • Ariane 25. Mai 2020, 19:39

                      @Sassestefan

                      Wie man damit umgehen soll kann ich dir nicht sagen, ich habe schlicht nicht genug Sachkenntnis.

                      Das mit dem sauberen Bankrott ist natürlich Quark.

                      Wie nervig Währungsschwankungen sind, kann man als Laie meist daran merken, wenn man in England oder Dänemark (zb) Urlaub machen will. England war nach dem Brexitdebakel zwischendurch ja sehr günstig für EU-Bürger, weil das Pfund so eingebrochen ist.

                      Die meisten die ich aus Dänemark oder auch der Schweiz kenne, haben meistens auch ein extra-deutsches Konto in Euro. Allein schon, weil man sich das Umgerechne spart.

                      Und: auf keinen Fall in Dänemark Geld abheben! Dann bekommt man zwar Kronen, aber a) haben die einfach das Ziffernblatt andersrum und b ) die Gebühren sind monströs.

                      Hab ich allerdings nur einmal vor zig Jahren gemacht in Kopenhagen. Im Grenzgebiet nehmen eigentlich alle Euro 😉

                    • Ariane 26. Mai 2020, 01:18

                      Was meinst Du denn, womit in internationalen Unternehmen gerechnet wird? Mit Bananen?

                      Ich hätte nicht gefragt, wenn ich mir bei dir sicher gewesen wäre. Es ist heute problemlos möglich, nur mit Ländern zu handeln, die über Leitwährungen verfügen.

                      Und deine Frage ist völlig unnötig, weil sie schon wieder suggeriert, ich wäre zu blöd zum denken übrigens. Du weißt ja auch, dass ich im Handel tätig bin.

                      Oder was meinst du, womit ich handel? Mit Bananen? Auch als Zahlungsmittel?

                    • Ariane 26. Mai 2020, 01:27

                      Damit gestehst Du gerade mal zu, dass die EZB gegen ihr Mandat handelt. Auch so kann ein Eingeständnis daherkommen.

                      Die EZB hat die Zielmarke von 2% Inflation. Das ist aber, weil damit die Geldmenge stabil bleibt.

                      Ich meine du hattest nach dem Sinn der Währungsunion gefragt. Das dient der Absicherung vor Währungsschwankungen.
                      Das klappt sowohl bei der EZB als auch der FED. Weil das Leitwährungen sind und deswegen ist es auch völlig egal, wieviel Staatsanleihen die Notenbanken solcher Länder kaufen.

                      Soll ich das als Eingeständnis werten, dass du des exakten Lesens einfach nicht mächtig bist? Oder dass du doch keine Ahnung hast, wozu Währungen, Notenbanken, Staatsanleihen gut sind?

                      Oder einfach unfähig bist, mal einen fairen Diskurs zu führen. Ohne jemandem Dummheit, Gemeinheit oder Ahnungslosigkeit vorzuwerfen bzw das zu suggerieren?

                      Und die EZB hat die 2% Inflation seit zig Jahren nicht erreicht, was ich schon mehrmals betont haben, also ja sie verstößt durchaus gegen ihr Mandat. Aber ich weiß, dass das wildgewordene Bürgertum bei 2,1% Inflation in Schreckensszenarien verfällt, deswegen hab ich das Argument nicht vorgebracht.

                      Mein Argument, dass die EZB unabhängig sein sollte und auch für Wirtschaftswachstum zuständig sein sollte wurde ja einfach ignoriert, ich mach doch nicht eure Arbeit, wenn du das geflissentlich ignorierst, weil es nicht zu deinen Argumennten passt und schon gar nicht zum EZB-Urteil.

                    • Stefan Sasse 26. Mai 2020, 06:54

                      Darauf habe ich zuletzt ja auch wieder hingewiesen. 🙂

                    • Ariane 26. Mai 2020, 09:39

                      @Sassestefan

                      Wenn ich das Imperialismus oder Nationalismus nenne, gibt es immer soviele Beschwerden. Dann legen wir die Platte halt immer mal wieder auf 🙂

                    • Stefan Sasse 26. Mai 2020, 15:09

                      Imperialismus würde ich auf das historische Phänomen beschränken wollen.

                    • Stefan Pietsch 26. Mai 2020, 12:17

                      Mein Argument, dass die EZB unabhängig sein sollte und auch für Wirtschaftswachstum zuständig sein sollte wurde ja einfach ignoriert

                      Dein Argument ist von den Verträgen ausgeschlossen. Wenn Du sie ändern willst, brauchst Du ein Ratifizierungsverfahren in 27 Mitgliedsländern. Die Wahrscheinlichkeit, dass das durchkommt, kannst Du Dir selbst ausrechnen.

                      Die DM war Leitwährung in Europa, alle Staaten der EU hatten sich praktisch an die Bundesbank gekoppelt. Das war ja für Frankreich so ein großes Ärgernis.

                    • Ariane 27. Mai 2020, 03:05

                      Wir sind ja aber kein Hochzinsland!

                      Nein, Pietschi hat dir die rein deutsche Sicht erzählt, wie du vermutlich weißt.
                      Und verwechselt Betriebs- mit Volkswirtschaft.

                      Solange nichts außer Kontrolle gerät (wie bei der Finanzkrise) merkt ein Bürger die Staatsschulden ja nicht. Sind ja keine privaten Schulden, sondern die vom Staat, der das Volksvermögen verwaltet.

                      Und wenn der Staat Schulden abbezahlt ohne Not, dann ist das schlecht, weil er das Geld nicht rausrückt, um die Wirtschaftstätigkeit zu fördern.

                      Ich meine, aktuell sind die Zinsen so niedrig, da gab es bei irgendnem Straßenbauprojekt, das Private Public war die Kuriosität, dass die Unternehmen mehr Zinsen für Kredite zahlten als der Staat hätte zahlen müssen.

                      Das ist natürlich total bescheuert. Wäre ja klüger gewesen, der Staat finanziert die Sache und beauftragt dann Straßenbauer. Als dass irgendein Privatunternehmen allein durch die Zinsen schon mehr Geld aufwenden muss.

                      Japan ist das einzige Land von knapp 200 weltweit, die ein so irrwitzig hohes Niveau an Staatsschulden aufweisen, wobei der Großteil längst bei der Zentralbank liegt. Es ist also die Ausnahme von der Regel, das die Regel bestätigt. Nicht umgekehrt.

                      Das ist so nicht richtig. Japan hat so eine krasse Überschuldung, weil die seit zig Jahren versuchen, gegen die Deflation anzukämpfen – ohne Erfolg übrigens.

                      Das hat mit „Regeln“ gar nichts zu tun. Das hat mit Währungen zu tun. (in Clancys Ehrenschuld kommt das zb auch vor)

                      Der Yen, Dollar, Pfund, Euro sind Leitwährungen. Weil die Wirtschaftskraft so groß ist (und die Notenbanken unabhängig im Gegensatz zb zu China/Russland)
                      Wenn die Notenbanken die eigenen Staatsanleihen kaufen, macht das deswegen nichts aus, weil die Staaten immer wieder umschulden können.

                      Bei der DDR oder Argentinien oder Russland in den 90ern war das Problem, dass sie in Fremdwährungen verschuldet waren. Und dann kann man nicht Rubel drucken und damit Dollar-Schulden zurückzahlen, das kann dann böse enden.

                      In den USA, UK und Japan kann das aber nicht passieren. Die Wirtschaftskraft ist wichtig, nicht die Währung an sich. Die Schweizer Notenbank hat zwischendurch auch gekauft wie wild, weil alle in die Franken geströmt sind – weil es hieß, der Euro wäre nicht mehr sicher.

                      Das funktioniert ähnlich wie die Börsen. Für uns ist es ein leichtes, riesige Wirtschaftsprogramme aufzulegen und zu finanzieren (nein, die müssen nicht richtig zurückgezahlt werden mit Gürtel enger schnallen) und dann beruhigen sich die Märkte wieder. Irgendein afrikanisches Land kann das eben nicht machen.

                      Und im Übrigen wollen Italien oder Spanien auch keinen „Schuldenerlass“.
                      Wenn wir Eurobonds hätten, wären die Zinsen geringer als die, die Italien jetzt für sich selbst zahlt. Die würden also einfach umschulden.

                      Pietschi betrachtet den Staat, die EU, die EZB als eigenständige Player. Das sind sie aber natürlich nicht. Das sind ja keine Menschen.
                      Und Staaten sind quasi ewiglebend (wenn kein Krieg ausbricht), die müssen nicht wie ein Mensch innerhalb von 40 Jahren die Schulden zb eines Hauses abzahlen.
                      Staaten sterben ja nicht, also lösen sie die alten Schulden einfach bei günstiger Gelegenheit durch neue Schulden ab.

                      Und die Schuldenstände haben auch mehr mit Psychologie und Zinssätzen für Staatsanleihen, Währungsschwankungen und Wirtschaftsleistung zu tun. In so einer globalen Krise wie jetzt ist es völlig egal, weil nur der Westen die Wirtschaftskraft hat, das aufzufangen.
                      Und wenn das übrigens nicht passiert, wird alles immer schlimmer, weil sonst niemand soviel Kram kauft.

                    • Stefan Sasse 27. Mai 2020, 08:52

                      Ich habe das Gefühl, Stefan ist gerade in der gleichen Position wie die Linken in den 1970er Jahren. Laut den Lehrbüchern ist die aktuelle wirtschaftliche Situation (damals Stagflation) unmöglich, und entsprechend reagiert man mit den immer gleichen Rezepten. Aber die Rahmenbedingungen haben sich eben geändert, und deswegen sind die alten Annahmen nicht mehr gültig.

                    • Stefan Pietsch 27. Mai 2020, 09:43

                      Solange nichts außer Kontrolle gerät (wie bei der Finanzkrise) merkt ein Bürger die Staatsschulden ja nicht. Sind ja keine privaten Schulden, sondern die vom Staat, der das Volksvermögen verwaltet.

                      Sag‘ ich im Artikel ja auch: die Italiener sind mit ihrem Privatvermögen sehr wohlhabend. Es gibt überhaupt keinen Grund, in die Bresche zu springen, wenn die Zinsen für den italienischen Staat steigen. Oder dieser gar wegen der hohen Schuldenlast keine Anleihen mehr am privaten Anleihemarkt platzieren könnte. Genau mein Argument, Ariane.

                      P.S.: Wisst Ihr eigentlich noch, wofür Ihr argumentiert? Ihr scheint da etwas den Faden verloren zu haben.

                      Wenn wir Eurobonds hätten, wären die Zinsen geringer als die, die Italien jetzt für sich selbst zahlt. Die würden also einfach umschulden.

                      Aber wieso sollte das gewollt sein? Italien hat so 2,4 Billionen Euro Schulden, die meisten davon langfristig (> / = 10 Jahre). Kurzfristig lässt sich wenig ändern. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 ging die Regierung in Rom davon aus, die Verschuldung in den nächsten 10 Jahren auf deutlich unter 120% drücken zu können. Positive Szenarien forecasteten sogar 100%. Du sagst ja, das sei tragfähig, Stefan, 1,5% sind ja keine hohen Zinssätze. 1% Einsparung auf 1 Billion Euro Staatsschuld ergibt gerade eine Reduzierung der jährlichen Zinslast um 10 Milliarden Euro. Das muss allein zu stemmen sein.

                  • Ariane 25. Mai 2020, 19:24

                    Damit waren die Staaten aber nicht bankrott, im Gegensatz zu Griechenland, das einen Teilzahlungsausfall hinlegte und 2015 vom EFSF für insolvent erklärt wurde.

                    Das halte ich für Quatsch. Auch Griechenland war nicht wirklich bankrott. Bzw die anderen wären es auch gewesen, deswegen wurde ja der ESM als Nachfolger des EFSF aufgelegt und die EZB hat den Rest erledigt.

                    Ich meine das letzte Land, das richtig bankrott ging war Argentinien. Bzw vermutlich auch etliche Länder nach der Bankenkrise und das lag immer daran, dass die in Fremdwährungen verschuldet waren. Sonst gehen Länder nämlich nicht richtig pleite.

                    • Stefan Pietsch 25. Mai 2020, 20:22

                      Es kommt nicht darauf an, wie Du etwas siehst, sondern wie die internationalen Konventionen (Regeln) sind. Aber mit Regeln hast Du es ja nicht so…

                      Griechenland hat 2014 einen technischen Default hingelegt, als ein Schuldenschnitt mit privaten Gläubigern vereinbart wurde. Das ist eben nach den Regeln ein Zahlungsausfall, der Gläubiger bekommt nicht sein Geld zurück. Selbiges wiederholte sich 2015, als Athen zeitweise Anleihen nicht bedienen konnte. Auch das ist ein Zahlungsausfall. Weißt Du, wenn Du die Schufa-Regeln kennst, wo auch eingetragen wird, wenn Du einen Kredit nicht planmäßig tilgst.

                      Richtig ist, dass Staatsbankrotte fast immer technischer Natur sind. Ein Staat erklärt sich für zahlungsunfähig. Aber dafür scheint es ja immer Gründe gegeben zu haben.

                    • Ariane 26. Mai 2020, 01:35

                      Aber mit Regeln hast Du es ja nicht so…

                      Solange ich nicht dazu neige, ein empathieloses Arschloch zu spielen bin ich vollkommen zufrieden, wenn man mir nur vorwirft, es mit Regeln nicht zu haben! Echt, fass dich einmal an deine Nase, wenn irgendjemand auch nur vielleicht mehr weiß als du!

                      Und ja, Regeln sind mir scheißegal bei dir. Du schaffst es ja nicht mal Kommentatoren auch nur ansatzweise höflich zu begegnen, dann verklag mich, wenn ich gegen deine Regeln verstoße! Du hast meinen vollen Namen! Auch wenn du meinst, ich wäre feige wegen Anonymität, du kennst ihn!

                      Ar..loch! Na los, schick deine Klageschrift, wenn du dich traust! Oder soll ich dir vorher auch noch Feigheit vorwerfen? Oder nochmal was unsagbares sagen? Wie VaginaPic? Ökonomische Vorteilsnahme beim Sex?

                      Ich bin nicht zu feige, um mich von deinen Spitzen und deinem Studium einschüchtern zu lassen. Und ehrlich genug, dass ich niemandem Feigheit vorwerfe, dessen Name mir bekannt ist. Was man von dir leider nicht behaupten kann.

                      Ich hab dir mehrmals angeboten, mich zu ignorieren und du solltest wissen, dass ich zurückhaue, wenn du es übertreibst. Und jetzt darfst du wieder weinen, wie gemein ich immer bin. Und dann beschwere sich bitte niemand, wenn ich dich Heulsuse nenne, hypermoralisierende.

    • Erwin Gabriel 23. Mai 2020, 20:27

      @ Stefan Sasse 23. Mai 2020, 11:58
      Zu insinuieren, der EuGH sei weniger legitim, weil er nicht so alt ist wie Karlsruhe, mag zwar für den Raum des moralisierenden Bürgertums funktionieren, aber sicherlich nicht im rechtlichen Bereich.
      Wird das „Moralisieren des Bürgertums“ Dein neuer populistischer Kampfbegriff?
      So, wie sich das EuGH gibt, wird es nie den Anschein von „Legitimität“ in der Bevölkerung erreichen können.

      Dazu kommt, dass Deutschland auch wirtschaftlich vom Euro profitiert, weil der Wechselkurs zu den Nachbarn, in die die Exporte des Exportweltmeisters fließen, sehr vorteilhaft für genau diese Exportwirtschaft sind.
      Erstens bestreitet das keiner, zweitens profitieren auch die wirtschaftlich schwächeren Länder vom Euro, und drittens ist das kein Grund für das Verhalten der EZB und des EuGH.

      Komplett richtig liegst du mit der Kritik an Merkel. In ihrer Regierungszeit wurden die Probleme offenkundig, und sie hatte mehrfach Gelegenheit und Partner, um die Eurozone zu reformieren.
      Aber sie wollte nicht; sie scheute die Mühe und das Risiko (wobei die meisten Partner unter „Reform“ verstehen, dass sie Schulden aufnehmen dürfen, die wir mit abbezahlen).

      Leider ließ sie sich immer vom moralisierenden Bürgertum in ihren Reihen beeinflussen und tat daher nur, was absolut nötig war, um die jeweilige Katastrophe zu vermeiden.
      Au weia – doch Merkel-Fanboy? Die Kanzlerin wollte EU-Reformen, aber das (schon wieder dieser Begriff) „moralisierende Bürgertum“ hat sie davon abgehalten?
      Nachdem Du Dich immer wieder darüber echauffiert hast, dass das Bürgertum nach rechts rutscht (in Richtung AfD), und die die größten EU-Kritiker sind, halte ich Deine Argumentation gelinde gesagt für widersprüchlich.

      • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:10

        Ich benutze den Begriff als Spiegel. Meine Gründe dafür habe ich in einem eigenen Artikel dargelegt.

        Wieso Merkel-Fanboy? Ob sie je Reformen vorgehabt hat weiß ich nicht. Wenn, dann hätte sie sich nicht darauf engagiert. Mir ist egal aus welchen Gründen sie versagt. Ihre EU-Politik ist aus meiner Sicht durchgehend schlecht. Nicht so schlecht, wie wenn man Merz oder Schäuble freie Hand gelassen hätte, aber unbestreitbar schlecht.

  • Erwin Gabriel 23. Mai 2020, 20:10

    @ Stefan Pietsch on 22. Mai 2020

    Es ist bedenklich, wenn die Institutionen des gemeinsamen Europas seit nunmehr Jahrzehnten nicht dieses Ansehen in gleicher Form erwerben konnten. Ein Staatswesen lebt von der Akzeptanz seiner Einrichtungen, nicht von einer Idee.

    Sehr zutreffend beobachtet. Nicht einmal die „obrigkeitshörigen“ Deutschen, die ja im europäischen Konzert zu den eher braven Vertretern gehören, haben Vertrauen fassen können.

    Wenn nun in einer Interessens-Gemengelage á la Europa kein Land seine Interessen zufriedengestellt sieht ist, mag das unter Umständen heißen, dass man einen ausgewogenen Kompromiss hinbekommen hat; es mag auch heißen, dass man es eben so richtig falsch gemacht hat.

    Selbst wenn wir unbvermeidlich auch Vorteile aus der EU ziehen, so muss man doch konstatieren, dass die Gemeinschaft weit hinter Idealen und Möglichkeiten zurückgeblieben ist, allzu die Wege mit den geringsten Widerständen einschlug, und sich allzu oft hinter Arroganz, abgehobener Bürokratie und formaljuristischen Bedenken versteckt.

    Und mir persönlich reicht es nicht, dass man es eventuell noch schlimmer hätte machen könnnen.

  • Kning4711 23. Mai 2020, 23:44

    Auf drei Aspekte würde ich gerne eingehen:

    Fragwürdige Eingriffe der Richter in Luxemburg geben solchen Einschätzungen immer wieder neue Nahrung. So urteilte der EuGH im vergangenen Jahr über die Erfassung von Überstunden durch den Arbeitgeber. Das mag dem ein oder anderen Sozialpolitiker und Arbeitsrechtler gefallen, allein, das Arbeitsrecht fällt eindeutig in die Kompetenz der Mitgliedsländer.

    Meines Wissens fußt das von Ihnen angesprochene Urteil auf der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie, welche wiederum sich aus der europäischen Säule sozialer Rechte, sowie der Charta der Grundrechte ableitet. Insofern ist der EUGH hier in meinen Augen durchaus zuständig und handelt auch nicht übergriffig.

    Karlsruhe, das bislang in der Frage der Staatsfinanzierung durch die EZB vorsichtig abwog, wurde arroganter behandelt als es sich deutsche Amtsrichter von übergeordneten Berufsständen gefallen lassen müssen.

    In meinen Augen ist der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und EUGH ein weiteres Symptom für das nicht fertig gebaute Konstrukt Europäische Union. So wenig eine gemeinsame Währung ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik funktioniert, so kann auch ein europäisches Justizsystem nur dann funktionieren wenn es diesem System in eine Instanz gibt, die das letzte Wort hat. Sonst kann eine Rechtsordnung nicht funktionieren. Dieses letzte Wort liegt beim EUGH für die Auslegung des europäischen Rechts und die Rechtskontrolle der europäischen Institutionen. Hier agiert er im Kompetenzbereich, welche die Nationalstaaten an die EU übertragen haben. Hieraus folgt, dass das Bundesverfassungsgericht zwar grundsätzlich kontrollieren kann, ob der EUGH sich innerhalb dieser Kompetenz-Grenzen bewegt, aber nicht wie sich die europäischen Institutionen innerhalb dieses Kompetenzfeldes bewegen.

    Gleichwohl steht es den Karlsruher Richtern zu die Kollegen in Luxemburg daran zu erinnern, dass diese die Institutionen wie die Europäische Zentralbank (EZB) besser kontrolliere sollten.

    Mit dem nun eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren handelt die EU Folgerichtig, hat damit aber die Eskalationsschraube angezogen. Letztlich darf man gespannt sein, wie man hier die Kuh vom Eis bekommen will, formale Wege werden schwierig.

    Obwohl eine reine Formalie, weigert sich die britische Regierung, eine Verlängerung der Übergangszeit, die Ende des Jahres ausläuft, zu beantragen aus Sorge, für weitere Zahlungen herangezogen zu werden.

    Ich fürchte der Grund ist viel banaler. Johnson hat inzwischen zugeben müssen, dass es entgegen Beteuerungen während des Wahlkampfs nach dem Brexit Kontrollen für den Warenverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland geben wird. Die Corona-Krise bietet die einmalige Gelegenheit, das Chaos des harten Brexit mit dem noch schlimmeren wirtschaftlichen Verwerfungen aus Corona zu kaschieren. BleibT zu hoffen, dass es noch ein Funken Vernunft bei den Tories gibt und diese uns allen einen ungeregelten Brexit ersparen.

    • Ariane 24. Mai 2020, 06:27

      Gleichwohl steht es den Karlsruher Richtern zu die Kollegen in Luxemburg daran zu erinnern, dass diese die Institutionen wie die Europäische Zentralbank (EZB) besser kontrolliere sollten.

      Ich durchblicke diese Kompetenz-Gemengelage ehrlich gesagt nicht mehr vollständig. Hat das BverfG sich nicht direkt an die EZB gewandt und nach „Beweisen“ verlangt, weil es der Meinung war, dass wiederum der EuGH dieser Aufgabe nicht zufriedenstellend nachkommt?

      Wer genau wurde denn nun unter „Beweiszwang“ gesetzt laut Begründung der Karlsruher Richter (im offiziellen Urteil, nicht den Interviews). Mir gehts hier erstmal um die „Klärung“ der juristischen Lage.

      • Dennis 24. Mai 2020, 11:09

        Zitat Ariane:
        „Hat das BverfG sich nicht direkt an die EZB gewandt und nach „Beweisen“ verlangt, weil es der Meinung war, dass wiederum der EuGH dieser Aufgabe nicht zufriedenstellend nachkommt?“

        Genau so isses. Technisch isses so, dass es der Bundesbank nach drei Monaten verboten ist, sich an den Programm zu beteiligen, ….

        Zitat aus dem Urteil:
        „….wenn nicht der EZB-Rat in einem neuen Beschluss nachvollziehbar darlegt, dass die mit dem PSPP angestrebten währungspolitischen Ziele nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Auswirkungen stehen.“

        Die EZB lehnt es – wenn Presseberichte zutreffen – momentan aber ab, solche „Darlegungen“ zu erbringen und überlässt das der Bundesbank.

        Darüberhinaus sind natürlich primär Bundestag und Bundesregierung angesprochen.

        Zitat aus dem Urteil:
        „Da sich das PSPP insoweit als Ultra-vires-Akt darstellt, als die EZB seine Verhältnismäßigkeit nicht dargelegt hat, sind Bundesregierung und Bundestag aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB hinzuwirken. Diese Verpflichtung scheitert, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht an der Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank (Art. 130, Art. 282 AEUV, Art. 88 Satz 2 GG). Bundesregierung und Bundestag müssen ihre Rechtsauffassung gegenüber der EZB deutlich machen oder auf sonstige Weise für die Wiederherstellung vertragskonformer Zustände sorgen.“

        Da müssen sich nu halt mit allen Wassern gewaschene Winkeladvokaten was einfallen lassen ^.

        Schäuble is ja offenbar schon dran:

        https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-schaeuble-macht-ezb-urteil-zur-chefsache-1.4913942

        • Ariane 24. Mai 2020, 21:47

          Oh man, die Sache wird mit jedem Update vertrackter.

          Also ich versuche mal, den Ariadnefaden zu spinnen:

          Der zweite Senat des BverfG fordert von der EZB Beweise, weil der EuGH nicht kompetent ist. Die EZB gibt die Beweislast an die Bundesbank (da ist nicht noch der Weidmann dran oder?) weiter. Die nun gegenüber des BverfG beweisen soll, dass nun ja man schön mitschreibt, aber auch nicht hellsehen kann.

          Denn wenn sie den Zettel nicht übergibt, darf sie keine Anleihen mehr kaufen.
          Außerdem fordert das BverfG die deutsche Regierung auf, auf die EZB einzuwirken (wohin auch immer? Sparer schützen? Verhältnismäßigkeit überprüfen?) und das steht übrigens nicht im Widerspruch zur Unabhängigkeit der EZB und der Bundesbank.
          Achso und der Schäuble (ausgerechnet!) will das jetzt alles im Alleingang regeln. Mit dem Merz als Co vermutlich.

          Tjoa also. Ich muss zugeben, ich weiß zwar jetzt, wer in dieser Soap Opera mitspielt, aber was da nun genau geprüft und geregelt werden soll, weiß ich nicht. In Normaldeutsch übersetzt klingt das nach „Ihr seid alle zu doof für alles“

          Weißt du oder irgendjemand eigentlich, ob das Programm überhaupt noch läuft? Oder wurde das alles vom PEPP Emergency-Dingens abgelöst?
          Wenn ich das richtig verstanden habe, hat man da den ESM ohne Auflagen hergenommen und ein Programm, dass alles kauft was da ist.

          Wäre ja ganz praktisch, wenn man das PSP-Ringelpietz mit Anfassen einfach wegwirft und verschwinden lässt und erstmal mit dem PEPP arbeitet um zu gucken, ob irgendwann noch was da ist, worüber man sich streiten kann. Weiß Karlsruhe überhaupt davon und das wildgewordene Bürgertum? Oder ist das eh ne Kontroverse um vergammelte Eier?

          Wäre ja echt mal schön, wenn man mal ein Problem irgendwie abhaken könnte und nun nicht das komplizierteste Problem der Welt unnötig fabriziert. Ich mein, ganz ehrlich, die Hygiene-Demonstranten richten weniger Schaden an und wirken doch irgendwie einen Ticken rationaler. Zumindest weiß ich, dass sie gegen den Staat und die Lügenpresse sind und Merkel.

          Das ist mehr als ich vom BverfG und den Zustimmern weiß. Sind die überhaupt GEGEN etwas? Also kein Geld für Südler. Aber sonst?

    • Stefan Pietsch 24. Mai 2020, 11:06

      EU-Richtlinien sorgen für eine gewisse Konvergenz der nationalen Gesetze mit denen der anderen Nationalstaaten. Sie transformieren nationale Kompetenzen nicht auf EU-Ebene. Die angesprochene Richtlinie 2003/88/EG überlässt es den Mitgliedsländern zu regeln, wie die Arbeitszeiten zu dokumentieren sind (und ob). Auch hier griff der EuGH in die Kompetenzzuteilung ein.

      Gesellschafterverträge regeln oft sehr detailliert, welche Rechte auf die Gesellschaft übergehen und welche beim Anleger verbleiben. So ist oft vereinbart, dass der Anleger neben seiner Einlage keinen Nachschusspflichten unterliegt. Es wäre juristischer Wahnsinn, käme ein Gericht in einer Krise des Unternehmens zu dem Schluss, dass die Anleger wegen ihrem besonderen Verhältnis sehr wohl einer Nachschusspflicht unterlägen. Spätestens dann wäre der Zeitpunkt gekommen, das Gesellschaftsverhältnis zu überdenken.

      Es gibt immer mehrere Motive. Doch eine ist mit Sicherheit, dass die Briten an den Kosten der Coronakrise beteiligt würden.

    • Jens Happel 24. Mai 2020, 15:49

      In meinen Augen ist der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und EUGH ein weiteres Symptom für das nicht fertig gebaute Konstrukt Europäische Union.

      Sehe ich auch so.

      das EuGH urteilt allein auf Basis des Vertrages von Lissabon und dem AEUV

      https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:12012E/TXT:de:PDF

      Die beiden Verträge haben deswegen für das EuGH Verfassungsrang. Im Prinzip wird mit diesen Verträgen dem freien Warenverkehr, der Niederlassungsfreiheit für Firmen die volle Vorfahrt gewährt. Immer wenn der freie Warenverkehr mit anderen national geregelten Rechten kollidiert (.zB. Arbeitnehmer) gewinnt der freie Warenverkehr.

      Die Niederlassungsfreiheit für Firmen in Kombination mit dem rein nationalen Steuerrecht sorgt dafür, dass die Grosskonzerne ihre Steurpflicht vollig legal so optimieren können, dass z.B. am Ende Amazon und Co. kaum Steuern zahlen.

      https://www.zeit.de/2018/09/hightech-konzerne-umsatzsteuer-steuerausfall-europaeische-union

      National kann man da gar nichts machen, dass würde den EuGH auf den Plan rufen und da jede Änderung Einstimmig erfolgen muss, wird auch nix geändert, da die folgenden Länder mit ihren bewußten Steuerschlupflöchern für Grosskonzerne profitieren:

      Luxemburg, die Niederlande, Irland, Belgien, Schweiz, Liechtenstein, Malta, Zypern.

      Es ist nicht nur dass die EU sich komplett schlechte Regeln gegeben hat, man kann sie auch praktisch kaum noch ändern. Gerade letzters verheißt nichts gutes. Ich fürchte der Brexit war nur der Anfang.

  • Ariane 24. Mai 2020, 00:02

    @Sassestefan
    Ich blick bei der Baumstruktur nicht mehr durch, daher hier:
    die Währungsunion gehörte auch mit zum größeren Paket der deutschen Einheit, ohne die Frankreichs Zustimmung bei den 2+4-Verträgen nicht zu erreichen gewesen wäre. Dazu kommt, dass Deutschland auch wirtschaftlich vom Euro profitiert, weil der Wechselkurs zu den Nachbarn, in die die Exporte des Exportweltmeisters fließen, sehr vorteilhaft für genau diese Exportwirtschaft sind.

    Guter Punkt, sind die 2+4 Verträge damit eigentlich abgeschlossen? Oder wäre es gerade für Deutschland unmöglich, aus der Währungsunion einfach selbst wieder auszusteigen? Wir haben ja noch mehr vertragliche Verspflichtungen als nur die normalen EU/Euro-Regeln vermutlich?

    Da ich schon vereinzelt das Pech hatte, außerhalb der EU und/oder des Euroraums zu handeln, bin ich sowieso ein großer Verfechter der EU und einer gemeinsamen Währung, da merkt man nämlich erst, wie genial das ist, wenn man plötzlich mit Zoll und Währungen und sonstwas herumfuhrwerken muss.
    Mal abgesehen davon, dass das selbst so fragil wie jetzt meistens eine win-win-Situation ist, selbst jetzt noch bekommt Deutschland das Geld fast hinterhergeworfen, ich glaube deutsche Staatsanleihen sind kaum gestiegen, ganz egal wie hoch die Rettungspakete ausfallen.

    Man sollte auch nicht vergessen, dass das gerade jetzt eine total undurchsichtige Lage ist, ich sprach neulich kurz mit zwei Börsenbeobachtern (oder sowas) aus der Schweiz und die meinten, dass „Abnormal“ noch eine totale Untertreibung ist. Scheint so ein bisschen die Realwirtschaft zu spiegeln, erst geraten alle in Panik und brauchen Cash egal wie, dann wirds doch nicht so schlimm und das Geld gelangt wieder in die Märkte und global ist das natürlich noch verrückter. Zumindest stimmten diese wasauchimmer meiner Einschätzung zu, dass das irgendwie hauptsächlich ein Konjunkturprogramm für die Alkoholindustrie, Anwälte und Psychiater ist. 😉

    Long story short: Ich habe wirklich die Befürchtung, dass auch nur eine weniger nationalistische aber ähnliche Debatte wie während der Griechenlandkrise schon ausreicht, um die Wirtschaft in der ganzen EU endgültig plattzumachen. Schlimm genug, dass ausgerechnet Schäuble das jetzt irgendwie zu seiner Chefsache machen will (scheinbar ist in der CDU einfach totale Revolution). Ich meine, damals ist die Schweiz mit ihrer Währung zwischenzeitlich auch massiv unter Druck geraten, weil das plötzlich die härteste Währung war, so etwas würde Deutschland mit eigener Währung vielleicht auch drohen.

    Und mal abgesehen davon, dass ich lieber Söder als Kanzler hätte als irgendwie in diesen Club der Österreicher und Niederländer zu gehören, ist es ja schön, dass Angela Merkel plötzlich Macrons Werben nachgegeben hat, aber das könnte natürlich zu spät sein. Mein Vertrauen in die CDU hat massiv gelitten muss ich zugeben und ich bin nicht sicher, ob die Nachfolger die Tradition der EU weiterführen werden, selbst mit einem grünen Koalitionspartner vielleicht nicht.

    • sternburg 24. Mai 2020, 01:51

      „Guter Punkt, sind die 2+4 Verträge damit eigentlich abgeschlossen? Oder wäre es gerade für Deutschland unmöglich, aus der Währungsunion einfach selbst wieder auszusteigen? Wir haben ja noch mehr vertragliche Verspflichtungen als nur die normalen EU/Euro-Regeln vermutlich?“

      Die 2+4-Vertrage sind in sich völkerrechtlich abgeschlossen, weil damit und mit ihrer Ausführung die Besatzung Deutschlands endgültig endete (Einzelmeinungen aus Mannheim mögen widersprechen). Wenn die Alliierten dort gemachte Versprechungen verletzt sehen, dann müssten sie schon neu einmarschieren.

      Der Rest ist diplomatische Verlässlichkeit, EU-Verträge und Eigeninteresse. tl;dr: Es ist Deutschland praktisch unmöglich, einseitig aus dem Euro auszusteigen. Theoretisch ginge das aber.

      • Ariane 24. Mai 2020, 06:47

        Ah danke! Da hast du mich ja gerade nochmal vor einem Eintritt in den Reichsbürger-Club bewahrt. So fängt das nämlich an! Wenn ich jetzt auch nochmal einen Blick in die genauen 2+4-Verträge werfen müsste, um nur halbinformiert zu sein, hätte ich endgültig die Segel gestrichen und hätte lieber „Diktatur der Alliierten“ gerufen.

        Nachdem Allesexperte Dennis hier schon etliche Ergänzungen beisteuerte, schlug ich schon vor, dass wir uns alle gemeinsam zur Erholung in eine Reha-Klinik an der Küste einfinden sollten. Weiß doch niemand ausm Kopf, welche Stadtnamen und Verträge nun genau da mit drinhängen und wo der ganze Schlamassel eigentlich angefangen hat.

        Und „damals“ waren noch nicht mal Schäuble in Funktion als Bundestagspräsident und die deutsche Bundesbank involviert! Da tauchen genauso häufig neue Namen und Player auf wie bei den Hygiene-Demonstranten, ich weiß nicht mal, ob es ausgebildete Eu-Verfassungsrechtler gibt als Berufsbezeichnung. Da können wieder nur die Allesexperten, Philosophen und Theologen helfen fürchte ich. 🙂

    • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:13

      Neeee, wir könnten problemlos aussteigen, was das angeht. Die 2+4-Verträge sehen den Euro ja nicht vor, das war ein Gesamtverhandlungspaket damals. Entsprechende Versprechen und Zusagen. 2+4 ist durch, da gibt es nichts mehr abzuwickeln, da existieren meines Wissens nach auch keine langfristigen Verpflichtungen aus dem Vertrag mehr.

  • sternburg 24. Mai 2020, 01:36

    Wow.

    Ich bin ja gar nicht mehr so richtig neu hier und war seit Tagen sehr gespannt darauf, was dieser Stefan so an Erkenntnissen und Diskursbeiträgen anzubieten hat. Und dann direkt ins weithin unbeachtete Eingemachte und das sogar mit Beweis gewisser Kenntnisse. Brofist, Süßer.

    Es gibt aus meiner Sicht außerhalb der üblichen Kreise viel zu wenig Wortmeldungen darob, dass wir jetzt endlich ins Endgame zwischen dem zweiten Senat (so viel Zeit muss sein) des BVerfG und dem EuGH einschwenken. Weltweite Pandemie, menschengemachte Klimakatastrophe, Friedrich Merz existiert, Florian Kohfeldt wird in seinem Job nicht in Frage gestellt: Alles schlimme Dinge, verlangt alles Aufmerksamkeit. Aber das dieses Endgame so wenig Aufmerksamkeit erhält, ist trotzdem absurd.

    Ich besitze dazu nicht nur eine, sondern sogar mehrere Meinungen. Und ich kann quasi alle relevanten veröffentlichten Wortmeldungen zu diesem Themenkomplex nachvollziehen.

    Ich verstehe jeden, der dieses Urteil des zweiten Senats als übergriffig und falsch empfindet. Und ich teile darüber hinaus das Empfinden jedes Menschen, der dieses Urteil schon deswegen als falsch empfindet, weil es Wasser auf die Mühlen der Fascho-Regimes in z.B. Ungarn und Polen ist (wo das zwischenzeitlich auch genau in dieser Stoßrichtung schon gefeiert wurde).

    Andererseits sehe ich aber auch, dass mein BVerfG meine Rechte auch dann zu verteidigen hat, wenn ich das doof finde und wenn es blöde Konsequenzen hat. Und als jemand, der diesen Scheiß oft genug versucht hat zu lesen, teile ich im Übrigen zumindest einen inhaltlichen Kern-Kritikpunkt des zweiten Senats, der EuGH möge sich doch bitteschön wenigstens bemühen, seine Urteile dergestalt zu verfassen, dass man sie halbwegs sinnvoll kritisieren kann.

    Ich bin also immer auf der Suche nach klugen Menschen, die mir mit guten Argumenten ausreden, dass ich mich in diesem Endkampf auf der Seite des EuGH befinde. Das ist für mich als Deutscher eine wesentliche Frage unserer Zeit. Und wesentliche Fragen lassen sich am besten an gut vorgebrachten Gegenpositionen schärfen.

    Finde ich hier gute Gegenpositionen? Komme ich hier ins Nachdenken? Oder werden hier nur wieder unschuldige Buchstaben unnütz durchs Netz geschoben?

    Spoiler: Scheint mir nicht so. Schade eigentlich.

    [Disclaimer vorweg: ich hab das nicht alles gelesen]

    Ich habe erst einmal diese Buchstabenwüste überflogen um zu schauen, ob ich irgendwo eine Wortmeldung zum Themengebiet „ultra-vires-Kontrolle“ gefunden habe. Habe ich nicht. Weißt Du, Stefan, da fällt es mir schon schwer, mich von meinen bisherigen Eindrücken Deiner Wortmeldungen in den Kommentaren hier zu trennen, nach denen Du ganz gerne anlässlich von irgendwas Deine Meinungen zu irgendwas anderem ablaichst.

    Hm, okay, wie sind denn Deine Meinungen?

    „Es war eine Bombenlegung mit Ansage, wie es in Karlsruhe Tradition hat“

    Okay, Du hast nicht die allergeringste Ahnung von den Gepflogenheiten am BVerfG. Aber geht das schon als Meinung durch?

    „Das Bundesverfassungsgericht steht damit allein im Verfassungsbogen der Institutionen, nachdem die Deutsche Mark abgeschafft und die Geldpolitik von der Bundesbank zur Europäischen Zentralbank gezogen ist. Es ist bedenklich, wenn die Institutionen des gemeinsamen Europas seit nunmehr Jahrzehnten nicht dieses Ansehen in gleicher Form erwerben konnten. Ein Staatswesen lebt von der Akzeptanz seiner Einrichtungen, nicht von einer Idee. „

    Das, ähm… das ist so falsch, das nicht mal das Gegenteil richtig ist. Verfassungs-Bogenschießen werde ich aber mal dem IOC vorschlagen, das klingt spannend.

    „Der Vorwurf der Kompetenzüberschreitung, den die deutschen Verfassungsschützer Anfang Mai in aller Deutlichkeit erhoben, ist nicht neu,“

    Natürlich ist der nicht neu, wie sollte er auch? Es geht um Kompetenzfragen.

    „das böse Wort vom Agent der Zentralisierung wurde schon oft erhoben“

    Auch wenn die eigentlich inhaltlich gewollte Behauptung eine komplett banale Feststellung in der Befassung mit einem supranationalen Organ ist, sei kurz festgehalten: Das hat noch nie irgendjemand gesagt. Was für Filme guckst Du?

    „Fragwürdige Eingriffe der Richter in Luxemburg geben solchen Einschätzungen immer wieder neue Nahrung. So urteilte der EuGH im vergangenen Jahr über die Erfassung von Überstunden durch den Arbeitgeber. Das mag dem ein oder anderen Sozialpolitiker und Arbeitsrechtler gefallen, allein, das Arbeitsrecht fällt eindeutig in die Kompetenz der Mitgliedsländer.“

    Hm… komisch. Ich habe zu diesem besagten Urteil des EuGH damals sehr viele Wortmeldungen wahrgenommen (und ich habe es auch gelesen, aber das nur nebenbei). Und keine einzige der kritischen Wortmeldungen hat das in das hier gegenständliche Thema geschoben. Das erinnert mich an unsere Unterhaltung unter einem anderen Blog-Eintrag hier: Da ist nicht zufällig jemand beleidigt, weil seine Untergebenen Rechte haben? Komm schon, Big Stef: Die Leute, die Du bezahlst, die mögen Dich halt nicht. Ist das so schwer zu verwinden? Wie viel Narzissmus braucht man, um einen inhaltlichen Streit zwischen dem BverfG und dem EuGH auf sich zu beziehen?

    „Auch fühlen sich die Deutschen und ihr Geld von der Europäischen Zentralbank nicht geschützt, im Gegenteil,“

    Ich bin zufällig Deutscher und ich fühle… Keine Ahnung, was ich fühle. Aber das bestimmt nicht.

    Ich geh kurz mal rüber und frag mein Geld, was es fühlt. „Hallo, Geld?“ „Hallo sternburg, altes Haus, alles roger?“ „Aber immer. Sag mal, fühlst Du Dich von der EZB geschützt?“ „Nein! Ganz im Gegenteil!“ „Wie im Gegenteil, was soll das heißen?“ „Ich sag es Dir ganz genau, wie es ist: Die alte Pottsau guckt mir immer unter den Rock, so ist das nämlich!“

    Okay. Ich glaube, Du bist da einer ganz heißen Sache auf der Spur.

    “ Der Bruch zu den Versprechungen, die in den Neunzigerjahren für die Hingabe der geliebten DM gegeben wurden, ist eklatant.“

    Die geliebte DM. Eine Bewertung dieser Formulierung überlasse ich lieber medizinisch geschultem Personal.

    Mir ist als Deutscher trotzdem nicht ganz klar, welche Versprechungen gebrochen wurden. Wir bekommen ein System, in dem deutsche Staatsanleihen weiterhin so begehrt sind, dass wir uns in absolut jeder ausgedachten Zahl jederzeit komfortabel und konsequenzenfrei Geld drucken können, während wir gleichzeitig unsere europäischen „Partner“ erst über unseren Export und dann über die Zinsen eiskalt über den Tisch ziehen und ausplündern, bis dort in Dimensionen Menschen sterben damit die deutschen Stefans sich auch weiterhin ihr Zweit-und Drittauto kaufen – okay, das wurde öffentlich so nicht versprochen. Aber irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass du das meinst.

    Und vor allem habe ich angesichts dieser kleinen Beispiele nicht den Eindruck, Du würdest Dich auch nur annähernd mit dem Standpunkt des zweiten Senats auseinander setzen. Geschweige denn, dass Du mir irgendwelche neuen Denkansätze über diesen Standpunkt lieferst. Nicht mal irgendwelche Denkansätze, die ich auf dem ersten Blick vielleicht als falsch, doof oder wirr einordnen würde. Das ist sehr schade, ist die Argumentationslage doch so verworren, dass ich wirklich für jeden mir neuen Denkansatz dankbar wäre. Und sei er noch so falsch, doof oder wirr – die Wahrscheinlichkeit, dass ich dabei auf einen Nachweis stoße, selber dumm zu denken, scheint mir recht groß.

    Schade, dass Du diese Gelegenheit nicht nutzt. Soweit ich gelesen habe, nimmst Du das Urteil der zweiten Senats doch wieder nur hin, um rein anlässlich dessen irgendwelche anderen Theorien und Überzeugungen auszubreiten. Kannst Du gerne machen. Warum Du mich mit diesem schönen Titel („Der Krieg der Richter“) trotzdem derart angefixt hat, das solltest Du vielleicht nochmal mit irgendjemandem besprechen, der Dir die Wahrheit sagt (solltest Du so jemanden kennen). Aber ich denke, Du wirst es mir nachsehen, dass ich an dieser Stelle aufgehört habe zu lesen.

    ps: „Ich fürchte, der 2. Teil wird Dir überhaupt nicht gefallen. [dümmliches Emoji]“

    Unnützes ankündigen von Gedanken, die längst gedacht wurden, aber der Dramaturgie halber einstweilen eingeschlossen bleiben, wird übrigens selbst Medien-Outlets, die damit reklamehalber Geld verdienen, selten verziehen. Geht mich aber nichts an, ist Dein Publikum. Ich jedenfalls gehe mit meinem Publikum nicht so um.

    • Ariane 24. Mai 2020, 07:01

      Aber das dieses Endgame so wenig Aufmerksamkeit erhält, ist trotzdem absurd.

      Zur Ehrenrettung von Deliberation Daily – eines kleinen Blogs mit weniger Reichweite als das BverfG – möchte ich doch anmerken, dass der Sassestefan mit eher historischer als juristischer Fachkenntnis bereits den Vergleich mit den Vorklängen des amerikanischen Bürgerkriegs wagte.
      http://www.deliberationdaily.de/2020/05/erdbeben-aus-karlruhe

      Im Englischen nennt man so etwas eine Nullification Crisis, und die dahinterstehende Rechtsauffassung hat den amerikanischen Bürgerkrieg ausgelöst (dort waren die Südstaaten der Überzeugung, ihnen nicht genehme politische Entscheidungen der Bundesregierung nullifizieren zu können). Ich verwende den Vergleich nicht um Ähnlichkeiten zwischen Andreas Voßkuhle und Jefferson Davies zu konstruieren, sondern um die potenzielle Sprengkraft deutlich zu machen.

      Die Rekordanzahl von über 300 Kommentaren und völliges Abdriften in Metadiskussionen sind der Beweis dafür, dass das Problem komplex ist und zu zahlreichen Kontroversen führt^^

    • Dennis 24. Mai 2020, 10:30

      Zitat sternburg:
      „darob, dass wir jetzt endlich ins Endgame zwischen dem zweiten Senat (so viel Zeit muss sein) des BVerfG und dem EuGH einschwenken.“

      Die schlechte Nachricht (oder auch die gute): Ob ein Game ein Endgame ist, weiß man immer erst, wenn das Ende tatsächlich da ist. Aber was man sich auch immer unter dem Endgame Europas vorstellen mag: Irgendwelche komischen Gerichte bewerkstelligen das weder noch können sie das verhindern. Die Rechtssprechungs-Zuständigkeit nicht klar zu definieren gehört zu de zahllosen Mängeln der EU, die die jeweiligen Richter – egal wo die sitzen – nicht selbst geschaffen haben.

      Zitat:
      „Wir bekommen ein System,…..“

      Richtig. In der Aufzählung, die dann folgt, fehlen übrigens noch die Billiglöhner aus dem ehemaligen Ostblock und jetzigen EU-Ländern. Ein Aspekt, den insbesondere FDP-Fuzzis über alles lieben.

      Zitat:
      ..nimmst Du das Urteil der zweiten Senats doch wieder nur hin, um rein anlässlich dessen irgendwelche anderen Theorien und Überzeugungen auszubreiten.“

      Zustimmung. Das ist der Inhalt des Beitrages, für den das Urteil als Aufhänger dient. Is allerdings nicht verboten. Jeder hat so seine Agenda.

  • Dennis 24. Mai 2020, 09:49

    Zitat Stefan Pietsch:
    „Auch fühlen sich die Deutschen und ihr Geld von der Europäischen Zentralbank nicht geschützt, “

    Wieso sagen Sie eigentlich „die Deutschen“ wenn Sie „ich“ meinen ?

    Man kann mal hier gucken:

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153841/umfrage/allgemeines-vertrauen-in-die-europaeische-zentralbank/

    Es steht also praktisch fifty-fifty.

    Zitat
    „Nicht ohne Grund nennen sich die meisten Deutschen Verfassungspatrioten.“

    Studien? Nachweise ?

    Zitat:
    „Die Mutlosigkeit der letzten anderthalb Jahrzehnte, nicht rein zufällig die Phase, in der das mächtigste Land der Europäischen Union von einer Taktikerin ohne jede Vision regiert wurde, ließ das größte Friedensprojekt des alten Kontinents erst stagnieren und nun vor aller Augen im Zeitraffer zerfallen.“

    Zustimmung. Was dieser Mut hätte beinhalten müssen wäre dann Gegenstand einer weiteren Debatte.

    Zitat“
    „Und so betonte der scheidende Gerichtspräsident Voßkuhle im Interview mit der ARD nochmal, die nationalen Regierungen hätten nur jene Rechte auf die europäische Ebene übertragen, zu der sie auch ermächtigt waren. Staatsfinanzierung durch die Notenbank gehört eindeutig nicht dazu.“

    Den Satz, der hier noch fehlt, erlaube ich mir zu ergänzen:

    Das Gericht (BverfG) wirft der EZB allerdings auch keine Staatsfinanzierung vor.

    Zitate:
    „Wohlgemerkt, es geht um die Frage, ob Notenbanker in Frankfurt heimlich Staatsfinanzierung betreiben “
    …….
    „Diese Umsicht verschafft den obersten Richtern in Deutschland seit Jahrzehnten das hohe Ansehen, auf das ein Verfassungsorgan angewiesen ist.“

    Wenn das so ist, nehme ich an, dass Sie Ihr Gerede von der Staatsfinanzierung nicht mehr aufrecht erhalten. Richtig ?

    • Stefan Pietsch 24. Mai 2020, 10:49

      Wieso sagen Sie eigentlich „die Deutschen“ wenn Sie „ich“ meinen ?
      Man kann mal hier gucken:
      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153841/umfrage/allgemeines-vertrauen-in-die-europaeische-zentralbank/
      Es steht also praktisch fifty-fifty.

      Oih, toll!

      Wissen Sie wirklich nicht, was gute Zustimmungswerte sind? Hätten Sie mal vergleichen sollen: mit der Polizei oder, beispielsweise, mit dem Bundesverfassungsgericht. Fifty-Fifty, ey, Alter, nicht wahr?

      „Nicht ohne Grund nennen sich die meisten Deutschen Verfassungspatrioten.“
      Studien? Nachweise ?

      Äh, weil wir von Migranten nicht mehr verlangen als dass sie unsere Verfassung akzeptieren? Weil bei Befragungen, was Deutsch sei, nichts anderes einfällt als: Grundgesetz? So in etwa? Brauchen Sie dafür Studien oder lesen Sie ab und zu Blogs?

      Zustimmung. Was dieser Mut hätte beinhalten müssen wäre dann Gegenstand einer weiteren Debatte.

      Nee. Wieviele sind Sie? Wenn’s hoch kommt 3. In Europa gibt es so 460 Millionen EU-Bürger. Es hat etwas von Hybris, denen vorzugeben, was sie unter EU zu verstehen haben und wie sich die entwickeln sollte. Haben Sie eigentlich mal mit einem Ungarn, einem Polen, einem Bulgaren über die EU gesprochen? Nein? Vielleicht mal damit anfangen? Ansonsten wird das in den weiteren Teilen ausgeführt.

      Das Gericht (BverfG) wirft der EZB allerdings auch keine Staatsfinanzierung vor.

      Doch, tut es. In den Urteilen von 2014 und 2017. Oder in den Worten eines Gerichts: man hat Bedenken. Und nun hat Karlsruhe einen Warnschuss abgesetzt. Das Wesen von Warnschüssen ist, nicht direkt auf das Objekt, sondern daneben zu zielen. Nur ein Dennis zielt direkt drauf.

      • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 11:18

        Jetzt verschiebst du aber echt fleißig Torpfosten. Du behauptest in deinem Artikel, „alle Deutschen“ (außer wenigen Vaterlandsverrätern wie mir, aber ich zähle ja da nie als Deutscher) wären deiner Meinung. Sagt man dir dass es gerade die Hälfte ist, stellst du flugs eine neue Kategorie auf, nach der die Tatsache, dass nicht signifikant weniger deiner Meinung sind, bedeutet, dass deine Hälfte mehr wert ist.

        • Stefan Pietsch 24. Mai 2020, 11:30

          Die Behauptung von Dennis ist nach den Kriterien der Demoskopie nicht korrekt. Punkt. Institutionen mit hohen Vertrauenswerten liegen nicht bei „fifty-fifty“. Das ist keine Torpfostenverschiebung, sondern Seriosität. Sonst könntest Du auch der Linkspartei hohe Vertrauenswerte attestieren, weil 25% eine positive Einstellung zu der Partei haben.

          Ich schreibe (eigentlich nie) von allen Deutschen, sondern nutze solche Formulierungen als Typisierung. Das ist selbst in der Wissenschaft gebräuchlich. Da bist Du päpstlicher als der Papst.

          • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 12:06

            Nein bin ich nicht. Du könntest problemlos „viele“ oder „die meisten“ schreiben. Aber stattdessen schreibst du kategorisch „die Deutschen“. Und das ist einfach nicht gedeckt.

            Ich behaupte übrigens überhaupt nicht, die EU-Institutionen genössen großes Vertrauen, ich bin eher überrascht dass die Werte so hoch sind! Ich hätte mit weniger als 50:50 gerechnet.

            • Stefan Pietsch 24. Mai 2020, 12:47

              Ich schreibe auch von „wir Deutschen“, wenn ich selbst eine andere Position habe. Das wirst Du akzeptieren müssen wie ich Deine „BRD“, obwohl es dazu sogar eine langjährige offizielle Position gibt.

              In der Demoskopie sind 50% für staatstragende Institutionen wenig. Wir reden dazu mit der Notenbank über ein Institut, das nicht im politischen Streit steht. So war die Deutsche Bundesbank jahrzehntelang neben dem Verfassungsgericht bei Vertrauenswerten jenseits der 80%.

              Generell zeigen die Deutschen mehr Vertrauen in Institutionen als andere Länder.

              • Stefan Sasse 24. Mai 2020, 16:41

                Ich muss das überhaupt nicht akzeptieren. Dir ist vielleicht auch aufgefallen, dass ich die Begrifflichkeit seit deiner Kritik auch nicht mehr verwendet habe.

      • Ariane 24. Mai 2020, 21:59

        Mal abgesehen davon, dass ich Schutz und Vertrauen in Bezug auf die EZB schon für irgendwie arg romantisierend verhalte (das ist doch kein Mensch oder wirklich eigenständiger Player) möchte ich bemängeln, dass das Geld nicht befragt wurde.

        Und ich würde wetten, dass 90% Prozent der Menschen wenig Plan vom Wirken und Nutzen und anderen Dingen der EZB haben und multiple choice geantwortet haben.

  • Dennis 24. Mai 2020, 11:44

    Zitat Stefan Pietsch:
    „Wissen Sie wirklich nicht, was gute Zustimmungswerte sind?“

    Hatten Sie in der Schule eigentlich mal Deutsch und können somit die Semantik Ihrer Ursprungsaussage begreifen ?

    Zitat Stefan Pietsch:
    „Nicht ohne Grund nennen sich die meisten Deutschen Verfassungspatrioten.““

    Studien? Nachweise ?

    Zitat:
    „Äh, weil wir von Migranten nicht mehr verlangen als dass sie unsere Verfassung akzeptieren? Weil bei Befragungen, was Deutsch sei, nichts anderes einfällt als: Grundgesetz? So in etwa? Brauchen Sie dafür Studien“

    Ja, brauche ich. [].

    ………..

    Das Gericht (BverfG) wirft der EZB allerdings auch keine Staatsfinanzierung vor.

    Zitat Stefan Pietsch:
    Doch, tut es. In den Urteilen von 2014 und 2017. Oder in den Worten eines Gerichts: man hat Bedenken. Und nun hat Karlsruhe einen Warnschuss abgesetzt. Das Wesen von Warnschüssen ist, nicht direkt auf das Objekt, sondern daneben zu zielen. Nur ein Dennis zielt direkt drauf.“

    Der erste kurze Satz ist explizit falsch, wie man das von Ihnen gewohnt ist. Was danach kommt ist IHRE Interpretation und hat mit dem Gericht nichts zu tun.

    • Dennis 24. Mai 2020, 11:50

      Nicht an der richtigen Stelle im Thread. Tschuldigung

  • Jens Happel 24. Mai 2020, 14:06

    Moin Stefan,

    also so gibt das nix. Ich finde, du hast eine sehr gute Zusammenfassung der historischen Entwicklungen geliefert. Auch deine Kommentare teile ich weitestgehend. Lediglich der Hinweis, dass die Abwertungen die Bürger dieser Länder die Bürger ärmer machte finde ich arg verkürzt. Formal ist es richtig, da der Wert in der Außenwährung sinkt. Aber der Bürger verarmt auch, wenn sein Land in einer Währung „gefangen“ ist, die für sein Land überbewertet ist, siehe Italien seit EWU Beitritt. Bei Auf- und Abwertung kommt es auf das Mass an und dass ist die Wettbewerbsfähigkeit. Das ist auch nicht meine exklusive Meinung. Prof. Sinn sagt dies ebenso.

    Ich freue mich, dass du nicht in das Bashing des Verfassungsgericht einsteigst, so wie das fast ausschließlich die Leitmedien getan haben.

    Münchau in der Financial Times und ein Beitrag auf Makroskop (allerdings nur einer andere waren anders) stachen da wohltuend heraus (Und ob die FT und Makroskop zu den Leitmedien zählen kann man getrost bezweifeln).

    https://www.ft.com/content/e0ac5f7a-8b85-11ea-9dcb-fe6871f4145a

    Auch wenn ich finde, dass die Eingriffe der EZB nötig waren um den Euro zu retten, ist es in meinen Augen eine versteckte Staatsfinanzierung gewesen. Eine permanente Rechtsbeugung (mindestens, wenn nicht Rechtsbruch) kann aber nicht die Lösung für die augenscheinlichen Probleme der Euro-Zone sein.

    Also wieder nix mit streiten mit dir.

    … bis jetzt!

    Schönes WE

    Jens

    P.S. Der Wähler in Deutschland hat das übrigens damals legitimiert. Es gab die Partei Pro-DM, die bei der letzten Bundestagwahl vor der EURO Einführung, quasi eine Ein Themen Partei gegen den Euro war.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Pro_Deutsche_Mitte_%E2%80%93_Initiative_Pro_D-Mark

    Sie kam nicht mal über die 5% Hürde!

    Damals wurde sie als rechtspopulistisch bezeichnet (Zitate aus Wikipedia Link oben),

    …Pro DM) war eine rechtspopulistische[1] Kleinpartei, …

    weil:

    Rechte Positionen wurden im Programm u. a. an drei Stellen deutlich: Die Partei sprach sich für eine starke Zuwanderungsbegrenzung aus,[3] strebte eine schnellere Abschiebung nichtdeutscher Straftäter an und forderte, dass ausländische Drogendealer in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Die Satzung enthielt die Aussage „Wer nicht deutscher Staatsbürger ist, […] hat nicht das Recht an Parteiwahlen zu öffentlichen Mandatswahlen und ihren Entscheidungen teilzunehmen.“[3] Außerdem fordert die Partei eine massive Verschärfung der Maßnahmen zur inneren Sicherheit und eine restriktive Anti-Drogenpolitik.

    Mit dieser Begründung wären heute die CDU/CSU, die FDP und Teile der SPD eine rechtspopulisitsche Partei, da sie mindetens 3 der aufgezählten Forderungen ebenfalls stellen oder gar umgesetzt haben. Du siehst, die Verunglimpfung Andersdenkender Minderheiten in den Lei(d)Medien hat eine lange Tradition. Corona ist da nix neues, damals gab es aber das Internet und die sozialen Medien nicht in der Form wie heute, da hat das Spiel noch anders funktioniert.

    • Stefan Pietsch 24. Mai 2020, 15:05

      Lieber Jens, ich bemühe mich ja, aber Du machst es mir auch schwer. Vielleicht ist das besser:
      http://www.deliberationdaily.de/2020/05/die-zerstoerung-europas-im-steinbruch-des-europaeischen-rechts/

      Der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit bildet sich in einer offenen Wirtschaft immer irgendwo ab. Heute liegt der Importanteil vieler OECD-Länder bei 25-40 Prozent, es ist da zwangsläufig, dass verschlechterte Wechselkurse sehr schnell auf den Lebensstandard durchschlagen. Ein Beispiel aus dem Upper-Bereich: 2011 haben wir eine über 1 Monat dauernde Australienrundreise unternommen. Doch allein durch den Anstieg des Australischen Dollar zum Euro, der dagegen eine Weichwährung geworden war, verteuerte sich der Urlaub gegenüber den Kursen vor 2008 um ein Drittel!

      Selbst die Nachdenkseiten (Jens Berger) hatte 2017 keinen Zweifel, dass die EZB natürlich Staatsfinanzierung betrieb. Sorry, so blind kann niemand sein, wenn inzwischen mehr als ein Drittel aller Anleihen bei der Notenbank liegen und ein Programm zuverlässig eine Dekade lang läuft. Die Fed unterstützt die Wirtschaftspolitik und die EZB, der genau das verboten ist, macht was?

      Um mit einigen Kommentatoren zu sprechen: 2008 war der Beitritt zum Euro kein Wahlkampfthema, von Legitimierung kann daher keine Rede sein. Okay, ich mach‘ so was nicht. Es bleibt das zentrale Argument von Voßkuhle: Bundestag und Bundesrat können nur Rechte übertragen, deren Übertragung zugestimmt wurde. Es ist eindeutig, dass eine Geldpolitik, die auf die Finanzierung von Staaten gerichtet ist, nicht autorisiert wurde.

      • Jens Happel 24. Mai 2020, 16:09

        Ich bestreite die Staatzfinanzierung durch die EZB nicht! Ich sage nur sie war nötig um den Euro zu retten. Rechltich legitim halte ich sie denoch nicht!

        Das Pro-DM Beispiel sollte nur zeigen, dass dies in der representativen Demokratie die einzige Möglichkeit war, den Euro abzuwählen. Rechltich legitimiert war er sowieso, da ja unsere gewählten Volksvertreter so abgestimmt haben. Ob der Euro jemals wirklich beliebt war, kann ich nicht sagen. Ich habe auf die schnelle nur eine Forsa Umfrage von 2016 gefunden. Angeblich knapp 70% pro Euro.

        https://www.derwesten.de/incoming/der-euro-ist-bei-den-deutschen-beliebter-als-je-zuvor-id7817258.html

        Forsa traue ich von allen Umfrageinstituten am wenigsten. Zwischen den Wahlen machen die regelmäßig Schlagzeilen mit von den anderen Instituten stark abweichenden Umfrageergebnissen um dann je näher die Wahl kommt sich an deren Ergebnise anzupassen. Kurz, ich kenne die Beliebtheit des Euros nicht.

  • Ariane 24. Mai 2020, 22:36

    @Erwin Gabriel
    Ich fasse mal deine beiden Baumstruktur-Antworten hier zusammen:

    Der Weg (auch durch die von Macron und Merkel forcierte Übergabe von nationalen Kompetenzen in EU-Hände) wird dahin gehen, dass durch die Zersplitterung der Meinungen / Ansichten / Ansprüche eine bürokratisierte Übermacht entsteht, die aus sich selbst heraus agiert, sich eigene Vorschriften macht, sich über Gesetze hinweghebt.

    Hm ja, in der Sache gebe ich dir durchaus recht. Allerdings ist mir unklar, wie „die EU“ aus sich selbst agieren könnte. Die ist ja kein eigener Player und kann sich selbständig machen. Wir haben ja immer noch das Prinzip der Einstimmigkeit (was durchaus ein eigenes Problem ist).
    Aber niemand kann sich da irgendwie eigenmächtig hinwegsetzen wenn es die anderen Staaten nicht zulassen. Außer man macht es wie Großbritannien und verlässt die EU.

    Ansonsten funktioniert zwar wenig, aber die EU-Institutionen waren bisher ja durchaus findig genug, das ganze Konstrukt mit Nadel und Faden zusammenzuhalten.
    Und damit sind wir wieder am Ausgang angelangt. Wenn jeder nur seine eigenen Interessen im Blick hat und nicht überlegt, ob man gemeinsam nicht stärker wäre, dann werden sich die EU-Verträge nicht ändern lassen.
    Und dann landen wir wieder bei der EZB, die dank ihrer unangetasteten (bis jetzt) Unabhängigkeit stur versucht hat, auf die 2% Inflation zu kommen egal wie. Das ist – meiner bescheidenen Meinung nach – der dünne Faden, der das wackelige Konstrukt irgendwie auf Kurs hält.

    Und aktuell rettet uns vermutlich das Pandemiechaos und das Rettungstau des Notfallsprogramms vor größeren Unruhen (bzw fallen die vermutlich gar nicht auf, weil da eh alles schwankt).

    Unter diesen Bedingungen halte ich jede weitere „Gemeinsamkeit“ für kontraproduktiv, da sich vergebene Kompetenzen und erteilte Zugeständnisse nur sehr schwer zurückholen lassen.

    Ja. Da hast du Recht. Aber bist du dir auch über die Konsequenzen im Klaren? Was genau erwartest du und was erhoffst du dir? Mehr Zinsen auf deine Spareinlagen? Eine gesündere Wirtschaft? Mehr oder weniger Inflation? Oder möchtest du die Gemeinsamkeit einfach loswerden bzw klarere Kompetenzen?

    Ich muss zugeben, angesichts der Lage macht es vielleicht eh keinen Unterschied mehr. Aber so ein Ziel wüsste ich schon gerne.

    Da kann jetzt das BverfG nichts dafür, aber auf mich wirkt das völlig absurd. Ich weiß überhaupt nicht, wer denn bitte noch Cash rumliegen hat und da auf Zinsen hofft (als Privatmensch). Die echten Menschen, die ich kenne, schieben täglich Zahlen umher und versuchen, die Verhältnismäßigkeit ihrer Kalkulation bis zum Monatswechsel abzuschätzen.

    Momentan hat man eine (zumindest teilweise) gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Basis dafür. Man hat unterschiedliche Standpunkte zu China, Russland und den USA. Man hat 27 Mitgliedsländern mit weitgehenden Veto-Rechten.

    Ja, das ist richtig. Irgendwie sind wir nun aber nicht mehr in der Euro-Zone, sondern der gesamten EU.

    Das kann nicht so funktionieren, und es wird nicht besser, wenn man da noch mehr Kompetenzen hineinverschiebt.
    Das ist glaub ich der Kern meiner und Stefans Kritik, wir haben hier mehr Kompetenzen bzw mehr Köche als nötig.

    Ähm, ich muss jetzt doch mal nachfragen? Reden wir hier noch über den Euro und die EZB? Oder sind wir jetzt bei der gesamten EU angelangt?

    Und ich muss nochmal fragen, was dein Wunsch oder Forderung oder Ziel ist, um das Kompetenzwirrwarr aufzulösen.

    Alleiniger Austritt Deutschlands? Das funktioniert. Aber dann machen wir es wie Großbritannien und müssen zusätzlich noch ne eigene Währung erfinden.
    Eine Zweiteilung der EU? Und auf welche Seite soll sich Deutschland schlagen? Zum Nordosten? Echt jetzt?
    Da wird Frankreich nicht mitgehen, da ist die Grenze zwischen Süd- und Nordeuro, eine Zweiteilung wird IMO ziemlich sicher einen Bruch der Französisch-Deutschen-Achse nach sich ziehen und das offizielle Ende der Westbindung einläuten.

    Ich weiß ja nicht, ob ihr euch dessen bewusst seid. Aber da stehen mir wirklich die Haare zu Berge.
    Ganz ehrlich: Wisst ihr, was das für Konsequenzen haben würde, dass nichts im Leben einfach so nach einem oder mehreren Wünschen passiert? Dass die Freiheit da endet, wo die von anderen anfängt? Dass die EU so kaputt ist, dass jedwede neue Sonderstellungen sie gänzlich plattmachen könnte? Und uns an die autoritären Oststaaten binden würde?

    Warum? Wegen Kohle? Weil ihr die Südweststaaten nicht leiden könnt? Aber den Osten schon? Sorry, aber ich verstehe wirklich nicht genau, was das soll, was überhaupt die Priorität ist und schon erst recht nicht, wohin das alles führen soll. Und ich fürchte, du vielleicht auch nicht.

    • Ariane 24. Mai 2020, 22:38

      Hmpf sorry, ich arbeite noch dran, das Internet nicht ganz so vollzuschreiben. Bevor wir alle kurzsichtig/er werden als sowieso schon^^

    • R.A. 25. Mai 2020, 14:13

      „Wenn jeder nur seine eigenen Interessen im Blick hat und nicht überlegt, ob man gemeinsam nicht stärker wäre …“
      Zugegeben – die Italiener haben nicht nur die eigenen Interessen im Blick, sondern auch die der anderen Transferempfänger. Aber daß die zusätzliche Milliarden aus dem Norden haben wollen hat bestimmt nicht mit der Überlegung zu tun, daß dann alle gemeinsam stärker wären …

      „Und dann landen wir wieder bei der EZB, die dank ihrer unangetasteten (bis jetzt) Unabhängigkeit stur versucht hat, auf die 2% Inflation zu kommen egal wie.“
      Ich sehe nicht, daß das noch das wesentliche Ziel der EZB ist. Es geht in erster Linie um die Finanzierung bestimmter Staaten.

      „Und aktuell rettet uns vermutlich das Pandemiechaos und das Rettungstau des Notfallsprogramms vor größeren Unruhen“
      Welche Unruhen? Da hat sich vor Corona nichts angekündigt und es gäbe auch wenig Grund dafür.

      „Was genau erwartest du und was erhoffst du dir?“
      Daß man sich wieder auf Verträge und EU-interne Zusagen verlassen kann. Und daß wir nicht zusätzliche Milliarden in dreistelliger Höhe zahlen müssen.

      Es war und ist völlig in Ordnung, daß die reicheren Länder einen größeren Anteil an den EU-Kosten schultern. Und daß diese EU-Kosten auch Projekte beinhalten, die gezielt ärmeren Regionen helfen sollen.
      Das gehörte alles zum Grundkonsens der europäischen Einigung und war auch über lange Jahre nicht umstritten.

      Aber seit der Schuldenkrise ist bei diversen Empfängerländern die Erwartung aufgekommen, daß sie für ihren normalen Konsum ganz massive Transfers bekommen sollten. Dafür gibt es aber weder eine vertragliche noch eine moralische Grundlage, die Gesamtidee ist zutiefst ungerecht und destruktiv für die weitere Entwicklung.

      • Ariane 25. Mai 2020, 19:56

        Aber daß die zusätzliche Milliarden aus dem Norden haben wollen hat bestimmt nicht mit der Überlegung zu tun, daß dann alle gemeinsam stärker wären …

        Nein das hat mit Leistungsbilanz-Unterschieden und unterschiedlichen wirtschaftlichen Schwerpunkten zu tun. Und da nicht alle Exportweltmeister sein können, muss es Länder geben, die importieren. Und Industrieprodukte herstellen, die andere Länder kaufen wollen, braucht erstmal Geld. Oliven und Zitronen bringen einfach nicht soviel Kohle wie ein VW. Also muss ein Ausgleich her und dann profitieren alle.

        Ich sehe nicht, daß das noch das wesentliche Ziel der EZB ist. Es geht in erster Linie um die Finanzierung bestimmter Staaten.

        Also tut mir leid, aber das ist völliger Blödsinn, die EZB finanziert so gesehen gar keine Staaten, die kauft Anleihen (übrigens auch von Unternehmen und Banken). Und das Ziel der EZB wie auch aller Notenbanken die ich kenne ist irgendwie auf eine Inflation von 2% zu kommen. Das ist nämlich das Ziel, um die Geldmenge stabil zu halten.

        Ein Land, das seit zig Jahren bei aller Anstrengung nicht aus der Deflation rauskommt ist übrigens Japan.

        Daß man sich wieder auf Verträge und EU-interne Zusagen verlassen kann. Und daß wir nicht zusätzliche Milliarden in dreistelliger Höhe zahlen müssen.

        Das ist aber ehrlich gesagt keine Antwort auf meine Frage. Dafür gibt es keine Mehrheiten, um Verträge oder Gesetze zu ändern. Weder auf EU-Ebene noch in Deutschland.

        Die Alternativen sind – meiner Meinung nach:
        EU Bonds – ggf mit neuem Vertrag, um Maastricht abzulösen
        weiter wie bisher und die EZB verhindert einen Crash
        Deutschland scheidet aus dem Euro/EU aus.

        möglicherweise noch: Deutschland und Verbündete gründen eine Ersatz-EU mit den Nord/Oststaaten ohne Frankreich

        Also wie fällt dann die Entscheidung aus?
        Und nein Deutschland wird einfach inoffizieller EU-Boss halte ich nicht für eine gangbare Alternative. Faktisch sind wir nach Ausscheiden der Briten eh schon in einer Sonderrolle mit der Möglichkeit, unsere Interessen am stärksten durchzusetzen, das wird sich nie formalisieren lassen. Weil jetzt alle wissen, dass man sich den Britenrabatt die ganze Zeit hätte sparen können. Wenn muss man das eben als erster machen.

  • Ariane 27. Mai 2020, 12:59

    Neuanfang, weil Überblick verloren:

    Zitat Pietschi:
    Tja, also keine Eurobonds. Schön das wir das geklärt haben. Die FDP hat ja ausgerechnet, dass die Belastung durch ein Deutschland nachempfundenes Rettungspaket durch Gemeinschaftsanleihen nur zu geringfügigen Einsparungen führen würde. So ist es, deswegen brauchen wir es nicht.

    Oh man. Das ja zum Heulen. Hat die FDP auch ausgerechnet, was bei nem Währungcrash passiert? Ja natürlich würde das für Deutschland nur zu geringen Einsparungen führen, evtl sogar zu leichter Verteuerung.

    Aber die anderen Länder nicht, das reguliert vorerst die EZB. (keine Sorge, nicht mit dem Programm, zu dem es das Urteil gab). Und wenn der Euro zerbricht, dann haben wir einen Währungscrash und infolgedessen den Super-Wirtschafts-Crash. Was die FDP ja scheinbar nicht berechnet hat.

    Wenn Du sie[Verträge] ändern willst, brauchst Du ein Ratifizierungsverfahren in 27 Mitgliedsländern. Die Wahrscheinlichkeit, dass das durchkommt, kannst Du Dir selbst ausrechnen.

    Wir könnten uns viel Zeit ersparen, wenn du einfach mal Kommentare lesen würdest, als nur zu predigen. Ich hatte hier schon irgendwo geschrieben, dass ich mit der jetzigen Lösung zufrieden bin. Weil sie funktioniert. Und ansonsten wollte ich Eurobonds mit einem neuen Vertrag, der Maastricht ablöst.

    [Wenn wir Eurobonds hätten, wären die Zinsen geringer als die, die Italien jetzt für sich selbst zahlt. Die würden also einfach umschulden.]

    Aber wieso sollte das gewollt sein?

    Also manchmal wird mir bei deinen Kommentaren echt Angst und Bange. Das sollte gewollt sein, damit der Euro als Währung erhalten bleibt.
    Es gibt nur eine Alternative dazu und das ist der Zerfall der Währungsunion. Und dann ist Schicht im Schacht.

    Weil die deutschen neoliberalkonservativen Chauvinisten es nicht aushalten, dass andere auch Vorteile haben. Das reißt die ganze EU mit in den Abgrund. Und wird die Spaltung der deutsch-französischen Achse bedeuten.

    DAMIT Italien und Spanien nicht profitieren. Weil ihr ja lieber mit den Polen und Tschechen und Ösis und Niederländern gemeinsame Sache machen wollt. Und dann weint, wenn ich frage, ob ihr autoritär-nationalistisch denkt! Ja aber Hallo, dann baut die Mauer wieder auf und zieht alle in den Osten. Und macht Euer Ding.

    Gibt auch Menschen, denen die EU, die Westbindung, die Partnerschaft mit Frankreich was bedeutet. Aber das sind ja nur linksgrünversiffte hypermorale Gutmenschen. So ein Supercrash ist natürlich viel besser. Und dann heißt es wieder „Oh, das haben wir nicht gewollt“. Ich habe einen Fehler gemacht, das ist menschlich. Himmel Hilf.

    Laut den Lehrbüchern ist die aktuelle wirtschaftliche Situation (damals Stagflation) unmöglich, und entsprechend reagiert man mit den immer gleichen Rezepten. Aber die Rahmenbedingungen haben sich eben geändert, und deswegen sind die alten Annahmen nicht mehr gültig.

    Jep. Siehe die geniale Idee, den Mindestlohn und Arbeitszeitregelungen auszusetzen, während man für 9 Mrd! bei der Lufthansa einsteigt (die nur 4 Mrd wert ist gerade). Und scheinbar ist man sich noch uneinig, ob man ne Sperrminorität hat oder nicht. Von den Autoprämien gar nicht erst zu reden.

    Und das wird noch extremer werden, weil die ganze Finanzoptimierung jetzt nutzlos ist. Bzw sogar schädlich, wir haben die größte Konsumkrise seit Menschengedenken. 1918 war das ja egal, da gabs ja nicht mal genug zu essen. Aber jetzt wollen die geizigen Vier nicht mal beim Recovery Fond mitmachen.
    Und jetzt ist das in Deutschland noch wacklig konstruiert, (weil die gerettet wurden erstmal). Aber ein offener Laden nützt einem ja nix, wenn keiner kommt um was zu kaufen. Weltweit. Und jetzt haben die keinen Anspruch auf Hilfen mehr, weil ist ja wieder auf!

    Die ganze Wirtschaft ist mittlerweile auf Massen ausgelegt, nicht auf kleine dezentrale Firmen. So schnell stellt sich nix um, in zwei bis drei Monaten haben wir reihenweise Insolvenzen, die stehen nur nicht in den Medien.

    Insofern, wenn die FDP und ihre Freunde die EU und den Euro crashen lassen wollen, dann halt jetzt. Kommt auch nicht mehr drauf an. Ist ja kein Sparvermögen mehr da, um das man sich Sorgen machen muss. Ein Wahnsinn.

  • sternburg 28. Mai 2020, 00:29

    „Aber was man sich auch immer unter dem Endgame Europas vorstellen mag:“

    Nur ganz kurz (keine Ahnung, ob Du das mitkriegst): Da war aus rein juristischer Sicht innerhalb der Fachblase auf die beiden Gerichte gemeint.

    Hat natürlich Auswirkungen auf das Verhältnis Deutschland – EU und die EU insgesamt, sollte man m.E. davon aber erstmal trennen.

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