Angela Merkel – Zwischen Kanzlerschaft, Verwaltung und Politik

Nachdem mein Kommentar zu Angela Merkels Regierungszeit immer länger und länger wurde, hab ich mich doch entschlossen, daraus einen neuen Artikel zu machen. Auch weil es da meiner Meinung nach mehrere Ebenen gibt, die Stefan durch seine Aufteilung in Innen- und Außenpolitik anders beleuchtet hat.

Angela Merkel ist die unwahrscheinlichste Kanzlerin, die Deutschland bisher hatte. Sie stand vermutlich nie am Zaun des Kanzleramtes und hat an ihm gerüttelt, gut möglich, dass sie gar nicht vorhatte, diesen Weg zu gehen. An die Spitze der CDU kam sie durch den großen Spendenskandal, der erst Helmut Kohl und dann Wolfgang Schäuble diskreditierte und immer weitere Kreise zog. Nur Angela Merkel blieb davon ungerührt und übernahm als Generalsekretärin die Aufgabe, die CDU sowohl aus dieser Krise zu führen als auch nach sieben Jahren Opposition wieder in die Regierung. Wolfgang Schäuble und Friedrich Merz wären ansonsten sehr wahrscheinlich die natürlichen Nachfolger an Parteispitze und Regierung gewesen. Nicht zu vergessen, dass sie Edmund Stoiber den Vortritt im ersten Wahlkampf gegen Gerhard Schröder ließ, dem nicht soviel Erfolg beschienen war. Nach der denkwürdigsten Elefantenrunde, die es wohl jemals gab, in der Schröder sich nach einem ansehnlichen Ergebnis der SPD voreilig zum Wahlsieger erklärte, wurde Angela Merkel schließlich die erste Kanzlerin der Bundesrepublik und niemand wusste genau, wieso und warum.

Ich erinnere mich noch gut an den Wahlkampf 2005, denn das war die erste Bundestagswahl, an der ich teilnehmen durfte, also etwas ganz Besonderes. Ich war damals ziemlich klar im Lager der SPD und ich mochte Schröder auch als Typ gerne. Ja ein Macho-Raufbold, aber bodenständig und ein großes politisches Talent und mit dem Irak-Krieg wollte ich bitte nichts zu tun haben. Heute eigentlich undenkbar, aber ich meine es gab eine Art Kanzlerduell – aber zwischen Paul Kirchhof und Gerhard Schröder, das mich restlos für Schröder einnahm, denn er stampfte den etwas weltfremd wirkenden Kirchhof mit seiner Bierdeckel-Steuer-Idee ohne große Mühe unangespitzt in den Boden, indem er einfach darauf hinwies, dass die Realtiät anders ist als dass eine Polizistin, die einen Feiertags- und Nachtzuschlag durchaus verdient, 1,4 Kinder im Haus hat. Gut möglich, dass dieses Debakel schon ausgereicht hat, dass Angela Merkel den Quereinsteigern und großen Bierdeckel-Ideen den Rücken kehrte, kaum dass sie Kanzlerin wurde. Man muss es wohl als ihre erste gute Idee als Kanzlerin ansehen. Wer wünscht sich schon 1,4 Kinder?

Nun gab es also eine große Koalition und ich verlor die Tagespolitik ein wenig aus den Augen, gab ja noch genug anderes zu tun. Ich machte Abitur, begann ein Studium, brach es wieder ab und zog nach Niedersachsen in die Nähe von Bremen, was sich erst im Pandemie-Chaos als höchst unpraktisch erweisen sollte und machte was ganz anderes. Angela Merkel regierte derweil die Bundesrepublik Deutschland ohne große Mühen und Aufregung. Eigentlich ist sie wahrlich niemand, an den sich die Menschen besonders reiben können und so ging es mir auch. Ich sehe mir gerne die Interviews und Fragerunden der Pressekonferenzen an und bei niemandem ist das so wichtig wie bei Angela Merkel, weil sie es wie niemand sonst versteht, sich komplett unsichtbar zu machen mit ihrer extrem großen Selbstbeherrschung. Nur dann und wann, wenn sie spontan reagieren muss, blitzt ihre Persönlichkeit auf und ich muss sagen, die kann ich gut leiden. Sie ist bescheiden und uneitel und hat sogar Sinn für Humor. Meine größte Bewunderung hat sie für diese Gelassenheit, mit der sie das Drama der Alphamänner um sich herum betrachtet, um die ganze Problematik dann mit einem einzigen simplen Satz komplett vom Tisch zu wischen. Mitten in der großen Sarrazin-Debatte gab sie ein Sommerinterview und beendete die Aufregung mit dem wenig aufregenden Satz „Die Debatte ist nicht hilfreich“. Damit war eigentlich alles gesagt. Etliche Männer mit großem Ego sind in den vergangenen Jahrzehnten an dieser Mauer aus Unaufgeregtheit zerschellt und mit jedem weiteren durchdrehenden Alphamännchen um sie herum, das sich an ihr erfolglos abkämpfte, stieg erst mein Erstaunen und dann meine Bewunderung für sie. Tauschen möchte mit ihr sicherlich sowieso niemand und schon gar keine Frau, denn die können diese Probleme sehr gut nachvollziehen.

Meiner Meinung nach ist diese Unaufgeregtheit auch das Erfolgsgeheimnis von Merkels langjähriger Kanzlerschaft, denn – ob man das nun gut findet oder nicht – sie ist ziemlich genau das, was die große Mehrheit der Deutschen von der Bundesregierung erwünscht. Eine Kanzlerin, die unaufgeregt und handwerklich geschickt das Schiff Deutschland durch gute und schlechte Zeiten lenkt, ohne dass man selbst von der Politik zu sehr behelligt wird oder sich Sorgen machen muss und das versteht Merkel meisterhaft. Ob Bankenkrise oder große Eurokrise, ein oder zwei Millionen Flüchtlinge oder sogar eine globale Pandemie, Deutschland wirkte und wirkt auch heute noch wie das Auge eines Wirbelsturms, das von den Unbillen einer unruhigen Welt nahezu unberührt bleibt. Es ist meiner Meinung nach auch kein Zufall, dass Merkel die meiste Zeit eine große Koalition anführte, denn die SPD ist schon seit Langerem eine brave Verwaltungspartei, die politisch orientierungslos von links nach rechts, oben nach unten taumelt, ohne einen echten Kurs zu finden. Die einzig unruhige Phase war die kurze Zeit der schwarz-gelben Regierung mit Guido Westerwelle und dem heute vergessenen Philip Rösler. Worauf sich selbst heute fast alle einigen können, ist dass Deutschland großen Glück hatte, als Christian Lindner die Jamaikaverhandlungen platzen ließ und damit seine erste Staatskrise auslöste und vergessen wir nicht, welches Glück Thüringen hatte, dass es just zum Pandemiechaos die zweite Staatskrise gelöst hatte und nun wieder eine neue, alte Regierung mit Bodo Ramelow an der Spitze hat. Die globale Pandemie beweist, welche Gefahr es ist, Politik als Spielplatz zu betrachten und wie wichtig es ist, dass Leute die politische Arbeit verrichten, die ihre Aufgabe ernst nehmen und die Verantwortung, die sie tragen, annehmen und ihr Bestes geben.

Und ob man ihre Entscheidungen nun gut heißt oder verdammt, diese verantwortungsvolle Ernsthaftigkeit kann man Angela Merkel nicht absprechen und ich muss sagen, es ist auch mein Hauptkriterium für eine Regierungsführung. Ich muss nicht alles gut heißen oder begeistert sein, aber ich bin deutsche Staatsbürgerin und eine Verfassungspatriotin. Dass mein Land verantwortungsvoll und handwerklich ohne unnötiges Chaos regiert wird, empfinde ich als Voraussetzung dafür, Politik erst möglich zu machen. Bevor ich aber zu meiner Kritik komme, möchte ich noch kurz bei meinem Lob für Merkel bleiben. In ihrer ersten und einzigen Ansprache an das Volk sagte sie zum Schluss einen typischen Merkelsatz, als sie denjenigen dankte, „die den Laden am Laufen halten“. Er passt auch gut auf Merkel selbst, denn ihren Laden – die CDU – hat sie übernommen, als er völlig im Sumpf des Spendenskandals und der „jüdischen Vermächtnisse“ versank. Und heimlich, still und leise räumte Merkel den Filz und radikales Gedankengut aus ihrer Partei und modernisierte sie Stück für Stück. Erika Steinbach, Alexander Gauland und weitere sind nun in der AfD und verspritzen da ihr hasserfülltes Gift über Gewalt gegen Zivilisten (Steinbach) oder den Verlust der Gestaltungsmöglichkeiten durch die Niederlage der Nazi-Diktatur am heutigen Tag der Befreiung (Gauland). Auch Korruption ist in der CDU kaum noch zu finden, ich kann mich nicht an einen handfesten großen Korruptionsskandal erinnern, ich glaube die merkwürdige Episode um Christian Wulff ist der einzige größere Skandal, der in den letzten 15 Jahren passierte. Dass Angela Merkel irgendwo schäublehaft zwei Geldkoffer daheim hat oder sich nach ihrer Amtszeit einen gut dotierten Posten in der Autoindustrie oder bei Wladimir Putin besorgt, ist völlig unvorstellbar.

Bevor ich denn nun endlich zu meiner Generalkritik komme, möchte ich noch auf die Ereignisse 2015 eingehen, die Flüchtlingskrise und die darauffolgenden politischen Verwerfungen, die ich für weitaus bedenklicher halte. Ich glaube nicht, dass die Regierung mit einem Flüchtlingstreck von Ungarn nach Deutschland und Österreich andere Wahlmöglichkeiten hatte, Gewalt gegen Frauen und Kinder oder ein Elendslager direkt an der Grenze hätte die deutsche Öffentlichkeit auf keinen Fall hingenommen, jeder Politiker, der das ermöglicht und verteidigt hätte, wäre hinweggefegt worden, so verroht und abgestumpft ist die deutsche Bevölkerung nämlich nicht und man sollte nie die Macht der Bilder unterschätzen. Und in der Flüchtlingskrise wurde Merkel – vielleicht zum ersten Mal in ihrer Kanzlerschaft – wirklich sichtbar.

Sie entschied, die Flüchtlinge – gemeinsam mit Österreich – aufzunehmen und mit Bussen abzuholen und begründete das sehr klug mit Humanismus, christlicher Nächstenliebe und – natürlich – Verantwortung. Sie wusste, welch ein Wagnis das für ihre eigene Karriere und die ihrer Partei war und hat nie versucht, Auswege zu suchen, sondern ist mitten durchgegangen und steht bis heute dazu. Ich bin ziemlich sicher, die Radikalisierung des rechten Rands hätte es so oder so gegeben, aber die Flüchtlingskrise hat die Ereignisse beschleunigt und mit Pegida, dem Erstarken der AfD und vor allem mit ihrer Konzentration auf Angela Merkel unzählig viele hässliche Szenen erzeugt.

Man sollte nicht vergessen, dass die AfD, die Werte-Union, die ganze Bagage der auf Merkel konzentrierten Personen nicht die Mehrheit der Deutschen stellt, aber sie ist unfassbar laut und findet ihren Höhepunkt in heutigen Tagen des Pandemiegeschehens, in denen Merkel (und Drosten) unterstellt wird, eine Diktatur mit Soldateska errichten zu wollen, während in der Realität ein schleichender inoffizieller Rücktritt Merkels stattgefunden hat. Kollektiver Realitätsverlust einer lauten Minderheit scheint mir da nur ein wenig untertrieben und ich kann nur hoffen, dass dies der Höhepunkt des Irrsinns ist und nicht der Anfang.

Und Angela Merkel? Nimmt auch diese Verantwortung an und steckt die Schläge und Unterstellungen weg, ohne mit der Wimper zu zucken. Dass sie die Entwicklungen in Deutschland besorgt, bemerkt man nur, wenn man aufmerksam zuhört. Denn Merkel achtet sehr genau auf ihre Worte und ihre Reden und Rhetorik sind im Zuge des immer stärker werdenden Rechtsextremismus in Deutschland immer und immer klarer geworden, hieß es bei Sarrazin noch „die Debatte ist nicht hilfreich“ war es in Hanau im Februar schon „Rassismus ist Hass, Hass ist Gift“. Wie auch immer ihre Kanzlerschaft im nächsten Jahr endet, der Kampf gegen Radikalisierung und Rechtsextremismus wird ihren Nachfolgern und der deutschen Bevölkerung insgesamt als Bürde bleiben und aufgenommen werden müssen.

So. Nachdem ich nun vermutlich die Merkelkritiker als Leser schon verloren haben, komme ich nun zur Kritik. Denn bei aller Bewunderung für ihre Bescheidenheit und ihre handwerklich gute Verwaltungsarbeit, halte ich Merkel nicht für eine gute Politikerin. Das ist eher ein Vorteil für die Kanzlerin, denn ich kann mit der Union politisch auch wenig anfangen. Aber Politik ist eben keine Verwaltung, sie lebt von Ideen und Veränderung und vor allem von Gestaltungswillen. Und all das ist kaum bei Angela Merkel zu finden, obwohl ich dazu sage, dass ich meine Kritik an der ganzen Bundesregierung ausüben muss, denn es ist eigentlich unmöglich, herauszufinden, was davon auf Merkel und was davon auf Bundesminister oder Berater oder sonstwen zurückzuführen ist.

Berühmt-berüchtigt ist Angela Merkel ja für ihre Kehrtwenden aus dem Nichts, die ehrlich gesagt häufig ein wenig rätselhaft bleiben. Dass sie die Bierdeckel-Steuer-Idee 2005 über Bord warf, kann ich noch gut verstehen, wäre mit der SPD auch nicht zu machen gewesen. Dass der Atomausstieg wieder rückgängig gemacht wurde, war eigentlich schon verwunderlich, aber ein Kernanliegen der CDU und der Ausstiegsgedanke noch frisch genug, um die erste Kehrtwende einzuleiten. Als die Bilder der explodierenden Meiler von Fukushima die ganze Welt schockierten, war der Ausstieg 2.0 sicher folgerichtig und Merkels Verkündung dieser Kehrtwende erfolgte extrem schnell und bleibt ein wenig rätselhaft. Ging es darum, die Debatte schnell zu beenden, war ihr das Thema egal oder war sie vielleicht eh keine Freundin der Kernkraft mit ihren mannigfaltigen Problemen? Man weiß es nicht.

Der Mindestlohn, eines der Kernthemen der SPD wurde kurz vor einer Bundestagswahl eingeführt, ohne großes Drama räumte Merkel dieses Thema ab und die großen Befürchtungen über Massenarbeitslosigkeit und Firmensterben sind auch nicht eingetroffen; die Debatte ist über die Wirtschaftsliberalen hinweg gegangen und hatte sich bis zum Pandemieausbruch schon auf eine Erhöhung des Mindestlohns verlagert. Ob es hier nur um asymmetrischen Wahlkampf ging oder mehr dahinter steckte, bleibt ungewiss. Auch die Aussetzung der Wehrpflicht und Umbau zur Freiwilligenarmee fiel in die Regierungszeit Merkels und ich kann mich ehrlich nicht erinnern, ob sie sich überhaupt jemals persönlich dazu geäußert hat? Die Verkündung fiel noch in die Zeit zu Guttenbergs und die Umsetzung übernahm dann von der Leyen und jetzt Kramp-Karrenbauer. Der skurrilste Fall war aber die Ehe für alle, die irgendwie in einem Nebensatz im Sommerinterview vor der letzten Bundestagswahl mal erwähnt wurde und anstatt die Mann-Frau-Ehe zu verteidigen, erklärte Merkel, dass eine offene Abstimmung doch eine zeitgemäße Idee sei und ich meine schon eine Woche später war der große Schritt erledigt und die Ehe für alle eingeführt. Die Flüchtlingskrise würde ich ähnlich wie die Finanzkrisen und Pandemie mal ausnehmen, denn dies waren alles Ereignisse, die von außen begannen und in denen schnelle Entscheidungen nötig waren.

Um es gleich vorweg zu nehmen, aus meiner progressiven Sicht waren der Atomausstieg, Mindestlohn, Aufgabe der Wehrpflicht und auch die Ehe für alle alles Veränderungen, die unausweichlich waren und die heute übrigens auch alle von der großen Mehrheit breit akzeptiert und unterstützt werden. Die Gesellschaft verändert sich unabhängig von der Politik und auch der politischen Kommunikation und irgendwann, wenn der öffentliche Druck groß genug ist, muss eine demokratische Republik darauf reagieren. Schließlich ist sie von den Wahlstimmen des Volkes abhängig. Aber ich kann schon verstehen, dass altgediente Konservativ-Liberale sich von diesem leichthändigen Sprung in die Moderne überrumpelt fühlten. Jahrelang wurde über all diese Themen gestritten, als hinge das Schicksal der Welt davon ab und dann werden die in kürzester Zeit vom Tisch geräumt und das Thema ist erledigt. Es bleibt auch ungewiss, ob Merkel hier nur aus taktischen Gründen einen Schlusspunkt der gesellschaftlichen Entwicklung setzte oder mehr dahinter steckte. Unbestritten bleibt, dass der Erfolg durchschlagend war und sie mehrmals – und auch in der letzten Bundestagswahl – die absolute Mehrheit nicht weit verfehlte. Und es liegt mir übrigens fern, Merkel ihre gute Taktik übel zu nehmen. Die SPD und andere Parteien haben ihre schlechten Wahlergebnisse selbst zu verschulden und sollten die Schuld dafür nicht bei Angela Merkel suchen, sondern bei sich selbst.

Während diese Kehrtwenden meist noch von Merkel persönlich verkündet oder eingeleitet wurden, setzt meine Kritik hauptsächlich in den Ministerien an. Es ist ungewiss, wie viel Einfluss Merkel auf ihre Ministerien nimmt, aber im Rückblick betrachtet war Deutschlands Wohl und Wehe in der Umsetzung und auch Gestaltung der Politik immer extrem von den jeweiligen BundesministerInnen abhängig, die starke eigene Akzente setzen konnten – egal ob zum Guten oder zum Schlechten. Ebenfalls wurden viele Entscheidungen einfach gar nicht getroffen, sondern dem Volk (Stuttgart21), Europa oder dem Bundesverfassungsgericht überlassen, was ich aus demokratietheoretischen Gründen generell ablehne.

Ich möchte nur an die unselige Episode mit Wolfgang Schäuble als Innenminister erinnern, der sich mit großem Elan daran machte, zur Bekämpfung des Terrorismus Bürgerrechte einzuschränken und vom Bundesverfassungsgericht mehrfach eingefangen wurde. Passend zur jetzigen Coronakrise möchte ich nur an die Idee erinnern, eine vollbesetzte Passagiermaschine von der Bundeswehr bei einem Terrorismusangriff abschießen zu lassen. Dieses Gesetz wurde wieder einkassiert, weil man „Leben nicht gegeneinander abwägen darf“, sollte man Wolfgang Schäuble oder Boris Palmer vielleicht mal wieder in Erinnerung rufen. Danach wechselte Wolfgang Schäuble ins Finanzministerium, obwohl seine Verwicklung in die Spendenaffäre nie wirklich aufgeklärt wurde, ein unrühmlicher Start. In seine Zeit fiel teilweise auch die Banken- und Finanzkrise, die vor allem als es um Griechenland, Spanien und Italien ging fast komplett von chauvinistisch-nationalistischer Rhetorik überschattet wurde statt von seriöser Sachpolitik und in Europa und der EU einen Schaden verursachte, der immer noch nachwirkt. Von den Querelen in der Finanzpolitik mit der Bundesbank und der EZB gar nicht erst zu reden.

Kurz vor seiner Rente setzte Voßkuhle mit dem neuesten Schwank aus dem Bundesverfassungsgericht dem Ganzen die Krone auf und verursachte mitten in der Pandemie-Chaos-Phase einen kapitalen Konflikt mit dem europäischen Gerichtshof. Wie dieses Dilemma bzw diese Verfassungskrisen gelöst werden – auch noch in einer Zeit, in der sämtliche anderen Notenbanken auf der Welt gerade die komplette Staatsfinanzierung übernommen haben – steht noch in den Sternen. Die EZB zeigt sich eher not amused. Zu Westerwelles unglücklichem Agieren als Außenminister und zu Guttenbergs Bemühungen, die Bundeswehr zur Freiwilligenarmee auszubauen komme ich noch.

Es war aber auch nicht alles schlecht, denn wenn die Ministerien anständig geführt wurden und die MinisterInnen neue Ideen und Reformvorhaben einführen wollten, stand Merkel dem auch nicht im Weg. Die Praxisgebühr noch unter Kanzler Schröder eingeführt, wurde ersatzlos ausgerechnet von der FDP wieder abgeschafft. Ursula von der Leyen modernisierte – nach außen im Alleingang – die Familienpolitik Deutschlands mit Einführung des Elterngeldes und dem Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz und machte danach im Verteidigungsministerium weiter.

Auch die sozialere Politik ging zu großen Teilen von den Ministerien aus. Lobend erwähnen möchte ich auch unseren heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der der letzte Außenminister war, der das Amt mit Gewicht ausfüllte und die Verhandlungen innerhalb der Ukraine und mit Russland begann, bis heute hat Deutschland eine führende Rolle in den diplomatischen Bemühungen in Minsk inne. Zudem muss Steinmeier als Beweis herhalten, dass das Amt des Außenministers nicht zwangsläufig zu einer höheren Beliebtheit führt, seinen Nachfolgern ist – zurecht wie ich finde – weniger Glück beschieden gewesen.

Außen- und Sicherheitspolitik

Nirgends aber zeigt sich die Abwesenheit einer kanzlerischen Richtlinienkompetenz so klar, wie in der Außen- und Verteidigungspolitik Deutschlands, die die gesamten 15 Jahre lang von den BundesministerInnen geprägt wurde und daraus ihre Unberechenbarkeit – wie Stefan Sasse es untertreibend nannte – bezieht. Ich komme auch nicht umhin, Merkel und ihren wechselnden Regierungen hier wirklich ein ganz schlechtes Zeugnis auszustellen, denn nirgends ist Kontinuität und Beständigkeit wichtiger als in der Außen- und Sicherheitspolitik. Davon war und ist weit und breit leider nichts zu sehen und erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur verschiedene MinisterInnen, sondern auch immer wieder ganz unterschiedliche Parteien mit dieser Politik beauftragt waren, das Außenministerium war meistens in SPD Hand (Steinmeier, Gabriel, Maas) oder aber bei der FDP mit Guido Westerwelle. Das Verteidigungsministerium, generell als Schleudersitz bekannt, wurde der CSU nach dem unrühmlichen Abgangs zu Guttenbergs wieder entrissen und von der Leyen zum Aufräumen übergeben und nun von Kramp-Karrenbauer übernommen.

Das Ganze ist eigentlich ein einziges Fiasko und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Also nehmen wir erstmal Europa. Die große Eurokrise, in dessen Zentrum Griechenland, Spanien und Italien standen, markiert vielleicht den Anfang, auch wenn es sich dabei eher um ein finanzpolitisches Thema handelt. Ich halte auch die Austeritäts- und Fiskalpolitik hier, die vor allem von Deutschland sogar gegen den IWF durchgesetzt wurde, für falsch. Aber das größere Problem war, dass die Debatte all die Jahre und auch heute noch von schrillen, nationalistischen Tönen bestimmt wurde, denen sich niemand wirklich entgegenstellte, sondern die höflicher als die Bildzeitung aber dennoch befeuert wurden.

Es ist kein Zufall, dass in diesem Zeitraum die AfD unter Bernd Lucke entstand und die Renationalisierung ihren Anfang nahm. Innerhalb der EU führte das zu viel Unmut und Feindschaft und ist bis heute nicht vergessen, vor allem da jetzt in der Pandemie vor allem Spanien und Italien betroffen sind und mit noch größerem Unverständnis auf das deutsche finanzpolitische Moralisieren blicken. Dass in die Regierungszeit Merkels auch der Lissabon- und Nizzavertrag fielen, war zwar wegweisend, aber schon fast wieder zu vernachlässigen, weil die Verfassung der EU ebenfalls ein einziges Desaster war. Hinzu kommt das Abdriften vor allem Ungarns und Polens in autoritäre Staaten, bzw in Proto-Diktaturen, der nicht nur nicht aufzuhalten ist, sondern vor allem von der CSU auch massiv unterstützt wird. Vergessen wir nicht, wie oft die CSU Victor Orban zu sich einlud und dass Oettinger heute ganz offiziell in der Presseabteilung Ungarns arbeitet.

Besonders deutlich wird die Abwesenheit Merkels, seit Macron französischer Präsident ist und immer wieder mit großen Gesten versucht, an die Tradition der deutsch-französischen Achse als Treiber der EU anzuknüpfen und jedes Mal wieder eine höflich-ignorierende Abfuhr von Merkel erhält. Die weltweite Coronakrise zeigte schließlich auch den letzten naiven Europafreunden auf, dass die Fliehkräfte in der EU gewaltig sind, sie brach als übergeordnete Institution irgendwie komplett zusammen, verständlich da sich in der Panikphase jeder erstmal um sein eigenes Land kümmern musste, aber es dauerte quälend lange, bis die EU überhaupt wieder ansprang und eigene Hilfslieferungen nach Italien und Spanien – unbemerkt von der Öffentlichkeit – in Gang setzte und sich für die Rückholaktion sämtlicher gestrandeter EU-Bürger auf der ganzen Welt mal zusammentat, um das zusammen zu koordinieren.

Auch fiskalpolitisch gelang nur ein mühsam errungener Kompromiss, der ganz sicher nicht für die Krisenkosten ausreichen wird. Vom weiteren Demokratieabbau in Ungarn, Polen und Tschechien und dem größten Stau in der Geschichte Europas an der polnischen Außengrenze, zu der die Bundeswehr mit einer Gulaschkanone anrücken musste, ganz zu schweigen. Das alles ist natürlich nicht die Schuld von Angela Merkels oder Deutschlands, aber es gilt auch hier: „Auch Nichthandeln hat Konsequenzen“ und es war niemand da, der sich dem Ganzen entschlossen entgegenstellte. Aktuell erscheint die EU nach außen heil und nach innen wie ein rauchendes Ruinenfeld, umso schlimmer weil Nationalismus eine gefährliche Dynamik hat, die einmal losgetreten kaum wieder einzufangen ist. Und wer sollte das besser wissen als wir in Deutschland?

Und damit zur großen weiten Welt, in der es tatsächlich noch chaotischer zugeht als in Europa. Bevor es ganz in Vergessenheit gerät, ein kurzer Ausflug ins Verteidigungsministerium. Zunächst wäre hier der noch unter Schröder begonnene und bis heute andauernde Afghanistanfeldzug zu nennen, der einzige ernsthafte und langwierige Kriegseinsatz, den die Bundesrepublik bis dato hat. Natürlich ist der Gestaltungsspielraum hier nicht allzu groß, denn schließlich ist man in die NATO-Strukturen eingebunden und das muss man wohl als großes Glück betrachten. Insgesamt ist Afghanistan ein irgendwie vergessener Kriegseinsatz, der nie eine wirkliche Strategie verfolgte. Man suchte Bin Laden, kämpfte gegen die Taliban, wollte sich mal wieder am nation building versuchen und tat alles recht halbherzig und ohne Erfolg. Unter Obamas Amtszeit gelang schließlich das Auffinden und die Tötung von Osama bin Ladens in Pakistan. Mittlerweile läuft seit Jahren der Abzug aus Afghanistan und die Taliban stehen bereit, die Herrschaft wieder zu übernehmen.

So wirklich wurde Deutschlands Rolle in diesem unseligen Krieg nie wirklich definiert, irgendwie konnte man aus dem NATO-Verbund nicht wieder ausscheren, mitmachen wie die anderen wollte man auch nicht, was mehrmals Ärger mit den Verbündeten bedeutete, die wenig Verständnis dafür hatten, dass deutsche Soldaten Brunnen bauten, während britische, amerikanische und andere im Gefecht standen. Zudem war das nun wiedervereinigte Schwergewicht völlig unvorbereitet auf so einen Einsatz, bei dem man sich plötzlich mit Gefallenen, Zivilisten als Kollateralschaden, verwundete und traumatisierte Soldaten konfrontiert sah und auf die man im Großen und Ganzen mit einer unentschuldbaren Inkompetenz und Lernunwilligkeit reagierte, dass ich mich heute noch stellvertretend bei allen in- und ausländischen Opfern dieser Politik entschuldigen möchte. Dass deutsche Soldaten auch heute noch in Afghanistan, Mali, Kosovo, bei Marinemissionen und anderen Einsätzen mit Verbündeten im Ausland unterwegs ist, wird sowohl von der Politik als auch der deutschen Öffentlichkeit gerne verdrängt.

Während dieser Phase fand im Verteidigungsministerium der größte Umbruch seit der Wiederbewaffnung statt, nämlich die Aussetzung der Wehrpflicht und der Umbau zur Freiwilligenarmee. Das Ende des kalten Krieges hatte zu einem enormen Abbau der Bundeswehr geführt und so war diese Änderung letztlich unausweichlich und wurde von zu Guttenberg ohne große Diskussion verkündet und wohl stümperhaft in die Wege geleitet, bevor es zu seinem unrühmlichen Abgang kam. Es folgte Ursula von der Leyen und ich mag sie übrigens nicht besonders, aber die Frau scheint ja ein Phänomen zu sein. Für Unionsverhältnisse ein Jungspund, Ärztin und sieben Kinder, vorher Arbeits- und Familienministerin nahm sie nun auf diesem Schleudersitz Platz und ging mit großem Elan an diese Herkulesaufgabe heran. Und bei allen Skandalen um Mckinsey und Handydaten, aber man sollte ihr zugestehen, dass sie keine Freundin halber Sachen ist und wer sich ans Aufräumen macht, findet nun mal zunächst jede Menge Staub und Dreck.

Die ganzen „Skandale“ rund um marodes Gerät, das Beschaffungswesen und rechtsextreme Tendenzen sehe ich übrigens eher als positiv an. Das sind Probleme, mit denen die Bundeswehr seit Jahrzehnten zu kämpfen hat und über die vdL nicht den Teppich drüber gezogen hat, sondern einen großen Umbau in die Wege geleitet hat. Wie erfolgreich und nachhaltig das letztendlich wirkt, werden erst die künftigen Jahrzehnte zeigen. Ihrer Karriere hat es zumindest nicht geschadet, sondern sie hat sich nun sogar einer noch größeren Aufgabe als Kommissionspräsidentin der EU angenommen. Unvergessen das Bild von Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauers bei der Vereidigung ihrer Nachfolgerin und welch ein Debakel vor allem für die SPD, dass die Konservativen die drei wichtigsten weiblichen Politikerinnen Deutschlands stellt.

Global gesehen hat sich die Welt nach dem Ende des kalten Krieges umsortiert und aktuell in drei Blöcke gespalten. Zum Einen die NATO, die seit dem „Ende der Geschichte“ recht orientierungslos wirkt und mit Trump und einer viel zu großen EU und einer Türkei an der Außengrenze gerade massive Fliehkräfte hat. Und Russland und China, die mit frischem Selbstbewusstsein in dieses Vakuum hereindrängen. Stefan Sasse hat in seinem grandiosen Artikel über das Sterben von Weltordnungen bereits etliches davon skizziert. Nirgends ist diese Verwirrung deutlicher zu sehen als im deutschen Außenministerium, natürlich vor allem seit der Besetzung der Krim und der immer noch schwelenden Ukrainekrise. Konnte Steinmeier noch einige kurzfristige diplomatische Erfolge erzielen, die von der Realität schneller eingeholt wurden als er aus dem Flugzeug steigen konnte, hat sich die deutsche Parteienlandschaft in höchst merkwürdige Blöcke aufgeteilt.

Den Anfang dazu machte Guido Westerwelle als er in der Libyenkrise während der Anfänge des arabischen Frühlings völlig unvermutet im UNO-Sicherheitsrat für eine Enthaltung stimmte. (fast vergessen übrigens die früheren Bemühungen um einen permanenten Sitz). Warum und wieso es zu dieser Enthaltung kam, weiß ich zumindest bis heute nicht, es spielte insgesamt eigentlich auch keine Rolle, denn die NATO intervenierte und der Einsatz endete recht schnell mit dem Tod Ghaddafis. Es entfremdete Deutschland allerdings von seinen Verbündeten und sorgte für massive Verwerfungen, weil man Marineschiffe aus dem NATO-Verbund im Mittelmeer abziehen musste und es sogar Streit um Überflugsrechte gab, so dass Deutschland als NATO-Mitglied den Einsatz schließlich sozusagen passiv unterstützte. Man müsste fast von den „guten alten Zeiten“ sprechen, denn die Krimkrise und Putins imperialistische Bemühungen im Osten versetzten nicht nur die kleineren Oststaaten in Panik, sondern sorgten auch für merkwürdige Partei-Allianzen in der deutschen Außenpolitik. Während die CDU und die Grünen weiterhin zur Westbindung und zum NATO-Bündnis stehen, ist der Wunsch von SPD, FDP und AfD recht klar, wieder zur alten Vermittlerrolle zwischen Ost und West zurückzukehren und eine Annäherung an Putin und Russland zu suchen.

Dies lässt sich besonders gut an der SPD betrachten, die nun wieder seit sieben Jahren den deutschen Außenminister stellt. Während mir von Gabriel kaum was in Erinnerung geblieben ist, fällt Heiko Maas ein ums andere Mal durch seine beliebigen Rufe nach Diplomatie auf, ohne dass man wüsste, was und wie diplomatisch geregelt werden sollte. Man muss allerdings eingestehen, dass Deutschland im EU-Verbund sowohl mit Arabien vor kurzem als auch am Iran-Deal beteiligt war. Durch die Coronakrise bleibt uns immerhin die Debatte erspart, inwiefern Deutschland sich militärisch an der Absicherung des diplomatischen Durchbruchs beteiligen sollte.

Gott sei Dank, denn die SPD – orientierungslos taumelnd wie eh und je – hat seit dem letzten Bundestagswahlkampf einen mir unverständlichen Nostalgieschwenk zum Pazifismus gemacht, der für eine Regierungspartei eigentlich gar nicht gangbar ist, zumindest nicht, wenn sie nicht wie die LINKE direkt den Austritt aus der NATO anstrebt. Schon im letzten Wahlkampf versuchte man tatsächlich, Angela Merkel (!) Militarismus (!) anzudichten und von irgendwoher kam schon damals wieder die Debatte um fremde Atombomben der NATO auf deutschem Boden (wenn ich mich recht erinnere, hatte auch Westerwelle dieses Thema kurz angefasst?).

Rolf Mützenich und Saskia Eskens (nein ich musste diesmal nicht googlen) haben sogar mitten in der großen globalen Pandemiekrise – der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg – nichts besseres zu tun als eine Nostalgieshow um den NATO-Doppelbeschluss aus den 70er-Jahren aus der Mottenkiste zu kramen und wieder ein Trara um Atombomben irgendwo in Deutschland zu veranstalten, von denen doch normalerweise niemand weiß, wem die gehören und wo die eigentlich sind. Schließlich hat man Atombomben sowieso nur, um sie niemals einzusetzen. Was DemonstrantInnen aus dem Kalten Krieg ja wohl wissen sollten, Frau Eskens! Wenn ich nicht in der Pandemie-Chaos-Apokalypse den Ausbruch des 3. Weltkriegs oder sonst ein einschneidendes Erlebnis verpasst habe, ist der Auslöser dieser „Kontroverse“ Kramp-Karrenbauers Entscheidung, demnächst einige F18-Jets (sowie Eurofighter) für die deutsche Bundeswehr zu erwerben, mit denen man theoretisch auch Atombomben abwerfen könnte, mir wurde jedoch versichert, dass die F18-Jets auch im Luftkampf und für andere Dinge eingesetzt werden können.

Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Dass die Verteidigungsministerin flugbereite Flugzeuge einkaufen geht, scheint mir angesichts der Weltlage und der Skandale der letzten Jahre, ja mal eine wirklich gute Idee. Und liebe SPD, ihr seid eine Regierungspartei, wenn ihr nicht mehr dazu steht, dass Deutschland in der NATO ist, dann solltet ihr aber mal dringend darüber nachdenken, was ihr da überhaupt noch zu suchen habt? Denn dass es neuerdings SPD-Richtlinie ist, aus der NATO auszutreten oder drinzubleiben und seine Bündnispflichten aber nicht zu erfüllen, ist mir noch nicht zu Ohren gekommen, das wüsste ich dann nämlich gerne. Die Bundeswehr ist kein Spielzeug für Wahlkämpfe, sie ist eine Parlamentsarmee und ich erwarte, dass alle Parlamentarier die Verantwortung dafür wahr- und übernehmen. Es bleibt zu hoffen, dass diese weitere unrühmliche Episode im jetzigen Chaos schnell vergessen wird. Die Zukunftsaussichten für die deutsche Parteienlandschaft und die globale Lage stimmen einen nicht gerade beruhigend und ich würde doch gerne bei meiner Graswurzelkampagne für Giffey/Baerbock/Habeck bleiben.

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  • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 13:10

    Ja, danke. Im Grunde sagst Du, ich mag Angela Merkel mehr als alle anderen. Sie macht keine Fehler, außer vielleicht bei der Personalauswahl, aber dafür kann sie ja nichts, weil politisch aufgedrückt.

    In Deinem ganzen, sehr langen Artikel findet sich über Merkels 15 Jahre währende Regierungszeit kein einziger politischer Bereich, den Du ihr zuschreibend kritikwürdig findest. Die Eurorettungspolitik? Geht klar auf das Konto des Schwarzen Lords Schäuble, dem Du nebenbei mit dem Luftsicherheitsgesetzes etwas zuschreibst, was er wirklich nicht verbrochen hat. Voreingenommenheit oder falsch in Erinnerung? Anyway, es passt ins Bild, dass Du anderen, vornehmlich Liberalen und den bösen CDUlern rechts von Merkel (also der Mehrheit) nur Schlechtes zutraust.

    Aber Angela Merkel selbst? Es gibt nichts, nicht einmal ihre Durchführungsverordnungen. Alles bestens. Vielleicht habe ich zwischen den Zeilen ja etwas überlesen, aber Du hast in erster Linie eine Hommage geschrieben. Das solltest Du dann doch kenntlich machen. 🙂

    • Kirkd 8. Mai 2020, 13:54

      Interessant, ich hatte mit einer Lobeshymne gerechnet und dachte am Ende, das war ja eine ziemliche Abrechnung.

      • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 14:38

        Stefan ist was Merkel angeht einfach sehr emotional, der kann da nicht rational rangehen 🙂

    • Ariane 8. Mai 2020, 14:29

      Genau, ich hab einfach einen sehr sehr langen Liebesbrief an Angie geschrieben, gut erkannt.

      Vielleicht nimmst du dir mal die Zeit, vergisst kurz deine frauenfeindliche Merkel-Obsession, und liest nochmal genau. Ich habe sie am Ende nicht mehr direkt erwähnt, weil ich überhaupt keine Ahnung habe, ob sie das veranlasst hat oder hat laufen lassen oder das überhaupt mitbekommen hat. Ich weiß es nicht. Meine Kritik ist übrigens sehr deutlich: Sie hat ihre Richtlinienkompetenz nicht genutzt, sie hat keine Linie vorgegeben, sie hat die Debatten nicht geprägt. Außer einmal. Und wenn man sich ansieht, wie sie heute verfemt wird, kann ich ihr ihr Schweigen allerdings kaum übel nehmen. Und tue es dennoch.

      Schade, dass du den Artikel nicht so verstanden hast, wie ich ihn geschrieben habe, sondern ihn einfach als Liebesbrief dastehen lässt.
      Übrigens wurden genug von Schäubles Großtaten mittlerweile einkassiert, ich habe auch Afghanistan erwähnt, das hat auch niemand aus der jetzigen Regierung in die Wege geleitet. Aber da hab ich ja keine Kritik an einem deiner Lieblinge geübt. Und wie dir auffällt tauchen so meine ich fünf CDU-Personen auf und ich habe sowohl gelobt als auch kritisiert.

      • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 14:35

        Meine Kritik ist übrigens sehr deutlich: Sie hat ihre Richtlinienkompetenz nicht genutzt, sie hat keine Linie vorgegeben, sie hat die Debatten nicht geprägt.

        Das sind im weitesten Sinne Stilfragen. Aber: keine einzige der von ihr vertretenen Politiken kritisierst Du. Die Eurorettungspolitik lädst Du (zu Recht) weitgehend bei Schäuble ab. Es bleibt die Quintessenz, dass Du mit den Ergebnissen der Politikerin Merkel sehr weit einverstanden bist – so weit das eine Linke überhaupt sein kann. Nur, Ariane, wenn Du zu dieser Schlussfolgerung kommst, wieso ist es Dir so wenig einseitig, dass ein Liberaler das ganz anders sehen muss? Ganz ohne Hass, einfach, weil ein Liberaler für ganz andere Werte und Lösungsansätze eintritt.

        Das ist doch nicht schwer. Oder doch? Merkel ist eben nicht der gemeinsame Nenner, sondern das linkslibertäre Chamäleon.

        • Ariane 8. Mai 2020, 14:54

          Wäre es dir irgendwie möglich, mit mir zu diskutieren, ohne mir Hass oder Dummheit zu unterstellen? Das wäre mir sehr lieb 🙂

          Ich habe es doch erklärt, ich habe keine Ahnung, was Merkel da eigentlich dachte. Immerhin ist die EU nicht schon vor etlichen Jahren zerbrochen. Aber federführend waren nun mal die jeweiligen Ministerien.
          Und da setzt auch meine Kritik an, ich habe keine Ahnung, was meine eigene Bundeskanzlerin von all den Sachen, die ich im Artikel erwähnt hab, denkt. Und ich finde, es ist ihre Aufgabe, dass ich es weiß, in dem sie die Debatten, die in der deutschen Öffentlichkeit ablaufen, mitgestaltet und prägt.

          Das ist meine Kritik. Was anderes kann ich schlicht nicht kritisieren, weil ich es schlicht nicht weiß. Sie hat einmal eine chauvinistisch-nationalistische Debatte einfach laufen lassen, bis sie total aus dem Ruder war und ernsthaft diskutiert wurde, die ganze EU aufzulösen. Ein anderres Mal hat sie diese Debatte selbst ausgelöst mit ihrer Entscheidung in der Flüchtlingsfrage und das wieder eskalieren lassen, bis wir drei Terroranschläge innerhalb von neun Monaten hatten. Das kritisiere ich vehement! Ich glaube, der Turnaround, der in der Rhetorik und auch im Verfassungsschutz angekommen ist, kam viel zu spät.

          Das möchtest du nur nicht hören, weil du andere Kritik an Merkel hast. Das ist ja auch legitim. Nur dass du meinst, ich hätte einen Liebesbrief geschrieben und versprühe Hass und bin zu dumm, um deine Worte zu verstehen. Nein, das finde ich nicht mehr legitim. Das ist meine Meinung. Und nur weil sie nicht deine ist, muss sie nicht falsch, hasserfüllt oder dumm sein.

          Und eigentlich wusstest du das übrigens mal.

          • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 15:00

            Wäre es dir irgendwie möglich, mit mir zu diskutieren, ohne mir Hass oder Dummheit zu unterstellen?

            Könntest Du irgendwie mit mir über das diskutieren, was ich schreibe und nicht das, was Du in meine Texte hineininterpretierst? Ich muss mich fast nie für das korrigieren, was ich geschrieben habe, aber häufig für das, was andere gelesen haben. Bei Dir nimmt das aber extreme Ausmaße an.

            Ich habe von keinem Liebesbrief geschrieben. Es mag ja in Ordnung sein, dass Du den Begriff der Hommage so umdeutest. Aber es geht zu weit, dafür von mir Rechtfertigung und Entschuldigung zu erwarten. Hommage (= Ehrenerweis) ist eine Hommage und kein Liebesbrief. Und Deutsch bringe ich Dir hier nicht mehr bei. Oder Latein. Oder Französisch.

            • Ariane 8. Mai 2020, 15:35

              Aso, steht da oben nicht folgendes?

              Ganz ohne Hass, einfach, weil ein Liberaler für ganz andere Werte und Lösungsansätze eintritt.

              Ich halte nichts von Hass und wende ihn möglichst weder schriftlich noch mündlich an. Ich achte nämlich auch auf meine Worte. Und auf deine. Du musst dich auch nicht rechtfertigen übrigens, hab ich nicht verlangt.

              Aber dann wende deine guten Ratschläge auch bitte auf dich selbst an. Ich habe das gleiche Recht wie du, hier meine Meinung zu sagen und möchte das tun, ohne dass mir Hass oder Dummheit oder sonstwas unterstellt wird.

              • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 15:49

                Niemand schreibt so oft von Hass und solchen Sachen wie Du und Stefan. Dafür, dass Du nichts davon hältst, beschäftigst Du Dich sehr viel damit und findest ihn völlig erstaunlich vor allem bei anderen.

                Ich habe das gleiche Recht wie du, hier meine Meinung zu sagen und möchte das tun, ohne dass mir Hass oder Dummheit oder sonstwas unterstellt wird.

                Das fände ich auch sehr gut. Nimmst Du Dir das vor?

                • Ariane 8. Mai 2020, 16:05

                  Ich schreibe nicht von Hass. Außer du meinst Nazis. Ich hasse Nazis auch nicht, ich lehne sie ab. Ich bemühe mich sehr darum, keinen Hass zu empfinden und achte da auf meine Worte.

                  Wenn du meinst, ich schreibe hasserfüllt und dich persönlich davon getroffen fühlst, dann zitiere bitte die Stelle, die dir aufstößt, damit ich das in Zukunft vermeiden kann.
                  Wenn es aber bedeutet, dass ich meine Meinung nicht mehr höflich ausdrücken darf, muss ich leider ablehnen. Gleiches Recht für alle.

                  • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 16:08

                    Nein, habe ich wieder nicht geschrieben und muss mich trotzdem dagegen wehren. Nur Du und Stefan benutzt das Wort „Hass“ fast in allein Kommentaren, die unter Artikeln stehen. Niemand sonst macht das. Andere hassen natürlich, wenn sie kritisieren. Ihr nicht. So ist die Welt in Ordnung. 😉

                    • Ariane 8. Mai 2020, 17:29

                      Lies nochmal nach, in diesem Kommentarstrang und auch im Artikel meine ich, dass ich außer im Merkel-Zitat kein einziges Mal von Hass gesprochen habe.

                      Ansonsten bitte ich diesmal tatsächlich um ein Zitat.

                    • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 17:55

                      In diesen Kommentaren kommt der Begriff 21 mal bisher vor, 14 mal von Dir, bei mir weitgehend nur als Zitat oder Zurückweisung. Einfach die Funktion Suchen einschalten.

                      Auch im eigentlichen Thread über die Kanzlerschaft Merkels macht Stefan den Opener. Und auch in meinem Artikel schreibt Stefan alleine das H-Wort.

                      Wir können das wirklich so durchgehen. Nie kommt dies von mir oder Erwin Gabriel. Es ist Eure Passion, solche Verhaltensweisen zu unterstellen.

                • Ariane 8. Mai 2020, 16:05

                  Und falls das irgendwie erwähnt werden muss, du weißt, dass ich dich sehr schätze und für klug und eigentlich auch für fair halte. Und ganz bestimmt nicht hasse. Oo

      • Erwin Gabriel 8. Mai 2020, 19:33

        @ Ariane 8. Mai 2020, 14:29

        Vielleicht … vergisst kurz deine frauenfeindliche Merkel-Obsession …

        Liebe Ariane,

        Man kann Merkel mögen, wie Du das tust (obwohl das wenig mit einer politischen Betrachtung zu tun hat), oder man kann sie aufgrund ihrer Entscheidungen kritisieren. Aber wenn jemand sie ablehnt aufgrund ihres Agierens oder Nicht-Agierens, hat das nix mit Frauenfeindlichkeit zu tun. Dich nennt auch niemend eine Männer-Hasserin, nur weil Du Trump ablehnst.

        Was Du da tust, ist ein ganz tiefer Griff in die unterste Schublade.

        PS: Ist OK, wenn Du Merkels Stil magst. Ihre unaufgeregte Art ist sicherlich aus meiner Sicht das Beste an ihr, ich habe sie auch 2009 gewählt. Es ist aber aus meiner Wahrnehmung das Einzige, was sie zu bieten hat.

        • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 19:42

          Ja, das mag ich auch sehr. Ich finde sie sieht damit vor allem im Rückblick und im Gegensatz zu Schröder sehr gut aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Typ wie Goldkettchen-Gerd noch mal Kanzler wird.

          Aber dann konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass Trump Präsident wird.

          • Ariane 8. Mai 2020, 19:53

            Ist als Politiker und besonders als Politikerin auch extrem schwer, weil das eben sehr unsichtbar ist. Übrigens mag ich ihren Stil und habe ihn dennoch kritisiert, wenn ihr vielleicht etwas genauer lest.

            Die Zukunft ist jetzt ja eh ungewiss, aber ich kann mir auch vorstellen, dass es eine gewisse Sehnsucht nach einem ganz anderen Typus gibt. Und einer wie Merz bedient das glaub ich. Aber Merkel führt die Partei jetzt ca 20 Jahre und viele Jüngere kennen nur sie und sind eher der Typ vdL oder AKK, deswegen glaube ich nicht, dass das (normalerweise) für eine Mehrheit reicht. Eigentlich braucht die CDU auch eine Art Söder, aber da wüsste ich jetzt keinen. Altmeier?? 😀

        • Ariane 8. Mai 2020, 19:50

          Es ist mir egal, ob Stefan Merkel ablehnt oder nicht. Aber ich lasse mich nicht von oben herab behandeln, weil ich eine andere Meinung hab. Dann soll er sich mir gegenüber doch bitte ebenfalls höflich verhalten oder hast du ihn zufällig auch kritisiert? Wär mir nicht aufgefallen?

          Ich achte durchaus darauf, wie ich schreibe, aber das heißt nicht, dass jeder mit mir reden kann, als wäre ich ein kleines, dummes Blondchen, das gleichzeitig eine gemeine Hexe ist. Das finde ich übrigens auch einen Griff in die unterste Schublade. Entweder sind wir alle höflich zueinander oder ich hau zurück. Und dann dürft ihr euch gerne in einer virtuellen Kneipe ausheulen, aber nicht bei mir!

          • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 20:44

            Und dann dürft ihr euch gerne in einer virtuellen Kneipe ausheulen, aber nicht bei mir!

            Und das findest Du dann höflich? Kopfschüttel. Anderen vorzuwerfen, sie würden heulen, gehört ebenfalls zu Deinen Lieblingsformulierungen. Ich lasse das gütig über mich ergehen, schließlich bist Du eine Frau, die ja im Ruf stehen, weit näher am Wasser gebaut zu sein. 🙂

            • Ariane 8. Mai 2020, 20:55

              Nein. Das war nicht höflich. Das war schwer genervt. Ich lasse mich nicht gerne von oben herab behandeln und habe das deutlich zum Ausdruck gebracht, weil meine höflichen Bitten einfach ignoriert wurden und du meintest, dass du mir nicht auch noch Latein und Französisch beibringen willst.

              Also sorry, aber entweder achten wir alle auf unsere Worte oder niemand beschwert sich. Aber ich bin nicht alleine höflich und lasse mir dann Dummheit oder Hass unterstellen.
              Und ich hab mich nicht mal beschwert, wenn Popper mich derart beleidigt hat, dass Stefan das im Nachhinein gelöscht hat, also ich scheine weniger nah am Wasser gebaut zu sein als einige fragile Männer 😉

              • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 21:26

                Du hast die Wortwahl von der „Hommage“ völlig verzogen und daraus einen mehrfachen Vorwurf gemacht, ich hätte Dir das Schreiben eines Liebesbriefes unterstellt.

                Meinst Du nicht, dass ich da weit eher das Recht hätte, genervt zu sein? Und dennoch diskutiere ich einigermaßen ruhig mit Dir weiter. Geht nicht ein Minimum an Selbstkritik, bevor Du den Empfindlichkeitsregler so niedrig stellt wie Du mir oft Weinerlichkeit unterstellst? Ein bisschen?

                • Ariane 8. Mai 2020, 23:56

                  Gleiches Recht für alle, ist nicht so, dass du ein absolutes Vorbild an Selbstreflektion und Selbstkritik bist Pietsch. Bei mir heißt es nur schneller, ich springe dir ins Gesicht oder rege mich auf. Da musst du mir ein Kontern schon zugestehen.

                  Wir können auch tauschen, ich beschwere mich weinerlich und du regst dich auf 😉

          • Erwin Gabriel 9. Mai 2020, 13:20

            @ Ariane 8. Mai 2020, 19:50

            Aber ich lasse mich nicht von oben herab behandeln, weil ich eine andere Meinung hab.

            Du behandelst auch immer wieder andere von oben herab; ein beispiel habe ich doch genannt.

            … oder hast du ihn zufällig auch kritisiert? Wär mir nicht aufgefallen?

            Kritik ist so ein großes Wort. Aber ja, ich kritisere gelegentlich auch Stefan Pietsch, wenn er anderen unterstellt, dass ihr Intellekt nicht reicht.

            … das heißt nicht, dass jeder mit mir reden kann, als wäre ich ein kleines, dummes Blondchen, das gleichzeitig eine gemeine Hexe ist.

            Dumm, Blondchen, Hexe hat Dich hier noch keiner genannt.

            Aber vielleicht musst Du Dich gelegentlich entscheiden, was Du sagen und auf welcher Basis Du argumentieren willst.

            Beispielsweise sehe ich aus Deinem Merkel-Artikel eigentlich nur, dass Du sie gut findest. Du begründest das nicht mit politischen oder faktischen Argumenten, sondern hebst in Großen und Ganzen nur auf ihren Stil ab.

            Du findest OK, dass sie weitgehend nichts tut, weil sie dabei ruhig ist und sich nicht aufplustert, Du findest gut, wie diese alte, weiße Frau die ganzen alten, weißen Männer abgesägt hat, weil sie den Dolch „mit ruhiger Hand“ führte etc. (hätte ein Mann das andersherum mit Frau Merkel gemacht, hätte es Dich vermutlich gestört).

            Du lobst den „Humanismus“, mit dem Frau Merkel die Flüchtlinge aufnahm, und übersiehst die rationale Kaltherzigkeit (um in Deiner Kategorie zu bleiben), mit der sie die Krise bis zuletzt miterzeugte, sie nicht abmilderte, andere Lösungen bewusst verhinderte, bis alles zu spät war, und dann die Schleusen öffnete, so dass sich zig Tausende auf den Weg machten, von denen viele starben.

            Du stimmst im Großen und Ganzen allem zu, was sie tat oder unterließ, weil Dir ihr Stil gefällt (Ihrer Politik kann man nur schwer zustimmen, weil sie immer wieder das eine und dann das Gegenteil davon tut).

            Kristisiert aber jemand Merkel, oder schätzt ihren Stil nicht, zupfst Du ein „frauenfeindlich“ hervor. Das passt alles nicht aufeinander.

            Ich schätze Dich sehr, genau wie die anderen hier, keiner spricht Dich böse an, auch ein Stefan Pietsch nicht, da hat hier jeder schon anderes von ihm gelesen.

            Und dann dürft ihr euch gerne in einer virtuellen Kneipe ausheulen, aber nicht bei mir!

            Sorry, wenn ich das so direkt sage – hier heult keiner außer Dir.

            • Ariane 10. Mai 2020, 09:23

              Ach Mensch, ich hab das doch schon mit Popper bis zum Ende durchexerziert und ich bin auch echt nicht nachtragend oder so.

              Aber ich bin intelligent genug, um auch intellektuell-höfliche Beleidigungen zu verstehen. Und das reicht mir. Ich hab auch nicht mehr genug Gehirnkapazitäten, um hier ständig auf jede Befindlichkeit soviel Rücksicht zu nehmen, dass ihr euch nicht beschwert.

              Hast du Pietschi gemaßregelt, als er durch die Blume und höflich korrekt Generationen von Frauen und meine Vorfahrinnen! als Huren bezeichnete?
              Ist mir nicht bekannt?

              Bist du mir beigesprungen, wie Sassestefan, Ralf, Citizen und andere, als Popper mich feige und dumm nannte?

              Nein? Hab ich da geheult?

              Ihr dürft euch gerne beklagen und mich kritisieren. Aber wenn ihr mit aufrichtiger Kritik nicht zurechtkommt, dann beklagt euch bitte untereinander. Und kommt nicht immer bei mir an, wenn ich mal etwas deutlicher werde. Wenn ich hier jeden Chauvi-Kommentar angehen würde, käme ich gar nicht mehr zum eigentlichen Thema.

              Ich kann auch einstecken, kein Problem, aber ich verlange Gleichbehandlung! Und diese ständigen Beschwerden, weil ihr euch ständig mit Lindner oder Kemmerich oder Pegidaleuten! identifiziert, finde ich übrigens sehr bedenklich, mehr Weltoffenheit anderen Meinungen gegenüber wäre mir deutlich lieber.

              • Stefan Pietsch 10. Mai 2020, 10:14

                Hast du Pietschi gemaßregelt, als er durch die Blume und höflich korrekt Generationen von Frauen und meine Vorfahrinnen! als Huren bezeichnete?

                Lieber Erwin Gabriel, einfach nicht beachten, ist die manchmal bei Frauen ausbrechende Hysterie, die sie anders hören lässt, als der andere sagt.
                https://www.youtube.com/watch?v=vaoiUm1_KOw

                Irgendwann geht so etwas vorbei. Die einzige, die dauern herumerzählt Frauen wären käuflich, ist Ariane selbst.

                • Erwin Gabriel 10. Mai 2020, 15:11

                  @ Stefan Pietsch 10. Mai 2020, 10:14

                  Lieber Erwin Gabriel, einfach nicht beachten …

                  Den Rest des Zitats habe ich nicht mitgenommen, weil ich die Aussage viel zu chauvinistisch finde.

                  Aber an den Rat halte ich mich dann trotzdem mal; wird so besser sein …

                  Es grüßt
                  E.G.

  • Kirkd 8. Mai 2020, 14:06

    Angela Merkels grösste Stärke war immer, dass sie in einer medial schnelllebigen Zeit wusste, wann man einfach mal die Klappe hält bis man genauer weiss, was man eigentlich machen (oder oft auch schlicht nicht machen) will.

    Ihren mangelnden Gestaltungswillen und ihre Rolle bei der europiäschen Desintegration beschreibst Du sehr gut. Bei den personellen Schwächen sollte man allerdings nicht vergessen, dass sie in der CDU viele fähigere Kandidaten verdrängt oder ausmanövriert hat und dann bleiben eben die de Maizieres und Altmaiers übrig.

    Ich kann aber konservativere Kräfte gut verstehen (will nicht meinen, dass ich ihre Positionen teile), dass Angela Merkel Inhalte ausverkauft hat. Hier waren es klar macchaivellistische Entscheidungen, ein unangenehmes politisches Thema vom Tisch bekommen zu wollen, um Wahlerfolge einzufahren. Die Ausstieg aus dem Austieg aus dem Ausstieg aus der Kernkraft war so ein Fall, die Wahl in BaWü ging dennoch verloren. Die Homoehe war das Menetekel. Merkel war dagegen und stimmte auch im Bundestag dagegen, liess aber eine offene Abstimmung zu, deren Ausgang sie kannte. Nie ging es offenkundiger nur um Macht und nicht um politische Überzeugungen. Jeder Politiker sieht sich manchmal zu solchen Entscheidungen gezwungen, aber wenn solches Vorgehen zum Normalfall wird und man nie für die eigenen Überzeugungen kämpft, dann wächst im eigenen Lager irgendwann die Überzeugung, dass man inhaltlich auf dem Altar der Macht geopfert wird.

    • Ariane 8. Mai 2020, 14:46

      Merkel ist auch echt schwierig, deswegen ist es so lang geworden, als wirkliche Persönlichkeit taucht sie ja kaum auf. Deswegen musste ich ein bisschen die Aufgaben trennen als CDU-Chefin, Kanzlerin und Regierungschefin Deutschlands.

      Und wenn wir mal an die Zeit vor 2015 denken, kann ich die Verwirrtheit der Konservativ-Marktliberalen auch durchaus verstehen. Als progressive Linke fand ich das natürlich gut und objektiv denke ich auch, das wären alles Dinge gewesen, die bei einem Regierungswechsel sofort gemacht worden wären, weil sie einfach dran waren. In Demokratien läuft der Gesetzgeber oft der gesellschaftlichen Veränderung hinterher und die gesellschaftliche Stimmung ist ja nie einheitlich, ich glaube die Ehe für alle war das unkontroverseste Thema (70-80% Zustimmung).

      Aber im Rückblick schon erstaunlich, wie mühelos Merkel das mal eben im Vorbeigehen abräumte. Hat mich ein bisschen an Stephen King erinnert, eine spannende Erzählung und das Ende ist eigentlich immer eine Enttäuschung. Und so einen Spannungsabfall hat Merkel auch durchgeführt, nix mit identity politics. Und im Grunde wissen das auch Konservative und sind doch nur noch aus Nostalgie für Kernkraft oder Mann-Frau-Ehe. Die SPD ist ja auch so eine Nostalgiepartei und träumt von Nato-Doppelbeschlüssen und Kohlebergbau.

      Und ich weiß auch wirklich nicht, ob das nur Taktik war. Ist ja eigentlich verrückt, da ist Merkel solange Kanzlerin und ich hab keine Ahnung, ob sie für oder gegen Atomkraft ist, für oder gegen den Mindestlohn oder sonst irgendwas. Das einzige, was eigentlich immer sehr deutlich wurde ist ihre Verantwortungsbereitschaft – auch für ihr eigenes Handeln – und ihr Kampf gegen Holocaustverharmloser und alte und neue Nazis.

      Insofern kein Wunder, sie ist sowas wie die bessere SPDlerin. Das macht sie mir sympathisch und nötigt mir Bewunderung ab, aber mein Anspruch auf politische Führerschaft geht noch darüber hinaus. Einen SPD-Mitgliedsantrag würde ich ihr aber überreichen. 🙂

  • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 14:55

    Noch ein Hinweis, Ariane: 2004 / 2005 gab es mehrere konkurrierende Konzepte zur Vereinfachung des Steuersystems. Paul Kirchhof stand nicht für den Bierdeckel, das war die Erfindung des Politikers Friedrich Merz. Der ehemalige Verfassungsrichter dagegen hatte in jahrelanger Detailarbeit ein Konzept einer Flat Tax entworfen, in der Theorie in jedem Fall eine konsistente Idee und im Einklang zur damaligen steuerpolitischen Entwicklung in Europa.

    Die Union hob jedoch die Bierdeckel-Version ins Wahlprogramm. Doch statt den Initiator dafür zum Finanzminister in ihrem Schattenkabinett zu machen, nominierte Merkel den Verfassungsrechtler. Dieser fremdelte mit dem Konzept und wollte sein Modell vertreten. Politisch war das einer der zahlreichen Fauxpas der gebürtigen Hanseatin und Quell ihrer Fast-Niederlage gegen Schröder. So unpolitisch agierend, zeigte sie sich als schlechte Politikerin und Wahlkämpferin.

    • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 14:58

      Absolut korrekt.

      • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 15:14

        Es hätte übrigens eine Alternative zu Merz, wo das Tischtuch zerschnitten war, und dem politisch unbedarften Kirchhof gegeben. Das war der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall, der neben Merz an einem Steuerkonzept werkelte. Doch Angel Merkel wollte einen spektakulären Namen, wo die Rufe nach dem Sauerländer Merz so laut waren. Und erlitt fast Schiffbruch.

        • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 16:59

          Ja, aber parteipolitisch war das vermutlich die einzige Chance. Pest oder Cholera. Entweder sich jemand ins Kabinett holen, der sich à la Lafontaine als Nebenkanzler im Wartestand begreift, oder das Risiko der einzigen Alternative mit gleichem Prominezgrad. Ich versteh die Logik dahinter. Aber klar, hätte sie beinahe alles gekostet.

          • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 17:09

            Merz schielte damals nicht nach der Kanzlerkandidatur. Er war damals nicht einmal im erweiterten Kandidatenumfeld, zu dem neben Stoiber Roland Koch und Christian Wulff, vielleicht noch Jürgen Rüttgers zählte. Das war damals bei Schröder / Lafontaine anders. An der Stellung von Merkel als klare Nummer eins gab es 2005 nichts zu rütteln.

            Merz war persönlich tief getroffen, dass ihm in einer konspirativen Verabredung in Wolfratshausen das von ihm sehr gemochte Amt des Fraktionsvorsitzenden entrissen worden war. Friedrich Merz hatte erst sehr spät davon erfahren, dass er nach verlorener Wahl das Amt abgeben sollte.

            Sieh Dir an, zu welchen Verwerfungen gerade die Besetzung des Wehrbeauftragten durch die SPD führt, und Du bekommst ein Gefühl, wie ausgetrickst sich Merz fühlen musste.

            • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 17:12

              Ich zweifle keine Sekunde daran, dass ihn das getroffen hat. Nur zweifle ich auch nicht dran, dass Merkel sehr gute Gründe hatte, ihn kaltstellen zu wollen. Völlig unabhängig von meinen Präferenzen. Ich meine, Schröder tat auch gut daran Lafontaine entmachten zu wollen.

              • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 17:24

                Sicher. Aber es war ein Fehler, einen Nicht-Politiker zu nominieren für ein so herausragendes Amt. Immerhin stand Ersatz in Hamburg zur Verfügung.

                Schröder wollte / konnte Lafontaine nicht entmachten. Wie zuvor beschrieben kam es zu einem von Schröder so sicher nicht gewollten Showdown. An dem Tag im März hatte so mancher mit dem Rücktritt des Kanzlers gerechnet (ich auch), aber doch niemand mit der Demission Lafontaines.

                • Ariane 8. Mai 2020, 17:31

                  Wisst ihr das aus dem Kopf? Die Karriere von Merz?

                  Gab es mit ihm und Merkel nicht eine Kampfkandidatur? Ich dachte, da ging es um den Parteivorsitz?

                  Und ist er nach 2003 aus der Politik entschwunden oder erst später? Im Wahlkampf war er ja nicht mehr dabei?

                  • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 17:47

                    Ja, das weiß ich alles aus dem Kopf und wenn ich nachschlage, finde ich die Dinge zu 95% so bestätigt.

                    Merkel und Merz teilten sich das Erbe von Wolfgang Schäuble friedlich auf. Beide galten als gutes Paar, Merz zumindest vertraute Angela Merkel. Da er gerade aus Brüssel zurückgekehrt war und seine politische Karriere erst begann, trat er hinter die erfahrenere zurück. Da sind in den Jahren keine Zwistigkeiten überliefert.

                    Merkel fuhr mit der vollen Autorität der Parteivorsitzenden 2002 nach Wolfratshausen. Ja, sie war von Länderfürsten angegriffen worden, aber meiner Erinnerung nach nicht vom Fraktionsvorsitzenden. Ihre Position war zweifellos nicht stabil, eine verlorene Bundestagswahl hätte sie die gesamte Karriere gekostet, als Parteivorsitzende wäre sie im Herbst 2002 nicht mehr haltbar gewesen.

                    So ging eben der Handel mit Stoiber. Was niemand zu dem Zeitpunkt wusste noch ahnte: Stoiber hatte zugesagt, dass er Merkel zum Fraktionsvorsitz verhelfen werde als Gegenleistung. Das jedoch erfuhr der Sauerländer erst nach verlorener Bundestagswahl und Stunden vor der Abstimmung in der Fraktion.

                    Das war ein machiavellistisches Machtspiel von Angela Merkel und kostete sie die Loyalität ihres bisherigen Kompagnons. Die Bilder des tief enttäuschten Merz an jenem Tag waren auf allen Fernsehkanälen.

                    Nein, es gab nie eine Kampfkandidatur. Merz ging danach sehr bald aus der Politik, klar, nach so einem Spiel und so einer Niederlage ist eine weitere Zusammenarbeit undenkbar. Mit seinem Bierdeckelkonzept erwarb er sich nochmal Ansehen, was ihn in eine gute Stellung brachte. Jedoch hatte er sich schon ein Stück aus der Politik verabschiedet.

                    • Ariane 8. Mai 2020, 19:21

                      Ah stimmt danke, irgendwie hab ich die Oppositionszeit nicht mehr im Kopf gehabt.

                      Und ich mein, sieht ja so aus, als hätte die Pandemie jetzt erstmal seine Chancen zunichte gemacht, aber ich fürchte, die Bierdeckel-Idee wäre ein Geschenk für die Opposition. Der Name ist ja mal nicht sehr seriös 😉

                    • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 19:33

                      Ich bin sehr skeptisch, ob die Zweiteilung Parteivorsitz/Fraktionsvorsitz 2002-2006 haltbar gewesen wäre. Kohl hatte den Fraktionsvorsitz als Oppositionsführerschaft definiert, das hallte nach…

                    • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 20:51

                      Das mag sein. Merkel wollte das Kanzleramt ansteuern, da brauchte sie eine starke Machtbasis aus der Opposition heraus. Doch nicht jeder machtbewusste Mann hätte den Machtkampf so wie sie gelöst als Sohn Brutus.

                      Schröder und Lafontaine hatten einen offenen Kampf ausgerufen mit festen Kriterien. Es war Lafontaine, der Schröder zum Kanzlerkandidaten proklamierte. Auch Strauß und Kohl hatten offen verhandelt. Oder als Westerwelle Wolfgang Gerhard die Führung der FDP entriss, fand das in einem Vier-Augen-Gespräch statt und nicht über Bande. Das sind klare Duelle um die Führung. Der eine gewinnt, der andere verliert. Doch Merkel hat gemeuchelt und nicht mal die Chuzpe gehabt, Merz spätestens am Wahlabend zu informieren.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:33

                      Ich verstehe Merz‘ persönliche Abneigung, aber das sind so weiche, moralistisch aufgeladene Kategorien, das ist mir recht egal.

                    • Ariane 8. Mai 2020, 20:58

                      Könnte mir vorstellen, das hängt mit der unterschiedlichen Mentalität in den Parteien ab. Ich meine Schröder hatte zum Ende seiner Kanzlerschaft den Vorsitz auch Müntefering übergeben. Aber da haben die jeweiligen Chefs halt sowieso nicht die ganz große Autorität.

                      In der CDU funktioniert das vielleicht einfach nicht so gut. Merkel/AKK ging ja auch völlig in die Hose. Und ich glaube, das wäre auch mit einer/m anderen so gegangen.

                    • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 21:21

                      Weil ich es heute gelesen habe: Schmidt hat in seiner Autobiographie darauf hingewiesen, dass er der einzige Kanzler war, bei dem Parteivorsitz und Kanzleramt nicht in einer Hand lagen. Die Geschichte zeigt, dass das keine gute Lösung war.

                      Die Abgabe des Parteivorsitzes erfolgte aus politischer Schwäche heraus. Da Schröder die Partei nicht mehr als Machtbasis zusammenhalten konnte, übergab er sie seinem Vertrauten. Second Best Lösung.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:35

                      Jepp.

                    • Ariane 8. Mai 2020, 23:59

                      Nun, dann war Schmidt auf jeden Fall nicht mehr der einzige Kanzler, bei dem die Ämter getrennt waren. Aber bei der SPD sehe ich da nicht so das große Problem, wenn man gut zusammenarbeitet. Die Teamlösung klappt bei den Grünen ja auch sehr gut.

                      Nur die SPD muss es mal wieder übertreiben und hat überall Leute hingesetzt, die überhaupt keiner kennt. ^^

                • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 19:30

                  Genauso wie Köhler und Gauck Fehler waren. Dieser „Seiteneinsteiger sind besser“-Trip ist hoffentlich vorbei.

                  • Ariane 8. Mai 2020, 19:58

                    Gauck hat immerhin seine vier Jahre abgesessen, ohne groß weiter aufzufallen. Nach dem Theater vorher wurde man ja genügsam. Aber die CDU hatte da echt kein gutes Händchen.

                    Ähm. Ich finde ja, Merkel wäre nach ein bisschen Urlaub eine ganz hervorragende Bundespräsidentin. *duck* 🙂

                    • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 20:10

                      Meiner Erinnerung nach hat Merkel gesagt, nach ihrer Zeit als Bundeskanzlerin kein weiteres öffentliches Amt anzustreben. Und es ist ja eine unbestreitbare Tatsache, dass die Jahre an der Spitze enorm auslaugen. Was Du vorschlägst, missachtet die Person, die irgendwann ihren Ruhestand verdient hat.

                    • Ariane 8. Mai 2020, 21:00

                      Es war auch nur ein Spaß, ich weiß nicht mal, ob das erlaubt ist. Aber rumreisen und paar Reden halten, wär doch was 🙂

                      Und wir brauchen ja wohl auch endlich mal eine Frau als Präsidentin, wenn Steinmeier seine acht Jahre rumhat. Oder soll das dann auch noch vdL machen? 😀

                    • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 21:18

                      Merkel jedenfalls will nicht mehr. Sie ist sichtbar erschöpft. Und sie
                      hat an dieser Stelle meine absolute Sympathie und Empathie, obwohl ich sie für eine gute Präsidentin hielte. Übrigens hätte ich sie mir wie manch anderer auch in Brüssel vorstellen können.

                      Aber ich ziehe den Hut. Und wünsche ihr ein geruhsames Restleben, denn das hat sie sich absolut verdient, bei aller Kritik.

                      Ich denke, der nächste Bundespräsident sollte wieder ein Quereinsteiger sein. So viele präsidiable Kandidaten hat die derzeit dominierende Politikergeneration nicht zu bieten. Das hat aus meiner Sicht viel damit zu tun, dass herausragende Persönlichkeiten in den letzten Jahrzehnten nicht vorrangig in die Politik gegangen sind.

                      Politikergrößen der Kategorie Weizäcker, Biedenkopf, Brandt, Schmidt, von Dohnanyi, Voscherau sehe ich derzeit nicht in der Politik.

                      Also sollte man sich anderweitig umsehen.

                    • Ariane 8. Mai 2020, 21:22

                      Solange sie brav ihre Memoiren aufschreibt, gönne ich Merkel ja auch den Ruhestand.

                      Und Steinmeier ist doch noch in seiner ersten Amtszeit, der macht noch ein paar Jahre.
                      Danach könnten wir Leutheuser-Schnarrenberger nehmen, dann wären wir endlich zufrieden und hätten eine Präsidentin.

                      Außer dass sie sich für Bürgerrechte einsetzt, weiß ich auch nichts spontan von ihr, das ist immer ein gutes Zeichen. Und du darfst auf das Amt keine narzistischen Egomanen setzen, die kriegen alle einen Rappel, weil sie ständig nur Könige aus Togo begrüßen dürfen oder so^^

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:30

                      Naaaa, die soll mal ihren Ruhestand genießen danach. BuPrä ist glaube ich nichts für sie, zu wenig zu moderieren.

                  • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 20:13

                    Du willst nicht wirklich behaupten, dass Köhler und Gauck schlechtere Griffe waren als der völlig abgehalfterte Johannes Rau, der mit den hohen ethischen Ansprüchen völlig überforderte Christian Wulff und der uninspirierte Frank-Walter Steinmeier, der bestenfalls ein paar schöne Sätze aufgeschrieben bekommt, aber nie den Punkt trifft?

                    • Ariane 8. Mai 2020, 21:18

                      Ach den Rau hab ich schon wieder ganz vergessen. Der Gauck ist mir zu rechtsgerichtet gewesen Stefan 😉

                      Köhler hat sich durch seinen Abgang unmöglich gemacht und ich hab schon mehrmals gesagt, dass ich Steinmeier als Präsidenten großartig finde und übrigens auch inspirierend. Du weißt doch, dass ich mir gerne O-Töne anhöre. Komischerweise scheint das wirklich das passende Amt für ihn zu sein. Der war nämlich auch kein guter Politiker 😉

                    • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 21:36

                      Steinmeier ist ein Politiker, der seine Stärken immer in der zweiten Reihe hatte, nicht in der ersten. In der ersten war sein Eindruck immer das Stück zu glatt geschliffen.

                      Der ehemalige Bundestagspräsident Lammert wäre ein interessanterer Kandidat gewesen, aber das hat Merkel verbockt. Leutheusser-Schnarrenberger blieb immer ein schwach vernetzte Politikerin, die nirgends besonderen Rückhalt genießt.

                      Voßkuhle war gefragt worden, hatte aber abgelehnt. Vielleicht ändert sich das ja. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts Papier ist ebenfalls wortgewaltig – und zwar ohne Redemanuskript.

                      Kultur, Wirtschaft. Das fände ich angesichts solch abschreckender Beispiele wie Steinmeier interessant. Es ist ohnehin schon schwer, aus dem Amt Gestalterisches zu machen. Das gelang nur außerordentlich starken, kraftvollen Persönlichkeiten wie Weizäcker oder Herzog und zeitweise Köhler, der am Ende ging, weil er sich tief verletzt fühlte. Zart besaitet darf man natürlich nicht sein.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:37

                      Ehemalige Verfassungsrichter finde ich extrem problematisch. Wenn die das Gefühl haben, nach ihrer Zeit am BVerfG in höhere Weihen zu kommen, entsteht die Versuchung, sich am Gericht entsprechend zu profilieren.

                    • Ariane 9. Mai 2020, 00:06

                      Hab eben nochmal Steinmeiers heutige Rede gehört und ich finde ihn wirklich gut, hätte ich ihm auch nicht zugetraut. Aber man kauft es ihm ab und das ist ja das Wichtigste. Und er hat ein eindeutiges Thema und verknüpft das sehr gut. Und er hatte sogar mal was richtig echtes als Präsident zu tun und hat das auch gemacht. Ich persönlich hab da wirklich nichts zu kritisieren.

                      Stimmt, Lammert mochte ich auch gerne und ein Bundespräsident soll keine egozentrische Persönlichkeit haben, ich fänd Leutheusser-Schnarrenberger nicht schlecht, vielleicht ein bisschen langweilig.

                      Und bei Voßkuhle würde ich ja sofort auswandern, da passt auch kein Verfassungsrichter hin auf den Posten.

                      Nein, lieber keine Quereinsteiger, es ist ein politisches Amt und das sollte man bei Politikern belassen. Das ist zwar nicht mehr so bedeutsam, aber trotzdem kein Ehrenposten für Halbrentner. Sonst könnten wir auch über Hoeneß oder Hopp diskutieren.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:31

                      Johannes Rau hab ich überhaupt keine Erinnerungen dran. Wulff fand ich einen guten BuPrä, die Affäre war eine völlige Konstruktion. Steinmeier ist irgendwie ein normale BuPrä. Recht unauffällig und so.

                    • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 11:19

                      Warum fandest Du Wulff einen guten Präsidenten? Abgesehen davon, dass die Affäre letztendlich offenlegte, wie kleinteilig sein Denken war, empfanden die meisten Beobachter ihn als sehr leichtgewichtig. Anders als die guten Präsidenten wie Weizäcker und Herzog schien er sich zuvor keine Gedanken gemacht zu haben, wie er das Amt auszulegen gedachte.

                      Anders als bei Horst Köhler, der sich der Dritten Welt annahm, kam Christian Wulff durch reinen Zufall zu „seinem“ Thema, das sich auch nicht aus seiner Vita ableiten ließ.

                      So weitgehend profillos, wie er seine politische Karriere verbracht hatte, so profillos agierte er weitgehend im Bundespräsidialamt. Wer ihn mag, der tut dies wegen einem einzigen Satz. Ich halte das für extrem dürftig.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 13:05

                      Er hat schon ein bisschen mehr gemacht als diesen Satz, und ob er den aus seiner politischen Vita ableiten kann oder nicht ist mir schnuppe. Der Impuls war super wichtig und ist seither unbeachtet geblieben.

                    • Ariane 9. Mai 2020, 11:52

                      Eigentlich ist das Amt prädestiniert für SPDler oder Frauen. Nicht unangenehm auffallen ist da erste Präsidentenpflicht 🙂

                      Wulff fand ich immer ein bisschen zu tapsig, er war vielleicht auch noch zu jung. Aber er wollte schon ziemlich klar in Richtung interreligiöse Versöhnung. Und ich meine, er war auch der erste Politiker mit „Islam gehört zu Deutschland“?

                      Steinmeier wirkt da schon honoriger und ein ehemaliger Außenminister ist super für den Job, das meiste, was die machen ist ja international. Und geht sehr sehr klar Richtung Holocaustgedenken mit Verbindung zu heute. Seine Rede in Yad Vashem zu einem Gedenktag war auch gut.

                      Und wenn ich sehe, wie unbeliebt sich Deutschland gerade ständig in der Welt macht, bin ich sehr froh, wenn wir da einen Ex-Außenminister haben, der da mal gegensteuert. Das Amt an sich ist halt etwas merkwürdig konstruiert.
                      Deswegen fand ich Gauck auch in Ordnung, das Amt hat er ok ausgefüllt. Und vergessen wir nicht, dass auch er Volksverräter genannt wurde.

                      Also profilierte Außenpolitiker sind da schon ziemlich perfekt für. Aber jetzt bitte nicht Gabriel oder Heiko Maas vorschlagen 😀

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 13:12

                      Gott, Sigmar Gabriel. Hoffe der verschwindet jetzt einfach und macht ein bisschen Kohle und hält die Klappe.

                    • Ariane 9. Mai 2020, 11:53

                      Haha, Pietschi fällt jetzt wieder in Ohnmacht.

                      Aber Claudia Roth wäre in sechs Jahren eigentlich perfekt <3

                    • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 12:33

                      Das ist doch mein Punkt, Ariane. Wulff kam im Amt zu seinem Thema interkulturelle Verständigung, wie Du es nennst. Das spielte jedoch in seiner gesamten Karriere zuvor keine Rolle und auch nicht bei seinem Amtsantritt, wo man so nette Dinge sagt wie „ich möchte mich der Völkerverständigung widmen.“

                      Rau als auch Gauck kamen die einen 5-10 Jahre zu spät ins Amt. Auch ein Bundespräsident, das zeigen andere Beispiele, sollte noch über einige Vitalität verfügen um prägend zu sein. Für Rau war es die Krönung seines Lebens, Gauck fehlte die körperliche Kraft.

                      Steinmeier hat zum (willkürlichen) Gedenktag eine ziemlich identische Rede wie seine Vorgänger gehalten. Was findest Du daran toll?

                      Es war Richard von Weizäcker, der den Deutschen den Tag der militärischen Niederlage als einen Tag der Befreiung beibrachte. Nicht Steinmeier. Wir gedenken dem erst seit dem 8. Mai 1985. Steinmeier nennt die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit einen schmerzhaften Weg. Das ist eher ein Euphemismus. Die Deutschen setzten sich mit ihrer Nazivergangenheit erst auseinander, als es nur noch wenige gab, die persönlich zur Rechenschaft gezogen werden konnten.

                      Vergessen wir nicht, der Begriff des Holocaust bekamen wir von Amerikanern geprägt. Als 1978 die US-Serie lief, waren viele erstaunt, was tatsächlich zwischen 1933 und 1945 passiert sein sollte. Und es war der amerikanische Regisseur Steven Spielberg, der mit einem Budget von gerade 22 Millionen US-$ den stilbildenden Gedenkfilm an den Judenretter Oskar Schindler schuf.

                      Heute sehen wir überall Nazis, ohne wirklich zu wissen, was das ist. Wir betreiben bis heute eine Pseudoauseinandersetzung mit den Taten der Nazis. Die Shoah als Zivilisationsbruch ist Steinmeier gestern nur ein einziges Wort wert gewesen. Eine Auseinandersetzung damit hat er nicht betrieben.

                      Der 8. Mai ist ein Gedenktag der Schuld, der Bitte um Vergebung. Wir blicken zurück, nicht nach vorn auf die „alten bösen Geister im neuen Gewand“.

                      Die Grünen waren übrigens 1985 der historischen Rede des Bundespräsidenten ferngeblieben. Vielleicht auch mal ein Zeitpunkt, sorry für die eigenen Irrtümer zu sagen.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 13:18

                      Bewerten wir jetzt das Amt oder nicht? Wann der zu der Position kam ist doch total hupe. Relevant ist, dass er sie im Amt hatte.

      • CitizenK 8. Mai 2020, 18:43

        Sehe ich auch so. Aber worin bestand die Unprofessionalität von Kirchhof? Das Konzept wurde diskutiert und politisch bewertet, auch hier in seiner Heimatstadt. „Die Sekretärin zahlt den gleichen Steuersatz wie der Chefarzt“, war eine gängige Kritik. Warum Schröders „Professor aus Heidelberg“ so verfangen hat, ist mir nie klar geworden. Professoren gehören zu den angesehensten Berufen.

        • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 19:41

          Das ist dir nicht klar? Weil Elitenverachtung immer verfängt. Es ist eines der Standardwerkzeuge aus der Schublade des Populismus, und Schröder war sich nie zu fein, da rein zu greifen, wenn es seinen Interessen diente.

        • Ariane 8. Mai 2020, 20:01

          Jep. Sein Fach beherrschte Kirchhof bestimmt, aber ich meine, er hat da sehr elfenbeinartig vor sich hingerechnet, wie ich schrieb mit 1,4 Kindern und wer wieviel Steuern zahlt. Und Schröder hat das natürlich brutal angegriffen, diese „ich komm von unten“-Nummer hatte er halt gut drauf.

          Fachlich hab ich ja keine Ahnung, aber im Fernsehen anfangen, komplizierte Steuerberechnungen vorzuführen, ist eigentlich nie eine gute Idee. Fragt mal Martin Schulz^^

        • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 20:19

          Der Streit um das Konzept von Kirchhof war kein fairer, weil keine Waffengleichheit gegeben war. Schließlich finden wir es auch nicht in Ordnung, wenn sich vor Gericht ein Angeklagter selbst verteidigen muss und dabei den ausgebildeten Juristen gegenübersteht.

          Professor wird in vielen Kreisen genauso herablassend benutzt wie „Theoretiker“, „Studierter“ oder „Doktor“, erst recht in Schichten, ohne die Wahlsiege nicht möglich sind.

          Wie gesagt, in den ersten zwei, drei Wochen war das Modell durchaus populär. Dass diese nach den Angriffen von Schröder nicht mehr so gesehen wurde, hat mit dem politischen Feuer zu tun, durch das jeder Entwurf in einer Demokratie gehen muss.

          • Ariane 8. Mai 2020, 21:25

            Na, er war halt nicht bei einem Standgericht, sondern in einer Wahlveranstaltung. Also da hat er nichts gelernt oder wurde irgendwie gar nicht vorbereitet. Dass Schröder eine Rampensau im Wahlkampf war, war ja kein Geheimnis.

            Und dass man im Fernsehen nicht berechnet, ist nun mal bekannt, also das hat die Union schon echt verbockt. Leute haben nicht gerne das Gefühl, dass sie für dumm gehalten werden, nur weil sie bei Steuerberechnungen nicht mitkommen.

          • CitizenK 9. Mai 2020, 09:56

            Nicht nur in diesen „Schichten“, auch in den großen Medien war sich kaum ein Kommentator zu schade, das genüsslich (schadenfroh?) zu zitieren.

            Ich fand Kirchhofs Konzept politisch falsch, aber es salopp mit dem griffig-süffigen Begriff vom Tisch zu wischen, spricht weder für die Journalisten noch für den „Souverän“.

            • TBeermann 9. Mai 2020, 10:10

              Ich sehe das Problem ehrlich gesagt nicht…oder lass es mich anders ausdrücken: Ich sehe nicht den Unterschied zum normalen Vorgehen jeder Regierung.

              Wurde irgendwann in den letzten 15 Jahren mal ein Konzept oder einer Analyse der Linkspartei von den jeweiligen Regierungen oder den Medien sachlich diskutiert? Oder eines von den Grünen, wie zum Beispiel das Modell für eine Steuerreform 2013, das selbst laut Bundesrechnungshof das am seriösesten gegenfinanzierte Modell seit Jahrzehnten war und 90 % der Menschen entlastet hätte?

              Die Regierung ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Dahergelaufenen (und wenn er zehn mal Professor ist) zu befassen, vor allem, wenn er eindeutig dem politischen Gegner zuzurechnen ist.

              • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:42

                Jepp.

              • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 11:52

                Verstehe ich nicht. 2005 schickte sich die Union an, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Die Konservativen und die Sozialdemokraten waren zu der Zeit gleich stark im Bundestag. Die politische Stimmung im Land war dergestalt, dass das Einkommensteuerrecht nach der Steuerreform noch reformiert werden müsste.

                Es war naheliegend, sich mit den Konzepten der Partei zu beschäftigen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit in wenigen Monaten den Kanzler stellen würde, da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Vorschläge mehrheitsfähig würden.

                Warum sollte sich der Journalismus eingehender mit den steuerpolitischen Ideen der Linkspartei oder auch der Grünen oder der Liberalen beschäftigen? Anders als die letztgenannten hat die LINKE keine Machtoption, ja selbst theoretisch kaum, da sie ihre Richtungsstreitigkeiten nicht zu lösen vermag. Ganz zu schweigen davon, dass sie in einer Koalition mit Grünen und SPD fähig wäre, als stimmenmäßig schwächster Partner ihre Ideen gewichtig einzubringen.

                Die steuerpolitischen Vorschläge der kleinen Parteien, ja selbst inzwischen der SPD, dienen nur der Imagebildung, sie zeigen, wie im Führungspersonal der Parteien gedacht wird. Echte Realisierungschancen haben die Konzepte nicht, weshalb sie für den Bürger bedeutungslos sind.

                Oder was soll aus Ihrer Sicht der Sinn dahinter sein, sich „fair“ mit den Steuerideen der Linkspartei zu befassen? Damit eine 6-8 Prozent-Partei vielleicht Chancen hat auf vielleicht 9% zu kommen? Das ist dann doch nicht Aufgabe eines kritischen Journalismus.

                • Ariane 9. Mai 2020, 12:05

                  Öhm, also sollten sich die Medien nur mit den Konzepten der Union befassen? Weil die anderen alle zu klein sind? Du weißt schon, dass wir in Deutschland Koalitionen bilden? Keine Partei kann ihr Wahlprogramm einfach umsetzen, außer sie bekommt eine absolute Mehrheit. 😉

                  Das ganze Herumrechnen ist eh Quark, es sollte um die grobe Richtung gehen, nicht dass man erstmal zehn verschiedene Beispielrechnungen aufmacht und nachguckt, wer gewinnt und wer verliert.
                  Mal abgesehen davon, dass wir mittlerweile fast nur noch Kampagnenjournalisten haben und keine objektiven.

                • TBeermann 9. Mai 2020, 13:05

                  Was ist das für eine krude Logik?

                  Es ist ein Konzept, das vom direkten politischen Gegner unterstützt wird und das man bereits früher verworfen hatte (Kirchoffs „Einkommenssteuergesetzbuch“ stammt immerhin bereits von 2001). Warum sollte man damit überdurchschnittlich wohlwollend umgehen – vor allem dann, wenn es offensichtlich die Reichen entlasten würde, während dann entweder mittlere und geringe Einkommen mehr belastet würden oder die Ärmsten die Einsparungen im Haushalt zu spüren bekäme?

                  Ja, der „Professor aus Heidelberg“ war unnötig und bediente Ressentiments (wie auch die „soziale Hängematte“ und andere Aussagen im Kreuzzug gegen die Armen), aber es ist ja nun nicht so, als wären andere Parteien weniger schnell darin, Ideen ihrer Mitbewerber (und selbst Koalitionspartner) vom Tisch zu wischen.

                • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 13:11

                  Nun, die Presselandschaft beschäftigte sich 2013 wochenland mit der alles entscheidenden Frage, ob die Grünen in öffentlichen Kantinen einen Tag mit vegetarischem Hauptgericht verordnen würden, von daher scheint es mir schon etwas scheinheilig, sich mit ihrem Steuerkonzept unter Verweis darauf, dass sie eine kleine Partei sind, nicht zu befassen.

              • Ariane 9. Mai 2020, 12:01

                Jep, klar schlachten die Medien das auch.

                Aber bei Zuständigkeiten bin ich streng. Der sollte Finanzminister werden. Das ist nun mal ein politisches Amt, da rechnet man nicht selbst an Steuern herum. Dafür hat man Leute.

                Politik hat nun mal den Auftrag sich nach innen (Gesetze/Reformen zu erarbeiten) UND nach außen zu richten und die Menschen von seinen Ideen zu überzeugen. Wer das nicht kann oder will, hat da meiner Meinung nach einfach nichts zu suchen. Irgendwas schön zu berechnen ist keine Politik. Und wie die Medien berichten, ist kein Geheimnis, damit muss man umgehen.
                Deswegen geht es bei einer Wahl doch auch nie drum, wer am besten rechnen kann, es geht darum, seine Ideen den Leuten so zu verkaufen, dass die das verstehen und möglichst gut finden.

            • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 12:10

              Man kann das Konzept für politisch falsch halten. Aber es ist auch mit falschen Informationen angegriffen worden. Tatsächlich bestand das Modell von Kirchhof aus einem Stufentarif, die Sekretärin (einen Beruf, den es damals schon kaum noch gab) hätte nicht den gleichen Satz wie ihr Chef gezahlt. Aber es lohnt nicht, das wieder aufzurollen. Hier hat sich ein angesehener Wissenschaftler lange mit einer Arbeit befasst, die in seiner Profession wie international Anerkennung fand.

              Diese persönlich hervorragende Leistung nutzte Angela Merkel nur für politische Zwecke. Schnell machte sie, nachdem sie Kirchhof überzeugt hatte, in ihr Schattenkabinett einzutreten, deutlich, dass sie von den Ideen des Professors wenig hielt. Sie brauchte einfach seinen Namen. Das Muster wiederholt sich: schon mit Friedrich Merz war sie derart rüde und hinterlistig – meinetwegen machiavellihaft – umgegangen. Später servierte sich noch ihren langjährigen Vertrauten Thomas de Maizière ab. Es hieß, Merkel würde sich für den oder die einsetzen, wenn sie politische Ämter verlören. So ging auch die Saga, Merkel sei ihrem Finanzminister Peer Steinbrück so verbunden, dass sie sich für eine europäische Verwendung stark machen würde. Dazu kam es nie, Steinbrück musste sich selbst um die Fortsetzung seiner Karriere kümmern. Auch von der Leyen wurde von Merkel nur benutzt (Bundespräsidentenamt). Als die Hannoveranerin zu weiteren Ehren gelangte, hatte sie das bezeichnenderweise nicht ihrer angeblichen Förderin, sondern dem französischen Staatspräsidenten zu verdanken.

              Merkel hat keine politischen Freunde und nimmt auch keinerlei Rücksichten. Für sie zählt nur sie selbst. Nicht mal ihre Partei, der sie ihre politische Karriere verdankt. Wir sollten die langjährige Kanzlerin nicht so malen, dass sie mit Sanftheit durchs Leben gegangen wäre. Sie war im übertragenen Sinne immer brutal, ohne Rücksichten.

              • TBeermann 9. Mai 2020, 14:09

                Diese persönlich hervorragende Leistung nutzte Angela Merkel nur für politische Zwecke. Schnell machte sie, nachdem sie Kirchhof überzeugt hatte, in ihr Schattenkabinett einzutreten, deutlich, dass sie von den Ideen des Professors wenig hielt. Sie brauchte einfach seinen Namen. Das Muster wiederholt sich: schon mit Friedrich Merz war sie derart rüde und hinterlistig – meinetwegen machiavellihaft – umgegangen. Später servierte sich noch ihren langjährigen Vertrauten Thomas de Maizière ab. Es hieß, Merkel würde sich für den oder die einsetzen, wenn sie politische Ämter verlören. So ging auch die Saga, Merkel sei ihrem Finanzminister Peer Steinbrück so verbunden, dass sie sich für eine europäische Verwendung stark machen würde. Dazu kam es nie, Steinbrück musste sich selbst um die Fortsetzung seiner Karriere kümmern. Auch von der Leyen wurde von Merkel nur benutzt (Bundespräsidentenamt). Als die Hannoveranerin zu weiteren Ehren gelangte, hatte sie das bezeichnenderweise nicht ihrer angeblichen Förderin, sondern dem französischen Staatspräsidenten zu verdanken.

                Das nimmt langsam schon etwas pathologische Züge an, was den Hass auf Merkel betrifft.

                Aber Schritt für Schritt: Merkel hat Kirchhoffs Ideen noch eine ganze Weile verteidigt, als die Kritik innerhalb der Union im Spätsommer 2005 schon immer lauter wurde. Zu den Kritikern gehören damals unter anderem Kauder, Wulf und Oettinger und selbst Teile der FDP merkten an, dass die Umsetzung nicht finanzierbar war. (Abgesehen davon war die öffentliche Meinung nicht angetan.)
                Als Merkel dann anfing, den Kurs zu korrigieren und zugab, dass das Konzept sicher nicht kurzfristig umgesetzt werden könnte, regierte Kirchhoff wie ein bockiges Kleinkind. Irgendwie musste sich bei ihm wohl die Idee festgesetzt haben, er könnte als Finanzminister nach eigenem Gutdünken schalten und walten und sein Konzept bis auf das letzte I-Tüpfelchen umsetzen, egal was irgendwer sonst davon hält. Nachdem die Wahl dann nicht die erwarteten Gewinne für die Union brachte, sondern sogar leichte Verluste, warf er dann auch auch schnell das Handtuch.

                Merz dagegen hatte nie ein Konzept, nur ein paar populistische Schlagworte für die libertären Gläubigen, deren Umsetzung vollkommen nebulös blieben. Wer den als wirtschaftspolitisches Genie sieht, hält vermutlich auch Harald Schmidt für einen führenden Intellektuellen dieses Landes (beide Vorstellungen waren in den frühen 2000ern so verbreitet, wie sie in der Rückschau lächerlich wirken). Der Ergomane Merz hat es nie verwunden, dass er hinter Merkel nur die zweite (oder her dritte oder vierte) Geige spielen sollte und seine Versuche, die aus der Fraktion heraus zu sabotieren und ihre Position zu untergraben von der Mehrheit der Abgeordneten nicht mitgetragen wurden. Schon mehr als zwei Jahre, bevor er aus dem Bundestag ausschied, war er nur noch ein unbedeutender Hinterbänkler, der gelegentlich seine Rolle als Strippenzieher überschätzt hat. Dass sich Angela Merkel da nicht noch zum Dank um eine Anschlussverwendung bemüht hat, sollte eigentlich nicht überraschen.

                Thomas de Maizièren hatte nun wirklich reichlich Chancen in reichlich Positionen. Und während er als Zuarbeiter im Hintergrund recht gut gewesen zu sein scheint, hat er als Führungsfigur sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium eine schwache Figur. Warum sich danach keine weiteren Ämter für ihn fanden? Nun, Teile dieser Antwort könnten die Öffentlichkeit verunsichern.

                Auf Steinbrück gehe ich jetzt nicht noch ein. Als wäre es Merkels Pflicht, ein Pöstchen für jeden zu finden, mit dem sie mal auf einem Foto war.

                Aber von der Leyen ist noch ein schönes Stichwort. Nachdem ihre ganze Qualifikation war, die Tochter ihres Vaters zu sein und so viele Kinder in die Welt gesetzt zu haben, so dass sie der feuchte Traum der Ewiggestrigen wurde, hat sie in sämtlichen Ämtern versagt. Besonders als Verteidigungsministerin ist sie eigentlich nur durch hanebüchene Beraterverträge und Missmanagement aufgefallen. Ja, es war Macron, der sie vor einem Untersuchungsausschuss und dem verdienten Absturz gerettet hat und bei dem wir uns bedanken dürfen, dass sie jetzt in Brüssel weiter stümpert.

                • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 14:38

                  Jepp

                • Ariane 9. Mai 2020, 14:43

                  Auf Steinbrück gehe ich jetzt nicht noch ein. Als wäre es Merkels Pflicht, ein Pöstchen für jeden zu finden, mit dem sie mal auf einem Foto war.

                  LOL^^

                  Und bitte nicht von Hass reden, sonst müssen Sassestefan und ich doch würfeln, wer denn jetzt etwas zu fragiler Männlichkeit schreiben muss.^^

                  Aber stimmt, dass da noch vor der Wahl innerhalb der Union irgendwie Ärger entstand, weiß ich auch noch. Kirchhof wirkte da einfach total deplatziert, der dachte, er könnte mal einfach seine Theorie und Rechnungen professorenhaft umsetzen und war dann verwundert, dass das in der Realität anders läuft.

                  Also so im Rückblick ist es ja fast ein Wunder, dass Schröder nicht die absolute Mehrheit geholt hat, das war totales Desaster 😀

                  Ich finde es übrigens nicht schwer, Merkels Vorlieben und Abneigungen zu verstehen. Ich bin halt auch eine Frau und aus Norddeutschland, das ist hier einfach sehr preußisch geprägt, die SPD sowieso und die CDU halt eine Mischung aus süddeutsch-Katholisch und preußisch-protestantisch.
                  Und Merkel sucht selbsternannte „Preußen“, die brav und loyal und bescheiden ihre Arbeit machen und möglichst wenig Ärger. Deswegen kann sie gut mit der SPD, Frauen und de Maiziere und Schäuble. Was die für politische Ideen haben, ist ihr ja anscheinend nicht so wichtig, hat sie ja immer laufen lassen und ist dann – wie beim Streit um die Grundrente – am Ende eingeschwebt und hat einen Kompromiss vorgeschlagen.

                  Deswegen lief mit der FDP damals auch alles schief und wäre es auch mit Jamaika vermutlich. Die Grünen und die FDP haben null Regierungserfahrung und viele neue Ideen. Auf sowas haben Konservative nun mal keine Lust, deswegen sind sie ja konservativ 🙂

                  • TBeermann 9. Mai 2020, 15:00

                    Große Teile der Union waren 2009 auch glaube ich gar nicht wirklich glücklich darüber, mit der FDP koalieren zu müssen, zumal nicht mit der damaligen FDP, die vor Kraft kaum laufen konnte (und ihren eigenen Medienhype glaubte).

                    Aber nachdem man den Wählern jahrelang erzählt hatte, wie toll alles sein könnte und was man nicht alles tun würde, wenn endlich eine „bürgerliche Mehrheit“ vorhanden wäre, konnte man schlecht einen Rückzieher machen, als diese Mehrheit dann tatsächlich da war.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 17:11

                      Schröder wollte 1998 auch nicht mit den Grünen^^

                    • Ariane 10. Mai 2020, 09:28

                      Kann mir vorstellen, dass das bei Jamaika auch ein Problem war und dann nehmen die Grünen das auch noch ernst und sind total seriös und gar keine linksgrünversifften Hypermoralisten.

                      Grad Claudia Roth ist mit vielen Unionsleuten aus dem Süden wohl ganz gut bekannt oder befreundet. Kauder und/oder Beckstein hab ich mal gelesen. Gab auch ganz skurrile Szenen, dass Altmeier ihr nochmal zum Dank um den Hals fällt oder so.

                      Aber so im Rückblick war die Politikbeobachtung da mal echt spannend^^

                  • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 17:08

                    Ist ja jetzt auch nicht so als ob Schröder damals der beliebteste Politiker Deutschlands war…die CDU hat ja eine führende Position effektiv weggeworfen.

                • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 14:55

                  Das nimmt langsam schon etwas pathologische Züge an, was den Hass auf Merkel betrifft.

                  … sagt der, der nicht ohne herabsetzende Adjektive und Beschreibungen auskommt.

          • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:31

            Was ist schon fair in Wahlkämpfen?

            • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 11:57

              Du scheinst den Faden verloren zu haben. Es ging um den politischen Fehler Merkels, einen Amateur in die Arena geschickt zu haben. Es war ihre Aufgabe als Managerin des Projekts Kanzleramt, erst keine echten Schwachstellen in ihrem Team entstehen zu lassen oder diese gut zu verdecken. Zu beidem war sie aufgrund persönlicher Schwäche nicht fähig. Schröder selbst hatte sie am Wahlabend mit seinen Angriffen den Tränen nahe. Merkel zog sich an dem Abend nach der Fernsehsendung lange zurück. Vielleicht erlebte sie da, was sie wochenlang bei Kirchhof zugelassen hatte.

              Bemerkenswerterweise hattest Du immer nur Mitgefühl mit der angegriffenen CDU-Vorsitzenden. Doch sie ist Profi. Kirchhof war und ist es nicht.

              • Ariane 9. Mai 2020, 12:13

                Dann schleppt man auch keine Nicht-Profis in Wahlarenen. Weiß auch gar nicht, wer auf diese Idee kam. Aufmerksamkeit hats gebracht, weil Kirchhof neu war, aber das war halt der Nachteil.

                Und deine Küchenpsychologie ist ganz schön vertrackt. Ich glaub, da kann ich sie etwas besser verstehen als Frau. Vor allem als eine, die auch immer zu schwierigen Leuten geschickt wird, um die „zu beruhigen“. Es ist wahnsinnig anstrengend, in so einer gefühlsaufgeladenen Atmosphäre zu hängen und sich nicht anstecken zu lassen und dabei selbstbeherrscht und rational zu bleiben. Das ist Stress und zwar ganz gewaltiger, nur sieht man den nicht. Wenn man da wieder raus ist, fällt der aber ab und dann merkt man, wie anstrengend das war.

                Schröder gings danach bestimmt super, weil der seine Emotionen einfach unkontrolliert rausgelassen hat, aber das machen Frauen meistens nicht, die reißen sich zusammen und kriegen hinterher ihren Rappel. Nur weil man es nicht sieht, heißt das doch nicht, dass Merkel keine Gefühle hat. Ist ne totale Fehlinterpretation.

              • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 13:14

                Ich habe Mitleid mit Kirchhof. Schröders Attacken müssen grauenhaft zu erleben gewesen sein.

                • Ariane 9. Mai 2020, 13:46

                  Ja ich auch, hier seh ich allerdings eher den Fehler in der CDU ihn da irgendwie total unvorbereitet und mit falschen Vorstellungen da reinlaufen zu lassen. Wirkte so als wenn er wirklich dachte, er stellt das mal ein paar Studenten vor, das war total naiv von allen, nicht nur von ihm.

                  Der ganze Wahlkampf war mies von der Union. Merkel ist ja auch als Oppositionsführerin zu Bush geflogen im Wahlkampf und hat ihm erzählt, wie gerne sie mit ihm in den Irak einmarschieren würde. Fand ich auch nicht in Ordnung.

                  Also wenn man sich die darauffolgenden Wahlkämpfe ansieht, hat sie wahrscheinlich das komplette Team durchgetauscht, kann mich jedenfalls nicht an ähnliche Schnitzer erinnern. Höchstens noch von der CSU. Aber die CDU ist mittlerweile echt total seriös, gut dass Merkel bald weg ist. Dann gehts der Opposition schon automatisch besser. 🙂

                  • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 14:35

                    Ich denke, der Grund ist banaler. Die CDU hat 2005 einen Wahlkampf geführt, der bestimmte Prämissen hatte. Und diese haben sich als falsch herausgestellt. Aber jeder Wahlkämpfer weiß, dass mitten im Wahlkampf die Strategie wechseln praktisch unmöglich ist.

                  • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 15:14

                    Merkel ist 2002 der Bundesregierung in den Rücken gefallen. Das war ein Tabubruch.

                    Jeder kann im Internet nachschauen, wie 2005 die Stimmungslage zu Kirchhofs Vorschlägen waren. Die wahrlich nicht konservativen Blätter von SPIEGEL und STERN kamen unisono zu dem Ergebnis, dass Reiche und Wohlhabende draufzahlen würden.

                    Herr Professor Paul Kirchhof, 61, Richter am Bundesverfassungsgericht a. D., Träger des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland, Komtur des päpstlichen Silvesterordens, war Zeit seines Lebens ein geachteter Mann. (..)

                    Der Steuerprofessor sei ein „gesellschaftspolitischer Reaktionär“, tönt Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. „Die richterliche Pflicht zur Zurückhaltung, die von großen Verfassungsrichtern vorgelebt wurde, ist Paul Kirchhof immer fremd geblieben“, erinnert sich plötzlich Justizministerin Brigitte Zypries. Kirchhof lüge und betrüge, behauptet Bundesfinanzminister Hans Eichel mehrfach täglich.

                    Bundeskanzler Gerhard Schröder konzentriert seine Angriffe in einem bis dahin schläfrigen Wahlkampf nahezu ausschließlich auf „den Professor aus Heidelberg“, diese „merkwürdige Gestalt“, diesen „Mann der Kälte“, der „von Realitäten wenig Ahnung“ habe.

                    Denn der Professor, von Angela Merkel gerufen, kam Gerhard Schröder wie gerufen. Er lieferte, was die grauen Gesellen aus dem „Kompetenzteam“ der Union nicht liefern konnten oder wollten: die Projektionsfläche für Sehnsüchte und Hassgefühle gleichermaßen.
                    Der grauhaarige Mann mit dem gutbürgerlichen Habitus, dem altersmilden Ton, dem in Jahrzehnten geschliffenen Wortschatz polarisiert wie kein Zweiter: Für die einen ist er Reformer und Retter, derweil die anderen ihn als Angriff auf ihr bisheriges Leben begreifen.
                    Wenn Kirchhof von Freiheit redet, ist es nicht die Freiheit, die die Freunde des fürsorglichen Wohlfahrtsstaates meinen. Wenn er „einfach und gerecht“ sagt, empfinden sie es als ungleich und brachial. Redet er von den Gewinnern der Reform, fühlen sich Millionen schon vorsorglich als Verlierer. Sein Versprechen – ein Steuergesetz ohne Ausnahmen – wird von einer Mehrheit der Deutschen mittlerweile als Utopie mit Bedrohungscharakter abgelehnt.

                    Schröder weiß die Vorbehalte gegen den Radikalreformer im Wahlvolk für sich zu nutzen. Er pflegt das antiintellektuelle Ressentiment, er vergröbert Kirchhofs Modell bis zur Unkenntlichkeit mit dem Ziel, eine Große Koalition der Ängstlichen hinter sich zu versammeln.
                    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41768180.html

                    Zur Gerechtigkeit des Systems:
                    Gerade Gutverdiener dürfte es zudem schmerzlich treffen, dass Kirchhof alle Schlupflöcher stopfen will. Einen großen Teil aller zunächst einkassierten Lohn- und Einkommensteuern müssen die Finanzämter derzeit rückerstatten, weil wohlhabenden Bürger ihr Geld in verlustbringende Immobilien, Windkraftanlagen, Schiffe oder Medienfonds stecken.

                    All diese Vergünstigungen, Gesamtvolumen 240 Milliarden Euro, will Kirchhof abschaffen. Reiche könnten sich nicht länger künstlich arm rechnen. Immobilienbesitzer dürften weder ihre vermieteten Wohnungen abschreiben, noch die Zinsen für den Kauf absetzen. Stattdessen sollen sie 40 Prozent der Kaltmiete versteuern.
                    Geht es nach Kirchhof, sollen auch die Unternehmen weniger tricksen können. Die meisten Vermögenswerte wie Aktien und Grundstücke müssen in der Bilanz mit ihrem tatsächlichen Marktwert auftauchen. Steigt ihr Wert, sind auf den Buchgewinn Steuern fällig. Bislang schlägt der Fiskus erst zu, wenn das Unternehmen seine Vermögensteile mit Gewinn verkauft.

                    Unterm Strich würde der Staat genauso viel Geld einnehmen wie heute, beteuert Kirchhof – was der derzeitige Finanzminister Hans Eichel freilich bestreitet.
                    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41505956.html

                    Oder hier:
                    Es lohnt sich, genauer zu rechnen. In Wirklichkeit ist das Kirchhof-Modell sozialer, als die meisten glauben. Das ist die vielleicht größte Überraschung seines Konzepts. Bei Steuern ist nämlich nicht nur wichtig, wie hoch die einzelnen Sätze sind; mindestens so entscheidend ist, inwieweit sich der Bürger künstlich armrechnen kann. Da wiederum hält das deutsche Steuerrecht so viele Ausflüchte bereit, dass es heute als das komplizierteste der Welt gilt. (..)

                    Die Mehrzahl der Besserverdiener, da sind sich viele Experten einig, zahlten bei einer 25-prozentigen Flat Tax tatsächlich drauf – und zwar nicht zu knapp, wie einige Beispiele zeigen. Ein Top-Manager, der jährlich 300 000 Euro verdient, aber einige gängige Abschreibungsmodelle nutzt (siehe Grafik), müsste unter dem Kirchhofschen Steuerregime 6500 Euro mehr an den Fiskus bezahlen als bisher.

                    Wer reich ist, zahlt bei Kirchhof schon drauf, wenn er bisher sein Einkommen nur um vergleichsweise geringe Beträge gedrückt hat – oder relevante Teile seines Einkommens aus Vermögensgewinnen bezieht.
                    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41583093.html

                    • TBeermann 9. Mai 2020, 16:13

                      Da kam aber zum Beispiel die FAZ zu einem ganz anderen Urteil:

                      https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/steuern-kirchhof-modell-die-reichen-profitieren-am-meisten-1260403.html

                      Und auch beim Spiegel hat man das 2011, als Kirchhoff noch mal einen Vorstoß wagte, nicht mehr so gesehen:

                      https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/steuerkonzept-wer-von-kirchhofs-plaenen-profitiert-und-wer-nicht-a-771115.html

                      Der zweite Artikel führt vor allem noch mal weiter aus, was diese Reform für die öffentlichen Haushalte bedeutet hätte. Den „schlanken Staat“ muss man sich leisten können und das können vor allem die Ärmeren nicht. Dabei geht es ja nicht nur um Sozialleistungen (wobei da sicher ein Einschnitt unvermeidbar gewesen wäre), sondern auch schlicht um öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen etc.

                    • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 16:50

                      Hm, was würde wohl jemand in so einem Fall sagen, der links wäre und etwas bestimmtes beweisen wollte? Die sind interessengeleitet!

                      Die Geschichte ist über das Kirchhof-Modell hinweggegangen, es hat heute und sicher auch zukünftig keine Relevanz mehr. Dies gilt umso mehr, als der Finanzminister Peer Steinbrück sich weiter an dem Steinbruch Steuervergünstigungen betätigt hat und die Vergünstigungen über die Jahre weiter abgeschafft wurden. Doch auch damals galt, und ich hoffe, Sie behalten das, denn es ist Ihre Quelle:

                      Die statistischen Daten belegen, daß jetzt hier deutlich weniger abgesetzt wird als früher. 1998 wurden noch Kosten von 35,8 Milliarden Euro deklariert, 2001 aber nur noch 23,4 Milliarden, während die Einnahmen mit etwa 20 Milliarden Euro stagnierten. Seitdem sei der Trend stabil geblieben, sagen Experten. Ein Grund: Der Bundesfinanzhof verlangt in seinen Urteilen, daß auf lange Sicht die Einnahmen aus Vermietung die Ausgaben übersteigen müssen.

                      „Vorteile haben sich massiv verringert“
                      „Die Möglichkeiten der steuerlichen Absetzbarkeit sind in den vergangenen Jahren stark gesunken“, betont auch Winfried Fuest, Steuerexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Die Vorteile aus Steuersparmodellen wie geschlossenen Schiffs- oder Immobilienfonds haben sich massiv verringert.“ Fazit: „Abgesehen von einigen Abschreibungskünstlern, gilt für die meisten Fälle: Hohe Einkommen zahlen im bisherigen System auch hohe Steuern“, sagt DIW-Fachmann Bach.

                      Das war 2005. Doch damals wie bis heute behaupten Linke, Reiche könnten ihre Steuerlast massiv drücken. Dass dem nicht so ist, beweist Ihr Link.

                    • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 17:12

                      Weswegen das auch nie so umgesetzt worden wäre ^^

                    • TBeermann 9. Mai 2020, 18:05

                      @Stefan Pietsch: Jetzt müssen wir uns aber doch irgendwann entscheiden. Eben sollte Ihre Links beweisen, dass die Reichen so viele Abschreibungsmöglichkeiten nutzen und Kirchhoffs Modell damit vor allem sie belasten würde, jetzt sollen meine Links beweisen, dass es gar nicht so ist.

                      Aber Sie geben die Inhalte natürlich auch gewohnt verzerrt wieder, denn der Abschnitt über die geringeren Abschreibungsbeträge betrifft ausschließlich Immobilien. Um da etwas abschreiben zu können, muss man erstmal mehr besitzen, als man selbst bewohnt. Das trifft (Quelle „FAZ“) auf gerade mal 6 % aller deutschen Haushalte zu. 2.2 % aller Haushalte besitzen mehr als zwei Wohneinheiten, sind also wohl vor allem die Mieteinnahmen haben. Da kommen ja noch andere Abschreibungsmöglichkeiten dazu (bei denen teilweise auch Vermögen aufgebaut wird, während die Kosten abgeschrieben werden). Dazu kommt, dass Reiche Einkommen aus Quellen haben, die grundsätzlich niedriger besteuert werden (und auf die keine Sozialabgaben erhoben werden).

                      Klar, der Millionär oder Miliardär, der absolut weniger zahlt, als seine Putzfrau, ist eher eine Legende oder die absolute Ausnahme. Aber Gering- und Normalverdiener zahlen in der Regel deutlich näher an ihrem nominalen Durchschnittssteuersatz, als Gutverdiener und Reiche.

    • Ariane 8. Mai 2020, 15:42

      Jep danke. Dass Merz der eigentliche Erfinder sowohl der Flattax-als auch des Bierdeckel-Namens war, wusste ich noch ungefähr. War der im Wahlkampf gar nicht mehr dabei und schon bei Blackrock oder so? Ich meine irgendwann während des Spendenskandals hatte sich Merkel gegen ihn als Parteichefin doch durchgesetzt?

      Ja, Kirchhof war ne absolute Schnapsidee. Hat sie ihn damals zum Kandidatenduell geschickt? Ich meine, das waren so ein bisschen die Anfänge der Duelle, ich weiß auch noch, dass sie selbst eines mit Schröder hatte. So im Rückblick betrachtet fast ein kleines Wunder, dass sie am Ende als Kanzlerin hervorging. Aber sie hat daraus gelernt, so einen schlimmen, debakelhaften Wahlkampf hatte die Union glaub ich nicht mehr. Ja, eine gute Politikerin ist sie nicht, aber eine sehr erfolgreiche Wahlkämpferin.

      Und wenn ich denke, dass nun sowohl Merz als auch Röttgen wie Kai aus der Kiste gesprungen sind für ihre Nachfolge, muss man wohl der CDU auch eine gewisse Verwirrtheit attestieren. Hoffen wir, dass sie noch ein paar andere Kandidaten, vielleicht sogar eine Frau auftreiben, denn Armin Laschet hat sich ja auch schon unmöglich gemacht 😀

      • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 16:01

        Angela Merkel hat 2002 Friedrich Merz vom Fraktionsvorsitz der Union mit einem typischen Überbande-Spiel verdrängt. Merz liebte den Posten, seit dem sind beide Luft füreinander. Es galt schon 2005 als außerordentlich schwierig, dass Merkel den Sauerländer zu ihrem Finanzminister macht. Der hatte sich mit dem Bierdeckel-Konzept in beiden Fraktionen einen hervorragenden Ruf als Fachpolitiker erarbeitet. Eigentlich konnte die Kandidatin nicht an ihm vorbei. Es war klar: jeder andere Personalvorschlag wäre schlechter.

        Ich verstehe, dass sie nicht über ihren Schatten springen konnte. Das kann ich menschlich nachempfinden. Aber sie hat damit den Wahlsieg ihrer Partei wie auch ihren eigenen Erfolg massiv gefährdet und sich die Schwachstelle selbst geschaffen. Kirchhof ist nunmal kein Politiker und konnte die Angriffe der Konkurrenz nicht entsprechend professionell abwehren. Nicht das Konzept war das Problem (das war anfangs sehr populär), die Unprofessionalität von Kirchhof war es. Und das wiederum fällt in direkter Linie auf die CDU-Vorsitzende der damaligen Zeit zurück.

        Es gab und gibt nur Duelle zwischen den Kanzlerkandidaten.

        Ja, eine gute Politikerin ist sie nicht, aber eine sehr erfolgreiche Wahlkämpferin.

        Guter Witz. 😉 Eine Kandidatin, die in 3 von 4 Wahlen an Zustimmung verliert, eine Politikerin, die kaum einen Personalvorschlag durchbekommt, gilt in Deinen Augen als erfolgreiche Wahlkämpferin.

        • Ariane 8. Mai 2020, 16:17

          Ich sag mal so, das Konzept war nicht bei allen sehr populär, sondern nur in bestimmten marktliberalen Kreisen. Und es wurde halt auch enorm schlecht verkauft, Schröder hat es ja gezeigt. Und ich meine, ich hab irgendein Duell mit Kirchhof und Schröder alleine gesehen, damals war das auch noch nicht so formalisiert mit Kanzlerduellen wie heute.

          Nun ja, ich glaube, die Union ist zweimal knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt und hatte die ganze Zeit über viel Vorsprung vor den anderen Parteien – außer 2005. Das würde ich durchaus erfolgreich nennen, ich bin ja nicht mal sicher, ob es bei der nächsten Wahl gelingt, die Union aus der Regierung zu drängen oder erst in 5 Jahren. 😉

          • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 16:50

            Nein, ich erinnere mich noch an die ersten Umfragen, ich war gerade im Griechenland-Urlaub. Eine Mehrheit fand das Konzept gut, ohne besonders viel davon zu wissen. Erst im Parteienstreit drehten sich die Mehrheitsverhältnisse. Don’t get me wrong: das ist der Sinn von Demokratie. Aber genau hier setzt meine Kritik an der personellen Besetzung an: Friedrich Merz wäre in der Verteidigung wesentlich besser gewesen, er wusste, wie das Spiel läuft. Schröder wusste, wie man Mehrheiten dreht und gewinnt, Kirchhof nicht.

            Der angesehene Verfassungsrechtler agierte absolut naiv auf der für ihn neuen politischen Bühne: Später beschwerte sich er sich, dass er dachte, er müsse dem Bundeskanzler das Konzept nur erklären, dann würde er seine Kritik sein lassen. So funktioniert Politik nicht, es geht allein um Gewinnen und Verlieren.

            Jetzt bin ich verwirrt: 2005 holte die Union 35,2% der Stimmen, nachdem die Christenparteien noch Anfang des Sommers nahe der absoluten Mehrheit gelegen hatten (Infratest Dimap: 48%). Erst in der Debatte über das Steuerkonzept begannen die hohen Werte zu bröckeln.
            http://www.wahlrecht.de/umfragen/dimap/2005.htm

            2009 endete die Union bei 33,8%, sie verlor also von ohnehin niedrigem Level aus. 2013 dann waren es 41,5%, fraglos gut, aber begünstigt von dem Rausschmiss der FDP. In der Historie der Konservativen zählte das damals zu einem Durchschnittsergebnis. Und 2017 schließlich waren es 32,9%, das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte.

            Ich weiß nicht, wo Du siehst, dass die Union zweimal an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt sei. Ich zähl‘ nicht mal einmal und dazu kassierte Merkel mehrmals mit die schlechtesten Ergebnisse der CDU-Geschichte.

            Dein Urteil, CDU / CSU seien ja deutlich vor der Konkurrenz gelandet, resultiert allein daraus, dass sich das linke Lager weiter aufgesplittet hat. Das kann man aber kaum zu den Verdiensten Merkels als Wahlkämpferin zählen. Gleichzeitig verlor sie den traditionellen Koalitionspartner FDP, obwohl die Liberalen in drei der vier Wahlkämpfe historisch hohe Ergebnisse erzielten. Am Ende regierte Merkel in 3 Wahlperioden mit einer lagerübergreifenden großen Koalition – und machte diese klein.

            Ich weiß nicht, in meinen Augen sehen erfolgreiche Wahlkämpfer anders aus. So wie z.B. Sebastian Kurz in Österreich (ist nicht so weit weg), der gleich 3 Koalitionsoptionen verfügbar hatte und die ÖVP aus einem lang anhaltenden Tief herausholte. Oder wie Boris Johnson in Großbritannien, der in einem Mehrheitswahlrechtssystem die direkte Konkurrenz regelrecht zertrümmerte und deren traditionelle Wähler übernahm.

            So ungefähr.

            • Ariane 8. Mai 2020, 17:34

              Naja, ich glaube jeder wäre besser gewesen als Kirchhof. Aber ja, gebe ich dir recht. 🙂

              Ich meinte explizit die Sitzverteilung und die CDU/CSU hatte immer enormen Vorsprung sowohl in den Koalitionen als auch im Parlament. Und ja, das lag auch an der Schwäche der anderen Parteien.

              Aber Merkel war eben eine gute Gegnerin und die anderen spielten nicht auf ihrem Niveau.

          • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 17:05

            Schröder konnte man kein größeres Geschenk machen als die Bierdeckelsteuer.

        • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 17:02

          Wie gesagt, jemanden wie Merz ins Kabinett zu holen wäre machtpolitisch auch extrem blöd gewesen, ins Kabinett mit einer GroKo gleich dreimal.

          • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 20:33

            Im Wahlkampf 2005 hatte niemand eine große Koalition auf dem Zettel, zu unterschiedlich waren die politischen Konzepte in der Steuer- und Gesundheitspolitik, zu abgeneigt waren sich die führenden Protagonisten. Schröder rechnete wie weiland Helmut Schmidt mit seiner Abwahl, schließlich hatte er sie forciert.

            Irgendwie geht fast jeder davon aus, dass Gerhard Schröder um jeden Preis Kanzler bleiben wollte. Dem ist im geschichtlichen Rückblick keineswegs so. Schon kurz nach Amtsantritt bekannte Schröder in einem Interview, dass 8 Jahre an der Spitze genug seien, die Zeit verschleiße enorm. Nach der Bundestagswahl 2002 litt Schröder wochenlang unter völliger Erschöpfung, so viel Kraft hatte die Aufholjagd gekostet und war nur knapp gelungen.

            Schröder war genügend Political Animal um abschätzen zu können, dass ihm nach menschlichen Ermessen in einem Land mit konservativer Grundstimmung und einer traditionell selbstmörderisch veranlagten Linken nur noch eine Legislaturperiode blieb. Entsprechend ging er seine letzte Regierungszeit mit der Installation eines Superministers und der Agenda 2010 an.

            Genauso ist von Schröder überliefert, sich nicht wie sein Vorbild Schmidt von der Parteilinken aus dem Amt jagen zu lassen. Er wollte Herr über sein Schicksal sein, weshalb er, unter dem wachsenden Druck der Parteilinken, den Ausweg Neuwahlen ansteuerte. Er begründete die anvisierte Vertrauensfrage ja damit, das man nicht Vertrauen heucheln solle, wo kein Vertrauen mehr da sei.

            Auch eine weitere Aussage Schröders aus dem Wahlkampf, besser: zu Beginn, ist mir in Erinnerung. Auf die Frage eines Journalisten, ob er wirklich glaube, die Wahl gewinnen zu können, antwortete der Kanzler, er werde sich mit aller Kraft einsetzen. Er wisse, was er seiner Partei schuldig sei. Übersetzt: es ging mehr um die Mandatsträger der Sozialdemokraten als um die Sicherung seiner Kanzlerschaft.

            Ursprünglich soll Schröder den Plan gehegt haben, nach erfolgreichem Wahlkampf und einer Schonzeit die Regierungsgeschäfte an seinen Vertrauten Frank-Walter Steinmeier zu übergeben. Doch auch das spricht nicht prinzipiell gegen die These, dass Schröder die Endphase seiner Kanzlerschaft gekommen sah.

            Eine Koalition mit Angela Merkel, das machte er in trunkenem Zustand ja nochmal eindeutig klar, war für fast jeden in der Sozialdemokratie zu dem Zeitpunkt undenkbar.

            • Ariane 8. Mai 2020, 21:28

              Also ich weiß es ja nicht, aber das SPD Ergebnis 2005 war auf jeden Fall deutlich besser als erwartet. Kann auch ein Testosteronüberschuss gewesen sein. Oder eben Taktik, um zumindest die SPD an der Macht zu halten.

              Ich weiß nicht mehr, aber ich meine, wirklich gute andere Optionen gab es damals auch nicht? Mit der FDP hats ja vermutlich nicht gereicht. Und mit den Grünen wurde meines Wissens erst Jahre später mal kurz gesprochen – vor Jamaika?

              • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 21:42

                Es gab damals ein kurzes Fingerhakeln. SPD und Grüne antichambrierten, die FDP möge doch springen, doch die blieb standhaft. Umso ärgerlicher, wie Merkel später mit den Liberalen umgesprungen ist. Geschichte wiederholt sich, siehe Merz.

                Ebenso warben Union und FDP kurz um die Grünen, diese mögen doch über ihren Schatten springen. Aber das war weder mit Fischer, der Schröder eng verbunden war, noch mit der linksgerichteten Parteispitze zu machen. Nach wenigen Tagen wurde das Spiel aufgegeben und man konzentrierte sich auf die Vorbereitungen für eine große Koalition.

                • Ariane 9. Mai 2020, 12:15

                  Ah ok danke. Ja, war auch zu früh für andere Optionen denk ich. Und ähm ich glaube, nachdem die Union es später mal mit der FDP probiert haben, haben sie gemerkt, dass Regieren mit der SPD besser funktioniert 🙂

            • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 10:32

              Zumindest hat er das immer gesagt. Wäre er 2005 vor Merkel gelandet, wäre er sicherlich Kanzler geblieben.

              • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 11:40

                Von Schröder ist aber auch viel Gegenteiliges überliefert. Und sein Verhalten gibt diesem Recht. Manche deuten die Ausrufung von Neuwahlen als Zeichen, er habe die Nerven verloren. Mag sein, das zählt aber nur, wenn er tatsächlich vorgehabt hätte, länger zu amtieren.

                Schröder war in seiner politischen Karriere nicht nur Pflichtenmensch, protestantisch-asketisch wie seine Nachfolgerin. Er war auch Lebemann. Fünfmal verheiratet, genießt und genoss er die Schönheiten des Lebens und das Ausschweifende, wenn es möglich war. Der Ruf als Brioni- und Cohiba-Kanzler kommt nicht von ungefähr.

                Wie aufgezeichnet gehe ich davon aus, dass Schröder den ehrenvollen Abgang suchte. Noch einmal einen hervorragenden Wahlkampf, in dem er vielleicht mit fliegenden Fahnen untergeht – so war ja noch Wochen vor der Wahl die Umfragelage und unverändert zu dem Zeitpunkt, wo er Neuwahlen anstrebte. Schröder kalkulierte mit der Niederlage, das tun hervorragende Spieler.

                Ich denke, mehr daraus abzuleiten ist zu spekulativ ohne Anhaltspunkte.

                • Stefan Sasse 9. Mai 2020, 13:09

                  Nun, mit der Ehre hatte er es weder während noch nach seinem Abgang sonderlich, daher bleibe ich eher skeptisch.

                  Ich verstehe aber ohnehin deine Maßstäbe nicht wirklich. Während Wulff „kleinteiliges Denken“ offenbart, ist es bei Schröder ein toller Lebemann. Ich habe das Gefühl, du passt deine moralischen Maßstäbe beliebig an, je nachdem ob du die PErson magst oder nicht.

                • Ariane 9. Mai 2020, 13:50

                  Ganz ehrlich, ich glaub Schröder war da einfach zu impulsiv. Er hatte ja auch oft ein gutes Gespür, was bei den WählerInnen gut ankommt (die Flut mit den Gummistiefeln!), deswegen war er ein guter Wahlkämpfer im Gegensatz zu all seinen Nachfolgern übrigens, die Funktionärselite. Find da merkt man, dass Schröder eben selbst von unten kam.

                  Die vorgezogene Wahl war ja auch so eine Flucht nach vorne, genau wie die Teilung von Kanzler und Vorsitzendem. Hätte er Kanzler bleiben können, hätte er das bestimmt auch gemacht, aber sowas wie Vizekanzler wäre wohl eher nicht in Frage gekommen.

      • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 17:00

        Ja, wobei ihr Duell gegen Schröder ein sanftes Unentschieden war – angesichts der ungleichen Stärkeverteilung beider Kontrahenten ein kleines Wunder.

        • Ariane 8. Mai 2020, 17:35

          Sie scheint zwar immer unsichtbar, aber sie ist wirklich gut in solchen Duellen, ich mochte ja auch ihre jetzigen Reden. Und wenn man überlegt, wie sie die anderen Duellanten an die Wand gespielt hat. (gut, ist mit der SPD ja auch leicht) Aber sie ist gut darin, ihre Schwächen zur Stärke zu machen. Wie sagtest du drüben, es kommt darauf an, wie man Cleverness einsetzt.

  • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 15:03

    Ich möchte nur an die unselige Episode mit Wolfgang Schäuble als Innenminister erinnern, der sich mit großem Elan daran machte, zur Bekämpfung des Terrorismus Bürgerrechte einzuschränken und vom Bundesverfassungsgericht mehrfach eingefangen wurde. Passend zur jetzigen Coronakrise möchte ich nur an die Idee erinnern, eine vollbesetzte Passagiermaschine von der Bundeswehr bei einem Terrorismusangriff abschießen zu lassen. Dieses Gesetz wurde wieder einkassiert, weil man „Leben nicht gegeneinander abwägen darf“, sollte man Wolfgang Schäuble oder Boris Palmer vielleicht mal wieder in Erinnerung rufen.

    Bitte korrigieren oder klarer benennen! So ist es schlicht falsch und ehrabschneidend.

    • Ariane 8. Mai 2020, 15:43

      Ehrabschneidend? Ich muss doch sehr bitten, das möchte ich von jemandem, der Angela Merkel als Domina bezeichnet, bitte schleunigst überlesen! Sonst verlange ich dafür einen Beweis! Denn das scheint mir ebenso falsch wie ehrabschneidend unserer Kanzlerin gegenüber.

      • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 15:52

        Ich habe Angela Merkel nicht als Domina bezeichnet, sondern mit einer Domina verglichen. So, wie Kohl oft mit einer Birne verglichen wurde oder Schröder gemäß seinem früheren Spitznamen mit „Acker“. Wieso sind Vergleiche nur bei Frauen ehrabschneidend?

        • Ariane 8. Mai 2020, 16:10

          Du hast einen ziemlich großen Absatz zitiert, was davon findest du denn genau ehrabschneidend? Das mit dem Flugzeug? Leben abwägen? Dass ich gesagt hab, er und Palmer sollten sich das Urteil nochmal durchlesen?

          Ich finde, es ist eine völlig legitime Kritik. Und mit „ehrabschneidend“ kann ich übrigens gar nichts anfangen, Sorry, aber das klingt als wärst du ein Zeitreisender aus dem Kaiserreich? Und ich hab Schäuble mit diesem Absatz sicher nicht justiziabel beleidigt. Du Angela Merkel übrigens auch nicht, dann vergleiche sie mit einer Domina. Nur beschwer dich nicht, wenn ich Schäuble kritisiere. Oder wenn, dann bitte so, dass ich das verstehe mit Begriffen aus dem 21. Jahrhundert 😉

        • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 17:01

          Ich finde, Lindner agiert wie ein Idiot.

          Schau, ich hab nur verglichen, alles gut.

    • Dennis 8. Mai 2020, 16:01
      • Stefan Pietsch 8. Mai 2020, 16:05

        Ist etwas anderes als Ariane anführte.

        Das passierte vielen Politikern. Steinbrück / Merkel scheiterten z.B. mit ihrer Version der Pendlerpauschale – sehenden Auges. Und wir werden noch sehen, wie die Weiterführung des Solis als Reichensteuer in Karlsruhe gewertet wird. Die Verfassungsrechtler (einen solchen haben Sie ja prominent aufgeführt) sind da skeptisch.

        • Ariane 8. Mai 2020, 16:13

          Ich verstehe wirklich nicht, was du genau meinst. Das Gesetz wurde aufgehoben und es war ja nicht das einzige, da kursierten damals ziemlich viele wilde Ideen und Gesetze. Und du kommst hier mit ganz anderen Sachen. Ich weiß nicht mal, ob Schäuble das Gesetz selbst auf den Weg brachte, ist mir eigentlich auch egal. Es passte nur gut zu dieser Situation.

        • Stefan Sasse 8. Mai 2020, 17:04

          Ja, das sind politische Dynamiken, die entwickeln gerne ein Eigenleben. Passiert ja in der Wirtschaft genauso. Ich erinnere mal an den Weltkonzern Daimler-Chrysler.

  • sol1 8. Mai 2020, 22:02

    Das Rätsel Merkel hat mich jetzt doch so gepackt, daß ich meine vor einem Vierteljahrhundert erworbenen Astrologie-Kenntnisse reaktiviert habe und mir zum allerersten Mal ihr Horoskop genauer angeschaut habe:

    https://top-astro.de/images/horoskope/geburtshoroskop-merkel-angela.png

    Mein Eindruck: Merkel weiß zwar nicht, welches Ziel sie einschlagen soll, das aber mit aller Energie.

    • Ariane 9. Mai 2020, 00:10

      Gute Idee, vielleicht könnten wir das noch irgendwie auspendeln?

      • cimourdain 9. Mai 2020, 11:21

        Und das von jemanden, der die Wissenschaft als Quelle politischer Einsicht hochhält. Wollen wir noch die Eingeweide einer Ziege befragen?

        • Ariane 9. Mai 2020, 12:18

          Ich verlasse mich sowohl auf die Wissenschaft als auch meine eigene Menschenkenntnis und Merkel macht sich so unsichtbar, da ist mir alles Recht. Vielleicht könnten wir ein Medium befragen? 🙂

          • cimourdain 10. Mai 2020, 08:24

            Ich bleibe lieber bei der Antike:
            Seibert als Pythia und Claus Kleber ist dann der Priester, der dessen ‚inkohärentes Gebrabbel‘ zu einem Orakelspruch deutet.

            • Ariane 10. Mai 2020, 09:33

              Oja, und Drosten ist Kassandra. Blicken ja viele auch nicht, dass Kassandra am Ende recht hatte.

              Oh und Karl Lauterbach ist Pandora. Ist eine meiner Lieblingsgeschichte, wie Seuchen und die Reiter der Apokalypse hervorbrechen und am Ende liegt die Hoffnung noch drinnen <3

  • sol1 8. Mai 2020, 22:06

    „Rolf Mützenich und Saskia Eskens (nein ich musste diesmal nicht googlen) haben sogar mitten in der großen globalen Pandemiekrise – der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg – nichts besseres zu tun als eine Nostalgieshow um den NATO-Doppelbeschluss aus den 70er-Jahren aus der Mottenkiste zu kramen und wieder ein Trara um Atombomben irgendwo in Deutschland zu veranstalten, von denen doch normalerweise niemand weiß, wem die gehören und wo die eigentlich sind. Schließlich hat man Atombomben sowieso nur, um sie niemals einzusetzen. Was DemonstrantInnen aus dem Kalten Krieg ja wohl wissen sollten, Frau Eskens!“

    Ein Trauerspiel!

    Jetzt muß sich die SPD sogar von Siggi sagen lassen, wo es langgeht:

    https://www.tagesspiegel.de/politik/sigmar-gabriel-zur-debatte-ueber-die-nukleare-teilhabe-die-spd-verspielt-das-vertrauen-in-ihre-regierungsfaehigkeit/25813798.html

    • Ariane 9. Mai 2020, 00:15

      Haben die denn keine Aktiven, die da mal was zu sagen können? Ich wollte Gabriel ja schon auf eine Insel ohne Kommunikation verbannen.

      Und was ist eigentlich aus Thomas Oppermann geworden? War der nicht mal Fraktionschef? Bis der Mützenich plötzlich was vom Atomkrieg erzählte, hatte ich ganz vergessen, dass es den noch gibt. Aber da wird man ja doch mal kurz hellhörig.
      Und dann wundern sich die Leute, warum ich Ausnahmezustand fordere, muss doch nicht sein, dass man hier mitten im Chaos was von Atombomben erzählt und dann gehts nur darum, dass AKK mal ein paar Jets shoppt.

      • CitizenK 9. Mai 2020, 15:15

        Nicht im Focus, aber nicht weg: „A retreat from arms control creates a dangerous nuclear reality“
        https://thebulletin.org/doomsday-clock/current-time/

        Ich will jetzt nicht das Fass aufmachen, ob Trump oder Putin angefangen hat. Aber so locker-flockig sollen wir nicht damit umgehen.

        • Ariane 10. Mai 2020, 09:36

          Trump war zwischendurch auch so fixiert auf Atombomben, das find ich schon sehr bedenklich. Die meisten Atommächte sind ja nicht für rationale Führungen bekannt. Da hab ich auch lieber irgendwo hier was versteckt und bin froh über die NATO.

  • Ariane 9. Mai 2020, 00:40

    Ach, weil ich das Verfassungsurteil zur EZB erwähnt hatte.
    Der Europäische Gerichtshof hat überhaupt keine Lust, sich mit den kleinen unwichtigen, nationalen Gerichten zu befassen und brachte das recht deutlich zum Ausdruck:

    https://twitter.com/PankowerPflanze/status/1258877336415600640/photo/1

  • cimourdain 9. Mai 2020, 12:15

    Was mir bei allen drei Merkeldeutern, die hier jetzt Artikel geschrieben haben, zu kurz kommt, ist ein für mich als überzeugten Demokraten schmerzhafter Aspekt: Die unsichtbarkeit einer ernstzunehmenden Opposition. Das liegt ein wenig am Zeitgeist, der zwar von laut geführten Debatten dominiert zu sein scheint, aber in Wrklichkeit stackt dahinter meist eine inszenierte (Talk)Show. Aber in mehreren Punkten liegt das auch an der Struktur von Merkels Machtausübung:

    Da wären zum einen die großen Koalitionen. Stefan Sasses Kiesinger-Artikel hat mich an die Aussage eines 68ers zum Begriff ‚APO‘ erinnert: ‚Die einzige Opposition im Parlament war da nur die FDP. Also mussten wir das von aussen machen.‘ Genau diese Situation haben wir jetzt als Beinahe-Dauerzustand.

    Das nächste ist der innere Zustand der Regierungsparteien. Die SPD zerlegt grundsätzlich jeden, der in ihren Reihen ein wenig aus der Masse hervorsticht. Die CSU zeichnet sich in Berlin hauptsächlich durch „Verkehrsminister“ aus. Und die CDU lebt prima damit, dass im Schatten von Merkel auch nach der Amtszeit jeder so seinen Posten in Wirtschaft oder Europa bekommt.

    Bei der Opposition sieht es nicht viel besser aus: Die Grünen sind kanzlertreuer als die CSU. Die LINKE kann sich nicht von ihrem Image als redikale Kommunisten befreien. Auch die FDP kommt aus ihrer eindimensionalen Steuer- und Lohnsenkungsecke nicht heraus. Und diese neue Partei will ich eingentlich auch lieber verschweigen.

    Das dritte ist eine extrem regierungsfreundliche Medienlandschaft bei den ‚alten‘ Medien. Dies liegt zum einen an der Überrepresentation der Regierungsparteien in Verwaltungs- und Aufsichtsräten des offentlich-rechtlichen Rundfunks, zum anderen an der z.T. engen persönlichen Freundschaft von Angela Merkel mit MedienoligarchInnen wie Friede Springer, Liz Mohn oder Hubert Burda. Und medienfreundliche Gesetze wie die verspätete Einführung des Mindestlohns für Presseverlage oder das Leistungsschtzgesetz tun ein übriges.

    Der letzte Aspekt ist der Populismus der Mitte: Das Image als bescheidene, ubestechliche Dienerin des Staates wird natürlich gepflegt und kommt bei einer Mitte, wo eine Dienstwagenaffäre schon das saftigste an politischem Skandal darstellt, gut an. Entsprechend kritiklos wird auch die Politik hingenommen.

    Und diejenigen, die nicht mit der Regierung einverstanden sind? Bei denen tritt sehr oft ein Kreislauf der Selbstradikalisierung und Diskursausschluss (Kontaktschuld) ein.

    Und all das führt dazu, dass Angela Merkel im Verhältnis sehr einfach unwidersprochen regieren kann.

    • Ariane 9. Mai 2020, 12:33

      Ja. Geb ich dir recht. Die Merkeldeutelei ist ja auch ziemlich ausgeufert, müsste man vielleicht nochmal pro Partei machen. Ist halt schwierig, weil da soviele Einflüsse drinstecken, dass man das nicht mehr richtig trennen kann.

      Es hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass sowohl Merkel mit ihrer CDU als auch die SPD mittlerweile hauptsächlich Verwaltungsparteien sind. Die Regierung läuft wie geschmiert.

      Aber da stecken keine Politik-Ideen dahinter. Siehe Außen/Sicherheitspolitik, die ist total erratisch, weil einfach jeder macht was er will und überhaupt nicht geklärt ist, ob man Westbindung oder Mittelmacht sein will. Und wenn das woanders diskutiert wird, auf der unteren Partei-Ebene, in den Medien, beim Volk. Dann kommen da sehr einfache Antworten raus. Pro/Contra Russland und mehr nicht. Es wäre aber Sache der Koalition, sich zu einigen und es dann zur Diskussion freizugeben und das passiert nicht.

      Und die meisten Medien sind mittlerweile oft sehr kampagnenartig unterwegs, das ist nicht anders als sonst, da wusste nur niemand, was in der FAZ steht, weil nur die oberintellektuellen Bürgerlichen sie gelesen haben. Jetzt kommt plötzlich der linksgrünversiffte Pöbel an und will auch noch die Faz enteignen und nicht nur Springer^^

      War ja auch meine Kritik, die Aufgabe des Parlaments und der Regierung im Besonderen ist auch, die mediale Debatte zu prägen und nicht so ausufern zu lassen, dass es zb unser Image in der Welt oder in Europa schädigt. Das hat zb in der Griechenlanddebatte enormen Schaden angerichtet und das fällt dann wieder der Regierung vor die Füße.

    • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 13:18

      Es ist doch ein ganzes Stück anders zumal Sie eher nur als Opposition stehen lassen, was Ihnen persönlich zusagt.

      Die Coronakrise zeigt wieder, was für ein folgsames Volk wir Deutschen doch sind. Die Bundeskanzlerin hatte im März gerade gesprochen, da machten bereits die ersten Läden zu und die Polizei kontrollierte unter würdigem Applaus die Einhaltung der vermeintlichen neuen Vorschriften. Nur: die ordnungsrechtlichen Verfügungen waren da noch nicht in Kraft. Vorauseilenden Gehorsam kann man das auch nennen.

      Brav lassen wir uns alles nehmen, was wir nicht erkämpft, sondern von den Alliierten nach dem Krieg geschenkt bekamen. Noch für die irrsinnigste Kapriole an der Staatsspitze finden wir Verständnis und Rechtfertigungen. Sie wollen ja nur unser bestes, selbst wenn unsere Alten ohne Abschiedsgruß sterben. Da haben mir die Franzosen am Eifelturm gefallen, die trotz Verbot dort vereinzelt Fahrrad gefahren und gejoggt sind.

      Fast Neunzig Prozent Zustimmung für die Maskenpolitik der Staatsführung – ein so obrigkeitshöriges Volk sucht man auf der Welt sehr lange vergebens. Und das ist der Punkt: viele Themen genossen in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine erdrückende Zustimmung. Und natürlich sind wir alle gegen Nazis. Wir sorgen uns zwar um unser Geld, aber wenn die europäischen Partner an allen Verträgen flagrant vorbei etwas geschenkt bekommen, ist das auch nur fair. Wir wollen so viele Flüchtlinge wie möglich, aber nicht bei uns und schnell gehen sollen sie auch, wenn sie trotz nicht vorhandener Pässe sich eventuell als etwas herausstellen, was sie nicht sind.

      Wir wünschen hohe Besteuerungen und gehen gerne schwarz arbeiten. Klima ist wichtig, aber Steuern führen zu weit. Und immer aufpassen, dass niemand zu kurz kommt. Wir halten die Mitbestimmung hoch und mögen uns doch nicht engagieren. Parteien sind nicht vertrauenswürdig, einzelne Politiker weit eher, aber Mehrheitswahlrecht ist völlig unfair.

      Wo waren wir? Ach ja, dem Fehlen einer wirksamen Opposition. Wo soll die herkommen, wenn wir uns in den meisten Dingen so einig sind? Merkel betreibt als CDU-Kanzlerin seit 15 Jahren eine den Grünen- und sozialdemokratischen Milieus wohlgefällige Politik. Die eigene Partei kann deswegen nicht opponieren, die Linken haben’s bequem. Wer irgendwann regieren will, muss sich erst als staatstragend erweisen, sonst wird das nichts. Das ist das Dilemma der Grünen, die seit 2005 hoffen, wieder mal gedacht zu werden. Also jene Partei, die 7 Jahre mitregierte, nachdem sie zuvor alles getan hatte, es nicht tun zu müssen, und danach flugs behauptet hat, mit den Folgen der eigenen Regierungspolitik nichts zu tun zu haben. Wahrscheinlich waren die auch damals in der Opposition.

      Die LINKE hat verpasst, was sie sein will. Nach dem vielstimmigen Chor „Doch, wir wollen!“ „Nein, auf keinen Fall!“ hat der Wähler längst an der Partei resigniert: Dann halt nicht.

      Die FDP leidet fraglos unter einem Trauma, dem Rausschmiss aus dem Bundestag, der die Partei fast zerfetzt hätte. Und niemand mag sie, weil den Deutschen der Freiheitsgedanke (siehe oben) von jeher suspekt ist. Ariane geht ja so weit, die Verweigerung einer Koalition und die Zur-Wahl-Stellung in einem Landesparlament, wo die meisten nicht einmal wissen, wo das Bundesland liegt, von zwei Staatskrisen zu sprechen. Der Vorteil der Jugend, von wenig Ahnung zu haben.

      So, wie wir heute überall Nazis sehen. So viele gab es nichtmal direkt nach Ende des Krieges. Und die neuen Nazis selbst können häufig nicht mal die vier Buchstaben richtig zusammensetzen oder Hakenkreuze symbolisch korrekt zeichnen. Der Unterschied zwischen Rechtsextremisten und Nazis ist inzwischen wenig geläufig, dazu mischt sich noch der Vorwurf der Faschisten, der zum Glück ähnlich ungenau ist. Hauptsache irgendwie bäh. Wenn man sonst keine Identifikation hat, sucht man sie sich halt dort, wo man sich nicht auskennt.

      Zurück zum Anfang: als Christian Lindner sich als einer der ersten gegen die Einschränkungen der Grundrechte muckste, schalt ihm sofort der Ruf entgegen, nun AfD-like zu sein. So ungefähr funktioniert der Umgang mit Opposition in Deutschland, wo wir doch nur alle eins sein wollen: beste Freunde.

      • Ariane 9. Mai 2020, 14:01

        Die Coronakrise zeigt wieder, was für ein folgsames Volk wir Deutschen doch sind.

        Meine Güte, lass doch mal das Moralisieren weg bitte. Es zeigt, dass es noch Leute gibt, die sich informieren und Verantwortung für sich und andere zeigen. Übrigens ist auch in Schweden und UK die Wirtschaft zusammengebrochen, weil die Leute einfach von sich aus nirgends mehr hingehen. Das ist nun mal ne Pandemie.

        Die ganzen Verordnungen sind nur für die Leute gedacht, die jetzt Hygiene-Demos abhalten (dürfen). Wenn die ganzen Anarchisten sich nämlich nicht um Vorsicht scheren, kann die Politik nichts tun und das Gesundheitssystem bricht mit oder ohne Verordnung zusammen.
        Wir sind nämlich in einer Demokratie und nicht in China Herr Freiheitskämpfer.

        So, wie wir heute überall Nazis sehen. So viele gab es nichtmal direkt nach Ende des Krieges. Und die neuen Nazis selbst können häufig nicht mal die vier Buchstaben richtig zusammensetzen oder Hakenkreuze symbolisch korrekt zeichnen.

        Tja, vielleicht liegt das auch einfach an den vielen Bürgerlichen, die meinen Nazis sind einfach nur Dummbratzen mit Springerstiefeln und irgendwelche „schlauen“ Leute können gar keine Nazis sein?
        So ist es nun mal nicht, Höcke und Gauland sind nicht dumm und trotzdem Nazis oder meinetwegen Nazi-affin, wenn wir denn zwingend für alles neue Begriffe brauchen. Wer den Holocaust relativiert, ist nun mal Nazi. Und wer die deutsche Verfassung und Demokratie ist extremistisch und wenn es von Rechts kommt, ebenfalls Nazi bzw rechtsextrem. Das hat nichts mit Bildung, Intelligenz, Bürgerlichkeit oder sonstwas zu tun. Es hat mit Zerstörung zu tun, so definiere ich zumindest für mich Extremismus.

        Und was mir sowohl in der Nazi-Debatte als auch in der Corona-Krise extrem missfällt ist, dass das sofort in einen Kampf ausartet, in den Medien gibts plötzlich Coronaskeptiker und hysterische Panikmacher. Das ist total bescheuert. Schrieb ich glaub ich auch, die Frage ist ja nicht, ob wir was machen sollten, sondern wie wir damit umgehen sollten.

        Und bei Nazis ist es genauso. Die verschwinden ja auch nicht einfach. Sollte auch die Frage sein, wie wir verhindern, dass es soviele werden, dass wir eine Terrorserie oder die AfD im Parlament oder sogar an der Macht haben. Das ist viel wichtiger.

      • sol1 9. Mai 2020, 20:29

        „Der Vorteil der Jugend, von wenig Ahnung zu haben.“

        Ich bin genauso alt wie du und finde deine Haltung viel kindischer als die von Ariane.

        Freiheit ist eben nicht, das zu tun, was einem gerade in den Sinn kommt.

        • Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 21:33

          Okay, nix verstanden. Ihr Zitat haben Sie daraus geklaubt, der Rückzug aus Sondierungsgespächen für eine spätere Regierung habe eine Staatskrise ausgelöst. Eine solche Verschiebung kombinieren Sie dann mit dem Anspruch, dass die Bürger ein Stück weit selbst entscheiden können müssen, was angemessen während einer Pandemie sei.

          Kurz: Ihr Einwand ist weder richtig im Bezug noch logisch. Anscheinend ging es Ihnen um etwas anderes. Das wiederum ist kindisch.

          • sol1 10. Mai 2020, 12:18

            „Ihr Zitat haben Sie daraus geklaubt…“

            Ich kann nicht erkennen, daß der Kontext des Zitats es irgendwie weniger überheblich macht:

            „Die FDP leidet fraglos unter einem Trauma, dem Rausschmiss aus dem Bundestag, der die Partei fast zerfetzt hätte. Und niemand mag sie, weil den Deutschen der Freiheitsgedanke (siehe oben) von jeher suspekt ist. Ariane geht ja so weit, die Verweigerung einer Koalition und die Zur-Wahl-Stellung in einem Landesparlament, wo die meisten nicht einmal wissen, wo das Bundesland liegt, von zwei Staatskrisen zu sprechen. Der Vorteil der Jugend, von wenig Ahnung zu haben.

            So, wie wir heute überall Nazis sehen. So viele gab es nichtmal direkt nach Ende des Krieges. Und die neuen Nazis selbst können häufig nicht mal die vier Buchstaben richtig zusammensetzen oder Hakenkreuze symbolisch korrekt zeichnen. Der Unterschied zwischen Rechtsextremisten und Nazis ist inzwischen wenig geläufig, dazu mischt sich noch der Vorwurf der Faschisten, der zum Glück ähnlich ungenau ist. Hauptsache irgendwie bäh. Wenn man sonst keine Identifikation hat, sucht man sie sich halt dort, wo man sich nicht auskennt.

            • Ariane 10. Mai 2020, 21:39

              Ich steh auch dazu, wir hatten über mehrere Monate lang eine geschäftsführende Regierung im Amt. Das ist von der Verfassung nicht vorgesehen, weil die Legitimation fehlt. War nicht so schlimm, weil die Mehrheitsverhältnisse sich nicht so sehr geändert hatten und wir genug Leute mit Verantwortung im Parlament haben.

              Was passiert, wenn das nicht mehr der Fall ist, hat man in Thüringen gesehen. Die hatten einfach gar keine Regierung mehr und das Bundesland wurde von nichtgewählten Staatssekretären geführt.

              Das sind Verfassungs/Staatskrisen allererster Güte. Sollte ein Verfassungspatriot sich vielleicht mal eingestehen. Ist mir übrigens auch egal, ob Lindner das persönlich war oder andere Leute von der FDP. Aber verantwortlich war es eben nicht.

      • cimourdain 10. Mai 2020, 08:15

        Sehen Sie, von genau diesen Überlegungen bin ich auch ausgegangen. Nur, ihre Deutung „Wir [wenigstens verwenden Sie nicht das selbstausschließende ‚Die‘] Deutschen sind nun mal so“ ist mir mit Verlaub zu platt.
        90% Umfrageergebnisse beruhen schlicht auf manipulierten Umfragen nach dem Motto „Finden Sie es richtig, dass die Regierung etwas gegen den Killervirus unternimmt, oder sollen lieber Ihre Großeltern daran sterben.“ Wie die Realität aussieht, können Sie an sonnigen Tagen in jedem Park beobachten. Da schafft sich doch fast jeder seine kleinen ‚Drückebergergassen‘.
        Was die ‚Nazis‘ überall betrifft, findet sich ein ähnlicher Mangel an Trennschärfe im koservativ-liberalen Lager, das hinter allem, was irgendwie mit ’sozial‘ in Verbindung steht, früher die fünfte Kolonne Moskaus und heute ein Wiederaufstehen der DDR vermutete.
        Wenigstens was Lindner betrifft, sind wir halbwegs einig. Oppositionspolitiker werden gerne auf möglichst ‚knackige'(lies undifferenzierte) Aussagen reduziert und dann wird nur noch diese Aussage diskutiert und nicht mehr der Inhalt.

        • Ariane 10. Mai 2020, 21:41

          Ja. Das ist oft ein Medienproblem. Aber ich finde es reichlich naiv anzunehmen, Politiker wüssten einfach nicht, wie Medien funktionieren. Von daher finde ich es auch merkwürdig, Lindner oder andere Politiker da nun völlig aus der Verantwortung zu nehmen.

          Ich kritisiere an der SPD ja auch ständig, dass die keine Kommunikation können.

      • R.A. 10. Mai 2020, 10:38

        „als Christian Lindner sich als einer der ersten gegen die Einschränkungen der Grundrechte muckste, schalt ihm sofort der Ruf entgegen, nun AfD-like zu sein.“
        Das war in der Tat sehr krass.

        Was die Lindner-Kritiker damit eigentlich sagten: Der Einsatz für Grundrecht und Freiheit ist ein Kernanliegen der AfD.
        Absurder geht es nicht.

        • Dennis 10. Mai 2020, 15:51

          @ R.A. :
          Einsatz für „Grundrecht und Freiheit“ ist Bla-bla, das JEDER auf dem Zettel hat. Schon mal jemanden gesehen, der behauptet, sich gegen Grundrecht und Freiheit einzusetzen?

          Es kommt natürlich auf den Kontext an und aus auf alles, womit dieser „Einsatz“ verbunden wird, wie Freiheit eigentlich definiert wird, namentlich in konkreten Situationen, wer damit klientelistisch vorzugsweise bedient werden soll und so weiter und so weiter.

          Wenn Bambi über „Maulkörbe“ schwadroniert……

          https://pbs.twimg.com/media/EVJRtnQUwAA_zDl.jpg

          ……die es nicht gibt, also offenbar darauf angewiesen ist, „Bedrohungen“ bezüglich Grundrecht und Freiheit zu erfinden, sagt das schon Einiges, und zwar nichts Gutes.

          ‚Man darf’s ja nich mehr sagen, ich sag’s aber trotzdem‘ ist die übliche AfD-Spielerei.

          • Ariane 10. Mai 2020, 21:44

            Ja, das ist wie „soziale Gerechtigkeit“

            Finden alle dufte, aber nur bis man genauer diskutiert, was damit eigentlich gemeint ist. Dann schreien die ersten „Sozialismus, DDR, Moskau“ ^^

        • Ariane 10. Mai 2020, 21:42

          Was Lindner-Fanboys stattdessen sagen:

          Wer Lindner kritisiert ist eine obrigkeitshörige Diktaturfreundin.

          Ist natürlich viel weniger absurd. 😉

  • Ariane 9. Mai 2020, 14:26

    Ich mach mal hier mit der Bundespräsidentenfrage weiter. Und plane Claudia Roth in sechs Jahren für die Graswurzelkampagne ein, wenn sie bis dahin nicht schon Ministerin für irgendwas ist 🙂

    Das ist doch mein Punkt, Ariane. Wulff kam im Amt zu seinem Thema interkulturelle Verständigung, wie Du es nennst. Das spielte jedoch in seiner gesamten Karriere zuvor keine Rolle

    Das finde ich total egal. Bundespräsident ist ein ganz neues Amt und ich erwarte nur, dass man sich vorab Gedanken macht, wie man das auszufüllen gedenkt. Das Amt ist halt an sich etwas schwammig konstruiert. Was die vorher gemacht oder gedacht haben, wissen wir auch einfach nicht und wie gesagt, wäre mir egal.

    Ich fand Wulff ein bisschen ungeschickt (noch vor der komischen Affäre), aber er hatte ja auch seine Tochter mit nach Israel genommen, also vielleicht wäre das gutgegangen, die jüngeren Generationen einzubinden. Und ich hoffe doch sehr, du meinst, ein Präsident sollte für alle Deutschen da sein und nicht nur für alte Männer? 😉

    Steinmeier hat zum (willkürlichen) Gedenktag eine ziemlich identische Rede wie seine Vorgänger gehalten. Was findest Du daran toll?

    Ähm? Also erstmal ist der 8.Mai 1945 nun wirklich kein willkürlicher Gedenktag. Es ist das Datum, als in ganz Europa der Krieg zu Ende ging, es ist der Gedenktag in Europa überhaupt. Vor allem für Deutschland, weil wir ja schließlich die Verursacher waren.

    Und Holocaustgedenken und Verantwortung für die Nazizeit sind deutsche Staatsräson. Es ist die Kernaufgabe jedes Bundespräsidenten. Wer das nicht macht/kann, kann auch automatisch kein guter Präsident sein.

    Übrigens nimmt Steinmeier immer den jüdischen Begriff der Shoa, was man wüsste, wenn man sich erstmal eine Rede anguckt, bevor man urteilt. Und Steinmeier war Außenminister und diese Reden sind nicht nur für uns Deutsche gedacht, sondern auch und vor allem in diesem Fall an das Ausland gerichtet. Da wird unser Problem mit Rechtsextremisten nämlich sehr genau und auch ängstlich verfolgt – was angesichts der deutschen Vergangenheit sehr logisch ist.

    Er hat übrigens auch nicht einfach vom Tag der Befreiung geredet, sondern ein längeres Zitat von Weizsäcker dringehabt, den Alliierten gedankt, dass sie das Morden und die Diktatur beendet haben und damit auch Deutsche befreit haben, die es nicht mehr aus eigener Kraft machen konnten. Und dann hat er den Bogen zu heute geschlagen, dass es zur Verantwortung der nachfolgenden Generationen gehört, die Erinnerung und das Vermächtnis der Opfer wachzuhalten und die Aufgabe anzunehmen, zu verhindern, dass so etwas jemals wieder geschehen kann.

    Ich habe ähnliches hier auch irgendwo geschrieben. Denn genau so sehe ich es, meine Großeltern wurden befreit, die waren damals alle Kinder. Und hatten eine schreckliche Kindheit. Es ist meine Aufgabe davon zu wissen, und natürlich auch von all dem anderen Leid, und zu verhindern. Und das heißt in erster Linie Kampf gegen Nazis und Extremismus.

    Wo war ich. Ach ja, die deutsche Staatsräson ist erste Präsidentenpflicht und nicht unangenehm auffallen. Und wie wir sehen, ist das schwerer als gedacht. Vielleicht ist Claudia Roth doch zu auffallend dafür, aber irgendjemand Bescheidenes mit außenpolitischer Erfahrung wäre halt perfekt für das Amt. Und es ist kein Kriterium, ob es dir gefällt Stefan, sondern ob es möglichst allen ähnlich gut gefällt.

  • Erwin Gabriel 10. Mai 2020, 15:23

    Mal hier weiter…

    @Stefan Pietsch 9. Mai 2020, 12:33

    Es war Richard von Weizäcker, der den Deutschen den Tag der militärischen Niederlage als einen Tag der Befreiung beibrachte.

    Großer Moment, der mir (damals moderat links) die Augen geöffnet hat. In der Schule etc. hieß es stets „Wir haben verloren“.

    An der DDR konnte man in schwachen Umrissen erkennen, was aus uns hätte werden können, wenn die Nazis gewonnen hätten. Ja, auch für uns war die Niederlage ein Sieg.

    Die Deutschen setzten sich mit ihrer Nazivergangenheit erst auseinander, als es nur noch wenige gab, die persönlich zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Vergessen wir nicht, der Begriff des Holocaust bekamen wir von Amerikanern geprägt.

    Unbestreitbar.

    Heute sehen wir überall Nazis, ohne wirklich zu wissen, was das ist.

    So wahr!

    Die Grünen waren übrigens 1985 der historischen Rede des Bundespräsidenten ferngeblieben. Vielleicht auch mal ein Zeitpunkt, sorry für die eigenen Irrtümer zu sagen.

    Keine Gelegenheit auslassen, nicht wahr 🙂
    Wo wir hier von Vergebung sprechen: Das hätte es nicht unbedingt gebraucht.

    Ansonsten ein großartiger Beitrag, für den ich danke!

    • Stefan Sasse 10. Mai 2020, 17:08

      Die Grünen von 1985 waren auch ein Idiotenverein, sorry 😀

    • Ariane 10. Mai 2020, 21:48

      Ich war damals ja noch gar nicht geboren oder gerade eben erst, aber wenn man sieht, was immer so zum 8. Mai diskutiert wird, muss man schon sagen, dass es vermutlich die durschlagendste Debatte war, die je ein Bundespräsident der BRD angestoßen hat. Deswegen hat Steinmeier es ja auch in längerem Abschnitt diskutiert.

      Und die Grünen sind halt auch nicht mehr die Partei von 1985, so wie auch die Union und alle anderen jetzt ganz andere Parteien sind. Das ist nun mal so, das ist halt 35 Jahre her. In der Union kam Weizsäckers Rede bestimmt nicht gut an, sondern da gab es bestimmt solche Aussagen wie die heutigen von Gauland, der sich über fehlende Gestaltungsmöglichkeiten durch die Niederlage beklagt. Ist glücklicherweise in der Union aktuell genauso undenkbar. Gott sei Dank!

  • Dennis 11. Mai 2020, 12:03

    Zitat Ariane:
    „Deswegen hat Steinmeier es ja auch in längerem Abschnitt diskutiert.“

    Interessant auch, dass auf der Insel Steinmeier VE Day-mäßig mit der Queen verglichen wird und einfach so gleichrangig neben ihr Platz nehmen darf. Der Queen ebenbürtig, boooahhh.

    https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/may/10/the-ve-day-speeches-that-moved-beyond-words

    Zitat Ariane:
    „Und plane Claudia Roth in sechs Jahren für die Graswurzelkampagne ein“

    Okay, einverstanden , aber wir werden alle älter. Roth ist dann 72; na ja, geht noch. Leutheusser-Schnarrenberger, die hier ja auch schon nominiert wurde, immerhin 76. Aber gut, Hauptsache sie werden nicht so tüdelig wie weiland Lübke.

    https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51BL-yJ2ylL.jpg

    • Ariane 11. Mai 2020, 13:40

      So, if tears did prick a little when both leaders emphasised that international fellow-feeling was as important today as it was 75 years ago, then it was proof that not all impressive expressions of sentiment are to be distrusted.

      Hach, sowas mag ich ja.
      Ist zwar der Guardian, aber (kein Wunder) spricht für die angeschlagene Gemütsverfassung der Engländer. Vielleicht doch nicht schlecht, wenn der Fußball irgendwo wieder anspringt, ist ja verdächtig, wenn die Briten nicht mal ironische Rivalität pflegen. 🙂

      Oh Gott, ich bin echt froh, dass Lübke vor meiner Zeit war. Spricht übrigens absolut für eine Frau! Die bauen im Alter meist erst später ab und sind ja auch gesünder, wie wir jetzt gelernt haben. Und die Grünen wären mal dran, ist ja eh mittlerweile irgendwie die seriöseste Partei Deutschlands. Komischerweise.

      • Erwin Gabriel 13. Mai 2020, 21:24

        @ Ariane 11. Mai 2020, 13:40

        Und die Grünen wären mal dran, ist ja eh mittlerweile irgendwie die seriöseste Partei Deutschlands. Komischerweise.

        Wäre schon komisch – wenn es stimmen würde. Tut es gottseidank nicht.

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