Die Europawahl – europäisch betrachtet

In meinem ersten Artikel zur Europa-Wahl hatte ich mich auf die deutsche Perspektive beschränkt. Ich möchte nun einen etwas weiter gefassten Blick nachreichen. Ich möchte mich dazu im Folgenden mit der neuen Zusammensetzung des Parlaments und den sich daraus ergebenden Veränderungen für die EU-Politik, der Personaldebatte um die europäische Spitzenpositionen und einem Blick auf die innenpolitischen Verschiebungen einiger ausgewählter Staaten beschäftigen. Ich versuche, mich dabei auf jene Bereiche zu beschränken, von denen ich einigermaßen zuversichtlich bin fundierte Meinungen beitragen zu können; die Auswahl ist daher keine Reflektion von Wichtigkeit, sondern meiner persönlichen Grenzen. Damit genug der Vorrede, los geht’s.

Beginnen wir mit dem eigentlichen Wahlergebnis. Die erste Merkwürdigkeit ist natürlich die Teilnahme Großbritanniens, die die Stimmengewichte durch die Zahl der Abgeordneten verschiebt, was sehr wichtig wird, wenn der Brexit im Oktober wirklich kommt und diese Abgeordneten dann das Parlament verlassen. So sind die Labour-Abgeordneten aktuell ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor für die S&D, während die EVP keinerlei Abgeordnete aus dem Königreich in ihren Reihen weiß. Umgekehrt haben die Europaskeptiker mit den Tories und die Europagegner mit der neuen Brexit-Partei gleich zwei britische Bestandteile von erheblicher Größe, ebenso die ALDE. Dadurch gewinnen im EP durch einen Brexit die EVP, die Grünen und die Linke an Einfluss, während die Genannten eher verlieren.

Auffällig ist zudem, dass die klassische „große Koalition“ der christdemokratischen und sozialdemokratischen Parteien keine eigene Mehrheit mehr zustandebringt und nun auf die Hilfe der Grünen und/oder Liberalen angewiesen ist, eine Entwicklung, die wir in vielen europäischen Ländern seit Längerem beobachten können. Grüne und Liberale sind zudem stärker als früher. Die Grünen profitierten zwar bei weitem nicht so stark wie in Deutschland von der neuen Klimasensibilität, konnten ihren Anteil aber steigern, während die Liberalen besonders durch den Einzug von Macrons Parteigenossen an Gewicht zulegen konnte und bei EU-Reformvorhaben eine wesentlich bedeutendere Rolle als ehedem spielen dürfte.

Insgesamt ist zu sehen, dass die Parteien ihre Abstände zueinander verringern. Liberale, Grüne und Rechte werden größer, EVP und S&D kleiner. Eine Konsolidierung findet statt, womit sich die Gewichte bei der Mehrheitsfindung verschieben. Positiv zu bemerken ist außerdem, dass die Wahlbeteiligung europaweit – wenngleich mit enormen Unterschieden – zugenommen hat. Der leichte Trend zu einer Europäisierung der europäischen Politik scheint sich fortzusetzen.

Insgesamt aber ändert sich an der fachpolitischen Ausrichtung des EP wenig. Der Konsens zum Freihandel hat durch rechtspopulistische Zugewinne zwar eingebüßt – von etwa 70% der Abgeordneten auf 65% -, bleibt aber deutlich bestehen, so dass hier keine grundsätzliche Neuausrichtung zu erwarten ist und nicht einmal sonderlich viele Detailänderungen. Umgekehrt ist nicht mit einem neuen Schwung beim Klimaschutz zu rechnen, weil die Zugewinne der Grünen durch Verluste der Nordlinken (die mit deren Grünen eine Fraktionsgemeinschaft bilden) praktisch aufgehoben werden. Es bleibt abzuwarten, ob das hervorgehobene Profil der Klimapolitik sich über den Sommer halten und dann ins EP zurückwirken wird. Aktuell jedenfalls spielt das Thema keine große Rolle.

Damit können wir zum Kampf um die Postenvergabe zurückkehren. Bestand 2014 noch Einigkeit, dass die von den europäischen Parteien aufgestellten Spitzenkandidaten Juncker und Schulz die einzig annehmbaren Alternativen für das Amt des Kommissionspräsidenten waren, so ging dies den diesjährigen Spitzenkandidaten Weber und Timmermanns nicht so.

Dies hat mehrere Grüne, die gleich erörtert werden sollen, aber vorweg eine andere Feststellung: obwohl die von den Parteien bestimmten Kandidaten nicht gewählt wurden und damit ein relativer Machtverlust des EP einhergeht, ist der Präzedenzfall von 2014 nicht ungeschehen gemacht worden. Der Prärogativ des Parlaments, Kandidaten zu benennen, die erstrangig behandelt werden, wurde nicht angetastet. Stattdessen wurde die informelle Setzung neuen EU-Verfassungsrechts von 2014 (Legitimierung der Kommissionspräsidenten durch die Wahl des EP) bestätigt und um einen wichtigen Faktor ergänzt: was passiert, wenn die Kandidaten des EP keine Mehrheit finden?

Diese Frage wurde nun beantwortet: in dem Fall einigen sich die Institutionen auf alternative Kandidaten, deren Wahl ultimativ beim Parlament liegt. Dieses verteidigt so seine Prärogative, lädt aber Rat und Kommission ein, gegebenenfalls Kompromisskandidaten bereitzustellen.

Das ist natürlich eine rosige Sichtweise, die sich aus der Betrachtung konsitutioneller Verhältnisse ergibt. Für die beteiligten Institutionen ist das Ergebnis nicht so gut und stellt erst einmal eine Niederlage der EVP und S&D sowie des Parlaments als Ganzem dar. Worin also liegen die Ursachen dieser Niederlage?

Ein wichtiger Teil der Antwort liegt im oben beschriebenen Wahlergebnis. EVP und S&D waren arrogant genug anzunehmen, dass ihre informelle Große Koalition sie wie 2014 zum Sieg tragen würde. Die Aufstellung von zwei weiteren Kandidaten durch die Grünen und die ALDE zeigten dabei aber bereits an, dass es im Gebälk knirschte. Das EP hätte sich als Institution hier wesentlich früher auf gemeinsame Listenkandidaten einigen müssen, oder wenigstens eine Art Präferenzverfahren vereinbaren. Das hätte allerdings erfordert, die diffizilen (weil Parteiflügel und Nationengrenzen überspannenden) Aushandlungsprozesse innerhalb von S&D und EVP auch noch für die Grünen und die ALDE zu öffnen.

Das Resultat war so, dass S&D und EVP sich auf Kandidaten einigten, die zwar innerhalb der Partei Kompromisskandidaten waren, die aber – in merklichem Gegensatz zu Schulz und Juncker – nicht über eine große Verankerung in den EU-Institutionen verfügten. Diese mangelnde Verankerung zeigte sich dann in der Unfähigkeit des ostentativen Wahlsiegers Weber, eine Mehrheit im Parlament zusammenzubekommen (die Juncker und Schulz bereits VOR ihrer Wahl gesichert hatten), ein Effekt, der dann auch Timmermanns erfolglosen Koalitionsbildungsversuch begleitete. Dadurch öffnete sich die Tür für den Europäischen Rat, eigene Kompromisskandidaten vorzuschlagen und ultimativ durchzusetzen. Für das Europäische Parlament dürfte damit klar sein, dass eine Aushöhlung der 2014 mühsam erkämpften Prärogative nur möglich ist, indem die Institution zusammensteht und ihre Rechte parteiübergreifend gegen Rat und Kommission verteidigt – was dezidierte Europapolitiker benötigt. So oder so bleibt es spannend.

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  • R.A. 5. Juli 2019, 10:08

    Wenn man die bisherigen Personalentscheidungen anschaut, merkt man nichts vom Bedeutungsverlust der beiden ehemals großen Parteien.
    Die Sozialisten haben den Parlamentsvorsitz bekommen, die EPP soll Kommissionpräsidium und EZB-Vorsitz erhalten.
    ALDE, Grüne und die übrigen Parteien sowieso scheinen bisher keine Rolle zu spielen, als hätte es das Wahlergebnis nie gegegeben.

    Es ist natürlich möglich, daß das EP den Vorschlägen des Rats die Mehrheit verweigert. Aber das glaube ich derzeit noch nicht.

    • Stefan Sasse 5. Juli 2019, 13:22

      Weil das EP nicht bestimmt hat. Sondern der Rat, und in dem sind die Mehrheitsverhältnisse anders.

      • CitizenK 5. Juli 2019, 16:21

        Mit vdL wollen die Orbans Timmermans verhindern, den Macron wahrscheinlich doch noch akzeptiert hätte.

        Wäre es für das Ansehen/den Rückhalt der EU in der Bevölkerung gut, wenn S&D die Zustimmung verweigerten, auch um die Eigenständigkeit des EP zu demonstrieren? Oder würde das als weiteres Postengeschacher wahrgenommen?

        • Stefan Sasse 5. Juli 2019, 16:57

          Ich glaube die meisten Leute nehmen das überhaupt nicht wahr, aber es würde mangels intimerer Kenntnisse vor allem den Ruf des EP als irrelevante „Schwatzbude“ und Chaoshaufen stärken. Hätte die S&D eine realistische Alternative auf Lager, würde ich ja sagen sie könnte es versuchen. Aber was würde die Ablehnung nützen, außer der institutionellen Demontage? Es ist ja nicht so, dass spezifisch die EVP Schuld bekommen würde. Der Schaden ginge auf alle europäischen Institutionen, und das ist hoffentlich nicht im Interesse der S&D. Sie hat politisch ungeschickt taktiert, und jetzt muss sie die Suppe auslöffeln. Der Martin Schulz fehlt denen halt.

  • Dennis 5. Juli 2019, 19:32

    Zitat Stefan Sasse:
    „Der Prärogativ des Parlaments, Kandidaten zu benennen, die erstrangig behandelt werden, wurde nicht angetastet.“

    Ich meine schon, und zwar massiv. Offiziell gibt es das übrigens gar nicht, es heißt nur schwammig, dass das Wahlergebnis vom Rat berücksichtigt werden muss, was gewollt vieldeutig ist.

    Nach der jetzigen Wahl sind die vier Fraktionen, die das Spitzenkandidatenmodell mehr oder weniger (bei den Zentristen, die neuerdings vielversprechend Renew Europe heißen, mit Tendenz zu „weniger“^) stützen, kläglich gescheitert und haben im Endeffekt faktisch NICHT daran festgehalten, denn wie soll man das sonst verstehen, dass der Sptzenkandidat der relativ stärksten Fraktion von den restlichen drei brüsk abgelehnt wurde? Dieses Verhalten hätten die im Übrigen ja schon vor den Wahlen ankündigen können.

    Zitat:
    „Diese Frage wurde nun beantwortet: in dem Fall einigen sich die Institutionen auf alternative Kandidaten, deren Wahl ultimativ beim Parlament liegt.“

    So isses faktisch geworden (more or less). Sprich: Damit ist das „Modell“ abgeschossen (zunächst mal). Es ist halt ein Problem, wenn der Präsident eines der wichtigsten Länder von Anfang an, also schon vor das Wahl, ganz gaullistisch verkündet: NON. Das Modell wurde also gleich zweimal ermordet. Einmal durch die Unfähigkeit der neu gewählten Fraktionsführer der Parteifamilien und außerdem vom Élysée-Palast. Dass in der französischen Presse „Spitzenkandidat“ unübersetzt in deutsch wiedergegeben wird, sagt übrigens auch schon einiges^. Man kann mal hier gucken, zum Beispiel:
    https://www.lepoint.fr/politique/emmanuel-berretta/le-spitzenkandidat-peut-il-democratiser-l-europe-20-06-2019-2320127_1897.php

    Zitat:
    „Für das Europäische Parlament dürfte damit klar sein,…..“

    Muss es im zweiten Satzteil, der dann kommt, nicht „eine Verhinderung der Aushöhlung…..“ heißen ?

    Ansonsten ganz einverstanden. Ferner hat die EVP auf die durchaus stichhaltige Macron-Beanstandung, trotz europaweiten Spitzenkandidaten keine transnationalen Listen zulassen zu wollen, bis dato keine guten Antworten. Den Widerstand werden die wohl aufgeben müssen, was wiederum Krach mit der CSU bedeutet (mindestens mit denen).

    • Stefan Sasse 6. Juli 2019, 07:32

      Weber und Timmermanns haben beide versucht, eine Mehrheit zu finden, bevor irgendwelche Kompromisskandidaten diskutiert wurden. Von daher würde ich schon sagen, dass sie den Prärogativ hatten.

      • Erwin Gabriel 8. Juli 2019, 15:00

        @ Stefan Sasse 6. Juli 2019, 07:32

        Weber und Timmermanns haben beide versucht, eine Mehrheit zu finden, …

        das nützt nichts, wenn letztendlich die Staatschefs entscheiden?

        • Stefan Sasse 8. Juli 2019, 15:39

          Tun sie ja aber nicht. Hätte einer der beiden eine Mehrheit im EP gehabt, er wäre heute Kommissionschef.

    • Erwin Gabriel 8. Juli 2019, 14:58

      @ Dennis 5. Juli 2019, 19:32

      [Der Prärogativ des Parlaments, Kandidaten zu benennen, die erstrangig behandelt werden, wurde nicht angetastet.]

      Ich meine schon, und zwar massiv. Offiziell gibt es das übrigens gar nicht, es heißt nur schwammig, dass das Wahlergebnis vom Rat berücksichtigt werden muss, was gewollt vieldeutig ist.

      Frans Timmermans wäre für die Visegrád-Staaten nie in Frage gekommen, und Manfred Weber wurde von Macron im Vorfeld schon derbe demontiert. Die EU-Regierungen haben unüberhörbar „Scheiß drauf“ gesagt.

      Ursula von der Leyen ist die typische Kompromiss-Kandidatin: Als Frau ohne erkennbare Eigenschaften bietet sie zwar Erfahrung in der Führung eines großen Beamten-Apparats, aber keine nennenswerte Führungsstärke, so dass sie weder Orban noch Macron als ernsthafte Bedrohung wahrnehmen. Dann leitet sie ihren Einfluss zwar weitestgehend von der deutschen Bundeskanzlerin ab (eigenen Einfluss hat sie keinen), aber die ist angeschlagen und eh bald aus dem Spiel. Schwächer als Juncker und ohne eigene Ideen – so können alle akzeptieren, dass eine ungeliebte Deutsche an der Spitze steht.

  • Ralf 5. Juli 2019, 19:42

    Jetzt rächt sich eben, wie undemokratisch die politische Struktur der EU ist. Und wir messen mit den falschen Maßstäben. So schreibst Du zum Beispiel vom „Wahlsieger Manfred Weber“. Der Wahlsieger einer Wahl aber ist derjenige, der eine Mehrheit im Parlament hinter sich zu versammeln vermag. Weber hatte keine eigene Mehrheit und in einem demokratischen Parlament würde jetzt die Suche nach einer Koalition losgehen. Man würde nach einem inhaltlichen Partner suchen, mit dem man ein Programm umsetzen kann. Aber das Europäische Parlament hat kein Initiativrecht und braucht folglich kein Programm. Auch die Mitglieder der Kommission werden nicht vom Wahlsieger (bzw. den Wahlsiegern) ernannt, sondern nach Länderproporz von den Regierungschefs bestimmt. Genau wie beim Kommissionspräsidenten beschränkt sich die Rolle des Europäischen Parlaments auf ein Abnicken der Vorschläge. Für die Bildung von Koalitionen gibt es folglich keine Tradition. Weshalb sollten die Sozialdemokraten oder die Grünen Manfred Weber wählen? Sie würden dem politischen Gegner in ein Spitzenamt verhelfen und null Komma nichts dafür zurückbekommen.

    Deshalb muss jede wirkliche Reform des EU-Systems am Parlament ansetzen. Wir brauchen die Umbildung des Europäischen Rates in eine Art zweite Kammer. Wir brauchen ein EU-Parlament mit Initiativrecht. Wir brauchen eine echte Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Parlament ohne Vorschlags- oder Vetorecht von außen. Und wir brauchen die Besetzung der Kommissionsposten durch den jeweiligen Wahlsieger, so wie sich neue Koalitionsregierungen bei uns darauf verständigen, wer welche Ministerposten bekommt. Damit wäre klar, bei wem die politische Verantwortung für die Entscheidungen Brüssels liegen. Und die Wähler konnten an Hand der Leistung der Regierung entscheiden, wem sie für die nächste Legislaturperiode das Zepter in die Hand geben möchten.

    Natürlich steht nicht zu erwarten, dass irgendwas von diesen Vorschlägen in die Praxis umgesetzt wird … ^^

    • CitizenK 5. Juli 2019, 21:05

      „Und die Wähler konnten an Hand der Leistung der Regierung entscheiden, wem sie für die nächste Legislaturperiode das Zepter in die Hand geben möchten.“

      Ulrike Guérot hält auch unbeirrt an dieser Vorstellung fest. Ich halte das für eine Illusion. Das würde eine gemeinsame Öffentlichkeit voraussetzen, was schon an der Sprache scheitert. Die Zersplitterung und die Unterschiede selbst innerhalb einer Parteienfamilie ist dazu viel zu groß. Ein Wähler in Tschechien oder in Finnland wird kaum in der Lage sein, die Arbeit einer Partei in Frankreich oder Deutschland zu beurteilen – und umgekehrt.

      • Ralf 5. Juli 2019, 22:41

        Ich sehe seit Jahren eine genau gegenläufige Tendenz. Die Öffentlichkeit wird zunehmend europäischer. Wenn Wahlen in Frankreich stattfinden oder in Italien oder in Spanien ist das mittlerweile eine wichtige Nachricht bei uns. Wenn in Paris Gelbwesten demonstrieren, diskutiert man im deutschen Fernsehen darüber. Wenn in Rumänien eine Regierung den Kampf gegen die Korruption lockern will, ist das bei uns ein Thema. Vor 20 Jahren war das noch völlig anders. Da haben sich die Nationen nur um sich selbst gekümmert.

        Auch die Durchmischung in Europa nimmt enorm zu. Deutsche studieren in Paris und arbeiten dann in Barcelona. Polen studieren in Deutschland und arbeiten dann in Stockholm. Die Zahl der Menschen mit europäischem Migrationshintergrund wird immer größer. Das hinterlässt Spuren und eine Spur ist eine gesamteuropäische Öffentlichkeit.

        • Stefan Sasse 6. Juli 2019, 07:37

          Zarte Pflänzchen, aber Pflänzchen.

          • Erwin Gabriel 8. Juli 2019, 15:08

            @ Stefan Sasse 6. Juli 2019, 07:37

            Zarte Pflänzchen, aber Pflänzchen.

            Die Eskimos haben für Anemonen, Geranien, Gladiolen, Orchideen, Nelken, Rosen, Stiefmütterchen, Tulpen, Veilchen, Vergißmeinicht etc., kurz, für alle Feinheiten und Abstufungen des floralen Spektrums, nur ein Wort: Blume.

            Viel mehr verstehen wir auch nicht von dem, was in anderen EU-Ländern vor sich geht.

    • Stefan Sasse 6. Juli 2019, 07:33

      Kein Widerspruch; Weber ist so Wahlsieger, wie jeder erst mal Wahlsieger ist: Chef der größten Partei. Hat der CDU in Bremen auch nicht geholfen 😉

    • Stefan Pietsch 6. Juli 2019, 09:34

      Bisher herrschte im EU-Parlament eine Große Koalition aus EVP und Sozialisten. Auf dieser Basis wurde schon vor 5 Jahren verabredet, dass der Kandidat, der die meisten Wählerstimmen auf sich vereinen kann, auch Chef der Kommission wird. Das ist im Grunde das Spitzenkandidatenprinzip. Diese Vereinbarung galt im Grunde auch diesmal. Doch weil das langjährige Bündnis keine eigene Mehrheit mehr zustande brachte, kämpfte plötzlich jeder gegen jeden. Denn Fakt ist, wenn man die europakritischen und europafeindlichen Parteien exkludiert, es nur eine Koalition von EVP mit S&D zusammen mit Liberalen oder Grünen geben kann. Dann bleibt die EVP aber immer noch die Fraktion mit den meisten Sitzen, wo das Prinzip gilt, dass diese den Präsidenten stellt.

      Die Blockade im EU-Parlament ist somit maßgeblich von Sozialisten, den Liberalen Macrons und den Grünen verursacht. Hinzu kommt, dass der Rat einen Vorschlag unterbreiten muss. Und wieder war es Macron, der das demokratische Prinzip schnell vom Tisch wischte. Spitzenkandidaten, welche Spitzenkandidaten? Dazu besteht die EU nicht nur aus Deutschland und Frankreich, sondern nebenbei auch als gewichtigen osteuropäischen Ländern. Für diese war der Sozialdemokrat Timmermans nicht vermittelbar. Er hatte nicht nur die Wahl verloren, er gilt zudem als klassischer Vertreter der Gründer-EU. Die gibt es aber nicht mehr.

      Jedenfalls kann man es nur als schlechten Witz werten, Spitzenkandidaten, die sehr klar eine Wahl verlieren und nur mit starken Wahlgewinnern im Amt verbleiben könnten, diese nochmals zu wählen. Die Erfahrung lehrt darüber hinaus, dass eine solche Missachtung des Wählervotums beim nächsten Mal zu einer noch heftigeren Abstrafung führt. So wird es der SPD in Bremen ergehen, wenn 2024 neu gewählt wird, und so wird es auch den Sozialisten ergehen.

      • Ralf 6. Juli 2019, 09:58

        In einem demokratischen Parlament ist das Ziel einer Wahl nicht stärkste Partei zu werden, sondern eine Regierungsmehrheit zu bekommen. Das gilt für Bremen. Und das sollte eigentlich auch für das Europäische Parlament gelten, wenn es denn ein demokratisches Parlament wäre. Was es nicht ist.

        sondern nebenbei auch als gewichtigen osteuropäischen Ländern. Für diese war der Sozialdemokrat Timmermans nicht vermittelbar. Er hatte nicht nur die Wahl verloren, er gilt zudem als klassischer Vertreter der Gründer-EU.

        Dass die osteuropäischen Länder Timmermans unbedingt verhindern wollten, hat nichts mit der Gründer-EU zu tun. Timmermans hat Rechtsstaatverfahren gegen Ungarn und Polen eingeleitet. Deshalb ist er dort verhasst. Die Osteuropäer wünschen sich einen Kommissionspräsidenten der dem weiteren Aushöhlen von Recht und Demokratie in ihren Ländern still und schweigsam zuschaut. Dass die sich so begeistert hinter Frau von der Leyen stellen, sollte uns zu denken geben.

        • Stefan Pietsch 6. Juli 2019, 10:21

          Das Spitzenkandidatensystem hebelt das aus. Deswegen nominieren ja üblicherweise auch nur Parteien, die eine Chance haben, den Regierungschef zu stellen, solche Spitzenkandidaten. Und nicht ohne Grund verweisen Koalitionspartner regelmäßig darauf, den einen gewählt zu haben. So hat die SPD unlängst klar gestellt, nur Angela Merkel als Kanzlerin zu akzeptieren.

          Jede mehrheitsfähige Koalition im Europaparlament – vielleicht haben Sie das nicht verstanden, dass ich es wiederholen muss – kann nur aus EVP und S&D bestehen. Hier sind die Relationen aber klar. EVP größer, daher hat sie den Anspruch auf den Kommissionsposten.

          Von der Leyen ist für die Osteuropäer eine gute Kompromisskandidatin, weil sie in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin die Sicherheitsbedürfnisse dieser Länder ernst genommen hat. Also anders als Sie z.B. Und nicht, weil sie Recht und Demokratie anders wertet als Timmermans. Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei usw. haben eine Verhinderungsmacht, keine Gestaltungsmehrheit. Darauf gilt es Rücksicht zu nehmen.

          Natürlich, nach den parlamentarischen Regeln ist es möglich, den Wahlverlierer zum Sieger zu küren. Wenn das der Mehrheit aber nicht gefällt, hat das Konsequenzen. Dazu zählen eine spätere eindeutigere Abwahl genauso wie Demokratiefrust. Ich werde Sie in 5 Jahren bestimmt erinnern, was in Bremen passiert ist. Sie haben übrigens auch mal dafür plädiert, dass die SPD in Thüringen einen Ministerpräsidenten der LINKEN wählen solle, das käme ihr bei zukünftigen Wahlen sicher zu gute. Heute läuft die Partei dort inzwischen Gefahr, einstellig zu werden.

          Ich würde Sie nicht als politischen Berater beschäftigen. 🙂

          • Ralf 6. Juli 2019, 11:30

            Jede mehrheitsfähige Koalition im Europaparlament – vielleicht haben Sie das nicht verstanden, dass ich es wiederholen muss – kann nur aus EVP und S&D bestehen.

            Vielleicht möchten Sie nochmal nachzählen. EVP und S&D haben gegenwärtig keine Mehrheit, also muss jede Mehrheit aus mindestens einem weiteren Partner bestehen. Wer eine Regierungsmehrheit im Parlament hat, ist dann der, der in der resultierenden Dreierkoalition eine Mehrheit hat. Manfred Weber war das offensichtlich nicht. Aber dass Europäische Parlament ist eben auch kein demokratisches Parlament, weswegen wir uns diese ganzen Betrachtungen eigentlich schenken können.

            Von der Leyen ist für die Osteuropäer eine gute Kompromisskandidatin, weil sie in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin die Sicherheitsbedürfnisse dieser Länder ernst genommen hat. Also anders als Sie

            Also wenn ich mich als Kommissionspräsident zur Wahl gestellt hätte, bin ich sicher, dass ich eine solide Mehrheit bekommen hätte … 😀

            Und nicht, weil sie Recht und Demokratie anders wertet als Timmermans.

            Frau von der Leyen ist im deutschsprachigen Raum noch gut als „Zensursula“ bekannt, was sich auf ihren Kreuzzug gegen die Bürgerrechte im Netz vor einigen Jahren bezieht. Damit sieht sie für die Möchtegerndiktatoren im Osten wesentlich freundlicher aus, als Herr Timmermans, der sich stattdessen für Bürgerrechte engagiert hat.

            Sie haben übrigens auch mal dafür plädiert, dass die SPD in Thüringen einen Ministerpräsidenten der LINKEN wählen solle, das käme ihr bei zukünftigen Wahlen sicher zu gute. Heute läuft die Partei dort inzwischen Gefahr, einstellig zu werden.

            Die SPD läuft mittlerweile fast überall Gefahr einstellig zu werden, auch da wo nicht Herr Ramelow regiert.

            Hint, hint. Das ist ein Hinweis, dass die Sozialdemokraten möglicherweise ein strukturelles Problem haben, das unabhängig von Thüringen ist.

            Ich würde Sie nicht als politischen Berater beschäftigen.

            Wie schade. Jetzt hatte ich gerade Ihr Steuererhöhungskonzept ausgearbeitet … 😀

            • Stefan Pietsch 6. Juli 2019, 17:31

              Wer eine Regierungsmehrheit im Parlament hat, ist dann der, der in der resultierenden Dreierkoalition eine Mehrheit hat.

              Sie haben die Neigung, alle geschriebenen und ungeschriebenen Regeln auf den Kopf zu stellen. In einer Dreierkoalition hat der größte Partner – wie in jeder Koalition – das Erstrecht. So regiert in Sachsen-Anhalt eine sogenannte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Und nun raten Sie mal, wer den Ministerpräsidenten stellt! Etwa die SPD?

              Im EU-Parlament gibt es keine formalen Regierungskoalitionen. Wir haben gesehen, wozu es führt, wenn jede Fraktion ihren Ego-Trip weg von den zuvor vereinbarten Regeln folgt. Die totale Selbstentmachtung. Es gibt so etwas wie relative Mehrheiten. Wissen Sie, was das ist?

              Frau von der Leyen ist im deutschsprachigen Raum noch gut als „Zensursula“ bekannt, was sich auf ihren Kreuzzug gegen die Bürgerrechte im Netz vor einigen Jahren bezieht. Damit sieht sie für die Möchtegerndiktatoren im Osten wesentlich freundlicher aus, als Herr Timmermans, der sich stattdessen für Bürgerrechte engagiert hat.

              Selbst wenn Ihre Vorwürfe zutreffen würden – weder weiß das jemand in Tschechien, der Slowakei oder Kroatien, noch wäre es von Interesse. Wer jemanden wählen soll, fragt, ob derjenige auch in der Lage ist, die eigenen Interessen zu wahren. Und Polen und Ungarn haben wesentliche Sicherheitsinteressen, weil sie da einen so etwas unleidlichen Nachbarn im Osten haben.

              Die SPD läuft mittlerweile fast überall Gefahr einstellig zu werden, auch da wo nicht Herr Ramelow regiert.

              Die Probleme der SPD im Jahr 2019 sind die gleichen wie vor 5 Jahren, nur ein paar Prozentpunkte weniger. Doch nirgends ist die SPD so schlecht dran wie in Thüringen. Noch schlimmer: die von Ihnen empfohlene Koalition erfährt vom Wähler keine Bestätigung, das ist für jeden Regierungschef die Höchststrafe. Fragen Sie mal Francois Hollande. Also, Ihre politischen Empfehlungen sorgen eher dafür, die politischen und strukturellen Probleme von Parteien zu vergrößern. Ein Problemlöser sind Sie damit nicht.

              Jetzt hatte ich gerade Ihr Steuererhöhungskonzept ausgearbeitet …

              Zum Schluss noch ein Freud’scher Fehler. Tststs 🙂

              • Ralf 6. Juli 2019, 18:17

                In einer Dreierkoalition hat der größte Partner – wie in jeder Koalition – das Erstrecht.

                Ein „Erstrecht“ existiert nicht. Dass der größere Partner in einer Koalition den Zugriff auf das höchste Amt bekommt, ist eine rein informelle Regelung. Die Koalitionspartner können sich da jederzeit anders entscheiden.

                Und hier ist auch wichtig zu verstehen, aus welcher Zeit diese alte Verfahrensweise kommt: Nämlich aus der Vergangenheit. Aus einer Zeit als Zweierkoalitionen die Regel waren und sich die einzigen plausiblen Dreierkoalitionen aus einem großen, dominanten Partner und zwei kleinen Mehrheitsbeschaffern zusammensetzten (i.e. die Ampel und Rot-Rot-Grün). Und in allen diesen Koalitionskonstellationen lässt sich sehr plausibel demokratisch begründen, weshalb der größte Partner, der in diesen Szenarien grundsätzlich immer mehr als 50% der regierungstragenden Koalition ausmacht, das Zugriffsrecht auf den Top-Posten haben sollte. Die Regierungskoalition könnte sich nämlich hinsetzen, alle sie tragenden Parteien würden einen Kandidaten für das Top-Amt nominieren und dann abstimmen. Wenn alle beteiligten Parteien einstimmig für ihren eigenen Kandidaten stimmen, gewinnt der größte Partner mit über 50% der Stimmen, also einer absoluten Mehrheit.

                Diese Situation hat sich dramatisch geändert. Manche kleineren Parteien sind in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, während die großen Parteien signifikant geschrumpft sind. Verstärkt werden wir in Situationen kommen, wo z.B. drei etwa gleich starke Partner miteinander koalieren. In Sachsen-Anhalt, also Ihr Beispiel oben, ist das übrigens nicht der Fall. Dort hatte die CDU 31, die SPD 11 und die Grünen 5 Sitze geholt und damit gibt es einen klassischen dominanten, großen Partner, der 66% der Regierungsmehrheit beträgt. Die oben skizzierte hypothetische Abstimmung um das Ministerpräsidentenamt würde die CDU regierungsintern als fast mit Zweidrittelmehrheit gewinnen.

                Ganz anders sehen die Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament aus. Nehmen wir an dort würde sich, ebenso wie in Sachsen-Anhalt, eine Kenia-Koalition etablieren. Durchaus eine Möglichkeit eine Regierungsmehrheit herzustellen. Die EVP hat 182 Sitze, S&P hat 152 Sitze und die Grünen haben 74 Sitze. Für eine Mehrheit im Parlament werden 376 Stimmen benötigt. Die hypothetische Kenia-Koalition hat 408 Stimmen und ist somit über diesem Schwellenwert. Allerdings hat selbst die größte Fraktion jetzt keine absolute Mehrheit innerhalb der Regierung. Tatsächlich kommt die EVP lediglich auf knapp unter 45%.

                Wird jetzt eine Wahl, wie von mir oben skizziert, durchgeführt, kommt keiner der Kandidaten für den Top-Job auf eine absolute Mehrheit. Was in demokratischen Systemen dann oft passiert ist, dass als nächstes eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kandidaten durchgeführt wird. Im obigen Beispiel wären das vermutlich Herr Weber und Herr Timmermans. Die Frage ist jetzt, wen die Grünen unterstützen werden. Stimmen die Grünen für Herrn Timmermans, dann verfügt Herr Timmermans über eine Mehrheit in der Regierungskoalition (in dem Fall knapp über 55%) und hat den natürlichen Zugriff auf den Top-Job. Weil er die Mehrheit in den Regierungsfraktionen hinter sich hat.

                Eigentlich ganz simple Mathematik.

                Doch nirgends ist die SPD so schlecht dran wie in Thüringen.

                Nirgends ist die SPD so schlecht dran wie in Thüringen?

                Also bei allen Umfragen in diesem Jahr ist die SPD in Thüringen entweder bei 10% oder bei 11% gelandet:

                https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/thueringen.htm

                In Sachsen hingegen ist sie in der Mehrzahl der Umfragen einstellig …

                https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/sachsen.htm

                In Bayern war das Ergebnis der SPD in 2018 ebenfalls einstellig. Bei der letzten Wahl in Sachsen-Anhalt – wir sprachen gerade über die Kenia-Koalition kam die SPD mit 10,6% auch nur hauchdünn über die Einstelligkeit hinaus.

                Wie verträgt sich das mit Ihrer Aussage, dass die SPD nirgendwo so schlecht dran ist wie in Thüringen?

                • Stefan Sasse 6. Juli 2019, 18:30

                  Theodor Heuss, der erste Bundespräsident, entstammte der winzigen FDP, nicht der größten Partei CDU. Nur mal so.

                • Stefan Pietsch 6. Juli 2019, 19:02

                  Das ist ja mathematisch alles richtig und ich habe nie bezweifelt, dass Sie rechnen können. Nur hat das mit den demokratischen Gepflogenheiten nichts zu tun. Warum reden die Parteien eigentlich am Wahlabend vom „Regierungsauftrag“? Was heißt das? Eine Partei, die zwar als Wahlsieger hervorgegangen ist, aber keine Mehrheit hat, sucht sich Koalitionspartner. Ihrer Annahme nach müsste danach ein lustiges Spiel stattfinden: wir koalieren schon mit Dir, aber über den Chefposten müssen wir noch einmal reden.

                  Scholz hat die Tage gemeint, um den Kanzler zu stellen, würde es heute reichen 25% zu erzielen. Der Mann hat die Rechnung ohne Sie gemacht. Die anderen 25-30% könnten Herrn Scholz da noch leicht einen Strich durch die Rechnung machen.

                  Nein, es ist in Demokratien mit Koalitionsregierungen üblicherweise so, dass die Partei, welche die meisten Stimmen auf sich vereint, anschließend auch den Regierungschef stellt. Dafür bekommen die anderen sichere Ministerposten, die sie nach Gutdünken besetzen können.

                  Wenn Sie das nicht akzeptieren, zeigen Sie vielleicht mal Beispiele aus Benelux oder Skandinavien, wo Ihr Prinzip regelmäßig angewandt wurde. Denn regelmäßig ist ja das von Ihnen Behauptete.

                  2008 bzw. 2009 erreichte die SPD in Bayern bzw. Thüringen ziemlich das gleiche Ergebnis, nämlich etwas über 18%. 2019 wird sie in beiden Ländern ähnlich abgeschnitten haben. Soweit die Parallelen. Nun war Ihre Behauptung vor 5 Jahren jedoch eine gänzlich andere. Sie waren überzeugt, dass ein Bündnis mit der LINKEN ggf. als unter Führung der Linkspopulisten für die Sozialdemokratie belebend wirken würde. Tatsächlich jedoch machte es keinen Unterschied, ob die SPD regierte oder opponierte. Ihre Empfehlungen waren rein interessengeleitet, nicht wirklich beratend.

                  • Ralf 6. Juli 2019, 19:28

                    Nur hat das mit den demokratischen Gepflogenheiten nichts zu tun.

                    Gepflogenheiten resultieren aus der Struktur des politischen Systems. Wenn sich diese Struktur signifikant ändert, ändern sich auch die Gepflogenheiten. Ich hatte Ihnen ja erklärt, wieso Ihr „Erstrecht“ in der Vergangenheit Sinn gemacht hat, in manchen Konstellation, wie etwa in Sachsen-Anhalt auch heute noch Sinn macht, während in anderen Konstellationen, wie im Europaparlament neuartige Bedingungen herrschen, unter denen eine blinde Anwendung des Prinzips weder sinnvoll noch demokratisch ist.

                    Warum reden die Parteien eigentlich am Wahlabend vom „Regierungsauftrag“? Was heißt das?

                    Es heißt garnichts. Es ist schlicht die übliche heiße Luft, mit der sich die Kandidaten für die anstehenden Koalitionsverhandlungen so weit wie möglich aufplustern, damit der politische Gegner sowie potentielle kleinere Partner gleich schonmal in die Defensive gedrängt werden.

                    Was man im übrigen auch daran sieht, dass nicht selten gleich zwei Kandidaten aus unterschiedlichen Lagern einen Regierungsauftrag bei sich sehen, was jeweils von der Gegenseite zurückgewiesen wird.

                    Sie waren überzeugt, dass ein Bündnis mit der LINKEN ggf. als unter Führung der Linkspopulisten für die Sozialdemokratie belebend wirken würde. Tatsächlich jedoch machte es keinen Unterschied, ob die SPD regierte oder opponierte.

                    Was – so ehrlich sollten wir doch sein – primär ein Problem ist, das durch die Bundes-SPD verursacht wurde. Nach meinem Modell konnte die SPD wenigstens in den letzten 5 Jahren mitregieren und ihre Ideen umsetzen. Die Ideen, für die sie gekämpft hat. Das ist doch aus Sicht der Sozialdemokraten besser als 5 Jahre auf den Oppositionsbänken zu sitzen und nichts umsetzen zu können. Um dann nach fünf Jahren – so Ihre neue, veränderte These – genau die gleiche Anzahl an Stimmen zu bekommen.

                    Vielleicht sollten Sie mich doch als politischen Berater einstellen.

                    • Stefan Sasse 6. Juli 2019, 20:08

                      Ist genau dasselbe Gerede wie das „mandate“ im US-Raum. Wenn du eine Mehrheit hast, kannst du regieren. Wenn nicht, nicht. Was die Wähler davon halten sehen wir bei der nächsten Wahl. Bis dahin kann die Regierung für sich werben und die Opposition für sich.

                    • Ralf 6. Juli 2019, 20:19

                      Yep … ^^

                    • Stefan Pietsch 7. Juli 2019, 11:44

                      Wenn sich diese Struktur signifikant ändert, ändern sich auch die Gepflogenheiten.

                      Die Struktur des Systems Europaparlament hat sich ja nicht geändert, lediglich haben sich Stimmanteile verschoben. Nach Ihrer Bewertung würde jede Wahl eine Änderung der Gepflogenheiten erforderlich machen und das kann ja kaum gemeint sein.

                      Sie wissen anscheinend nichts mit der Regel der „relativen Mehrheit“ anzufangen. So gilt im Deutschen Bundestag (sehr alte Gepflogenheit) nach Artikel 63 Grundgesetz jener zum Bundeskanzler gewählt, der nach zwei erfolglosen Wahlgängen in einem dritten die relative Mehrheit auf sich vereinen kann.

                      In einer potentiellen Koalition wählen die Partner nicht mehr neu einen Kandidaten. Schon damit würden sie das demokratische Votum entwerten. So hat der EVP-Kandidat zwar nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten, aber die meisten (relative Mehrheit). Wieso sollten zwei (oder 3 oder 4) andere Parteien, die mit der siegreichen Partei zusammenarbeiten sollen, mehr Ansprüche haben als das, was der Wähler bestimmt hat?

                      Der Punkt ist, es gibt für Ihre Vorstellungen keine Demokratie, wo dies gehandhabt wird, wie Sie es als logisch zwingend ansehen. Entweder müssen dann einige Demokratien ihre Verfahren überdenken. Oder Sie Ihre demokratische Einstellung.

                      Was man im übrigen auch daran sieht, dass nicht selten gleich zwei Kandidaten aus unterschiedlichen Lagern einen Regierungsauftrag bei sich sehen, was jeweils von der Gegenseite zurückgewiesen wird.

                      In vielen Demokratien – z.B. Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Griechenland – beauftragt das Staatsoberhaupt denjenigen, der die meisten Stimmen erhalten hat, mit der Suche nach einer Mehrheit. Dort ist der Regierungsauftrag institutionalisiert. Auch gemäß Grundgesetz hat der Bundespräsident dazu die Möglichkeit. Also auch hier stimmen Ihre demokratischen Überzeugungen nicht so unbedingt mit Verfassungslagen überein. Mir würde das zu denken geben…

                      Was – so ehrlich sollten wir doch sein – primär ein Problem ist, das durch die Bundes-SPD verursacht wurde.

                      Weder in Thüringen noch Bayern spielt die Bundespartei besonders herein, im Gegenteil: Das sind eben Bundesländer, die nicht typisch für die Gesamtlage sind. Hessen und Niedersachsen, ja, das sind typische Länder. Aber mit Sicherheit nicht der Freistaat.

                      Nach meinem Modell konnte die SPD wenigstens in den letzten 5 Jahren mitregieren und ihre Ideen umsetzen.

                      Wie kommen Sie denn darauf? Die Landesregierung ist maßgeblich vom Ministerpräsidenten geprägt. Warum es besser sein soll, mit einem bundesweit immer noch als „Schmuddelkind“ einsortierten Partei als Juniorpartner zusammen zu gehen als mit der CDU, die nicht so einen Stallgeruch hat, verstehe ich nicht. Jedenfalls hat es der Landespartei nichts gebracht und bundesweit den Ruf der Partei gefestigt, alles zu tun, um Pöstchen zu behalten. Wenn die Ost-SPD einen Kandidaten der Ex-SED zum Ministerpräsidenten wählt, hat sie all ihre Prinzipien über Bord geworfen. Sie sahen darin ein Vorteil, der 5 Jahre später nirgends zu erkennen ist.

                      Auf Bundesebene kann die Partei so viel eigene Ideen umsetzen wie sie will, sie wird nicht gewählt und die vermeintlichen Regierungserfolge werden der Kanzlerin angehaftet – sogar in Harvard.

                    • Ralf 7. Juli 2019, 13:07

                      Nach Ihrer Bewertung würde jede Wahl eine Änderung der Gepflogenheiten erforderlich machen

                      Wissen Sie, eine Diskussion wird einigermaßen sinnlos, wenn der Diskussionspartner immer nur noch dagegen sprechen will, ohne eigentlich Argumente zu haben. Was ich oben geschrieben hatte, war das exakte Gegenteil dessen, was Sie hier versuchen mir in den Mund zu legen. Gepflogenheiten bilden sich über jahrzehntelange Traditionen aus und zwar dann, wenn sie im entsprechenden Rahmen sinnvoll und für alle Beteiligten vermittelbar sind. Ich habe viel Mühe investiert Ihnen zu erklären, warum Ihr „Erstrecht“ praktisch fast über die gesamte Zeit der Bundesrepublik sinnvoll war und auch heute noch in vielen Situationen sinnvoll ist. Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, dass ich empfehle nach jeder Wahl die Gepflogenheiten zu ändern. Das ist ein von Ihnen völlig frei erfundener Strohmann ohne jede inhaltliche Grundlage. Bitte lassen sie das.

                      Ich habe Ihnen im übrigen auch dargelegt, weshalb sich aus meiner Sicht die Struktur des Systems geändert hat: Es haben nämlich radikale Wählerverschiebungen stattgefunden, die das ehemals so stabile Parteiensystem aufgebrochen haben und völlig neue, früher undenkbare Mehrheitsverhältnisse produziert haben. Im Kontext dieser neuartigen Mehrheitsverhältnisse ist Ihr Erstrecht manchmal nicht mehr demokratisch. Zumindest dann nicht, wenn man „demokratisch“ in diesem Fall so wie ich definiert: „Das Zugriffsrecht auf den Top-Posten sollte derjenige haben, der in den die Regierung tragenden Fraktionen eine absolute Mehrheit hinter sich versammeln kann“. Das macht aus meiner Sicht Sinn, denn der Regierungschef hat die Richtlinienkompetenz, gibt also die politische Richtung vor und diese Richtung sollte aus Gründen der Demokratie die erste Wahl der Mehrheit der Regierungsfraktionen sein, also von einer größtmöglichen Mehrheit gestützt sein.

                      Nun können Sie ja anderer Meinung sein, allerdings vermisse ich bei Ihnen auch den Hauch eines inhaltlichen Argumentes. Alles was von Ihnen kommt ist „das können wir nicht ändern, denn das war schon immer so“ oder „andere machen es auch nicht anders“. Beides ist inhaltlich eine Nullaussage. Wenn Sie der Meinung sind, es sei im Zweifel zu bevorzugen, dass der Regierungschef lediglich die erste Wahl einer Minderheit der Regierungsfraktionen ist, Hauptsache er entstammt der anteilsmäßig größten Fraktion, dann erklären Sie bitte, welchen konkreten Vorteil das dem Land bringt.

                      Sie wissen anscheinend nichts mit der Regel der „relativen Mehrheit“ anzufangen.

                      Das löst das Problem nicht.

                      Ich hatte oben skizziert, wie man über eine erste Abstimmung und eine anschließende Stichwahl in den Regierungsfraktionen in den meisten Fällen Ihr Erstrechtprinzip demokratisch herleiten könnte und wieso dieses Prinzip in neuerer Zeit manchmal scheitert: Sowohl im Ergebnis als auch demokratietheoretisch.

                      Aber würde man so wählen wie Sie das vorschlagen, würden die Grünen in einem dritten Wahlgang im obigen Beispiel einer hypothetischen Keniakoalition im Europaparlament eben ihren Kandidaten zurückziehen und geschlossen für den S&D-Kandidaten stimmen. Das Ergebnis wäre dann wieder, dass Herr Timmermans der Sieger wäre. Auch in Ihrem Modus.

                      Wieso sollten zwei (oder 3 oder 4) andere Parteien, die mit der siegreichen Partei zusammenarbeiten sollen, mehr Ansprüche haben als das, was der Wähler bestimmt hat?

                      Erstens ist die größte Partei schon mal nicht „siegreich“. „Siegreich“ wäre sie, wenn sie über eine absolute Mehrheit verfügen und die kleinen Mehrheitsbeschaffer nicht brauchen würde. „Siegreich“ ist nur der, der im Parlament eine Mehrheit hat. Alles andere ist Augenwischerei.

                      Zweitens: Wenn die zwei „kleineren“ Partner zusammen auf mehr Stimmen kommen als der „größere“ Partner, steht hinter ihrer vereinten Agenda eine größere Wählerzahl. Auf die hypothetische Keniakoalition im Europaparlament übertragen bedeutet das folgendes. Der EVP-Kandidat steht für eine Agenda, die großen Appeal für EVP-Wähler hat, aber mit vielen harten Kompromissen für die Wähler von Grünen und S&D verbunden sind. Der S&D-Kandidat hingegen steht möglicherweise für eine Agenda, die hohen Appeal für S&D-Wähler hat, relativ hohen Appeal und nur wenige kleine Kompromisse für die Grünen verursacht, aber mit vielen harten Kompromissen für die Wähler der EVP verbunden ist. Die Frage ist, wer sollte sich hier durchsetzen. Und die demokratische Antwort kann nur sein, der Kandidat, hinter dessen Agenda mehr Wähler stehen. Wenn also Grüne und S&D gemeinsam mehr Stimmen als die EVP haben und wenn sie sich auf einen gemeinsamen Kandidaten mit einer für beide attraktiven Agenda verständigen können und wenn sich alle drei Parteien auf eine Koalition verständigen können, die ausreichend attraktiv für alle ist, dann sollten Grüne und S&D auch den Kommissionspräsidenten bestimmen.

                      Weder in Thüringen noch Bayern spielt die Bundespartei besonders herein

                      Dieses Statement entbehrt jeder Grundlage. Es gibt viele Untersuchungen dazu, wie die Bundespolitik bei Landtagswahlen immer wichtiger geworden ist. In vielen Landtagswahlen geht es im Gegenteil oft garnicht mehr um Landesthemen.

                      Warum es besser sein soll, mit einem bundesweit immer noch als „Schmuddelkind“ einsortierten

                      Das ist nicht die bundesweite, sondern Ihre persönliche Wertung.

                      Und solche inhaltslosen Ad Hominem-Attacken sind auch ein untrügliches Zeichen, dass Ihnen die Argumente ausgehen.

                      Jedenfalls hat es der Landespartei nichts gebracht

                      Nochmal, die SPD hat als Mitglied der Regierung von Thüringen fünf Jahre lang Teile ihres politischen Programms, für das sie gekämpft und gestritten hat, durchsetzen können. Das ist nicht „nichts“, sondern genau die Motivation für die man überhaupt in eine Partei eintritt und Wahlkampf macht. Geschadet hat dieser Erfolg den Sozialdemokraten offensichtlich auch nicht, denn sie stehen – wiederum nach Ihrer neuen, geänderten Argumentationsweise – genauso da, als hätten sie auf den Oppositionsbänken gesessen. Von wo aus sie garnichts bewirkt hätten.

                      Wenn die Ost-SPD einen Kandidaten der Ex-SED zum Ministerpräsidenten wählt, hat sie all ihre Prinzipien über Bord geworfen.

                      Auch hier inhaltlich eine totale Null. Sie werfen Schmutz auf den politischen Gegner in der Hoffnung, das etwas hängen bleibt. Sachlich leisten Sie keinen Beitrag zur Debatte.

                      Die Ex-SED wird in Thüringen im übrigen von einem moderaten Gewerkschafter aus dem Westen angeführt. Und die Prinzipien der Sozialdemokraten sind ihr Programm umzusetzen, das inhaltlich im übrigen recht nahe dem der LINKEN in Thüringen ist. Aber ist ja auch egal …

          • Stefan Sasse 6. Juli 2019, 16:34

            Wenn jemand einen Regierungschef im Parlament wählen kann, hat er ja offensichtlich eine Mehrheit. Die CDU war mit Ausnahme 1972 in der sozialliberalen Ära auch immer größer als die SPD. So what? Ne Mehrheit hatte sie nicht, und Brandt und Schmidt hatten sie. Und Kohl wurde Kanzler nicht wegen der geilen Mehrheit von 1980, sondern weil er eine Mehrheit IM PARLAMENT hätte. Das ist der Ort, der zählt.

            • Stefan Pietsch 6. Juli 2019, 17:18

              Da greifst Du aber tief in die Vergangenheit statt in die historische Nähe. 1976 gab es nur 3 Fraktionen, heute sind die Parlamente vielfältiger. Schmidt war fraglos populärer als seine Partei und sein Gegenkandidat. Und es war immer klar, dass eine Koalition von SPD und FDP Schmidt wählen würden.

              Kein Vergleich zu dem, was Du als Vergleich heranziehst. Die Grünen haben vor der Wahl trotz Nachfragen immer offen gelassen, ob sie den CDU-Kandidaten oder den amtierenden SPD-Bürgermeister unterstützen würden. So haben sie zwar das Maximum an Stimmen abgegrast, aber jene, die in der Hoffnung auf einen Regierungswechsel trotzdem ihr Kreuz bei den Grünen gemacht haben, werden enttäuscht sein.

              Nochmal, es ist keine Frage, dass nach den parlamentarischen Regeln SPD, Grüne und LINKE jeden zum Bürgermeister wählen können. Nur müssen sich die meisten veralbert fühlen. Der bisherige Bürgermeister ist weg, nachdem er offensichtlich die Wahl verloren hat und der CDU-Kandidat, der weit überproportional gezogen hat, wird es nicht. Sonst würden Linke so etwas als Grund für Politikverdrossenheit brandmarken, wenn Gewählte hinterher nicht tun, was sie zuvor versprochen haben. Wie bei der EU-Wahl wird keiner der Spitzenkandidaten das, wofür sie angetreten sind. Eine demokratische Farce.

              Auch für die EU-Spitzenkandidaten gab es Verabredungen, da alle wussten, dass sie aufeinander angewiesen sein würden. Und niemand sollte nach diesem Theater gegen von der Leyen den Vorwurf erheben, sie wäre ja keine Spitzenkandidatin oder wäre mit Stimmen von EU-Gegnern in ihr Amt gekommen. Wenn sie denn gewählt würde. Die Linken und Macron haben’s vermasselt, weil sie sich nachträglich nicht an Regeln halten wollten. Im Grunde ist das gut.

              • Stefan Sasse 6. Juli 2019, 18:25

                Warum? Du hast den Grünen im vollen Bewusstsein, dass sie möglicherweise R2G machen, gewählt. Sie haben schließlich nie gesagt, dass sie es nicht tun. Du projizierst nur deine persönlichen Präferenzen da drauf.

              • Dennis 7. Juli 2019, 12:25

                Zitat Stefan Pietsch:
                „Die Linken und Macron haben’s vermasselt, weil sie sich nachträglich nicht an Regeln halten wollten. Im Grunde ist das gut.“

                Einspruch, Euer Ehren. Hinsichtlich Macron gilt das „nachträglich“ explizit nicht. Er hat schon VOR der Wahl hinreichend deutlich werden lassen, dass er vom Spitzenkandidatenmodell nicht viel hält und von Weber noch weniger als nicht viel^.

                Sein Argument (offiziell jedenfalls) waren die nicht möglichen transnationalen Listen; ein ziemlich gutes Argument, bezüglich dessen der EVP nicht mehr als Gestottere einfällt.

                Le Spitzenkandidat ist im Übrigen eine Kinderdampfmaschine der politischen Klasse, die in den meisten Ländern vom Publikum gar nicht wahrgenommen wird. Ein Spitenkandidat, den z.B. in Spanien keine Sau kennt, na toll.

                Da kommt einem unwillkürlich das häßliche Argument vom „Eliteprojekt“ in den Sinn (beliebt bei linken und rechten Extremisten). Aber okay, wie soll man etwas, wofür sich krasse Mehrheiten nicht die Bohne interessieren, denn sonst nennen? „Demokratisierung“ ist da wohl ein etwas heikler Begriff.

                Zu Ihrem krankhaften und an Besessenheit gemahnenden Linken-Bashing ist zu sagen, dass auch die Zentristen („Renew Europe“) es sich angelegen haben sein lassen, von der „Regel“ nicht sooo doll überzeugt zu sein. Deren la Spitzenkandidatienne wurde erst nach der Wahl halboffiziell eine solche.

                • Stefan Pietsch 7. Juli 2019, 12:40

                  Macron ist Teil des Rates, wir diskutieren das Vorgehen im Parlament und wie es dazu kam, dass sich die Abgeordneten selbst entmachtet haben. Hätten sich nämlich die Fraktionen mehrheitlich auf einen Kandidaten einigen können, der nicht zwingend Herrn Macron genehm hätte sein müssen, hätte der Rat sich kaum dagegen stellen können. Das war 2014 bei Jean-Claude Juncker auch nicht anders, der bei Merkel nicht die besten Aktien hatte.

                  Es stellt sich für die Zukunft die Frage, ob Europa eher vom Rat oder vom Parlament geführt werden sollte. Ihr Einwand führt auch zu der Ansicht, dass es eigentlich der Rat sein müsste. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist.

                  Ich bin sicher nicht krankhaft. In der Vergangenheit haben Linke viele Jahre und bis heute auf „neoliberale Umtriebe“ eingeschlagen. Das sehen Sie wahrscheinlich auch als krankhaft an, oder?

                  • Dennis 8. Juli 2019, 20:28

                    Zitat Stefan Pietsch:
                    „In der Vergangenheit haben Linke viele Jahre und bis heute auf „neoliberale Umtriebe“ eingeschlagen. Das sehen Sie wahrscheinlich auch als krankhaft an, oder?“

                    Ja, könnte man so sagen, denn einschlagen ist immer schlecht. Okay, „krankhaft“ gehört ja eigentlich auch dazu^. Ich nehm’s ja schon wieder zurück.

                    Es geht eigentlich um sachlich unbegründete Projektionsflächen und Watschenmänner (oder Frauen). Liberal und links (ob mit oder ohne neo) kann übrigens durchaus deckungsgleich sein, alles Ansichtssache. Wer unbedingt Fronten braucht um glücklich zu sein, muss also auch noch mit komplexen Fluiditäten rechnen; die Fronten sind nicht gerade.

                    • Stefan Pietsch 9. Juli 2019, 11:04

                      Keine Notwendigkeit, irgendetwas zurückzunehmen. Ich bin nicht empfindlich. 😉

                      Es geht eigentlich um sachlich unbegründete Projektionsflächen und Watschenmänner (oder Frauen).

                      Ich versuche mich an einer Mischung zwischen Fronten kreieren ohne zu vereinfachen und seriöser Debatte. Klare Kante ist für Leser oft interessanter und auf jeden Fall emotionalisierender.

  • Stefan Pietsch 7. Juli 2019, 15:32

    @Ralf

    Eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse ist keine systematische Änderung. Das wäre so, also würden Sie in Ihrem häuslichen Belichtungssystem zwei Lampen mehr einschrauben oder diese neumodischen Birnen verwenden. Anders, aber keine Systemänderung. Und so wählen wir in Deutschland weiterhin den Bundeskanzler nach den im Grundgesetz festgelegten Regeln.

    Im Kontext dieser neuartigen Mehrheitsverhältnisse ist Ihr Erstrecht manchmal nicht mehr demokratisch. Zumindest dann nicht, wenn man „demokratisch“ in diesem Fall so wie ich definiert: „Das Zugriffsrecht auf den Top-Posten sollte derjenige haben, der in den die Regierung tragenden Fraktionen eine absolute Mehrheit hinter sich versammeln kann“.

    Das habe ich verstanden, nur haben Sie halt manchmal eine eigenwillige Vorstellung von Demokratie. Erst wetteifern Parteien vor dem Wähler um Mehrheiten um dann in einer potentiellen (!) Koalition nochmals die Mehrheiten auszutarieren? Was soll das? Sie vergessen eins: Ein Kandidat, der in der Koalition wiederum eine Mehrheit finden würde, muss diese nicht im Parlament haben. Würde also auf unseren Fall gewendet, sich die Parteien EVP, S&D und Grüne gegen den erklärten Willen der EVP auf Timmermans verständigen, so könnte dennoch Manfred Weber im Parlament mehr Stimmen einsammeln wie Timmermans, wenn nämlich sich beide zur Wahl stellen. Die Abstimmungen sind geheim und es zählt jeder Abgeordnete, nicht nur diejenigen der „Koalition“. Somit funktioniert Ihre Vorstellung von Demokratie nur, wenn sich der Kandidat der größten Fraktion selbst aus dem Rennen nimmt, damit der Bewerber der kleinen Partei (und Wahlverlierer) am Ende gewinnen kann. Man muss hier wirklich das demokratische Element in Ihren Überlegungen suchen…

    Nun können Sie ja anderer Meinung sein, allerdings vermisse ich bei Ihnen auch den Hauch eines inhaltlichen Argumentes.

    Wie soll das gehen? Sie philosophieren (mehr machen Sie nicht), können weder Historie, noch Empirie noch verfassungsrechtliche Gegebenheiten zur Unterstützung heranziehen und klagen auf inhaltliche Argumente. Erst exkludieren Sie alles und dann klagen Sie auf Inhalt. Schwierig.

    Das löst das Problem nicht.

    Doch, auch eine relative Mehrheit ist eine Mehrheitsentscheidung. Das wird sehr deutlich im Mehrheitswahlrecht. Demokratie ist nicht als Kungelveranstaltung gedacht, sondern als Prinzip der Entscheidungsfindung. Das sollte nicht vergessen werden.

    Aber würde man so wählen wie Sie das vorschlagen, würden die Grünen in einem dritten Wahlgang im obigen Beispiel einer hypothetischen Keniakoalition im Europaparlament eben ihren Kandidaten zurückziehen und geschlossen für den S&D-Kandidaten stimmen.

    Was dabei herauskommt, siehe oben. Das zeigt, dass Ihr Konzept von Demokratie nicht sehr durchdacht ist.

    Erstens ist die größte Partei schon mal nicht „siegreich“. „Siegreich“ wäre sie, wenn sie über eine absolute Mehrheit verfügen und die kleinen Mehrheitsbeschaffer nicht brauchen würde.

    Dann gibt es fast nie Wahlsieger. Ich bin echt fasziniert von Ihren Deutungen. 🙂

    In vielen Landtagswahlen geht es im Gegenteil oft garnicht mehr um Landesthemen.

    Das ist eine sehr alte und manchmal vorurteilsbeladene Argumentation. So zählten bei einer nennenswerten Zahl von Landtagswahlen zuletzt Landesthemen: NRW, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und demnächst Thüringen. Absturz der Koalitionspartner ist ja schon sehr lange zu verzeichnen. Die Thüringer sind so seit 2017 in größerer Mehrheit unzufrieden mit ihrer Landesregierung und das zeigt sich dann eben in Umfragen.

    Und solche inhaltslosen Ad Hominem-Attacken sind auch ein untrügliches Zeichen, dass Ihnen die Argumente ausgehen.

    Wieso ad Hominem?! Jemand, der Wähler einer Partei pauschal charakterlich verunglimpft, jemand, der in jedem AfD-Wähler einen potentiellen Nazi sieht und Leute, die zwar Ertrinkende retten, nicht jedoch den Zugang zum Asyl- und Sozialsystem pauschal gewähren wollen, als welche mit Tötungsabsicht aburteilt, sind Sie ganz schön forsch. Ad hominem bedeutet, dass ich Sie in Ihrer Person angreife. Davon kann keine Rede sein.

    Die LINKE ist rechtlicher, organisatorischer und personeller Nachfolger der SED. Eine Parteineugründung wie die AfD in die Reihenfolge von Nazis zu stellen, aber das bei der LINKEN rundheraus abzulehnen, ist nicht mehr als politische Demagogie. Juristisch falsch, organisatorisch falsch, strukturell falsch.

    Nochmal, die SPD hat als Mitglied der Regierung von Thüringen fünf Jahre lang Teile ihres politischen Programms, für das sie gekämpft und gestritten hat, durchsetzen können.

    Das war vorher auch so in der Großen Koalition und wäre auch unter der Fortsetzung nicht anders gewesen. Erzählen Sie den Unterschied, schließlich haben Sie dafür plädiert. Und lassen Sie sich an Ihren Prognosen, die Grundlage für Ihre „Beratung“ waren, messen. Das müssen Berater nämlich ab und zu. Vielleicht nochmal, ich erkenne nämlich aus Ihrer Argumentation, dass Ihnen das nicht bewusst ist: 2014 stand die SPD vor der Frage, die Koalition mit der CDU fortzusetzen, was eine einfache Zweier-Konstellation gewesen wäre, oder in eine typischerweise ausgabe- und konfliktfreudigere Dreier-Konstellation mit der LINKEN und den Grünen einzutreten. Es gab nicht die Alternative Opposition.

    Auch hier inhaltlich eine totale Null. Sie werfen Schmutz auf den politischen Gegner in der Hoffnung, das etwas hängen bleibt. Sachlich leisten Sie keinen Beitrag zur Debatte.

    Merken Sie sich das bitte bezüglich der AfD. Ich glaube, ich besitze da ein Stück mehr Integrität, die AfD auch moralisch-ethisch anzugreifen.

    Da es Ihnen ebenfalls nicht bekannt ist:
    Noch vor 10 Jahren bildeten die ehemaligen SED-Mitglieder die Mehrheit in der LINKEN:
    In der Linken steckt nach 19 Jahren deutscher Einheit viel mehr SED als den meisten Leuten bekannt ist. Mehr als die Hälfte der Parteimitglieder gehörte bereits der SED an, Ko-Parteichef Lothar Bisky ist schon zu Zeiten von Walter Ulbricht der Partei beigetreten, ebenso Fraktionschef Gregor Gysi. Insbesondere im Osten Deutschlands bilden alte Parteigänger der DDR-Diktaturpartei einen Großteil ihrer Mitgliedschaft.

    Und weiter:
    Die Linke hat ein negatives Verhältnis zum politischen System der Bundesrepublik. Sie agitiert gegen Amerika und gegen die westliche Staatengemeinschaft, auch gegen Israel. Hier werden starke antidemokratische Affekte sichtbar, die wir aus unserer Geschichte zur Genüge kennen. Wenn sich dann noch eine Art Gegenbewegung auf der rechtsextremen Seite entwickelt, wie wir es in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit der NPD beobachten können, könnten sich in Krisenzeiten rechts und links gegenseitig hochschaukeln und die demokratische Mitte zerreiben.
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/parteien-in-der-linken-steckt-sehr-viel-sed-a-613837.html
    https://www.welt.de/geschichte/article137509656/So-viel-SED-steckt-in-der-Linkspartei.html

    Ist das auch Schmutz? Sie zeigen wenig Engagement zur Differenzierung losgelöst von Ihrer parteipolitischen Ausrichtung.

    • Ralf 7. Juli 2019, 17:22

      Eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse ist keine systematische Änderung.

      Ich habe auch nicht behauptet, dass jede Änderung der Mehrheitsverhältnisse eine systematische Änderung in der politischen Kultur darstellt. Aber eine Änderung von einem politischen System, in dem immer einer der Partner der Regierungskoalition dominant ist (der also über mehr als und meist sogar sehr deutlich mehr als 50% der Abgeordneten der Regierungsfraktionen verfügt) hin zu einem System von Koalitionen aus mehreren fast gleich starken Partnern unter denen keiner dominiert, ist eine bedeutende systematische Änderung.

      Würde also auf unseren Fall gewendet, sich die Parteien EVP, S&D und Grüne gegen den erklärten Willen der EVP auf Timmermans verständigen, so könnte dennoch Manfred Weber im Parlament mehr Stimmen einsammeln wie Timmermans, wenn nämlich sich beide zur Wahl stellen.

      Nein. Eben genau nicht. Wenn sich wie in unserem Beispiel S&D und Grüne auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen, also Timmermans, und wir annehmen, dass die rot-grüne Allianz geschlossen für ihren Kandidaten stimmt, während die EVP geschlossen für Weber stimmt und alle anderen geschlossen gegen beide Kandidaten stimmen, dann hat Timmermans mehr Stimmen und damit mehr Rückhalt im Parlament.

      Genau deshalb sollte er in diesem Fall auch den Posten des Kommissionschefs übernehmen.

      Doch, auch eine relative Mehrheit ist eine Mehrheitsentscheidung. Das wird sehr deutlich im Mehrheitswahlrecht.

      Kandidaten passen sich den politischen Gegebenheiten an. Gibt es jetzt plötzlich ein Mehrheitswahlrecht, würden die Grünen als kleinere Partei sehr wahrscheinlich von vornherein keinen eigenen Kandidaten mehr aufstellen, sondern sich eine Allianz suchen. Zum Beispiel Herrn Timmermans. Und schon wieder hätte Manfred Weber verloren.

      Dann gibt es fast nie Wahlsieger.

      Stimmt. Die gibt es auch fast nie. Insbesondere nicht unmittelbar nach der Wahl. Wie viel der Begriff des „Wahlsiegers“ wert ist, zeigt sich schon daran, dass sich am Wahlabend traditionell ausnahmslos jede Partei zum Wahlsieger erklärt. Und das ist auch in Ordnung so, denn der Begriff des „Wahlsiegers“ ist nicht definiert und damit völlig wertlos.

      Wer die Wahl gewonnen hat, entscheidet sich dann bekanntermaßen Wochen später, wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind. Der Sieger ist dann der, der im Parlament eine Mehrheit bekommt. Ganz einfach. Ganz simpel.

      So zählten bei einer nennenswerten Zahl von Landtagswahlen zuletzt Landesthemen

      Sagen Sie das mal der armen Frau Merkel. Die scheint ganz umsonst zurückgetreten zu sein. Und die Knallerthemen der letzten Wahlkämpfe, Einwanderung, Europa und Klimaschutz, sind natürlich auch sehr landesspezifisch …

      Die Thüringer sind so seit 2017 in größerer Mehrheit unzufrieden mit ihrer Landesregierung

      Und das ist natürlich total spezifisch ein Problem der LINKEN. Nirgendwo anders kommt es vor, dass Wähler mit ihrer Regierung unzufrieden sind … *kopfschüttel* …

      Jemand, der Wähler einer Partei pauschal charakterlich verunglimpft, jemand, der in jedem AfD-Wähler einen potentiellen Nazi sieht und Leute, die zwar Ertrinkende retten, nicht jedoch den Zugang zum Asyl- und Sozialsystem pauschal gewähren wollen, als welche mit Tötungsabsicht aburteilt, sind Sie ganz schön forsch.

      Die LINKE ist eine demokratische Partei, die AfD nicht. So einfach erklärt sich die Reaktion.

      Im übrigen unterstelle ich niemandem eine Tötungsabsicht, gebe aber zu bedenken, dass es im Flüchtlingsdilemma im Mittelmeer keine Lösung gibt, die die Menschenrechte wart und die Flüchtlinge aus Europa fernhält. Eines der beiden Ziele werden Sie opfern müssen. Was ich bei Ihnen kritisiere ist die Unfähigkeit oder den Unwillen, das zu erkennen. Nicht eine Tötungsabsicht.

      Die LINKE ist rechtlicher, organisatorischer und personeller Nachfolger der SED.

      Ich fasse es nicht. Haben Sie eigentlich mitbekommen, dass die DDR seit fast 30 Jahren nicht mehr existiert?

      Eine Parteineugründung wie die AfD in die Reihenfolge von Nazis zu stellen, aber das bei der LINKEN rundheraus abzulehnen, ist nicht mehr als politische Demagogie.

      Die AfD ist nicht aus der NSDAP hervorgegangen, sondern ist eine Parteineugründung, die ideologisch stark mit dem völkisch-nationalistischen Gedankengut der NSDAP überlappt.

      Die LINKE hat mehrere Transformationsprozesse sowie die Fusion mit einer deutschen Gewerkschaftspartei durchlaufen und hat ideologisch praktisch keinerlei Überlappung mehr mit der SED. Das gilt insbesondere in den Fragen von Rechtsstaat, Demokratie, Marktwirtschaft und Menschenrechten.

      Genau in diesen Themengebieten steht übrigens die AfD der NSDAP nahe.

      Das war vorher auch so in der Großen Koalition und wäre auch unter der Fortsetzung nicht anders gewesen.

      Selbstverständlich wäre das anders gewesen. Das Programm der SPD in Thüringen hatte unendlich mehr Schnittpunkte mit der LINKEN als mit der CDU.

      Noch vor 10 Jahren bildeten die ehemaligen SED-Mitglieder die Mehrheit in der LINKEN

      Ich überlege hin und her zwischen den Antworten „Das ist 10 Jahre her“ und „Na und?“. Ich glaube, ich entscheide mich für „Na und?“.

      Die Linke hat ein negatives Verhältnis zum politischen System der Bundesrepublik. Sie agitiert gegen Amerika und gegen die westliche Staatengemeinschaft, auch gegen Israel.

      Völliger Unsinn. Berechtigte Kritik ist etwas anderes als Agitation und kein prominenter Politiker der LINKEN stellt das politische System der Bundesrepublik infrage.

      Ist das auch Schmutz?

      Ja. Es ist der übliche Schmarrn, den der Spiegel und die Welt, beides Erzgegner der LINKEN, seit Jahren schreiben.

      • Stefan Sasse 7. Juli 2019, 20:31

        Ich bin wahrlich kein Fan der LINKEn, und ich muss Ralf zustimmen: dein Hass auf die Partei verzerrt völlig deinen Blick.

        • Stefan Pietsch 7. Juli 2019, 20:34

          Lässt sich das nicht von Euch auch mit Blick auf die AfD sagen?

          • Stefan Sasse 7. Juli 2019, 20:47

            Warum, hältst du die AfD ernsthaft für harmloser als deine Version der LINKEn? Ich frage deshalb:
            Wenn dein Bild von der LINKEn wahr wäre, und du hältst die AfD für genauso schlimm oder schlimmer, dann hätten wir allen Grund dazu. Nur wenn du sagst die AfD sei weniger schlimm als die LINKE müsste ich mich das fragen. Und ich glaube nicht dass du das behauptest, oder?

            • Stefan Pietsch 7. Juli 2019, 21:10

              Tu ich nicht, das ist es ja. Ich halte die AfD für in Teilen extremistisch und verfassungsfeindlich, ein Auffangbecken für Menschen, die in unserer demokratischen Ordnung fremdeln. Das ist exakt die Beschreibung, weshalb ich sehr viele Jahre über die LINKE / PDS / SED-PDS geschrieben habe, sie habe ihre demokratische Berechtigung.

              Du hast Historiker weißt es mit Sicherheit: Jahrzehntelang (!) wurde es der Union zum Vorwurf gemacht, ehemaligen Mitläufern des Nazi-Regimes eine politische Heimat geboten zu haben. Das ist in einer Demokratie, die auf eine Diktatur folgt, nunmal notwendig. Es ist kein Schmutz, daran zu erinnern.

              Anders als die CDU, ja sogar die AfD und die NPD hat die LINKE von dem Geld in der Diktatur profitiert. Es wäre ein sauberer Weg gewesen, 1990 die SED aufzulösen und später eine post-sozialistische Partei neu zu gründen. Gregor Gysi hat sich, ich kann mich noch an die damaligen Fernsehsendungen erinnern, dagegen entschieden. Sein offizielles Ziel, so verkündete er es oft im Fernsehen, die so belastete SED in eine demokratische Partei zu überführen, verdeckte das eigentliche, das Vermögen zu sichern. Beim Lieblingsclub von Erich Mielke, BFC Dynamo Berlin, lief es genauso. Bis heute ist unbekannt, wohin die Millionen des damaligen Seriensiegers (10x hintereinander DDR-Meister) verschwunden sind. Das gilt für zahlreiche DDR-Ikonen.

              Ralf (und auch Du) zeigen nicht die gleiche demokratische Toleranz. Da denke ich, geht Dein Vorwurf gehörig fehl, zumal Ralf sogar Probleme hat, einer demokratischen Partei wie der FDP ihre Berechtigung zuzuerkennen. Es sind ja nur charakterlich zwielichtige Menschen, die eine solche Partei wählen.

              Es ist diese enorme moralische Überheblichkeit, die mir ein ganzes Stück auf den Zeiger geht. Jede politische Überzeugung, die sich im Rahmen des verfassungsrechtlichen Spektrums bewegt, hat ihre demokratische Berechtigung. Wenn Du und Ralf das uneingeschränkt zuerkennen und entsprechend ohne moralischen Zeigefinger damit umgehen könntet, wäre schon viel gewonnen.

              • Stefan Sasse 8. Juli 2019, 08:19

                Wie kannst du moralisch über die LINKE urteilen und im gleichen Atemzug anderen moralische Bewertungen vorwerfen? Das ist mir völlig unklar.
                Und ich übe demokratische Toleranz. Die AfD kannst du wählen. Nirgendwo steht geschrieben, dass ich das gut finden muss. Ich kann den Laden kritisieren, so stark ich will.

                • Stefan Pietsch 8. Juli 2019, 12:47

                  Du hast mir zwei Sachen vorgehalten. Zum einen hätte ich einen Hass auf die LINKE, zum anderen, warum ich die AfD für harmloser halten würde.

                  Beides ist nicht zutreffend, ich halte zwar beide für demokratisch schwierig, aber beide haben ihre Berechtigung aus den genannten Gründen. Ich habe Fakten zur LINKEN aufgezählt. Stell‘ Dir vor, die AfD sei überproportional von NPD-Kadern beherrscht. Die PDS, Rechtsvorgängerin der LINKEN, führte Hans Modrow als Ehrenvorsitzenden, der wegen Wahlfälschung und meineidlicher Falschaussage verurteilt ist. Zum Vergleich: in der CDU trat der Altkanzler und wirklich verdiente Politiker von diesem Ehrenamt zurück, als seine Partei in eine Spendenaffäre rutschte.

                  Oder: bis vor wenigen Jahren war Dagmar Enkelmann parlamentarische Geschäftsführerin, die seit 1977 in der SED war. Oder Steffen Hultsch, der an den Arbeitsgesetzen der DDR mitwirkte und eine Professur hielt. Hier wurde einem Grundgesetzkommentator die Mitgliedschaft in der NSDAP noch 70 Jahre später vorgehalten.

                  Die Parteivorsitzenden hatten alle bis auf die aus dem Westen importierten Oskar Lafontaine und Bernd Riexinger eine SED-Vergangenheit in ihren Büchern, für die Köpfe der Bundestagsfraktion gilt das Gleiche.

                  Wie mit zweierlei Maß gemessen wird, kannst Du wie gesagt an der vor kurzem stattgefundenen Debatte über Theodor Maunz vergleichen. Da haben weder Du noch Ralf aufgeheult, als CitizenK ihm jeden Anspruch streitig machte, das Grundgesetz zu kommentieren. Weil NSDAP, Dritte Reich und so.

                  Eine Partei definiert sich nicht durch ihre Vorsitzenden, sondern durch ihre Mitglieder und vielen Funktionäre. Die LINKE da in den Kontext zur Staats- und Diktaturpartei SED zu stellen, entspricht der historischen Wahrheit. Die Gesinnung vieler in der LINKEN kann man als fragwürdig ansehen, wenn Verstaatlichungen, also die Knute der Regierung, nirgends so große Begeisterungen auslösen wie dort und von der Spitze an bis in die Verästelungen Mitglieder und Funktionäre ganz feuchte Träume bekommen angesichts der Aussicht auf Vergesellschaftung weiter Teile.

                  Und zuletzt die Liebe zu Diktatoren, Ergebenheitsadressen an zuletzt den venezolanischen Präsidenten Maduro und dessen breite Unterstützung in der Partei, die sonst nirgends in den westlichen Demokratien geteilt wird. Die quasi Vergötterung einer so fragwürdigen Person wie Putin, Verehrung von Castro. Stell‘ Dir vor, sagen wir Carsten Linnemann hätte Sympathie für Pinochet erkennen lassen, der wäre nicht mehr tragbar. Die SPD bemüht sich seit Jahren, Thilo Sarrazin auszuschließen, weil der ein paar dumme Sachen gesagt hat. Doch in der LINKEN dürfen Leute bleiben, die der Diktatur gedient haben und solche, die heute mit Diktatoren sympathisieren.

                  Das ist eine schräge Moral. Beides ist zutiefst verwerflich und beides muss klar so benannt werden.

                  • Stefan Sasse 8. Juli 2019, 15:35

                    Ich stimme die grundsätzlich ja schon zu, aber mein Problem ist folgendes: SED und NSDAP sind einfach nicht dasselbe.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2019, 16:54

                      Aus meiner zugegeben sehr subjektiven Sicht finde ich solche Vergleiche außerordentlich schwierig und habe sie auch nie angestellt. Denn schon zu meiner Schulzeit gab es solche Fragen.

                      Ich habe das Nazi-Regime aus naheliegenden Gründen nicht erlebt, aber dafür die DDR in einem ganz kleinen Ausschnitt. Als Junge von 10 Jahren als auch auf meiner Klassenabschlussfahrt war ich kurz in Ost-Berlin und bin im Transit gefahren. Es dominierte eine Angst, die nur typisch für Sicherheitskräfte in Diktaturen sein kann. Der Schulbus wurde von einem voll ausgerüsteten Soldaten kontrolliert, der bewusst die Eimer umstieß. Und ich war aus dem Westen, mir konnte im Grunde nichts passieren. Sobald man wieder im Westen war, war da ein Gefühl der Freiheit und Befreiung.

                      Natürlich gab es die Geschichten von der „schönen“ DDR, gerne erzählt von Älteren, die weitreichende Privilegien genossen. Aber im Grunde waren die Volkspolizei und die Stasi doch nur die Fortführung des NS-Regimes unter anderer Flagge. Kein Wunder, die Spitze hatte ihr Handwerk in Diktaturen gelernt.

                      Meine Mutter ist in einem kleineren Ort aufgewachsen, da bekam man von den Nazis auch wenig mit. Meine Familie väterlicherseits stammt aus Königsberg. Von den Nazis wusste er wenig zu erzählen, Aufmärsche, okay. Aber ansonsten nur von den Kriegs- und Fluchtgreultaten.

                      Ich bezweifle, dass man das vergleichen und gewichten kann. Auch wer in der DDR nicht regimetreu war, bekam die gesamte Härte einer Diktatur ab: Kindesentziehung, weitreichende Bespitzelungen bis ins Privateste, karges Leben, Hochlied auf die Partei, Angst vor deren Repräsentanten. Ich weiß nicht, wo Du die qualitativen Unterschiede ausmachst.

                      Natürlich ist die LINKE nicht mehr die SED. Aber vieles ist historisch in der Partei geprägt und findet sich so nicht in anderen linkspopulistischen Parteien Europas. Aus meiner Sicht wäre es 1990 besser gewesen, die SED zu verbieten, aufzulösen und das Parteivermögen unverzüglich in staatliche Hand zu überführen. Die Parteimitglieder selbst haben sich dafür entschieden, die Tradition fortzusetzen, woraus sie Vorteile zog. Nun muss man auch mit den Nachteilen leben. Das ist das, was ich geschrieben habe.

                    • Stefan Sasse 8. Juli 2019, 18:13

                      Selbstverständlich kann ich das vergleichen und gewichten. Die eine Partei war verantwortlich für Weltkrieg und Holocaust. Die andere unterdrückte das eigene Volk. Das sagt mir ein Blick ins Geschichtsbuch. Es ist völlig offenkundig, dass die in zwei unterschiedlichen Ligen von Bösartigkeit spielen.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2019, 18:39

                      Die NSDAP herrschte über ganz andere Mittel als die SED. Und in einer anderen Zeit. Hätte die KPdSU einen Weltkrieg begonnen, hätte das also Deine Bewertung geändert? Ich denke es geht um die Brutalität des Regimes.

                      Aber wie gesagt, ich habe mich da schon immer mit Vergleichen schwer getan: In welcher Diktatur würdest Du vorzugsweise leben wollen? Ich wäre in jeder eingegangen und hätte möglicherweise ein kurzes Leben gehabt. 🙂

                    • Stefan Sasse 8. Juli 2019, 19:12

                      Klar. Und wenn du mich zwingst mich für eine der beiden zu entscheiden: die SED, ohne zu zögern. Und ich wette, du triffst die gleiche Wahl.

                    • Ralf 8. Juli 2019, 19:16

                      @ Stefan Sasse

                      Ich stimme die grundsätzlich ja schon zu, aber mein Problem ist folgendes: SED und NSDAP sind einfach nicht dasselbe.

                      Herzlichen Glückwunsch. Du hast die Debatte bereits verloren. Weil Du Dich auf eine völlig absurde Prämisse eingelassen hast, die keinerlei Ähnlichkeit mit der Realität besitzt.

                      Denn nein, die LINKE ist nicht die wie auch immer geartete ideologische Fortsetzung der SED in der Bundesrepublik. Nein, das Programm der LINKEN hat nichts mit Honecker, Mielke, Mauer und Stasi zu tun. Nein, es existiert in der LINKEN keine (Zitat) „quasi Vergötterung einer so fragwürdigen Person wie Putin„. Nein, die LINKE stellt nicht den Rechtsstaat, die Demokratie, unsere Freiheit und unsere Menschenrechte infrage.

                      Die LINKE besteht im wesentlichen aus zwei Flügeln, von denen der eine die alterwürdige deutsche Sozialdemokratie repräsentiert, also bevor Schröder die SPD zerstört hat, und der für starke Gewerkschaften und Rechte des kleines Mannes eintritt. Der zweite Flügel ist alternativ-progressiv, vielleicht auch ein bisschen naiv, sicherlich recht bunt und hat inhaltliche Nähe zum linken Spektrum bei den Grünen.

                      Keiner der beiden Flügel ist eine Gefahr für die Bundesrepublik. Solltest Du das Pech haben eine von der LINKEN geführte Regierung zu erleben, werden wohl Deine Steuern hochgehen. Die Repressionen auf Arbeitslose werden nachlassen. Der Staat wird mehr Wohnungen bauen und investieren. Es wird weniger Privatisierungen geben. Wahrscheinlich werden die Schulden steigen. Wenn Dir das nicht passt, wählst Du die Regierung vier Jahre später wieder ab.

                      Und genau das ist der Unterschied zur AfD. Überall wo die Rechtspopulisten an die Macht gekommen sind, haben sie sich sofort daran gemacht die Presse zu unterdrücken, Journalisten ins Gefängnis zu werfen, die unabhängige Justiz zu eliminieren, Schlüsselposten mit Quislingen zu besetzen und die Ausübung der Demokratie zu erschweren. Die AfD wählst du also nur einmal. Danach findest Du Dich mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer stabilen und unumkehrbaren „illiberalen Demokratie“ wieder.

                      Und das ist wohlgemerkt das positive Szenario. Das negative Szenario ist, dass irgendwer die Todeslisten auspackt, die in unserer Zeit wieder und wieder bei den neuen Rechten gefunden werden und die voll mit Namen von „Volksverrätern“ sind. Was dann passiert, brauche ich Dir hoffentlich nicht zu erklären. Du hast ja bestimmt ein Geschichtsbuch im Schrank.

                    • Stefan Sasse 9. Juli 2019, 06:40

                      Stefan hat ja zwei Diskussionen aufgemacht: War SED oder NSDAP schlimmer (historisch), und wie sehr ist die LINKE heute noch SED?

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2019, 19:44

                      Weil Du Dich auf eine völlig absurde Prämisse eingelassen hast, die keinerlei Ähnlichkeit mit der Realität besitzt.

                      (..)

                      Und genau das ist der Unterschied zur AfD. Überall wo die Rechtspopulisten an die Macht gekommen sind, haben sie sich sofort daran gemacht die Presse zu unterdrücken, Journalisten ins Gefängnis zu werfen, die unabhängige Justiz zu eliminieren, Schlüsselposten mit Quislingen zu besetzen und die Ausübung der Demokratie zu erschweren. Die AfD wählst du also nur einmal. Danach findest Du Dich mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer stabilen und unumkehrbaren „illiberalen Demokratie“ wieder.
                      Und das ist wohlgemerkt das positive Szenario. Das negative Szenario ist, dass irgendwer die Todeslisten auspackt, die in unserer Zeit wieder und wieder bei den neuen Rechten gefunden werden und die voll mit Namen von „Volksverrätern“ sind.

                      Ohne Worte ob solcher Spinnereien. In Österreich war die FPÖ zweimal an der Macht, auch Ungarn und Polen veranstalten alle 4 Jahre frei und geheime Wahlen, in Griechenland ist gerade eine Regierung mit Rechtspopulisten gescheitert, Italien hat die Forza Italia überstanden ohne dass die Demokratie zerbrochen ist und in Frankreich regiert der RN zahlreiche Regionen, davon unter anderem das Elsass, ohne dass braune Horden durch die Straßen ziehen, Journalisten verhaften lassen und die ersten Konzentrationslager errichten.

                      Bei Putin ist das nicht so sicher.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2019, 19:55

                      @Stefan

                      Du hast nicht geschrieben, welche Annahmen dem zugrunde liegen noch wie sie begründet sind.

                      So lange ich politisch irgendwie aktiv bin, werde ich Extremismus in jeder Form aufs Vehementeste bekämpfen. Auf der Linken, Ralf und andere bieten dafür Anschauungsmaterial, ist eine solche Klarheit oft nicht gegeben.

                      Extremismus? Welcher Extremismus?

                    • Ralf 8. Juli 2019, 20:31

                      Ohne Worte ob solcher Spinnereien. In Österreich war die FPÖ zweimal an der Macht, auch Ungarn und Polen veranstalten alle 4 Jahre frei und geheime Wahlen, in Griechenland ist gerade eine Regierung mit Rechtspopulisten gescheitert, Italien hat die Forza Italia überstanden ohne dass die Demokratie zerbrochen ist und in Frankreich regiert der RN zahlreiche Regionen, davon unter anderem das Elsass, ohne dass braune Horden durch die Straßen ziehen, Journalisten verhaften lassen und die ersten Konzentrationslager errichten.

                      Für „ohne Worte“ sind das dann doch eine ganze Menge Worte.

                      In Österreich war die FPÖ übrigens noch nie an der Macht, sondern lediglich der kleinere Partner in einer ÖVP-Regierung. Das selbe gilt für ANEL in Griechenland, wobei die griechischen Populisten so klein waren, dass sie meist lediglich einen einzigen Kabinettsposten besetzten. Ob in Frankreich der Front National regional stark ist, ist wenig relevant, solange die wirkliche Macht und Kontrolle bei der Zentralregierung in Paris liegt. Auch die NSDAP hat die Macht nicht durch den Erfolg bei der Landtagswahl in Lippe, sondern durch den Erfolg bei der Reichstagswahl errungen. Und in Polen und Ungarn gibt es keine unabhängige Justiz mehr. In weiten Teilen ist die Presse kontrolliert durch den Staat. Von einem Rechtsstaat oder einer Demokratie kann man nicht mehr reden.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2019, 22:24

                      Sie mischen wiederholt bunt alles durcheinander, um aus der ungenießbaren Suppe das Ihnen Genehme zu ziehen.

                      Sie schrieben davon, wenn die AfD (oder die LINKE) an die Macht käme. Keine Einschränkung. Nun justieren Sie gleich zweimal nach, was eine (wieder) eine ziemliche Volte ist. Erst monieren Sie, dass in den Gegenbeispielen Rechtspopulisten ja gar nicht alleine regierten. Die Forza in Italien haben Sie da schon unter den Tisch fallen lassen. So, und dann führen Sie (zweite Justierung) an, dass in Ungarn und Polen Rechtspopulisten die verfassungsrechtliche Ordnung verschoben hätten. Also nicht nur absolute Mehrheiten, sondern verfassungsändernde Mehrheit.

                      Zwischenfrage: mit was wollen Sie nun eigentlich diskutieren? Im Grunde gar nicht. Wenn Sie beispielgebend für die LINKE sind, kann einen nur Sorge befallen. In den letzten Tagen haben Sie politische Forderungen gestellt und Debatten geführt, die weder eine rechtliche Grundlage noch historische Beispiele hätten. Im luftleeren Raum nennt man das umgangssprachlich.

                      Ich möchte mir keine Regierung vorstellen, die sich nicht an Gesetze gebunden fühlt. In Deutschland gab es ein einziges Mal den Fall, dass eine Partei die absolute Mehrheit errang – in 70 Jahren. Niemals gab es den Fall, dass eine verfassungsändernde Mehrheit erreicht wurde. Doch nehmen wir mal diesen Extremfall an: Mir fallen auf Anhieb zwei Beispiele ein, wo dann die Parteien zumindest Gedankenspiele anstellten, Prinzipien zu verschieben. Das galt für die erste große Koalition von 1966-1969, wo erwogen wurde, das Mehrheitswahlrecht einzuführen. Und das war die Regierung Stoiber.

                      Es gilt, was ich schon vor Jahren über die PDS oft gesagt habe: unsere Verfassung und unsere Einbindung in internationale Institutionen ist so stabil, dass auch eine absolute Mehrheit der Linkspopulisten daran nichts ändern könnte. Überall würde eine Partei, die gegen diesen Rahmen verstoßen wolle, eingefangen und eingenordet. Mir ist klar, dass Sie als Verächter des Rechts damit nichts anfangen können.

                      Nehmen wir Ihre Position, so würde Deutschland bei einer absoluten Mehrheit der LINKEN aus der NATO ausgetreten sein und die Bundeswehr aufgelöst haben. Privateigentum wäre weitgehend abgelöst durch Gesellschaftseigentum, denn schon heute gibt es keinen nennenswerten Wirtschaftsbereich, wo die Partei mehrheitlich eine marktwirtschaftliche Ordnung befürwortet. Entweder wird Deutschland aus dem Euro ausgetreten sein, oder ein umfassendes, irreversibles Transfersystem nordeuropäischer Bonität und Vermögenswerte in den Süden umgesetzt haben. Breite Verarmung wäre die Folge, wie die Partei es in ihrer Vita ja schon einmal hinbekommen hat. Neoliberale Parteien würden genauso verboten wie alles, was irgendwie rechten Umtrieben verdächtig wäre. Und ansonsten würde die Partei vor allem mit sich selbst streiten, ob man nun für oder gegen etwas ist. Und Wege zum Sozialismus nebst Einführung der Diktatur würden nicht nur erprobt, sondern umgesetzt.

                      All das hat Fundament in Äußerungen, Positionen und Programmen der Partei. Ihre philosophischen Einschätzungen der AfD haben kein Fundament.

                    • Ralf 8. Juli 2019, 22:45

                      Privateigentum wäre weitgehend abgelöst durch Gesellschaftseigentum

                      Freie Erfindung. Das steht nirgendwo im Programm der LINKEN.

                      Und Wege zum Sozialismus nebst Einführung der Diktatur würden nicht nur erprobt, sondern umgesetzt.

                      Freie Erfindung. Und völliger Unsinn obendrein.

                      In Deutschland gab es ein einziges Mal den Fall, dass eine Partei die absolute Mehrheit errang

                      Auch die NSDAP hatte keine absolute Mehrheit. Es reichte der dominante Partner in der Regierungskoalition zu sein und (für eine kurze Übergangszeit) einen liberal-bürgerlichen Mehrheitsbeschaffer zu haben. Dann musste nur noch eine Krise inszeniert werden. Und die Demokratie mit all ihren Checks and Balances und ihrer Verfassung und all den staatlichen Organen und den Gewerkschaften und dem Rechtsstaat war Geschichte.

                    • Stefan Pietsch 8. Juli 2019, 22:58

                      Freie Erfindung. Das steht nirgendwo im Programm der LINKEN.

                      Fällt Ihnen tatsächlich ein wichtiger Wirtschaftsbereich ein, wo die LINKE nicht schon heute massive Eingriffe in den Markt befürwortet? In zahlreichen Märkten wurden und werden Verstaatlichungen gefordert, zuzüglich bei Erbschaften Unternehmen in Staatsbesitz zu überführen. Wie würde erst eine verfassungsändernde Mehrheit die Phantasie anregen? Zudem berufen sich heute zunehmend LINKE auf Artikel 15 Grundgesetz:

                      Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.

                      Der Artikel wurde geschaffen, um prinzipiell eine planwirtschaftliche Ordnung zu ermöglichen. Nur wer mit solchen Gedanken politisch spielt, beruft sich auf diesen Passus.

                    • Stefan Sasse 9. Juli 2019, 06:44

                      Du verschiebst die Maßstäbe dauernd. Du kannst nicht einfach irgendwelche wilden Behauptungen aufstellen („DIE LINKE WILL DAS PRIVATEIGENTUM ABSCHAFFEN“) und wenn man dich darauf hinweist, dass das Blödsinn ist, geht es plötzlich um „massive Eingriffe in den Markt“. Das ist einfach unsauberer Diskussionsstil.

                    • Ralf 9. Juli 2019, 06:33

                      Sie wechseln schon wieder das Thema.

                      Dass Ihnen die LINKE mit Ihren Inhalten politisch nicht schmeckt, ist bekannt. Dann wählen Sie eben jemand anderen. Aber nichts von dem, was Sie hier schreiben, lässt annehmen, dass die LINKE undemokratisch ist oder nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Das ist ein fundamentaler Unterschied zur AfD.

                    • Stefan Pietsch 9. Juli 2019, 07:02

                      Nein. Ralf hat losgelöst von jeder Programmatik angefangen Wirres zu behaupten. So würden unter Führung von Rechtspopulisten nur noch einmal Wahlen stattfinden und anschließend Journalisten ins Gefängnis geworfen. Er nahm dabei anscheinend auf die Nazidiktatur Bezug. Bei einer verfassungsändernden Mehrheit (??) der LINKEN dagegen würde in bisschen vom Programm abgearbeitet und gut wäre. Die SED hat natürlich regelmäßig Wahlen veranstaltet.

                      Das ist das Verschieben, was Du meinst. Ich halte solche Spielchen für Kinderkram, denn unsere Ordnung ist heute stabil und stark genug, Spinner eine Weile auszuhalten. Es ist das Recht, worauf Linke so wenig geben, das Stabilität verleiht.

                    • Stefan Pietsch 9. Juli 2019, 07:08

                      Aber nichts von dem, was Sie hier schreiben, lässt annehmen, dass die LINKE undemokratisch ist oder nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht.

                      Und genau das ist falsch. Nichts von dem, was Sie geschrieben haben, trifft auf die AfD zu. Warum unterstellen Sie eigentlich permanent, dass in der LINKEN grundsätzlich bessere Menschen beheimatet sind? Da sind so viele, die nachweislich einer Diktatur gehuldigt haben. Die werden nicht dadurch zu Demokraten, in dem man ihnen bei einer Ortsvereinssitzung kurz in die Augen schaut und sie fragt, ob sie sich zu Demokratie und Menschenrechten bekennen. Das hat sich die DDR-Führung übrigens auch.

                      Sie wollten zeigen, dass die AfD weit schlimmer ist als es die LINKE je sein könnte. Irgendetwas Fundamentales haben Sie da nicht gebracht, außer Zaubereien aus dem Köcher, was bei der Alternativen zulässig sei, bei der LINKEN jedoch nicht.

                      Ich denke, das bringt nichts.

                    • Ralf 9. Juli 2019, 08:04

                      Warum unterstellen Sie eigentlich permanent, dass in der LINKEN grundsätzlich bessere Menschen beheimatet sind?

                      Ich unterstelle den Menschen in der LINKEN überhaupt nichts. Das sind ganz normale Demokraten, genau wie die Mitglieder der meisten anderen Parteien.

                      Vom Feld der Demokraten hebt sich allerdings die AfD ab. Dort wird schon jetzt mit den Mitteln von Terror und Einschüchterung gearbeitet, man denke etwa an das Lehrermeldeportal. Dort tummeln sich aktive Neonazis. Wohin das führt, wissen wir aus der Geschichte. Und die Methoden, mit denen Rechtsradikale und Ultranationalisten regieren, können wir in Ungarn, in Polen, in der Türkei, in Russland und gegenwärtig in den USA bestaunen. Es kommt zum Abbau und Erschweren von Demokratie, zur Aushebelung oder Ersetzung unabhängiger Gerichte, zu Polizeigewalt, zur Gängelung, wenn nicht sogar zur staatlichen Kontrolle von Medien und Wissenschaft, zu Verhaftungen von Journalisten und zur Einschränkung der Meinungsfreiheit.

                      Zum Kontrast – es gibt ja nicht viele linke Regierungen – ist Alexis Tsipras in Athen gerade zurückgetreten, hat sich Neuwahlen gestellt, diese verloren und anschließend den Weg freigemacht mit einer Gratulation und Glückwünschen für den Wahlsieger. So wie Demokraten das eben machen.

                    • Stefan Sasse 9. Juli 2019, 09:33

                      Es gibt auch in den ostdeutschen Bundesländern bisher keine Indizien für deine Befürchtungen.

                    • Stefan Pietsch 9. Juli 2019, 10:12

                      Das sind ganz normale Demokraten, genau wie die Mitglieder der meisten anderen Parteien.

                      Nein, das sind keine normalen Demokraten:

                      „Aber wirkliche Demokratie gibt es im Kapitalismus so wenig wie in der DDR.

                      Entweder will Wagenknecht die auf Privateigentum beruhende Marktwirtschaft abschaffen, oder die Demokratie.

                      Wie viele Wege haben die Linken gefunden, die nicht funktionierten? Waren es 100 oder 1000? Es waren bestimmt nicht 10.000! Das ist genau das Problem! Wir sind zu oft mit dem Finger auf der Landkarte unterwegs. Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.
                      Gesine Lötzsch, Ex-Parteivorsitzende

                      Du kannst voller Stolz auf ein kampferfülltes Leben und erfolgreiches Wirken an der Spitze der kubanischen Revolution zurückblicken.
                      Glückwunschschreiben der Partei an Fidel Castro zu dessen 85. Geburtstag, das zudem Kuba als Vorbild lobte.

                      2011 geißelte ein Flugblatt der Partei Israel als „wahrer Schurkenstaat und Kriegstreiber“ und fordert Tretet der moralischen Erpressung durch den sogenannten Holocaust entgegen.“ Schlimmer hat man es auch im Stürmer nicht gelesen.
                      https://www.spiegel.de/politik/deutschland/antisemitisches-flugblatt-duisburger-linke-verbreitet-hetze-gegen-israel-a-759367.html

                      Wir wollen den Kapitalismus überwinden. Dabei ist für uns die Frage des Eigentums zentral. Wir wollen eine Wirtschaft, in der diejenigen, die den ganzen Reichtum erarbeiten, auch über seine Verwendung entscheiden. Das setzt voraus, dass in Kernbereichen nicht mehr kapitalistisches Eigentum dominiert, sondern öffentliches und Belegschaftseigentum.
                      Sahra Wagenknecht
                      https://www.ksta.de/wagenknecht–den-kapitalismus-ueberwinden–12276034

                      Es ist wohl hinreichend dokumentiert, dass bis hin in Spitzenpositionen der Partei viele nicht demokratisch absolut gefestigt sind.

                      Und dann werfen Sie munter durcheinander. Polen und Ungarn sind trotz allem Demokratien, über die Türkei und Russland kann man das nur bedingt sagen, vor allem sind es keine Rechtsstaaten. Sie brauchen sich nur die täglichen Ergüsse auf den Nachdenkseiten durchzuschauen, dann werden Sie zugestehen, dass maßgebliche Linke, Sympathisanten wie Parteimitglieder fast verliebt in Putin sind. Distanz ist da nicht. Das ist ja mein Mantra: AfD und LINKE nehmen sich da nichts, im Gegenteil. Beide Populisten-Gruppierungen haben ungefähr die gleiche Sympathie für Autokratien und Diktaturen.

                      Ausgerechnet aus dem Neuen Deutschland:
                      Autoritäre Tendenzen Maduros sehen viele Linke nicht, obwohl er zeitweise mit Dekreten regiert.
                      https://www.neues-deutschland.de/artikel/1059143.linkspartei-an-der-seite-maduros.html

                      Wie kommen Sie darauf, dass Leute, die so Autokraten verherrlichen, vor ähnlichen Schritten zurückschrecken würden, wenn man ihnen die Macht gäbe?

                      Ich bedaure, dass Tsipras abgewählt wurde. Er ist ein hochtalentierter Politiker, der sein Land in extrem schweren Zeiten geführt hat. Insgesamt hat er das wohl ganz gut gemacht. Doch dazu musste er vom Radikalen zum gemäßigten Realpolitiker werden. Wenn das Linkspopulisten können, warum nicht Rechtspopulisten?

                    • Ralf 9. Juli 2019, 19:09

                      Ihre Methode ist schon klar. Sie sammeln sich selektiv Zitate aus den letzten 15 Jahren zusammen, präsentieren sie ohne Kontext, unterstellen den Autoren stets die schlimmstmöglichen Motive, ignorieren jegliche andere Äußerungen, die die Partei zum Thema gemacht hat und wundern sich dann entrüstet über das negative Ergebnis.

                      Nach der „Methode Pietsch“ ließe sich auch z.B. die verfassungsmäßige Bedenklichkeit der SPD belegen. Da bräuchte man nur ein paar handausgewählte Zitate von früheren wichtigen SPD-Politikern. Also etwa … *sammel, sammel* … Franz Münteferings (wenn man ihn wörtlich nimmt zutiefst verfassungswidrigen) Satz „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ … *sammel, sammel* … Thilo Sarrazins Gefasel vom Judengen … *sammel, sammel* … Heinz Buschkowskys diskriminierende Aussage zum Kopftuch als Kampfinstrument des politischen Islam oder die pauschale Behauptung die „Unterschicht“ würde ihr Betreuungsgeld versaufen … *sammel, sammel* … vielleicht noch Gerhard Schröders Aussage Russland sei eine lupenreine Demokratie. Das Land fand er ja dann auch so schön, dass er sogar bei Gazprom anheuerte.

                      So, schon ist die SPD eine Gefahr für Grundgesetz und Rechtsstaat. Was natürlich Quatsch ist, denn man darf die Einschätzung einer Partei nicht an einer Handvoll Zitate messen. Und vor allem muss man sich ein Gesamtbild machen. Kommt es in der fraglichen Partei systematisch immer wieder zu bedenklichen Aussagen? Kommen solche Aussagen von einer kleinen lauten Minderheit oder sind diese Aussagen Mehrheitsposition? Ist objektiv ermittelt worden, was die Aussagen eigentlich bedeuten und wie sie verstanden werden? Viele Begriffe sind schwammig – „Sozialismus“ umfasst zum Beispiel die gesamte Breite zwischen den französischen Sozialdemokraten und den nordkoreanischen Betonkommunisten. Hat man die Aussagen fair und wohlwollend interpretiert?

                      Und wenn man diese Maßstäbe anlegt, löst sich jedes angebliche Demokratie-Problem der LINKEN in Luft auf. Das selbe gilt für die SPD. Und für die CDU. Und für die FDP. Und für die Grünen.

                      Und hier ist der fundamentale Unterschied zur AfD. Dort löst sich das Problem nämlich nicht auf. Die Partei agiert schon jetzt aggressiv und penetrant mit Methoden des Terrors und der Einschüchterung. Ich hatte Ihnen z.B. das Lehrerdiffamierungsportal genannt. Die Partei produziert auch laufend Ausfälle. Kaum eine Woche, in der kein AfD-Skandal bekannt wird. Da posaunt eine AfD-Truppe rechtsextremes Gedankengut heraus ausgerechnet in der KZ-Gedenkstätte in Ausschwitz und muss des Ortes verwiesen werden. Da erklärt der Vorsitzende die Nazi-Herrschaft, die über 50 Millionen Tote produziert hat, zum „Fliegenschiss“. Da faselt der Vorsitzende der Thüringer AfD von einem Mahnmal der Schande. In den Parlamenten, wo die AfD Eklat nach Eklat produziert, hat sich die Zahl der Ordnungsrufe vervielfacht. Da geht ein Björn Höcke Arm in Arm mit der Pegidaführung und weiteren AfD-Landeschefs und -Spitzenpolitikern auf eine Demonstration und trägt zum Spott gegen den Widerstand im Dritten Reich auch noch demonstrativ eine weiße Rose im Knopfloch. Da kommen immer wieder interne Chatprotokolle aus der Jugendorganisation der AfD zu Tage, wo man offen Hakenkreuze und NS-Propaganda austauscht. So weit, dass nun sogar der auf dem rechten Auge eigentlich blinde Verfassungsschutz darüber nachdenkt, die Partei zu überwachen. Da sind Figuren wie die der AfD nahestehende Erika Steinbach, die gegen Walter Lübcke hetzte, der dann ermordet wurde. Da werden zahllose Verbindungen zwischen AfD und NPD bekannt und zwischen AfD und Reichsbürgern. Dazu die nicht enden wollenden Parteispendenskandale. Ehemalige Parteimitglieder, die ausgetreten sind und die AfD kritisieren, berichten von Hetze und Morddrohungen. Einige stehen unter Polizeischutz. Erst letzte Woche blieb ein AfD-Politiker im bayrischen Landtag demonstrativ während des Gedenkakts für Walter Lübcke sitzen.

                      Es ist ganz gleich, wie fair und verständnisvoll Sie jede einzelne dieser Myriaden demokratie- und rechtsstaatsfeindlichen Verhaltens – und ich habe hier überhaupt nur die Spitze des Eisbergs aufgezählt – auslegen. Sie werden regelrecht erschlagen von der schieren Zahl an Vergehen. Und die Qualität der Vorfälle scheint auf einer nach oben offenen Skala zu verlaufen. Diese Partei ist so zementiert im rechtsextremen Spektrum, dass auch die AfD-freundlichste Analyse nur mit Erschrecken die offene Verfassungsfeindlichkeit der Truppe feststellen kann. Und der tiefbraune Flügel breitet sich immer weiter aus, während die wenigen noch verbliebenen „Bürgerlichen“ Schritt für Schritt die Partei verlassen. Die Gefahr, die von diesem Pack für unsere Demokratie ausgeht, kann garnicht überschätzt werden. Alldieweil im Osten auch bereits langsam die Schranken für Hürden vor Koalitionen mit der CDU abgebaut werden. Schon fühlen die ersten prominenten CDU-Politiker vor. So ist die NSDAP damals auch an die Macht gekommen. Mit einem liberal-konservativen Steigbügelhalter. Und dann gnade uns Gott.

                    • Stefan Pietsch 9. Juli 2019, 19:50

                      Es sind Zitate der wichtigsten Parteirepräsentanten. Und nein, das gibt es so nicht bei anderen Parteien, genauso wenig wie das regelmäßige Huldigen an Autokraten und Diktatoren. Hätte ich andere genommen, hätten Sie mir das auch vorgeworfen. Ein paar Quartalsirre gibt es halt immer. Doch Partei- und Fraktionsvorsitzende als Quartalsirre?

                      Auf linken Plattformen werden die Adressen von AfD-Politikern veröffentlicht, auch nicht die feine Art. Der Punkt ist nicht, dass ich solche Dinge verharmlosen, will. Ich wehre mich nur gegen diese versuchte Weißwaschung der LINKEN.

                      Die Bezeichnung „Fliegenschiss“ ist, wenn Sie das schon als schon mit den Wegen zum Kommunismus gleichsetzen, weder in irgendeiner Form justiziabel, noch beleidigend noch ein politisches Ziel. Es ist eine historische Verharmlosung, vielleicht vergleichbar mit, dass Kuba ein Vorbild sei.

                      Ich hatte eingangs behauptet, wenn die LINKEN die absolute oder verfassungsändernde Mehrheit bekämen, wäre die breite Abschaffung von Privateigentum denkbar. Das hat schließlich nicht irgendwer, sondern die von Ihnen geschätzte Sahra Wagenknecht gefordert.

                      Es wird nicht dazu kommen. Nicht, weil ich die Vernunft in der LINKEN entsprechend hoch einschätze, sondern weil unser Rechtssystem und unsere Einbettung in die EU-Institutionen das verhindern würde. Aber die LINKE kann schon heute mit ihren blödsinnigen Äußerungen zu Enteignungen ziemlichen Schaden anrichten. Die Bereitschaft zum Bauen wird jedenfalls so in Berlin nicht angeregt. Welchen Schaden verursacht die Partei erst, würde sie Teil einer Bundesregierung? Man möchte es sich nicht ausmalen. Diese Menge an Quartalsirren könnte für das Land zuviel sein.

                      Als die LINKE 2013 zur größten Oppositionspartei avancierte, mahnte Gregor Gysi, die Fraktion müsse sich professionalisieren und disziplinieren. Am Ende waren weder er noch der Wähler besonders von der innerparteilichen Disziplin der Partei begeistert.

                      AfD und LINKE fischen wie auch in anderen Ländern größtenteils im gleichen Wählerteich. Wähler, die Autokraten schätzen. Warum sollten die Repräsentanten edler sein?

                      Erinnern Sie sich noch an den Göttinger Parteitag? Gregor Gysi sprach danach von offenem Hass zwischen den Parteiflügeln. Sind die Leute besser geworden?

                      Sie setzen die AfD in Kontext zum Mord an den CDU-Politiker Walter Lübcke. Aber hat die LINKE nicht beim AfD-Politiker Frank Magnitz ähnliches auf dem Kerbholz, auch wenn es dort nicht zu einem Mord gekommen ist?

                      Ich würde das gerne an dieser Stelle beenden, denn ich fühle mich nicht wohl bei solchen Vergleichen. Quintessenz ist für mich, dass die LINKE ebenfalls nicht über jeden demokratischen und rechtsstaatlichen Zweifel erhaben ist. Nicht ohne Grund werden und werden einzelne Mitglieder und Gruppen vom Verfassungsschutz beobachtet. Es gibt genügend Parteien, die nicht so am Rand sortiert sind, deswegen empfiehlt sich Distanz zu solchen Parteien.

                    • Stefan Sasse 9. Juli 2019, 19:57

                      Sie setzen die AfD in Kontext zum Mord an den CDU-Politiker Walter Lübcke. Aber hat die LINKE nicht beim AfD-Politiker Frank Magnitz ähnliches auf dem Kerbholz, auch wenn es dort nicht zu einem Mord gekommen ist?

                      Nein.

                    • Ralf 9. Juli 2019, 20:08

                      Auf linken Plattformen werden die Adressen von AfD-Politikern veröffentlicht, auch nicht die feine Art. Der Punkt ist nicht, dass ich solche Dinge verharmlosen, will. Ich wehre mich nur gegen diese versuchte Weißwaschung der LINKEN.

                      Auf linken Plattformen oder auf Plattformen der LINKEN?

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