Erdogan diskutiert ehrliche Sprachprobleme mit Merkel, Nahles, Trump und Merz – Vermischtes 14.12.2018

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Trump on the coming debt crisis: „I won’t be here when it blows up“

Since the 2016 presidential campaign, Donald Trump’s aides and advisers have tried to convince him of the importance of tackling the national debt. Sources close to the president say he has repeatedly shrugged it off, implying that he doesn’t have to worry about the money owed to America’s creditors—currently about $21 trillion—because he won’t be around to shoulder the blame when it becomes even more untenable. The friction came to a head in early 2017 when senior officials offered Trump charts and graphics laying out the numbers and showing a “hockey stick” spike in the national debt in the not-too-distant future. In response, Trump noted that the data suggested the debt would reach a critical mass only after his possible second term in office. “Yeah, but I won’t be here,” the president bluntly said, according to a source who was in the room when Trump made this comment during discussions on the debt.[…] “But there’s no doubt this administration and this Congress need to address spending because we have out-of-control entitlement programs,” Short said, adding, “it’s fair to say that… the president would be skeptical of anyone who claims that they would know exactly when a [debt] crisis really comes home to roost.” […] But Gidley also passed the buck to the legislative branch. “While the president has and will continue to do everything in his power to rein in Washington’s out-of-control spending,” he said, “the Constitution gives Congress the power of the purse and it’s time for them to work with this president to reduce the debt.” (Asawin Suebsaeng/Lachlan Markay, The Daily Beast)

Die Ehrlichkeit Trumps in solchen Fällen ist ebenso verblüffend wie die Tatsache, dass es niemanden sonderlich zu interessieren scheint. Ich mache dafür auch den ständigen Polit-Zynismus verantwortlich. Wir sind alle so gewöhnt, dass jeder der Meinung ist, Politiker lügen eh (was überhaupt nicht stimmt), dass die echten Lügner da völlig aus dem Raster fallen. Trump ist natürlich ein extremer Fall, aber die Rechtspopulisten benutzen dieses Muster weltweit. Einfach krasse Behauptungen aufstellen und später wieder ignorieren; im Zeitalter von Post-Truth-Politics stört das eh keinen, am allerwenigsten die eigenen Anhänger, die das wahrscheinlich wieder als Ausdruck von „Stärke“ nehmen.

In dem Fall ist das besonders absurd, weil Trump mit der Missachtung des Defizit-Bullshits ja sogar Recht hat. Wir werden auf das Thema dieser Tage angesichts des Wechsels von Paul Ryan in die wohl dotierten Vorstandsetagen noch mehrfach zurückkommen, aber die Konservativen reden zwar immer davon, dass man den Haushalt ausgleichen müsse, aber die einzigen, die in den letzten 20 Jahren den Haushalt ausgeglichen haben, waren Democrats. Der einzige Dank, den sie je dafür erhalten haben, ist das beständige Abrollen des Klischees, sie würden nur Geld ausgegeben, während selbst nach unzähligen Lügen immer noch jeder den Konservativen glaubt, wenn sie mit Krokodilstränen das Defizit bejammern und Kürzungen im Sozialstaat fordern. Das Pack lügt, aber das dringt einfach nicht durch.

2) Das Prinzip Verleumdung

Sinan Selen hat eine der ungewöhnlichsten deutschen Beamtenkarrieren hinter und vor sich. Geboren wurde er in Istanbul, aufgewachsen ist er in Köln. Er studierte Jura, war für den Personenschutz von Kanzler Gerhard Schröder und Innenminister Otto Schily zuständig und jagte beim Bundeskriminalamt Terroristen. […] Der frühere Journalist und heutige Verschwörungstheoretiker Oliver Janich hat auf YouTube ein Video gepostet, in dem er behauptet, Selen bekomme „seinen Job auf Wunsch der türkischen Regierung“. Darunter finden sich etliche Kommentare: „Nur noch im Suff zu ertragen.“ Oder: „Wir Deutschen, wir echten Deutschen, sollen ausgemerzt werden. Unsere Vernichtung ist beschlossene Sache.“ Und schließlich: „Es fühlt sich scheußlich an, wenn die eigene Heimat zur Todesfalle wird.“ Selen war beim BKA in der Abteilung Staatsschutz, er diente in der Sonderkommission, die nach dem 11. September 2001 die Spuren der deutschen Todespiloten ermittelte. 2006 bekam er den Auftrag, die Suche nach den Attentätern zu leiten, die zwei Kofferbomben in Regionalzügen in Köln und Koblenz platziert hatten. Der Leitende Polizeidirektor a.D hat ziemlich viel dafür getan, dass dieses Land nicht zur „Todesfalle“ wird. Dass er im Bundesinnenministerium als Referatsleiter auch für die Zusammenarbeit mit den türkischen Sicherheitsbehörden zuständig war, hat dazu geführt, dass Selen obendrein nun auch von links attackiert wird. Seine Ernennung sei eine „Hiobsbotschaft“ für alle Linken türkisch-kurdischer Herkunft, schreibt etwa die linke Tageszeitung „Junge Welt“. […] Schaut man sich an, wer sich alles über Selen auslässt, fällt ein Name auf. Es ist der von Johannes Huber, stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD im bayerischen Freising-Pfaffenhofen und Bundestagsabgeordneter. Er postete auf Facebook eine Montage, sie zeigt ein Hotel in der Türkei, das Logo von TUI und in dicken Buchstaben die eigentliche Botschaft: „Muslim wird neuer Verfassungsschutz-Vize der BRD.“ […] Wie also kommt Huber zu seiner Behauptung? Ihm scheint die Frage unangenehm, er klingt verunsichert am Telefon. Ob man denn nicht wisse, dass er den Post bereits gelöscht habe. Ja, aber wie er überhaupt darauf gekommen sei, dass Selen Muslim sei. „Wieso ist das nicht richtig?“, fragt Huber zurück. „Woher wollen Sie das wissen?“ Leider könne er nicht mehr „im Detail nachvollziehen, ob ich es wusste oder vermutete“. Drei Mal poste er am Tag und manchmal täten dies auch seine Mitarbeiter. Für ihn sei die Sache erledigt. (Georg Mascolo, Tagesschau)

Die vollkommene Ahnungslosigkeit, die diese Leute umgibt, ist neben ihrem offensichtlichen Hass das Ärgerlichste an ihnen. Ohne sich auch nur die Mühe zu machen, das kleinste bisschen zu recherchieren, werden einfach irgendwelche ausländerfeindlichen Klischees abgerollt. Türke? Muss ja von Erdogan gesteuert sein. So sind sie, die Türken, wie halt auch alle Deutschen von Merkel…oh, Moment. Und wo rechtspopulistische Kacke ist, finden sich wie in diesen Tagen so oft die Extremen von der Linken. Da wird dann, wohl im Geist des Internationalismus, auch gleich das große Stück der Ethnienkunde gefahren. Die Geburt als Schicksal, das kannst dir nicht ausdenken. Den Vogel schießt natürlich wieder die AfD ab. Wissen, vermuten, wo liegt schon der Unterschied, wenn man ein bisschen hetzen kann?

3) The lame-duck power grab

The peaceful uncontested transfer of power is the cornerstone of representative democracy—the critical moment where we see if political actors have embraced the spirit of cooperation and adherence to the rules that make self-government possible. There are laws for how we accomplish the orderly transfer of power, but the moment itself, the choice of a party or politician to honor to the will of the voters, is an act of democratic faith—a statement of belief in the American idea. It’s why Donald Trump earned wide condemnation when he hinted, during the 2016 election, that he would not concede the election in the event of a loss to Hillary Clinton. To reject the outcome of a fair election is to directly undermine the entire democratic project. Republicans in Michigan, Wisconsin, and North Carolina haven’t gone as far as to challenge the results of their respective elections, but their actions, which serve to hamstring the incoming body of duly elected officials, are movement in that direction. In national politics, Republican lawmakers are openly questioning the legitimacy of the Democratic House of Representatives victory, casting ordinary acts—the counting of ballots—as potentially insidious. Indeed, much of the Republican Party has already embraced voter suppression, extreme gerrymandering, and other methods to preserve legislative majorities in the face of popular opposition. The lame-duck power grab is just a natural next step. For all the attention on Donald Trump as a threat to American democracy, it’s these actions—from ordinary, almost anonymous, Republican politicians, uncontested by anyone of influence in the party—that are much more ominous. It’s one thing to jockey for partisan advantage, it’s something much more dangerous to treat democracy like a game of Calvinball, where the rules only count when they suit your interests. (Jamelle Bouie, Slate)

Das größte Problem ist hoffentlich kein Streit mehr um die Frage, ob die Republicans eine demokratische Partei sind. Sie sind es nicht. Das größte Problem ist, wie man dem entgegentreten soll. Sollen die Democrats es ihnen mit gleicher Münze heimzahlen und anfangen, sie institutionell zu bekriegen, oder sollen sie die andere Wange hinhalten und die Normen der Demokratie aufrechterhalten, auch wenn es sie massiv kostet und die andere Seite nicht reziprokiert? Die Antwort ist nicht einfach. Demokratien gehen unter, wenn ihre Normen zerstört werden. Und das passiert höchstwahrscheinlich, wenn die Democrats zurückschlagen. Es ist zwar möglich, dass die GOP dann zur Besinnung kommt, aber ich halte es nicht für wahrscheinlich. Stattdessen droht eine Eskalationsspirale. Aber auf der anderen Seite ist ein Halten des High Grounds zwar löblich, aber auch eine Partei alleine kann die Demokratie auf diese Art zerstören. Dass die SPD sich stets an die demokratischen Normen und Spielregeln gehalten hat war zwischen 1930 und 1933 schließlich auch nicht der ausschlaggebende Faktor im Untergang der Republik. Die Frage bleibt ungeheuer schwierig und wird mich hier im Blog sicherlich noch eine Weile beschäftigen. Wie so oft darf dies gerne als Aufruf zur Diskussion verstanden werden.

4) Merz’sche Steuerversprechen

Merz’grundsätzliche Idee bestand darin, die meisten Steuervergünstigungen, Ausnahmen, Freibeträge abzuschaffen und den allmählich ansteigenden Steuertarif durch drei klare Stufen zu ersetzen: 12 Prozent Einkommensteuer bis 16.000 Euro, 24 Prozent bis 40.000 Euro, darüber 36 Prozent. Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin rechnete damals aus, was das bedeutete. Etwa zwei Drittel der bundesdeutschen Steuerzahler*innen, 20 Millionen Bürger*innen, hätten weniger Abgaben entrichtet als vorher. Leute mit kleinen Einkommen sparten ein paar hundert Euro pro Jahr, Haushalte mit mittleren und höheren Gehältern (bis 250.000) dagegen einige tausend Euro – eine soziale Unwucht. Zusätzliche Belastungen wären auch auf Arbeitnehmer*innen zugekommen, weil beispielsweise die Freibeträge für Feiertags- und Nachtzuschläge weggefallen wären. Reiche Haushalte ab 500.000 Euro hätten allerdings mehr Steuern zahlen müssen. Eine andere Schlagseite des Modells: massive Einnahmeausfällen zu Lasten des Staates. Auf bis zu 28 Milliarden Euro jährlich hätten die Finanzminister verzichten müssen. Die potenzielle Einbuße im Bundeshaushalt betrug etwa fünf Prozent aller Ausgaben. Öffentliche Aufwendungen für Bildung, Polizei oder Straßenbau standen zur Disposition. Auf ein solides Konzept der Gegenfinanzierung hatte Merz verzichtet. […] Auf dem politischen Markt ist eine radikale Steuerreformen derzeit jedenfalls nicht. Eher in der Diskussion sind kleine Änderungen wie die Abschaffung des Solidaritätsbeitrages. Auch unterscheidet sich die öffentliche Stimmung von 2003. Wegen der guten Wirtschaftslage profitiert der größte Teil der Bürger*innen jetzt von steigenden Verdiensten. Steuersenkungen sind nicht so relevant. Außerdem begrüßen viele, dass der Staat endlich mal wieder Geld ausgeben kann, um Schulen zu renovieren, Lehrer*innen und Polizist*innen einzustellen. Und die CDU erinnert sich daran, dass sie im Bundestagswahlkampf 2005 mit einem Merz-mäßigen Steuerkonzept – der Urheber hieß Paul Kirchhof – ziemlich baden ging. (Hannes Koch, taz)

Die Merz’schen Steuerversprechungen zeigen ein typisches Schema konservativer Reformideen: da werden Steuerkürzungen vorgeschlagen, die aus politischen Gründen zwar irgendwie alle betreffen, aber deren Löwenanteil bei den oberen paar Prozent rauskommt. Nun klingen Steuerentlastungen zwar immer erst einmal toll – wer will nicht weniger Steuern zahlen? – aber stoßen in diesen Zeiten völlig zu Recht auf wenig Gegenliebe in der breiten arbeitenden Bevölkerung. Was diese konservativen Reformvorschläge gemeinsam haben: Nie haben sie eine Gegenfinanzierung. Die kommt immer irgendwann später, vielleicht. Üblicherweise werden Leistungen gekürzt und, wesentlich häufiger, Schulden aufgenommen – über die man sich dann später wortreich beklagt. Die Linken kündigen wenigstens von Anfang an Steuererhöhungen an.

Dieser immer gleiche Unfug kann natürlich von konservativer Seite auch deswegen so abgezogen werden, weil CDU und FDP in Deutschland und andere konservative Parteien in anderen Ländern dieses Thema im Endeffekt besitzen. Stefan Pietsch hat ja recht, wenn er beklagt, dass dieses Thema von links praktisch keine Rolle spielt. Deswegen ist es auch ein totes Thema. Linke diskutieren es gar nicht, und Rechte verlogen und selbstreferenziell. Auf diese Art und Weise bleibt die „Vereinfachung des Steuersystems“ ein Evergreen, ähnlich wie „soziale Gerechtigkeit“: Keiner stellt sich dagegen, jeder findet es im Prinzip gut, praktisch jeder findet jeden konkreten Reformvorschlag schlecht, und in Reden wird es konstant beschworen ohne dass etwas passiert. Und, genauso wie bei sozialer Gerechtigkeit auch, ist völlig unklar, ob das Steuersystem politisch gesehen überhaupt substanziell vereinfacht werden KANN.

5) „Liberalität musste Merkel immer abgenötigt werden“ (Interview mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger)

Was hat Merkel über die vergangenen Jahrzehnte beibehalten?

Eigentlich nur die Arbeitsweise, die mir immer sehr entgegen kam. Merkel geht mit gutem Selbstbewusstsein an Aufgaben heran. Sie informiert sich umfassend, lässt sich von Fachleuten informieren. Erst dann, wenn sie über großes Wissen verfügt, entscheidet sie. Sie macht das alles nicht arrogant oder hochnäsig, sondern eher nüchtern, lösungsorientiert und der Sache verpflichtet. Aber Merkel ist durchaus auch jenseits von Expertenmeinungen und Statistiken zugänglich. Vor allem zeigt sich das im kleinen Kreis, wenn sie mit Menschen beisammen ist, denen sie vertraut. Dann zeigt sich auch ihr feiner, hintersinniger Humor besonders schön.

Die CDU ist unter Merkel politisch in die Mitte gerückt, manche Stimmen sprechen sogar von einer „Sozialdemokratisierung“. Aber hat sie ihre Partei auch liberalisiert?

Wirtschaftspolitisch hat sie es versucht, man denke nur an den Leipziger Parteitag 2004. Im Folgejahr hat sie die Bundestagswahl fast verloren. Aber eine gesellschaftspolitische „Sozialdemokratisierung“ kann ich nicht ausmachen, die CDU ist ja keine linke Partei geworden. Gesellschaftspolitisch ist sie unter Merkel offener und moderner geworden, wichtig war auch, dass sie ihre Partei in mehrere Richtungen koalitionsfähig gemacht hat. Aber in vielen anderen Bereichen zeigte sich, dass die CDU eben doch nicht so liberal ist.

Welche Bereiche meinen Sie?

Drei Beispiele: Mit Law-and-Order-Projekten wie etwa der Vorratsdatenspeicherung war Merkel immer voll und ganz einverstanden. Ein nötiges Einwanderungsgesetz bekommen wir erst jetzt unter einem CSU-Innenminister, weil es nicht mehr argumentativ verhindert werden kann. Dann die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften: Als Koalitionspartner wollte die FDP viel mehr erreichen, aber mit Merkel und der Union war das in den Jahren 2009 bis 2013 nicht zu machen. Wesentliche Schritte sind ja dann später gekommen, aber immer nur durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Liberalität mussten Merkel und der CDU doch eher abgenötigt werden. (Oliver Das Gupta, Süddeutsche Zeitung)

Die Beobachtungen Leutheusser-Schnarrenbergers hier sind mehr als relevant. Die CDU unter Merkel ist, was die CDU eigentlich immer war: eine konservative Volkspartei der Mitte. Die NachDenkSeiten hatten durchaus Recht, das Narrativ von der „Sozialdemokratisierung“ der CDU stets anzugreifen. Es war zwar griffig, aber analytisch nutzlos. Und wenn man etwa an die Große Koalition 2005-2009 zurückdenkt, war da auch nicht viel mit Liberalität. Schäuble als Innenminister kann einem ja heute noch Angstschweiß auf die Stirn treiben.

Liberalität, um zur anderen weitsichtigen Beobachtung Leutheusser-Schnarrenbergers zu kommen, wird auch der neuen Vorsitzenden abgenötigt werden müssen. Die CDU wird vor allem durch zwei Faktoren zur Liberalität gezwungen: Einerseits durch ihre Koalitionspartner, ohne die sie auch weiterhin nicht auskommen wird (da der Bundesparteitag wohl ein Kooperationsverbot mit der AfD beschließen wird), und anderer seits durch die Bevölkerung. Denn die Natur der CDU als Partei der Mitte sorgte mehr als Merkel oder irgendjemand anders in den letzten 13 Jahren dafür, dass die CDU im Vergleich zu den Zeiten Kohls heute als liberaler wirkt. Wir sehen hier übrigens auch einmal mehr, dass es Quatsch ist, sie als „links“ oder „sozialdemokratich“ zu qualifizieren, selbst mit einer Lokalpräposition („nach X gerückt“). Ein Norbert Blüm etwa wettert ja nicht umsonst seit Jahren gegen Windmühlen an. Es ist halt etwas komplizierter, als es die Schlagworte häufig deutlich machen.

6) The Neill deGrace Tyson and the carreers that weren’t

What the summaries can miss—and what many of the write-ups of the matter, far beyond the blunt demands of the headline, can miss as well—is the fact that the claims in question are not, actually, just about sexual misconduct. The women who have come forward to share stories about Neil deGrasse Tyson have also been talking about a related, but different, indignity: the harm that the alleged misconduct has done to their careers. They are talking, in that, about something Americans haven’t been terribly good at talking about, even in the age of #MeToo: the radiating damage that sexual abuse can inflict on women’s professional lives. The smothered ambitions. The seeded self-doubts. The notion that careers can experience trauma, too. […] Today, Amet talks about the ongoing effects the alleged rape has had on her body, on her mind, on her capacity to maintain relationships with other people. But her accusation extends beyond that: Amet also alleges that Tyson’s behavior led her to leave the graduate program she had worked so hard to be admitted to, and thus to stop nurturing aspirations of becoming an astrophysicist, and thus to give up her dream of becoming the first black woman astronaut. This is how Amet, addressing Tyson from the distance of diverged paths, put it in a blog post in 2014: “How does it feel to know that YOU are the reason there is one less black female galactic astronomer on this planet? Yes, YOU.” Ashley Watson—who served as Tyson’s driver and later as his assistant when his TV show, Cosmos, was filming in New Mexico—similarly frames Tyson’s alleged sexual impropriety as a matter of professional harm. As the months-long shoot came to its close, she has said, Tyson invited her to join him in his apartment for a bottle of wine; Watson, thinking he might use the occasion to offer her a job on another Cosmos shoot, accepted. (A glass of wine, though, she said.) In his apartment, Watson says, Tyson removed his shirt, began quoting the Nina Simone songs he started playing (“Do I make you quiver?”), and began confessing to her about his need for “release.” Tyson told her as well, Watson says, “I want to hug you so bad right now, but I know that if I do, I’ll just want more.” (Megan Garber, The Atlantic)

Der nächste Fall im sich beständig weitenden #MeToo-Skandal. Ich halte zwei Sachverhalte für wert, festgehalten zu werden. Das eine ist ein Muster in diesen Fällen: es geht jedes Mal um einen Missbrauch von Autorität. Ich glaube, dass viel damit zu tun hat. Es ist letztlich eine Frage von Manieren und Umgangsformen, was ja auch schon den deutschen Prototyp dieses Skandals damals um Brüderle unterlegt hat. Zu glauben, eine hervorgehobene Stellung sei mit einem freien Ausleben der eigenen Sexualität verbunden, ist bei Männern wohl weit verbreitet. Im Fall deGrasse Tysons ist dies besonders augenscheinlich. Die Einladung zum Wein kann kaum ausgeschlagen werden und hätte schon gar nicht ausgesprochen werden sollen, und von dem was dann laut der Anschuldigung folgte gilt dasselbe. Es ist ein offenkundiges Ausnutzen der eigenen Machtposition; ein Beherrschen des Raumes, in dem man sich befindet und quasi eine Deklarierung dieses Raums als Privatgebiet.

Und daraus folgt die zweite Beobachtung, die diese Skandale unterlegt: es geht um Karrieren. Die Frauen, die in diesen Fällen Opfer sind, geraten in diese Situationen, weil sie von ihre Autorität missbrauchenden Vorgesetzten in unmögliche Positionen gedrängt werden. Eine Ablehnung dieser sozialen Annäherungsversuche (Einladung zum Wein, zum Scherzen zu zweit, was auch immer) kann sehr schnell Probleme mit dem jeweiligen Vorgesetzten verursachen, die die eigene Karriere behindern. Und wie man an der Reaktion deGrasse Tysons auf ihre ultimative Ablehnung sehen kann, ist diese Furcht auch nicht unbegründet.

Die logische Reaktion kann dann auch nicht die Diskriminierung von Frauen sein, wie sie etwa Mike Pence betreibt. Stattdessen ist es an der Zeit, dass es endlich mit diesen Männlichkeitskonzepten aufhört. Wenn Vorgesetzte sich professionell verhalten würden und Anstandsregeln einhalten, wäre das kein Problem. Frauen bekommen das ja auch hin. Und falls es jetzt einem Kommentator in den Fingern juckt zu schreiben, dass das halt so die männliche Natur sei, dann drängt sich da die Schlussfolgerung auf, dass Männer für Führungspositionen wohl einfach emotional nicht geeignet sind. Aber daran glaube ich nicht. Ich glaube, dass es sehr bequem ist, ständig Entschuldigungen zu finden und sich nicht ändern zu müssen. Deswegen ist #MeToo auch so wichtig.

7) Wofür gibt es die SPD?

Die Bedeutung des Marxismus für die frühe Sozialdemokratie darf dabei nicht unterschätzt werden. Es ist vielfach beschrieben worden, dass er den Arbeitern als „Religionsersatz“ diente. Der feste Glaube an die Revolution, die unweigerlich und notwendig irgendwann kommen würde, verlieh Hoffnung, Halt und Sinn im oftmals trüben Alltag des Industrieproletariats. Die Formulierung von gemeinsamen „Glaubenssätzen“ war es erst, die aus der Sozialdemokratie eine Massenbewegung machte. Sie trug entscheidend zur Etablierung einer spezifischen Arbeiterkultur, eines gemeinsamen Ethos und einer weitgehend unwidersprochenen Gruppen- und Klassensolidarität bei, die sich bis weit in unsere Gegenwart erhalten konnte. Auch wenn der Marxismus, so wie „die letzten Dinge“ allgemein, in Godesberg aus der offiziellen Programmatik entfernt wurde, so konnten sich spezifische Traditionsbestände, nicht zuletzt was Rhetorik und Kultur angeht, noch lange halten – bis etwa zum Wahlsieg 1998 und dem Projekt der Neuen Mitte. Traditionsbestände, die auf erloschenen Grundlagen basieren, sind irgendwann aufgebraucht. Sie erscheinen dann künstlich, manchmal fast peinlich, und entfalten schließlich keine integrierende Wirkung mehr. Die SPD hat es aber in all den Jahren versäumt, ihre Sinnbestände wieder aufzufüllen und einen Ersatz für das Fernziel der Revolution und der klassenlosen Gesellschaft zu formulieren. Lange Zeit hat sie Herz und Verstand bedient. Heute hat sie sich dem reinen Pragmatismus verschrieben. Ohne mittel- und langfristige Vision ist sie zum Reparaturbetrieb des Bestehenden geworden. Erkennbar reicht das nicht, um gesellschaftliche Mehrheiten zu generieren. Der offizielle Erneuerungsprozess der Partei beschränkt sich bislang auf Oberflächenkosmetik. Im Regierungshandeln soll jetzt ein „Fahrplan“ definiert werden, der Themen herausstellt und mit Deadlines versieht. Es ist wohl nicht gewagt zu behaupten, dass dieses Vorgehen keine grundlegende Wende bringen wird. Gefragt ist also ein neues Leitbild, damit die SPD nicht zum Opfer ihres eigenen Erfolges wird. Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen: Wie wäre es mit einer ökologisch nachhaltigen Postarbeitsgesellschaft mit sozial gestalteter Digitalisierung in einem vereinten Europa, die den Wachstumsgedanken ganz neu definiert? Auf dem Weg zu diesem Fernziel sollte doch einiges möglich sein. (Karl Adam, Starke Meinungen) – Danke an J. S. für den Link.

Zu all den Thesen, woran der Niedergang der SPD festzumachen ist, gehört der Mangel an einer Vision mit Sicherheit zu den erklärungsmächtigsten. Schließlich können nicht einmal die eigenen Spitzenkandidaten eine überzeugende Antwort darauf geben, welche Rolle die SPD künftig eigentlich spielen soll. Wer ist die anvisierte Wählerschaft? Wie soll Deutschland in 10 Jahren aussehen? Und so weiter. Das alles ist bei der Partei völlig unklar. Bei den anderen geht das recht einfach. Die CDU – so wie jetzt. Die Grünen – so wie jetzt, aber grüner. Die FDP – so wie jetzt, aber mit weniger Steuern. Die LINKE – komplett anders, viel gleicher, gerechter und solidarischer. Die AfD – so wie jetzt, nur ohne Ausländer und Gleichberechtigung. Aber die SPD? Unklar.

8) Wie die SPD ihre Sprache vernachlässigt

Das größte Problem ist aus Sicht von Juso-Chef Kühnert, dass die Begriffe, die die SPD verwendet, oft zu kompliziert seien. Er nennt das Beispiel „doppelte Haltelinie“ bei der Rente. Gemeint ist damit, dass das Rentenniveau 48 Prozent nicht unterschreiten darf und der Beitragssatz bei 20 Prozent gedeckelt wird. Aber wer wisse das schon? „Das erschließt sich einfach nicht. Dabei ist Rente für die SPD eines der wichtigsten Themen, um eine Abgrenzung von der Union hinzubekommen“, sagt Kühnert. „Die SPD verwendet häufig bürokratische, technokratische und fachsprachliche Worte, von denen kaum ein Bürger weiß, was dahinter steht“, sagt auch der Marburger Linguist Heiko Girnth.  […] Zwar tue sich mit dem Prägen von Begriffen das gesamte linke Lager tendenziell schwer, sagt der Berliner Politikberater Johannes Hillje. „Aber die Grünen machen sich zumindest schon lange intensiv Gedanken darüber.“ Das sehe man etwa daran, dass sie häufiger von einer „Klimakrise“ sprechen, als vom „Klimawandel“, da Wandel zumindest im linken Lager positiv konnotiert sei. Die Linke sei wiederum gut darin, pointiert Feindbilder zu benennen – etwa die „Großbanken“ oder die „Großkonzerne“. […] „Aber damit ein Frame sich festsetzt, muss man ihn konsequent benutzen.“ Hillje glaubt, dass es helfen würde, wenn die SPD einen Framing-Experten anstellen würde, der von Beginn an mitarbeitet an der Formulierung von Politikvorhaben. Vielleicht haben die Probleme mit dem Framing auch tieferliegende Gründe. Der Politikberater und Werbetexter Frank Stauss hat viele SPD-Wahlkämpfe begleitet. Er gibt zu bedenken, dass das klare Herausbilden von Sprache erst einmal „eine gewisse Klarheit in der Programmatik“ voraussetze. Daran arbeite die SPD derzeit. Er erinnert sich vor allem an ein Positivbeispiel aus den vergangenen Jahren: den Begriff „Bürgerversicherung“. „Das ist ein Wort, das die Gegner von Vornherein in Bedrängnis gebracht hat und gleichzeitig ein werbendes Wort für das eigene Vorhaben war.“ (Maria Fiedler, Tagesspiegel) – Danke an J. S. für den Link

Passend zu Fundstück 7 haben wir dieses Problem. Anders als der generelle Mangel an einer Vision ist das ein hausgemachtes Problem. Die SPD ist einfach ungeheuer schlecht im Wahlkampf. Das Ausmaß des taktischen Versagens der Partei, das anders als das strategische Versagen wirklich komplett in ihrer Macht liegt, ist einfach unglaublich. Absolute Grundkonzepte politischen Handelns werden offensichtlich nicht verstanden. Der Artikel oben ist länger und geht viel mehr ins Detail, ich empfehle ihn grundsätzlich.

Ich muss beim Thema Wahlkampf und SPD auch immer an die Lektüre von Markus Feldenkirchens Schulz-Story denken, wo das ganze Ausmaß der Amateurhaftigkeit, Ziellosigkeit und schlichtweg Inkompetenz der gesamten Wahlkampfsstruktur überdeutlich wurde. Aber, und da sind wir wieder bei Fundstück 7, eine klare Programmatik ist halt auch notwendig, um eine klare Sprache zu haben. Ich muss ja in Narrativen und Begriffen denken und sprechen, und wenn diese kein Ziel haben, geht das auch nicht.

9) Tweet von Parker Molloy

Solcherlei Überschriften sind ein Problem, nicht weil sie faktisch falsch sind, sondern weil nachgewiesen ist, dass die meisten Artikel nicht gelesen werden, sondern nur die Überschriften. Dass der Artikel später die offensichtliche Lüge entlarvt ist irrelevant. So weit kommen die meisten Leute gar nicht. Auf diese Art und Weise betreiben die Medien zwar objektiv korrekten Journalismus, legitimieren aber ungewollt die Lügen Trumps, der AfD und Co. Es muss deutlich mehr Aufmerksamkeit dahin gehen, wie Überschriften wirken, und es muss aufgehört werden, falsche Aussagen ohne Kontext in Überschriften zu packen.

10) Tweet von Carlos Maza // Tweet von Negative Dunks

Diese Werbung von Yahoo hat völlig zu Recht viel Kritik abbekommen. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, wie schädlich Bothsiderism ist. Da wird einfach eine Hass-Haltung gegenüber Migranten als eine von zwei gleichberechtigten, völlig normalen Haltungen betrachtet und der wünschenswerte Endpunkt in der Mitte gefunden. Hätte Yahoo zur Zeit des Holocausts bereits existiert, hätten sie auch den Mittelweg zwischen „Vernichten“ und „nicht Vernichten“ propagiert? Both sides and all? Das Beispiel ist extrem, aber es zeigt das Problem des Bothsiderismus auf. Nicht immer gibt es einen vernünftigen Mittelweg. Manchmal ist es notwendig und geboten, einen klaren Standpunkt einzunehmen. Die Fähigkeit zu erkennen, wann das ist, ist gerade nicht weit ausgeprägt. Und das ist ein Problem.

11) Die junge Elite verlässt die Türkei

Laut Angaben türkischer Statistiker verließen 2017 mehr als 250.000 Menschen das Land aus wirtschaftlichen, politischen, sozialen oder kulturellen Gründen – fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor. In diesem Jahr dürften die Zahlen aufgrund der Wirtschaftskrise noch einmal steigen. Es sind vor allem junge, gut ausgebildete Bürger, die der Türkei unter Erdogan den Rücken kehren: Fast die Hälfte der Emigranten ist zwischen 25 und 34 Jahre alt, 57 Prozent kommen aus Großstädten wie Istanbul, Ankara oder Izmir. Die wenigsten von ihnen wurden von der Regierung direkt verfolgt oder waren Repressionen ausgesetzt, wie es Oppositionelle oder Journalisten sind. Sie sehen, wie Öztürk, schlicht keine Zukunft mehr für sich in einem Land, in dem die Regierung die bürgerlichen Freiheiten immer stärker einschränkt. Im Frühsommer 2013 demonstrierten im Istanbuler Gezi-Park noch Hunderttausende Menschen für mehr Demokratie. Sie trugen Bilder in die Welt, wie man sie in Deutschland viel zu selten wahrnimmt, Bilder einer modernen, progressiven, säkularen Türkei. Jetzt ist es genau jene „Generation Gezi“, die die Hoffnung verliert. […] Der Exodus der Eliten dürfte die Entwicklung des Landes weiter hemmen. Schon jetzt steckt die Türkei in der schwersten Wirtschaftskrise seit Erdogans Machtübernahme 2003. Die Lira hat seit Jahresbeginn 20 Prozent an Wert verloren. Die Inflation stieg im Oktober auf den Rekordstand von 25 Prozent. […] Die Regierung hat das Problem inzwischen erkannt. Industrie- und Technologieminister Mustafa Varank klagte unlängst darüber, dass das Land durch den Brain Drain Fachkräfte verliere. Erdogan versprach Akademikern, die aus dem Ausland in die Türkei zurückkehren, ein Monatsgehalt von umgerechnet 4000 Euro, deutlich mehr als der türkische Durchschnitt. Es ist nur fraglich, ob die Initiative Erfolg hat. Nur eine Woche nach Erdogans Ankündigung nahm die Polizei 13 Akademiker und Kulturschaffende fest, die angeblich die Gezi-Proteste organisiert haben sollen. Zwar sind die meisten von ihnen inzwischen wieder frei, die Razzia war aber sicher keine Werbung für den Standort Türkei. (Maximilian Popp, SpiegelOnline)

Insgesamt ist das wenig überraschend. Egal wo man hinschaut ist der Rechtspopulismus immer mit einer starken anti-intellektuellen Attitüde ausgestattet, die das geistige Leben austrocknet, ob Ungarn, Türkei, Polen oder was auch immer. Dazu kommt, dass seine wirtschaftlichen Konzept von Abschottung und arbiträrer Regulierung auch nicht taugen und die beruflichen Aussichten damit auch schlecht sind. Bedauerlicherweise hilft das wieder den Autokraten selbst: dadurch dass potenzielle Dissidenten das Land verlassen, verliert man zwar die Elite von morgen – gut ausgebildete, junge, aufstrebende Menschen – aber eben auch gleichzeitig potenzielle Unruhestifter. Die gleiche Mechanik stabilisierte ja auch die DDR. Links wie rechts, West  wie Ost, die Mechanik der Autokraten, ihrer verfehlten Politik und der würgenden Verkrustung ist immer dieselbe.

{ 37 comments… add one }
  • CitizenK 14. Dezember 2018, 16:55

    Zu 8: Gehört dazu nicht auch, die Anrede „Genossinnen und Genossen“ und das Absingen von Arbeiterliedern („Brüder zur Sonne….“)?

    @ Stefan
    Muss der Link unbedingt zu amazon gehen? Inzwischen gibt es mehrere Buchversender, die bei Büchern genau so gut arbeiten.

    • Stefan Sasse 14. Dezember 2018, 21:29

      Nö, das war einmal. Die Zeit ist unwiderbringlich rum, das zumindest haben sie ja erkannt.

      Bei Amazon hab ich halt nen Partnervertrag.

  • Erwin Gabriel 16. Dezember 2018, 19:06

    @ Stefan Sasse on 14. Dezember 2018

    … die Rechtspopulisten benutzen dieses Muster weltweit.
    Oh Mann, Du glaubst wirklich, dass Linkspopulisten das nicht tun?

    • Stefan Sasse 16. Dezember 2018, 20:30

      Nö, aber wir haben halt weltweit gerade wesentlich mehr und aggressivere von der anderen Sorte. Mir fiele als prominenter Linkspopulist diesen Musters gerade nur Maduro ein. Liegt halt allgemein an der relativen Stärke der Rechten gerade. Und dieses krasse offensichtliche Lügen hat schon eine neue Qualität.

      • Erwin Gabriel 18. Dezember 2018, 12:01

        q Stefan Sasse 16. Dezember 2018, 20:30

        Nö, aber wir haben halt weltweit gerade wesentlich mehr und aggressivere von der anderen Sorte.

        Das ist kein Grund, Populismus von anderen Seiten zu schonen. Auch das verdreht die Wahrheit.

        Und dieses krasse offensichtliche Lügen hat schon eine neue Qualität.

        Das ist eine Frage des Standpunkts. Eine AfD mag frecher lügen als eine CDU, aber deren eher in Watte gepackten Falschaussagen sind alles andere als harmlos. Die haben uns die AfD immerhin eingebrockt.

        • Stefan Sasse 18. Dezember 2018, 14:58

          Ich schone linken Populismus sicherlich nicht. Dass Ralf und andere mich hier dafür angehen, ZUVIEL Bothsiderismus zu betreiben sollte dir das eigentlich zeigen.

          Und nein, das ist keine Frage des Standpunkts, das ist ein deutlicher Qualitätsunterschied. Ambivalente Aussagen gehören zur Politik, immer schon. Das muss man aushalten wenn man partizipiert.

          • Erwin Gabriel 20. Dezember 2018, 10:42

            @ Stefan Sasse 18. Dezember 2018, 14:58

            Ich schone linken Populismus sicherlich nicht.

            🙂

            Du setzt „Populismus“ fast immer mit „rechts“ gleich, obwohl derzeit Populismus bei allen Parteien in Mode ist. Ob Du Andrea Nahles oder Heiko Maas zuhörst, oder einem Peter Altmeier oder teilweise Angela Merkel oder Annegret Kramp-Karrenbauer (von Grünen und AfD mal ganz zu schweigen).

            Pupulismus kommt von der unsäglichen Deutschen Umwelthilfe („Diesel tötet“ – ja, wenn man genug davon trinkt oder von einem überfahren wird) oder der Hetzplatform „Amadeu Antonio Stiftung“, alles unterstützt von links, von der Mitte, von der Regierung etc. Den Populismus haben die Rechten nicht für sich gepachtet; es gab ihn immer, besonders von links, und jetzt treiben die Rechten das gleiche Spiel.

            Und nein, das ist keine Frage des Standpunkts, das ist ein deutlicher Qualitätsunterschied.

            Das nimmt meiner Meinung nach sich nichts mit den Schwachsinns-Tiraden der AfD. Was „schlimmer“ ist, liegt im Auge des Betrachters. Was „gefährlicher“ ist – die Tiraden einer für alle Augen sichtbar als „rechts“, oft genug „rechtsextrem“ agierenden Partei oder die permanent unterschwelligen Manipulationen der etablierten Parteien oder der Regierung unter dem Deckmäntelchen von Menschenrechten – habe ich für mich entschieden: das zweite Verhalten hat das erste ausgelöst.

            Ambivalente Aussagen gehören zur Politik, immer schon.

            Ambivalent ist, wenn ich mich für eine schwarze Null im Haushalt als disziplinierter Sparer feiern lasse, während über die brummende Wirtschaft eine Rekordeinnahme die andere jagt. Lügen ist, wenn ein Partner vor der Wahl 0 % Steuererhöhung will, der andere maximal 2 %, und am Ende kommen 3% heraus.

            Ambivalent ist, wenn eine neue Verteidigungsministerin über die schlampige Arbeit der Vorgänger schimpft, und selbst wirklich alles schlechter macht (na gut, nicht alles: Die Entwicklung von Umstandsuniformen für schwangere Soldatinnen war schon ein Schritt nach vorn). Lügen ist, wenn man sagt, man reformiert die Wehrpflicht, und schafft sie dann ab – zur Überraschung der Armee, die auf einmal zu wenig perosnal hat und jetzt jeden Spacko nehmen muss, der gesprungen kommt.

            Ambivalent ist, sich lautstark über die Länder zu beschweren, die die Flüchtlingsrouten sperren, während man dem türkischen Präsidenten Erdogan, der einen gerade noch als Nazi beschimpft hat, Milliarden Euro für die Grenzsperrung hinten rein schiebt. Lügen ist, wenn man sagt, wir nehmen keine Flüchtlinge auf, und öffnet dann die Grenzen für unkontrollierten Zustrom.

            Ambivalent ist, den Bürgern zu erkläeren, dass sie sich auch privat um ihre Renten kümmern müssen, während man eine Nullzins-Europolitik unterstützt, die seriöse Geldanlagen unrentabel machen und die Sparvermögen inzwischen sogar schrumpfen lässt. Lügen ist, wenn man sagt, dass Griechenland alleine mit seinen Schulden klarkommen muss, und dann unterschreibt man jeden Scheck.

            • Stefan Sasse 20. Dezember 2018, 12:00

              Eigentlich bemühe ich mich immer, „Rechtspopulisten“ zu schreiben, wo ich nur die Rechten treffen will, und sonst von „Populisten“ zu sprechen. Vielleicht ging mir das ein oder zweimal raus, aber ich trenne das schon bewusst.

              • Erwin Gabriel 21. Dezember 2018, 15:44

                @ Stefan Sasse 20. Dezember 2018, 12:00

                …aber ich trenne das schon bewusst.

                Das war ja auch mein Vorwurf …

                • Stefan Sasse 21. Dezember 2018, 21:09

                  Häh?

                  • Erwin Gabriel 22. Dezember 2018, 09:46

                    Du trennst bewußt. Du verurteilst bei den Rechten Methoden, die auch die Linken oder die Parteien der Mitte benutzen.
                    Eine Retourkutsche á la AKK bei Anne Will, von Weidel oder Gauland vorgetragen, hättest Du in der Luft zerrissen; bei ihr gefällt Dir das sogar, weil es in diesem Falle gegen weiße alte Männer ging.

  • Erwin Gabriel 16. Dezember 2018, 19:09

    @ Stefan Sasse
    4)

    Die Merz’schen Steuerversprechungen zeigen ein typisches Schema konservativer Reformideen: da werden Steuerkürzungen vorgeschlagen, die aus politischen Gründen zwar irgendwie alle betreffen, aber deren Löwenanteil bei den oberen paar Prozent rauskommt.

    Berechne doch mal, wie Einkommenssteuer zuzügl. Solidaritätszuschlag steigen, wenn sich das monatliche Einkommen wie folgt entwickelt:
    2.000 / 4.000 / 8.000 Euro. Du zahlst im Jahr
    3.699 / 12.149 / 33.273 Euro (alleinstehend); bzw.
    950 / 7399 / 24.298 Euro (verheiratet, Partner ohne Einkommen).

    Quelle: Bundesministerium für Finanzen
    https://www.bmf-steuerrechner.de/

    Bei gleichen Anteilen an Steuer und Soli würden sich die Beiträge ebenfalls verdoppeln. Tun sie aber nicht, da „Besserverdienende“ deutlich härter zur Kasse gebeten werden. Woher die Mär kommt, dass die immer zu wenig zahlen, verstehe ich nicht.

    Oder vielleicht doch: Man schaut nicht, was bezahlt wird, sondern auf das, was übrigbleibt. Das ist dann aber eine reine Neiddebatte.

    • Stefan Sasse 16. Dezember 2018, 20:30

      „Neiddebatte“ ist auch so ein Schlagwort bei euch ^^

      • Erwin Gabriel 18. Dezember 2018, 12:02

        Bei uns ein Schlagwort, bei Euch ein Hauptthema.

        Zur eigentlichen Sache hast Du Dich ja mal wieder nicht geäußert.

    • Ralf 17. Dezember 2018, 18:38

      Ich verstehe Deine Rechnung nicht. Bei einem Einkommen von 8000 Euro zahlst Du 33273 Euro bzw. 24298 Euro Steuern??!

      • Erwin Gabriel 20. Dezember 2018, 10:44

        @ Ralf 17. Dezember 2018, 18:38

        Ich verstehe Deine Rechnung nicht. Bei einem Einkommen von 8000 Euro zahlst Du 33273 Euro bzw. 24298 Euro Steuern??!

        Sorry für die unklare Formulierung:

        Einkommen 8000 Euro im Monat,
        Steuern 33273/24298 Euro im Jahr.

  • Erwin Gabriel 16. Dezember 2018, 19:11

    @ Stefan Sasse
    5)

    Die CDU unter Merkel ist, was die CDU eigentlich immer war: eine konservative Volkspartei der Mitte.

    Natürlich ist die CDU (wie große Teile der Gesellschaft) etwas nach links gerutscht (also stimme ich Deiner Aussage zu 🙂 ). Da die SPD das auch tat, blieb der Proporz gewahrt. Was man aber Merkel ankreiden muss und was aus meiner Sicht der Hauptgrund ist für diese Linksruck-Wahrnehmung ist: Sie hat den rechten, konservativen Flügel gekappt. Dem gelingt es erst jetzt wieder, etwas Luft unter die Federn zu bekommen.

    • Stefan Sasse 16. Dezember 2018, 20:31

      Zu einem guten Teil haben die sich auch selbst gekappt. Da gab es ja diverse Figuren, die sich selber schneller demontiert haben als Merkel dreimal „alternativlos“ sagen konnte. Der Untergang der BaWü-CDU etwa ist Mappus, nicht Merkel. Die CSU hat sich auch selbst erledigt. Und so weiter.

      • Erwin Gabriel 18. Dezember 2018, 12:12

        @ Stefan Sasse 16. Dezember 2018, 20:31

        Zu Mappus gebe ich Dir recht – klassischer Fall von Selbstüberschätzung und Abgehobenheit.

        Die CSU hat aufgrund mehrerer Themen Probleme. Einer der zwei Hauptgründe ist Merkel.

        In den anderen Fällen spielte die Kanzlerin Judo und nutzt den Schwung des Gegners, ihn zu Fall zu bringen. Sie ist so eine richtige Ossi-Kadertente: Wer ihr nicht zujubelt, verschwindet. Wenn ich schaue, mit wem sie sich umgibt, vermisse ich kantige Köpfe. Schmidt und Schröder, aber auch Helmut Kohl (etwa mit Biedenkopf, Geißler, Süßmuth & Co.) haben immer auch eine gewisse Brillianz in ihr Kabinett bzw. Umfeld gelassen. Bei Merkel kläuft es auf von der Leyen, Altmann und Kauder hinaus.

        • Stefan Sasse 18. Dezember 2018, 14:59

          Wer war denn diese ungeheure Brillanz, die so schillernd auf dem Podest stand? Ich halte das für reine Nostalgie.

          • Erwin Gabriel 20. Dezember 2018, 11:27

            @ Stefan Sasse 18. Dezember 2018, 14:59

            Wer war denn diese ungeheure Brillanz, die so schillernd auf dem Podest stand? Ich halte das für reine Nostalgie.

            Die Gnade der späten Geburt 🙂

            Willy Brandt hat sich beispielsweise Karl Schiller und Helmut Schmidt in die Regierung geholt, auf der Regierungsbank saßen u.a. Erhard Eppler, Horst Ehmke, Hans-Jochen Vogel und Klaus von Dohnanyi, Fraktionschef war ein sehr starker Herbert Wehner (zugegeben – nicht von Willys Gnaden).

            Helmut Schmidt hat explizit versucht, junge kluge Köpfe in die Regierung zu holen und ihnen unterschiedliche Erfahrungen zu ermöglichen, damit sie irgendwann auch mal das Zeug haben, seine Nachfolge anzutreten. Hans Apel und Hans Matthöfer gehörten in diese Kategorie, später Anke Fuchs, Volker Hauff, Manfred Lahnstein oder Björn Engholm.

            Helmut Kohl hatte sich mit überaus klugen Köpfen wie Heiner Geißler, Wolfgang Schäuble, Kurt Biedenkopf, Klaus Töpfer, Volker Rühe, Mathias Wissmann, Rita Süssmuth oder Angela Merkel (nicht zu vergessen Richard von Weizäcker) umgeben und sie gefördert.

            Schröder hatte mit Hans Eichel, Otto Schily, Wolfgang Clement, Oskar Lafontaine (na gut, den hat er á la Merkel vor die Wand gefahren) auch keine Dummköpfe um sich gescharrt.

            „Ungeheuere Brillianz“ hatte ich zwar nicht unterstellt, aber wenn ich das neben Peter Altmaier, Ursula von der Leyen, Norbert Rüttgen oder Volker Kauder stelle, überlege ich mir das nochmal. Annegret Kramp-Karrenbauer hat vielleicht das Zeug zu einer gewissen Größe, Friedrich Merz ist auf vielfachen Wunsch der Kanzlerin nicht dabei, und Jens Spahn hat sich gegen die Kanzlerin durchgesetzt, und wurde nicht von ihr gefördert.

            Nostalgische Grüße

            • Stefan Sasse 20. Dezember 2018, 12:04

              Was genau macht jetzt einen Peter Altmaier so viel schlechter als einen Hans-Jochen Vogel? Was hebt Heiner Geißler über Norbert Röttgen? Nicht dass ich ein Fan dieser Personen wäre! Ich sehe nur den qualitativen Unterschied nicht so.

              • Erwin Gabriel 21. Dezember 2018, 15:51

                @ Stefan Sasse 20. Dezember 2018, 12:04

                Was genau macht jetzt einen Peter Altmaier so viel schlechter als einen Hans-Jochen Vogel?

                Dazu müsstest Du erst einmal sagen können, was ein Peter Altmeier überhaupt macht – außer reden, meine ich.

                Was hebt Heiner Geißler über Norbert Röttgen?

                Intelligenz und intellektuelle Schärfe

                • Stefan Sasse 21. Dezember 2018, 21:09

                  Die manifestiert sich inwiefern?

                  • Erwin Gabriel 23. Dezember 2018, 00:31

                    Wie soll ich Dir heute erklären, was vor 30, 40 Jahren im Bundestag abging? Schwierig …

  • Hias 17. Dezember 2018, 07:45

    zu 7.) Definitiv, aber ich würde noch weitergehen. Der SPD ist auch ihr Milieu abhanden gekommen, also die ganzen Falkengruppen, Arbeitersportvereine, etc. Klar, nach Godesberg haben die sich eher zu ganz normalen Vorfeldorganisationen gewandelt, als ein echtes, abgegrenztes Milieu zu bilden. Aber sie spielten eine ähnliche Rolle wie Kirche bei den Konservativen, d.h. sie brachten die Menschen in Kontakt mit der sozialdemokratischen Welt und Vision und in vielen Fällen banden sie die Menschen dann (wenn auch oft nur sehr lose) an die Partei. Aber das funktioniert natürlich nicht, wenn die Vision fehlt.
    Das sieht man übrigens auch gut bei Wahlen. Die SPD ist nicht dort stark, wo die Arbeiter wohnen, sondern dort, wo es noch Reste dieser Milieus gibt. Und im Gegensatz dazu entstehen diese Milieus gerade bei den Grünen.

    Ganz deutlich wird diese Verschiebung übrigens, wenn man den Grundtenor der alten Arbeiterlieder mit der SPD in den letzten Jahren vergleicht. Beide prangern Missstände an, aber während die SPD irgendwie in einer elendigen Jammerei hängenbleibt, propagieren die Arbeiterlieder fast immer eine glorreiche Zukunft.

    Und zum Schluss noch ein Lesetipp (auch weil ich denke, dass das angesprochene Problem nicht nur eines der SPD ist, wenn auch für diese besonders verheerend):
    https://www.economist.com/open-future/2018/12/06/the-antidote-to-civilisational-collapse

  • R.A. 17. Dezember 2018, 10:25

    4) „aber deren Löwenanteil bei den oberen paar Prozent rauskommt.“
    Was ja unvermeidlich ist, weil die „oberen paar Prozent“ nicht nur weit überproportional bezahlen, sondern auch durch die jährlichen Steuererhöhungen überproportional mehr belastet werden.
    Wenn man einfach nur den Zustand von vor einigen Jahren herstellt ist das schon ein „Löwenanteil“ an Ersparnis oben.

    „Nie haben sie eine Gegenfinanzierung.“
    Müssen sie auch nicht, weil der Staat ja überreichlich Einnahmen hat und zu viel davon unsinnig ausgibt.

    „Keiner stellt sich dagegen, jeder findet es im Prinzip gut“
    Aber keiner machts. Was ganz erheblich zur „Politikverdrossenheit“ beiträgt. Besonders bei der Union ist der Unterschied zwischen Versprechen und realität krass und peinlich.

    5) „Die CDU wird vor allem durch zwei Faktoren zur Liberalität gezwungen: Einerseits durch ihre Koalitionspartner,“
    Die möglichen Koalitionspartner von AKK heißen Grüne und SPD. Die werden niemand zur Liberalität zwingen.

    • Erwin Gabriel 18. Dezember 2018, 12:14

      @ R.A.

      „Nie haben sie eine Gegenfinanzierung.“

      Müssen sie auch nicht, weil der Staat ja überreichlich Einnahmen hat und zu viel davon unsinnig ausgibt.

      So wahr!!!

      • Stefan Sasse 18. Dezember 2018, 14:59

        Ich bin gespannt wie ihr auf so eine Argumentationslinie reagiert wenn ich sie das nächste Mal auspacke.

        • Stefan Pietsch 18. Dezember 2018, 15:39

          Eigentlich würde ich Dir sogar zustimmen. Allerdings vereinnahmen die Staatsgläubigen jeden Zuwachs für die eine Seite. Von 2002 bis 2017 hat das BIP um 48% zugelegt, die Steuereinnahmen jedoch um 66%. Mit anderen Worten: binnen 16 Jahren hat sich der Fiskus 75,4 Milliarden Euro mehr unter den Nagel gerissen, als ihm im Rahmen des Zuwachses des BIP zustände. Und das ist ohne Berücksichtigung der Zunahme bei den sonstigen Abgaben und Sozialabgaben.

          Merkst Du was? Die Frage liegt auf der Hand: der Steuerbürger hat aus Fairnessgründen Anspruch auf Erstattung des „zuviel“ Gezahlten. Das würdest Du bei jedem Unternehmen einfordern, beim Staat ist es Dir egal, wenn er immer mehr vom Erwirtschafteten nimmt. Das wäre eine schöne Steuerreform.

          • Stefan Sasse 18. Dezember 2018, 16:49

            Deine Analyse ist ja nur halb. Die Frage ist ja, was der Steuerzahler zurückbekommt. Bei euch sieht es immer so aus, als würden Steuern einfach nur in einem Loch verschwinden, als wären sie eine Begleiterscheinung des Alltags wie Altern, die man halt hinnimmt. Aber die Analyse ist ja nur vollständig wenn ich schaue, was zwischen 2002 und 2017 mit der Kohle passiert ist.

            • Stefan Pietsch 18. Dezember 2018, 17:15

              Die Frage ist ja, was der Steuerzahler zurückbekommt.

              Nein, ist es nicht. Die meisten erwarten die gleiche qualitative Leistung wie 2002. Wenn sich der Staat mit den gegebenen Mitteln verbessert, umso besser, das tun die meisten Menschen und Unternehmen im Zeitablauf. Doch so anspruchsvoll gehen wir schon nicht mit unserem Staat um.

              Aber Du willst nicht wirklich erklären, dass die staatliche Leistung seit Schröders Zeiten spürbar besser geworden ist, oder? Hoffentlich nicht. Außer dass ein paar Beamte ein netteres Gesicht machen. D.h. aber, dass die Bürger nicht wirklich etwas für ihr Geld bekommen haben.

        • Erwin Gabriel 20. Dezember 2018, 11:29

          Natürlich gibt es oft Beispiele für Gegenfinanzierungen – ob die Regierung mehr Geld einnimmt oder weniger Geld ausgibt, läuft aufs Gleiche hinaus.

  • Stefan Pietsch 17. Dezember 2018, 11:24

    ad 4)

    Wie nicht so selten kann Stefan nur die Gnade der späten Geburt ins Felde führen, das macht jedoch nicht jeden Fehler entschuldbar. Zuerst empfiehlt es sich, Studien selbst zu lesen, wenn darauf eine Argumentation aufgebaut werden soll. Die von der taz angeführte DIW-Auswertung findet sich hier.

    (..) da werden Steuerkürzungen vorgeschlagen, die aus politischen Gründen zwar irgendwie alle betreffen, aber deren Löwenanteil bei den oberen paar Prozent rauskommt.

    … was auf den Merz-Vorschlag schon nicht zutrifft. Das Gros der Steuerausfälle würden im Mittelbau anfallen, so wie der damalige Fraktionschef der CDU/CSU das behauptet hat. Des weiteren würde sich der Gini-Koeffizient, also die Einkommensverteilung leicht zur Gleichförmigkeit verbessern.

    Nie haben sie eine Gegenfinanzierung.

    Auch das ist falsch. Bach kam damals bei 45 Mrd. Euro Einkommensteuerausfällen auf eine Gegenfinanzierung von mindestens 22 Mrd. Euro. Wohlgemerkt, mindestens, denn die Forscher räumten ein, dass sie einiges nicht beziffern könnten. Zudem ergibt sich ein Ungleichgewicht: anhand der gegebenen Daten lassen sich Steuerausfälle wesentlich besser quantifizieren als die gegenläufigen Wirkungen.

    Die kommt immer irgendwann später, vielleicht. Üblicherweise werden Leistungen gekürzt und, wesentlich häufiger, Schulden aufgenommen – über die man sich dann später wortreich beklagt.

    Auch völliger Unsinn. Die Bareis-Kommission legte schon 1994 detaillierte Vorschläge zur Streichung von Vergünstigungen vor. Der Steuergesetzgeber nahm in den folgenden anderthalb Jahrzehnten immer gerne Bezug darauf, zuletzt betätigte sich Peer Steinbrück im Bergbau der Steuererleichterungen. So wurde systematisch die Bemessungsgrundlage verbreitert ohne den Bürgern auch die Entlastung zu geben. Unser Steuersystem ist so angelegt, dass alle 10 Jahre eine große Steuerreform stattfinden muss, sollen die Einkommensteuerzahler nicht über Gebühr belastet werden. Daran hat sich der Fiskus auch über Jahrzehnte gehalten. Aber in Zeiten überquellender Kassen ist die Stimmung nicht danach, Geld macht halt so sinnlich.

    Die Linken kündigen wenigstens von Anfang an Steuererhöhungen an.

    Die Linken kündigen nur Steuererhöhungen an.

    Wie schon früher angeführt: zu Zeiten des Großen Kohls II. lag die durchschnittliche Belastung von Spitzeneinkommen bei 30%, die der darunterliegenden Einkommen darüber. Es ist schon gedanklich schwer vorstellbar, dass bei einer Streichung von Vergünstigungen – die so üppig nicht mehr gesät sind (siehe Abbruchunternehmer im Finanzministerium) – das Steueraufkommen signifikant sinken soll, wenn ein Stufentarif mit in der Spitze 35% eingeführt würde.

    Und die Debatte über Steuersenkungen holt uns einfach deswegen regelmäßig ein, weil der deutsche Steuertarif keine Indexierung vorsieht. Das ist bei Stufentarifen, wie sie viele OECD-Länder haben, zweit- bis drittrangig und generell oft nicht gefordert, weil nur wenige Steuerstaaten so gierig und dazu noch so link sind wie der deutsche. Dass Linke dann noch das ökonomisch und verteilungspolitisch Notwendige und Geforderte verweigern, macht diese politische Richtung in Deutschland völlig unglaubwürdig. Man sieht es an den Wahlergebnissen: je mehr die Einkommensbelastung zunimmt, desto mehr nehmen die Wahlergebnisse von Steuererhöhungsparteien ab.

    Linke empfinden so etwas als einen bösen Zufall…

    • Erwin Gabriel 18. Dezember 2018, 12:18

      @ Stefan Pietsch

      Volle Zustimmung.

      Geld macht halt so sinnlich

      Besonders, wenn es von anderen kommt.

      Wie sagte es Wowereit so schön: „Arm, aber sexy“

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