Bill Clinton kämpft gegen Buchpreisbindung, Migranten, Elon Musk, die OECD, das Zivilisationskonzept, David Frum und die deutsche Kolonialvergangenheit – Vermischtes 19.06.2018

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Ende des Ausnahmezustands

Die Journalistin Ferda Ataman stellte jüngst fest, Migration sei kein Ausnahmezustand, sondern Normalzustand. Damit hat sie recht. Es müsste nur endlich entsprechend gehandelt werden, damit man dass auch sieht. Es braucht schlichtweg ein Einwanderungs- und Integrationsgesetz, in dem durch Quoten, die die jeweilige Regierung festlegt, Handlungsspielraum gelassen wird. Wie immer bei Gesetzen wird es nicht alle Eventualitäten abdecken können. Es könnte aber Akzeptanz herstellen und Erwartungen durch das Aufnahmeland bzw. im besten Fall die EU formulieren. Das ist nicht neu, aber die wesentlichen Sachen muss man immer mehrmals sagen: Also, Einwanderung sollte über drei Verfahren ermöglicht, d.h. gesteuert und legalisiert werden. Eine bestimmte Quote erfolgt, erstens, über ein schon vom Sachverständigenrat favorisiertes Punktesystem, in dem Sprachkenntnisse, Arbeitserfahrung, Bildung etc. eine maßgebliche Rolle spielen. Die Einwanderer sollen zum ökonomischen Bedarf des Landes passen und das Land somit stärker machen, den Wohlstand aller mehren. Diese Art Planwirtschaft würde in Europa aber nur zum Teil funktionieren, denn die tatsächlich nicht völlig zu schließenden Grenzen bieten immer noch eine Durchlässigkeit, die Migrant/innen mit weniger Berufsqualifikation auf illegale Weise nutzen würden. Diesen gäbe man eine Hoffnung auf Legalität, wenn man, zweitens, zum Planverfahren ein quotiertes Losverfahren einführen würde. Es gäbe auch Ungelernten die Möglichkeit, sich in der Fremde hochzuarbeiten und Angehörige in der Heimat zu unterstützen. Die dritte Säule einer gesteuerten Einwanderung bildete eine Reihe von Abkommen mit bestimmten Ländern, in denen man die Rücknahme Illegaler und Straffälliger mit legalen Anwerbeverfahren verknüpft, zu denen man sich bewerben kann. Alle Verfahren haben – wie gesagt – den Vorteil, dass sie auf realistische Weise Erwartungen klären. Um Missverständnissen vorzubeugen: Kein steuerndes Verfahren, keine geregelte Einwanderung, keine gelingende Integration kommt ohne die Unterscheidung zwischen „legal“ und „illegal“ aus (sowie eine europäische Grenzsicherung). Diese Unterscheidung ist nicht nur berechtigt, sondern sogar notwendig und vernünftig. Wer legal ist, sollte sehr zügig eine Arbeitserlaubnis bekommen und selbstverständlich in den Genuss von Sprachkursen, Integrationsmaßnahmen und Zugang zum sozialen Wohnungsbau kommen. Aber all dies gebührt nur denjenigen, die einen legalen Weg genommen haben. (Salonkolumnisten)

DIe Argumentation hier ist wichtig. Die Identifizierung der aktuellen Politik als „permanenter Ausnahmezustand“ ist absolut richtig. Ich habe eine ähnliche Argumentation schon in „Pfad zur Staatsbürgerschaft“ verfolgt. Es braucht ein vernünftiges Einwanderungsrecht, und es muss von den Parteien der demokratischen Mitte durchgesetzt werden. Sobald das passiert ist, kann man das Thema ad acta legen und auf die Ebene normaler policy-Auseinandersetzungen ziehen.

Das setzt aber auch voraus, dass Deutschland endlich seine Lebenslüge aufgibt und ein Konzept zur Integration entwickelt, das tatsächlich erfüllt werden kann. Denn daran hapert es. Es gibt keinen „end state“. Ab wann ist ein Einwanderer „integriert“? Wann wird er von seinen Mitbürgern als vollwertiges, gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft, als deutscher Bürger anerkannt? Allein die Tatsache, dass große Teile der Bevölkerung immer noch ein Problem damit haben, „Deutscher“ von der Abstammung zu trennen, sich den Begriff ohne Blutsverwandtschaft vorzustellen, und „Bürger“ damit zu verflechten, weist auf die unerledigte Arbeit von Jahrzehnten hin.

2) Victor Orban’s war on George Soros

Should the Jews of Hungary pack their bags? Those with an eye to history might wonder. Last March, in a formal speech commemorating the 170th anniversary of the Hungarian Revolution of 1848, President Viktor Orban said the following: “They do not fight directly, but by stealth; they are not honourable, but unprincipled; they are not national, but international; they do not believe in work, but speculate with money; they have no homeland, but feel that the whole world is theirs. They are not generous, but vengeful, and always attack the heart – especially if it is red, white and green [the colours of the Hungarian flag].” With these words, Mr. Orban pursued his marginalization of Hungary’s Jews. He didn’t name them. He didn’t have to. His familiar anti-Semitic tropes, which might have been lifted from any number of German sources between the late 18th-century and the defeat of Adolf Hitler in 1945, would have resonated clearly in the minds of his audience. And that was the point. Elections were just weeks away and Mr. Orban had adopted ethnic nationalism as a tactic. Back in 2014, his governing party, Fidesz, was low in the polls. Then came the Syrian refugee crisis of 2015 – a godsend issue. That year, Hungary received the second-most asylum applications of any European Union country; and when the EU assigned refugee quotas to each of its member countries, Hungary mounted a legal challenge at the European Court of Justice (it failed). Mr. Orban built more than 500 kilometres of border fences to keep the migrants out, and enlisted “border hunters.” He called this “law and order.” (The Globe and Mail)

Orbans antisemitischer Wahlkampf ist ein weiteres der vielen Beispiele, mit denen aktuell der rechte Dreck normalisiert wird. Fidesz ist immer noch Mitglied der EVP, und die CSU findet nichts dabei, sich zusammen mit Orban als Mitglieder derselben Parteifamilie zu identifizieren. Gleiches gilt für den bereits seit längerem laufenden Diskriminierungskampf der ungarischen Regierung gegen die Sinti-und-Roma-Minderheit in Ungarn. Die Widersprüche zu europäischen Werten – und Gesetzen! – sind frappant, aber die christdemokratischen Parteien Europas sind immer noch nicht bereit, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist ein Schandfleck.

3) Tweet von Elon Musk, wie er sich die Verfassung des Mars vorstellt

Ich verfolge schon seit längerem die technokratische Dystopie, die die Silicon-Valley-Milliardäre als Politik der Zukunft verkaufen wollen. Musk wurde schon vor mehreren Jahren einmal gefragt, wie er sich die Politik auf dem Mars vorstellen wurde, und sprach damals schwammig von internetgesteuerter Basisdemokratie. Was man in seinem obigen Tweet sieht ist erschreckend, denn es zeigt das Politik- und Demokratieverständnis dieser Leute.

Deswegen beobachte ich auch die Spekulationen über eine mögliche Präsidentschaftskandidatur von Marc Zuckerberg als problematisch. Ich hoffe wirklich, dass daraus nichts wird. Diese Leute sind voller Hybris, ihre Ideen basieren auf Klischees und Bauchgefühlen. Die digitalen Schuster sollten bei ihren Leisten bleiben, und die Tatsache, dass Musk und Bezos sich anschicken, die Kolonisierung des Sonnensystems auf privater Basis durchzuführen, ist wahrlich problematisch.

4) Tweet zu Reaktionen darauf, dass man in einem Spiel über das antike Griechenland eine homosexuelle Spielfigur spielen kann

Ich weiß immer nicht, ob ich mich über die #GamerGate-Idioten aufregen oder sie auslachen soll. An Reaktionen wie den oben verlinkten kann man jedenfalls sehen, was das dämliche „keep your politics out of my games“-Geseiere wirklich wert ist, genauso wie das Geschwätz von „historischer Korrektheit“. Um was es wirklich geht ist das ungehinderte und unsanktionierte Ausleben von Rassismus, Homophobie und Sexismus. Wenn ein Spiel wie „Kingdom Come“ groß vermarktet, wie historisch korrekt es ist, weil es im Böhmen des 17. Jahrhunderts keine weibliche Agency und keine Nicht-Weißen gibt (was beides kompletter Humbug ist) jubeln die Schwachköpfe; wenn Assassin’s Creed im antiken Griechenland Homoerotik zeigt, drehen sie schier durch, obwohl es nur wenig historisch korrektere Fakten über Griechenland geben könnte…

5) Why the civilized world breaking with America was inevitable

The reason is this. The pursuit of predatory capitalism in America also necessitates authoritarianism. After all, just as in the Soviet Union, you can hardly expect to keep all of the people fooled all of the time. A working democracy will hardly choose to be cogs in the machines of their own ruin — to work for the very predatory systems which are ripping their lives apart. But America is not a working democracy — 70% of people want functioning healthcare, education, finance, gun control, etcetera — but precisely zero percent of their representatives do. So predatory capitalism is a system which must be imposed from the top down. That is why Americans are forced to live at the edge of ruin and penury, always one paycheck away from devastation — it is a way to keep them under control, effectively, to keep them hard at work at their own undoing. How sad. How funny. But don’t miss the point. Mom-and-pop capitalism might go hand in hand with democracy — but monopolistic, gigantic, ruthless, predatory capitalism cannot. It requires authoritarianism, in the end, as the ordering force in society which sustains it. And that is why America is now making a new set of best friends. Not enlightened and civilized nations. But dictatorships and tyrannies, oligarchies and mafia-ocracies, bullies and thugs. Russia. North Korea. Turkey, soon. And so on. The rest of the rich world rejected predatory capitalism as a great folly of history. America alone chose it. But predatory capitalism needs authoritarianism to impose it. And those twin tensions mean that America’s old friends are its new enemies, and its old enemies are its new friends. If you think that is sad, and a little foolish, you are right. History will judge this moment as a turning point. America has become, ironically, funnily, tragically, exactly the kind of nation it once scorned, fought, and rose above. But that, too, was a choice — not destiny. (Eudamonia&Co)

Ich weiß nicht, wie viel Erklärungsgehalt ich diesem Ansatz zubilligen möchte. Die Vereinigten Staaten haben sich bezüglich der Rolle des Sozialstaats schon immer anders verhalten als Kanada und Europa. Auch ihr Kapitalismus war stets eine Spur aggressiver, schärfer, als in Europa. Das hat allerdings bisher nicht dafür gesorgt, dass es ernsthafte Störungen des transatlantischen Verhältnisses gegeben hätte. Ich stimme der Grundrichtung der Analyse dahingehend zu, dass die USA sich dezidiert in eine reaktionäre Richtung bewegen. Die Abwicklung des New Deal ist seit Reagan explizites Regierungsprogramm der GOP, weswegen Jefferson Cowie in seinem großartigen Buch „The Great Exception“ diese Phase auch als „Reagan Restoration“ (bezogen auf die Gilded Age) betitelte. Aber das ist ein Thema für eine ganze Artikelserie, die seit einer Weile in Planung ist…

6) Bill Clinton’s novel isn’t a thriller, it’s a fantasy

The difference is that the hero in this story is not a secret agent like James Bond or Jack Ryan, but the president of the United States himself. To say that this president, Jonathan Duncan, is based on Bill Clinton would be putting it mildly.[….] Whatever Clinton’s precise role in the writing of the book, he agreed to put his name on it—it is an authorized product. And I read The President Is Missing with the sense that he relished the opportunity that fiction provides to give the public a perfected version of himself. For Jonathan Duncan is the president Bill Clinton seems to wish he had been, or that he believes the public wanted him to be, or both. Thus Clinton, who famously avoided the draft in Vietnam, supplies his alter-ego with a heroic military record that seems to be based on John McCain’s: Duncan is an Army Ranger who was taken prisoner in Iraq and refused to crack under torture. (For good measure, he was also a semi-pro baseball player.) And in what reads like an embarrassing instance of wish-fulfillment, Rachel Carson, the Hillary figure, is safely dead, leaving Duncan footloose and free to enjoy the world’s sympathy. But these vanities are innocent compared to the deep fantasy at the center of The President Is Missing. Clinton and Patterson are far from the first people to imagine the president as an action hero, dodging bullets and explosions. Indeed, it was during Clinton’s presidency that the idea became popular, in movies such as Independence Day and Air Force One. But it has always been a sinister trope, and to see it endorsed by an actual ex-president only makes it more so. That is because the qualities of the action hero—decisiveness, combativeness, the ability to solve all problems and defeat all enemies singlehandedly—are much closer to the ideals of fascism than of liberal democracy. Indeed, the idea of the president as an action hero is a way of making concrete a common mood in American politics over the last several decades. This is the feeling that all that is needed to solve the country’s problems is a strong leader set free from the shackles of politics. It is heavily symbolic that, to defeat the computer virus, the president must escape from the White House (thus the title), going in disguise to a safe house in Virginia, where he is joined by sympathetic world leaders and white-hat hackers. The White House is the people’s house and the seat of government; but in Clinton’s novel, that is precisely what makes it useless when a president wants to get things done. (The Atlantic)

Wer noch weitere Gründe gebraucht hat, Bill Clinton auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen und ihn nicht mehr als die „grande dame“ der Democrats zu sehen, dessen Segen jeder Kandidat braucht, findet sie hier. Die infantile Wunscherfüllung, die Clinton hier betreibt, lässt schwer an seiner Urteilskraft zweifeln, und die antidemokratischen Instinkte, die er bedient, sind nicht minder schrecklich. Da doch lieber Hillary.

7) OECD-Bericht: Die Deutschen leben im Wohlstand – doch der ist gefährdet wie lange nicht

Für Kitas und Grundschulen gibt Deutschland, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, noch immer weniger aus als der Durchschnitt der Industriestaaten. Weit entfernt ist Deutschland da vor allem von den skandinavischen Ländern, den Paradiesen des Wohlbefindens.Auch die älteren Arbeitnehmer werden – mit Blick auf die digitale Revolution – vernachlässigt: Weiterbildung für langjährig Beschäftigte findet viel zu wenig statt. Überhaupt hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren zu wenig getan, um das Land fit für die Digitalisierung zu machen: Die Verwaltung hinkt hinter dem Industrieländerdurchschnitt beim E-Government hinterher. Die digitale Infrastruktur ist ungenügend – vor allem angesichts einer Industrie, deren High-Tech-Anteil an den exportierten Gütern größer ist als in den USA und China. „Es gibt drei Baustellen, auf die sich die Bundesregierung konzentrieren sollte: Auf Digitales, die Job-Qualität im Dienstleistungssektor und den Abbau des hohen Exportüberschusses“, sagte Gurria. Wenn es Entlastungen für Geringverdiener bei Steuern und Sozialabgaben gebe, fördere das den Konsum und damit auch die Importe. (Handelsblatt)

Es bleibt dabei. Es gibt kein größeres Verbrechen als das Festhalten an der Schwarzen Null, wenn es massiven Investitonsbedarf gibt und die Binnenkonjunktur immer noch im Vergleich zu einem aufgeblähten Exportsektor schwächelt. Studie um Studie belegt, dass die frühkindliche Förderung ungeheuer wichtig ist und dass es dringend – dringend! – Ganztagskinderbetreuung braucht, mit ausgebildeten und bezahlten Fachkräften. Genauso muss Deutschland dringend – dringend! – in digitale Infrastruktur investieren. Beide Bereiche sind offensichtlich wichtig und werden für einen Zahlenfetisch ignoriert, damit man den graumelierten Herren gefällt, die die Wirtschaftsredaktionen Deutschlands dominieren.

8) Hamburg forces Germany to confront colonial legacy in forgotten genocide exhibition

Franz Ritter von Epp arrived in Africa as an ambitious young infantry officer in 1904. Over the next two years, he took part in a colonial campaign of racial extermination that left 100,000 Africans dead. Tens of thousands were driven into the desert to die of dehydration. Others died in concentration camps. Almost thirty years later, as the Nazi governor of Bavaria, the same man would preside over the establishment of the first concentration camp in Germany at Dachau, and deportation of thousands of Jews to the death camps of the Holocaust. […] Thirty years before the Holocaust, between 1904 and 1908 German colonial troops in Africa attempted to exterminate the Herero and Nama peoples of what is now Namibia. It was the first genocide of the 20th century. Many of the features that would later become synonymous with Nazi Germany were already there: concentration camps, race theory, twisted scientific experiments and mass slaughter. (The Telegraph)

Die obigen Punkte werden gerne vergessen, wenn es darum geht zu diskutieren, ob Deutschland mehr bezüglich der Aufarbeitung seiner kolonialen Vergangenheit tun müsse. Mir geht es gar nicht um die Frage, ob Deutschland Reparationen zahlen solle oder nicht (wobei ich dafür bin), sondern darum zu sehen, dass es sich nicht um verbundene Phänomene in einer Kontinuität handelt. Die deutsche Kolonialzeit ist im deutschen historischen Bewusstsein zu wenig verankert. Dadurch erscheint der Holocaust oft als ein Element, das mit der restlichen deutschen Geschichte praktisch nichts zu tun hat – ein Vogelschiss, quasi.

9) Republicans approve of Trump’s family seperation policy

The poll of roughly 1,000 adults aged 18 and over, and conducted June 14-15, asked respondents if they agreed with the following statement: “It is appropriate to separate undocumented immigrant parents from their children when they cross the border in order to discourage others from crossing the border illegally.” Of those surveyed, 27 percent of the overall respondents agreed with it, while 56% disagreed with the statement. Yet, Republicans leaned slightly more in favor, with 46% agreeing with the statement and 32 percent disagreeing. Meanwhile, 14 percent of Democrats surveyed supported it and only 29% of Independents were in favor. (The Daily Beast)

Die gleiche Zahl (27%) unterstützte bereits während der Bush-Jahre selbst auf dem tiefsten Stand die Politik des 43. US-Präsidenten. In der Bus-Regierung sprach man seinerseits von den „Twenty-Seven-Percenters“. Der tiefste Stand in den Zustimmungsraten, den Richard Nixon je erreichte – kurz vor seinem Rücktritt – war 23%. Ungefähr ein Viertel aller Amerikaner sind offensichtlich der viel gesuchte „floor“, den Trump nicht verlieren KANN, egal was er tut, und in den Zeiten der heutigen scharfen Polarisierung muss man deutlich darüber ansetzen – was auch problemlos die 40% erklärt, unter die er nicht fallen zu können scheint, egal was er tut.

Allerdings: auf Republicans gerechnet sind es 46%! Das ist eine in Nummern gegossene Anklageschrift gegenüber den Wählern der republikanischen Partei, aber es ist gleichzeitig auch ein Hoffnungsschimmer. Die USA sind immer noch eine Demokratie, und 40% sind nicht 51%. Und dass unter Democrats nur 14% dieser unmenschlichen Politik zustimmen, ist ebenfalls optimistisch stimmend.

10) What’s left of right?

David Frum: Organized conservatism, in the historically bounded form that we all grew up with it in the 1970s and ‘80s, was exhausted. Conservatism is an anthology of answers to the problems of the 1970s and ‘80s. Inflation: Do you use monetary methods or price controls? Crime: Do you use police methods or do you address the root causes of socioeconomic disparity? How do you cope with the social upheavals of the 1960s? How does America restore its standing in the world after Vietnam? Conservatism as a policy project was a set of answers to those questions. By and large, those conservative policy answers succeeded. We lowered inflation, reduced crime, deterred riots, and prevailed in the Cold War. But one of the ironic effects of political success is that you can put yourself out of a job. Politics is a never-ending exam. When your answers cease being controversial, they therefore stop being the stuff of politics. In the 2000s, however, and especially since the economic crisis of 2008, it has become unmistakable that the country faces all kinds of new problems, from drug addiction to the mortality crisis to the discovery that great depressions can recur. Jen is right to describe the conservative reaction to these new problems as “decadent”: Conservatives found themselves with nothing to say to the most urgent challenges of our time. Paul Ryan’s answer was to repeat the policies of the 1970s and ‘80s, this time even bigger. Unsurprisingly, many people—including those Trump-voting Republicans—felt “that doesn’t seem very responsive to the conditions of my life.” (Democracy Journal)

Dieser Beitrag Frums ist nur ein winziger Ausschnitt aus einem wahrhaft epischen Gespräch des Journals mit vier Anti-Trump-Konservativen. Nicht, dass ich Frum bezüglich seiner Analyse komplett zustimmen würde, noch der seiner anderen Gesprächsteilnehmer, aber die Tatsache, dass diese Leute gerade keinerlei politische Heimat haben macht ihre Gedanken frei von jeglicher Notwendigkeit, innerhalb der Narrative ihrer jeweiligen Partei zu sprechen. Daher sind sie ein ehrlicheres Fenster in die konservative Gedankenwelt, auch wenn diese nicht mehr dem Mainstream dessen entspricht, was sich „konservativ“ schimpft. Für Progressive wie mich stellt sich zudem die Frage, ob es möglich ist, diese Leute in die Koalition aufzunehmen, so dass sie nicht nur Trump ablehnen, sondern aktiv für die Alternative stimmen. Einige von ihnen – Frum vor allem – besaßen genug Charakterstärke, um 2016 Clinton zu wählen; andere wie Rubin ließen das Feld frei oder schrieben einen eigenen Kandidaten (wie Kasich) ein. Die Frage bleibt aktuell offen. Was denkt ihr?

11) Gebt endlich die Preise für die Bücher frei!

Wer in den Wettbewerb zieht, soll stets zwei Möglichkeiten haben: Er kann das Produkt entweder besser oder billiger anbieten als die Konkurrenz.Wer besonders gut ist, dem gelingt sogar beides. So läuft die Dynamik des wirtschaftlichen Fortschritts. Den Nutzen hat der Verbraucher: Er profitiert am Ende von billigeren Preisen und besserer Qualität. Das ist beim Fliegen nicht anders als beim Telefonieren, bei der Waschmaschine nicht anders als beim Automobil. Bloß das Buch macht eine Ausnahme. Hier gibt es die „Buchpreisbindung“, die seit über hundert Jahren von der Branche und ihrer aggressiven Lobby mit Zähnen und Klauen verteidigt und von der Politik mit einem eigenen Gesetz geregelt wird, welches die Wettbewerbsordnung und das Wirtschaftsrecht aushebelt. Dem Buchhandel werden Ladenpreise vorgegeben, an die jeder Händler gebunden ist. Das verhindert Preiswettbewerb und schützt den stationären Buchhandel (Hugendubel & Co.) vor der Konkurrenz durch kostengünstigere Anbieter zum Beispiel im Internet. Genau so – als Schutz der Branche, nicht etwa als Schutz des Kunden – wurde die Preisbindung bei ihrer Einführung im Jahr 1888 auch begründet: Als Hilfe für die Läden in der Abwehr gegen einen damals aggressiv auftretenden Versandhandel. (FAZ)

Wie Steuern auch haben Subventionen eine ungeheure Sogkraft. Einmal eingeführt, bleiben sie in Kraft. Schließlich finanzieren wir heute keine kaiserliche Hochseeflotte mehr, zahlen aber immer noch Sektsteuer. Die Buchpreisbindung allerdings gehört zu jenen Subventionen, die für den Markt und seine Innovationskräfte mehr als nachteilig sind. Es ist nicht überraschend, dass Deutschland – wie auf allen digitalen Gebieten – bei eBooks und Hörbüchern weit abgehängt ist. Und der Schutz gegen den Versandhandel scheint 1888 ja auch schon nicht geklappt zu haben. Von daher volle Zustimmung zur Überschrift – gebt endlich die Preise für die Bücher frei!

{ 35 comments… add one }
  • Wolf-Dieter Busch 19. Juni 2018, 11:50

    (11) Buchpreisbindung – was diese mit Subvention zu tun hat, ist mir nicht klar. Der Preis wird vom Verlag festgesetzt, von niemand sonst.

    Mal ʼne nüchterne Betrachtung: faktisch schützt die Buchpreisbindung die kleinen Buchhandlungen, die im Unterschied zu Hugendubel, Thalia et al. im Fall von Preisfreigabe keinen Mengenrabatt aushandeln könnten. Also ist die Buchpreisbindung im Interesse der Kleinen.

    Eine Lobby (die Geld kostet!) können sich nur die „Großen“ leisten, und diese Lobby würde gegen Buchpreisbindung agitieren statt dafür.

    • Stefan Sasse 19. Juni 2018, 16:16

      Die Buchpreisbindung verhindert ein Abweichen vom Verlagspreis. Das wäre als ob du im Autohaus die Preise zahlen musst, die der Hersteller beschreibt – das ist völliger Irrsinn. Und ist ja schön, dass es die kleinen Buchhandlungen schützen soll, eine Marktverzerrung ist es trotzdem. Wir könnten auch mit einer Brötchenpreisbindung die kleinen Bäcker schützen, das machen wir auch nicht.

      • Wolf-Dieter Busch 19. Juni 2018, 17:01

        Aus Schulzeiten erinnere ich mich, dass der Schutz der kleinen Buchhändler das politische Motiv gewesen sein soll. Fakt ist, wenn die Buchpreisbindung fällt, machen hier in Quakenbrück zwo Händler dicht. Das ist sicher.

        • Stefan Sasse 19. Juni 2018, 18:00

          Aber mehr Leute können mehr Bücher kaufen.

          • Wolf-Dieter Busch 20. Juni 2018, 07:06

            Vielleicht kurzfristig ja, vielleicht langfristig nein – wenn die „Kleinen“ niedergemacht sind und die Preisbildung wieder „verfügbar“ ist. Bei der Buchpreisbindung habe ich kein Eisen im Feuer.

            Der verlinkte Artikel ist in meinen Augen jedenfalls Lobby-Arbeit gegen Buchpreisbindung – muss nicht zwingend „böse“ sein, aber auch nicht „gut“. Lockt mich nicht hinter dem Ofen vor. Und ja, dein Standpunkt könnte der „bessere“ sein.

          • Wolf-Dieter Busch 20. Juni 2018, 09:34

            Einen kleinen, aber höchst subjektiven Aspekt für Buchpreisbindung – der einzige Ausweg ist das „beschädigte Mängelexemplar“ zum Einheitspreis. Diese liegen etwa am Bahnhof unsortiert in der Grabbelkiste. Wenn ich so was sehe, geht bei mir die Sonne auf. Ich habe schon manche Perle entdeckt. (In der Hinsicht bin ich der „Jäger des verlorenen Schatzes“.) Aber ist natürlich mein Aspekt, nicht deiner.

            • Stefan Sasse 20. Juni 2018, 19:57

              Mir wäre es recht wenn die die Grabbelkisten einfach ohne den „Mängelexemplar“ BS machen könnten. Warum sollte das denn ein Argument für die Bindung sein? Das ist doch eher dagegen.

              • Wolf-Dieter Busch 20. Juni 2018, 20:06

                Alles ist gut.

          • popper 21. Juni 2018, 10:27

            @Sasse
            Zunächst zu ihrem Hinweis: „…eine Marktverzerrung ist es trotzdem…“

            Der Markt ist gerade kein Ort oder Regelwerk, der sich jenseits seiner Akteure befindet. Hieraus folgt, dass sich damit kein Aktivitätsniveau begründen lässt, das durch Angebot und Nachfrage die Preise bestimmt. Denn nach den Vorstellungen der neoklassischen Gleichgewichtstheorie sind alle Marktteilnehmer reine Preisnehmer, mit der Konsequenz, dass niemand bleibt, der den Preis bestimmen kann.

            Ihr Argument, aufgrund der Tatsache, dass einige Händler durch ein ruinöses Preisdumping (Amazon & Co) pleite gehen, könnten ja mehr Leute billigere Bücher kaufen mag aus mikroökonomischer Froschperspektive oder schwäbischer Hausfrauen verfangen. Makroökonomisch führt es unabdingbar dazu, dass nach erfolgter Preiskonkurrenz und Monopolbildung sich marktbeherrschende Strukturen herausbilden, die den Preis wieder nach oben drücken, aber bei gleichzeitigem Lohndumping die Nachfrage reduzieren. Ganz abgesehen von der weiteren Entwicklung der Digitalisierung von Wertschöpfungsketten, die zusätzlich die Arbeitsmarktprozesse beeinflussen.

            • DDD 21. Juni 2018, 20:32

              Das ist nicht zwangsläufig so. Große Unternehmen sind in der Lage, Skaleneffekte auszunutzen, was kleine Unternehmen oft nicht können. Der Wettbewerb von 5 Großen kann somit zu niedrigeren Preisen führen als der von 100 Kleinen.

              Selbst wenn sich marktbeherrschende Strukturen bilden könnten, ist eine Preisvorschrift nicht das Instrument der Wahl, um dieses Problem anzugehen oder zu verhindern.

              • Erwin Gabriel 4. Juli 2018, 05:28

                @ DDD 21. Juni 2018, 20:32

                Der Wettbewerb von 5 Großen kann somit zu niedrigeren Preisen führen als der von 100 Kleinen.

                Es werden keine „5 Großen“ überbleiben.

  • Wolf-Dieter Busch 19. Juni 2018, 12:07

    (2) Victor Orbans Krieg gegen George Soros – der Artikel ist von vorn bis hinten ein Meinungsartikel voller unsubstantiierter Behauptungen. Um den Leser nicht zu überfordern, nimmt er ihm in mühevoller Kleinarbeit die Plackerei der moralischen Bewertung ab. Ich bin gerührt.

    • Stefan Sasse 19. Juni 2018, 16:17

      Scheinbar geht deine Rührung so weit, dass du vor lauter emotionaler Überforderung keine Gegenargumente auflistest.

      • Wolf-Dieter Busch 19. Juni 2018, 17:29

        Ok. Stilanalyse.

        Der erste Satz lautet: „Sollten die Juden ihre Koffer packen?“ – Orban wird zitiert mit einem antisemitisch anklingenden Ausspruch. Der Text mäandert über eine Assoziationskette über „liberale“ gegen „chaotische“ Gesellschaft zu George Soros.

        Wir brauchen uns nicht drum zu kümmern, ob Soros tatsächlich Jude ist. In erster Linie ist er ein Spekulant mit der finanziellen Potenz, Gesellschaften und Nationen nach seiner Vorstellung umzuformen.

        Viktor Orban führt also „Krieg gegen Soros“, steht in der Überschrift, und gleich dahinter „und gegen die Juden“. Der Artikel argumentiert nicht, sondern assoziiert Antisemitismus. (Und das ist so böse, dass weitere Überlegungen überflüssig sind, etwa, dass Orban Einflüssen aus der Hochfinanz vorbeugen will.)

        Stefan. Ich geb auf. Finde ihn gut, wenn du magst. Ich mag nicht mehr.

        • Stefan Sasse 19. Juni 2018, 18:01

          Soros ist Jude, Orbans Rhetorik voller antisemitischer Klischees. Mir ist nicht klar, welcher Teil da derart offen für Interpretation ist. Das heißt übrigens nicht, dass ich Soros mögen würde…

          • Wolf-Dieter Busch 20. Juni 2018, 07:09

            Du kritisiertest „fehlende Argumente“, ich lieferte einen ganzen Strauß von solchen, dein Gegenargument lautet unterm Strich: Soros ist Jude, und Orban ist böse. Tja.

  • Ariane 20. Juni 2018, 09:03

    zu 4)
    Nichts wirklich Neues, aber ja ich habe auch das Gefühl, es geht hauptsächlich darum, einige Refugien zu verteidigen, in denen man bzw Mann ungestraft ein sexistisches oder sonstiges Arschloch sein darf. Beim Fußball das gleiche, siehe diese Sammlung von sexistischem Zeug und den unsäglichen Umgang mit Claudia Neumann (einzige Kommentatorin von Fußballspielen aktuell). Obwohl ich ja schon mal erzählt hab, dass es in meiner Generation und Umfeld ziemlich normal ist, dass die Frauen Fußball gucken und die Männer dann zwar keine Rezepte austauschen, aber sich dann eher zum PC-Spielen verabreden.

    zu 11) Buchpreisbindung
    Gott, da könnte ich mich 100 Jahre lang aufregen. Das mit dem Schutz der „kleinen“ ist übrigens Bullshit, wieviele kleine Buchhändler und Verlage gibt es denn noch? Die wurden doch trotz Preisbindung schon vor dem Onlinehandel von den Großen in vielen Fällen geplättet. Und die flennen jetzt, weil ein noch größerer Hai aufgetaucht ist und sie bedroht.
    Und in Zeiten der Digitalisierung macht das ganze ja noch weniger Sinn, wenn ich für eine simple Datenkopie den Preis eines neuen Buches bezahlen soll. Von Hörbüchern ganz zu schweigen, die oftmals wegen Datenschutz nicht ewig kopiert oder nur mit bestimmten Programmen abspielbar sind, außer man bezahlt ein halbes Vermögen, sitzt dann mit 10 CDs da, deren Daten man mühsam extrahieren muss und die danach eigentlich auf den Müll können. Die Quersubventionierung (Bestsellerschund finanziert die Nischenkunst) halte ich auch nicht für sehr glaubhaft, aber auch das fällt ja mehr und mehr weg, weil es zb die Möglichkeit des Selbstverlegens etc. gibt.
    Und wenn doch ein Buch, bzw Geschichten so großartige Kulturerrungenschaften sind, wäre es doch genauso wichtig, dass die Konsumenten soviel wie möglich davon bekommen und nicht nur die „großen Künstler“ *hust* davon leben können. Schließlich wird auch gerne darüber gejammert, dass in Deutschland viel zu wenig gelesen wird.^^

    • Rauschi 20. Juni 2018, 13:46

      Und wenn doch ein Buch, bzw Geschichten so großartige Kulturerrungenschaften sind, wäre es doch genauso wichtig, dass die Konsumenten soviel wie möglich davon bekommen und nicht nur die „großen Künstler“ *hust* davon leben können. Schließlich wird auch gerne darüber gejammert, dass in Deutschland viel zu wenig gelesen wird.
      Mal ne Verständnisfrage: Wie soll die Abschaffung der Preisbindung dazu führen, das mehr gelesen wird? Will mir jemand verkaufen, das läge an den hohen Preisen? Ich kann berichten, in der Schweiz gibt es keine Buchpreisbindung, dafür sind die Bücher hier aber durchweg teurer.
      Abschaffung behebt da gar nichts, schon gar keine kulturellen Mängel.

      • Ariane 20. Juni 2018, 19:39

        Ja gut, in der Schweiz sind vermutlich nicht nur die Bücher teurer, hier in Deutschland würde ich schon davon ausgehen, dass die Preise fallen würden ohne Bindung.
        Und natürlich würden jetzt nicht Leute, die sowieso nie lesen, die Buchhandlungen stürmen und ein Buch nach dem anderen verschlingen. Aber die anderen, die nichts gegen das Lesen haben, würden sich dann sicherlich doch mehr Bücher kaufen bzw mehr ausprobieren, weil 5€ ein anderer Preis sind als 15-20€, wenn man sich nicht ganz sicher ist, dass man etwas auch mag. Der Konsum einer Leseratte ist ein teures Unterfangen, mal abgesehen davon, dass ein Teil des Geldes dann auch woanders hingehen könnte (meinetwegen in eine Wohnung mit mehr Platz, um den Kram unterzustellen^^)

        • Ralf 20. Juni 2018, 21:54

          Ich glaube ihr fuehrt hier eine Debatte, die kaum noch Relevanz hat in unserer Zeit. Jedes Mal wenn ich in einem Zugabteil oder einem Flugzeug sitze, bin ich der einzige mit einem Buch in der Hand. Man wird mittlerweile schon ganz mitleidig angeschaut („Schau mal, der Weirdo liest noch …“). Normale Menschen hingegen surfen auf ihrem Smartphone, arbeiten am Laptop oder schauen einen Film auf ihrem Tablet. Ich bin fast sicher, dass niemand das bemerken wird, wenn die Buchpreisbindung wegfaellt. Ich gestehe, ich wusste noch nicht mal, dass es eine gibt. Die wenigen Leute, die ich kenne, die noch lesen, kommen uebrigens allesamt aus eher besserverdienenden Haushalten und denen sind 15-20 Euro mehr oder weniger beim Kauf eines Buches ohnehin egal. In den aermeren, bildungsferneren Haushalten, fuer die 15-20 Euro tatsaechlich noch viel Geld ist, interessiert man sich hingegen erfahrungsgemaess eher weniger fuer Literatur.

          Wer will, dass wieder mehr gelesen wird, muss deshalb im fruehen Alter anfangen, wenn die Weichen fuer die persoenliche Entwicklung gestellt werden. Ich hab als Grundschueler z.B. viele Buecher im Buecherei-Bus ausgeliehen, der einmal in der Woche zu uns ins Viertel kam. Das hat mich gar nichts gekostet – Buchpreisbindung hin oder her. Aber solche Angebote hat man ja nach und nach immer weiter zusammen- und schliesslich ganz gestrichen, weil unsere Gesellschaft sich sowas ja angeblich nicht mehr leisten kann …

          • Stefan Sasse 21. Juni 2018, 05:49

            Die Buchpreisbindung gilt absurderweise auch für ebooks, die in Deutschland deutlich teurer als anderswo sind.

          • Stefan Pietsch 21. Juni 2018, 07:06

            Ökonomisch gesprochen weiten Sie das Phänomen der Preisinelastizität der Nachfrage auf alle Wirtschaftsbereiche aus, bestimmt durch das Einkommen / Vermögen der Nachfrager.

            Wohlhabende Menschen sind nicht prinzipiell weniger preissensibel. Ich kenne viele Gutsituierte, die reihenweise E-Books tauschen. Belletristik lese ich fast ausschließlich noch in Englisch, ein Grund unter mehreren ist, dass die angelsächsische Variante preislich günstiger ist.

            Die Buchpreisbindung ist das Paradebeispiel, warum sich der Staat aus der Preisbildung bei Gütern heraushalten sollte – wie es Neoliberale fordern. Trotz Buchpreisbindung werden in Deutschland sehr stark internationale Autoren nachgefragt, viele Bücher wiederum bleiben unübersetzt. Welcher Verlag würde schon eine Translation in Auftrag geben, wenn er nicht sicher sein kann, dass das Buch für den erzwungen hohen Preis abgenommen wird? Viele Kunden warten lieber Monate auf die Taschenbuchausgabe, die weniger als die Hälfte des ursprünglichen Preises ausmacht, was einer staatlichen Rationierung von Kunst gleichkommt. Absurd.

            Und während Klassiker der internationalen Literatur als E-Book meist kostenlos erhältlich ist, muss in Deutschland ein preislicher Aufschlag gezählt werden, obwohl von den Autoren nicht mal mehr die Gebeine übrig sein dürften. Am Ende schützt die Buchpreisbindung mit den Verlagen die Falschen, und nicht die Richtigen, nämlich die Autoren.

            Wie es halt so ist, wenn der Staat sich in die Preisbildung einmischt.

            • Stefan Sasse 21. Juni 2018, 10:29

              Stimme dir völlig zu. *schauder

              • Rauschi 21. Juni 2018, 10:57

                Also auch dazu:
                Die Buchpreisbindung ist das Paradebeispiel, warum sich der Staat aus der Preisbildung bei Gütern heraushalten sollte – wie es Neoliberale fordern.
                Klar sollten wir alles dem freien Markt überlassen, der wird es schon richten. Gas, Wasser, Wohnen, wird sicher billiger und besser, wie die vergangenen Erfahrungen gezeigt habe, oder?

                • techniknoergler 22. Juni 2018, 21:41

                  Ein natürliches Monopol (wie Strom- und Gasnetz) ist ja auch kein Markt.

                  • Rauschi 23. Juni 2018, 12:18

                    Warum an mich, diese Einschränkung macht Herr Pietsch doch nicht? Das habe ich angesprochen, denn da steht „bei Güter“, ohne jede Einschränkung.

              • Stefan Pietsch 21. Juni 2018, 11:24

                Da kann ich Dir abhelfen, einfach den neuen Artikel lesen. 🙂

            • popper 23. Juni 2018, 11:57

              Belletristik lese ich fast ausschließlich noch in Englisch, ein Grund unter mehreren ist, dass die angelsächsische Variante preislich günstiger ist.

              Sie sind nicht auf dem Laufenden:

              Eine bedeutsame Änderung des bisherigen Gesetzestextes wird in § 3 BuchPrG durch die schlichte Hinzufügung der beiden Worte „in Deutschland“ bewirkt. Diese zentrale Regelung des Gesetzes, aus der sich die Pflicht des Handels zur Einhaltung des gebundenen Preises ergibt, lautet nunmehr:
              § 3 Preisbindung
              Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer in Deutschland verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten. Dies gilt nicht für den Verkauf gebrauchter Bücher.

        • Rauschi 21. Juni 2018, 10:55

          Aber die anderen, die nichts gegen das Lesen haben, würden sich dann sicherlich doch mehr Bücher kaufen bzw mehr ausprobieren, weil 5€ ein anderer Preis sind als 15-20€, wenn man sich nicht ganz sicher ist, dass man etwas auch mag.
          Ich weiss ja nicht, wo die Preisvorstellungen herkommen, aber der Realitätscheck sieht dann doch ein wenig anders aus.
          2007 wurde die Preisbindung in der Deutschschweiz gekippt. Der Preis ist mittlerweile auf 81% runter gegangen, das würde bedeuten nicht 5€ sondern 12-16€. Wobei der Einbruch auch teilweise mit dem Einbruch des Euro zu tun hatte, da 80% der Bücher importiert werden. Wie kommen hier die meisten auf die Idee, die Preise würden sich mindesten halbieren, wenn nicht sogar dritteln?

  • techniknoergler 22. Juni 2018, 21:36

    „Ich verfolge schon seit längerem die technokratische Dystopie, die die Silicon-Valley-Milliardäre als Politik der Zukunft verkaufen wollen. Musk wurde schon vor mehreren Jahren einmal gefragt, wie er sich die Politik auf dem Mars vorstellen wurde, und sprach damals schwammig von internetgesteuerter Basisdemokratie. Was man in seinem obigen Tweet sieht ist erschreckend, denn es zeigt das Politik- und Demokratieverständnis dieser Leute.“

    Der Tweet scheint keiner Technokratie das Wort zu reden.

    Was genau daran ist ein „erschreckendes Demokratieverständnis“?

    Direkte Demokratie, kurze und verständliche Gesetze und Sunset-Klauseln sind kein Fehler, nichts autoritäres, das Gegenteil von Technokratie (die findet man in der EU)…

    Ich kann die Einschätzung einfach nicht nachvollziehen.

    Wohlgemerkt: gegen alle diese Forderungen gibt es Argumente (sowie es Argumente dafür gibt). Man kann dagegen sein.

    Aber was ist daran ein „erschreckendes Demokratieverständnis“? Was liest der Autor dieses Artikels da rein?

    Sasses Einstufung kommt mir wie von einem andere Planeten vor, ich sehe da keinen Ansatzpunkt um mich irgendwie in sein Weltbild oder seine Gedanken hinein versetzen zu können.

    • Stefan Sasse 23. Juni 2018, 11:40

      „Kurze verständliche Gesetze“ sind eine Mirage. Das klingt als theoretisches Konzept cool, aber in der Praxis führt es zu einer ungeheuren Schwammigkeit und lässt alles Konkrete der Interpretation der jeweiligen Richter offen. Und wir sehen an der direkten Demokratie ja auch schon, wie das im Zweifel läuft – die Oberschicht bestimmt häufig genug das Ergebnis. Das alles in Kombination ist eine Dystopie.

      • Rauschi 23. Juni 2018, 12:23

        Und wir sehen an der direkten Demokratie ja auch schon, wie das im Zweifel läuft – die Oberschicht bestimmt häufig genug das Ergebnis.
        Ach so, in der repräsentativen Demokratie hat „das Volk“ das sagen?
        Dazu hatte ich neulich schon geschrieben, es gab im letzten Armut- und Reichtumsbericht einen Anschnitt, wo genau aufgeführt war, das weder die Anliegen der Armen noch die der Mittelschicht in der Politik Entsprechung findet.
        Wie leben in der Dystopie, wenn man die Augen öffnen will.

  • Erwin Gabriel 4. Juli 2018, 05:42

    1) Ende des Ausnahmezustands

    Es braucht ein vernünftiges Einwanderungsrecht, und es muss von den Parteien der demokratischen Mitte durchgesetzt werden. Sobald das passiert ist, kann man das Thema ad acta legen und auf die Ebene normaler policy-Auseinandersetzungen ziehen.

    Das setzt aber auch voraus, dass Deutschland endlich seine Lebenslüge aufgibt und ein Konzept zur Integration entwickelt, das tatsächlich erfüllt werden kann.

    Vorab: Grundsätzlich stimme ich zu. Wir brauchen entsprechende Gesetze, idealerweise europaweit, und es geht um Versäumnisse aus Jahrzehnten (gerade das macht den Bruch so groß).

    Was mir fehlt, ist eine (aus meiner Sicht) zwangsläufige Konsequenz, nämlich, das wir unser soziales Netz weitgehend zerschneiden müssten. Es gibt kein Land auf der Welt, das gleichzeitig Einwanderungsland und Sozialstaat ist.

    Letztendlich ist unser Sozialstaat der Magnet, der so viele illegale Einwanderer nach Deutschland zieht, und trotz einer in Zukunft erfolgenden Einwanderungsregelung weiterhin ziehen wird.

    Alternative wäre, eine allgemein gesenkte Sozialhilfe etc. erst nach beispielsweise 10 Jahren zu gewähren, und legale, aber gescheiterte Einwanderer zurückzuschicken (was ich schon recht brutal fände). Auch dafür bräuchten wir eine europaweite Lösung, was letztendlich auf eine europaweit einheitliche Sozialhilfe hinausliefe, die dann wiederum deutlich unter unserem Niveau läge.

    Schwierig.

    • Stefan Sasse 4. Juli 2018, 06:44

      Absolut schwierig! Was ich verurteile ist, dass es nie versucht wurde.

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