Die Democrats sollten mehr über Alice Weidel reden, die NRA will Gender-Rollen in die Bill of Rights schreiben und Paul Ryan kniet beim NFL-Spiel – Vermischtes 25.05.2018

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) A fitting end to Paul Ryan’s political carreer

Ironically, this ended up derailing one of Ryan’s core welfare reform ideas: adding stringent work requirements to the food stamp program, which would have thrown millions of people off the rolls and suppressed wages. Freedom Caucus members support shrinking the welfare state, but they voted against the bill anyway. In many ways, the defeat was more symbolic than substantive; the Senate wasn’t passing a farm bill with those work requirements anyway. But it revealed how thoroughly the Republican leadership has lost control. They have no ability to tamp down moderates on immigration who trying to save their jobs this fall, or hard-right Freedom Caucusers who kept themselves in line over the tax bill but now see no reason to keep quiet.

Paul Ryan ist sicherlich einer der überbewertetsten Politiker der letzten Dekaden. Ein ideologischer Kreuzritter mit grandioser Selbstdarstellung, dessen tatsächliche Erfolge sich an einer Hand abzählen lassen – genauer gesagt, an einem Finger: eine Steuersenkung für Millionäre, die jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. Im Gegenzug für diesen Erfolg hat er die Normen und Werte der amerikanischen Demokratie nachhaltig mitbeschädigt und sich für Trump prostituiert. Der finale Akt, die republikanische Fraktion im Repräsentatenhaus in völligem Chaos zu hinterlassen, passt wie Arsch auf Eimer.

2) The Trump rationale

Trump is currently not carrying on an affair with his limousine driver, as Ike probably was with Kay Summersby while commanding all Allied forces in Europe following D-Day. […] Trump did not run in a vacuum. A presidential vote is not a one-person race for sainthood but, like it or not, often a choice between a bad and worse option. Hillary Clinton would have likely ensured a 16-year progressive regnum. As far as counterfactual “what ifs” go, by 2024, at the end of Clinton’s second term, a conservative might not have recognized the federal judiciary, given the nature of lifetime appointees. […] Amnestied illegal aliens would not in our lifetimes become conservative family-values voters. […] Trump took on his left-wing critics as few had before, did not back down, and did not offer apologies. He traded blow for blow with them.

Dieser Artikel des National Review ist vor allem interessant, um die Mentalität der Konservativen zu verstehen. Das National Review veröffentlichte während der Wahl 2016 eine Ausgabe, in der sich alle namhaften Autoren der konservativen Szene zusammentaten und „Never Trump“ riefen: ein flammendes Plädoyer, warum man nie, niemals, einen solchen Mann wie Trump unterstützen könne und warum dieser gegen alles steht, für das Konservative stehen. Kaum irgendwo lässt sich die Rückgratlosigkeit dieser Bewegung so gut sehen wie am National Review, das sich seither zu einem brennenden Bannerträger Trumps gemausert hat. Die wenigen echten Never-Trump-Konservativen wie Nichols, Frum, Boot oder Wilkinson schreiben dort nicht; sie sind vielmehr bei zentristischen bis liberalen Institutionen wie dem Atlantic, der Washington Post oder der Week untergekommen – was auch einmal mehr den alten Vorwurf, die Liberalen ließen keine Meinungspluralität zu, Lügen straft und auf den Absender zurückwirft.

Spannend ist die oben ausschnittsweise zitierte Argumentationslinie vor allem deshalb, weil die Schreiber des National Review Trump ja immer noch nicht mögen. Sie unterstützen ihn nur, weil er ihrer Sache dient, und rechtfertigen sich ihren Kotau vor allem vor sich selbst. Das ist teilweise lachhaft, etwa wenn die absurd spezifische „keine Affäre mit der eigenen Fahrerin während des Kommandos der alliierten Streitkräfte“ auftaucht, als ob dies Trumps zahllose andere Affären entschuldige. Es ist machtversessen, wenn die Idee einer progressiven Regierung so abscheulich ist, dass jede Schandtat gerechtfertigt ist, nur um diese Aussicht zu verhindern. Es ist entlarvend, wenn erklärt wird dass ethnischeMinderheiten ohnehin nicht Republicans wählen, weswegen ihre Verfolgung gerechtfertigt ist. Und es ist abstoßend, wenn – zum Abschluss, wo es offensichtlich das wichtigste Argument für die „Denker“ des National Review ist – der pure Fakt, dass sich Trumps ganzer Hass, seine ganze Zerstörungskraft eben gegen den ideologischen Gegner richtet.

Was das National Review hier abliefert ist eine lange Bankrotterklärung der intellektuellen Spitze der republikanischen Partei. Als solche allerdings hat sie ihren archivarischen Wert.

3) NFL’s prosposed anthem rules: penalties for kneeling being considered

On Tuesday, NFL owners put three hours aside for a privileged session to speak—amongst themselves and family members—about the most sensitive of topics. One was how the league will handle players kneeling during the national anthem going forward. An idea being floated in the room goes like this: It would be up to the home team on whether both teams come out of the locker room for the anthem, and, should teams come out, 15-yard penalties could be assessed for kneeling.

An nur wenigen Stellen lässt sich die Absurdität der Debatte um Meinungsfreiheit und political correctness so gut sehen wie an dem Skandal um kniende NFL-Spieler. Während die Konservativen beständig schreien, dass ein paar dumme Sprüche skandierende Berkley-Studenten die größte Gefahr für die Meinungsfreiheit darstellen, finden sie nichts dabei, dass die Millionäre der NFL freie Meinungsäußerung mit harschen Strafen unterdrücken wollen. Und bevor jemand die alte Behauptung auspackt, dass Politik im Football nichts verloren habe – seit der Reagan-Ära sponsort das Pentagon die NFL mit mehreren Millionen jährlich. Das ganze Ehren von Veteranen, Absingen der Nationalhymne und Überfliegen des Stadions mit Kampfjets kommt ja gerade daher. Aber die Rechten haben mit political correctness kein Problem, wenn es nur die ihnen selbst unangenehmen Meinungen unterdrückt, ob dieseits oder jenseits des Atlantiks.

4) Die subtile Machtausübung der Männer

In dem Orchideenfach unter den künstlerischen Disziplinen, das von der medialen Aufmerksamkeit und den monetären Umsätzen nicht mithalten kann mit der Welt der Schauspielerei, der Malerei oder der Fotografie, herrschen vielfach noch patriarchale Strukturen wie im 19. Jahrhundert. Führende Literaturkritiker – nie wurde bisher eine Frau auf diesem Gebiet wirklich berühmt – können unwidersprochen die Meinung äußern, dass Frauen die lange epische Form, der Roman, nicht läge, stattdessen könnten sie aber „hinreißende Kurzgeschichten“ schreiben. Am ehesten seien sie doch auf dem Gebiet der Liebesgeschichte oder des Familienromans zuhause. Bei Romanen mit gesellschaftspolitischem Anspruch heißt es schnell, die Autorin habe sich „verhoben“. Bei den männlichen Kollegen wird dagegen die „Welthaltigkeit“ und der „Mut ein schwieriges Thema zu bearbeiten“ gelobt.

Literaturkritik ist tatsächlich ein äußerst männlich dominiertes Feld, das gilt im Übrigen nicht nur für die Hochkultur und die Literatur. Auch in der Popkultur sind die meisten Kritiker männlich, was unter anderem zu dem verheerenden Effekt der #Gamergate-Affäre beitrug. Schon das reine Feststellen dieses Repräsentationsproblems, das offensichtlich mit einem Ausschluss anderer Perspektiven einhergehen muss, ruft oftmals äußerst aggressive Reaktionen hervor. Umgekehrt fällt die Nicht-Repräsentation anderer Sichtweisen und Ansätze kaum auf, weil man in der eigenen Blase dauer-bestätigt wird.

Das hier beschriebene Phänomen findet sich übrigens auch in der Schule. Die Auswahl der Pflichtlektüren gerade für das Abitur ist extrem einseitig. Man sehe sich nur einmal an, was die letzten Jahre (dieses Jahr glücklicherweise zuletzt) Thema war. Mit „Agnes“ und „Homo Faber“ sind gleich zwei Mittfünziger aus der oberen Mittelschicht daran, einer Mittzwanzigerin nachzustellen und diese aus einer angenommenen Vaterrolle heraus zu dominieren, im einen Fall sogar (ungewollt) inzestuös. In „Dantons Tod“ dagegen sind Mittdreißiger aus der oberen Mittelschicht dabei, politisch-philosophische Ideen auszutauschen und Frauen entweder als sündig (Robespierre) oder willenlose Verfügungsobjekte (Danton) zu betrachten. In allen drei Werken kommen einfache Menschen oder gar Minderheiten allenfalls als romantisierte Staffage vor.

Und in den nächsten Jahren wird es nicht besser. Der Mittfünziger Faust aus der bildungsbürgerlichen Oberschicht darf sich dieses Mal sogar an einen Teenie ranmachen und der Mittfünziger Haller aus der bildungsbürgerlichen Oberschicht aus dem „Steppenwolf“ darf sich mit Hermine vergnügen. Beide hadern mit ihrem bildungsbürgerlichen Hintergrund, den der Student Anselmus aus dem „Goldenen Topf“ immerhin nutzt, um zusammen mit einem Teenie-Girl die dunkle Magie zu erkunden. Blägh.

5) Forget norms. Our democracy depends on values

OK, we really need norms. But we don’t need all norms equally. In the Trump era, norms are invoked with dizzying frequency, and Trump won the White House while violating all sorts of unwritten rules of campaigning. So which norms should we really try to protect? In short, some norms are more cosmetic and about tradition and convention, and some norms are really about “democratic values.” We care about the latter. How can we tell which is which? Three categories of norms about presidential behavior tap into crucial aspects of democracy: respecting the independence of other institutions, acknowledging that political conflict is part of the process, and keeping private profit separate from government operations.

Ich war bei der Artikelüberschrift zuerst sehr skeptisch, schien es doch eher ein clickbait zu sein: Vergiss A, weil nach meiner semantischen Unterscheidung nur B relevant ist, die eigentlich jeder meint, wenn sie A sagen. Aber tatsächlich macht der Artikel einige gute Punkte zum Thema. Es gibt Normen, deren Bedeutung für die Gesundheit der Demokratie verhältnismäßig unbedeutend ist (so leidet die deutsche Demokratie nicht merklich unter einem Mangel an Legislaturbeschränkungen, wie sie das amerikanische System kennt), während andere dagegen eklatant sind.

Trotzdem ist es schwierig, hier Prioritätenlisten aufzustellen. Nicht ohne Grund warnt man stets davor, den Anfängen zu wehren. Denn die eine Normenverletzung ruft oft weitere hervor. Was ist schlimmer: dass die Republicans sich (der Norm der loyalen Opposition verwehrend) in Totalverweigerung begaben, oder dass Obama in Reaktion darauf die exekutiven Prärogative weiter auslegte als je zuvor? Die Antwort hängt praktisch immer vom eigenen parteiischen Standpunkt ab, denn ein Republican wird das Verhalten seiner Abgeordneten als gute demokratische Kontrolle empfinden, während ein Democrat in Obamas Handeln nichts anderes als den verzweifelten Versuch sieht, ein Modikum von staatlicher Handlungsfähigkeit zu wahren.

Auf dieses Dilemma habe ich auch keine gute Antwort. Die Republicans haben es nie geschafft, Obamas viele executive orders erfolgreich als demokratische Normverletzung darzustellen, und es scheint gerade nicht so, als hätten die Democrats mit ihren Anklagen von Trumps mannigfaltigen Verstößen mehr Erfolg. Die Kritik fällt am Ende doch stets auf den kleinsten gemeinsamen Nenner eines Kampfmittels im Meinungsstreit zurück. Es ist diese Mechanik, die mich auch immer skeptisch gegenüber atemlosen Beschwörungen der Sicherheitspolitik macht: ein Staat, in dem demokratische Normen nicht mehr gelten, schert sich im Zweifel einen Dreck um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das haben Ungarn und Polen in der letzten Zeit hinreichend bewiesen. Papier ist ein schlechter Schild für die Demokratie. Ihre Bürger müssen sich um sie sorgen, sonst ist es um sie geschehen.

6) Centrists are the most hostile to democracy, not extremists

Across Europe and North America, support for democracy is in decline. To explain this trend, conventional wisdom points to the political extremes. Both the far left and the far right are, according to this view, willing to ride roughshod over democratic institutions to achieve radical change. Moderates, by contrast, are assumed to defend liberal democracy, its principles and institutions.The numbers indicate that this isn’t the case. As Western democracies descend into dysfunction, no group is immune to the allure of authoritarianism — least of all centrists, who seem to prefer strong and efficient government over messy democratic politics.Strongmen in the developing world have historically found support in the center: From Brazil and Argentina to Singapore and Indonesia, middle-class moderates have encouraged authoritarian transitions to bring stability and deliver growth. Could the same thing happen in mature democracies like Britain, France and the United States?

Die Forschungsergebnisse Adlers sind mehr als verstörend, besonders im Hinblick auf Fundstück 5). Wenn seine Ergebnisse korrekt sind – und das kann man wegen der uneindeutigen Definition von „Zentrist“ und „Extremist“ durchaus anzweifeln – dann steht es um die Demokratie wesentlich düsterer als angenommen. Wie bereits in einem der letzten Fundstücke (hier, Nummer 3) angedeutet ist „die Mitte“ ohnehin ein höchst dubioses Konzept, die häufiger eher als Mittel aus extremen Positionen und Resultat allgemeiner Unkenntnis über Sachfragen gebildet wird. Die Ergebnisse überraschen daher nicht wirklich.

7) Alice Weidel und das Lachen im Halse

Es hat sich ein Plauderton eingeschlichen, wie in Deutschland über diese Verrohung geredet wird. Wie Weidel sich über andere lustig macht, wird auch über sie gelacht. Es lachen dann alle, und Leute, die draußen an der Tür lauschen, könnten meinen, die Deutschen seien ein besonders heiteres Völkchen geworden. Es ist aber ein kaltes, zähnefletschendes Lachen, das Kompromisse und Verantwortlichkeit, Überlegtheit und Anerkennung, die Kernzwecke der Demokratie, unmöglich macht. Und das ist nicht besonders lustig. Es stimmt schon, dass es im Parlament lebendiger zugeht, seit die AfD dort vertreten ist. Und wenn es eine Lehre aus dem Aufstieg der Partei gibt, dann die, dass man nicht versuchen sollte, Strömungen aus dem Parlament herauszuhalten, weil sie sonst einen Mob bilden und keine Fraktion. Man kann also begrüßen, dass sich die Menschen nun im Parlament fetzen und nicht auf der Pegida-Route. Und trotzdem muss der Widerstand der Altmodischen andauern, gegen die fortwährende Verletzung bürgerlicher Werte und die Verächtlichmachung von Menschen. Aber auch gegen jene, die gelangweilt abwinken, wenn schon wieder vor der Verrohung gewarnt wird. Sollen sie doch winken.

Wichtig, das stets zu betonen. Wie die ganze traurige Geschichte mit Trump in den USA oder den Authoritaristen in Osteuropa zeigt ist nichts so schädlich wie die Normalisierung der Extremisten. Was Weidel im Bundestag zeigt ist die Kehrseite des oft geforderten Endes der Konsenspolitik und Rückkehr des Meinungsstreits. Die Leute vergessen gerne, wie es dabei häufig zugeht (und früher zuging). Die AfD bringt das Eklige, Persönliche, Abstoßende wieder direkt zurück in die Mitte des Parlaments. Sicher wird es dadurch künftig wieder härter zugehen; ob das dem Diskurs sonderlich förderlich ist, wird sich noch zeigen. Man muss solange den Rat der FAZ annehmen und vermeiden, hier zur Normalisierung beizutragen.

8) Democrats should talk more about Trump

The general idea, suggested by Klobuchar and others, is that voters, already saturated by an unending stream of Trump news, are pining for a message that is not pegged to the polarizing president. This is too clever for its own good. Trump is the central issue in American politics, and Democrats should spend more time on him, his administration, and the threat they pose to the country at large. In fact, Democrats can have the best of both worlds, offering their own vision for the country, while tying the president’s agenda to his scandals and his corruption, for a more fulsome portrait of the problems facing American democracy. Without the energy of anti-Trump activism, there is no Democratic path to a House majority. Far from moderating their rhetoric, Democrats should lean in to the fact that Trump and his policies are unpopular.

Jamelle Bouie bläst hier ins selbe Horn wie Jonathan Chait: Die Korruption von Trump und seinen Kumpanen ist ein gutes Thema für die Midterms, weil sie sich sowohl mit den Themen der Democrats als auch mit der Person Trumps verbinden lässt. Und Trumps Beliebtheitswerte sind schlecht genug, damit er ein Mühlstein um den Hals der Republicans ist. Aktuell scheinen mir viele Kommentatoren die Lage zu Tode zu analysieren. Die Democrats haben 2006 genau so einen Wahlkampf mit großem Erfolg gegen Bush geführt, und die Republicans 2010 gegen Obama. Gerade in letzterem Fall galt auch nie, dass sie „weniger über Obama“ reden oder unbedingt die gut gebildeten Wähler der Ostküstenstädte ansprechen müssten. Bei den Midterms geht es um die Mobilisierung der eigenen Basis, das Gewinnen einiger Unentschlossener und das Demobilisieren der Gegner. Für alle drei Ziele gilt: Trump schadet der GOP. Die Idee, den Mann aus dem Wahlkampf heraushalten zu können, ist angesichts seiner Schlagzeilenproduktion ohnehin irrig. Die Democrats müssen die Hand spielen, die ihnen ausgeteilt wurde, nicht die, die die Kommentoren gerne hätten dass sie hätten.

9) How are we still having the „strong female character“ debate?

More often, though, SFC is used to describe a character who is physically strong, or maybe they’re aggressive or commanding or otherwise displaying characteristics we think of as being typically masculine. This sort of character is generally bullshit, and usually actually rooted in a distaste for women. These characters reject emotion and romance; they’re the epitome of the “not like other girls” mentality, and we’re supposed to see this as a victory for feminism? In her 2011 New York Times article exploring the idea of the SFC, Carina Chocano wrote about how unrealistic these women are, because in the eyes of their creators, “strength” is used as a stand-in for humanity. With the SFC, she writes, “certain traits become codified into a bad-faith embodiment of a type rarely found in nature: the stunning blond 23-year-old astrophysicist whose precocious brilliance and professional-grade beauty are no match for her otherworldly self-confidence, say, or the workaholic mercenary encumbered by emotions. It’s as if the naturalism of male characters has grown in inverse proportion to the realism in female characters.”

Die Kritik der Mary Sue hier trifft genau das Strohmann-Argument, das Gegner der Emanzipationsbewegung häufig machen: dass es nur um eine Umkehrung der bisherigen Verhältnisse gehe, quasi ein Umwandeln von Frauen in Männer und Männer in Frauen. Die Popkultur leistet dem Unfug leider beständig Vorschub. Statt wie mit Newt Scamander alternative Genderkonzepte aufzuzeigen, wird allzu oft nur eine Umkehrung erreicht. Ein „starker“ weiblicher Charakter ist dann einer, der toxisch männliche Merkmale aufweist: Bereitschaft zu töten, emotionale Härte, Objektifizierung des anderen Geschlechts. Das aber ist kein Fortschritt, es maskiert sich nur als solcher.

10) Hate-Speech: Der Bumerang-Effekt

Versucht man, den Absender ins Geschehen einzu­be­ziehen, dann stellt sich die Frage, warum dieser von seinem ‚eigenen‘ Sprechakt nicht eben­falls betroffen sein soll – d.h. warum die Sprech­akt­theo­rien ihn als denje­nigen, auf den auch seine eigene Rede wirken dürfte, ausblenden? Mit der Umkeh­rung der Blick­rich­tung wäre auch und gerade die ‚abend­län­di­sche‘ Tradi­tion der Anru­fung (und ihrer Sprach­rohre) zu hinter­fragen. Die Arbeits­hy­po­these könnte lauten: Es gibt keine (posi­tive oder nega­tive) Konstruk­tion des anderen, ohne dass so etwas wie eine Selbst­de­fi­ni­tion des Absen­ders passiert. Diese geschieht durch sein eigenes Spre­chen. Anders gesagt: Hate Speech richtet sich immer auch perfor­mativ auf den Spre­cher. Diese ‚Selbst­kon­sti­tu­tion‘ des Absen­ders müsste für die sprach­phi­lo­so­phi­sche und gesell­schaft­liche Debatte um Hate Speech ein zentraler Punkt sein. Dann ‚ist‘ das Spre­chen nicht einfach perfor­mativ in dem Sinne, dass es den anderen belei­digt, auch wenn dies die Absicht sein mag. Sondern es wird deut­lich, dass das Spre­chen – auto­per­for­mativ – vor allem den Spre­cher selbst charak­te­ri­siert (was nicht heißt, dass es für den anderen folgenlos bleibt).

Mit Abstand eine der produktivesten Ideen für den Umgang mit Hate Speech wird in diesem (reichlich akademischen) Artikel vorgebracht: wesentlich mehr zu betonen, dass die Projektion auf den Sprecher zurückfällt. Wer beständig die Frage stellt, ob man etwas denn so sagen dürfe oder ob nun doch ein Körnchen Wahrheit in irgendeiner rassistischen oder sexistischen Hassrede steckt, der normalisiert und legitimiert diese. Man konnte das seinerzeit exemplarisch an der Sarrazin-Debatte sehen: Anstatt festzustellen, was die Obsession mit der genetischen Herkunft des „Kopftuchmädchens“ über die wirre Denkwelt eines offensichtlich überschätzten Zahlenschubsers aussagt, debattierte die Republik ernsthaft darüber, ob vielleicht doch irgendwelche biologischen Ursachen hinter dem Bildungsstand hinteranatolischer Bauern stecken.

11) Texas Republican’s trust rewards his kids for marrying someone white

A white candidate running for local office in Dallas, Texas admitted that a living trust he set up for his adult children several years ago contains a clause rewarding them for marrying within their race. Vickers “Vic” Cunningham, a former criminal district judge who is running for a seat on the Dallas County Commissioners Court, acknowledged Friday in a videotaped interview that he inserted the offensive clause in the trust he set up in 2010 to dissuade his children from marrying someone who is not white. It also aims to discourage them from marrying a non-Christian or someone of the same sex. “I strongly support traditional family values,” Cunningham explained to the Dallas Morning News in the interview. “If you marry a person of the opposite sex that’s Caucasian, that’s Christian, they will get a distribution.”

Falls irgendjemand Zweifel darüber hatte, was US-Konservative meinen, wenn sie „family values“ sagen.

12) NRA-TV fordert Verbot von Berichten über Schulmassaker

Das passt wie Arsch auf Eimer. Die Organisation, deren Beharren auf einer totalitären Auslegung der Bill of Rights jährlich tausende Menschenleben kostet, hat kein Problem, im Sinne ihrer abartigen Agenda die Bill of Rights einzuschränken. Man sollte das als Einladung nehmen und endlich die harsche Regulierung von Waffen auf Bundesebene auf die Agenda nehmen. Sie sollte ein Lackmustest für progressive Kandidaten werden. Das Thema ist inzwischen ohnehin parteipolitisch so polarisiert, dass kaum mehr elektorale Verluste zu befürchten sind.

{ 2 comments… add one }
  • Ralf 25. Mai 2018, 21:53

    Für alle drei Ziele gilt: Trump schadet der GOP.

    Ich glaube Deinem Argument fehlt eine geographische Komponente. Trump schadet der GOP im Durchschnitt, aber nicht ueberall absolut. Joe Manchin in West Virginia z.B., einer der am bedrohtesten Senatoren der Democrats, waere verrueckt einen anti-Trump-Wahlkampf zu fahren. Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Mehrheits- und einem Verhaeltniswahlrecht ist, dass jede Teilwahl lokal entschieden wird, entlang lokaler Themen und entsprechend dem lokalen politischen Umfeld. Es ist dabei gleichgueltig, was die Mehrheit des Landes denkt. Die Democrats wuerden klug handeln, wenn sie Kandidaten aufstellen die lokal gewinnen koennen, auch wenn das bedeutet, dass sie nicht jeden parteipolitischen Lackmustest bestehen. In Kalifornien und Washington State, in Massachusetts und Vermont, in New Jersey und Connecticut sollten sie so viel ueber Trump reden wie moeglich. In West Virginia, in Ohio, in Iowa und im westlichen Pennsylvania wuerden sie gut tun Jobs und bessere Loehne zu thematisieren …

    • Stefan Sasse 26. Mai 2018, 08:23

      Selbstverständlich! Aber „die Democrats“, also die nationale Partei, hat IMHO gar keine andere Wahl. Wie der Artikel ja auch ausführt sind einzelne Kandidaten in „GOP-Land“ natürlich darauf angewiesen andere Wege zu gehen. Aber die Democrats können ja ihren Wahlkampf nicht von den Spezialbedürfnissen Manchins in West Virginia abhängig machen, das wäre irre.

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