Gemischtwarenladen SPD

Kollege Pietsch war ja schon so freundlich und hat das reichlich unterambitionierte Sondierungspapier der GroKo 3.0 allgemein zusammengefasst. Ich möchte die gute Vorarbeit nutzen und einen spezielleren Blick auf die Positionen der SPD werfen.

Um das gleich vorweg zu nehmen: Für die Union ist diese Sondierung ein Fest. Nach dem Schock, dass FDP und Grüne tatsächlich größere Pläne hatten als das Land nur so vorsichhinzuregieren, waren die Verhandlungen mit der SPD sicherlich eine Erholung. Infolgedessen sind alle Knackpunkte, die FDP und Grüne hatten, schnell abgeräumt. Der Soli wird schrittweise abgebaut, Kohle und Verbrennungsmotor bleiben erhalten und in Fragen der Asylpolitik konnte die CSU nahezu ihre Maximalforderungen durchsetzen. Für Klima und Digitalisierung reichen endlich wieder möglichst wolkige und vage Versprechen. Dazu kommt der Vorteil, dass normalerweise niemand von den Konservativen irgendeine Art von Zukunftsvision erwartet. Dass diese Kritik in letzter Zeit doch mehrmals auch an die Adresse der Union ging, zeigt eigentlich nur, welch gigantische Leerstelle die progressiven Parteien hier haben entstehen lassen.

Und damit zur SPD. Das Sondierungspapier zeigt einmal mehr auf, dass die SPD nicht weiß, wer sie ist und was sie eigentlich soll. Fragen, die eigentlich wie gemacht für den Wahlkampf sind, bei dem Parteien ihre Visionen und Projekte in einer Art Idealwelt vorstellen können. Der Partei gelang allerdings das Kunststück viele hundert Seiten Wahlkampfprogramm zusammenzutexten, in die Öffentlichkeit schaffte es aber nur „Irgendwas mit Sozialer Gerechtigkeit“. Zusätzlich zu weiteren Fehlern im Wahlkampf war das schlechte Ergebnis nicht weiter verwunderlich und das schnelle Platznehmen auf der Oppositionsbank die logische Konsequenz.

So weit – so unspektakulär. Eine gewisse Routine im Erklären schlechter Wahlergebnisse und Asche aufs Haupt streuen kann man der SPD nicht absprechen. Das Platzen der Jamaika-Gespräche und der folgende Rüffel vom Bundespräsidenten setzten dem gemütlichen Einrichten in der Opposition ein Ende und verwandelten die Partei zunächst in einen kopflosen Hühnerhaufen. Anstatt die Zeit für interne Absprachen zu nutzen, in der die Öffentlichkeit noch mit der Kritik an den Jamaika-Verhandlern beschäftigt war, startete ein Wettkampf, welcher SPDler den absurdesten Vorschlag für eine künftige Regierung machen würde.

Doch nach und nach fiel auf, in welch absurd guten Verhandlungsposition die Sozialdemokraten plötzlich waren. Sie konnten mit einer Hand auf die Kanzlerin und die Union verweisen, die absolut dringend auf eine Regierungsbildung angewiesen waren und mit der anderen Hand auf die eigene, regierungsunwillige Basis, die nur mit einem mächtigen Pfund Fleisch von einer weiteren Regierungsbeteiligung überzeugt werden könnte. Ach, hätte man den Wahlkampf nur für konkrete Ideen und Projekte genutzt, alle Wünsch wären erreichbar gewesen. Dummerweise war diese Schublade leer und das einzige, was plötzlich mehrmals Erwähnung fand, war die Bürgerversicherung. Ein Konzept, dass so alt ist, dass ich es noch aus meiner eigenen Schulzeit kenne und für die sicherlich selbst SPD-Mitarbeiter die Archivare befragen mussten und dass weder in diesem noch in vorherigen Wahlkämpfen irgendeine Rolle gespielt hat. Wenn eine Partei einen Wunsch frei hat und ihr nichts anderes einfällt, als ein 15(!) Jahre altes Projekt, ist das wahrlich ein Armutszeugnis.

Vielleicht wäre der Zombie zumindest als Drohpotenzial verwertbar gewesen, wenn man denn andere Ideen in der Hinterhand gehabt hätte. Dummerweise war außer dieser verstaubten Kiste der Ideendachboden der SPD leer. Wohlwollend und mit sehr viel Nachdenken lassen sich aus dem Wahlkampf zwei konkrete Sachthemen herauslesen. Da hätten wir zum Einen die Leiharbeit, zu der es zwar keine konkreten Ideen gab, aber immerhin ist klargeworden, dass die SPD kein Freund davon ist. Die Ansprüche sind ja gering – oder zu hoch, man weiß es nicht. Das ganze Thema war dann nämlich wohl doch nicht so wichtig, im ganzen Sondierungspapier hat es nicht einmal zu einem Halbsatz und einer wolkigen Absichtserklärung gereicht.

Als zweites wäre der Versuch zu nennen, Angela Merkel einen Stahlhelm aufzusetzen und sie zur großen Liebhaberin von Aufrüstung und fremder Atombomben im Land zu erklären. Meines Erachtens damals schon eine unglückliche Schnapsidee, aber was soll’s, denn auch zu diesem Thema findet sich im Sondierungspapier kaum ein Halbsatz. Weiterhin gilt das Versprechen 0,7% des Haushalts für das Militär aufzuwenden, eine uralte Absichtserklärung, die meines Wissens noch nie auch nur annähernd erreicht wurde.
Was bleibt ist der in der Überschrift zitierte Gemischtwarenladen. Ein bisschen mehr Kindergeld, ein bisschen weniger Soli. Ein bisschen weniger Glyphosat, ein bisschen mehr Elektroautos. Dazu ein paar wolkige Versprechen und Absichtserklärungen zu diesem und jenem und ein bisschen Zahlenakrobatik für Mathematikliebhaber wie Herrn Pietsch. Als größter Erfolg wird sage und schreibe die wiederhergestellte Parität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der gesetzlichen Krankenversicherung verkauft. Eine Sache, so klein dass sie kaum eine Erwähnung wert sein sollte und so langweilig, dass 80% der Öffentlichkeit entschlafen sind, bis man das Wortungetüm ausgesprochen hat. Wäre die Sache jetzt schon eingetütet und unter Dach und Fach müsste man zwar ob der Unterambitioniertheit seufzen und Kanzlerin und Union zu ihrer Verhandlungstaktik gratulieren. Es wäre aber nicht die SPD, wenn sie sich ihr größtes Problem im Vorfeld nicht selbst geschaffen hätte. Zu allem Unbill ist sie auch noch gezwungen in den nächsten Wochen sowohl der Öffentlichkeit als auch der eigenen Basis diesen Wisch als großartigen Verhandlungserfolg verkaufen zu müssen und den Eindruck zu zerstreuen, sie hätte sich komplett über den Tisch ziehen zu lassen. Die Kanzlerin kann nach den Dauerverhandlungen der letzten Wochen endlich Urlaub machen – egal wie die Entscheidung auch ausfällt, die SPD wird am Ende als größter Verlierer hinausgehen.

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  • Ralf 13. Januar 2018, 21:12

    Ein Artikel, dem ich aus vollem Herzen zustimmen kann. Bis auf diesen einen Punkt:

    Doch nach und nach fiel auf, in welch absurd guten Verhandlungsposition die Sozialdemokraten plötzlich waren.

    Die Sozialdemokraten sind nie in einer guten Verhandlungsposition gewesen. Sie standen vielmehr mit dem Ruecken zur Wand. Linke haben die Partei ohnehin bereits aufgegeben. Und die kommen auch nicht wieder zurueck. Interessant ist die etablierte Schroeder/Hartz IV-SPD nur noch fuer Waehler rechts der Mitte. Und diese Klientel honoriert nicht, wenn man aus der Verantwortung fluechtet. Waere die SPD aus den Verhandlungen ausgestiegen, waeren genau diese Waehler enttaeuscht zur Union abgewandert. Die SPD waere dann bei Neuwahlen unter 20% gelandet, moeglicherweise sogar deutlich unter 20%. Das haette Mandate im Bundestag, und damit Posten gekostet. Jetzt mit der neuen GroKo werden die Posten erst in vier Jahren verloren gehen. Ein voller Erfolg also.

    Zumindest fuer die, die Bundestagsabgeordnete der SPD sind.

    • Ariane 13. Januar 2018, 21:54

      Danke erstmal^^
      Ist nicht falsch, was du sagst, ändert aber meiner Meinung nach nichts daran, dass die SPD in einer guten Position war. Wären ja Kanzlerin und Union gewesen, die mit der Regierungsbildung beauftragt waren und das dann wiederholt nicht gebacken bekommen. Hätten sie im Wahlkampf irgendein konkretes Projekt gehabt – ob nun Bürgerversicherung, Leiharbeit verbieten oder meinetwegen auch Freibier jeden zweiten Donnerstag – wäre ganz klar gewesen, dass das jetzt im Mittelpunkt der Verhandlungen steht und die Union müsste entweder klein beigeben oder es ganz, ganz teuer abkaufen. So sind sie einfach planlos in die Verhandlungen reinmarschiert und kamen dann mit drei Brotkrümeln wieder raus, die sie jetzt auch noch als riesige Goldnuggets verkaufen müssen.

      • Ralf 13. Januar 2018, 22:16

        Hätten sie im Wahlkampf irgendein konkretes Projekt gehabt – ob nun Bürgerversicherung, Leiharbeit verbieten oder meinetwegen auch Freibier jeden zweiten Donnerstag – wäre ganz klar gewesen, dass das jetzt im Mittelpunkt der Verhandlungen steht und die Union müsste entweder klein beigeben oder es ganz, ganz teuer abkaufen.

        Das stimmt natuerlich. Aber wie Du ja selbst schreibst, ist dieses Kind nun schon lange in den Brunnen gefallen. Da hat die SPD den Bundestagswahlkampf versemmelt. Das ist nicht in erster Linie ein Versaeumnis der Partei NACH den Wahlen.

        Allerdings hat die SPD nach den Wahlen natuerlich alles nochmal schlimmer gemacht, indem sie anstatt Schulz oeffentlichkeitswirksam in die Wueste zu schicken und sich inhaltlich neu aufzustellen mit einem Kernthema, lieber alles beim Alten belassen hat. Selbe Fuehrungsmannschaft. Und Fortsetzung der Inhaltsleere. Und als Jamaika dann scheiterte, musste man ploetzlich doch wieder in die GroKo oder wuerde bei Neuwahlen noch weiter einbrechen. Jetzt werden die Sozialdemokraten noch nicht einmal den kleinen Oppositionsbonus einfahren koennen in vier Jahren. Wenn es ganz schlecht laeuft, ist die SPD eventuell bei der naechsten Wahl noch nicht einmal mehr zweitstaerkste Kraft im Bundestag. Schroeder und seine Nachfolger haben ganze Arbeit geleistet.

        • Ariane 14. Januar 2018, 11:44

          Ja, theoretisch schleppt die SPD das Problem ja noch viel länger mit sich herum, aber ich wollte nicht in der Steinzeit anfangen^^

          Naja, Opposition an sich ist noch keine automatische Erneuerung. Ich glaube auch nicht, dass die Verhandlungen dann besser gelaufen wären, obwohl ich mit Schulz absolut gar nichts mehr anfangen kann. Nachdem die SPD ihre letzte Oppositionszeit vollkommen ungenutzt gelassen hat, halte ich die Frage der Sitzplatzordnung für irrelevant. Und die Parteispitze leitet keine Diktatur, es fehlt imo schon an der Basis an Ideen und Erneuerungswillen.

  • CitizenK 13. Januar 2018, 21:44

    „nichts anderes einfällt, als ein 15(!) Jahre altes Projekt“

    Mit diesem Argument hätte es weder die Abschaffung der Sklaverei noch das Frauenwahlrecht gegeben. Selbst der Achtstundentag hat länger gebraucht. Nur, weil ein Projekt mangels Mehrheit nicht umgesetzt werden konnte, ist es noch nicht falsch.

    Die SPD hat gewiss viele Watschen verdient, diese nicht. Und das unabhängig davon, was man von der Bürgerversicherung hält.

    • Ariane 13. Januar 2018, 22:24

      Natürlich. Es geht mir aber nicht darum, dass das bislang nicht umgesetzt wurde, noch nicht einmal darum, ob das nun eine gute oder schlechte Idee ist.

      Die Kämpfer gegen die Sklaverei oder für das Frauenwahlrecht haben ihre Idee kontinuierlich vorgetragen – ganz egal ob es dafür eine Mehrheit gab oder nicht. Und genau das hat die SPD eben nicht getan und das werfe ich ihr vor. Sie hat ihr Projekt über ein Jahrzehnt lang einfach gar nicht mehr erwähnt und auch sonst diesen ganzen Themenkomplex „bei der Krankenversicherung gibt es ein Problem – übrigens!“ komplett ausgespart. In diesem Wahlkampf, in den Wahlkämpfen davor und auch dazwischen hat nichts mit der Krankenversicherung allgemein jemals eine Rolle gespielt.

      Es wäre ja alles nur halb so schlimm, wenn man nun sagen könnte „Nun gut, dafür hat die SPD sich um andere große Dinge gekümmert“, aber dass dieser Zombie plötzlich wieder daherkam zeigt ja schon, dass die Bürgerversicherung das letzte ehrgeizige, (unerfüllte) Projekt ist, an das sich die Sozialdemokraten erinnern können.

      • Erwin Gabriel 14. Januar 2018, 13:25

        Zustimmung!

    • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 10:04

      Echt Leute? Geht’s nicht ein paar Nummern kleiner? Würde man 100 willkürlich ausgewählte Bundesbürger befragen, ob die Umgestaltung des Gesundheitswesens von der Wichtigkeit mit dem Frauenwahlrecht oder der Abschaffung der Sklaverei konkurriert – wieviele würden einer solchen Aussage zustimmen? Ein geviertelter Bundesbürger, der by accident zuletzt LINKE gewählt hat?

      Wo wart Ihr eigentlich, als im letzten Semester der Gesundheitsminister – wie hieß er noch gleich? Ich hab’s: Gröhe – die Milliarden für neue Leistungen rausgehauen hat? Präventionsgesetz und wie die Dinger alle hießen? Er ist der Minister, der einen Milliardenüberschuss der Kassen praktisch auf Null gefahren hat. In historisch besten Zeiten, im Angesicht der Erwartung, dass nirgends die Kosten und damit die Belastungen der Beitragszahler in den nächsten Jahren so rasant steigen werden wie im Gesundheitswesen. Ein Gesundheitsminister, der vor populär oder nur unbekannt ist, musste vor dem Merkel-Adlatus erst noch gefunden werden. Ein solcher Minister ist definitiv eine Pfeife und die Richtung falsch.

      Wo wart Ihr, als das passierte? Gerade Wichtigeres zu tun gehabt?

      • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 16:55

        @ Ralf 15. Januar 2018, 02:38

        Unter diesem Hintergrund ist es bereits mehr als traurig, dass sich die FDP aus der Verantwortung gestohlen hat.

        Die FDP hat ihre Entscheidung ähnlich getroffen wie Sie:
        Geschaut, womit man leben kann und womit nicht, und entsprechend entschieden.

        es grüßt
        E.G.

        • Ralf 16. Januar 2018, 23:08

          Nun, die FDP haette mit vielem leben koennen, wenn sie die Ziele, die sie im Wahlkampf ganz nach vorne gestellt hat, tatsaechlich Ernst genommen haette. Stattdessen scheint es den Liberalen mal wieder nur um eines gegangen zu sein: Entlastungen fuer die Wohlhabendsten. Natuerlich muss ich das zur Kenntnis nehmen, wenn eine Partei kein anderes Ziel kennt als die weiter zu bescheren, denen es ohnehin bereits am besten geht. Aber dann haette sich die FDP doch bitte das Gerede von der Bedeutung der Digitalisierung und der Bildung und unseren Schulen und all dem Quatsch sparen koennen. Und sich stattdessen ehrlich und aufrichtig den einzigen Slogan auf die Fahnen schreiben koennen, der der Partei etwas bedeutet. Dann wuessten die Waehler wenigstens, was sie nach dem Urnengang erwarten duerfen …

          • Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 23:45

            Nun, an dieser Stelle scheinen wir beide uns zu wiederholen. Ich sage, die FDP hat ihre fünf zentralen Ziele in die Sondierungen eingebracht, darf aber nie ohne etwas in Wirtschaft und Finanzen herauskommen. Sie sagen, das ist doch eh nur das alte, monothematische, Entlastung der Besserverdienenden. Dann setzen wir hier einen Punkt.

            • Ralf 17. Januar 2018, 00:25

              Man kann mit fuenf zentralen („fuenf zentrale“ sind eigentlich schon ein Widerspruch in sich) Zielen in Verhandlungen gehen, aber als kleiner Koalitionspartner, der gerade mal ein Fuenftel der Stimmen dieser Koalition kontrolliert, darf man nicht erwarten auch mit allen fuenf Zielen befriedigt wieder herauszukommen.

              Im uebrigen ist es falsch was Sie nahelegen, naemlich, dass die FDP fuer fuenf Ziele gekaempft haette, die nach aussen hin alle als „gleich wichtig“ (also aehnlich „zentral“) verkauft worden waeren. Vielmehr haben die Liberalen die Digitalisierung vor alles andere gestellt. Dann kam Bildung. Dann kam lange nichts. Vom Soli war konkret kaum die Rede, es sei denn Sie gingen auf eine FDP-interne Wahlkampfveranstaltung. Googeln Sie dazu nochmal die FDP-Plakate. Diesmal Bilder auf dem deutschen Google, gesucht mit den Begriffen „FDP“, „Plakate“ und „2017“. So sehen die Themen der Top20-Hits aus:

              1), 2), 16), 20): Digitalisierung
              12), 13) , 17): Bildung
              4), 8): Sicherheit/Verbrechensbekaempfung
              7): Sammelbild Digitalisierung+Bildung+Wirtschaftspolitik
              3) Wirtschaftspolitik
              11) Buerokratieabbau
              15) Steuerentlastung

              Fuenf Plakate (die Bilder 5), 6), 9), 10) und 14)) sind ohne Slogan, der sich auf ein konkretes politisches Vorhaben bezieht (z.B. „Nichtstun ist Machtmissbrauch“).
              (Bilder 18) und 19) sind Satire bzw. ein Plakat von der Bundestagswahl davor)

              Wie erwartet dominiert das Thema „Digitalisierung“ mit 5 Treffern (inkl. dem Sammelbild), gefolgt von „Bildung“ allgemein mit 4 Treffern. Diese Plakate ueberschneiden sich allerdings thematisch zu einem einzigen groesseren Komplex (z.B. Slogan „Das Digitalste in der Schule duerfen nicht die Pausen sein“). Dieses Thema hat in der Aussendarstellung der Liberalen im Wahlkampf also eine ueberragende Bedeutung gehabt.

              Wirtschaftspolitik und Sicherheitspolitik mit jeweils zwei Treffern kommen weit abgeschlagen dahinter. Nur ein einziges Plakat ging auf Steuerentlastungen ein, ohne jedoch den Soli konkret zu nennen. Tatsaechlich wird der Soli konkret auf keinem der Plakate erwaehnt.

              Wenn es wirklich so ist, wie Sie sagen und fuer die FDP ist ein „Sine qua non“, dass die Wohlhabendsten weiter entlastet werden. Wenn die FDP also keine Koalition eingehen kann, ohne die Reichsten zu bescheren. Wenn dies der eine kritische Punkt ist, ohne den die Partei einfach keine Koalitionsvereinbarung unterschreiben kann. Dann waere es doch nett gewesen, wenn das im Wahlkampf auch so gesagt worden waere. Der Waehler haette dann die Moeglichkeit gehabt, diese offenbar immens wichtige Information in seine Wahlentscheidung einfliessen zu lassen.

              • Stefan Pietsch 17. Januar 2018, 08:57

                Man kann mit fuenf zentralen (..) Zielen in Verhandlungen gehen, aber als kleiner Koalitionspartner, der gerade mal ein Fünftel der Stimmen dieser Koalition kontrolliert, darf man nicht erwarten auch mit allen fünf Zielen befriedigt wieder herauszukommen.

                Das behauptet ja auch keiner. Die FDP hat weit zu Beginn zentrale Ziele weit zurückgenommen, was Sie beiseite schieben. Abschaffung des Mittelstandsbauchs in der Einkommensteuer, die nunmal dringend angezeigt ist? Gekillt. Ebenso auch die Beendigung der Transferunion über den ESM. Sie können doch nicht behaupten, die Liberalen hätten sich überhaupt nicht bewegt.

                Im übrigen ist es falsch was Sie nahelegen, nämlich, dass die FDP für fünf Ziele gekämpft hätte, die nach außen hin alle als „gleich wichtig“ (also ähnlich „zentral“) verkauft worden wären.

                Die Wähler machen sich eher eine Meinung über Wahlkampfveranstaltungen und Diskussionsrunden im Fernsehen als über Wahlplakate. Auf diese Art können Sie auch nachweisen, dass die LINKE gar nicht aus der NATO will. Die Grünen hatten 2013 sogar 12 zentrale Ziele, ohne dass dies Ihren Unmut hervorgerufen hätte. Und was soll das überhaupt? Die FDP bekommt das, was ohnehin ziemlich unstrittig zwischen den Parteien ist oder überhaupt nichts bringt, weil ein Verfassungsprinzip dagegen steht und gibt den anderen, wo man selbst Kröten schlucken muss. Wir können das auch umdrehen, um es deutlicher zu machen: Kompromisse bedeuten auch Dinge zu akzeptieren, mit dem man sich selbst schwer tut. Da ist bei den anderen aber nichts zu sehen.

                Können Sie für sich und für mich erklären, warum Union und SPD nun einen Abbau des Solis angehen, obwohl beide Parteien noch vor 2-3 Jahren diesem ablehnend gegenüberstanden? Was hat den Sinneswandel Ihrer Meinung nach bewirkt?

  • cource 14. Januar 2018, 08:45

    eine sache wurde vergessen und zwar musste die SPD einspringen damit die braune suppe nicht wieder ans ruder kommt, denn bei neuwahlen könnte die AFD zweitstärkste partei werden

    • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 10:19

      Die AfD an der Regierung? Bitte! Demnächst kann man vielleicht mit 15% zweitstärkste Partei werden, das mag sein. Aber 15% bleiben 15% und werden keine 30%. Und sollte das passieren, hätten alle, inklusive der nun von Ihnen hervorgehobenen Sozialdemokraten, schlimme Fehler gemacht.

  • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 10:16

    Ich kann Dir nicht zustimmen. Die SPD hatte keine gute Position, da änderte auch das Pfeifen im Wald nichts. Ausgerechnet die Bürgerversicherung zur Conditio sine qua non für Koalitionsverhandlungen zu erklären, war selten dämlich. Das eigene Konzept ist unausgegoren, bei Wahlen durchgefallen, die ersten Versuche der Umsetzung ein Desaster gewesen. Wer unter solchen Bedingungen eine solche Reform zum Gradmesser seines politischen Erfolges macht, ist nicht ganz bei Trost. Was ziemlich für die gesamte Partei zutrifft.

    Vor 4 Jahren konnte sich Merkel Großzügigkeit leisten. Die Zeiten sind vorbei, was nicht zuletzt die Einigung der Schwesterparteien auf eine Obergrenze zeigte. Sie steht unter Kuratel. Die CSU in Gestalt von Alexander Dobrindt hat diese Sondierungsgespräche bestimmt, nicht Horst Seehofer und nicht die CDU-Spitzen haben Steuererhöhungen bei Rekordeinnahmen des Staates verhindert. Allerdings hat auch die CDU aus den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen gelernt und die Sozialdemokraten trotz katastrophaler Verhandler nicht im Regen gelassen.

    Eigentlich wollte ich nach den ersten Nachrichten meinen Artikel damit einleiten, dass die SPD nun die Quittung für ihre Strategielosigkeit erhalten hätte. Nachdem ich das Original gelesen hatte, habe ich davon Abstand genommen. Sicher haben die Roten nicht die Überschriften bekommen. In den Details gibt es jedoch viel Linkes. Das ausformuliert, sehe ich Schlimmes. Politik wird über Header verkauft, aber die Gesetzesmachinerie gestaltet. Das sollte nicht vergessen werden.

    • Ariane 14. Januar 2018, 11:36

      Also ich weiß nicht, was ihr als Vergleichsmaßstab nehmt, aber natürlich war die SPD eigentlich in einer guten Verhandlungsposition für ihr Wahlergebnis.
      Es war nur absolut bescheuert, plötzlich die Bürgerversicherung aus der Kiste zu ziehen und das dann nicht durchzusetzen und als drittes auch nichts anderes zu haben, was man nun als großen Erfolg verkaufen kann.

      Politik wird über Header verkauft, aber die Gesetzesmachinerie gestaltet. Das sollte nicht vergessen werden.
      *hust* Das von dir zu lesen ist aber jetzt schon wieder überraschend 😉

      Schon klar, ich bin auch nicht grundsätzlich dagegen, nochmal vier Jahre eine GroKo zu haben, aber nur weil mich die Alternativen abschrecken. Jamaika wäre spannend gewesen, aber ich glaube nicht, dass das ohne vier Jahre irgendwas anderes möglich ist. Und Neuwahlen ist imo die absolut schlechteste Alternative.

      Das Dumme an der Politik ist nun mal, dass man sowohl die Header als auch die Gestaltung braucht. Und wir sind uns wohl alle einig, dass die SPD vor allem bei den Headern absolut versagt und dazu noch das Problem hat, den Kram nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch noch ihrer Basis verkaufen muss, damit sie überhaupt die Chance zur Gestaltung haben kann. Parität bei der Krankenversicherung ist nichts zum Herzeigen, Gießkannen-Investitionen auch nicht. Ich versteh nicht, wieso sie nicht bei der Leiharbeit angesetzt haben. Mal abgesehen davon, dass ich es auch für gute Politik halte, war das Thema im Wahlkampf, lässt sich gut verkaufen und man kann Leute vor die Mikrofone holen, die unter grundlosen Kettenleihverträgen leiden. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die darauf hoffen, dass die SPD schnellstmöglich sterben geht. Mein Wunschziel ist, die Union aus der Regierung zu drängen und ohne vernünftige Wahlergebnisse der alten Tante funktioniert das nun mal nicht^^

      • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 12:33

        Also ich weiß nicht, was ihr als Vergleichsmaßstab nehmt, aber natürlich war die SPD eigentlich in einer guten Verhandlungsposition für ihr Wahlergebnis.

        Nö. Denn es ist immer eine Frage der Alternativen. Und wenn es eine Partei gibt, die Neuwahlen noch mehr fürchten muss als die Union, dann ist es die SPD.

        Politik wird über Header verkauft, aber die Gesetzesmachinerie gestaltet. Das sollte nicht vergessen werden.
        *hust* Das von dir zu lesen ist aber jetzt schon wieder überraschend

        Wieso denn? Ich sehe das doch auch in Blogs. Sehr allgemeine Themen finden immer mehr Zuspruch als solche, wo es Vorkenntnisse und die Bereitschaft benötigt, sich etwas einzuarbeiten. Hätte die SPD verkaufen können, die Bürgerversicherung kommt und in Kleinschrift hätte gestanden, es wird nach dem Kopfpauschalensystem der Schweiz organisiert, hätten wahrscheinlich alle gejubelt. Übertrieben gesprochen.

        Schon klar, ich bin auch nicht grundsätzlich dagegen, nochmal vier Jahre eine GroKo zu haben, aber nur weil mich die Alternativen abschrecken.

        Nein, mich kein bisschen. Ein Mandat darf auch zurückgegeben werden, das darf in der Politik nicht anders sein als in der Wirtschaft. Die Bürger konnten sich dieses Schauspiel nun einige Monate ansehen, am Ende ist es ja das Ergebnis von dem, wie sie gewählt haben. Und den Umfragen zum Trotz denke ich schon, dass viele ihre Entscheidung vom September überdacht haben. Jedenfalls bin ich nicht der Ansicht, Parteien müssen um jeden Preis zusammenarbeiten, nur damit eine Regierung entsteht. Bei Jamaika haben alle Seiten gravierende Fehler gemacht, Fehler, die erstaunen. Ich denke schon, es hätte, anders gemanaged, klappen können.

        Bemerkenswert ist doch, dass selbst so bekennenden Linken wie Dir oder Ralf wenig mehr einfällt als Schutzrechte. Auch das Thema Leiharbeit wird nicht rocken, erstens sind zu wenige davon betroffen, zweitens gibt es mit der Gruppe keine echte Solidarisierung. Personen und Parteien gewinnen jedoch nur, wenn sie eine positive Botschaft vermitteln können. Das Griesgrämige der meisten Linken wirkt eher abschreckend. Die letzten Rocker waren Gerhard Schröder und Joschka Fischer, was strahlte das Wahlsiegfoto von 1998 für eine Lebensfreude aus!

        • Ariane 14. Januar 2018, 13:35

          Nein, mich kein bisschen.
          Ja, weil du von der konservativen Revolution und schwarz-Gelb mit Spahn als Kanzler träumst^^

          Ein Mandat darf auch zurückgegeben werden, das darf in der Politik nicht anders sein als in der Wirtschaft

          Es ist keine Frage des Dürfens. Ich halte das nicht für klug, alleine schon weil dann nochmal etliche Monate Geschäftsführung auflaufen ohne dass eine Klärung des Problems zu sehen ist. Wenn die Union nicht in der Lage ist, einen Partner zu finden, muss sie die Regierung eben alleine wuppen. Aber den Bürgern zu erklären, sie hätten sich da leider verwählt, ohne dass zwischendrin eine Form der Regierung versucht wurde, ist ein recht krasses Armutszeugnis. Und dann sind wir doch wieder bei der Frage, was die Spaßvögel da im Parlament eigentlich wollen.^^

          Die letzten Rocker waren Gerhard Schröder und Joschka Fischer, was strahlte das Wahlsiegfoto von 1998 für eine Lebensfreude aus!

          Verzeihung? Eben war das Gestalten noch wichtiger als Header und jetzt soll es aber auch noch zusätzlich was Rockendes sein? Außerdem ist das mit der positiven Botschaft doch Quark, was sollen denn Union oder AfD für Rockabily-Freunde parat haben?

          Aber bitte, Leiharbeit war erstmal das Naheliegendste, weil das im Wahlkampf ein wenig vorkam. Meinetwegen kann es auch eine Europa-, Bildungs- oder Investitionsoffensive sein, wo mal mehr rauskommt als Klein-klein und Kleckerbeträge. Dann hätte man was Positives zum Hausieren gehen. So gucken alle nur auf das, was nicht drinsteht, während die SPD-Spitze stolz auf ihre Prozentrechenkünste verweist. Das ist genauso bescheuert, wie mühsam 100 Seiten Wahlprogramm zusammenzuschreiben, wovon dann nur Quark in der Öffentlichkeit landet.

          • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 16:48

            Ich träume vor allem von mehr Selbstverantwortung, mehr den Blick nach vorne richten, den Wettbewerb mit den anderen Weltregionen annehmend und das Soziale für wirklich Abgehängte. Das ist eher eine liberale Revolution.

            Ich halte das nicht für klug

            Top-Leute, die siehst es ja im Fußball, lehnen eine Aufgabe ab, wenn sie unten den gegebenen Bedingungen einfach nicht leistbar ist. Auch dem Friedhofen, Entschuldigung, den Betreibern des Flughafens Berlin haben zuletzt zahlreiche Topleute der Branche abgesagt. Das ist stets ein Zeichen an die Eigentümer, Verantwortlichen, neu nachzudenken, was sie eigentlich wollen. Und so können sich Leute wie Ralf und Jens orientieren, was sie eigentlich mit ihrer Stimme für die LINKE bezwecken wollen. Außer der AfD und der LINKEN haben sich ja schließlich alle im Bundestag vertretenen Parteien inzwischen an der Regierungsbildung versucht. Fehlende Ernsthaftigkeit ist da kein passender Vorwurf.

            Eben war das Gestalten noch wichtiger als Header und jetzt soll es aber auch noch zusätzlich was Rockendes sein?

            Da hast Du mich falsch verstanden. Wir sind ja beide der Ansicht, das Personen und Themen Wahlen entscheiden. Das Problem: beides ist nicht leicht zu finden.

            Außerdem ist das mit der positiven Botschaft doch Quark, was sollen denn Union oder AfD für Rockabily-Freunde parat haben?

            Eigentlich behaupten nur Angela Merkel, Stefan und Du, die Union habe einen grandiosen Wahlsieg eingefahren. 😉 Für die Union geht der Trend insgesamt eher weiter nach unten, die letzten verbliebenen Anhänger, die das Schwarze noch mit der Muttermilch gespritzt bekamen, machen ihr Kreuz aus lauter Verzweiflung. Und die Verzweiflung der AfD-Sympathisanten ist ja ausreichend dokumentiert. Auch verzweifelte Menschen wählen, zum Sieg einer Partei tragen sie jedoch nicht bei.

            Aber bitte, Leiharbeit war erstmal das Naheliegendste, weil das im Wahlkampf ein wenig vorkam. Meinetwegen kann es auch eine Europa-, Bildungs- oder Investitionsoffensive sein

            Scherzkeks. Martin Schulz hat sogar vergessen, dass er lange Jahre Präsident des Europaparlaments war. Die FDP hat die Aufhebung des Kooperationsverbots wesentlich eleganter gespielt als die Sozis. Und meines Wissens benötigt die neue Koalition dafür noch eine verfassungsändernde Mehrheit. Ob die die Zahl ihrer Abgeordneten da nicht etwas überschätzen?

            Bei staatlichen Investitionen bekommen viele Bürger inzwischen Lachanfälle: viel Schrott, viel Inkompetenz, am Ende viel Geld verloren und eine Investitionsruine erhalten. Dazu haben gerade die Strukturkonservativen nicht mal den Mut, sich von alten Zöpfen wie den Telekomanteilen zu trennen, um Cash in de Tesch zu bekommen.

            • Ariane 14. Januar 2018, 19:13

              Top-Leute, die siehst es ja im Fußball, lehnen eine Aufgabe ab, wenn sie unten den gegebenen Bedingungen einfach nicht leistbar ist.

              Also deine Vergleiche werden aber auch immer absonderlicher. Es ist wohl eher so, als wenn Köln und der HSV den Antrag stellen, ob sie nicht vielleicht in der Ligue1 randürfen, weil sie in der deutschen Bundesliga Schwierigkeiten haben.^^

              Die hat doch niemand mit vorgehaltener Waffe gezwungen, sich zur Wahl zu stellen. Wenn das alles ach so schwierig ist, sollten die Parlamentarier entweder einen Berufswechsel erwägen oder zu AfD/LINKE wechseln, die sind auf Daueropposition eingerichtet.

              Außer der AfD und der LINKEN haben sich ja schließlich alle im Bundestag vertretenen Parteien inzwischen an der Regierungsbildung versucht. Fehlende Ernsthaftigkeit ist da kein passender Vorwurf.

              Achso ja dann, na klar, sie haben sich ja irgendwie bemüht. Mehr kann man nun wirklich nicht erwarten. Wer sowas wie Land regieren erwartet, sollte echt mal über seine Ansprüche nachdenken *lol*
              Du bist total dabei, „Mandat zurückgeben“ völlig zu normalisieren. Es hat durchaus Gründe, warum das verfassungsrechtlich nur mit Verrenkungen und Tricksereien möglich ist. Weder Land noch Parlament sind darauf ausgelegt, das Regieren einfach mal sein zu lassen.
              Ich bin der Meinung, dass die Union den Kram dann eben alleine regeln muss, wenn sie es sonst nicht gebacken bekommt. Das ließe auch in Zukunft die Möglichkeit einer GroKo oder Jamaika-Koalition offen, wenn sich bei den Beteiligten die Meinung ändert. Ohne, dass man wieder beim Wähler antanzt, weil der sich wohl irgendwie verwählt hat. Herrje, da braucht sich dann aber keiner mehr über Politikverdrossenheit wundern.

              Und so können sich Leute wie Ralf und Jens orientieren, was sie eigentlich mit ihrer Stimme für die LINKE bezwecken wollen

              Öh? Wieso denn? Die wussten doch, was sie bekommen und genau das bekamen sie auch. Ich stöhne zwar, aber es ist nun nicht sonderlich überraschend, dass die SPD sich in jeder Lage wie der letzte Depp aufführt. Insofern müssten hauptsächlich die FDP-Wähler neu überlegen, weil da nicht vorher bekannt war, dass Lindner & Co nicht regieren wollen. Es ist schon recht wohlfeil, einfach nur den anderen zu sagen, dass sie nochmal neu nachdenken sollen, das bei sich selbst aber weit von sich zu weisen.^^

              Scherzkeks. Martin Schulz hat sogar vergessen, dass er lange Jahre Präsident des Europaparlaments war

              Die Vorschläge waren auch nicht dafür gedacht, ausgerechnet deine Zustimmung zu bekommen. Ich wollte nur aufzeigen, dass man auch etwas Positives zum Vorzeigen finden könnte, wenn man denn wollte.

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 19:39

                Also momentan bewirbt sich der 1. FC Köln um einen Platz in der zweiten Liga, nicht in der Ligue 1, nur um Dich mal upzudaten. 🙂 Man hat nämlich festgestellt, dass man das Wichtigste im Fußball nicht kann, nämlich Tore schießen. Aktuell werden dazu Trainingskurse abgehalten mit dem Ziel, 2019 endlich einmal wieder Deutscher Meister zu werden – im Fußballunterhaus.

                Die FDP hat meines Wissens sich nicht beworben, den Bundeskanzler zu stellen. Sinngemäß war der Wortlaut im Wahlkampf, man richte sich auf Opposition ein, da man von einer Fortsetzung der schwarz-roten Koalition ausgeht. Sollte es für Konservativ-Liberal reichen, würde man sich dem nicht verweigern. Für Jamaika fehle die Phantasie. Also für mich hörte sich das in der Klarheit so an wie das von der LINKEN, die Rot-Rot-Grün gemacht hätte, aber nur das. Wie Du weißt, sehe ich das in Bezug auf Jamaika etwas anders, aber mich hat leider niemand aus dem Thomas-Dehler-Haus angerufen. Hatten wohl nicht meine Nummer.

                Wenn Du Bewerbungsgespräche führst, lotest Du aus, ob es passen könnte. Du könntest das auch Sondierungen nennen. Überraschend häufig kommt man zu dem Schluss, das passt halt nicht so. Das ist wohl auch in Ordnung, oder?

                Du bist total dabei, „Mandat zurückgeben“ völlig zu normalisieren. Es hat durchaus Gründe, warum das verfassungsrechtlich nur mit Verrenkungen und Tricksereien möglich ist.

                Es ist in einer Demokratie zumindest nichts Unnormales. Ja, für uns Deutsche schon, aber da sind wir schon wieder beim Thema Nabel und Welt. In den meisten Ländern ist es ziemlich einfach zu sagen, sorry lieber Wähler, das geht so nicht. Einfache Mehrheit und gut. Dieses Geschiss, wir dürfen doch nicht so lange wählen lassen bis ist nichts anderes als eine Schutzbehauptung.

                Es gibt verschiedene Bereiche, wo der Souverän nunmal so lange wählen muss bis es passt. Die Papstwahl ist so etwas Kompliziertes, da wird der Druck noch dadurch erhöht, dass die Kardinäle mindestens tagelang einkaserniert werden und mit Leuten in einem Raum verbringen müssen, die sie nicht leiden können. Und oben drüber wacht der liebe Gott und gibt einen Fingerzeig. Liebe Leute, sind wir piefig! Wir lassen lieber unansehnliche Politiker die immer gleichen Statements in Mikrophone absondern, die in Fernsehsendungen verbreitet werden, die niemand mehr sieht. Kann ich auch sagen: komisches Verständnis von Demokratie.

                Übrigens: Demokratie heißt Regieren durch Mehrheit, nicht Minderheit. Wo da eine Minderheitsregierung einen Platz hätte, wüsste ich nicht. Für mich ist Wählen jedenfalls ein ziemlich einfacher Akt, ich könnte es morgen schon tun. Einfach ein paar Schritte ins Wahllokal gehen, kurz Hallo gesagt, Zettel in Empfang genommen, zwei Kreuze, zack eingeworfen. Kannst Du mir erklären, wo da die Schwierigkeit liegt?

                • Ralf 14. Januar 2018, 19:44

                  Also momentan bewirbt sich der 1. FC Köln um einen Platz in der zweiten Liga, nicht in der Ligue 1, nur um Dich mal upzudaten. 🙂

                  Sie haben das falsche Emoticon verwendet. Dieses waere richtig:
                  🙁

                • Ariane 14. Januar 2018, 20:29

                  Die FDP hat meines Wissens sich nicht beworben, den Bundeskanzler zu stellen.

                  *sfz* Sind wir hier bei Staatskunde für Anfänger? Wir wählen ja auch keinen Bundeskanzler und keine Regierung, sondern Parteien für das Parlament, woraus sich dann Regierung, Opposition, Kanzler & Toilettenbevollmächtigter ergeben.
                  Ich persönlich halte schon die Fundamentalopposition von AfD oder LINKEn für nicht ganz sinngemäß, aber natürlich die Möglichkeit ist vorhanden und es finden sich Wähler. Und auch die FDP kann niemand zwingen, in die Regierung einzutreten. Allerdings verrennt sie sich jetzt ein wenig, sie will mit niemandem regieren, weist aber auch das Dasein als Fundamentalopposition weit von sich, Schrödingers FDP-Theorie also irgendwie^^

                  Lustigerweise bist du hier in der Community der einzige, der immer wieder bei Neuwahlen landet. Aber dann kommt doch so ziemlich als Erstes die Frage an Lindner „Was passiert, wenn die Mehrheiten wieder so ausfallen?“ Entweder schließt er dann Jamaika oder vielleicht noch zusätzlich Schwarzgelb mit Merkel kategorisch aus und sagt, dass er nur vorhat auf dem Rücksitz zu hocken und rumzumosern, während die anderen falsch regieren. (und dann müsstest du evtl doch überlegen, ob du einer Oppositionspartei deine Stimme gibst)
                  Oder er macht es einfach so wie du und erzählt, dass das mit Jamaika schon klappen wird nach der Neuwahl, womit er den ganzen Fragenkatalog nach den Scheitergründen wieder an der Backe hat. (das würde dich erfreuen, wäre PRtechnisch aber wohl eine Katastrophe).

                  Ich sehe nicht so wirklich, wie die FDP da rauskommen will. Klar, kann sie sich eine liberale Revolution herbeiphantasieren, aber das kauft der LINKEn ja auch niemand ab, wenn sie erzählt, sie schließt eine Regierungsbeteiligung nicht kategorisch aus.

                  Übrigens: Demokratie heißt Regieren durch Mehrheit, nicht Minderheit. Wo da eine Minderheitsregierung einen Platz hätte, wüsste ich nicht. Für mich ist Wählen jedenfalls ein ziemlich einfacher Akt, ich könnte es morgen schon tun. Einfach ein paar Schritte ins Wahllokal gehen, kurz Hallo gesagt, Zettel in Empfang genommen, zwei Kreuze, zack eingeworfen. Kannst Du mir erklären, wo da die Schwierigkeit liegt?

                  Ein reiches und braves Land zu regieren, erscheint mir auch wie ein einfacher Akt und ich könnte es morgen schon tun, wenn ich dazu aufgefordert werde. Also kannst du mir vielleicht erklären, was daran so schwierig ist? Und auch Minderheitsregierungen gibt es im Ausland durchaus und sind auch nicht undemokratischer als Neuwahlen, weil einem das Ergebnis nicht gefällt.

                  Wie erwähnt, wählt der Bürger Parteien und hat mit der Regierungsbildung eigentlich weiter gar nichts am Hut. Das Land und das Parlament sind nicht darauf ausgelegt, ohne Regierung zu sein. Aktuell ist das nicht so dramatisch, weil die GroKo sowohl die alte als auch neue Parlamentsmehrheit stellt, aber faktisch regieren jetzt Leute Deutschland, die niemand gewählt hat und die über keine demokratische Legitimität verfügen. Genau deswegen hat die Geschäftsführung nur stark eingeschränkte Kompetenzen. Wenn sich die Parlamentsmehrheiten anders verschoben hätten, wären sämtliche Verpflichtungen Deutschlands in Gefahr (EU-Überweisungen, Auslandseinsätze, etc. pp.)

                  Der aktuelle Zustand reizt die Verfassung also schon aus, mit einer Neuwahl könnte man nochmal locker 6 Monate draufrechnen. Ist ja schön, dass du morgen nichts vorhast und wählen gehen kannst, irgendwo in den Gesetzbüchern ist aber eine Mindestzeit (2-3 Monate) veranschlagt, die bis zur Wahl vergehen müssen. Bei zwei Bundestagswahlen so knapp hintereinander vermutlich mehr. Dazu müsste die Union sich die Neuwahl auch noch mit dem Präsidenten zusammen herbeitricksen, indem sie absichtlich die Abstimmung verliert. Für jemanden, der so gerne seinen Verfassungspatriotismus hervorkehrt, gehst du mit dem Ausreizen der Gesetze hier aber erstaunlich lax um.

                  • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 21:07

                    Ein reiches und braves Land zu regieren, erscheint mir auch wie ein einfacher Akt und ich könnte es morgen schon tun, wenn ich dazu aufgefordert werde. Also kannst du mir vielleicht erklären, was daran so schwierig ist?

                    Äh ja. Wenn Du nämlich mit mir zusammen regieren müsstest, hätten wir ein fundamentales Problem, da ich zuerst eine Flat-Tax einführen würde, im Gesundheitswesen wird auf eine Kopfpauschale umgestellt und die Bürger zu mehr Eigenvorsorge bei der Rente verpflichtet. Wenn Du mir folgst, haben wir kein Problem.

                    Für jemanden, der so gerne seinen Verfassungspatriotismus hervorkehrt, gehst du mit dem Ausreizen der Gesetze hier aber erstaunlich lax um.

                    Gut, da muss es jetzt endlich mal den Klugscheißer geben, um meine juristische Ehre wieder herzustellen:
                    Ist ja schön, dass du morgen nichts vorhast und wählen gehen kannst, irgendwo in den Gesetzbüchern ist aber eine Mindestzeit (2-3 Monate) veranschlagt, die bis zur Wahl vergehen müssen.

                    Nein, es ist eine Maximalzeit. Artikel 39 Abs. 1 GG bestimmt, dass innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden müssen. Also im Grunde könnten wir am Dienstag wählen. Nach Artikel 63 Abs. 4 Satz 3 muss Merkel nicht zur Bundeskanzlerin bestellt werden, wenn sie keine Kanzlermehrheit erreicht. Und diese hat sie derzeit nicht im Bundestag.

                    • Ariane 14. Januar 2018, 21:37

                      Äh ja. Wenn Du nämlich mit mir zusammen regieren müsstest, hätten wir ein fundamentales Problem

                      Nee, du warst mit dem Wählen schon zufrieden, ich würde dich höchstens als Sekretär und Pressesprecher für meine Gutmenschen-Utopie beauftragen 😀

                      Nein, es ist eine Maximalzeit. Artikel 39 Abs. 1 GG bestimmt, dass innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden müssen.

                      Stimmt. Ich meine ich hab auch mal von einer Mindestzeit gelesen, aber durchaus möglich, dass es da eher um das Organisatorische ging, dauert ja auch, die ganze Maschinerie wieder in Gang zu setzen. Die 60 Tage gelten ab Auflösung des Bundestags, also das würde bis dahin auch nochmal dauern.

                      Beim Rest bin ich gar nicht so sicher, nach dem ersten Wahlgang ist ja alles bisher nur Theorie, man müsste also sozusagen die Prozedur erstmal erfinden und der Präsident ist nicht verpflichtet, auf Neuwahlen zu entscheiden. Er kann auch den vielversprechendsten Kandidaten (also Merkel) mit einfacher Mehrheit ernennen und fertig.
                      Ich weiß gar nicht. Ist das Parlament verpflichtet, irgendwen zu wählen? Also gibt es Merkel – gar nichts – Enthaltung? Oder nur Merkel oder Enthaltung?

                      Vielleicht dürfen wir uns bei Stefan in die Sozialkunde-Klasse schleichen, um da wirklich durchzublicken^^ Wie gesagt, ich halte das für eine Ausreizung der Verfassung. Kann man machen, aber ich sehe den Notstand für solche Verrenkungen mithilfe von Notstandsgesetzen eben nicht

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 11:55

                      Das Verfahren ist im Grundgesetz festgelegt. Ist das Wahlverfahren erstmal in Gang gesetzt, kann es nicht mehr gestoppt werden (Artikel 63). In den ersten beiden Wahlgängen ist die Kanzlermehrheit (absolute Anzahl der Stimmen) erforderlich. Der Dritte folgt dann unmittelbar, wie auch die vorherigen ohne Aussprache. Soweit keine absolute Mehrheit erreicht wird, hat der Bundespräsident die Wahl, ob der die Person zum Kanzler ernennt oder Neuwahlen ausruft. So wie aus Schloss Bellevue zu hören ist, würde Steinbrück sich dann für letzteres entscheiden. Die Abgeordneten sind frei in ihrer Abstimmung, sie können sich in der geheimen Wahl auch enthalten. Wäre witzig, wenn dann Gauland die relative Mehrheit erhielte.

                    • Ariane 15. Januar 2018, 12:02

                      Naja, der Gauland will ja auch lieber Opposition sein statt Regieren^^

                      Und wie zählt das mit der Enthaltung? Also sagen wir, Merkel steht zur Wahl.
                      Es gibt 5 Ja-Stimmen, 2 x Nein und 700 Enthaltungen. Zählt das denn als relative Mehrheit oder braucht sie 51% Ja-Stimmen? Oder gibt es die Nein-Option gar nicht und es steht dann nur Merkel oder Enthaltung zur Wahl?

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 12:11

                      Stimmt, Gauland will ja auch nicht, Mist! 🙂

                      Im dritten Wahlgang zählt die relative Mehrheit, d.h. die Kanzlermehrheit ist nicht erforderlich. Enthaltungen sind neutral, also weder Zustimmung noch Ablehnung, sie zählen wie nicht abgegeben. Aber das nützt ja alles nichts, schließlich wird der Kandidat ja auch noch gefragt, ob er die Wahl überhaupt annimmt (Merkel würde sie nicht annehmen) und die Entscheidung liegt letztendlich beim Bundespräsidenten. Das ist anders als bei jemanden, der mit absoluter Mehrheit gewählt wurde. Da kann das Staatsoberhaupt die Ernennungsurkunde nicht verweigern.

                      Merkel würde sich nur Pro forma zur Wahl stellen, um den Vorgang abzuschließen und Neuwahlen einzuleiten. An der Stelle wird es ein abgekartetes Spiel, das aber notwendig ist.

                    • Ariane 15. Januar 2018, 12:25

                      Na wie gesagt, ich würde kein Geld drauf wetten, dass da im Ernstfall nicht doch nochmal anders entschieden wird.
                      Meiner Meinung nach müsste sie dann direkt zurücktreten. Man kann nicht heute die Annahme zur Kanzlerin verweigern und sich am nächsten Tag wieder frisch fürs Kanzleramt bewerben.

                      Aber hey, um Blogthemen bräuchten wir uns keine Sorgen mehr machen. Verkürzter Wahlkampf, CDU-Spitze weg, SPD-Führung futsch, Lindner müsste sich vorab festlegen, ob er regieren will oder nicht. Aber frustrierend ist es imo schon, wenn da ohne Not so ein Chaos verursacht wird.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 12:35

                      Die Leute sehen, dass eine Koalitionsbildung gescheitert ist. Und jeder weiß, dass zum Regieren eine eigene Mehrheit erforderlich ist. Genauso würde ja auch kommuniziert, dass Merkel sich nur pro forma zur Wahl stellt, schließlich wird bei einer Ablehnung eines Koalitionspapiers durch die SPD-Mitglieder alle Parteien sagen, dass jetzt Neuwahlen angestrebt würden. Das passiert ja alles nicht ohne Öffentlichkeit.

                      Natürlich wäre Merkel enorm beschädigt, wenn sie zweimal keine Regierung hinbekommt. Aber das wäre noch das kleinere Problem. Mit welchem Kandidaten sollte denn die SPD in ein neues Rennen kennen? Ich denke die Mitglieder wissen, dass sie ihre Partei mit einer Ablehnung zerlegen würden. Und mit einer Zustimmung in die Bedeutungslosigkeit führen.

                      Ich bin froh, kein SPD-Mitglied zu sein.

            • Ralf 14. Januar 2018, 19:40

              Und so können sich Leute wie Ralf und Jens orientieren, was sie eigentlich mit ihrer Stimme für die LINKE bezwecken wollen.

              Mir ist nicht ganz klar, was damit gemeint ist. Dass es eine Politik, wie ich sie mir wuensche, nicht geben wuerde, war von vornherein klar.

              CDU zu waehlen, haette bedeutet unseren jetzigen Status Quo fuer weitere vier Jahre festzuschreiben. Die Sozialdemokraten sind voellig unwaehlbar, weil unehrlich, unauthentisch, inhaltsleer, ohne Vision und ohne halbwegs ueberzeugendes Personal. Bleiben die Turbokapitalisten und Egoisten von der FDP, die in fast jedem denkbaren politischen Punkt das fundamentale Gegenteil dessen vertreten, was ich fuer richtig halte. Und natuerlich die Faschisten und Ewiggestrigen der AfD.

              Ausser diesen Parteien bleiben nur noch die Gruenen, die LINKE oder halt die Entscheidung die Stimme einer Kleinstpartei wie etwa der ÖDP zu geben, die den Sprung in den Bundestag nicht schaffen wird. Oder halt garnicht zu waehlen.

              Nicht waehlen halte ich persoenlich fuer verantwortungslos. Wer nicht waehlt, hat anschliessend auch kein Recht sich zu beschweren, wenn Politik gemacht wird, die man fuer falsch haelt. Und wie Sie sicher bemerkt haben, ich beschwere mich ganz gern … Meine Stimme einer Kleinstpartei zu geben, ist zwar inhaltlich vertretbar, stellt aber letztlich eine Verschwendung des kleinen bisschens politischen Einflusses dar, den ich eventuell haben koennte. Bleiben also die Gruenen und die LINKE als einzige Alternativen. Beide haette ich mit gutem Gewissen waehlen koennen. Beide vertreten viele Ziele, die ich unterstuetze. Ich sage aber auch ganz klar, dass beide ihre programmatischen Nachteile haben. Bei der LINKEN lehne ich etwa das bedingungslose Grundeinkommen kategorisch ab, ebenso wie den NATO-Ausstieg und einige andere ueberzogene Forderungen. Letztlich wird man aber bei jeder Partei immer etwas finden, womit man sich nicht anfreunden kann. Jede Wahl ist am Ende auch ein Kompromiss oder man muss halt seine eigene Partei gruenden. Am Ende hat bei mir unter anderem den Ausschlag gegeben, dass eine Stimme fuer die Gruenen moeglicherweise eine Stimme fuer eine Koalition unter Beteiligung der FDP haette sein koennen. Wie das Ergebnis der Bundestagswahl zeigt, lag ich damit auch garnicht so falsch. Fuer Schwarz-Gruen (oder Rot-Rot-Gruen, was ohnehin im Vorfeld ausgeschlossen worden war) haette es nicht gereicht.

              Mit der Stimme fuer die LINKE kann ich also gut leben. Wen haetten Sie mir denn empfohlen zu waehlen?

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 20:02

                Also den Text, warum Sie LINKE wählen, hätte ich auch schreiben können, was bedeutet, das war nicht mein Punkt. 😉 Schließlich hat Ariane ja mehr Punkte ins Pflichtenheft geschrieben als nur „Tue was Dir gut tut“. Schließlich sollen die Parteien sich so vernünftig verhalten, dass am Ende sogar eine Regierung dabei herausspringt. Nun stellt sich für mich die Frage, können wir von anderen verlangen, dass sie vernünftiger sind als wir selbst? Sie haben ja dezidiert den Grünen Ihre Stimme verweigert, weil diese sonst sogar noch regiert hätte. Geht gar nicht.

                Ich verstehe jedoch nicht einen Seitenaspekt, den Sie angeführt haben. Wieso sind Sie eigentlich für Rot-Rot-Grün? Schließlich sagen Sie über die dann führende Partei: Die Sozialdemokraten sind völlig unwählbar, weil unehrlich, unauthentisch, inhaltsleer, ohne Vision und ohne halbwegs überzeugendes Personal.

                Entschuldigung, aber mit solchen Leuten würde ich nicht mal Kaffeetrinken gehen, geschweige denn von ihnen regiert zu werden.

                • Ariane 14. Januar 2018, 20:44

                  chließlich hat Ariane ja mehr Punkte ins Pflichtenheft geschrieben als nur „Tue was Dir gut tut“.

                  Ja, nur meine ich damit die gesamte Parteienlandschaft und habe nur meine Stimme als einzigen Einfluss. Ich halte Fundamentalopposition für Quatsch, also wähle ich andere Parteien. Ralf dagegen hält eine Oppositionspartei für wichtig und wählt die LINKE, das ist nicht mein Geschmack, aber ich hab kein Problem, das zu akzeptieren.
                  Wir beide haben das bekommen, was wir erwartet haben und es liest sich so, als würden wir nicht zwingend unsere Entscheidung überdenken, warum auch?

                  Du dagegen hast eine Partei gewählt, eben damit sie an die Regierung kommt und warst sogar mit dem Wahlergebnis zufrieden und verhedderst dich jetzt als Fanboy unrettbar in den ganzen Widersprüchen, die sich da nun auftun. Das ist zwar irgendwie nett anzusehen, wie du dich abmühst, die FDP aus der Schusslinie zu bringen. Ich verwehre mich aber ganz entschieden dagegen, wenn du dadurch gleich sämtlich 754 (oder wieviel es sind) Parlamentarier aus der Verantwortung für irgendetwas entlässt.

                  Ehrenvoll, aber je allgemeiner du dabei wirst, desto mehr geht es in die Richtung „also kann ja nun niemand verlangen, dass nach einer Wahl eine Regierung zustande kommt“ Doch kann man. Muss man vielleicht sogar, denn das ist Sinn und Zweck der Übung und kein Freizeitvergnügen.

                • Ralf 14. Januar 2018, 22:00

                  Sie haben ja dezidiert den Grünen Ihre Stimme verweigert, weil diese sonst sogar noch regiert hätte.

                  Nein, ich habe den Gruenen nicht meine Stimme verweigert, weil sie sonst moeglicherweise regiert haetten, sondern weil mich die vermutlich einzige realistische Konstellation, in der sie haetten regieren koennen abgeschreckt hat. Ich haette z.B. mit Schwarz-Gruen leben koennen. Ist weiss Gott nicht meine Traumkombination, aber halt ein Kompromiss, den ich einzugehen bereit gewesen waere.

                  Waere hingegen Jamaika gekommen, waere – so zumindest meine persoenliche Befuerchtung – im wesentlichen die Politik einer normalen Schwarz-Gelben Koalition gemacht worden, mit den Gruenen als reinen Mehrheitsbeschaffern, die dafuer „ein bisschen Umwelt“ bekommen. Mehr noch, es haette bei den Gruenen genau die Kraefte gestaerkt, die der CDU und der FDP ohnehin schon nahe stehen (denn nur die haetten eine solche Koalition glaubwuerdig repraesentieren koennen). Und zwar auf Kosten der genuin linken, progressiven Kraefte, wegen derer ich die Gruenen ja erst gewaehlt haette. Jamaika waere fuer mich insofern eine Lose-Lose-Koalition gewesen. Und sehr wahrscheinlich waere ein solches Dreierbuendnis auch langfristig nicht besonders stabil gewesen. Also auch fuer Deutschland insgesamt keine tolle Loesung, selbst wenn man meine persoenlichen politischen Ueberzeugungen nicht teilt.

                  Ich verstehe jedoch nicht einen Seitenaspekt, den Sie angeführt haben. Wieso sind Sie eigentlich für Rot-Rot-Grün?

                  Rot-Rot-Gruen ist gegenwaertig extrem hypothetisch. Bei der vergangenen Bundestagswahl ist dieses Modell von der SPD kristallklar ausgeschlossen worden und stand somit nie zur Debatte. Eine solche Koalition kann also, wenn ueberhaupt, nur ein Modell der Zukunft sein. Nicht unserer konkreten Gegenwart.

                  Und ob Rot-Rot-Gruen ein Modell der Zukunft sein wird, steht heute voellig in den Sternen. So haben sich die Sozialdemokraten z.B. seit Jahren entschieden den politischen Selbstmord einer Koalition mit der LINKEN vorzuziehen. Wenn sich das nicht aendert, wird es Rot-Rot-Gruen nicht geben. Und bei den Gruenen ist ebenfalls unklar, wohin sich die Partei in den kommenden Jahren entwickeln wird. Wird sie zur zweiten CDU mit etwas juengerem, moderner auftretenden Personal und ein bisschen Öko-Tralala zur Gewissensberuhigung? Oder setzen sich diejenigen durch, die eine nachhaltige, soziale und progressive Zukunftspartei wollen? Rot-Rot-Gruen wird es nur im letzteren Fall geben. Und auch bei der LINKEN ist derzeit nicht klar, ob eine Chance zu regieren ergriffen wuerde, falls ein faires Angebot im Raum stuende. Moeglicherweise setzen sich Beton-Hardliner durch, die lieber Fundamentalopposition betreiben wollen, als vernuenftige, ausgewogene Kompromisse einzugehen. Wir bleiben also gespannt.

                  Sollte sich die SPD personell und politisch erneuern und einen neuen Kurs einschlagen, der fuer die Gruenen und die LINKE attraktiv sind und sollten sich in allen drei Parteien Persoenlichkeiten finden, die Vertrauen zueinander aufbauen und eine gemeinsame Vision fuer das Land haben, dann waere Rot-Rot-Gruen auch fuer mich wieder ein vielversprechendes Modell. Das wuerde dann allerdings eine andere SPD voraussetzen und die Chance dazu wird gerade zumindest fuer die naechsten vier Jahre verspielt. Vielleicht sprechen wir in acht Jahren noch mal ueber das Thema …

                  • Ariane 14. Januar 2018, 22:50

                    Also auch fuer Deutschland insgesamt keine tolle Loesung, selbst wenn man meine persoenlichen politischen Ueberzeugungen nicht teilt.

                    Hier möchte ich doch mal einhaken und ganz konkret fragen, ob du bei der aktuellen Konstellation eher für Neuwahlen, GroKo oder Minderheitsregierung bist`?
                    Schließlich sind wir hier nicht bei der Sondierung, vage Absichtserklärungen zählen nicht 😛

                    • Ralf 15. Januar 2018, 02:38

                      Neuwahlen machen aus meiner Sicht nur Sinn, wenn zu erwarten ist, dass sich das Wahlergebnis fundamental aendern wird. Das ist nur zu rechtfertigen, wenn sich die politische Ausgangslage aus irgendeinem Grund radikal geaendert hat. Ansonsten haben Politiker gefaelligst mit dem Votum der Buerger zu leben und eine Verantwortung dann das Beste, was erreichbar ist, fuer das Land herauszuholen. Die Parteien haben kein Recht die Menschen so lange waehlen zu lassen, bis ihnen das Ergebnis in den Kram passt. Ich wuerde sogar soweit gehen zu verlangen, dass sich CDU und LINKE auf eine Koalition verstaendigen koennen muessen, wenn es keine alternative, einleuchtende Option gibt. Demokraten muessen untereinander grundsaetzlich koalitionsfaehig sein. Immer. Punkt.

                      Minderheitsregierungen hingegen sind notorisch instabil. Wollen wir wirklich darauf wetten, dass es in den kommenden vier Jahren keine komplizierten Probleme, Krisen oder Herausforderungen geben wird? Oder dass die Politiker ploetzlich verantwortliches Handeln als neue Maxime fuer sich entdecken und so abstimmen, dass es dem Land nutzt, auch wenn es ihnen selbst schadet? Nein, sowas kann ueberhaupt nur ernsthaft in Betracht gezogen werden, wenn keinerlei plausible Koalitionsoptionen zur Verfuegung stehen. Und davon kann in unserer Lage keine Rede sein.

                      Gegenwaertig gibt es zwei Koalitionsoptionen, die eine klare Mehrheit haetten: Jamaika und GroKo. Ich bin politisch ueber keine der beiden Moeglichkeiten happy, aber die Rolle der deutschen Politik ist nicht mich persoenlich zufriedenzustellen. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass es fuer meine politischen Praeferenzen derzeit weder den politischen Willen in der Gesellschaft gibt noch realistische Mehrheiten. Andere haben die Wahl gewonnen. Also sollen die jetzt auch bitte regieren. So ist nun mal das Leben.

                      Unter diesem Hintergrund ist es bereits mehr als traurig, dass sich die FDP aus der Verantwortung gestohlen hat. Aber die SPD hat nun wirklich ueberhaupt keinen Grund auch noch davonzurennen. Wie das TV-Duell im Wahlkampf gezeigt hat, gibt es keine wesentlichen inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden grossen Parteien. Ob Merkel oder Schulz regiert, scheint voellig gleichgueltig zu sein. Beide Parteien scheinen auch kein Programm zu haben, das ihnen wichtig ist. Sonst haetten sie im Bundestagswahlkampf ja mal darueber gesprochen. Bei FDP, Gruenen und LINKEN (und sogar bei der AfD) wusste man wenigstens welche Themen diesen Parteien am Herzen liegen. Und CDU und SPD liessen auch ueber den gesamten Wahlkampf hinweg wenig Zweifel daran, dass sie nach der Wahl wieder gerne zusammenarbeiten wuerden. Mir sind auch keine besonderen Konflikte zwischen CDU und SPD aus der letzten Legislaturperiode bekannt. Wenn ueberhaupt haben sich CDU und CSU mehr miteinander gestritten als Merkel mit den Sozialdemokraten. Wenn sich die SPD also nach der Wahl hinstellt und behauptet es gaebe keine inhaltliche Grundlage fuer eine weitere Zusammenarbeit mit der Bundeskanzlerin, dann entbehrt das jeder sachlichen Grundlage. Aus all dem folgt: Sebstverstaendlich sollte jetzt die GroKo kommen. Ausser rein parteipolitischen Motiven spricht ueberhaupt nichts dagegen.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 10:11

                      Unter diesem Hintergrund ist es bereits mehr als traurig, dass sich die FDP aus der Verantwortung gestohlen hat.

                      Wären Sie in den Sondierungsverhandlungen gewesen, was hätten Sie den Liberalen zugestanden? Denn um jemanden für ein gemeinsames Projekt zu gewinnen, müssen sie ihm auch Gewinnanteile einräumen, das ist überall in der Welt so. Das letzte Angebot der Union war im wesentlichen 14 Milliarden Euro Entlastung beim Soli. Nur zur Erinnerung: die Sondierungen der ehemaligen Großkoalitionäre sehen 10 Milliarden Euro vor. 4 Milliarden Euro auf vier Jahre Unterschied – in der Bibel nannte man das Silberlinge. Kein Zugeständnis beim weiteren wichtigen Thema Euro, im Gegenteil, die FDP wäre geholt worden, das Gegenteil von dem zu tun, was man den eigenen Wählern versprochen hat und worauf geschlossen alle nordeuropäischen Partnerländer vertrauen. Keine Gewinne – da haben die Sozis wesentlich mehr bekommen, obwohl sie so viel mehr Gewicht nun auch nicht auf die Waage bringen.

                    • Ariane 15. Januar 2018, 11:20

                      Man stelle Ralf eine Frage und bekommt eine Antwort, so ausführlich wie ein ganzer Blogpost. Danke dafür erstmal 😀

                      Sehe ich ähnlich und es ist bei der SPD ja irgendwie kurios. Mit der Regierungsarbeit hab ich keine Probleme, seriös vorsichhinregieren können sie. Nur innerparteilich nehmen sie wirklich jeden Fettnapf und jeden Fehler mit, der möglich ist. Deswegen ärgert mich das Sondierungspapier auch so. Einerseits denke ich, dass sie wirklich mehr hätten herausholen können und das ist so gar nichts zum Herzeigen, um die eigene Basis mit ins Boot zu holen. Ist ja total albern. Wenn die Zustimmung kommt, dann nur mit Müh und Not und „muss ja“ und wenn es schief geht, stehen sie da wie der letzte Depp und die komplette Führungsriege kann ihren Hut nehmen (immerhin, dann könnte es vielleicht doch was werden mit Neuanfang^^)

                      Bei einem Nein wäre ich als Notlösung eher für eine Minderheitsregierung. Ich könnte mir vorstellen, dass das in der Praxis so etwas wie eine geheime GroKo wäre, einfach weil SPD und CDU sich in vielen Dingen einig sind und die Soli-Einigung oder mehr Stellen hier, mehr Geld da aus dem Papier würden sie vermutlich dann trotzdem durchziehen. Hätte zumindest den Vorteil, dass die Union alleinverantwortlich wäre und Ärger nicht auf den Partner zurückfallen würde.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 11:39

                      Bei einem Nein wäre ich als Notlösung eher für eine Minderheitsregierung.

                      Die Option besteht nicht. Sie wird von der Unionsspitze wie auch vom Präsidialamt abgelehnt. Die vorherrschende Ansicht: keine Vorteile, instabil und am Ende mündet eine Minderheitsregierung ohnehin in Neuwahlen. Daher lohnt es sich nicht, darüber zu debattieren. Die Alternative zur GroKo sind Neuwahlen.

                    • Ralf 15. Januar 2018, 22:20

                      Wären Sie in den Sondierungsverhandlungen gewesen, was hätten Sie den Liberalen zugestanden? Denn um jemanden für ein gemeinsames Projekt zu gewinnen, müssen sie ihm auch Gewinnanteile einräumen

                      Ums „Gewinnen“ geht es moeglicherweise, wenn man in eine Traumkoalition eintritt, die eine starke gemeinsame Zukunftsvision hat. Das war bei Rot-Gruen in 1998 gegeben. Das war auch bei Schwarz-Gelb unter Kohl so gegeben. Im Augenblick stehen Traumkoalitionen aber nicht zur Verfuegung. Dass Jamaika schwierig wuerde und allen Seiten unangenehme Kompromisse abverlangen wuerde war von vornherein klar.

                      Die Positionen der Parteien waren ja bekannt. Die CDU, als die sprichwoertlichen Konservativen, wuenschten sich ein „Weiter so“ ohne grosse Veraenderungen. Die Gruenen wuenschten sich mehr Europa, mehr Staat und tendenziell eher Steuererhoehungen. Die FDP wuenschte sich weniger Europa, weniger Staat und Steuersenkungen. Man stellt recht schnell fest, dass hier die CDU-Position, also das einfache Verwalten des Status Quo ohne grosse Veraenderungen die mittige Kompromissposition ist.

                      Nun kontrolliert die FDP gerade mal ein Fuenftel der Stimmen einer moeglichen Jamaika-Koalition im Bundestag. Da wir in politischen Koalitionen immer ein Stueck Realismus mitbringen muessen und nicht erwarten duerfen, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt, ist also klar, dass sich die FDP nur in einer kleinen Minderheit ihrer Kerninteressen durchsetzen kann. Was also koennten Projekte fuer FDP in einer potentiellen Jamaika-Koalition sein?

                      Wer den Wahlkampf verfolgt hat, hat bemerkt, dass die Liberalen immer und immer wieder ueber die Digitalisierung gesprochen haben. Zumindest in der Aussenwahrnehmung ist dies das Hauptwahlkampfthema der Partei gewesen. Googeln Sie mal die Begriffe „Plakate“ und „FDP“, und lassen Sie sich anschliessend die gefundenen Bilder anzeigen. Die Hits Nummer 1, 2, 4, 7, 8 und 9 (ich benutze http://www.google.com) betreffen die Digitalisierung. Hier haette die FDP ein Feld gehabt, auf dem sie sich haette profilieren koennen. Hier haette man einen Minister stellen koennen, der Verantwortung fuer dieses Schluesselthema nimmt. Ein weiteres Feld, auf dem die FDP haette punkten koennen, ist Bildungspolitik. Das ist doch auch frueher schon immer ein klassisches Gebiet der Liberalen gewesen. Schulen zu modernisieren, Universitaeten besser auszustatten. Und gerade mit so vielen Fluechtlingen im Land ist zukunftsweisende Bildungspolitik ein unheimlich wichtiges, zentrales Thema. Ausserdem haette man sich mit den Gruenen zusammentun koennen beim Thema Buergerrechte. Das ist doch auch ein alter FDP-Schlager. Hier haette man die Vorratsdatenspeicherung endgueltig verhindern koennen, die Privatsphaere der Menschen schuetzen koennen und das immer tiefer gehende Ausschnueffeln der Buerger durch Geheimdienste auf der einen Seite genauso wie durch Facebook und Co auf der anderen Seite deutlich einhegen koennen. Das ist doch auch ein Riesenthema fuer die Zukunft!

                      Und man haette auch die kommenden vier Jahre durchaus immer wieder formulieren koennen, dass man sich einen groesseren Sprung bei der Abschaffung des Soli gewuenscht haette und die Steuerzahler gerne weiter entlastet haette. Geht halt in einer Jamaika-Koalition nicht. In 2021 wird wieder Bundestagswahl sein und dann haben die Liberalen eine neue Chance. Vielleicht klappt es dann mit der Traumkoalition und sie koennen einen groesseren Teil ihres Programms umsetzen.

                      Aber wer sagt, dass die Schnittmengen zwischen Gruenen, CDU und Liberalen einfach nicht gross genug waren, um der FDP sinnvolle Projekte an die Hand zu geben, die es wert sind bearbeitet zu werden und fuer die sich die Partei im Wahlkampf eingesetzt hat, der hat den Blick fuer die Realitaeten verloren.

                      Das alles sage allerdings mit einer Einschraenkung. Es ist natuerlich sehr gut moeglich, dass sich die FDP tatsaechlich im Grunde nie fuer die Digitalisierung interessiert hat. Oder fuer unsere Schulen. Oder fuer Buergerrechte. Es ist moeglich, dass die FDP immer nur ein einziges Thema hatte, das ihr wirklich wichtig war. Naemlich dafuer zu sorgen, dass die Wohlhabensten noch ein Stueckchen wohlhabender werden. Mit so einem unpopulaeren Ziel kann man natuerlich keine Waehlerstimmen einfangen. In diesem Szenario haetten die Liberalen dann also Themen wie die Digitalisierung, Bildung und Buergerrechte lediglich vorgeschoben, um dem Waehler Sand in die Augen zu streuen, da es am Ende doch nur um Steuersenkungen fuer die Wohlhabenden gehen wird. In diesem Falle laesst sich das Scheitern von Jamaika und weshalb diese Koalition fuer Christian Lindner voellig inakzeptabel war natuerlich einleuchtend erklaeren. In diesem Falle ist mein Mitleid mit den Liberalen allerdings auch nur sehr begrenzt. Ich wuerde dann die Empfehlung aussprechen es im naechsten Wahlkampf mal mit mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu probieren.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 23:12

                      Man stellt recht schnell fest, dass hier die CDU-Position, also das einfache Verwalten des Status Quo ohne grosse Veraenderungen die mittige Kompromissposition ist.

                      Die Kurzfassung: die FDP konnte nicht erwarten, etwas für ihre Regierungsbeteiligung für ihre Klientel zu bekommen. Sie sehen, das wäre auch in einem Satz gegangen.

                      Man stellt recht schnell fest, dass hier die CDU-Position, also das einfache Verwalten des Status Quo ohne große Veränderungen die mittige Kompromissposition ist.

                      Lesen Sie doch dazu noch mal den Artikel, dem Sie bis auf einen Satz zustimmen konnten. Für Status quo haben wir die GroKo, warum sollte es da Jamaika geben, schließlich sind die beiden Kleinen dezidiert für Veränderungen gewählt worden?

                      Bei der Digitalisierung waren sich alle vier einig, das war kein Streitpunkt. Der FDP wäre bestenfalls der Lorbeer zugefallen, das in einem Ministerium voranzutreiben. Das ist ungefähr so wie jetzt bei der SPD die Sicherung der Renten bis 2025. Warum haben Sie dann Verständnis, dass die Grünen bis in die letzten Stunden um die Abschaltung soundsovieler Kohlekraftwerke und den Familiennachzug gestritten hatten? Laut Claudia Roth gab es da keine Einigung. Wollten die Grünen Deutschland wie schon immer in die industrielle Steinzeit führen? Ihre Diktion, nicht meine.

                      Warum konnte die SPD denn so viele Punkte machen, wenn sie nur gut 1/3 der Stimmen in eine GroKo einbringen können? Fair ist das nicht, so wie ich Sie verstanden habe.

                      Ich habe bis zum Schluss die Verhandlungen für eine Katastrophe gehalten. Besser ist das Modell Schleswig-Holstein. Jeder bekommt sein Revier und dann gibt es auch klare Verantwortlichkeiten. Einfach zusammenwerfen, FDP und Grüne ziehen entgegengesetzt und am Ende steht Merkel bringt niemanden etwas. Außer Merkel. Und wie soll der Wähler entscheiden, wer nach Ihrem Modell überhaupt Meriten erworben hat?

                      Warum gestehen Sie eigentlich nur der LINKEN Seriosität zu?

                    • Ralf 16. Januar 2018, 00:19

                      Die Kurzfassung: die FDP konnte nicht erwarten, etwas für ihre Regierungsbeteiligung für ihre Klientel zu bekommen. Sie sehen, das wäre auch in einem Satz gegangen.

                      Also das ist nun wirklich nicht die Kurzfassung meines Beitrags.

                      Die FDP haette aus der Gruppe ihrer Hauptwahlkampfthemen ausgerechnet das Thema positiv besetzen koennen, das die Partei selber im Wahlkampf ganz nach vorne gestellt hat. Und das ist die Digitalisierung.

                      Lesen Sie doch dazu noch mal den Artikel, dem Sie bis auf einen Satz zustimmen konnten. Für Status quo haben wir die GroKo, warum sollte es da Jamaika geben, schließlich sind die beiden Kleinen dezidiert für Veränderungen gewählt worden?

                      Die Kleinen sind dezidiert fuer Veraenderungen gewaehlt worden, allerdings widersprechen sich die Veraenderungen, die die Gruenen und die FDP wollen in vielen Kernpunkten diametral (mehr/weniger Staat, mehr/weniger Steuern, mehr/weniger Europa). Von einer vereinten Front oder einer gemeinsamen Vision kann nicht die Rede sein. Jamaika waere eine Vernunftehe und nicht eine Liebesheirat geworden. Aber Deutschland muss nunmal regiert werden. Leider manchmal unter Bedingungen, die optimaler sein koennten. Die Politiker und Parteien haben trotzdem eine Verantwortung zu ermoeglichen, dass das Land anstaendig und stabil regiert wird.

                      Und ja, eine GroKo waere aus inhaltlicher Sicht durchaus plausibler als Jamaika. Eine GroKo ist langfristig aber auch ungeheuer schaedlich fuer unsere Demokratie, wenn sie zur Dauerloesung wird. In Oesterreich kann man beobachten, wo staendige Grosse Koalitionen schliesslich hinfuehren. Am Ende werden immer die extremen Raender gestaerkt. In einer Koalition muss ein gewisses Mass an Harmonie herrschen, damit das gemeinsame Regieren klappt. Wenn aber die beiden grossen Parteien harmonisch miteinander sein muessen, koennen sie sich nicht mehr gegeneinander profilieren. Der kleinere Partner, sackt dabei immer weiter ab. Eine echte Alternative, ein echter Kampf um das Bundeskanzleramt findet nicht mehr statt. So stand Merkel bereits als Kanzlerin fest, lange bevor Martin Schulz die politische Buehne betrat. Das ist schlecht fuer unsere Demokratie und schlecht fuer unser Land.

                      Und die SPD hat die Kroete schon 2013 einmal geschluckt. Anders als 2005 gab es damals naemlich durchaus plausible Alternativen. Damals haben sich die Gruenen einen schlanken Fuss gemacht und die Sozialdemokraten haben am Ende einen bitteren Preis dafuer bezahlt, dass sie Verantwortung und Staatsraison gezeigt haben. Dass die kleinen Parteien, und zwar diesmal die FDP, schon wieder davonlaufen und aus parteitaktischen Motiven andere die Suppe ausloeffeln lassen, die der Waehler hinterlassen hat, ist erschreckend verantwortungslos. Die SPD kann nur um den Preis der Selbstzerstoerung in eine weitere GroKo gehen. Die Liberalen wissen das und reiben sich die Haende. Fuer unsere Demokratie ist das ein Tiefpunkt.

                      Bei der Digitalisierung waren sich alle vier einig, das war kein Streitpunkt. Der FDP wäre bestenfalls der Lorbeer zugefallen, das in einem Ministerium voranzutreiben.

                      Also erstens scheinen sich da nicht alle einig zu sein, denn in den Sondierungen zwischen CDU und SPD ist bezueglich Digitalisierung so gut wie garnichts rausgekommen. Ich erinnere mich auch nicht, Merkel im Wahlkampf jemals das Wort „Digitalisierung“ aussprechen gehoert zu haben. Und auch die Gruenen haben dieses Thema nicht so praesent und vor alles andere gestellt wie die FDP.

                      Und was ist eigentlich falsch an dem Lorbeer, den die Liberalen haetten einfahren koennen, wenn sie zugestimmt haetten dieses wichtige Thema in einer Schluesselposition anzuschieben? Seit wann ist ein Sieg ohne Streit kein Sieg mehr?

                      Warum haben Sie dann Verständnis, dass die Grünen bis in die letzten Stunden um die Abschaltung soundsovieler Kohlekraftwerke und den Familiennachzug gestritten hatten?

                      Jeder Partner hat das Recht in einer Sondierung hart zu verhandeln und zu versuchen so viel wie moeglich herauszuholen. Dieses Recht steht und stand auch der FDP zu. Anders als Lindners Truppe sind die Gruenen allerdings nicht vom Verhandlungstisch davongelaufen. Im uebrigen hat auch die FDP sich an manchen Punkten durchgesetzt. Die Gruenen wollten den Ihnen so verhassten Soli z.B. ueberhaupt nicht antasten. Die „Einigung“ der Jamaika-Kontrahenten sah hingegen einen vorsichtigen Abbau vor. Das mag Ihnen alles nicht weit genug gehen, aber sehen Sie auf dieses Ergebnis mal aus der Perspektive der Gruenen. In der Politik muss man eben Kompromisse eingehen. Manchmal sehr schmerzhafte Kompromisse.

                      Warum konnte die SPD denn so viele Punkte machen, wenn sie nur gut 1/3 der Stimmen in eine GroKo einbringen können? Fair ist das nicht, so wie ich Sie verstanden habe.

                      Welche Punkte? Es gibt keine Erhoehung des Spitzensteuersatzes, keine Buergerversicherung, kein Verbot von grundlosen Job-Befristungen. Welches grosse, bedeutende Projekt haben die Sozialdemokraten denn nun durchgesetzt in den Sondierungen? Bei der FDP, die gerade mal 20% der Stimmen fuer eine Jamaika-Koalition gestellt haette, gehen Sie wie selbstverstaendlich davon aus, dass die Partei nahezu 100% ihres Programms haette durchsetzen sollen. Bei den Sozialdemokraten finden Sie es hingegen normal, dass lediglich ein paar Brotkrumen abfallen, obwohl die SPD einen doppelt so grossen Einfluss in die Waagschale mitbringt als die Liberalen hypothetisch bei Jamaika. Da stimmt doch irgendetwas mit Ihrer Mathematik nicht so ganz …

                      Ich habe bis zum Schluss die Verhandlungen für eine Katastrophe gehalten. Besser ist das Modell Schleswig-Holstein. Jeder bekommt sein Revier und dann gibt es auch klare Verantwortlichkeiten.

                      Sag ich ja. Mit dem Thema „Digitalisierung“ und meinetwegen mit dem Thema „Bildung“ haette die FDP doch ihre Reviere gehabt.

                      Und wie soll der Wähler entscheiden, wer nach Ihrem Modell überhaupt Meriten erworben hat?

                      Wer politisch interessiert ist, dem eroeffnen sich im Medienzeitalter sicher Moeglichkeiten zu erfahren, wer Meriten erworben hat.

                      Warum gestehen Sie eigentlich nur der LINKEN Seriosität zu?

                      ???

                    • Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 09:15

                      Also das ist nun wirklich nicht die Kurzfassung meines Beitrags.

                      Das hatte ich schon so verstanden. Okay, wir werden weiter unten darauf eingehen.

                      Die FDP hatte im Wahlkampf fünf Themen vorangestellt, nicht eins. zum Grundsätzlichen: hinter Themen stehen Interessengruppen. Bei der Digitalisierung gewinnen die Liberalen bei den jungen Start-up-Gründern in Berlin, Hamburg, München und ihren wenigen Mitarbeitern. Außerhalb dieser Kreise ist Digitalisierung kein Gewinnerthema, so wichtig Leute wie Sie und ich das auch halten. Selbst wenn die FDP binnen vier Jahren Deutschland zu einem Vorzeigeland auf diesem Feld machen würde, kämen Sie nicht im Leben darauf, bei der Partei ihr Kreuz zu machen. Umgekehrt hat sich die FDP mit ihrer alten Klientel den Apothekern angelegt, weshalb diese zur CDU/CSU abgewandert sind.

                      In Österreich kann man beobachten, wo ständige Große Koalitionen schließlich hinführen.

                      Wieso, wohin denn? In unserem Nachbarland gibt es endlich wieder eine echte Frontstellung, das was Demokratie braucht. An der Spitze der Regierung steht nun ein charismatischer Politiker und die FPÖ ist nur deswegen so stark geworden (ähnlich wie in Deutschland), weil die Politik auf Teufel komm raus eine Migration durchsetzen wollte, die weitgehend abgelehnt wird.

                      Am Ende werden immer die extremen Ränder gestärkt.

                      Obwohl auch ich diesem Argument regelmäßig anhänge, stimmt es so auf Deutschland bezogen nicht uneingeschränkt. Die LINKE als Exponent auf der einen Seite bewegt sich seit mehreren Wahlen konstant um die 9%, während denen sich ihrer Wählerbasis veränderte, nicht jedoch ihre Prozentwerte. Und rechts gibt es die AfD, sicher. Sie ist aber kein Ergebnis eines singulären Ereignisses und ihre Entstehung ebenso. Entstanden ist sie nämlich in der Regierungszeit von Schwarz-Gelb. Tatsächlich rückt das Elektorat nach rechts, wie in den führenden Demokratien auch. Eigentlich alles normal.

                      Allerdings führte die GroKo zu einem Zerfasern der politischen Landschaft. Neben der AfD haben wir drei weitere nur noch halbkleine Parteien, die um jeweils 10% kreisen – und nicht um die 5%-Hürde. Das ist die wahre politische Veränderung.

                      Damals haben sich die Grünen einen schlanken Fuß gemacht

                      Das haben Sie in den Jahren nach 2013 nicht so gesehen. Warum die andere Einschätzung?

                      Also erstens scheinen sich da nicht alle einig zu sein, denn in den Sondierungen zwischen CDU und SPD ist bezueglich Digitalisierung so gut wie garnichts rausgekommen.

                      Sie wissen, was die CDU will? 😉 Ich kann nur zitieren, was die Sondierer im Herbst zu Protokoll gaben. Beim Thema Digitalisierung sei man sich am schnellsten einig gewesen.

                      Und was ist eigentlich falsch an dem Lorbeer, den die Liberalen haetten einfahren koennen, wenn sie zugestimmt haetten dieses wichtige Thema in einer Schluesselposition anzuschieben? Seit wann ist ein Sieg ohne Streit kein Sieg mehr?

                      Die Grünen bekommen die Abschaltung von Kohlemeilern als Beute, die CSU die Obergrenze und die FDP Digitalisierung, die allen Parteien angeblich wichtig ist? Nur so: Das ist ein Querschnittsthema, ich weiß nicht mal, inwieweit man sich einig war, wesentliche Kompetenzen aus den anderen Resorts in einem Ministerium zusammenzufassen. Ohne das ist ein Regierungsbereich „Digitalisierung“ ein zahnloser Tiger.

                      Sie wissen, dass die Grünen ohne das Thema Umwelt und Klima nicht vor ihre Wähler treten können. Eine Regierung, wo die Partei das Justizministerium, nicht aber das Umweltministerium besetzt, ist nicht denkbar. Bei der FDP ist es das Thema Finanzen und Wirtschaft. Die Liberalen müssen Einfluss auf Steuern und Geldflüsse haben, sonst macht eine Regierungsbeteiligung keinen Sinn.

                      Welche Punkte? Es gibt keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, keine Bürgerversicherung, kein Verbot von grundlosen Job-Befristungen.

                      Ich habe schon geschrieben, die Überschriften gehören nicht den Sozialdemokraten, wohl aber die Details.

                      Bei der FDP (..) gehen Sie wie selbstverständlich davon aus, dass die Partei nahezu 100% ihres Programms hätte durchsetzen sollen.

                      Nein. Die Liberalen haben sehr schnell ihre Forderungen nach einer echten Steuerentlastung sowie das Auslaufen des ESM zurückgezogen. Was blieb, ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abschaffung des Solis. Das ist ja auch der einzige Grund, weshalb selbst die SPD dies will. Vor drei Jahren war die Gefechtslage hier noch anders. Sicher wäre das Auslaufen der Einheitsabgabe eine Beute, schlimm genug, dass demokratische Parteien zur Einhaltung elementarer Zusagen und verfassungskonformen Verhalten gezwungen werden müssen. Der Klimaschutz ist übrigens kein grundgesetzliches Erfordernis.

                      Darüber hinaus befindet sich Frau Merkel bei den Themen Euro und Steuern in der eigenen Partei nicht in einer Mehrheitsposition. Wenn Sie davon reden, dass die FDP nunmal nicht ihren Kopf gegen zwei Partner durchsetzen könne und missachten dabei, dass es maßgeblich die Clique Merkel war, die hier Fortschritte und Veränderungen sabotiert hat.

                      Wer politisch interessiert ist, dem eröffnen sich im Medienzeitalter sicher Möglichkeiten zu erfahren, wer Meriten erworben hat.

                      Das reicht nicht. Das ist ein Bruchteil der Wähler. Gerade mal 35-40 Prozent bezeichnen sich als politisch interessiert. Dafür braucht es ja Leuchtturmthemen.

                      Warum gestehen Sie eigentlich nur der LINKEN Seriosität zu?
                      ???

                      Okay, noch Teilen der CDU um die Vorsitzende und Leuten wie Jürgen Trittin. Dann ist aber wohl Schluss, oder? 🙂

                    • Floor Acita 16. Januar 2018, 17:34

                      „Bei der Digitalisierung gewinnen die Liberalen bei den jungen Start-up-Gründern in Berlin, Hamburg, München und ihren wenigen Mitarbeitern. Außerhalb dieser Kreise ist Digitalisierung kein Gewinnerthema, so wichtig Leute wie Sie und ich das auch halten.“
                      Wieso nimmt man das dann als Wahlkampfthema? Wie kann man sich mit einem „Minderheitenthema“ (das ist Ihnen ja sonst immer wichtig) profilieren. Und selbstverständlich gab es eine Priorisierung:

                      „Bildung und Digitalisierung des Landes stehen vorn, dann folgt die Entbürokratisierung, bevor am Ende Fragen des freiheitlichen Rechtsstaates und eben auch dezente Forderungen nach Steuersenkungen auftauchen. Wie noch unter dem inzwischen verstorbenen Guido Westerwelle richtet sich das Programm an breite Schichten der Gesellschaft.“ (ihre Worte, nicht meine)

                      Es ist halt gekommen wie Stefan Sasse bereits vor der Wahl vermutete:
                      „wann immer die Partei an die Regierung kommt, ob in Bund oder Ländern, vergisst sie das gutklingende Zeug – Bürgerrechte, Digitalisierung, Bildung, etc – ganz schnell wieder und konzentriert sich doch auf Klientelpolitik für die vier A und eine Senkung der Steuern für ihre Spender.“

                      Soll eine Partei Ihrer Meinung nach das bestmögliche für Ihre Klientel rausholen und ansonsten Opposition machen, oder pragmatisch-kompromissbereit/verantwortungsvoll sein? Es kann ja wohl nicht darauf hinaus laufen, dass Ihre Partei das bestmögliche rausholen soll, alle anderen aber selbstverständlich pragmatisch/realistisch zu sein haben..?

                    • Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 19:30

                      Wieso nimmt man das dann als Wahlkampfthema? Wie kann man sich mit einem „Minderheitenthema“ (das ist Ihnen ja sonst immer wichtig) profilieren.

                      Der Unterschied: Die FDP ist keine Volkspartei und hat bisher nicht vor, eine solche zu werden. Für eine solche ist es jedoch dumm, Minderheitenthemen zu vertreten, wenn man Mehrheiten gewinnen will. Schließt sich irgendwie schon sprachlich aus.

                      Die FDP will sich neue Wählerschichten erschließen, wozu man sich auch mit traditionellen Kreisen anlegt, Stichwort Apothekerlobby. Das tun andere Parteien auch, dies hatte ich beispielsweise bei der LINKEN aufgezeigt. Die jungen Unternehmensgründer haben bisher keine richtige politische Heimat, nachdem die Piraten kollabiert sind und nie die richtige Ansprache fanden.

                      Auf seinen Wahlkampfveranstaltungen formulierte Lindner immer den Kanon aus fünf Themen. In Punkto Bildung trat die FDP für eine Aufhebung des Kooperationsverbots ein (fürs Protokoll: ich bin für die Beibehaltung), wogegen sich die CDU stemmte. Nun hat man genau dies der SPD zugestanden. Die Zuständigkeit für Bildung auf Bundesebene ist aber ohne Verfassungsänderung nichts wert, schließlich ist die Zuständigkeit für Kindergärten, Schulen und Universitäten Länder- und Gemeindesache.

                      Aber wie soll die FDP es verantworten, eine wahrscheinlich verfassungswidrige Abgabe noch in die übernächste Legislatur rüberzuretten? Karlsruhe hatte in der Vergangenheit keine Probleme, von heute auf gleich solche Sonderabgaben für obsolet zu erklären, siehe Kohlepfennig. Genauso befürwortet eine deutliche Mehrheit eine Euro-Politik in den Grenzen des Maastricht-Vertrages. Darauf gründete sich mit der Erfolg der AfD wie der eigene. Warum werfen Sie es den Liberalen vor, wenn diese eine mögliche Koalition an der Frage des Finanztransfers von Nord- nach Südeuropa scheitern lässt?

                      Das sind doch sehr verständliche und nachvollziehbare Gründe, nicht nur für eine liberale, rechtsstaatlich orientierte Partei.

                  • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 10:31

                    Nein, ich habe den Grünen nicht meine Stimme verweigert, weil sie sonst möglicherweise regiert hätten, sondern weil mich die vermutlich einzige realistische Konstellation, in der sie hätten regieren können abgeschreckt hat.

                    Das weiß ich, ich habe nur bewusst überzeichnet. Ich wollte Sie damit jedoch nicht diskreditieren.

                    Wäre hingegen Jamaika gekommen, wäre – so zumindest meine persönliche Befürchtung – im wesentlichen die Politik einer normalen Schwarz-Gelben Koalition gemacht worden, mit den Grünen als reinen Mehrheitsbeschaffern, die dafür „ein bisschen Umwelt“ bekommen.

                    So sah es aber bis zum Schluss nicht aus, von daher war Ihre Einschätzung falsch. Eher ist die FDP an den Rand gedrängt worden.

                    Ich verstehe jedoch nicht einen Seitenaspekt, den Sie angeführt haben. Wieso sind Sie eigentlich für Rot-Rot-Grün?
                    Rot-Rot-Grün ist gegenwärtig extrem hypothetisch.

                    Meine Frage war anders formuliert. Wenn Sie die SPD und ihre Protagonisten für so widerwärtig halten, wieso würden Sie es akzeptieren, mit Ihrer Zustimmung maßgeblich von solchen Leuten regiert zu werden? Die SPD jedenfalls hat sich im Frühjahr aus zwei Gründen von dem Modell verabschiedet: die vorherigen Wahlen hatten gezeigt, dass ein offensives Werben die eigene Klientel zerreißt und zweitens waren die rechnerischen Chancen damals schon minimal. Warum dann für etwas fechten, was im Zweifel nur kostet?

                    Sollte sich die SPD personell und politisch erneuern und einen neuen Kurs einschlagen, der für die Grünen und die LINKE attraktiv sind

                    Die Grünen konnten mehrheitlich schon immer mit der SPD. Und die personelle Erneuerung der sozialdemokratischen Partei steht ohnehin an. Programmatisch haben die Roten in den letzten 12 Jahren alles im Kanon vertreten, ohne dass dies ihre Zustimmung gefunden hätte. Nur können Sie halt nicht verlangen, dass eine Mitte-Links-Partei die Programmatik von Linkspopulisten übernimmt. Da gebietet es der Respekt (den Sie ja häufiger zeigen), dass das nicht geht.

                    Vielleicht sprechen wir in acht Jahren noch mal über das Thema …

                    Können wir gerne, ich glaube nur, dass sich die Bedingungen dann nicht entscheidend für ein dezidiertes Linksbündnis entscheidend verbessert haben. Und da ist nicht der Wunsch Vater des Gedankens. Wir haben so seit Anfang des Jahrzehnts einen klaren Rechtstrend in den westlichen Demokratien, in solchen mit einer älteren Gesellschaft ist dieser sogar stärker ausgeprägt. Sicherheit, Abschottung, Vermögenssicherung und Stabilisierung der Altersvorsorge werden ein stärkeres Gewicht erhalten als beispielsweise Klimaschutz, Digitalisierung, liberale Migration, Lohnerhöhungen oder soziale Absicherung für Bedürftige.

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 20:05

                Mit der Stimme für die LINKE kann ich also gut leben. Wen hätten Sie mir denn empfohlen zu wählen?

                Also ich bin zuletzt mit der Methode gut gefahren, mich Empfehlungen zu verweigern. Am Ende folgen mir mehr Leute als ich wünsche. Also wenn ich jetzt nix sage, wählen Sie ja vielleicht beim nächsten Mal die FDP?

                • Ralf 14. Januar 2018, 22:02

                  Also ich bin zuletzt mit der Methode gut gefahren, mich Empfehlungen zu verweigern. Am Ende folgen mir mehr Leute als ich wünsche. Also wenn ich jetzt nix sage, wählen Sie ja vielleicht beim nächsten Mal die FDP?

                  Ich glaube ich mach’s wie Sie und verweigere mich Empfehlungen … 🙂

              • Stefan Sasse 15. Januar 2018, 07:43

                Verstehe deine Position völlig.

          • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 10:52

            @ Ariane 14. Januar 2018, 13:35

            weil du von der konservativen Revolution und schwarz-Gelb mit Spahn als Kanzler träumst^^

            „Revolution“ ist so ein großes Wort. Aber warum nicht?

            Alle, die jetzt das Sagen haben, sind auf die eine oder andere Art geprägt von Helmut Kohl, seinen Idealen, seinem Politikstil (gilt m.M. nach auch für Frau Merkel und ihre Entourage). Da, wo man kann, macht man halbwegs weiter wie er, da, wo man es nicht kann, reagiert man zaudernd, zögerlich, und träge.

            Aber die Welt hat sich so etwas von verändert. Man kann von Emmanuel Macron und Sebastian Kurz halten, was man will, aber allein durch ihre Jugend werden sie etwas in ihren Ländern und in Europa verändern.

            Warum also nicht Jens Spahn und Christian Lindner? Wenn die beiden eine Regierung führen und modern agieren, wird sich auch ruckzuck die SPD entsprechend aufstellen; dann haben Sie spätestens vier Jahre später eine frische, schlagkräftige Opposition.

            es grüßt
            E.G.

        • Blechmann 14. Januar 2018, 19:24

          „Nö. Denn es ist immer eine Frage der Alternativen. Und wenn es eine Partei gibt, die Neuwahlen noch mehr fürchten muss als die Union, dann ist es die SPD.“

          Wieso das denn? Schlimmstenfalls landet die SPD bei Neuwahlen in der Opposition, wo sie ohnehin hin wollte. Vielleicht können sie neue Ideen in den Wahlkampf einbringen. Die CDU dagegen läuft Gefahr den Kanzlerbonus zu verlieren. Eine Merkel, mit der niemand mehr koalieren will, macht keinen besonders guten Eindruck und irgendwann wird sich die Frage stellen, ob sie das Problem ist.

          • Ariane 14. Januar 2018, 19:47

            Sehe ich ähnlich. Die Union ist als stärkste Kraft mit der Regierungsbildung beauftragt, mit wem sie das macht oder ob sie es doch mit einer Minderheitenregierung probiert, ist ihr überlassen. Das heißt aber nun mal, dass Neuwahlen vornehmlich ihr auf die Füße fallen (schließlich wären die auch als einzige zweimal gescheitert). Dazu käme dann noch die Führungsfrage. Sollte da Spahn oder sonstwer erstmal einen Putsch durchziehen, wäre ein Umfragenplus wohl eher noch unwahrscheinlicher.

            Der SPD kann es ziemlich schnurz sein. Aktuell steckt sie mal wieder in einer Ecke, bei der es eh keine sehr gute Ausgangslage geben kann. Und da man das Sondieren eh vermurkst hat, würde man ihr einen Gesprächsabbruch wohl nicht so krumm nehmen. Gerade wenn das Votum total demokratisch von der Basis käme und nicht von einem Einzelnen entschieden wird und das wäre dann sogar inhaltlich begründbar (ohne dass man auf atmosphärische Störungen vom Dunklen Lord verweisen müsste) *gg* Wenn sie nun gar nicht erst geredet hätten, wäre es vielleicht anders, aber Dubio hat ja betont, dass man nun wirklich nicht mehr als das verlangen kann.^^

        • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 10:35

          @ Stefan Pietsch 14. Januar 2018, 12:33

          •• Also ich weiß nicht, was ihr als Vergleichsmaßstab nehmt, aber natürlich war die SPD eigentlich in einer guten Verhandlungsposition für ihr Wahlergebnis.••

          • Nö. Denn es ist immer eine Frage der Alternativen. Und wenn es eine Partei gibt, die Neuwahlen noch mehr fürchten muss als die Union, dann ist es die SPD.

          Sehe ich anders. Da bin ich klar bei Ariane.

          Die SPD hatte mit der Oppositionsführerschaft (statt diese der AfD zu überlassen) eine überzeugende brauchbare Alternative zur Regierungsbeteiligung, die CDU nicht. Ganz klar hat dadurch die SPD (erst recht nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche) eine extrem starke Position für ihre Visionen, Konzepte und Ziele gehabt.

          Aber wenn man nicht weiß, was man will, kann man schlecht fordern.

          • Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 11:36

            Sehe ich anders. Da bin ich klar bei Ariane.

            Verräter!

            Die SPD hatte von Beginn an die falsche Strategie gewählt, die einzig dazu diente, die eigene Spitze abzusichern. Es war klar, dass Jamaika eine heiße Kiste werden würde, darauf hätte Schulz seine Strategie ausrichten müssen. Was tut man, wenn die Verhandlungen der ungleichen Partner scheitern? Als es dann so weit war, war die Partei völlig kopflos.

            Ich stelle immer wieder fest, dass die meisten Menschen nicht einen Schritt vorausdenken können. Das halte ich für außerordentlich dumm. Schach spielen hilft.

            Als Christian Lindner das Ende der Sondierungen verkündete, war die Sozialdemokratie völlig sprachlos. Neuwahlen war offensichtlich keine Option, dann blieb nicht mehr viel. Es war folglich absehbar, dass der öffentliche Druck enorm zunehmen würde, die SPD erneut in eine GroKo zu zwingen. Dem hätte man entgehen können:

            Strategie 1: Die Fortsetzung der GroKo wäre einzukalkulieren gewesen. Dann hätte man die Sache nicht so konfrontativ angehen dürfen. Sicher, Grüne und Liberale sind nun am Zug, keine weiteren Aussagen. Als Auffanglösung hätte man der Schiffbruch erlittenen Union besser die Preise diktieren können.

            Strategie 2: Opposition. In diesem Fall hätte man allem Druck zum Trotz Neuwahlen ansteuern müssen. Ohne solche keine Regierung mit Merkel.

            Ich habe immer wieder in Verhandlungen die Erfahrungen gemacht, wenn jemand im Galopp den Kurs ändert, steht er geschwächt da und erhält weniger als durch Konsequenz. Beispiel Arbeitsgerichtsprozesse. Ein gekündigter Arbeitnehmer sollte sich vor dem Verfahren genau überlegen, ob er den Weg wählt, sich auf seinen Arbeitsplatz zurückzuklagen oder auf eine hohe Abfindung ausgeht. Erst auf Kündigungsschutz setzen und dann vom Richter belehrt zu werden, um den Weg Abfindung einzuschlagen, geht auf Kosten der Höhe der Entschädigung.

            Deswegen halte ich die SPD-Führung strategisch für außerordentlich dumm.

            • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 16:43

              @ Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 11:36

              Verräter!
              Autsch, das sitzt. Zur Beruhigung brauche ich jetzt erst mal eine heisse Tasse Blasentee.

              Strategie 1: Die Fortsetzung der GroKo wäre einzukalkulieren gewesen. Dann hätte man die Sache nicht so konfrontativ angehen dürfen.

              Zustimmung! Ich hatte immer das Gefühl, dass Martin Schulz‘ Aggression, mit der er nach der Wahl auf Angela Merkel rumhackte (und die er im Wahlkampf so schmerzlich hat vermissen lassen), wohl weniger dem Wahlergebnis als der Einsicht geschuldet war, es selbst verbockt zu haben. Die Erkenntnis, trotz bester Voraussetzungen zum Amtsantritt als Kandidat der Kanzlerin nicht gewachsen zu sein, hat ihn manch dummen Satz sagen lassen, den er dann wieder zurückholen musste.

              Strategie 2: Opposition. In diesem Fall hätte man allem Druck zum Trotz Neuwahlen ansteuern müssen. Ohne solche keine Regierung mit Merkel.

              Habe ich für die bessere Option gehalten. Denn ohne wirkliche Ideen, ohne wirkliche Zielgruppen, mit Kurs halten nach Kielwasser etc. wird es schwierig. Regierung muss liefern, Opposition darf maulen. Liefern kann die SPD derzeit nicht.

              Deswegen halte ich die SPD-Führung strategisch für außerordentlich dumm.

              Da schließe ich mich an (mit Betonung auf „außerordentlich“).

              es grüßt
              E.G.

              • Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 18:51

                Verräter!
                Autsch, das sitzt.

                Hoffentlich, damit das nicht wieder vorkommt. 🙂

                Habe ich für die bessere Option gehalten.

                Das Problem: auch Neuwahlen würden unter allen Bedingungen die SPD weiter marginalisieren und dazu noch an der Spitze enthaupten. Unternehmen werden durch Liquiditätsschwierigkeiten zu drastischen Maßnahmen und Veränderungen gezwungen. Aber wie macht man das bei einer völlig verängstigten Partei?

                • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 20:49

                  @ Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 18:51

                  Aber wie macht man das bei einer völlig verängstigten Partei?

                  Wie war denn das bei der FDP? Wenn die Altherrenriege weg ist, wird sich das finden und regeln.

  • Erwin Gabriel 14. Januar 2018, 13:27

    @ Ariane on 13. Januar 2018

    Dazu kommt der Vorteil, dass normalerweise niemand von den Konservativen irgendeine Art von Zukunftsvision erwartet.
    Autsch. Das tut mir als Konservativem auch weh …

    Ansonsten muss ich zustimmen: Derart selbstbewusst hätte sich die SPD nicht einmal dann geben können, wenn sie die Wahl gewonnen hätte; denn dann hätte sie auf den Koalitionspartner eingehen müssen. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass sich die SPD nicht über eigene Politik oder Ziele definiert, sondern eher darüber, wer sie nicht ist und was sie nicht will. Aber wie soll man so etwas verhandeln?

    es grüßt

    E.G.

    • Ariane 14. Januar 2018, 22:35

      Danke^^

      Dazu kommt der Vorteil, dass normalerweise niemand von den Konservativen irgendeine Art von Zukunftsvision erwartet.
      Autsch. Das tut mir als Konservativem auch weh …

      Naja, das ist ja eigentlich der natürliche Gang der Dinge. Die Progresssiven wollen alles anders haben und die Konservativen verteidigen das Bestehende. Selbst wenn man – wie Stefan vorgeschlagen hat – statt links/rechts auf offen/geschlossen überwechselt, gibt es da meiner Meinung nach gewisse Auflösungserscheinungen, die mich aktuell ein wenig ratlos und verwundert zurücklassen. Vielleicht können Du oder Dubio oder sonst jemand „Konservatives“ mir da auf die Sprünge helfen:

      Ich meine, rein theoretisch ist Merkel ja eigentlich die ideale konservative Kanzlerin, niemand steht so sehr für das Beständige und Althergebrachte wie sie. Vielleicht klappt es aber auch zu gut, die Progressiven sind nicht in der Lage, genug Staub für einen totalen Machtwechsel aufzuwirbeln. Das liegt aber nicht nur an der Schwäche der Progressiven, sondern eben auch daran, dass Merkel „gefährliche“ Themen immer rechtzeitig abräumt, bevor sie zu groß werden und es dann vielleicht einen Machtwechsel mit noch viel mehr Veränderungen geben kann (Atomausstieg, Mindestlohn, Ehe für alle – alles Dinge, mit denen man durchaus Massen mobilisieren könnte).

      Wie gesagt eigentlich ein Paradies für Konservative, aber genau aus dieser Ecke kommt ja das unzufriedene Murren. Also: warum? Geht euch das zu weit? Wollt ihr doch eine Zukunftsvision und habt dafür auch konkrete Wünsche? Steht Merkel – so absurd das klingt – für Euch vielleicht schon eher für zuviel Veränderung?

      Ich kann diese Strömungen nicht so wirklich nachvollziehen und einordnen. Ich zähle mich ja zu den Progressiven, logisch dass ich alles anders haben will, aber eigentlich bin ich auf einen Streit mit den Leuten eingerichtet, die das alles verteidigen. Da ist aber gar keiner da, weil die Konservativen plötzlich von der anderen Seite kommen und die bestehenden Verhältnisse ändern wollen.
      Und das scheint ja noch zuzunehmen. Alexander Dobrindt spricht plötzlich von konservativer Revolution, das ist schon grotesk. Und die ganze AfD hat mittlerweile etwas zutiefst Umstürzlerisches, selbst der extremste Rand der LINKEn scheint mir da zahmer und weniger systemfeindlich eingestellt, das hat mit konservativ gar nichts mehr zu tun. Es ist Wahnsinn, wie oft ich in letzter Zeit die Argumente, mit denen ich sonst gegen die LINKE wettere, für AfD und FDP gebraucht habe.

      Ja, ich versteh nicht so ganz, was da abgeht. Das verunsichert mich als *natürliche* Gegnerin der Rechtskonservativen schon. Ist total albern, aber ich hatte mehrmals das Gefühl, klarmachen zu müssen, dass Umsturz, Revolution, bestehende Herrschaftsverhältnisse beenden eigentlich *unser Ding* ist (also das der linksprogressiven Leute). Jetzt wirkt es ein bisschen so, als wenn der *Feind* auf das ureigene Territorium eindringt und ich weiß selbst nicht, ob der Kampf um neue Verhältnisse wichtiger ist -oder ob ich selbst quasi erstmal konservativ werden muss, weil der Rechtsrevoluzzer-Traum schlimmer ist als die herrschenden Verhältnisse. Alles zusammen erscheint mir nur schwer möglich.

      • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 10:58

        Vielleicht können Du oder Dubio oder sonst jemand „Konservatives“ mir da auf die Sprünge helfen:

        Also anders als Herr Gabriel definiere ich mich vor allem als liberal. In einigen gesellschaftspolitischen Fragen bin ich dagegen eher das, was mancher heute mit erzkonservativ umschreiben würde. Dennoch stehe ich einer SPD mit Figuren wie Peer Steinbrück, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder und Klaus von Dohnanyi näher als einer Union mit Merkel, Kauder, Jutta Steinbach (okay, ist nicht mehr in der CDU). Politiker wie Julia Klöckner, Jens Spahn, Carsten Linnemann, David McAlister treffen die von mir gewünschte Mischung weit mehr als die alte Garde.

        Ich meine, rein theoretisch ist Merkel ja eigentlich die ideale konservative Kanzlerin, niemand steht so sehr für das Beständige und Althergebrachte wie sie.

        Die Mehrheit der CDU-Mitglieder definiert sich als wertkonservativ. Das ist deutlich etwas anderes als das, was Angela Merkel repräsentiert. Es gibt eine Studie über die Einstellungen der CDU-Parteigänger, die Ende 2014 / Anfang 2015 – also vor der Flüchtlingskrise – erstellt wurde. Die überwiegende Mehrheit definiert sich selbst rechts von der eigenen Parteilinie. Das muss politischen Beobachtern zu denken geben, vor allem wenn sie meinen, der Merkel-Kurs habe der Union gut getan.

        Fakt ist: trotz eines deutlichen Rechtstrends in der Gesellschaft hat die langjährige CDU-Vorsitzende die Mehrheitsfähigkeit der natürlichen Partner von Union und FDP zerstört. Sie hat es mit ihrer Euro- und Migrationspolitik ermöglicht, neben den Schwarzen eine echte rechte Partei entstehen zu lassen, die dem Lager nicht nur ein paar Prozentpunkte abnimmt, sondern zur zweitstärksten Partei in einer ganzen Region (Ostdeutschland) aufgestiegen ist. Das ist eben gerade kein Erfolg.

        Merkel ist ein Politikertypus, der sich langsam wieder als überlebt zeigt. Der Großteil der letzten Wahlen in westlichen Demokratien wurden von klar profilierten Politikern gewonnen. Vor zehn Jahren gingen Politologen noch davon aus, dass eher der kantenlose Vertreter die Zukunft verkörpere, da dieser weit geschmeidiger verschiedene Bündnisse in heterogenen Gesellschaften eingehen könne. Das scheint sich zu wandeln.

        Es muss auch Dir als ausgeprägter Linken zu Denken geben, wenn Du Dich für eine konservative Regentin erwärmen kannst, so sehr, dass sogar Leute wie Ralf es erwogen hätten, einer solchen Vertreterin ihre Stimme zu geben. Denn wenn selbst so exponierte Wähler(innen) für eine vormals wertkonservative Partei stimmen können, was sollen denn Bürger tun, die sich selbst wirklich als konservativ empfinden?

        Alexander Dobrindt spricht plötzlich von konservativer Revolution, das ist schon grotesk.

        Die läuft doch, das ist doch nicht grotesk. Das Konservative definiert sich gerade neu.

        • Ariane 15. Januar 2018, 21:42

          Alexander Dobrindt spricht plötzlich von konservativer Revolution, das ist schon grotesk.

          Die läuft doch, das ist doch nicht grotesk. Das Konservative definiert sich gerade neu.

          Ich halte das für Unsinn, Revolution und Umsturz sind radikal und damit eigentlich das Gegenteil von konservativ.

          Aber gut, es ist also schon so, dass Angela Merkel zu sehr für Moderne und Veränderung steht und das ganze eher eine konterrevolutionäre Sache ist.

          Es muss auch Dir als ausgeprägter Linken zu Denken geben, wenn Du Dich für eine konservative Regentin erwärmen kannst, so sehr, dass sogar Leute wie Ralf es erwogen hätten, einer solchen Vertreterin ihre Stimme zu geben. Denn wenn selbst so exponierte Wähler(innen) für eine vormals wertkonservative Partei stimmen können, was sollen denn Bürger tun, die sich selbst wirklich als konservativ empfinden?

          Also die Entscheidungsfindungen von Ralf geben mir höchst selten zu denken.^^ Und ich bezeichne mich durchaus als linksliberal-progressiv, aber eben sehr mittig und mit dem herrschenden System bin ich zufrieden und will nur Veränderungen innerhalb des Systems. Insofern ist es nichts Neues, dass ich quasi in eine konservative Position rutsche und das System gegen Umsturzgedanken verteidige. Neu ist nur, dass diese Gedanken plötzlich von der anderen Seite auftauchen.

          Und das ist ja nicht das einzige und das löst bei mir Verwunderung aus. Was du mit vielen Worten umschreibst – liberalkonservativ, wertkonservativ, erzkonservativ, pseudokonservativ, etc. – ist eine lupenreine Ideologiedebatte und die Frage, was denn das richtige konservativ ist. Genauso diese Haltung, dass jeder Kompromiss ein Verrat an der Sache ist. Bzw rechts der Mitte ist man dann eben Volksverräter statt Sachverräter.
          Alles Fragen, Streitereien und Dynamiken, mit denen sich normalerweise nur die linke Seite des Spektrums herumschlagen musste und für die daher auch Mechanismen wie Doppelspitzen, innerparteilicher Ausgleich etc. ersonnen worden sind, damit nicht jede Kleinigkeit zu einer Spaltung führt, während das bei der Rechten eher über Putschgedanken gegen die Führung führt.

          Ist ja alles legitim und durchaus spannend anzusehen, aber befremdlich finde ich es schon.

          • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 23:21

            Aber gut, es ist also schon so, dass Angela Merkel zu sehr für Moderne und Veränderung steht und das ganze eher eine konterrevolutionäre Sache ist.

            Es kann aber auch sein, dass sich der Politikertypus Merkel schlicht überlebt hat. Genau das, was ich heute Abend bereits geschrieben habe, hat Wolfram Weimer bei Hart aber fair vertreten. Der Spitzenjournalist hat ein Buch geschrieben zur Revolution des Konservativen. Es ist keineswegs so wie Du schreibst, dass die Konservativen nun so zerstritten wären. Die Position von Merkel ist im rechten Lager nicht mehrheitsfähig, das hat doch spätestens die letzte Wahl gezeigt. Und das bestätigt die von mir angeführte Studie zur Einstellung der CDU-Mitglieder.

            Also, lies einfach, was der Journalist aus der Stadt schreibt, wo ich mit ihm das Abitur gemacht habe, nur 2 Jahre später.
            http://www.theeuropean.de/wolfram-weimer/13372-konservatismus-ist-wieder-in-mode

            Echtes Konservativsein ist nicht gestrig, weil es ja gerade nicht ein Hängen an dem bedeutet, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt. Dass es Werte gibt, die Zeiten und Moden überdauern, dass es Dinge im Leben gibt oder geben sollte, die heilig sind, dass es ganz lange Linien unserer Identität gibt, die wichtig sind – all das fasziniert die Menschen des 21. Jahrhunderts mehr als irgendwelche Umverteilungsfragen. Die wilde Raserei der Globalisierung lässt überall Entschleunigungsreflexe wach werden, von der Retrokultur bis zur Nachhaltigkeitssehnsucht. Darum kehren die großen Themen des Menschseins von der Religion über die kulturelle Identität bis zu Familie und Heimat mit dieser Wucht zurück in das Massen-Bewusstsein und prägen zusehends Politik. Den Menschen geht es nicht mehr so sehr um Materialismus, es geht ihnen um Sinn und Geborgenheit. Sie spüren – es gibt keine Zukunft ohne Herkunft.

            • Ariane 16. Januar 2018, 00:19

              Es kann aber auch sein, dass sich der Politikertypus Merkel schlicht überlebt hat.

              Du stimmst mir also schon zu, dass diese Neuorientierung konterrevolutionär ist?

              Es ist keineswegs so wie Du schreibst, dass die Konservativen nun so zerstritten wären. Die Position von Merkel ist im rechten Lager nicht mehrheitsfähig, das hat doch spätestens die letzte Wahl gezeigt. Und das bestätigt die von mir angeführte Studie zur Einstellung der CDU-Mitglieder.

              Ich denke hier irrst du oder hast vielleicht die rosarote Brille auf. Merkel ist ja nun mal Kanzlerin und Parteiführerin und keine Diktatorin. Wenn sie mutterseelenallein stünde, während alle anderen was ganz anderes wollen, dann hätten die sich schon durchgesetzt – gibt ja etliche Möglichkeiten. Bevor man sich daran macht, das Land zu revolutionieren, müssten sich die konservativen Revoluzzer erstmal innerparteilich durchsetzen, sonst wirkt das alles sehr theoretisch.

              Also, lies einfach, was der Journalist aus der Stadt schreibt, wo ich mit ihm das Abitur gemacht habe, nur 2 Jahre später.

              Ja, dann muss es ja stimmen.^^ Ich lese und ich sag mal so, ich vertrete durchaus Werte, die Du oder Dein Schulfreund vielleicht wertkonservativ nennen würde. Mir ist Sicherheit, meine Familie, Loyalität, die Freiheit des Einzelnen etc. ebenfalls sehr wichtig. Dies alles kann ich allerdings sein und tun, ohne dass ich dafür Anleihen bei völkischen Ideen nehmen muss.

              Und genau diese Linie zieht dein Schulkamerad zur Begründung seiner revolutionären Konservativen Moderne. Ich glaube durchaus auch als Linke an Werte und Dinge, die heilig sind und alle Zeiten überdauern. Aber Herkunft, kulturelle Identität und das ganze Blut-und-Boden-Gewese gehören für mich nicht dazu, hier trennen sich dann die Wege. Und bevor du allzu euphorisch die Fahne schwingst, solltest du vielleicht überlegen, ob du da wirklich mitgehen willst.

              Mir – als quasi natürlicher Gegner – ist das ja schnuppe, aber ich glaube, es fehlt eine Art dritter Weg für Leute wie Dich oder auch Gabriel, die ich jetzt nicht zu Liebhabern der aktuellen AfD zähle. Sonst sitzt ihr plötzlich mit den ganzen Leuten im Revolutionsboot, denen es hauptsächlich darum geht, endlich wieder unwidersprochen rassistisch, chauvinistisch und sexistisch sein zu dürfen und nebenbei ihren Blut-und-Boden-Fantasien fröhnen. Das klingt mir nicht so, als wärt ihr damit so glücklich.

              • Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 12:02

                Du stimmst mir also schon zu, dass diese Neuorientierung konterrevolutionär ist?

                Das ist ein ziemlich großes Wort. Der Zeitgeist geht nach rechts, Merkel hat die Union nun über ein Jahrzehnt nach links gezogen. Das führt schon in der mathematischen Vorstellung zu riesigen Löchern im politischen Spektrum.

                Ich denke hier irrst du oder hast vielleicht die rosarote Brille auf. Merkel ist ja nun mal Kanzlerin und Parteiführerin und keine Diktatorin.

                Du machst den Fehler, Merkel mit der Union gleichzusetzen. Das war sie nie. Ihr Schutz, das bestreitet kein Politologe und kein Demoskop, ist immer ihre hohe Popularität und ihr Versprechen gewesen, Wahlen zu gewinnen. Die Union mag keine Verlierer, sie hat Loser in der Geschichte immer abserviert. Das galt schon für so verdiente Politiker wie Adenauer und Erhard. Allerdings ist die CDU auch immer eine sehr disziplinierte Partei gewesen, die Konflikte unter dem Tisch hält.

                Das bricht nun auf. Das Aufkommen der AfD, die Verluste an die FDP, das historisch schlechteste Ergebnis seit 1949, die Schwierigkeiten eine Regierung zusammenzustottern, nicht zuletzt die Mandatsverluste in den Ländern, die hohe Abneigung in der Öffentlichkeit haben diesen Nimbus zerstört. Ich weiß, Du und Stefan glauben ja immer noch, Merkel könne auch noch in acht Jahren regieren, das ist echtes Hardcore. Mit dem Verlust des Unbesiegbarkeitsnimbus büßt die CDU-Vorsitzende auch ihren Einfluss in der Partei ein. Das miserable Ergebnis für Kauder war ein Menetekel. Doch der nächste Parteitag ist erst Ende des Jahres, dann wird es kritisch.

                Die Sondierungsverhandlungen der CDU wurden in beiden Fällen mit reinen Merkel-Getreuen geführt, die innerparteiliche Opposition wurde vorgehalten. Die übernahm die CSU, allerdings nicht in Person der politischen Leiche Horst Seehofer, sondern von Alexander Dobrindt. Und der neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe setzt mittelfristig klar auf Konfrontation, eine Abkehr vom Merkelkurs und eine Zusammenarbeit mit der FDP. Jens Spahn, Christian Lindner und Dobrindt verstehen sich eben nicht nur generationenmäßig, ihr gemeinsames Vorbild ist der 31jährie neue Bundeskanzler Österreichs. Lindner ist Parteichef, Dobrindt wird es wahrscheinlich auf absehbare Zeit, Spahn hat den weitesten Weg. Du ignorierst völlig solche Signale.

                Ja, dann muss es ja stimmen.

                Ich referiere sehr selten auf einzelne Personen, denn deren Meinung allein ist nicht maßgebend. Aber Weimer ist ohne Zweifel ein ausgezeichneter Beobachter und ich hätte seine Worte nur wiedergegeben. Daher bitte ich mir das nachzusehen.

                Dies alles kann ich allerdings sein und tun, ohne dass ich dafür Anleihen bei völkischen Ideen nehmen muss.
                Und genau diese Linie zieht dein Schulkamerad zur Begründung seiner revolutionären Konservativen Moderne.

                Du hast das Interview offensichtlich nicht gelesen:
                Die tiefen Kraftquellen des Konservativseins sind Werte, aber keine parteilichen Richtungsfragen. Die neue Rechte in Europa bedient dagegen häufig Ressentiments, Autoritarismus oder Nationalismus. Das ist dem Wertkonservativen zuwider. Er achtet Toleranz, die Menschenwürde, ist Europäer und womöglich Patriot. Im Gegensatz zum Nationalisten liebt der Patriot seine Heimat zwar, verachtet aber die Heimaten der anderen nicht. Man sollte daher den Wertkonservativismus nicht ruppigen Rechten überlassen.

                Du hast etwas Fundamentales überlesen und damit ein ganz anderes Verständnis. Das ist nämlich der Grund, warum ich mit einer Partei wie der AfD niemals werde mitgehen können.

                Ich habe Wolfram Weimer übrigens nie persönlich kennengelernt, er ist in Gelnhausen aber bekannt. Als Journalisten kenne ich ihn, seit er den Cicero aufgebaut hat.

                Gelnhausen war sehr lange eine tiefschwarze mittelgroße (ehemalige Kaiser-) Stadt zwischen Spessart und Vogelsberg. Zuletzt wurde sie von der SPD regiert, bevor im September 2017 Daniel Glöckner zum Bürgermeister gewählt wurde. Der ist FDP-Mitglied und mir tatsächlich persönlich bekannt. Allerdings trat er unter neutraler Flagge an. Interessant finde ich.

                • Ariane 16. Januar 2018, 17:03

                  Du machst den Fehler, Merkel mit der Union gleichzusetzen. Das war sie nie.

                  Na, sie ist nun mal Parteiführerin und Kanzlerin. Wenn jemand für die CDU steht, dann natürlich sie und nicht Spahn, Klöckner oder dieser andere, den niemand kannte.^^
                  Du fantasierst Merkel in eine Minderheitenposition hinein, die nicht so ganz glaubwürdig ist. Gut möglich, dass – gerade infolge dieses Regierungschaos‘ – sie irgendwann demnächst nicht mehr dabei ist und dann Spahn oder sonstwer übernehmen, allerdings wird er natürilch auch nicht 100% der Partei hinter sich haben. Gibt ja durchaus Leute, die Merkels Kurs auch gut finden.
                  Jedenfalls: solange die sich die Führung in der Partei nicht nehmen, wird das mit der großen Weltrevolution wohl noch dauern.^^

                  ihr gemeinsames Vorbild ist der 31jährie neue Bundeskanzler Österreichs. Lindner ist Parteichef, Dobrindt wird es wahrscheinlich auf absehbare Zeit, Spahn hat den weitesten Weg. Du ignorierst völlig solche Signale.

                  Ja also du wirst mir verzeihen, wenn es mich da eher gruselt als dass ich Freudensprünge mache. 😉 Das Ziel ist schon klar, nur noch sind zwei der jungen weißen Männer noch brave Parteisoldaten und dann fehlt es ja auch noch an der schwarzgelben Mehrheit. Die Grünen werden wohl eher nicht Steigbügelhalter für die große konservative Revolution sein wollen und offenes Flirten mit der aktuellen AfD ist nichts anzufangen.

                  Du hast etwas Fundamentales überlesen und damit ein ganz anderes Verständnis. Das ist nämlich der Grund, warum ich mit einer Partei wie der AfD niemals werde mitgehen können.

                  Ja, und zwar was genau? Ich bin ja nicht blind und natürlich distanziert er sich vom Halbnazitum der AfD, das ändert ja aber nichts daran, dass er mehrmals auf Herkunft, die langen Linien unserer Identität und Heimat verweist, die jetzt wieder so revolutionär wichtig sind.

                  Da bin ich vielleicht zu links und Familie ist mir durchaus wichtig und ich kenne auch die „lange Linie meiner Identität“, aber das ist nichts, was mir Sicherheit verschafft oder was irgendwie besser oder bedeutsamer ist als die Herkunft meines senegalesischen Cousins. In welches Land und mit welcher Hautfarbe man geboren wird, ist purer Zufall oder konservativ ausgedrückt gottgegeben, dass das für mich nichts ist, worauf man stolz sein kann oder irgendwie bedeutsam sein könnte.

                  • Stefan Pietsch 16. Januar 2018, 19:17

                    Na, sie ist nun mal Parteiführerin und Kanzlerin. Wenn jemand für die CDU steht, dann natürlich sie und nicht Spahn, Klöckner oder dieser andere, den niemand kannte.

                    Du meinst Carsten Linnemann? Gerhard Schröder war von 1999 bis 2004 Vorsitzender der SPD, ohne dass Beobachter darauf gekommen wären, der Niedersachse stände für die Partei. Er wurde allein zum Nachfolger Lafontaines gewählt, weil er als einziger politischen Erfolg versprach. Angela Merkel ist der / die Schröder der CDU.

                    Du fantasierst Merkel in eine Minderheitenposition hinein, die nicht so ganz glaubwürdig ist.

                    Warum? Jens Spahn vertritt jedenfalls eher die Mehrheit der Partei als Merkel, schließlich ist es ihm zweimal gelungen, spektakulär Merkels Favoriten auf einem Parteitag auszuhebeln. Wie erklärst Du das, schließlich schweigst Du an solchen Punkten? Oder wie ist Deine Meinung in Einklang zu bringen mit der Selbsteinschätzung der Parteimitglieder?

                    Gibt ja durchaus Leute, die Merkels Kurs auch gut finden.

                    Ja, vor allem außerhalb der Partei. 🙂

                    Ja also du wirst mir verzeihen, wenn es mich da eher gruselt als dass ich Freudensprünge mache.

                    Oh, das ist dann echt gut! Denn so lange Du und Ralf eine konservativ geführte Regierung wirklich gut finden, so lange stehe ich dazu mit Sicherheit in Opposition.

                    Das Ziel ist schon klar, nur noch sind zwei der jungen weißen Männer noch brave Parteisoldaten und dann fehlt es ja auch noch an der schwarzgelben Mehrheit.

                    Letzteres ist definitiv richtig. Aber beide sind keineswegs brave Parteisoldaten, Dobrindt war bisher der Chefstratege der CSU sowohl bei den Jamaika-Verhandlungen als auch nun. Wer den eigenen Vorsitzenden zur informellen Nummer 2 deklassiert, ist sicher kein Soldat.

                    Die Strategie läuft darauf hinaus, die AfD deutlich zu marginalisieren, mit einer rechtspopulistischen Partei, die nur für 5-7 Prozent steht, lässt sich wesentlich besser leben als mit einer 15%-Partei. Und Du solltest nicht übersehen: 90% der AfD-Anhänger sind von ihrer eigenen Partei nicht überzeugt, so einen schlechten Wert gibt es nicht annähernd bei den anderen Parteien. Da ist also etwas zu holen, jedoch nicht mit Merkel an der Spitze, die in vielen bürgerlichen Kreisen regelrecht als Hassobjekt gilt. Als Angela Merkel in dem einstmals tiefschwarzen (in den Achtzigerjahren über 50%) Gelnhausen im Bundestagswahlkampf auftrat, erntete sie ein riesiges Pfeifkonzert und „Hau ab“-Rufe. Weder goutiere ich ein solches Verhalten, noch war ich dabei, allerdings wenn Merkel schon in solchen Städten so abgelehnt wird, kann ich mir vorstellen, wie das im Osten aussieht.

                    (..) das ändert ja aber nichts daran, dass er mehrmals auf Herkunft, die langen Linien unserer Identität und Heimat verweist, die jetzt wieder so revolutionär wichtig sind.

                    Das tun ja inzwischen selbst die Grünen, die erstmals in ihrer Parteigeschichte von „Heimat“ reden. Bedenklich. Klar, Identität kommt von einem Standpunkt und Herkunft. Was denn sonst? Aber Weimer wendet sich nun sehr deutlich – auch in seinen Kolumnen – gegen völkisches Denken. Das ist ja eben der elementare Unterschied zwischen Wertkonservativen und Rechtspopulisten. Ersteren ist der Hass auf Migranten, Flüchtlinge und generell Fremde zuwider. Auch Erwin Gabriel hat dies sehr oft in seinen Positionen deutlich gemacht. Ich verstehe nicht, dass Du die Unterschiede nicht erkennen magst.

                    (..) aber das ist nichts, was mir Sicherheit verschafft oder was irgendwie besser oder bedeutsamer ist als die Herkunft meines senegalesischen Cousins.

                    Sehr klug, da bist Du ja einen Schritt weiter im Verständnis.

                    • Ariane 16. Januar 2018, 23:05

                      Jens Spahn vertritt jedenfalls eher die Mehrheit der Partei als Merkel, schließlich ist es ihm zweimal gelungen, spektakulär Merkels Favoriten auf einem Parteitag auszuhebeln. Wie erklärst Du das, schließlich schweigst Du an solchen Punkten? Oder wie ist Deine Meinung in Einklang zu bringen mit der Selbsteinschätzung der Parteimitglieder?

                      Ich zweifle ja nicht daran, dass etliche Parteimitglieder in eine andere Richtung wollen und ich bin auch ziemlich sicher, dass nach einem Abgang Merkels ein Rechtsruck in der CDU erfolgen wird.
                      Nur deine Ausführungen wirken teils völlig übertrieben, da steht Merkel allein auf weiter Flur, alle Parteimitglieder hassen sie und wollen was anderes (und das scheinbar schon seit immer), das ist einfach maßlos übertrieben.
                      Also bevor du deine großen Deutschlandpläne skizzierst, sollten wir vielleicht doch erstmal abwarten, bis wie und wann die Revolution in der CDU passiert. Nachher setzt sich doch die von der Leyen durch und die passt ja nun irgendwie so gar nicht in das konservative Dreierbündnis. ^^

                      Die Strategie läuft darauf hinaus, die AfD deutlich zu marginalisieren, mit einer rechtspopulistischen Partei, die nur für 5-7 Prozent steht, lässt sich wesentlich besser leben als mit einer 15%-Partei.

                      Achso, ja Rechtsruck um der AfD das Wasser abzugraben ist natürlich ein super Plan (wie waren nochmal die Ergebnisse in Bayern und Sachsen?)
                      Meiner Meinung nach würde das (vielleicht) funktionieren, wenn die Union zwischenzeitlich in der Opposition wäre, denn sonst steht die Partei immer für das herrschende System in Deutschland, auch ohne Merkel. Nur weil dann Spahn vorne steht und ein paar markige Sprüche für die Rechtskonservativen loslässt, rennen die doch nicht alle zur CDU.
                      Und für ein Zweierbündnis (das du ja anstrebst) brauchst du schon ordentliche Zuwächse. Denn was du völlig übersiehst, ist ja, dass die Union dafür auf der anderen Seite sicherlich Wähler verlieren würde. Da wäre zum Einen der Kanzlerbonus mit einem eher unbekannten Gesicht und zum Anderen geht damit die mittige Position flöten oder gehst du auch soweit, dass nicht nur alle Parteimitglieder, sondern auch alle CDU-Wähler Merkel eigentlich hassen und was ganz anderes wollen? Oo
                      Tut mir ja leid, ich sehe die große konservative Revolution noch nicht und schon gar nicht, dass die adhoc so einen Zulauf hat, dass es zu Schwarzgelb reicht (scheinbar schon demnächst, wenn die von dir prognostizierte Neuwahl kommt?) Oder welche Zeiträume schweben dir da so vor?

                    • Stefan Pietsch 17. Januar 2018, 00:07

                      Ich glaube nicht, dass ich übertreibe. Merkel vertritt keinen der in der CDU repräsentierten Flügel. So konnte jeder zu Beginn interpretieren, was er wollte. Die Wirtschaftsliberalen die Kämpferin für Kopfpauschale und Steuervereinfachung, die Sozialkonservativen die Mutter Merkel, welche die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ausweitet. Im Grunde steht die gebürtige Hamburgerin für nichts, was ihr die waghalsigen Wendemanöver ermöglichte. Und bis zum Schluss ihrer Kanzlerschaft darf jeder sich das herauspicken, wo er meint, eine Position erkennen zu können.

                      Ich glaube nichts davon. Merkel war die liberale Reformerin, als der Zeitgeist danach war. Und später war sie die ruhige Gesellschaftsreformerin, weil sie damit anderen Parteien Themen wegnahm. Und wenn dennoch einmal eine Richtung durchblitzte, endete sie im Chaos. Aber genau deshalb werden wir nie zu einer gemeinsamen Einschätzung kommen. Und genau das ist das, warum Merkel keine Wertkonservative ist.

                      Wie gesagt, ich weiß nicht, ob Jens Spahn das Rennen macht. Er ist sehr jung und ohne nennenswerte Meriten – was auch an der CDU-Vorsitzenden liegt, die das Talent ausbremste wo sie konnte. Andererseits ist er einer der wenigen, der für die Öffentlichkeit die innerparteiliche Opposition repräsentiert. Auch so kann man Statur gewinnen.

                      Nachher setzt sich doch die von der Leyen durch und die passt ja nun irgendwie so gar nicht in das konservative Dreierbündnis.

                      Von der Leyen ist eine sehr kluge Frau. Sie hat vor anderthalb Jahren die Zeichen der Zeit erkannt, als sie meinte, jede Generation habe seinen Kanzler und bei ihrer sei das nunmal Angela Merkel. Sie weiß auch, dass sie allein schon wegen ihres Alters, der Trends und der von Dir angeführten Gründe im Zweifel nur eine Übergangskandidatin sein könnte, beispielsweise wenn es zu Neuwahlen käme.

                      Achso, ja Rechtsruck um der AfD das Wasser abzugraben ist natürlich ein super Plan (wie waren nochmal die Ergebnisse in Bayern und Sachsen?)

                      Du hältst wohl alle für blöd? Die Strategie kann kaum sein, dass Union und FDP sich mit vereinten Kräften auf die gleichen Zielgruppen stürzen und sich so gegenseitig kanibalisieren. Das wäre wahrhaftig eine dumme Strategie. Sicher würden die Parteien unterschiedlich ansetzen, eben um in der Mitte keinen Raum zu lassen und dennoch der Bewegung des Elektorats Rechnung zu tragen.

                      Wie Du weißt, glaube ich nicht mehr an die Wiederherstellung der Sozialdemokratie. Alles hat seine Zeit. Ich glaube, das linke Lager wird lange brauchen, sich zu einen und eine Chance zu haben, mehrheitsfähig zu werden. Von den derzeit 29-37 Prozent (dann unter Einbezug der Grünen) ist es nicht so leicht auf 51% zu kommen, denn das Lager ist ein Torso.

                      Oder welche Zeiträume schweben dir da so vor?

                      2020, 2021. Ich kann auch nicht in die Zukunft sehen, aber ich denke schon, dass die Clique um Kauder, Altmaier, Laschet es schwer haben wird, ihre Position zu behaupten, schon allein aus Altersgründen. Und schau‘ Dir den Nachwuchs an: während zu Kohls Zeiten die Junge Union dem Kanzler zu Füßen lag, sind die Jungkonservativen heute der Kanzlerin in Abneigung zugetan. Daraus kommen keine Merkelianer.

              • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 18:27

                @ Ariane 16. Januar 2018, 00:19

                Du stimmst mir also schon zu, dass diese Neuorientierung konterrevolutionär ist?

                Dieses Beharren auf bestimmten Ausdrücken und Sprachregelungen ist jedenfalls links – falls Dich das beruhigt 🙂

                Dies alles kann ich allerdings sein und tun, ohne dass ich dafür Anleihen bei völkischen Ideen nehmen muss.

                Zu „völkisch“ Siehe oben.

                Es geht doch, von wenigen Spinnern abgesehen, niemandem ums „eigene“ Volk, ums „eigene“ Blut. Es geht um einen gewissen Wertekanon, der derzeit zur Disposition gestellt wird. Der wird auch dadurch zur Disposition gestellt, indem dauernd Rücksicht auf die Werte anderer eingefordert wird (teilweise auch dort, wo vorhandene kulturelle Unterschiede gegen unsere Werte wie religiöse Toleranz und Gleichberechtigung gerichtet sind), und der Staat deswegen freiwillig Abstriche macht.

                Es grüßt
                E.G.

                • Ariane 16. Januar 2018, 19:13

                  Es geht um einen gewissen Wertekanon, der derzeit zur Disposition gestellt wird. Der wird auch dadurch zur Disposition gestellt, indem dauernd Rücksicht auf die Werte anderer eingefordert wird (teilweise auch dort, wo vorhandene kulturelle Unterschiede gegen unsere Werte wie religiöse Toleranz und Gleichberechtigung gerichtet sind), und der Staat deswegen freiwillig Abstriche macht.

                  Öhm und zwar? Wo macht der Staat denn Abstriche, um auf andere Werte Rücksicht zu nehmen? Ganz spontan fällt mir da nur ein, dass Transsexuelle sich jetzt in Formularen als Transsexuelle bezeichnen können und das ist ja nun, für alle anderen ein bisschen egal.^^

                  Das ist schon eine recht konservative Sichtweise, denn Rücksicht auf andere gehört für mich zu den normalen Werten der Toleranz, des friedlichen Zusammenlebens und der Freiheit des Einzelnen. Und wie erwähnt, meine Herkunft und Identität ist für mich kein Wert an sich, sondern ein Zufallsprodukt. Hätte auch passieren können, auf einem somalischem Bauernhof geboren werde und auf dem Mittelmeer ertrinke.
                  Und meine Überzeugung ist eben – womit ihr sicher nicht konform gehen werdet – dass dieses Beharren auf Herkunft, Heimat, kulturelle Identität, Blut und Boden immer darauf hinaufläuft, dass *wir* besser sind als andere, mein senegalesischer Cousin oder sonstwer.

                  Ist jetzt ja eh nicht so mein Ding, aber es wirkt eben wie ein trotziges Aufstampfen, nach dem Motto „wir möchten wieder sexistisch und rassistisch sein ohne dass es Ärger mit den versifften Gutmenschen gibt“ und das scheint mir so etwas wenig als Revolutionsvision^^

                  • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 21:39

                    @ Ariane 16. Januar 2018, 19:13

                    Öhm und zwar? Wo macht der Staat denn Abstriche, um auf andere Werte Rücksicht zu nehmen? Ganz spontan fällt mir da nur ein, dass Transsexuelle sich jetzt in Formularen als Transsexuelle bezeichnen können und das ist ja nun, für alle anderen ein bisschen egal.^^

                    Da habe ich mich dann wohl falsch ausgedrückt. Ich meine nicht, dass der Staat selbst in Sachen Toleranz auf dem Rückzug ist, sondern seine Toleranz auch gegenüber Leuten zum Ausdruck bringt, die selbst keine Toleranz für andere Religionen, Völker oder Lebensweisen aufbringen, und die auch, höflich formuliert, die Emanzipation der Frau nicht gerade erfunden haben.

                    Meine Herkunft und Identität ist für mich kein Wert an sich, sondern ein Zufallsprodukt. Hätte auch passieren können, auf einem somalischem Bauernhof geboren werde und auf dem Mittelmeer ertrinke.

                    Natürlich ist meine Herkunft und meine Identität ein Wert für mich; wenn auch keiner, der mich anderen in irgendeiner Form überlegen macht. Ich halte die Deutschen nun wirklich nicht für das Maß aller Dinge. Dass jemand aus Arabien, Afrika oder sonst woher kommt, oder eine andere Hautfarbe hat, ist für mich kein Grund, auf jemanden herablassend zu schauen; ich mag aber auch nicht, dass jemand aufgrund seiner Herkunft auf meine Herkunft herabschaut.

                    Und meine Überzeugung ist eben – womit ihr sicher nicht konform gehen werdet – dass dieses Beharren auf Herkunft, Heimat, kulturelle Identität, Blut und Boden immer darauf hinaufläuft, dass *wir* besser sind als andere, mein senegalesischer Cousin oder sonst wer.
                    Ist jetzt ja eh nicht so mein Ding, aber es wirkt eben wie ein trotziges Aufstampfen, nach dem Motto „wir möchten wieder sexistisch und rassistisch sein ohne dass es Ärger mit den versifften Gutmenschen gibt“ und das scheint mir so etwas wenig als Revolutionsvision^^</

                    Kann das sein, dass Du, weil ich mich als „konservativ“ bezeichne, in eine Schublade packst und mich nach der Aufschrift der Schublade beurteilst? Von „Blut und Boden“ oder „versifften Gutmenschen“ habe ich noch nie gesprochen (und eine „kulturelle Identität“ hast auch Du). Ich bin weder ein Nazi noch ein AfD-Jünger, aber langsam doch darüber irritiert, dass Du mich immer wieder in diese Ecke verortest.

                    Ich habe keine großartigen Visionen (eher ein gesundes Misstrauen, wenn Visionen zu großartig werden). Ich mag weder, dass man Dinge ändert, nur um sie zu ändern, noch, dass Dinge immer so bleiben wie sie sind, damit sie bleiben, wie sie sind.

                    Wenn ich beispielsweise mit der Flüchtlingspolitik von Frau Merkel nicht einverstanden bin, liegt das nicht an rassistischen Gefühlen. Ich verstehe (über die zeitlich begrenzte Aufnahme von Kriegsflüchtigen hinaus, die halt irgendwann zurückmüssen) nicht, was man da treibt. Wir brauchen Zuwanderung, aber für die gibt keine klaren Regeln, etwa nach angelsächsischem Vorbild.

                    Wenn ich gegen die derzeitige EU-Politik bin, dann nicht aus nationalistischen Gründen, sondern deswegen, weil da ein bürokratischer Moloch entsteht, der sich immer stärker jeder demokratischen Kontrolle entzieht. Ein Europa der Ideen und Ideale, der offenen Grenzen, der Toleranz – gerne. Aber was haben wir denn jetzt?

                    Und ich sehe, dass die Politiker meiner Generation (ich bin 60) irgendwie den Draht verloren haben zu dem, was meiner Wahrnehmung nach passiert (wie gesagt, ich komme gelegentlich herum). Deswegen sollte meiner Meinung nach Frau Merkel, Herr Schulz & Co abtreten, weil sie durch ihr Nichts- bzw. Zu-wenig- oder Das-Falsche-tun Schaden anrichten.

                    Darüber, ob Du das „konservativ“ oder „revolutionär“ nennst, kannst Du Dir gerne den Kopf zerbrechen. Aber beurteile bitte meine Meinung, nicht Dein Etikett.

                    Viele Grüße
                    E.G.

                    • Ariane 16. Januar 2018, 22:51

                      Kann das sein, dass Du, weil ich mich als „konservativ“ bezeichne, in eine Schublade packst und mich nach der Aufschrift der Schublade beurteilst? Von „Blut und Boden“ oder „versifften Gutmenschen“ habe ich noch nie gesprochen (und eine „kulturelle Identität“ hast auch Du). Ich bin weder ein Nazi noch ein AfD-Jünger, aber langsam doch darüber irritiert, dass Du mich immer wieder in diese Ecke verortest.

                      Nein, das war keinesfalls gemeint. Wenn wir allgemein über die konservative Revolution reden, muss ich nur gelegentlich etwas allgemeiner und über Euch beide hinaus werden. 😉

                      Muss auch nicht stimmen, ist nur mein Gefühl, dass man bei zuviel Betonung auf Herkunft, Heimat, Identität wie im verlinkten Interview nicht doch Grenzen verwischt und wenn man das so sehr liebt (und ich liebe meine Heimat und meine Familie durchaus auch), folgt vielleicht auch der Gedanke, dass daran etwas besonders Erhabenes ist.

                      Zumindest kommt es ja durchaus häufig vor, dass diese Begriffe als dog whistle genutzt werden von extremeren Leuten. Das kontaminiert sie nun mal irgendwie und das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum bei den Grünen wegen „Heimat“ so ein Heckmeck ausgebrochen ist. Ist eh nichts, was in meinem Denken eine Rolle spielt, aber ich bin eben unsicher, ob man die Begriffe wieder auf den mittigeren Boden ziehen kann.

                    • CitizenK 17. Januar 2018, 08:14

                      „Herkunft, Heimat, Identität“

                      Für (fast) alle Menschen ist es ein Grund-Bedürfnis, irgendwo dazu zu gehören, und sei es eine „politische Heimat“. Zu Zeiten der Internationale war das die Partei, SPD oder KPD. Die Konservativen hielten Heimat immer hoch und nicht wenige Liberale waren national gesinnt.

                      Der kulturelle Heimat-Begriff wurde von den Nazis ruiniert. Deshalb wurde und wird er von Links/liberal/international/progressiv nicht nur abgelehnt, sondern abgewertet.

                      Vielleicht resultiert daraus die Verwirrung zwischen Konservativen und Liberalen?

      • Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 18:15

        @ Ariane 14. Januar 2018, 22:35

        Naja, das ist ja eigentlich der natürliche Gang der Dinge. Die Progresssiven wollen alles anders haben und die Konservativen verteidigen das Bestehende.

        Ich sehe, das wird ein bisschen länger heute.

        Würde es sich so einfach verhalten, wären beide dumm. „Gleich“ oder „anders“ sind für sich genommen keine Qualitätskriterien.

        Ich meine, rein theoretisch ist Merkel ja eigentlich die ideale konservative Kanzlerin, niemand steht so sehr für das Beständige und Althergebrachte wie sie.

        Dann hat ihr Marketing bei Dir schon mal gut funktioniert 🙂

        Für mich steht sie keinesfalls für Beständigkeit.

        Außenpolitik: Unter Obama waren die USA hui (trotz Abhören der Kanzlerin, NSA-Industriespionage, schwacher US-Außenpolitik mit den Folgen der „Gründung“des IS), unter Trump sind die USA nun pfui (ja, Trump ist ein A….loch, und ich mag sein Gebaren auch nicht; aber vom IS hört man nichts mehr, und er ist erst ein Jahr im Amt).
        Erdogan ist übrigens auch ein A…, aber ihm kriecht sie hinten rein, obwohl er wahllos den einen oder anderen deutsche Bürger inhaftiert hat.

        Euro: Trotz vertragsgemäßem No-Bail-Out sind inzwischen alle Barrieren unten; man verhandelt über Vergesellschaftung von Schulden, europaweiter Sozialhilfe, europaweiter Bankenhaftung etc.; die Null-Zins-Politik bricht den Rentenversicherungen und Sparern das Genick.

        Deutschland: Dringende Probleme (bezahlbarer Wohnraum, Bildungs-, Pflege- und Gesundheitssituation, Zustand der Infrastruktur, Zustand der Bundeswehr, Netzausbau) wurden erst gar nicht, viel zu spät oder viel zu zaghaft angegangen; Energiepolitik eher ideologisch grün statt pragmatisch-effizient. Der unkontrollierte Flüchtlingszuzug unter zeitweiser Aufgabe der nationalen Souveränität führte zu verstärkter Spaltung der Bevölkerung, zum Verteilungskampf Flüchtling gegen arm, zu Überlastung von Gerichten, Behörden und Polizei, zu (real etwas und gefühlt sehr viel) weniger Sicherheit – man war trotz fünf- bis zehnjähriger Vorwarnzeit in keiner Weise vorbereitet.

        Europa: Der rüde Umgang der deutschen Regierung mit den hilfsbedürftigen Südländern hat viel Porzellan zerbrochen; das viele „zur Unterstützung“ überwiesene Geld hat internationale Banken und Spekulanten unterstützt, aber kaum die betroffenen Länder (im Gegensatz zu den strengen erzwungenen Maßnahmen).
        Merkels Verhalten in der Flüchtlingskrise (erst der UN und den betroffenen Ländern die Hilfe verweigert, dann das Scheuenentor sperrangelweit aufgerissen) droht Europa zu zerreißen; Großbritannien ist als direkte Folge draußen, die Osteuropäer sehen Brüssel als Bedrohung. Eine gemeinsame europäische Flüchtlingslösung kann nur noch mit Geld oder Schlimmerem erzwungen, nicht aber durch normale Verhandlungen erreicht werden.

        Wirtschaft: Nichts (und damit alles richtig) gemacht. Sie ist bei Schröders Reformen geblieben; es brummt.

        Kultur und Werte: Bislang habe ich von der Kanzlerin zwar öfters gehört, dass wir auf andere Kulturen und Werte Rücksicht nehmen müssen; nichts dergleichen in der anderen Richtung (ich wüsste jedenfalls nicht, dass sie je den Begriff „deutsche Kultur“ benutzt hätte).
        Man muss nun wirklich nicht beim Anblick von Schwarz-Rot-Gold den rechten Arm zum Himmel recken; aber einen Minister zurechtzuweisen, der zum Wahlsieg ein kleines Deutschlandfähnchen hin und her wedelt, muss nun wirklich nicht sein.

        Steht Merkel – so absurd das klingt – für Euch vielleicht schon eher für zuviel Veränderung?

        Abgesehen davon, dass Stefan P. sich zurecht heftig weigern würde, mit mir in den gleichen Sack gesteckt zu werden – ich habe nichts gegen Veränderungen. Aber ich hätte den Fortschritt gerne pragmatisch und problemorientiert, statt ideologisch und politisch korrekt (was wir derzeit haben, und was aus meiner Sicht extrem lähmend wirkt).

        Ich bin seit Jahrzehnten immer wieder in der Welt unterwegs. Mein Blick auf Deutschland wird durchaus mitbestimmt durch das, was ich im Ausland sehe und erlebe. In den 80ern empfand ich nur Japan und vielleicht die Schweiz auf unserem Level. Heute liegen wir in vielen Bereichen nur noch im Mittelfeld.

        Das verunsichert mich als *natürliche* Gegnerin der Rechtskonservativen schon.

        Da gibt es keinen Grund zu – wir sind die Guten 🙂

        Ist total albern, aber ich hatte mehrmals das Gefühl, klarmachen zu müssen, dass Umsturz, Revolution, bestehende Herrschaftsverhältnisse beenden eigentlich *unser Ding* ist (also das der linksprogressiven Leute).

        Derzeit führt nur Frau Merkel eine Revolution durch, eine technokratische – fast lautlos, fast unbeachtet, fast schon heimtückisch. Sie bürokratisiert, institutionalisiert, verlagert mehr und mehr Kompetenzen nach Brüssel, und schläfert langsam die Demokratie ein.

        Ich bin durchaus für ein Europa; für eins der der Vater- bzw. Mutterländer. Ein Blick auf Emmanuel Macron reicht doch aus, um zu zeigen, was Angela Merkel als Euopäerin nicht ist. Ihr Euopa ist kein Europa der Visionen, Ideen und Ideale, sondern der Bürokratie und des Geldes.

        Jetzt wirkt es ein bisschen so, als wenn der *Feind* auf das ureigene Territorium eindringt und ich weiß selbst nicht, ob der Kampf um neue Verhältnisse wichtiger ist -oder ob ich selbst quasi erstmal konservativ werden muss.

        Vielleicht steckt der Feind in Dir? Vielleicht bist Du die Konservative, Geschlossene, die den Status quo nicht (oder nur homöopatisch) ändern will, und Stefan P. (und vielleicht sogar ich) sind progressiv und offen? Ist alles nur eine Frage der Definitionen.
        🙂

        Viele Grüße
        E.G.

        PS: Sorry für die Ausführlichkeit.

        • Ariane 16. Januar 2018, 18:53

          PS: Sorry für die Ausführlichkeit.

          Kein Problem, ich hab ja gefragt 🙂

          Vielleicht steckt der Feind in Dir? Vielleicht bist Du die Konservative, Geschlossene, die den Status quo nicht (oder nur homöopatisch) ändern will, und Stefan P. (und vielleicht sogar ich) sind progressiv und offen?

          Ja, wie gesagt, wenn jemand das ganze System umstoßen will, bin ich immer in der bewahrenden Position. Naja, du mögest mir verzeihen, aber ich hab schon das Gefühl, dass sich Euer Blick nicht so wirklich in die Zukunft richtet, denn die ist nun mal wuselig und chaotisch. Sondern weiter zurück in die Vergangenheit, wo Deutschland noch bedeutend war und noch nix von so modernem Kram zu hören war wie Schwulenehe, Gendertheorien, Rücksicht auf Transsexuelle, usw. Die wenigen Abstriche, die Merkel an die Moderne gemacht hat, werden von Euch ja ebenso kritisiert wie das Nichtstun.

          • Erwin Gabriel 17. Januar 2018, 10:54

            @ Ariane 16. Januar 2018, 18:53

            wie gesagt, wenn jemand das ganze System umstoßen will, bin ich immer in der bewahrenden Position.

            Ich auch.

            Naja, du mögest mir verzeihen, aber ich hab schon das Gefühl, dass sich Euer Blick nicht so wirklich in die Zukunft richtet, denn die ist nun mal wuselig und chaotisch. Sondern weiter zurück in die Vergangenheit, wo Deutschland noch bedeutend war …

            Zack, schon schiebst Du mich wieder in die Rechtsaußen-Ecke. Dass Deutschland eine größere Rolle in der Welt als jetzt spielte, war zu Hitlers Zeiten oder früher.

            Dann lebe ich weder in der Vergangenheit (sondern im heute), und schaue auch nicht zurück, sondern nach vorne. Dabei mache ich mir weniger Gedanken um meine Zeit in der Rente, sondern um die Zukunft meiner vier Töchter. Ich habe alles in allem eine schöne Zeit gehabt, und habe sie noch immer.

            Ich möchte, dass das auch mal meine Kinder von bzw. über sich sagen können. Deswegen wünsche ich mir für sie eine Gesellschaft voller Chancen, nicht eine, die mehr und mehr erstarrt, in der bestimmte Probleme nicht mehr angesprochen werden dürfen, in der Sprache und Denken zensiert werden. Ich wünsche einen Staat, der stark genug ist, um Schutz und Sicherheit zu gewähren, statt mangels Polizisten und Richtern immer mehr Boden preiszugeben. Ich wünsche Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten statt Beschränkung, Reglementierung und Bürokratie usw.

            … und noch nix von so modernem Kram zu hören war wie Schwulenehe, Gendertheorien, Rücksicht auf Transsexuelle, usw.

            Deine Art, mich, weil ich nicht weiß bin, als schwarz (oder als rassistisch / schwulenfeindlich etc.) abzustempeln, finde ich schon ein wenig beleidigend. Kommt mir ein bisschen vor wie die Kirchenvertreter, die mit Sprüchen wie „Unser Kreuz hat keine Haken“ AfDler als Nazis ausgrenzten, weil sie ja so „tolerant“ sind. Schräge Logik.

            Selbst wenn ich aus Gründen, die ich an anderer Stelle schon dargelegt habe, kein Freund von „Schwulenehen“ bin (da geht es mir nur um die Institution der Ehe, nicht um das Zusammenleben der Leute), diskriminiere ich niemanden wegen seiner sexuellen Ausrichtung, und habe das auch noch nie getan. Es soll gerne ein jeder nach seiner Façon glücklich werden (selbst wenn „Rücksicht auf Transsexuelle“ bei mir da aufhört, wo ein transsexueller Mann aufs Damenklo rennt, weil er sich so fühlt; abschließbare Kabinen gibt es auch auf den Herren-Klos).

            Die wenigen Abstriche, die Merkel an die Moderne gemacht hat, werden von Euch ja ebenso kritisiert wie das Nichtstun.

            Merkel ist weder modern noch konservativ. Sie verändert zwar langsam die Gesellschaft, aber sie entpolitisiert, entdemokratisiert und bürokratisiert sie. Das halte ich für schädlich. Wenn Du sie toll findest, solltest Du mal hinterfragen, woran das liegt. Ihrer Politik dürfte es eigentlich nicht sein, denn sie hat bis jetzt jede versprochene Politik irgendwann ins Gegenteil verkehrt.

            Sie hat allerdings eine beruhigende Wirkung auf viele Menschen. Wenn das bei Dir der Grund ist, nochmal meine Frage: Bist nicht vielleicht Du der Spießer?

  • Stefan Sasse 14. Januar 2018, 16:54

    Volle Zustimmung. Hab gerade wieder ein Tab geschlossen.

  • Kirkd 15. Januar 2018, 09:37

    Danke für diesen Artikel.

    Martin Schulz hat es geschafft, eine Niederlage bei einer Wahl in drei Niederlagen zu verwandeln: bei der Bundestagswahl 2017, bei den Koaitionsverhandlungen und bei der Bundestagswahl 2021.

  • Ariane 15. Januar 2018, 12:16

    @Ralf & Stefan Pietsch
    Ich mach mal hier weiter^^

    Bei einem Nein wäre ich als Notlösung eher für eine Minderheitsregierung.

    Die Option besteht nicht. Sie wird von der Unionsspitze wie auch vom Präsidialamt abgelehnt. Die vorherrschende Ansicht: keine Vorteile, instabil und am Ende mündet eine Minderheitsregierung ohnehin in Neuwahlen. Daher lohnt es sich nicht, darüber zu debattieren. Die Alternative zur GroKo sind Neuwahlen.

    Naja, ich halte das eh nicht für eine gute Lösung, aber die theoretische Möglichkeit gibt es ja. Und ich fände es auch unredlich, das ganze von Vornherein auszuschließen. Ähnlich wie Ralf denke ich, dass Neuwahlen die letzte Wahl sein sollten und die Chance ist eh hoch, dass dann weitere drei Monate ins Land gehen und dann stehen alle wieder vor demselben Problem, weil die Mehrheitsverhältnisse gleich geblieben sind.

    Aber noch ist die SPD ja im Spiel und vielleicht kommen bei einem Nein doch wieder exotischere Ideen auf, Tolerierung oder Geheim-GroKo oder so. Wie Ralf auch schon schrieb, die Sache ist ja eigentlich kurios, weil Union und SPD kein Problem miteinander haben und sich in vielem einig sind. Es gibt also weder inhaltliche noch atmosphärische Gründe, die gegen eine Zusammenarbeit sprechen und eine stabile Mehrheit haben sie auch.
    Also Neuwahlen, nur weil alle auf ihre Prozentpunkte bei der nächsten Wahl fixiert sind anstatt auf die parlamentarische Arbeit, scheint mir eben bedenklich.

    • Stefan Pietsch 15. Januar 2018, 12:45

      Ähnlich wie Ralf denke ich, dass Neuwahlen die letzte Wahl sein sollten und die Chance ist eh hoch, dass dann weitere drei Monate ins Land gehen und dann stehen alle wieder vor demselben Problem, weil die Mehrheitsverhältnisse gleich geblieben sind.

      Da kommen wir nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner. Immerhin stimmt mir wenigstens in dem Punkt die Mehrheit der Bürger zu.

      Kein politischer Beobachter glaubt, dass die SPD durch diese erneute GroKo gewinnen kann, zumal nach der Vorgeschichte. Unter diesen Umständen ein neues Bündnis unter Merkel zu warten, halte ich für politischen Selbstmord (Neuwahlen allerdings auch). Am 24. September zu der Schlussfolgerung zu kommen, der Wähler habe die schwarz-rote Koalition abgewählt und drei Monate später genau diese Regierung fortzusetzen, ist nicht vermittelbar und erklärbar. Angenommen, das hat nur ein Teil der 20% damals auch so gesehen, halte ich es für kaum möglich, dass dieser Teil ihrer Partei ein solches Manöver verzeihen würde.

      Wenn ich bei für das Unternehmen schwerwiegenden Situationen eine bestimmte Entscheidung bevorzuge, hole ich regelmäßig Eigentümer oder zumindest Konzernleitung ins Boot. Das sehen allerdings meist auch die Verträge so vor. Und wie gesagt, ich denke, eine solche Situation ist mit dem Scheitern von Jamaika und der klaren Ablehnung der SPD einer Fortsetzung der bisherigen Regierung längst eingetreten.

      • Ariane 15. Januar 2018, 21:18

        Kein politischer Beobachter glaubt, dass die SPD durch diese erneute GroKo gewinnen kann, zumal nach der Vorgeschichte. Unter diesen Umständen ein neues Bündnis unter Merkel zu warten, halte ich für politischen Selbstmord (Neuwahlen allerdings auch).

        *lol* Ja, es ist vertrackt. Nahles hat ja schon recht, dass bei einigen – gerade den JuSos – die Abneigung gegen die GroKo so allgemein und extrem war und ist, dass inhaltliche Fragen sowieso keine Rolle mehr spielen. Umso wichtiger hätte ich es eben gefunden, etwas zum Vorzeigen zu haben, um zumindest die Unentschlossenen auf seine Seite zu ziehen. So haben die Gegner leichtes Spiel, vor allem wenn die CSU nebenan strahlt wie ein Honigkuchenpferd.
        Ich kann den Frust auch verstehen, aber hat nun mal kaum inhaltliche Gründe, sondern liegt meines Erachtens im Problem, das die SPD mit sich selbst hat, dass sie bei jeder Wahl eins auf den Deckel bekommen. Und nun entlädt sich das an der GroKo und Merkel und ganz viele Menschen erwarten sich eine Wunderheilung in der Opposition. Deswegen halte ich eine Ablehnung durchaus für wahrscheinlich, gerade weil man zwar viel Klein-Klein aufgetippselt hat, im Mittelpunkt aber das Nachgeben bei Klima und Flüchtlingen spielt.

  • R.A. 15. Januar 2018, 13:14

    Die SPD hatte eine sehr schlechte Ausgangsbasis für die Verhandlungen. Und so wie sie sich derzeit weiter intern streitet wird die Ausgangsbasis für die eigentlichen Koalitionsverhandlungen noch schlechter sein.
    Und das ist die Folge von einer ganzen Reihe taktischer Fehler.

    Denn eigentlich ist die SPD sehr stark in die zweite GroKo gestartet und hat Merkel sehr viele Zugeständnisse abgerungen. Die dann in Folge auch umgesetzt wurden, z. B. bei Mindestlohn, Frührente und anderen sozialen Wahlgeschenken.
    Doof nur: Das waren im wesentlichen Themen, die für die SPD-Wählerschaft recht uninteressant waren und die von der „Linken“ viel authentischer vertreten wurde.
    Also waren im Frühjahr 2017 trotz erfolgreicher Regierungsarbeit die Umfragewerte mies.

    Also wurde der 100%-Schulz aus der Wundertüte geholt.
    Doof nur, daß der eigentlich nicht das nötige Format hatte, mit seinem EU-Hintergrund Angriffsflächen bot und taktisch eine Null ist.
    Also kam man auf die glorreiche Idee, einen Oppositionswahlkampf gegen die eigene Regierung zu führen. Und dabei, das hat Ariane sehr gut herausgestellt, die eigene Programmatik zu vernachlässigen.

    Denn es geht in Wahlen nicht darum, zu allen möglichen Themen irgendwelche Wünsche im Programm zu versammeln. Sondern Alternativen bzw. attraktive Vorschläge zu einigen wesentlichen Punkten zu machen. Und zwar Punkten, die die Wähler interessieren – da war z. B. beim Zentralthema „Flüchtlinge“ eher eine Fehlstelle.
    Diese notwendige Prioritätensetzung ist zentrale Aufgabe einer Parteiführung, aber bei der SPD führt niemand mehr.

    Also ward der Beschluß, nach der zu erwartenden Wahlklatsche in Opposition zu gehen.
    Doof nur: Man vergaß dafür irgendeine inhaltliche Begründung zu formulieren und hatte insbesondere keinen Plan B in der Hinterhand, falls es keine andere Koalition geben würde.

    Und prompt wurde der Plan B gebraucht und es gelang nicht mehr, die Bürgerversicherung als Begründung zur Koalitionsablehnung zu etablieren.

    Jetzt hat die SPD nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Wortbruch und Wortbruch, zwischen einer miesen GroKo-Fortsetzung oder desaströsen Neuwahlen. Und Funktionäre wie Mitglieder des Pest- und des Cholera-Flügels sind aktiv dabei, mit internem Streit das Desaster perfekt zu machen.

    • CitizenK 17. Januar 2018, 08:00

      Ist das vielleicht ein Gärungsprozess, aus dem eine neue Partei entstehen könnte aus linkem SPD- und rechten LINKE-Flügel? War da nicht schon was mit Lafontaine im Hinterzimmer?

  • Erwin Gabriel 17. Januar 2018, 10:09

    @ Ariane 16. Januar 2018, 22:51

    Muss auch nicht stimmen, ist nur mein Gefühl, dass man bei zuviel Betonung auf Herkunft, Heimat, Identität wie im verlinkten Interview nicht doch Grenzen verwischt und wenn man das so sehr liebt (und ich liebe meine Heimat und meine Familie durchaus auch), folgt vielleicht auch der Gedanke, dass daran etwas besonders Erhabenes ist.

    Das ist etwas, was ich „bei Euch Linken“ (auf die Gefahr hin, dass ich dieses mal über Dich hinausgehe) überhaupt nicht verstehe: Natürlich hat „Heimat“ für mich etwas „Erhabenes“ – wie für jeden Türken, Italiener, Franzosen, Amerikaner, Russen, Perser, Chinesen etc., auch für Deine Senegalesin (die, weil sie die Heimat liebt, daheimblieb, nicht dem Lockruf von Frau Merkel folgte und deshalb auch nicht im Mittelmeer ertrank). Das sollte/könnte auch für Dich so sein.

    Ich sehe meine Heimat, nur weil sie für mich etwas Besonderes ist, aber nicht als überlegen an. Meine Frau ist auch etwas Besonderes, was nicht heißt, dass andere Frauen nicht auch besonders sind oder attraktiv auf mich wirken können, oder dass ich alle anderen Frauen verachte. Ich möchte nur halt lieber mit meiner verheiratet sein.

    Zumindest kommt es ja durchaus häufig vor, dass diese Begriffe als dog whistle genutzt werden von extremeren Leuten. Das kontaminiert sie nun mal irgendwie und das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum bei den Grünen wegen „Heimat“ so ein Heckmeck ausgebrochen ist. Ist eh nichts, was in meinem Denken eine Rolle spielt, aber ich bin eben unsicher, ob man die Begriffe wieder auf den mittigeren Boden ziehen kann.

    Dass Heimat für Dich keine Rolle spielt, finde ich schade. Vielleicht bist Du zu wenig unterwegs, warst nie mal etwas länger weg (zwei Wochen Urlaub pro Jahr zählen nicht). Ich war mal für ein paar Wochen für ein Entwicklungsprojekt in Japan; war unglaublich intensiv und spannend. War aber auch ein tolles Gefühl, wieder daheim zu sein, ein Frühstücksei zu genießen und in ein Butterbrot zu beißen, ohne den Geruch von Algentee in der Nase zu haben.

    Das mit dem „Dog Whistle“ kann ich ehrlich gesagt nicht mehr hören, das ist wieder so ein linkes Etikettendings. Hitler war Vegatarier, war reinlich, und liebte Hunde. Daraus kann ich doch nicht ableiten, dass täglich duschende vegane Hundebesitzer Extrem-Nazis sind.

    Was den mittigen Boden angeht: Der (speziell von linker bzw. grüner Seite) verkrampfte Umgang mit Begriffen wie „Heimat“ oder „Nation“ ist doch das eigentliche Problem. Würde man normal damit umgehen (also so, wie es in jedem anderen land auf dieser schönen Welt üblich ist), könnten diese Begriffe von den Rechtspopulisten nicht so in Beschlag genommen werden.

    Dieses Dämonisieren oder Umdeuten von bestimmten Begrifflichkeiten, die Versuche, die Sprache (und damit das Denken) zu kontrollieren, ermöglicht den Populisten in vielen Fällen erst das Eindringen in die „bürgerlichen Spießerseelen“ (= politische Mitte).

    • Ariane 17. Januar 2018, 19:36

      Das ist etwas, was ich „bei Euch Linken“ (auf die Gefahr hin, dass ich dieses mal über Dich hinausgehe) überhaupt nicht verstehe: Natürlich hat „Heimat“ für mich etwas „Erhabenes“

      Ich weiß nicht, ob das so ein „linkes Ding“ ist oder nur meine persönliche Gefühlslage^^ Aber Deutschland ist mir als Heimat schlichtweg zu groß. Heimat sind für mich die Viertel in Rendsburg und Eckernförde, in denen ich aufgewachsen bin. Wohlwollend betrachtet vielleicht noch Schleswig-Holstein und Hamburg. Aber die ostdeutsche Grenzregion oder der bayrische Wald ist mir ähnlich fern wie das Ausland. Bzw vermutlich sogar noch ferner, denn die USA, England oder aus der Kindheit Japan können noch durch die Popkultur aufholen^^

      Kann auch durchaus eine norddeutsche Besonderheit sein, denn Auslandsaufenthalte helfen da nun gar nicht, denn das Deutschlandbild im Ausland ist ja maßgeblich von Süddeutschland geprägt (Bier, Lederhosen, Sauerkraut, Oktoberfest und vllt noch Karneval) und genauso sind die deutschen Werte oder deutsche Leitkultur (wenn sie dann doch mal formuliert werden) häufig ein Konglomerat aus süddeutschen und preußischen Tugenden. Vielleicht ist Deutschland da auch einfach nicht das richtige Land zu, denn meine „Heimat“ ist eh erst sehr spät dazugestoßen und insofern gehört es denn schon eher zu meiner kulturellen Identität so landesweiten Kram aus Gründen der Abgrenzung abzulehnen, weil irgendwelche Leute da aus Berlin oder gar aus Bayern mal gar nix zu bestimmen haben, was der Fockbecker Kleinbauer für Werte hat.^^

      Und wenn wir nun die Herkunft noch mit hineinnehmen, wird es ja noch komplizierter, weil das ja pure Vergangenheit ist. Bei war zb ein Opa Däne und der andere Vertriebener aus dem Sudetenland. Deswegen hab ich nun aber nicht mehr Bezug zu Dänemark und Tschechien als zu Ungarn und den Niederlanden, das ist nur so hobbyhistorikermäßig interessant, aber für mich ohne weiteren Belang.

      Deswegen ist man nicht gleich rechts oder gar ein Nazi, wenn man seine Heimat, Familie oder Deutschland liebt. Aber wenn man das in seine Ideologie, also den spezifisch konservativen Wertekanon, eingliedern will, muss man das universeller ausformulieren und da ist meine Überzeugung, dass man da irgendwann doch an Grenzen stößt. Oder plötzlich bei Leuten landet, bei denen man nicht landen will.

      Der (speziell von linker bzw. grüner Seite) verkrampfte Umgang mit Begriffen wie „Heimat“ oder „Nation“ ist doch das eigentliche Problem. Würde man normal damit umgehen (also so, wie es in jedem anderen land auf dieser schönen Welt üblich ist)

      Das ist ja nun irgendwie süß mit dem eigentlichen Problem. Solche Probleme entstehen doch nicht im luftleeren Raum. Genausogut könnte ich einwenden, das eigentliche Problem ist eher, dass Heimat und Nation heute wie damals so häufig für nationalistische oder schlimmere Töne gebraucht wurden und werden, dass sie – wie Citizen so schön schrieb – völlig entwertet und ruiniert sind. Ich persönlich glaube auch nicht daran, dass das in absehbarer Zeit rückgängig gemacht werden kann und wenn, dann sollte man dieses Problem imo auch ruhig der konservativen Seite überlassen, denn die hat stärker daran zu leiden als die linksprogressive, die sich da eh schon immer an anderen Dingen orientiert hat.

  • Erwin Gabriel 18. Januar 2018, 10:53

    @ Ariane 17. Januar 2018, 19:36

    Heimat sind für mich die Viertel in Rendsburg und Eckernförde, in denen ich aufgewachsen bin.

    Wie schön, das reicht doch. Ist für praktisch jeden so. Bei mir ist das der Deister im Landkreis Hannover.

    Schöne Ecke übrigens bei Dir. Ich wohne im Kreis Stormarn, und komme da gelegentlich vorbei.

    Oder plötzlich bei Leuten landet, bei denen man nicht landen will.

    ^ ^ Wie das wohl kommt.

    Wenn ich immer wieder (gelegentlich auch von Dir) in der AfD-Ecke verortet werde, dann nicht, weil ich mich dahingestellt habe, sondern weil Du und Deinesgleichen mich dahinstellt.

    Du und viele andere linke Genossen macht es Euch viel zu oft viel zu bequem. Einem Konservativem „AfD“ oder „Nazi“ entgegenzuhalten, ist nur ein Totschlagargument, aber keine Auseinandersetzung mit deren Themen und Begriffen (Korrektur; ist kein Totschlagargument, weil das Argument fehlt). Ich nenne doch auch nicht ständig jeden Grünen / Linken etc. einen Massenmörder, weil Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot oder Fidel Castro Millionen von Menschen umbrachten.

    Das ist ja nun irgendwie süß mit dem eigentlichen Problem. Solche Probleme entstehen doch nicht im luftleeren Raum.

    Ich hoffe doch nicht; ein Großteil des Problems entsteht in Euren Köpfen.
    🙂

    Genauso gut könnte ich einwenden, das eigentliche Problem ist eher, dass Heimat und Nation heute wie damals so häufig für nationalistische oder schlimmere Töne gebraucht wurden und werden, …

    Dann geh halt hin und schleudere den Leuten entgegen, dass sie den Begriff missbrauchen, dass auch Du und jeder andere Deutsche (so wie jeder Mensch) eine Heimat hat, ob er nun politisch links oder rechts steht.

    Was Du stattdessen letztendlich tust, ist den Leuten, die nicht missbräuchlich mit dem Begriff umgehen, vorzuwerfen, dass sie das auch tun.

    … , dass sie – wie Citizen so schön schrieb – völlig entwertet und ruiniert sind.

    Ein Begriff, welcher auch immer, kann nicht absolut „entwertet“ sein; für Dich vielleicht, für andere nicht. Es kommt schon sehr stark darauf an, womit man ihn befrachtet.

    Wenn Du bei dem Begriff „Heimat“ nicht an Rendsburg und Eckernförde denkst, an Dein Zuhause, an Deine Freunde dort, sondern wenn Dein erster Gedanke „Nazi“ oder „Rechts“ ist, liegt das Problem nicht beim Wort, sondern an Deiner Konditionierung.

    Ich persönlich glaube auch nicht daran, dass das in absehbarer Zeit rückgängig gemacht werden kann und wenn, dann sollte man dieses Problem imo auch ruhig der konservativen Seite überlassen, denn die hat stärker daran zu leiden als die linksprogressive, die sich da eh schon immer an anderen Dingen orientiert hat.

    Es ist schade, dass Du so in Schubladen denkst. Du suchst immer das Trennende, nicht das Gemeinsame. Konservativ und (links)progressiv müssen nicht immer Gegensätze sein (@ Stefan P.: ich weiß jetzt aber nicht, wie es bei den liberalen aussieht 🙂 ).

    Nimm als Beispiel die Grünen: Deren Thema Umweltschutz ist doch auch Erhalt der Heimat. Und in Sachen Bildung ist ein pragmatisch Progressiver wie Stefan S. doch auch nicht so weit weg von einem Konservativen, der wünscht, dass die Schüler nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden.

    Es grüßt
    E.G.

    • Ariane 18. Januar 2018, 13:25

      Wenn ich immer wieder (gelegentlich auch von Dir) in der AfD-Ecke verortet werde, dann nicht, weil ich mich dahingestellt habe, sondern weil Du und Deinesgleichen mich dahinstellt.

      Nein, also das möchte ich nochmal klarstellen, ich verorte nicht dich oder alle Konservativen in der AfD-Ecke!

      Das ist mehr persönliches Empfinden als ideologisches, aber für mich sind Liebe zur Familie, Heimatverbundenheit, vielleicht auch Religion ganz individuelle subjektive Gefühle, die sich nicht auf eine Gesellschaft und damit in eine Ideologie einbinden lassen. Und wenn man das versucht, führt das unweigerlich zu Problemen oder muss so verallgemeinert werden, dass es schon nicht mehr lohnt.

      Im Gegensatz zu Werten, die problemlos auf die Gesellschaft übertragen lassen und damit in eine Ideologie eingebaut werden können. Bei den Linken dann eher Freiheit, Gleichheit, Solidarität und bei den Konservativen zb Sicherheit und Recht und Ordnung.
      Gilt auch nicht nur für sowas wie Heimat, viele Linke sind zum Teil auch extrem religionskritisch eingestellt, während ich das recht großzügig sehe und kein Problem hab, wenn man am Karfreitag nicht tanzt oder der Papst im Reichstag eine Rede hält.

      Ein Begriff, welcher auch immer, kann nicht absolut „entwertet“ sein; für Dich vielleicht, für andere nicht. Es kommt schon sehr stark darauf an, womit man ihn befrachtet.

      Ähm doch. Also zumindest in Deutschland mit seiner Geschichte ist das so. Das gilt für österreichische Minister, die Leute in Lagern konzentrieren möchten ebenso wie zb für Volkszorn oder Volksempfinden. Was wollte Frauke Petry noch normalisieren? Ich glaube, das war völkisch oder ähnliches.

      Diese Sensibilität haben sich keine linken Heinis ausgedacht, sondern sie sind nun mal das Resultat daraus, dass Deutschland die völkische Theorie so dermaßen auf die Spitze getrieben hat, dass damit heutzutage eben nicht mehr unbelastet rumhantiert werden kann. Und ich bin eben überzeugt, dass Heimatverbundenheit gesamtgesellschaftlich übertragen, immer irgendwo Anleihen bei der völkischen Theorie nimmt. Deswegen ist nicht jeder Heimatliebende ein Nazi oder so ein Quatsch, aber er muss halt überlegen, wie er das unbelastet einbauen will.
      Und das ist nun mal eher ein Problem für Euch – also die Konservativen – weil ich persönlich das ja gar nicht in mein eigenes gesellschaftliches Wertesystem einbauen will. ^^

      Es ist schade, dass Du so in Schubladen denkst. Du suchst immer das Trennende, nicht das Gemeinsame. Konservativ und (links)progressiv müssen nicht immer Gegensätze sein (@ Stefan P.: ich weiß jetzt aber nicht, wie es bei den liberalen aussieht )

      Ach, das liegt jetzt aber viel am Thema. Gibt auch viele Themen, bei denen ich plötzlich tief im konservativen Lager stehe *hust* Außenpolitik zb. 🙂
      Oder Dinge, bei denen Du, Stefan P. und ich denselben Wert (zb Freiheit des Einzelnen) teilen, den aber alle total unterschiedlich interpretieren^^

  • popper 18. Januar 2018, 12:47

    @Erwin Gabriel 16. Januar 2018, 18:15

    Euro: Trotz vertragsgemäßem No-Bail-Out sind inzwischen alle Barrieren unten; man verhandelt über Vergesellschaftung von Schulden, europaweiter Sozialhilfe, europaweiter Bankenhaftung etc.; die Null-Zins-Politik bricht den Rentenversicherungen und Sparern das Genick.

    Sehen Sie, Herr Gabriel, ihre Einschätzung kommt möglicherweise daher, dass Sie noch zu wenig über die geldtheoretischen Zusammenhänge nachgedacht und recherchiert haben und auf das zugreifen, was Sie aus den Medien, von bestimmten Ökonomen und Politikern oder vielleicht sogar der BuBa hören.

    Zu Beginn der Währungsunion wurde insbesondere auf Drängen Deutschlands eine Zentralbank (EZB) installiert, die nicht mehr als Lender of last resort fungiert. Die die im Maastrichter Vertrag vereinbarte No-Bail-Out Klausel lässt den Schluss zu, dass Deutschland nicht wusste, dass in einer Währungsunion, wo Staaten sich am Kapitalmarkt refinanzieren müssen, de facto bzw. de jure, im Notfall sich nicht mehr mit Liquidität in eigener Währung und zu einem vernünftigen Zinssatz versorgen können. Was man im Fall Zyperns und sehr viel drastischer Griechenlands gesehen hat, war, dass die EZB, ebenfalls aufgrund der Dominanz Deutschlands, politisch und nicht im Rahmen eines funktionalen Geldsystems gehandelt hat. Weil man eigene Banken retten musste, dafür aber nicht zahlen wollte.

    Deutschland hat mit Hilfe der Kommission und der Troika den verschuldeten Ländern (wobei man zunächst genau schauen müsste, welcher Sektor der Volkswirtschaft wie hoch verschuldet war) Kredite gegen Austerität ausgereicht. Und so eigenes wirtschaftspolitisches Versagen marginalisiert. Irland hatte 2007 eine Staatsverschuldung von 25%, Spanien 36,1% und Deutschland bereits 64,9%. Trotzdem werden bis dato Schauermärchen über die Staatsschuldenkrise erzählt, die in Wirklichkeit eine Banken- und Finanzkrise ist. Und schlimm ist auch: wir versuchen bis heute dieses perfide Spiel weiter zu betreiben. Wir zwingen die Länder in der EWU zum „Sparen“ oder andere Ländern in der Welt sich für unseren Überschuss mit ca. 300 Mrd. jährlich zu verschulden. In den Defizitländern verursachen wir dadurch Deflation, die das gesamteuropäische Inflationsziel von ca. 2% desavouiert, aber gleichzeitig unsere Waren durch den zu schwach bewerteten Euro wettbewerbsfähiger, d.h. billiger machen. Damit sind wir Nutznießer im doppelten Sinne. Auf der einen Seite durch den niedrigen Zins auf unsere Anleihen und auf der anderen Seite an den Zinsen für die Kredite die wir den sogenannten Schuldner-Länder der EWU gegen Austerität gewähren.

    Die wiederkehrende Behauptung, wir zahlten für die Schulden anderer, ist ein Glanzstück deutscher PR. Nun könnte man sagen, was interessieren uns die Probleme anderer, Hauptsache uns geht es gut. Abgesehen davon, dass auch hier zu wenig differenziert wird, wem es in Deutschland gut geht und wer Opfer der arbeitsmarktpolitischen Verwerfungen ist, sind wir der Hauptverursacher der Krise in Europa. Können als nicht so tun, als wären die Verschuldungen der Südländer infolge der Finanzkrise deren Problem und hausgemacht. Eine funktionierende Währungsunion muss immer auch eine kongruente Fiskalunion sein. Die Leistungsfähigkeit einer Wirtschaft bemisst sich nach ihrer Produktivität. Und diese bestimmt den Verteilungsspielraum. Es ist völlig uninteressant, ob einzelne Länder der Währungsunion hoch industrialisiert sind oder nicht, alle müssen sich nur an ihrer Produktivität und das einheitliche Inflationsziel der EZB beachten und danach ihre Löhne ausrichten. Was bei den einen zu viel, war bei uns zu wenig. Deutschland hat zwar mit seiner Agenda 2010 seine Wettbewerbsfähigkeit enorm verbessert, aber einen nicht geringen Teil seiner Menschen vom Wohlstand für alle abgehängt und die Eurokrise damit heraufbeschworen. Hätte jeder Staat in der EWU seine eigene unabhängige Zentralbank, die den Zahlungsverkehr und die Liquidität seines Staates garantiert, wäre es nie zu dieser Krise gekommen.

    Und was die Sparer und Rentenkassen der Privatversicherer betrifft, nicht der Zins der EZB ruiniert die Renditen, sondern der Sparzwang einer Gemeinschaft von betriebsblinden Politikern und ihren Hausökonomen, die den Staat kastrieren und dann erwarten, dass er die Renditen der Geldeinsammler gebiert. Die immer noch das Märchen verbreiten, Kredite bedürften einer Sicherheit durch Einlagen oder einer sie rettenden Bankenunion. Gerade in den letzten Tagen haben 14 Ökonomen in Deutschland diesen unsäglichen Mist widergekäut. Unter der deutschen Kurzfassung des Titels: „Wie Risikoteilung und Marktdisziplin in Einklang gebracht werden können: Ein konstruktiver Vorschlag zur Reform des Euroraums“ haben unsere sogenannten Topökonomen ein Hohelied auf den Marktfundamentalismus gesungen. Menschliche Interessen und deren Probleme kommen darin so gut wie nicht vor. Auch hier nur Analysen, Annahmen und Funktionsweisen von Kapitalmärkten und Banken, die zu wissen vorgeben, wie Staaten ihren Kapitalbedarf zu organisieren haben. Und damit weit von der Realität und Funktionsweise eines validen Geldsystems entfernt sind. Man kann das Ganze nur als misslungenen Versuch bezeichnen, das deutsche Exportmodell zu retten. Natürlich fehlt auch nicht das Märchen vom alles zahlenden Steuerbürger in den Überschussländern für die geflunkerten „Geldorgien“ des Bankrott-Südens, womit man den Euphemismus „Staatsschuldenkrise“ erneut betoniert.

    Die Frage bleibt, wann werden unsere ökonomischen Vordenker in Deutschland begreifen, dass eine Forderung immer eine Verbindlichkeit auslöst. Und Schulden nicht das Ergebnis einer Fehlentwicklung sind, sondern, die Basis unseres kapitalistischen Krediteldsystems, deren Funktionsweise uns von dem Zwang befreit hat, jemanden zu finden, der das braucht, was wir suchen und gegen das eintauscht, was wir haben, aber nicht mehr brauchen. Geld ist deshalb kein Tauschmittel, sondern ein Papier, ausgestattet mit Schuldentilgungsfähigkeit in einer entsprechend aufgedruckten Höhe, sofern dessen Registriernummer in der Bargeld-Datenbank aufgeführt ist (was übrigens bei Kryptowährungen wie dem Bitcoin nicht der Fall ist).

    Mein Petitum ist quasi eine Anregung dazu, etwas tiefer in Materie einzusteigen, wenn es darum geht, Sachzusammenhänge zu adressieren, die im Rahmen der sogenannten Eurokrise für das Verständnis unabdingbar sind. Das Problem wird immer sein, dass man ökonomische oder geldtheoretische Sachverhalte nur auf der Grundlage eigener Gesetzmäßigkeiten lösen kann. Der politische Wille der Akteure innerhalb der EWU ist ungeeignet, wenn er sich mit Interessen vermengt, die kategorial andere Lösungsansätze verfolgen und von wirtschaftlichen Interessen geprägt sind, die die Wirkursachen allein aus mikroökonomischer Perspektive bewerten. Die politischen Akteure der sich derzeit abzeichnenden GroKo sind gefangen in einem Widerspruch, der einerseits den Erfolg ihres bisherigen politischen Handelns begründet, aber gleichzeitig die Ursachen eines sich über Jahre dahinziehenden Misserfolgs determiniert.

    Insofern sind die Perspektiven eines Aufbruchs oder Neuanfangs verschlossen. Und der Herr aus Würselen entpuppt sich immer mehr als Trojanisches Pferd der europäischen neoliberalen Agenda und als einer, der sich bis zur Unkenntlichkeit verbiegt. Frau Merkel sollte man die Gelegenheit geben in einer Minderheitsregierung Mehrheiten dafür zu generieren, um ihre politischen Vorstellungen mehrheitsfähig zu machen. Und ich wette, dass sich sehr schnell herausstellen wird, dass Frau Merkel nicht mehr als eine schallende Zimbel ist, deren Klang nur aus der Inspiration und Resonanz politischer Antagonismen resultiert. Eine Kaiserin ohne Kleider zusammen mit einem bayrischen Wurmstich einer Partei ohne Rückgrat verheißt nur ein unsägliches Weiter-so, das selbst den Wohlgesinnten allmählich zum Halse raushängt.

    • Erwin Gabriel 19. Januar 2018, 13:06

      Lieber Popper,

      ich müsste lügen, wenn ich vorgebe, dass ich alles verstanden hätte, was Sie vorgebracht haben.

      Einige Ihrer Einschätzungen teile ich, wenn auch nicht durch tiefes finanzpolitisches Wissen begründet, sondern eher durch ein Bauchgefühl.
      Das eine gemeinsame Währung wie der Euro in derart unterschiedlichen Sozial-, (Steuer)Rechts- und Wirtschaftsverhältnissen zu Verwerfungen führt, war abzusehen. Andere Länder zu zwingen, sich selbst in Grund und Boden zu stampfen, finde ich auch nicht so berauschend.

      Mir ist auch zutiefst zuwider, dass Banken wie verrückt spekulieren, und wenn es schiefgeht, der Steuerzahler allzu oft rettend einspringen muss (richtiger: Politiker, die das Geld der Steuerzahler dafür benutzen). Auch halte ich unsere Staatsschulden für zu hoch. Das mag gut gehen, solange es brummt; das wird aber nicht ewig so bleiben.

      Ihrer Einschätzung zu Frau Merkel und Herrn Schulz teile ich; beide haben keinen Plan, und beide sind nicht so, wie sie vorgeben zu sein.

      Zum tiefer Einsteigen in das Finanzthema: Haben Sie (oder andere in dieser Runde) ein, zwei einsteigerfreundliche Leseempfehlungen parat?

      es grüßt
      E.G.

  • Erwin Gabriel 19. Januar 2018, 13:07

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