Das Ja, das ein Nein ist

Es ist noch einmal gut gegangen. Zumindest für die gesamte Parteiführung wie für die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit 56% stimmte am Sonntag der SPD-Sonderparteitag in Bad Godesberg für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. Noch am Wahlabend an einem Sonntag im September bejubelte das Willy-Brandt-Haus stellvertretend für die Sozialdemokratie ihren Vormann Schulz, als dieser gerade eine der heftigsten Niederlagen der fast 150jährigen Parteigeschichte kassiert hatte. Der stets müde wirkende Europaenthusiast hatte einen Kniff angewandt, um zumindest einen Teil seiner Macht zu retten und das Ende der Koalition mit den Schwarzen verkündet. Die Sehnsucht nach Opposition ist nicht nur den Sozialdemokraten immanent, sie ist kennzeichnend für linke Parteien. Lieber Weltenrettung irgendwann als sich im täglichen Klein-Klein aufreiben. Nicht von ungefähr hat diese Partei in den anderthalb Jahrhunderten ihres Bestehens das Land lediglich 20 Jahre geführt. Wenn es noch einen Zweifel gab, dass die SPD fertig hat, dann lieferte diesen Nachweis der erbitterte innerparteiliche Kampf um eine weitere Unterstützung der Teflon-Kanzlerin.

Ein Vorsitzender, der seine Mitglieder, Mitarbeiter und Mitstreiter nicht mehr mitreißen und ihre Sicht ändern kann, hat seinen Führungsanspruch verloren. So geht es spätestens seit dem Wahlabend letzten Jahres Martin Schulz. Dem langjährigen Europapolitiker ist jede Begeisterungsfähigkeit verloren gegangen, katastrophale strategische Fehler runden das Bild nur ab. Der Nordrhein-Westfale besitzt kein Geschick, einen Führungsanspruch zu formulieren und auch durchzusetzen. Sämtliche Aufgaben politischer Leitung hat der ehemals 100%-Parteivorsitzende an die Basis und Funktionärsschicht ausgelagert. So präsentierte er sich auf dem Parteitag, der mit über seine politische Zukunft entscheiden sollte, als Häufchen Elend, der von den einzigen Hosenträgern der Partei Andrea Nahles, Malu Dreyer und Manuela Schwesig gestützt werden musste. Die alten Männer der SPD, ob dies nun den ewigen Zauderer Olaf Scholz oder farblosen Stephan Weil beschreibt, wirken dagegen nur noch grau und machtlos und man vergisst als Beobachter, dass einflussreiche Länder von diesen kleinen Parteikoryphäen geführt werden.

Die SPD will in die Opposition, kaum jemand in der Partei mag noch für eine Regierungsbeteiligung streiten. Das zumindest zeigt die magere Zustimmung zu anstehenden Koalitionsverhandlungen. Ohne die mitreißenden 13 Minuten der Fraktionsvorsitzenden Nahles wäre die Sozialdemokratie möglicherweise heute schon enthauptet, hätte sich keine Mehrheit mehr für ein Weiter so entschieden. Es gab des öfteren Regierungen, die sich zum Ende ihrer Zeit ermattet ins Ziel geschleppt haben. Diese schwarz-rote Koalition, so es dazu irgendwann kommt, krabbelt überhaupt zur Startlinie.

Der früheren linken Volkspartei fehlt eine Idee, was sie überhaupt noch sein will. Sie hat keine Idee, welche Schichten sie ansprechen und gewinnen will, um überhaupt Stimmen zu gewinnen. Wer heute SPD wählt, kann kaum Gründe für sein Tun benennen, die über den kleinsten gemeinsamen Nenner, der hier das kleinere Übel beschreibt, hinausgeht. Das Parteiemblem behauptet soziale Gerechtigkeit, aber das ist nicht mehr als eine inhaltslose Floskel. Was soziale Gerechtigkeit sein soll, kann niemand griffig beschrieben. Während die CSU für Sicherheit, innenpolitische Härte und wirtschaftspolitische Freiheit gepaart mit einer familiär orientierten Sozialpolitik steht, die FDP für Steuersenkungen und Staatskritik und die Grünen jedes Umweltthema zugeschrieben bekommen, steht die SPD für nichts.

Die hastig hochgezerrten Themen schaffen keine Identität, egal ob sie Mindestlohn oder Bürgerversicherung heißen. Zu oft kämpft die Partei gegen sich selbst. So führte ein SPD-Kanzler vor über 10 Jahren für Deutschland geradezu revolutionäre Arbeitsmarktreformen ein, deren Vorteile längst dem politischen Gegner zugerechnet werden, der dafür am wenigsten kann. Später war es ein sozialdemokratischer Arbeitsminister, der das Land auf die anstehenden demographischen Verwerfungen vorbereitete und die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Lebenserwerbszeit schuf. Während auch hier die politischen Erträge von der Union vereinnahmt wurden, versucht die SPD seitdem, die Reform zurückzudrehen mit dem Ziel, die Lebenserwerbszeit zu verkürzen.

Und auch der aktuell wichtigste Erfolg bei den Sondierungsverhandlungen geht auf ursprüngliche Regierungspolitik zu Zeiten von Gerhard Schröders Kanzlerschaft zurück. Angesichts hoher Arbeitslosenquoten und drohender Explosion der Sozialversicherungsbeiträge wurde der Anteil der Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung gedeckelt. Die Argumente dafür wie dagegen sind nicht vom Tisch, sie sind im Grunde die Gleichen wie vor 15 Jahren. Dennoch will die SPD heute die gegenteiligen Antworten geben. Dieses Spiel findet sich auf vielen weiteren Politikfeldern, auf einen Schritt vor folgt garantiert ein Schritt, der das Getane widerlegt. Ein Land, das auf diese Art von der gleichen Partei regiert wird, tritt zwangsläufig auf der Stelle. Wen soll eine solche Politik überzeugen?

Die SPD vergisst dabei Antworten für die echten Zukunftsfragen zu entwickeln. Während ihre verbliebene Kernwählerschaft von massiven Jobverlusten aufgrund der Digitalisierung der Wirtschaft bedroht ist, sind die wichtigsten Themen der Partei auf diesem Feld die Erhöhung des Mindestlohns, die Abschaffung der grundlosen Befristung von Arbeitsverträgen sowie die Einschränkung von Werksverträgen. Das Beste, was sich über solche Formen der Politikgestaltung sagen ließe, wäre, dass Parteien Reparaturbetrieb der Gesellschaft sind. Doch mit einer solchen Sichtweise lässt sich wenig Begeisterung wecken.

Wie wenig begeistert die SPD-Funktionäre von sich selbst sind, steht in ihren Gesichtern geschrieben. Der typische sozialdemokratische Parteivertreter wirkt, als trüge der die Last der Welt auf seinen Schultern. Schon zu Zeiten, als es nur drei Fernsehkanäle gab, galt ein Vollbart als No-Go in der öffentlichkeitswirksamen Werbung. Eine Partei, welche Leute wie Martin Schulz, Ralf Stegner und Thorsten Schäfer-Gümbel in die erste Reihe stellt, hat Grundregeln der medialen Kommunikation nicht verstanden. Und eine solche Grundregel lautet, dass Menschen nicht zu Menschen aufblicken, die sie lediglich in ihrem Elend bestätigen. Menschen wollen mit Optimismus und Lebensfreude geführt werden und nicht in Depression gedrückt.

Der Sonderparteitag repräsentierte die Zerrissenheit der Sozialdemokratie. Die Befürworter weiterer Verhandlungen über eine neue GroKo wussten nicht mehr ins Feld zu führen als die Verantwortung der ältesten Partei für die Regierungsfähigkeit. Die Gegner hatten dafür die Begeisterung und Emotionen auf ihrer Seite. Und die Sehnsüchte der meisten Parteimitglieder. Die SPD ist immer im Kern eine Oppositionspartei geblieben. Wer ihr beitritt, will gegen das Establishment rebellieren und empört sich gegen die Ungerechtigkeiten des Lebens. Nicht von ungefähr zeigen der linke Flügel und die Jugendorganisation der Jusos eine so große Nähe zu linkspopulistischen Kräften, die aber auch nur für 10 Prozent der Gesellschaft stehen. Man kann das kindisch nennen, die Verweigerung erwachsen zu werden. Wenig zufällig sind die Mitglieder dieser Richtungen oft Ewigkeitsstudenten mit Fachrichtungen und Lebensläufen, die keinen anderen Weg als linksrevolutionäre Politik zulassen. Die wenigsten Bürger wollen jedoch von Lebensversagern vertreten werden.

Für Partei und Land wäre daher die Oppositionsrolle besser. Die SPD muss die Fragen ihrer Existenz neu beantworten, die seit 1998 umstritten sind. Und der Wähler wird danach die Frage beantworten, wozu es einer Linken bedarf, welche Rolle sie im Parteienstreit bekommt. Eine im Bundestag vertretene Partei wird nicht dazu gewählt, die Parität im Gesundheitswesen herzustellen. Eine Partei wird nicht dafür gewählt, einen früheren Renteneintritt für Sitzfleisch zu ermöglichen. Eine Partei wird dafür gewählt, Antworten auf Zukunftsfragen zu formulieren, die mehr sind als Rückzugsgefechte und die Reparatur einer Bremsscheibe. Mag sein, dass die SPD auf diesem Weg wieder 16 Jahre Opposition benötigt. Doch es wäre nicht die längste Phase des Anopponierens in der eigenen Geschichte. Und es mag sein, dass die Wähler feststellen, dass eine solche SPD, die stets um sich selber kreist, nicht wirklich in der Demokratie benötigt wird. Doch auch dann ist das halt so. Demokratie bedeutet schließlich nicht, Ewigkeitsgarantien abzugeben.

{ 112 comments… add one }
  • CitizenK 22. Januar 2018, 15:51

    Viels richtig, aber was ist mit dem Schulz-Hype? Die jungen Leute, die damals in die SPD eingetreten sind, taten das im Blick auf ihre Zukunft. Das waren nicht nur „Lebensversager“. Zynischer Begriff übrigens, und auch falsch. Nicht wenige „Erfolgreiche“ (auch in Ihrem mechanistischen Sinn) haben länger studiert oder Umwege gemacht.

    • In Dubio 22. Januar 2018, 16:42

      Welcher Schulz-Hype? Der Höhenflug der SPD dauerte in den Charts der Demoskopen gerade gut einen Monat. Hier von Kanzlerpotential zu sprechen wäre so, als würde ich dem 1. FC Köln angesichts zuletzt drei Siegen in Folge und Platz 2 in der Rückrundentabelle die Möglichkeit andichten, auf absehbare Zeit Deutscher Fußballmeister werden zu können. Und: jede Partei verzeichnet von Zeit zu Zeit einen Schub bei den Parteieintritten. Das war zuletzt bei der FDP nach dem Abstieg, pardon Rausflug aus dem Bundestag so, das war im Verlaufe des Jahres 2017 so. Sicher haben junge Leute eine andere Perspektive, nicht selten eine, die ein Jahrhundert weit reicht. Allerdings mangelt es manchmal an Realismus. Und da junge Menschen auch nicht alle stur sind, wechseln sie häufiger die Position.

      Es steht gerade jungen Menschen zu zu irren. Nicht ohne Grund sind in vielen Studienfächern die Abbrecherquoten hoch. Wenn aber jemand nach gefühlten 50 Semester zu der Ansicht gelangt, ein Abschluss sei nun nicht noch erforderlich, zeigt einige gravierende charakterliche Defizite. Die Persönlichkeiten, die Sie ungenannt ansprechen, haben meist früh erkannt, dass ein Studium für sie nicht der richtige Weg ist. Das ist legitim.

      • bevanite 29. Januar 2018, 14:47

        Wenn aber jemand nach gefühlten 50 Semester zu der Ansicht gelangt, ein Abschluss sei nun nicht noch erforderlich, zeigt einige gravierende charakterliche Defizite.

        Auf den Lieblingspolitiken aller neuen Rechten in Europa, der von seinen Anhängern teils als eine Art neuer Prinz Eugen hochgejazzt wird – die Rede ist vom österreichischen Bundeskanzler – trifft dies ebenfalls zu. Seltsamerweise wird ihm dies auf dieser Seite nie zum Vorwurf gemacht, Claudia Roth oder Kathrin Göring-Eckhardt hingegen ständig. Darin sieht man doch, dass es auch für die Wähler nicht darauf ankommt, was jemand in seiner Vita vorweisen kann, sondern wo er oder sie politisch steht.

        • In Dubio 29. Januar 2018, 17:38

          Sebastian Kurz ist nach eigener Aussage schon längst nicht mehr immatrikuliert. Er unterbrach sein Studium, als er ein öffentliches Regierungsprogramm übernahm. Da war er 24. Das ist ein materieller Unterschied zu z.B. Leuten wie Niels Annen, der 1992 sein Abitur machte und 2010 seinen Bachelor schaffte. Allein von 1994-2001 studierte er in Hamburg ohne Abschluss, bevor er 2010 in Berlin in anderen Fächern abschloss. Oder die ehemalige Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann, die 2006 mit ihrem Politologie-Studium begann und es sieben Jahre später abschloss.

  • Floor Acita 22. Januar 2018, 16:35

    Ich war diese Woche bei einer Diskussionsrunde eines Forbes 500 DAX-Konzerns. Es ging um die Herausforderungen der Digitalisierung, Globalisierung vs De-Globalisierung, Industrie 4.0, liquid democracy und social media revolution. Hätte ich Ihren Blog-Eintrag früher gelesen wäre ich erleichtert gewesen, denn führende Industrievertreter scheinen Lebensversagern und Ewigkeitsstudenten ideologisch näher zu sein als irgendeiner anderen der von Ihnen beschriebenen „vernünftigen“ Gruppen…

    „Die Sehnsucht nach Opposition ist nicht nur den Sozialdemokraten immanent, sie ist kennzeichnend für linke Parteien.“
    Bei dem Satz wäre ich gerade beinahe vom Stuhl gefallen – nach Ihren Beiträgen zum Verhalten der FDP über die letzten Wochen, soll das wohl ein Versuch eines satirischen Beitrags sein?

    „Lieber Weltenrettung irgendwann als sich im täglichen Klein-Klein aufreiben.“ oder anders ausgedrückt „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“

    Ich stimme Ihnen zu, dass es der SPD vor allem an einer Vision fehlt, an einem „wofür stehen wir eigentlich“, aber wenn es etwas geben kann, dass dieses Elend noch verschlimmert sind es wohl Ihre Vorstellungen wohin die Reise gehen soll. Schröder war der Richtige 1998, das sind 30 Jahre her, 30 Jahre in denen viel passiert ist. Das man einen KPI braucht um die soziale Verantwortung eines Unternehmens auch gegenüber Umsatz, Erträgen und shareholder value zu messen, war jedenfalls keine alltägliche Diskussion…

    • In Dubio 22. Januar 2018, 16:56

      Nur zur Klarstellung: ich kritisiere nicht und selten, dass junge Menschen ein Studium nicht zu Ende bringen oder wechseln. Ich kritisiere, wenn es einem Studierenden erst im holden Alter von über 30 Jahren auffällt, dass das Fach oder das Studium an sich nichts für ihn ist und Abschlüsse völlig überbewertet sind. Das Urteilsvermögen eines solchen Menschen sehe ich sehr kritisch. Er verschwendet seine eigene Lebenszeit, verbrennt die Ressourcen der Gesellschaft wie seines Umfeldes am Ende für nichts. Wir können gerne die Lebensläufe von einigen SPD- und LINKE-Politikern des Nachwuchses durchgehen und analysieren, was sie für die Gesellschaft gebracht haben.

      Bis vor 20 Jahren hat die FDP fast die gesamte Nachkriegszeit regiert. Okay, meist war sie sogar in einer komfortablen Situation, geschenkt. Nun hat sie einmal verweigert, die Grünen übrigens vor vier Jahren genauso. Wenn ich nachrechne, so hat allein die LINKE mehr als einmal verweigert, wenn auch nicht formal. Aber warum hat man erst gar nicht bei den Tiefroten nachgefragt?

      In solchen Bewertungen, was für die SPD oder die LINKE die richtige Strategie sein könnte, formuliere ich eigentlich immer sehr zurückhaltend. Was soll ich Empfehlungen für Parteien geben, die ich nicht wähle? Was ich aber kritisiere, sind widersprüchliche Strategien. Einmal für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit Gesetze zu verändern und nur wenige Jahre später Kommando zurück zu sagen, wirkt niemals überzeugend. Und wenn ich als Unternehmen oder Unternehmer nicht in der Lage bin, eine stringente Strategie zu formulieren, dann bewege ich mich möglicherweise im falschen Arbeitsfeld.

      Die Union ist viel klüger. Nachdem sie die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung nicht verhindern konnten, haben sie das einfach zu ihrem Projekt gemacht. In ein paar Wochen wird niemand mehr wissen, dass das eigentlich eine SPD-Forderung war.

      • Stefan Sasse 22. Januar 2018, 19:50

        Wäre jetzt halt auch nicht so, als ob die paritätische Finanzierung das dominierende Wahlkampfthema war. Die SPD hat kein Projekt, das ist der Kern ihrer Sorgen. Sie braucht eines, IRGEND EINES, um aus diesem Loch rauszukommen. Die SPD wurde historisch immer dann gewählt, wenn sie eine Vision hatte, warum die Zukunft besser wird. Wenn sie nur den Status Quo verwalten, ob unter Schmidt, Schröder oder Schulz, dann ist rum. Deswegen kann eine Merkel auch problemlos 12 Jahre lang ohne große Programme regieren, eine SPD aber nicht.

        • In Dubio 22. Januar 2018, 21:11

          Wir verbinden mit jeder erfolgreichen Partei etwas, selbst mit der AfD. Aber mit der SPD? Parteien stehen auch für ein Lebensgefühl, welches repräsentiert die SPD? In den letzten Monaten machte ich eine interessante Beobachtung: mit einiger Treffsicherheit kann ich Freunde und Bekannte einigermaßen Parteienpräferenzen zuordnen, wenn ich etwas über ihre Herkunft, ihre Lebensverhältnisse und ihre Werte weiß. SPD-Sympathisanten erkenne ich kaum. Die Partei will Arbeitnehmer im unteren bis mittleren Einkommensbereich umwerben. Lassen wir beiseite, dass der eigene Lohn nur unzureichend darüber Auskunft gibt, welche Werte jemandem am Herzen liegen und in welchen Einkommensverhältnissen sich derjenige tatsächlich befindet. Eine Saisonarbeiterin in Stralsund teilt wenige politische Interessen mit dem 50jährigen Zeitarbeiter bei Manpower, dem jungen IT-Absolventen bei einem Hamburger Start-up für Gamer auf dessen erster Stelle und der Erzieherin in einer Stuttgarter Krippe. Und weil deren Lebenswelten so heterogen sind, gelingt es nicht, sie über spezialisierte Forderungen nach Arbeitnehmerrechten zusammenzubinden.

          Wenn Du genau hinsiehst, so definieren sich die Schichten von Union, Grünen und FDP nicht über einzelne politische Forderungen sondern Lebenseinstellungen. Die SPD versucht ihre Milieus anhand von Arbeitsverhältnissen und Lohnhöhe abzugrenzen. Brandt und Schröder wurden auf einer Welle des Modernisierungswillens getragen. Die Gesellschaft war offen für Veränderungen. Doch solche Zeitfenster sind rar, aktuell steht eines offen, Gelegenheit für eine Zeitenwende, auf welche die SPD weder personell noch programmatisch vorbereitet ist. Nein, stattdessen ist sie in jeder Hinsicht ermattet. Schmidt und Schröder wurden darüber hinaus als Architekten der Macht geschätzt, auch einen solchen Typus hat die Partei seit langem nicht mehr vorzuweisen. Warum also SPD wählen?

          • Stefan Sasse 23. Januar 2018, 14:17

            Ist ja mein Punkt. Die Partei hat ja durchaus viele schöne, kleine policy-Sachen im Angebot – aber kein Konzept.

        • Erwin Gabriel 29. Januar 2018, 19:24

          Zustimmung!

  • Ariane 22. Januar 2018, 20:05

    Hach, ich bin ja noch am Aufarbeiten. Hab das Wochenende in der niedersächsischen Tiefebene verbracht, wo man nur durchs Radio über das Weltgeschehen unterrichtet wird und dann wird einem mal wieder klar, dass der HSV und die SPD sich soooo ähnlich sind und man selbst bestimmt masochistisch veranlagt, an beidem soviel Anteil zu nehmen. 😉

    Ich bin noch etwas unentschieden. Mal sehen, ob ich noch was dazu schreibe oder Stefan vielleicht diesmal schneller ist. Aber ich hab eher das Gefühl, dass die SPD nochmal von der Klippe zurückgetreten ist anstatt sich reinzustürzen. Ist ja nicht so, als wäre bei einem Nein nicht genau so ein Artikel von dir gekommen. So haben sie ein knappes Ja, was vermutlich sehr ehrlich ist und für die Verhandlungen nicht unbedingt schlecht ist. Und – mit sehr viel Verspätung – haben sie jetzt so ein paar konkrete Dinge gefunden, die sie ernsthafter vertreten können. Nicht so ein Kai-aus-der-Kiste-Ding wie die Bürgerversicherung. Schulz ist geschwächt und Nahles ist gestärkt, was mir auch sehr recht ist. Wenn man bedenkt, was für ein Murks da seit Wahlkampfbeginn abläuft, finde ich die Ausgangslage eigentlich noch ganz positiv.

    Soviel dazu. ABER: Die Sehnsucht nach Opposition ist nicht nur den Sozialdemokraten immanent, sie ist kennzeichnend für linke Parteien. Lieber Weltenrettung irgendwann als sich im täglichen Klein-Klein aufreiben.

    Also. Von jemandem, der hier seit Wochen die Regierungsunwilligkeit der FDP verteidigt und dem als Alternative auch nur einfällt, noch weitere Monate Geschäftsführung anzusammeln für Neuwahl und glorreiche, konservative Revolution und so: Wäre es denn wirklich zuviel verlangt, vielleicht ein bisschen, so ein ganz klein wenig Zurückhaltung zu üben und den Mund nicht ganz so voll zu nehmen?

    Schon klar, dass du von der SPD, den Linken und irgendwelchen Lebensversagern nichts hältst. Aber sie haben ja zugestimmt. Und ja, es war mal wieder chaotisch und gab Streit, aber so ist das nun mal. Denn irgendwer muss den Job ja schließlich machen und bei allem Gemurkse und Generve, das die Partei bei mir verursacht, aber ich rechne es ihr durchaus an, dass sie eben nicht den leichten Ausweg nimmt. Nicht wie ein gewisser anderer Parteivorsitzender, der erst recht einsam eine Entscheidung trifft, die andere dann eher planlos verteidigen müssen und sich jetzt darüber freut, dass er sich die nächsten vier Jahre lang hinfläzen und rumnörgeln kann.

    Und bevor man es sich als Fanboy ebenso leicht macht und auf alles links der Mitte einhaut, sollte man doch vielleicht kurz innehalten und erstmal froh sein, dass sich überhaupt noch wer zum Landregieren findet. Und wenn es nur ist, damit man auch genug zum Rumheulen hat.

    • In Dubio 22. Januar 2018, 21:34

      Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte es sein, das wir verheiratet wären:

      und dann wird einem mal wieder klar, dass der HSV und die SPD sich soooo ähnlich sind und man selbst bestimmt masochistisch veranlagt, an beidem soviel Anteil zu nehmen.

      Tatsächlich wollte ich den Artikel im dritten Satz genau damit einleiten. Die SPD ist der HSV der Politik, Nostalgie an die alten glorreichen Zeiten herrscht vor, aber jahrelanges Missmanagement und das Fehlen einer eigenen Philosophie haben den Verein, Verzeihung, die Partei heruntergewirtschaftet. Leider habe ich es versemmelt und nachdem ich die Idee gestern entwickelt hatte, schlicht vergessen, sie in den Artikel aufzunehmen. Shit, shit, shit!

      Aber ich hab eher das Gefühl, dass die SPD nochmal von der Klippe zurückgetreten ist anstatt sich reinzustürzen. Ist ja nicht so, als wäre bei einem Nein nicht genau so ein Artikel von dir gekommen.

      🙂 Eine Idee war, den Artikel am Samstag zu schreiben und am Sonntag Abend nur den Teaser zu verändern. Scherz, natürlich nicht, das ist bei solchen Artikeln nicht mein Stil, der ist eher impulsiv. Ich bin kein Oppositionsfreund und war immer der Ansicht, eine Partei sollte unbedingt versuchen, in die Regierung zu kommen. Diese Ansicht habe ich in den letzten Monaten korrigiert – in Bezug auf die SPD vollständig, ansonsten nur punktuell, nicht generell, wenn Du verstehst, was ich meine. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass ein Neuaufbau der Sozialdemokratie in Regierungsämtern nicht mehr möglich ist, wenn er überhaupt gelingen kann, was ich genauso bezweifle. Aber es gab schon schrecklich erfolglose Unternehmen, wo die gesamte Leitungsebene weggefegt wurde und dann der Phoenix aus der Asche gelang. Auch der 1. FC Köln ist so ein Beispiel nach dem letzten Abstieg: Präsident weg, Sportchef weg, Trainer sowieso. Aber ich schweife ab, wie kam ich jetzt auf den EffZeh?

      Ich verteidige keine Regierungsunwilligkeit. Aber auch Du übernimmst wahrscheinlich keinen Job, wenn man Dir nicht ansatzweise erklären und nichts bieten kann, welcher Sinn darin besteht. Würde ich keine Mittel gegen Depressionen nehmen, würde ich mich wahrscheinlich jede Nacht in den Schlaf heulen, dass die FDP nicht Teil der Regierung sein soll. 😉

      Nicht wie ein gewisser anderer Parteivorsitzender, der erst recht einsam eine Entscheidung trifft, die andere dann eher planlos verteidigen müssen und sich jetzt darüber freut, dass er sich die nächsten vier Jahre lang hinfläzen und rumnörgeln kann.

      Wie kommst Du darauf? Ich meine, dass es vier Jahre werden? Momentan ist ja selbst nach diesem denkwürdigen Sonderparteitag der SPD nicht mal sicher, dass es zum Aschermittwoch heißt: April, April! Ich finde das Ergebnis nämlich keineswegs ehrlich, eine Mehrheit in der Bevölkerung und in der SPD sowieso ist gegen eine Regierungsbeteiligung. Also, soweit wir mir „ehrlich“ umschreiben, was die Realität ist. Und sowohl Union als auch die Sozialdemokraten scheinen einige Zweifel zu haben, dass ihr Bündnis nur ein paar Jahre tragen könnte, so zumindest der letzte Satz der Sondierungsvereinbarung. Bei welchem der Spitzenleute würdest Du denn eine Wette eingehen, dass er / sie 2020 noch das Amt ausübt wie heute? Angela Merkel? Horst Seehofer? Martin Schulz? Thorsten Schäfer-Gümbel? Altmaier? Alexander Dobrindt? Manuela Schwesig?

      • Ariane 22. Januar 2018, 23:01

        Die SPD ist der HSV der Politik, Nostalgie an die alten glorreichen Zeiten herrscht vor, aber jahrelanges Missmanagement und das Fehlen einer eigenen Philosophie haben den Verein, Verzeihung, die Partei heruntergewirtschaftet.

        Und anstatt ein Konzept zu entwickeln wird lieber hier und da mal die Führung ausgewechselt und sich lächerlich gemacht. Nicht zu vergessen, dass man gerne in Abstieg bzw Opposition eine Wunderheilung erwartet.
        Es gibt schon sehr viele Parallelen und ich kann bestätigen, dass auch die Gefühlslagen sehr ähnlich sind 😉

        Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass ein Neuaufbau der Sozialdemokratie in Regierungsämtern nicht mehr möglich ist, wenn er überhaupt gelingen kann, was ich genauso bezweifle. Aber es gab schon schrecklich erfolglose Unternehmen, wo die gesamte Leitungsebene weggefegt wurde und dann der Phoenix aus der Asche gelang. Auch der 1. FC Köln ist so ein Beispiel nach dem letzten Abstieg: Präsident weg, Sportchef weg, Trainer sowieso. Aber ich schweife ab, wie kam ich jetzt auf den EffZeh?

        Ja, ist mir schon aufgefallen, dass deine Meinung sich etwas gewandelt hat.^^ Ich bin da eher bei Nahles. Das Problem liegt in der SPD selbst und es ist eher kontraproduktiv, dafür die CDU, Merkel oder den lieben Gott verantwortlich zu machen. Wenn sie planlos und gar noch mit denselben Nasen (der Schulz geht mir seit Monaten fürchterlich auf den Keks) in der Opposition sitzen, hilft das auch nicht. Auch die Lösung muss aus der SPD kommen, unabhängig von den Sitzplätzen. Und der Drops ist zwar noch nicht gelutscht, aber durchaus möglich, dass es beim FC nur ein zwischenzeitliches Auflodern war^^

        Aber auch Du übernimmst wahrscheinlich keinen Job, wenn man Dir nicht ansatzweise erklären und nichts bieten kann, welcher Sinn darin besteht.

        Ja, dieser Vergleich kommt sehr häufig von dir. Ich halte ihn aber für falsch. Es ist ja eben nicht so, dass „der Wähler“ bei Lindner vor der Tür stand und ihn angefleht hat, einen Job zu übernehmen. Es war ja nun mal eher so, dass Lindner beim Wähler angeklopft hat und um seine Stimme geworben hat, sich also für diesen Job (zumindest den Parlamentssitz) beworben hat.
        Und jaaaa, ich weiß, er hat sich nicht als Kanzler oder Regierungsmitglied beworben, sondern nur um den Parlamentssitz. Da sind wir dann aber wieder bei meiner puristischen Pedanz, dass ich von allen Parlamentariern erwarte, dass sie irgendwie regieren wollen und mir Bewerbungen als oberster bezahlter Rumnörgler (bei allen Parteien übrigens) fürchterlich auf den Keks gehen.

        Wie kommst Du darauf? Ich meine, dass es vier Jahre werden? Momentan ist ja selbst nach diesem denkwürdigen Sonderparteitag der SPD nicht mal sicher, dass es zum Aschermittwoch heißt: April, April! Ich finde das Ergebnis nämlich keineswegs ehrlich, eine Mehrheit in der Bevölkerung und in der SPD sowieso ist gegen eine Regierungsbeteiligung.

        Also, die haben doch gerade lauthals mit sich gerungen und dann abgestimmt. Ist doch Unsinn, jetzt zu behaupten, dass alle dagegen sind. Und der Wähler hat diese Konstellation gewählt und mehr liegt nicht in seiner Hand, ich hätte auch lieber rotrotgrün mit Freibier jeden zweiten Donnerstag, aber ist halt nicht.
        Ja, vielleicht geht noch alles schief oder es werden keine vier Jahre. Glaub ich aber nicht unbedingt. Meine vorläufige Einschätzung ist, dass die größte Hürde erstmal genommen ist und die SPD wieder ihren Zaubertrick vorführt und sich nach dem ganzen Heckmeck in eine professionelle Regierungspartei verwandelt. Da heulen bestimmt gleich alle auf, aber ich finde, an der eigentlichen Regierungsarbeit ist an der SPD wenig auszusetzen und wenn sie sich jetzt mal zusammenreißen, haben sie durchaus die Chance für ihr mickriges Wahlergebnis wirklich viel herauszuholen. Ist natürlich undankbar, weil alle lieber nörgeln und es ist – gerade für die Medien und uns Politikjunkies – alles nicht besonders aufregend. Aber zwischendurch kann man ja vielleicht doch mal anerkennen, dass eine professionelle, skandalfreie Regierung auch Vorteile hat. Danach darf man dann weiternörgeln, ist ja nicht so, dass nun alles total supi ist.^^

        Bei welchem der Spitzenleute würdest Du denn eine Wette eingehen, dass er / sie 2020 noch das Amt ausübt wie heute? Angela Merkel? Horst Seehofer? Martin Schulz? Thorsten Schäfer-Gümbel? Altmaier? Alexander Dobrindt? Manuela Schwesig?

        Also wenn die Parteien jetzt eine große Koalition bilden, sehe ich eigentlich wenig Gründe für viele Verwerfungen an der Spitze (Schulz darf aber gerne gehen^^). Irgendwann müssen die Leute ja bitte auch mal regieren und ansonsten hängt das sehr von den kommenden Landtagswahlen ab. Ich bin nicht überzeugt, dass in den nächsten zwei Jahren an den Spitzen soviel passiert und die große konservative Revolution ist bislang ja auch eher eine theoretische Spielerei und wenn das einen Putsch erfordert, weiß ich nicht, ob die junge Garde den Mumm dazu hat.

        • In Dubio 23. Januar 2018, 12:22

          Das Problem liegt in der SPD selbst und es ist eher kontraproduktiv, dafür die CDU, Merkel oder den lieben Gott verantwortlich zu machen.

          Das ist ja zweifellos richtig, aber Verantwortung bindet enorm Ressourcen und diszipliniert in einer Form, wo dies vielleicht die falsche Kategorie ist. Das Urproblem der Partei ist doch, dass sie seit Schröder nicht weiß, was sie sein will und wen sie überzeugen möchte. Antworten auf diese Fragen findet man nicht in Ministerien unter der Kabinettsdisziplin. Nochmal, das ist mir wichtig zu betonen: ich gebe keine Empfehlungen, aber jede Organisation, ob Unternehmen, Sportverein, NGO oder Partei, muss klären, was sie sein will und worin ihr Zweck besteht. Die SPD kann von mir aus Vermögensteuern von 50%, eine Krankenversorgung auf dem Niveau der PKV zu Mindestbeiträgen und ein Rentenniveau von 100% fordern. Ich glaube nicht, dass sie damit Wähler gewinnt, aber das ist nur meine Überzeugung. Wenn sie damit in 4 Jahren den Kanzler (Kevin Kühnert) stellt, auch gut. Ich persönlich fühle mich ausreichend gut geschützt durch den Rechtsstaat und seinem Rechtsrahmen sowie das Regime von internationalen Verträgen, Gemeinschaften und Vereinbarungen.

          Ich weiß es nicht, womit die Sozialdemokratie Erfolg haben könnte. Ist ja keine so einfache Frage, schließlich scheitern an der Beantwortung unzählige Politiker und Politikberater. Allerdings ist es äußerst wahrscheinlich, dass, wenn die Partei so weitermacht wie bisher, sie sich nicht stabilisiert, sondern ihrer Wählerschaft sich weiter verändert. Im Zweifel schrumpft. Ich bin zu sehr sozialdemokratisch sozialisiert, um daran Freude zu empfinden. Und auch als Fan des 1. FC Köln bin ich Leiden gewöhnt, anders als der HSV ist mein Verein bereits 5 mal (in Worten: fünf) abgestiegen.

          Und der Drops ist zwar noch nicht gelutscht, aber durchaus möglich, dass es beim FC nur ein zwischenzeitliches Auflodern war.

          Rein wahrscheinlichkeitstheoretisch ist der FC chancenlos. Mit 6 Punkten nach der Vorrunde ist noch jeder Verein abgestiegen. Die Domstädter müssten in der Rückrunde so viele Punkte sammeln wie ein Champions League-Kandidat, obwohl der Kader nur für einen mittleren Ligaplatz gut ist. Doch seit wann sind Fußballfans Wahrscheinlichkeitstheoretiker?! Ohne ein gewisses Maß an Optimismus kann Herr Schulz das Willy-Brandt-Haus abschließen, nützt eh nix mehr. Wer das nicht will, muss sehr viel ändern, um wieder (dauerhaften) Erfolg zu haben. Den Weg dazu zu finden, das halte ich in der Opposition für einfacher. Und ich übersehe dabei nicht die Gefahr, dass eine Partei sich gerade fern der Macht in Radikalismus hingibt. Aber hey, so ist schließlich Donald Trump US-Präsident geworden.

          Es war ja nun mal eher so, dass Lindner beim Wähler angeklopft hat und um seine Stimme geworben hat, sich also für diesen Job (zumindest den Parlamentssitz) beworben hat.

          Okay, anderer Vergleich: Nach einer innigen Liebesbeziehung trennt sich Dein Freund von Dir, weil Du es mit Deinen Marotten übertrieben hast. Nach einer schwierigen Trennungsphase bietest Du an, man könne sich ja langsam freundschaftlich annähern. Gegenvorschlag Deines Ex: lass uns heiraten. Ich glaube, zumindest Frauen werden an der Stelle außerordentlich misstrauisch. Denn der Kerl, der Dich noch vor kurzem Hals über Kopf vor die Tür gesetzt hat, kann dies auch wieder tun, wenn seine Laune danach ist und die Marotten wieder nicht passen.

          Also, die haben doch gerade lauthals mit sich gerungen und dann abgestimmt. Ist doch Unsinn, jetzt zu behaupten, dass alle dagegen sind.

          Ich habe behauptet, das einige nicht nach ihrer Überzeugung abgestimmt haben. Das reichte dann zur Mehrheit.

          Meine vorläufige Einschätzung ist, dass die größte Hürde erstmal genommen ist

          Das halte ich für falsch. Die SPD-Führung hat den Weg zur GroKo als Drama angelegt. Erst entscheidet das Präsidium, wo ein Ja zur Aufnahme von Sondierungsgesprächen am leichtesten durchzusetzen waren. Dann folgte am Sonntag die Abstimmung durch Delegierte eines Parteitags, also durch Funktionäre, die einer erneuten Regierung unter dem Joch von Merkel weit skeptischer gegenüberstehen. Und zum Finale kommen die Mitglieder ins Spiel, die für eins sicher nicht in die Partei eingetreten sind, einer konservativen Partei zur gesellschaftlichen Mehrheit zu verhelfen. Spannung ist bis zum Schluss garantiert.

          (..) und die SPD wieder ihren Zaubertrick vorführt und sich nach dem ganzen Heckmeck in eine professionelle Regierungspartei verwandelt.

          Wie kommst Du darauf? Wir hatten vor längerem gemeinsam festgestellt, dass es der SPD an qualifiziertem Nachwuchs mangelt. Bevor Du weiterliest, mach erst hier den Haken dran, sonst wird es unfair. 🙂

          Mit Andrea Nahles und Manuela Schwesig stehen zwei Schwergewichte der Partei für Regierungsämter nicht mehr zur Verfügung. Das sind ein Drittel der Leitungsposten. Bereits die erste GroKo von 2005-2009 war von politischen Persönlichkeiten der Sozialdemokratie geprägt, die eben die seriöse Regierungsarbeit sicherstellten. Wenn nun ein Teil der äußerst raren Spitzenleute anderen Aufgaben nachgehen, wodurch soll die Qualität gehalten werden?

          Ich bin nicht überzeugt, dass in den nächsten zwei Jahren an den Spitzen soviel passiert

          Okay, das Essen mit Stefan und mir zahlst Du dann 2020. 😉

          • Ariane 23. Januar 2018, 17:17

            Das ist ja zweifellos richtig, aber Verantwortung bindet enorm Ressourcen und diszipliniert in einer Form, wo dies vielleicht die falsche Kategorie ist.

            Ja nun, die SPD hat ja vor Kurzem erst bewiesen, dass sie auch in der Opposition nicht weiß, wer sie ist und was sie will. Und so magisch, wie da einige an die Wunderheilung Opposition glaube, ist es vielleicht gar nicht schlecht, wenn in der Regierung von Anfang an klar ist, dass sie selbst was auf die Kette bringen müssen und nichts von selbst passiert.
            Anders als Ralf glaub ich gar nicht, dass es unbedingt DIE große Vision braucht, Ungleichheit bekämpfen ist ja ähnlich schwammig wie soziale Gerechtigkeit. Große Vision und das dann total kleinteilig in 500 Seiten Wahlprogramm oder Verhandlungspapier machen sie ja schon ne Weile und klappt nicht so gut. Paar konkrete Ideen, die man in drei Sätzen erklären kann mit der Lösung gleich dazu, das wär mal was. Hätten sie ihre drei Sonderdinge, die sie jetzt verhandeln wollen (Härtefall Familiennachzug, sachgrundlose Befristung und Honorarangleichung bei Ärzten) oder nur eine davon seit Beginn des Wahlkampfs formuliert und wären der ganzen Republik damit Jahr und Tag auf den Keks gegangen, bis es sogar jeder FDPler auswendig aufsagen kann, wäre es vermutlich von Anfang an besser gelaufen. Und paar konkrete Dinge kann man natürlich problemlos auch nebenher erfinden, ist vermutlich viel erfolgversprechender als zu viel Zeit in der Opposition, wo sie sich gleich irgendwie an den Weltfrieden machen wollen und womöglich diesmal dann sogar 1000 Seiten Programm anstreben. Dieses magische Denken geht mir echt aufn Keks, was soll die CDU denn sagen? Die regiert seit 12 Jahren ununterbrochen, da hab ich noch nie gehört, dass die aber unbedingt und zwingend erst mal so krachend verlieren müssen, dass sie in die Opposition rutschen, damit sie dann mal über andere Leute und Programme und Pipapo nachdenken können, nicht mal von dir! Die SPD regiert vier Jahre, ist doch albern so zu tun, als hätten die sich nun totregiert und müssen in die Opposition zur Generalüberholung, echt mal.

            Ich habe behauptet, das einige nicht nach ihrer Überzeugung abgestimmt haben. Das reichte dann zur Mehrheit.

            Ah ja, weil die SPD und linke Parteien generell natürlich immer ungefragt ihrer Spitze hinterherlaufen^^ So ein Quatsch aber mal, das ist noch verrückter als dein Merkel allein zu Haus – Mantra. Die wurden gerade gefragt und die Antwort war bindend! Klar waren die vielleicht nicht 100% überzeugt, sondern nur 51% aber die wurden nicht zum Ja gezwungen. Also hier jetzt einen Tag nach Abstimmung eine schweigende Mehrheit zu konstruieren ist doch albern.
            Und klar kann noch alles schiefgehen – wir reden ja schließlich über die SPD, aber glaub ich nicht unbedingt. Ich meine, sie sind mit der Schnapsleiche Bürgerversicherung in die Sondierungen rein und mit „Woah, Parität ist ja fast genau so gut“ wieder raus und haben die Zustimmung bekommen und haben sogar – SPD-Dusel! – eine noch bessere Ausgangsposition als letztes Mal schon.

            Wie kommst Du darauf? Wir hatten vor längerem gemeinsam festgestellt, dass es der SPD an qualifiziertem Nachwuchs mangelt. Bevor Du weiterliest, mach erst hier den Haken dran, sonst wird es unfair

            Also erstmal hast du gerade den Kühnert zum Kanzlerkandidaten gemacht und es ging ja um Spitzenkandidaten. Ruhig und seriös die Regierung und sein Ministerium führen bekommt man einfacher hin als Kanzlerkandidat sein und dabei noch gut aussehen und sogar gewinnen^^
            Schwesig war vor vier Jahren auch kein Schwergewicht, sondern Landesministerin in McPom und nur Eingeweihten bekannt. Wenn die nicht irgendwann mal in ein Ministerium gesetzt werden, weiß ja keiner, dass es sie gibt und ob da Talent ist oder nicht. Oder was gar nicht so blöd wäre: sie drehen dem Schulz irgendein unwichtiges Ministerium an und Nahles kann dann Parteivorsitz, Vizekanzlerin und wichtige Ministerin sein. Ist ja als Generalsekretärin total verschenkt.

            • In Dubio 23. Januar 2018, 17:57

              Anders als Ralf glaub ich gar nicht, dass es unbedingt DIE große Vision braucht

              Ich halte das in diesem Zusammenhang auch nicht für den besten Begriff, auch wenn ich ihn verwendet habe. Ein Freund kommt zu Dir und meint, Ariane, ich stehe dem Staat eigentlich skeptisch gegenüber. Sicher, ohne geht es auch nicht, aber bitte nicht Zuviel davon. Was würdest Du ihm als Wahlempfehlung geben. Gut, die LINKE. Nein im Ernst.

              Dann kommt eine Freundin und meint, wenn wir so weiter machen, dann ist die Umwelt in zwanzig Jahren nicht mehr die wie heute. Wir dürfen nicht länger CO2 in die Luft blasen, ich selbst fahre nur Fahrrad, Auto ist total überbewertet. Was empfiehlst Du ihr?

              Ein Onkel, den Du nie kennengerlernt hast, meint, am Ende kommt es darauf an, dass wir Kinder in die Welt setzen, dass wir ihnen Werte wie Treue, Zuverlässigkeit, Glaube an Gott vermitteln. Ein Unternehmer muss Freiheiten haben, es ist nicht in Ordnung, durch Steuern Geld für Investitionen wegzunehmen. Aber: ein Unternehmer hat auch eine Verantwortung, es kann kein Ziel sein, dem letzten Euro nachzujagen, da gibt es noch die Verantwortung für die Mitarbeiter und ihre Familien. Würde es Dich überraschen, wenn er Dir offenbart, seit Jahrzehnten CDU zu wählen?

              Die Anhängerschaft zu einer Partei ist, ich wiederhole mich, eine Haltungsfrage. Sie entscheidet sich nicht an einer oder fünf politischen Forderungen. Sie entscheidet sich an Grundüberzeugungen. Die SPD macht zu Wahlen einen Kaufmannsladen auf: wir bieten. Auf der Standardwahlveranstaltung der FDP war nur die letzten 5-7 Minuten von konkreten politischen Forderungen die Rede. Den Rest zuvor füllte Christian Lindner mit Fragen nach der politischen Haltung von Liberalen. So, dass es nicht die Aufgabe des Staates sein kann, Unternehmen zu führen. Die Schlussfolgerung daraus: der Staat hat in deutschen DAX-Konzernen wie Deutsche Telekom und Volkswagen, aber auch der Commerzbank eigentlich nichts zu suchen. Wir reden nicht über Sonderfälle, wir reden schlicht über Haltungsfragen, aus denen erst in Schritten drei, vier und fünf konkrete politische Forderungen folgen.

              Dieses magische Denken geht mir echt aufn Keks, was soll die CDU denn sagen? Die regiert seit 12 Jahren ununterbrochen, da hab ich noch nie gehört, dass die aber unbedingt und zwingend erst mal so krachend verlieren müssen, dass sie in die Opposition rutschen, damit sie dann mal über andere Leute und Programme und Pipapo nachdenken können, nicht mal von dir!

              Doch, ich habe schon vor Monaten hier geschrieben, dass Deutschland die Tragik hat, gleich von zwei ermatteten Volksparteien regiert zu werden. Die Opposition ist eigentlich der Ort, sich zu erholen und neu zu sortieren. Stattdessen erholen sich nur die kleinen Parteien auf den Oppositionsbänken und zumindest die Grünen scharen ungeduldig mit den Hufen. Nur ist die CDU, die CSU sowieso, wesentlich weiter beim Generationenwechsel als die SPD. Daher hat sie einen erheblichen Vorteil, das Land in anderen Konstellationen führen zu können. Zudem hat sie bis heute die weit zuverlässigere Stammwählerschaft und führende Altkräfte, welche die Partei tragen. Darüber hinaus haben sich Unionisten nie durch eine Vielzahl von Programmpunkten definiert, die Sozialdemokraten schon.

              Es gibt nun schon Analysen, die nachweisen, dass die Sondierungsvereinbarungen mit der SPD kaum etwas anderes erbracht haben als zuvor die Jamaika-Gespräche. Als kritischer Zeitgeist darf man durchaus fragen: wer führt da, wenn egal ob die Partner FDP, Grüne oder SPD heißen, immer der gleiche Quark herauskommt? Unter den Umständen könnte Merkel auch mit der AfD oder der LINKEN regieren.

              Ah ja, weil die SPD und linke Parteien generell natürlich immer ungefragt ihrer Spitze hinterherlaufen

              Dann erzähle ich Dir eine wahre Geschichte aus den Tagen, als Du in der Schule noch aufgestampft bist. Nach den Terroranschlägen vom 9. September 2001 erklärte die Bundesrepublik durch den Kanzler Gerhard Schröder den USA ihren uneingeschränkten Beistand. Dieser sah konkret vor, sich an der Allianz zur Vertreibung der Taliban in Afghanistan zu beteiligen. In der entscheidenden Abstimmung des Deutschen Bundestages zur Entsendung von Bodentruppen nach Kabul drohte Schröder der Verlust der eigenen, der Kanzlermehrheit. Dennoch hätte der Entscheid eine Mehrheit im Parlament bekommen. Schröder wollte sich diese Blöße nicht geben und verknüpfte die Abstimmung mit der Vertrauensfrage. Dies brachte störrische Abgeordnete wie Christian Ströbele auf Linie, die entgegen ihrer politischen Überzeugung das Mandat mit ihrer Stimme genehmigten, weil sie ihrem Kanzler nicht das Misstrauen aussprechen wollten.

              Jeder Delegierte wusste am Sonntag, dass bei einem Nein Minuten nach der Verkündung 13 Vorstandsmitglieder der SPD inklusive dem Parteivorsitzenden ihren Rücktritt verkünden würden. In einer solchen Situation kann man schon mal gegen seine Überzeugungen stimmen.

              Also erstmal hast du gerade den Kühnert zum Kanzlerkandidaten gemacht und es ging ja um Spitzenkandidaten.

              Tatsächlich halte ich den Juso-Vorsitzenden für außerordentlich talentiert und charismatisch. Das unterscheidet ihn von seinen Vorgängerinnen.

              Schwesig war vor vier Jahren auch kein Schwergewicht, sondern Landesministerin in McPom und nur Eingeweihten bekannt.

              Dein Zeitgefühl trügt Dich. Das war 2005, acht Jahre zuvor. Ich halte bekanntlich nicht viel von der ostdeutschen Ministerpräsidentin, aber sie steht in der ersten Reihe der Partei. Das ist Fakt, ebenso, dass sie eine der wenigen Gesichter der SPD ist. Auf der anderen Seite war die Umweltministerin ein Totalausfall, die immer nur verkünden konnte, was sie gerade nicht durchgesetzt oder erreicht hat. Das kann sie ihrem Taschentuch erzählen, aber nicht dem Wähler.

              • Ariane 24. Januar 2018, 09:02

                Die Anhängerschaft zu einer Partei ist, ich wiederhole mich, eine Haltungsfrage. Sie entscheidet sich nicht an einer oder fünf politischen Forderungen.

                Absolut, da gebe ich dir Recht. Es ist auch ein Problem der SPD, aber eins, das sich nicht auf die Schnelle lösen lässt, und vermutlich auch noch eins, das sich in der Opposition vllt schwerer lösen lässt.
                Zunächst mal ist das Profil einer Volkspartei zwangsläufig verwaschener und bevor du mit Zahlen kommst, die SPD ist im Westen durchaus eine genau so große Volkspartei wie die CDU, nur eben nicht überall.
                Ich fände es schön, wenn die SPD ihr altes Profil der Fortschrittspartei wieder entstauben würde wie Lobo neulich geschrieben hat, ist jetzt allerdings nichts, was einem bei der SPD als erstes einfällt und die jetzige Partei könnte das wohl nicht wirklich vertreten.
                Bliebe noch die große Europapartei, müssten sie sich mit der CDU teilen und die Wähler sind da gerade nicht so begeisterungsfähig, also eher ein Verlierthema.

                Und dann bliebe natürlich noch Ungleichheit bekämpfen, soziale Gerechtigkeit, blablubb. Das ist ja offiziell durchaus die Haltung der SPD, und genau dafür wird sie seit Jahren ausgelacht. Das nimmt ihr nun mal niemand mehr ab, selbst wenn sie wie mit dem Mindestlohn eine große Sache in dieser Angelegenheit zum Gesetz macht.
                Wie stellt ihr euch das denn bitte vor? Die SPD geht also in die Opposition, weil sie sich nur da erneuern kann. Verkriecht sich zum Brainstorming und kommt dann mit der sensationellen Erkenntnis wieder raus „wir stehen ab jetzt für Soziale Gerechtigkeit und Ungleichheit finden wir ganz schlimm diesmal echt!“? Da lachen die Leute sich doch kaputt.

                So etwas wie Ungleichheit ist nun mal ein großes Problem, das aber nicht mit einem Gesetz mal eben verschwindet. Da sollten sie sich schon für eine Sache entscheiden, an der sie ansetzen wollen. Und was gerade wegen der Union nicht geht, sollten sie 5x am Tag erzählen, dass sie ja gerne zb die Bürgerversicherung auch noch hätten, aber dafür andere Mehrheiten brauchen. So könnten sie auch mal Druck aufbauen, anstatt zu jammern, dass die Kanzlerin sie überstrahlt.

                Jeder Delegierte wusste am Sonntag, dass bei einem Nein Minuten nach der Verkündung 13 Vorstandsmitglieder der SPD inklusive dem Parteivorsitzenden ihren Rücktritt verkünden würden. In einer solchen Situation kann man schon mal gegen seine Überzeugungen stimmen.

                Das hab ich ja gar nicht bezweifelt, ich halte das nur für nebensächlich. Was ist das denn für eine Logik? Da stimmt einer mit Ja, weil er die Führung nicht verlieren will und dann stellt er sich hin und beschwert sich, weil Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden? Wenn ihm das so wichtig ist, hätte er halt doch mit Nein stimmen sollen.
                Ich hab die SPD auch nicht mit Überzeugung gewählt, in deiner Logik hätte ich am Wahltag aber ganz entsetzt sein müssen, dass sie die 5%-Hürde nehmen oder wie? Aber ok, du hast sogar mit Überzeugung die FDP gewählt und dich danach beschwert, dass es gleich reicht, um in die Regierung einzutreten.^^

                Dein Zeitgefühl trügt Dich. Das war 2005, acht Jahre zuvor. Ich halte bekanntlich nicht viel von der ostdeutschen Ministerpräsidentin, aber sie steht in der ersten Reihe der Partei. Das ist Fakt, ebenso, dass sie eine der wenigen Gesichter der SPD ist. Auf der anderen Seite war die Umweltministerin ein Totalausfall

                Ok, aber siehste so egal ist das. Bevor Schwesig Bundesministerin wurde, kannte sie kaum jemand. Der Durchschnittsbürger kann pro Partei vielleicht 2-4 Leute aufzählen und das war es dann. Und auch dann ist das Wissen meist nur sehr lückenhaft, was für deinen Spahn vielleicht noch zum Problem wird.
                Da sehe ich jetzt nicht so die Schwierigkeit, jemanden für ein nicht so wichtiges Ministerium zu finden, der möglichst nicht negativ auffällt. Deine Garde dieser supertollen Talente ist nämlich auch überall, nur nicht in einem Ministerium^^

                • In Dubio 24. Januar 2018, 10:42

                  Ein weiteres Problem der Partei ist, dass Funktionäre und Mitglieder eine deutlich linkere Politik wünschen, der Zeitgeist aber nach rechts geht. Beispiel Flüchtlingspolitik, wo die Masse der Parteivertreter der Kanzlerin nachgerannt sind und nicht gemerkt haben, dass ein Teil ihrer Wählerschaft sich zur AfD aufmacht. Beispiel Europapolitik, wo die Spitze der SPD schon lange zu einer umfangreichen Transferunion und Verlagerung von Steuergesetzgebungskompetenzen nach Brüssel drängt, die breite Mehrheit wie auch die eigenen Anhänger dieser Entwicklung skeptisch bis ablehnend gegenübersteht.

                  Auch Dein Thema Ungleichheit beseitigen ist marketingtaktisch hoch problematisch. Denn bis auf ein paar Sektierer finden die Bürger – zumindest im Westen der Republik – Ungleichheit gut. Die meisten wollen sich herausheben von ihren Mitmenschen, auch finanziell. Wer studiert schon, um danach sein Leben mit 2.500 EUR im Monat zu fristen? Warum spielen Millionen Lotto? Warum versuchen so viele, individuelle Gehaltserhöhungen für sich herauszuhandeln, warum wechseln jährlich fünf Millionen ihren Job? Im Osten wiederum ist das Verlangen nach Gleichheit auch der Einkommen weit größer, allerdings ist die Basis der SPD dort am schwächsten. An diesen Fragen werden die großen Problemlinien der Forderung deutlich. Im Osten konnte die Partei bisher wenig gewinnen, was auch bedeutet, dass die Sozialdemokratie dort nie Glaubwürdigkeit und Vertrauen gewinnen konnte. Die Strategie würde ansetzen Menschen gewinnen zu wollen, die sich bisher nicht wirklich binden ließen. Gleichzeitig schreckt man Millionen potentielle Wähler im Westen ab, die bisher große Sympathien für eine sozialdemokratische Partei hatten. Und wenn die Menschen keine Gleichheit der Einkommen wollen, aber der große Einkommens- und Vermögenssplit auch mehrheitlich abgelehnt wird, wie soll dann eine Kommunikationsstrategie aussehen? Wir lehnen Einkommensungleichheit ab, jedenfalls ein bisschen. Bitte kreuzen Sie an, was wir fordern sollen.

                  Hinzu kommt ja noch ein Wahrnehmungsproblem: die Einkommensungleichheit wird gemäß Umfragen völlig überschätzt, die Vermögensungleichheit ist weit geringer unter Berücksichtigung von Rentenanwartschaften, deren Gewicht bei der „Vermögensbildung“ die Partei ja noch erhöhen will.

                  Kommunikation muss klar sein. Aussagen wie Soviel Markt wie möglich, so wenig Staat wie möglich oder Eine Welt von Erneuerbaren Energien versteht jeder. Ein bisschen Ungleichheit und ganz viel Gleichheit versteht kaum jemand. Da war die Partei schon mal besser: Mehr Demokratie wagen oder Die neue Mitte waren Renner. Eine Marketingbotschaft muss Potential haben, dass der Empfänger vieles abgedeckt sieht und trotzdem Handeln und Botschaft nicht in Konflikt miteinander geraten.

                  Eine Partei in der Regierung wird immer mit dem Regierungshandeln identifiziert, nicht mit Ideen, die sie sonst hat. Im Falle einer GroKo läuft die kleinere Volkspartei dazu noch Gefahr, dass alles Negative an ihr hängen bleibt. Diese Erfahrung wurde nun zweimal gemacht, das galt in Österreich auch für die ÖVP. Große Koalitionen sind nunmal demokratietheoretisch widersinnig. Der Wähler verteilt Bewertungen, er ordnet Schuld und Verantwortung zu. Und wie das bei Menschen so ist, lassen sich solch subjektive Urteile nur bedingt beeinflussen.

                  Wie hat es denn die FDP gemacht, deren Situation 2013 noch prekärer war? Sie hat die Mitglieder befragt, was die FDP sein soll, welche Werte wichtig sind. Dazu hat man Marketingagenturen geheuert, die halfen das Wollen zu kommunizieren. Und die Kommunikationsstrategie wurde, einheitlich gestaltet, auf wenige Personen zugeschnitten. Die SPD mag den Sonderparteitag als ein Hochfest der Demokratie feiern, in der öffentlichen Wahrnehmung vertiefte sich das Bild einer völlig zerstrittenen Partei, die nicht weiß wo sie hinwill. Regieren ja, opponieren auch.

                  Aber ok, du hast sogar mit Überzeugung die FDP gewählt und dich danach beschwert, dass es gleich reicht, um in die Regierung einzutreten.

                  Nicht ganz. Ich hatte vor der Wahl geschrieben, dass die FDP im Falle einer Mehrheit für Schwarz-Gelb auch in die Regierung müsse. Und natürlich sähe ich die Liberalen lieber in einer Koalition, aber dafür will ich als Anhänger der Partei auch ein Minimum haben. Das eine ist schon rechtlich zwingend, nämlich die Abschaffung des Solis. Das andere ist ein Erfordernis der Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft, nämlich kein weiterer Ausbau der heutigen Transferunion (ich werde dazu in den nächsten Tagen einen Artikel schreiben). Die Mindestforderungen sind somit gut begründet und wenn das nicht mit dem extremsten Pol des bürgerlichen Spektrums in der Regierung geht, dann hat eine solche Partei keine Legitimation.

                  Da sehe ich jetzt nicht so die Schwierigkeit, jemanden für ein nicht so wichtiges Ministerium zu finden, der möglichst nicht negativ auffällt.

                  Deine Prognose war, dass die SPD zu seriöser Regierungarbeit wie in den Jahren zuvor zurückfindet. Nun hängst Du die Ansprüche ein ganzes Stück tiefer.

              • Erwin Gabriel 26. Januar 2018, 16:57

                Doch, ich habe schon vor Monaten hier geschrieben, dass Deutschland die Tragik hat, gleich von zwei ermatteten Volksparteien regiert zu werden. Die Opposition ist eigentlich der Ort, sich zu erholen und neu zu sortieren.

                Ich sehe den Riesen-Unterschied zwischen den Parteien SPD und CDU auch nicht. Beider Führungspersonal ist ausgelaugt, beide bewegen sich vor und zurück (die im Startbeitrag genannten Vor- und Zurückbewegungen der SPD sind lächerlich, stellt man sie neben die Volten der Kanzlerin), beide haben keinen Plan.

                Unterschied ist, dass Wählerschaft und Parteimitglieder von der CDU „nur“ erwarten, dass diese regiert (welche Politik, ist den meisten offenbar egal, solange sie nicht aus der Komfortzone verdrängt werden). Von der SPD (wie von jeder anderen linken Partei) erwartet man aber, dass sie nicht nur das Land, sondern die Welt rettet. Blöd für die SPD, dass sie diese Fähigkeit schon länger nicht mehr glaubhaft vermitteln kann.

                Mir ist inzwischen egal, wer mit wem regiert, solange die Vertreter meiner Generation (Merkel, Kauder, Altmeyer, Schulz, Gabriel, Trittin, Gauland etc) bloß entsorgt werden.

                Mir reicht ein Blick auf meine Kinder, um zu erkennen, dass ich mit dem Tempo, dass das Leben und die Gesellschaft derzeit einschlagen, nicht mehr wirklich mitgehen kann oder besser, nicht mehr mitgehen will. Und wer wie Merkel oder Schulz auf die Fragen von heute und morgen nur die Antworten von gestern parat hat, kann unser Land nicht nach vorne bringen.

                Deswegen hoffe ich darauf, dass es keine neue große Koalition geben wird, so dass Merkel und Schulz zurücktreten müssen.

                es grüßt
                E.G.

    • Erwin Gabriel 29. Januar 2018, 19:35

      @ Ariane 22. Januar 2018, 20:05

      Von jemandem, der hier seit Wochen die Regierungsunwilligkeit der FDP verteidigt …

      Na ja. Martin Schulz ist angetreten, um Kanzler zu werden; die SPD, um zu regieren. Wahlziel der FDP war dagegen „nur“der Einzug in den Bundestag.

      es grüßt
      E.G.

  • Ralf 23. Januar 2018, 03:19

    Der früheren linken Volkspartei fehlt eine Idee, was sie überhaupt noch sein will.

    Der SPD fehlt aus meiner Sicht nicht die „Idee“, sondern der Wille eine positive Vision fuer die Zukunft zu formulieren. Moegliche Ideen gibt es eigentlich genug fuer eine „Partei des kleinen Mannes“. Gerade gestern las man auf Spiegel-Online ueber die aktuelle Oxfam-Studie:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/davos-weltwirtschaftsforum-oxfam-warnt-vor-steigender-ungleichheit-a-1189067.html

    Danach hat das reichste 1% sich fast das gesamte 2017 weltweit erwirtschaftete Vermoegen unter den Nagel gerissen, waehrend die aermere Haelfte der Menschheit – sagenhafte 3,7 Milliarden Menschen – garnichts bekommen haben. Die Zahl der Milliardaere ist in einem Tempo gewachsen wie nie zuvor. Alle zwei Tage gab es einen neuen Milliardaer, so die Studie. In Deutschland besitzen die reichsten 40 Buerger genauso viel wie die gesamte aermere Haelfte unserer Bevoelkerung. Ein normaler Arbeitnehmer muss 157 Jahre lang arbeiten, um auf das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Dax-Vorstandsvorsitzenden zu kommen. Gleichzeitig haben wir fast jedes Jahr Steuersuender-CDs und Steuer-Leaks in den Nachrichten, die zeigen wie die Reichen ihr Geld legal, halb-legal oder illegal vor dem Fiskus verstecken. Waehrend unsere Schulen verfallen, machte die neue nordrhein-westfaelische Regierung gerade Schlagzeilen damit, dass erfolgreiche Steuerfahnder, die unserer Staatskasse Milliarden eingebracht haben, weggemobbt werden. In der medizinischen Behandlung zweifelt eigentlich keiner mehr daran, dass wir es mit einer Zweiklassenmedizin zu tun haben. Von Gleichbehandlung von Armen und Reichen kann ueberhaupt keine Rede mehr sein.

    Eine ganz simple positive Vision fuer eine „Partei des kleinen Mannes“ waere eine gerechtere Welt zu schaffen. Eine Welt, in der sich die Besitzverhaeltnisse von Reichen und Armen annaehren und in der diese Annaehrung als Kernziel definiert wird. Eine Welt, in der jeder – egal ob er arm oder reich ist – Zugang zu hervorragender Bildung, hervorragender medizinischer Behandlung hat. Eine Welt, in der die Menschen vor den drastischen Folgen der Digitalisierung in Schutz genommen werden, so gut das eben geht, auch wenn das bedeutet, dass intensive Regulierung uns manchen moeglichen Fortschritt verwehrt. Eine Welt, in der Mensch und das menschliche Leben im Fokus stehen, und nicht das Wirtschaftsinteresse einiger weniger. Das heisst, eine Welt in der Menschen wieder ein Stueck Stabilitaet im Leben erlangen, anstatt staendig flexibel sein zu muessen, staendig umzugsbereit sein zu muessen, sich von befristetem Vertrag zu befristetem Vertrag hangeln zu muessen. Eine Welt, in der Wohnraum bezahlbar ist und in der jeder, der in Vollzeit arbeitet, von seiner Arbeit leben kann. Eine Welt, in der es ausreichend Kitas gibt und Zugang zu Volkshochschulen und Buechereien und kostenlosen oeffentlichen Verkehrsmitteln fuer alle. Und und und.

    Das Problem der SPD ist nicht, dass sie die Schieflage in unserer Gesellschaft nicht erkannt hat. Das Problem ist, dass sie sich entschieden hat, nicht mehr die Partei des kleinen Mannes zu sein. Stattdessen wollte sie die Partei des Genossen der Bosse sein. Parka und Reval wurden eingetauscht gegen Brioni und Cohiba. Und nachdem die „Sozialdemokraten“ zwanzig Jahre lang diese 180-Gradwende eisern vorangetrieben und verteidigt haben, gibt es kein zurueck mehr. Der kleine Mann hat die SPD aufgegeben. Der kleine Mann waehlt entweder garnicht mehr. Oder er waehlt die LINKE. Oder er waehlt die AfD. Oder, wenn er die neoliberalen Verheissungen tatsaechlich noch glaubt, waehlt er mit der CDU das Original.

    Im Grunde ist die SPD jetzt mittlerweile in genau der selben Lage, in der die Kirche in dem Stadtviertel, in dem aufgewachsen bin, mitte der Achtziger Jahre war. Damals war das Gotteshaus noch relativ voll, obwohl sich die Reihen langsam aber merklich leerten. Gerade die Jungen wandten sich zunehmend ab, abgestossen von der Borniertheit und dem Verharren im Stillstand, der die Kirche auszeichnete. Und genau in dieser Situation kam ein junger Vikar in unsere Gemeinde. Mit grossem Enthusiasmus versuchte er die starre Ordnung des Gottesdienstes zu reformieren. Statt Lieder auf der Orgel begleiten zu lassen, stellte er sich mit der Akkustikgitarre vor die Gemeinde. Verschiedene Gebete, die archaische Woerter verwendeten, trug er in moderner Sprache vor, so wie sie tatsaechlich von Menschen gesprochen wird und so dass jeder sie verstehen konnte. Die verbliebenen jungen Menschen waren begeistert und machten sich Hoffnung auf Reformen. Die Alten hingegen wollten diesen laestigen Modernisierer nur so schnell wie moeglich loswerden. Bloss keine Veraenderung! Sie drohten damit die Gemeinde zu verlassen und anderswo zum Gottesdienst zu gehen.

    Die Kirche stand damit vor einer schwierigen Entscheidung. Sie konnte den Weg der Modernisierung gehen und versuchen die verbliebenen jungen Leute damit staerker an sich zu binden. Natuerlich wuerde es keine Garantie geben, dass dieses Ziel erreicht wuerde. Moeglicherweise wuerden die Jungen ohnehin bald gehen, ganz egal welches Programm die Kirche anbietet. Moeglicherweise waere die Perspektive am Sonntag ausschlafen zu koennen oder die Kirchensteuer einzusparen staerker gewesen als alles, was die Kirche realistischerweise haette aufbieten koennen. Und es stand voellig in den Sternen, ob die, die frustriert und enttaeuscht schon weggegangen waren, nochmal zurueckkommen wuerden. Aber wer weiss, vielleicht haette es geklappt. Vielleicht haette sich die Kirche wieder verjuengen koennen und zukunftsfaehig werden koennen. Der Preis waere in diesem Szenario der Verlust der Alten, der Konservativen, der Sturen gewesen. Der Abgang dieser Mehrheit haette mindestens mittelfristig ein enormes Problem bedeutet. Das Gotteshaus waere mit einem Schlag nur noch halbvoll gewesen.

    Die Alternative war den Alten nachzugeben. Die zarten Pflaenzchen der Reformierung wieder einzustampfen und zurueckzukehren zum Mittelalter. Damit wuerde man zumindest sicherstellen, dass in den nachfolgenden zehn bis zwanzig Jahren ein signifikanter Teil der Sitze in der Kirche besetzt bleiben wuerde. Aber die jungen Menschen wuerden sich in diesem Szenario praktisch vollstaendig abwenden. Es wuerden nur die Ueberfuenfzigjaehrigen bleiben. Und die wuerden dann nach und nach aussterben.

    Genau diesen Weg ist die Kirche dann auch gegangen. In einem Gotteshaus, das um die 500 Menschen fasst, sitzen am Sonntag heute im Durchschnitt noch fuenf Besucher. Alle in ihren hohen Siebzigern oder gar Achtzigern. Spaetestens in zehn Jahren wird man die Gemeinde schliessen muessen. Oder der Pfarrer wird in einen leeren Raum predigen. In ganz Deutschland werden ja schon Kirchenhaeuser verkauft wie man hoert. Manche werden zu Bars oder Diskotheken umgebaut.

    Die SPD steht vor einem sehr aehnlichen Problem. Ihre Stammwaehler, eben der „kleine Mann“, sind ihr abhanden gekommen. Durch ihren Verrat unter Schroeder und dem fortgesetzten Verrat unter seinen Nachfolgern, hat die Partei jegliches Vertrauen bei ihrer urspruenglichen Basis verspielt. Jetzt stehen die Sozialdemokraten bei 20%. Nach vier weiteren Jahren GroKo werden es wahrscheinlich eher so um die 15% sein. Moeglicherweise wird man noch nicht mal mehr zweitstaerkste Kraft.

    Von hier gibt auch zwei Wege fuer die Zukunft. Die SPD kann zu ihren Wurzeln zurueckkehren, zu einer Vision von Gerechtigkeit und Ausgleich, wie ich sie oben skizziert habe. Aber wird das die alten Waehlerschichten, die sich frustriert abgewandt haben, wieder zurueckbringen? Werden die Nichtwaehler wieder in den Schoss der Partei zurueckkehren? Und die, die zur LINKEN oder zur AfD abgewandert sind? Wird sich eine Partei, die ihrer Klientel 20 Jahre lang in den Ruecken gefallen ist, wieder die Glaubwuerdigkeit erarbeiten und verdienen koennen, die fuer einen Wiederaufstieg notwendig sind? Ich persoenlich habe meine Zweifel. Aber moeglicherweise wuerde es klappen. Allerdings gaebe es bei einem radikalen Zurueckkehren zu den Wurzeln einen ganz gewissen Kollateralschaden: Diejenigen, die die SPD gerade wegen Schroeder und seiner Clique gewaehlt haben, also die Aufsteiger, die von den neoliberalen Reformen profitiert haben, ihr Gewissen aber mit ein bisschen „soziale Gerechtigkeitsrhetorik“ beruhigen wollen, waeren garantiert weg. Die waeren, wenn’s um ihr Geld geht, dann eben bei der CDU oder bei der FDP. Und so riskiert die SPD bei einem Kurswechsel nicht nur niemanden hinzuzugewinnen, sondern auch noch die wenigen zu verlieren, die mit dem gegenwaertigen Kurs zufrieden sind.

    Einfacher und mit weniger Risiko behaftet ist da ein stures „Weiter so“. In der neuen GroKo gibt es zumindest wieder ein paar Poestchen. Und ohne Neuwahlen bewahrt man sicher einige Bundestagsmandate, die andernfalls sehr stark in Gefahr gewesen waeren. Und man rettet seine Stellung als zweitstaerkste Partei zumindest ueber die naechsten vier Jahre.

    Aber dieses „Weiter so“ fuehrt auch unwiderruflich in den Untergang. Mit jedem Jahr „Weiter so“ entfernt sich die Partei noch mehr von ihrer urspruenglichen Klientel. Mit jedem Jahr „Weiter so“ wird die Wahrscheinlichkeit fuer ein Wiederaufbluehen der Sozialdemokratie geringer. Welcher junge Mensch will denn noch in diese wandelnde Leiche eintreten? Genauso wie die Kirche in meinem Stadtteil wird die SPD von Wahl zu Wahl weiter dahinsiechen. Von Wahl zu Wahl wird sie ein Stueck unattraktiver werden. Wenn sie den Volksparteicharakter vollstaendig eingebuesst hat, wird es irgendwann in ferner Zukunft nicht Rot-Rot-Gruen sondern – wenn ueberhaupt – Gruen-Rot-Rot geben. Und vielleicht geht die Partei ja auch vollstaendig unter. Wie In Dubio richtig festgestellt hat, stehen alle im Bundestag vertretenen Parteien fuer irgendetwas. Nur die SPD nicht. Die steht fuer rein garnichts. Weshalb sollte der Waehler auf Dauer eine Partei am Leben erhalten, die fuer nichts steht, fuer nichts kaempft, keine Vision hat, blutleer ist, kein Personal und kein Interesse an den Buergern und ihren Sorgen und Noeten hat?

    • In Dubio 23. Januar 2018, 11:36

      Der SPD fehlt aus meiner Sicht nicht die „Idee“, sondern der Wille eine positive Vision für die Zukunft zu formulieren.

      Das ist ein Stück weit ein Streit um Semantik, zumal ich an anderer Stelle von Vision sprach. Doch was Sie formulieren, erfüllt nun auch wieder nicht den selbst gesetzten Anspruch. Hinter einer Vision stehen Haltungsfragen, wie blicke ich auf die Welt? Anhänger der FDP sind davon überzeugt, dass Menschen für ihr Schicksal selbst verantwortlich sind. Konservative einen Werte wie Familie und die Liebe zur Heimat wie zum Nächsten, der Glaube, nicht alles tun zu dürfen was man darf. Und umweltbewusste Menschen glauben an die Nachhaltigkeit der Natur, sie sind überzeugt, dass eine Schädigung oder Ausbeutung der Umwelt nicht verantwortbar ist und richten danach ihr eigenes Leben aus.

      Doch was formulieren Sie?
      Danach hat das reichste 1% sich fast das gesamte 2017 weltweit erwirtschaftete Vermögen unter den Nagel gerissen, während die ärmere Hälfte der Menschheit (..) gar nichts bekommen haben.

      Unsere Welt ist ein Raub- und Beutezug der reichsten 1% und wir sind Opfer. Gegen Diebstahl darf man sich mit Gewalt wehren. Nehmt den Reichen weg, was sie sich unrechtmäßig angeeignet haben! Haben Sie sich nie gefragt, warum solch revolutionäres Gerede so wenig verfängt? Diebstahl ist negativ konjunktioniert, selbst dann, wenn er als Selbstverteidigung oder als Auge-um-Auge-Handlung daherkommt. Die wenigsten Menschen mögen sich mit einem solchen Image gemein machen. Und daher ist das größte Problem von mittellosen Menschen nicht, dass ein anderer Milliardär ist, sondern dass er selbst nichts hat. Verstehen Sie den Unterschied?

      Sie mögen nicht erkennen, dass es den kleinen Mann nicht (mehr) gibt. Genau deshalb sind solche Schichten auch so schwer politisch anzusprechen. Was meinen Sie, warum denn sozialdemokratische Parteien solche Schwierigkeiten haben, noch nennenswerte Wähleranteile zu gewinnen? Streichen wir nämlich von Ihren mantraartig vorgetragenen Begründungen die sehr persönlichen Motive wie Willfähigkeit, Selbstbereicherung oder Verrat, so bleibt da nichts. Mit anderen Worten: Sie haben auch keine substanzielle Analyse. Wenn ein Politiker weder Wählerstimmen noch Spenden erhält, warum sollte grundsätzlich zu einer Politik tendieren, die keinen Ertrag abwirft? Ihre Bewertung muss folglich falsch sein.

      Sie empfehlen ja regelmäßig, einfach in den Maßnahmenkasten der LINKEN zu greifen und übersehen, dass eine solche linkspopulistische Politik in ganz Europa für 5 bis 15 Prozent der Wählerstimmen reichen, nie jedoch für Forderungen, die eine Chance auf Mehrheitsfähigkeit besitzen. Vermögensteuern sind überall unpopulär – bei den breiten Mittelschichten, die hierdurch vor allem belastet werden. Sie sind nur dort beliebt, wo sie nicht erhoben werden, z.B. in Deutschland. Da kann man auf die Idee kommen, Linken jagen einer Fata Morgana nach.

      Solche Parteien wie AfD und LINKE binden völlig widersprüchliche Schichten zusammen. Das Bindemittel sind völlig übersteigerte Forderungen, um das Publikum bei der Stange zu halten. Aber zum einen funktioniert das immer nur eine begrenzte Zeit, zum anderen fliegt das Wolkenkuckucksheim immer dann auseinander, wenn es in die Regierung geht. Umso heftiger ist dann die Bauchlandung. Die SPD vermochte es 1998 einmalig, völlig heterogene Schichten hinter sich zu bringen, unter anderem, weil der Überdruss an der langregierenden schwarz-gelben Koalition damals übergroß war. So etwas lässt sich immer wieder in Demokratien beobachten, so 2012 in Frankreich, wo die Abneigung gegen den Konservativen Sargozy einen völlig farblosen Kandidaten mit überragender Mehrheit in den Elysee brachte. Weitere Beispiele sind Südafrika oder Serbien. Solche hohen Mehrheiten zerbröseln jedoch sehr schnell, wenn das eigentliche Ziel erreicht ist.

      Auch die SPD verlor sehr rasch noch 1998 einen Teil ihrer Wähler, weil diese eine Partei gewählt haben, die nicht ihre ist. Auch die Rentner, welche Lafontaine und Schröder mit dem Versprechen der Abschaffung des demographischen Faktors bestochen hatten, schwenkten bald wieder zu Union, spätestens als offensichtlich wurde, dass der Kaufpreis nicht eingelöst werden konnte.

      Nein, das ist nicht das, was ich mit Vision im Artikel meinte. Es hat seine Gründe, warum sozialdemokratische Parteien solch große Probleme haben, sich zu behaupten. Sie dagegen tun so, als würden Wähler nicht altern und sterben. Wer 1982 SPD gewählt hat, ist heute mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit tot, folglich ist er auch nicht mehr Wähler der Partei. Die Leute, die Sie ausmachen („kleine Leute“) wählen heute alles Mögliche. Nur lassen diese sich – mit einem wir holen uns das Geld von den Reichen nicht ködern.

      Sie führen die ungleiche Vermögensverteilung an, haben dabei jedoch alle wissenschaftlichen Erkenntnisse vergessen. Werden z.B. die Rentenanwartschaften in die Rechnung einbezogen, ist Deutschland nicht so ungerecht. Die höchst ungleiche Verteilung ist also zum einen politisch sowie gesellschaftlich gewollt und zum anderen ein statistisches Phänomen. Wir könnten auch durch die deutliche Erleichterung von Wohneigentum die Ungleichheit bekämpfen, in dem der Staat auf Spezialsteuern wie die Grunderwerbsteuer verzichtet oder deutlich senkt. Die Gemeinden könnten in großem Stil Bauland ausweisen und damit die Bodenpreise senken. Und die Vorschriften für den Bau könnten entbürokratisiert, vereinfacht und abgesenkt werden. All das tun und fordern linke Parteien nicht, sie beklagen aber das Ergebnis. Keine Vermögensteuer kann einen solch deutlichen Einfluss auf die Ungleichheit ausüben wie die aufgezählten Maßnahmen.

      Sie unterschätzen wie die meisten Hardcore-Fans von linkspopulistischen Idealen die Ziele der Menschen, auch von Ärmeren. Die meisten wollen nicht Mittel vom Staat zugeteilt bekommen, sie wollen selbst etwas erreichen und dabei nicht unnötig Knüppel zwischen den Beinen spüren. Die von mir genannte 27jährige Berufsunfähige baut sich nun mit ihrem frisch geehelichten Ehemann ein Haus. Nein, der ist nicht Grösus, sondern Lokführer bei der Deutschen Bahn. Mit seinen Überstunden erreicht er ein gutes Einkommen und zusammen mit einer kleinen Erbschaft reicht das bei niedrigen Bodenpreisen im Osten für ein kleines Haus. Solche Leute werden nie LINKE oder SPD wählen, welche mit dafür verantwortlich sind, dass sie hoch taxiert werden und in der Öffentlichkeit auf jeden Vermögensbesitzer schimpfen.

      Noch ein Beispiel: eine junge Erzieherin (steht nur symptomatisch für eine nicht unbedeutende Zahl in diesem Beruf) geht in den nächsten Wochen für ein Jahr mit ihrem Freund nach Porto Alegre (Brasilien), der dort einen Ingenieursauftrag annimmt. Mit seinem Verdienst von 55.000 – 60.000 Euro im Jahr und den erheblichen Abgabenersparnissen durch die auswärtige Tätigkeit werden sie bei der Rückkehr in der Lage sein, hier Eigenheim zu erwerben. Sie können versichert sein, auch solche Leute werden niemals LINKE oder SPD wählen. Diese Wählerschichten sind dem linken Lager verloren gegangen bzw. konnten nie gewonnen werden. Es ist eben keine intelligente Strategie, in prosperierenden Ländern eine Mehrheitsfähigkeit auf Verlierern der Gesellschaft wie Arbeitslose, Abgestürzte und völlig Mittellose aufbauen zu wollen.

      • Blechmann 24. Januar 2018, 10:57

        „Sie unterschätzen wie die meisten Hardcore-Fans von linkspopulistischen Idealen die Ziele der Menschen, auch von Ärmeren.“

        Der „Arm-aber-FDP“ Wähler, wie der so malerisch Beschriebene, ist für linke Parteien doch sowieso uninteressant. Der glückliche strebsame Untertan wird immer die Partei der Eliten wählen, die er bewundert und denen er gerne angehören würde.

        • In Dubio 24. Januar 2018, 11:12

          Das kann ich nicht beurteilen. Aber am Ende geht es nicht um Schönheitspreise, sondern darum, in einer Demokratie Mehrheiten zu gewinnen. Davon sind die Versuche der linken Parteien weiter entfernt als die Christian Lindner von der Kanzlerschaft. 🙂

          • Blechmann 25. Januar 2018, 17:17

            „Aber am Ende geht es nicht um Schönheitspreise, sondern darum, in einer Demokratie Mehrheiten zu gewinnen.“

            Nein. Darum geht es nicht. Ginge es darum, hätten die Linken Parteien eine rot-rot-grün Regierung gebildet. Dann wäre auch Jamaika nicht gescheitert oder die Groko wäre fortgesetzt worden. Es geht in der Politik darum Interessen durchzusetzen. Kann ich meine Interessen nicht durchsetzen, sind Mehrheiten belanglos. Jedenfalls für den Wähler. Ob die Partei, die ich gewählt habe gegen meine Interessen handelt oder die andere ist ohne Belang für mich.

            • In Dubio 25. Januar 2018, 17:45

              Merkel gelang es bisher nicht, eine Mehrheit weder in der Wählerschaft noch durch Sondierungsverhandlungen zu gewinnen. Der Zwang zu Koalitionen ist nunmal dem Verhältniswahlrecht immanent, es ist aber kein Kennzeichen der Demokratie.

  • Maniac 23. Januar 2018, 11:11

    Etwas neben dem Text, aber weil Du ihn am Rande erwähnst, ein Wort zum MP des Landes Niedersachsen:

    Weil war hier eigentlich erledigt. Niedersachsen ist ein klassisches Wechselland. Die rot-grüne Landesregierung hat in ihren 5 Jahren kaum etwas auf die Reihe bekommen, fiel eher durch peinliche Statements hochrangiger Regierungsvertreter zu modernen Technologien und merkwürdigen Ansichten zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln auf. Der markanteste Aktivposten war ein Grüner Landwirtschaftsminister. Zwischenzeitlich hatte die CDU 12 Prozentpunkte Vorsprung.

    Aber wie immer gilt, am Ende ist die Ente fett:
    Gerettet hat die SPD am Ende der den Zusammenhalt stärkende Parteiwechsel unter Beitreibung eines ordentlichen jetzt-erst-recht-Gefühls einer Grünen Hinterbänklerin, der auch von der CDU-Fraktion äußerst schlecht gemanagt wurde. Dazu ein eher schwacher und unbekannter CDU-Kandidat, der massive Probleme mit Wahlkampf hatte.

    Wir können gerne darüber diskutieren, wieviel Spielraum Ländern für echte Policy und (bundespolitische) Politics überhaupt noch bleibt, aber vor allem admistrativ (mittlerweile die Kernbedeutung der Länder) war die Weil-Regierung sehr sehr schwach (was allerdings ein in den vergangenen Jahren zunehmendes Problem aller nds. Landesregierungen darstellt), so dass die am Ende sehr sichere Wiederwahl für viele auch neutrale Beobachter schon überraschend kam.

    Insofern verwundert es also nicht, dass man fast vergisst, dass er ein Land führt. Ob Niedersachsen auf Bundesebene einflussreich ist, lassen wir ebenfalls mal dahingestellt. Naja, immerhin hat man im Bundesrat 6 Stimmen…

    Gruß, M.

  • Blechmann 24. Januar 2018, 10:20

    Der „Verrat“ an den Interessen ihrer Wähler ist nunmal der Preis den eine Partei der Systemlinken zahlen muss, wenn sie regieren will. Ob das nun Nato-Angriffskriege der Grünen oder HartzIV der SPD ist. Ich empfinde das als ein Qualitätmerkmal der deutschen Linken, dass sie dazu nur sporadisch bereit ist und die Gestaltung von 2 Weltkriegen und einem Holocaust der deutschen Rechten überlassen hat. Die Interessenvertretung von Eliten und Oberschicht ist nunmal öfter an der Regierung als die Interessenvertretung der unteren Schichten.

    Wenn die Parteien der Besserverdienenden, CDU/CSU, FDP und GRÜNE keine Regierung bilden wollen, dann sollen sie es halt lassen. Ausgerechnet die „linke“ SPD soll da in die Pflicht für den Systemerhalt genommen werden. Albern. Wenn sie schlau sind lassen sie die andern im eigenen Saft schmoren. Wie attraktiv eine FDP in der Opposition (die ihren Wählern keine Steuervorteile verschaffen kann) wirklich ist? Finden wirs doch raus. Aber natürlich lechzt die SPD danach staatsmännisches Niveau in staatsmännischen Positionen zu beweisen. Dann muss sie darauf hoffen, dass der Wähler das honoriert. Viel Glück. :=)

    • Ariane 24. Januar 2018, 12:46

      Aber natürlich lechzt die SPD danach staatsmännisches Niveau in staatsmännischen Positionen zu beweisen. Dann muss sie darauf hoffen, dass der Wähler das honoriert. Viel Glück. :=)

      *hüstel* Passenderweise hab ich gerade aufgeschrieben, dass ich durchaus erwarte, dass sie einen auf Staatsraison macht und den Laden am Laufen hält^^
      Es gibt ja auch wirklich keine einfache gute Lösung im aktuellen Zustand und ich gehe davon aus, dass Mitglieder, Funktionäre, Wähler und unbeteiligte Zuschauer alle ähnlich zwiegespalten sind. Also außer Dubio^^

      Das ist gerade für linke Parteien natürlich immer schwierig. Wenn sie nicht dauerhaft in die Opposition wollen, müssen sie immer irgendwie definieren, ob und wo sie ihre roten Linien ziehen und zwar mit dem Wissen, dass sie eins auf den Deckel bekommen und Beschwerden immer lauter sind als Zustimmung.

      • Blechmann 25. Januar 2018, 18:10

        „Es gibt ja auch wirklich keine einfache gute Lösung im aktuellen Zustand und ich gehe davon aus, dass Mitglieder, Funktionäre, Wähler und unbeteiligte Zuschauer alle ähnlich zwiegespalten sind. Also außer Dubio^^“

        Na, ich bin da nicht Zwigespalten, ich dachte, das hätte ich deutlich gemacht. Die Systemlinke vertritt Arbeitgeberinteressen während sie so tut als vertrete sie Arbeiterinteressen usw. usf. klar ist das irgendwie „schwierig“. Fällt irgendwann den Wählern auf. Deswegen fliegen sie so schnell wieder aus der Regierung. Die echte Linke, deren Hauptinteresse nicht die Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse ist, die ist dauernd in der Opposition. Das ist ihr Job. Siehe die LINKE.

        • Ariane 25. Januar 2018, 18:45

          Die echte Linke, deren Hauptinteresse nicht die Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse ist, die ist dauernd in der Opposition. Das ist ihr Job. Siehe die LINKE.

          Ähhhm, und das findest du auch dauerhaft gut? Wenn die Aufgabe der echten (TM) Linken ist, dauernd in der Opposition zu hocken, fällt da nicht was anderes hintenüber? Also so Dinge wie Gesellschaft verändern, Lebensverhältnisse der Menschen verbessern, Parteien wie FDP, AfD und Union von der Regierung fernhalten oder verdrängen?

          Bist du denn mit Regierung kritisieren auf immer und ewig zufrieden oder gibt es da auch ein Fernziel mit echten Veränderungen? Revolution oder absolute Mehrheit der LINKEn oder sowas?

          • Erwin Gabriel 26. Januar 2018, 17:09

            @ Ariane

            Dem schließe ich mich an.

            Es grüßt
            E.G.

          • Blechmann 28. Januar 2018, 13:58

            „Bist du denn mit Regierung kritisieren auf immer und ewig zufrieden oder gibt es da auch ein Fernziel mit echten Veränderungen? Revolution oder absolute Mehrheit der LINKEn oder sowas?“

            Klar, aber das ist das Fernziel. Und dem kommt die Linke nicht näher indem sie in der Regierung sitzt und neoliberale Poliltik für die Besserverdienenden macht. Die SPD hat ja nichtmal eine Idee, wie denn die Machtverhältnisse oder der Aufbau der Gesellschaft zu verändern wären, wenn sie die Macht (50%+) dazu hätte. Also mal abgesehen von effizienter im Sinne der kapitalistischen Verwertbarkeit und Profitgenerierung, sowas wie HartzIV. Eine perfekte oder sagen wir optimale Gesellschaft braucht keine Linke, sie ist schließlich schon optimal. Und da die System(erhaltende)linke das System schon für optimal hält, müsste sie sich eigentlich selbst für überflüssig halten.

            Wie dem auch sei, das sehe ich genau anders rum wie Stefan und du. Wenn die Stimmenanzahl der LINKEN in der Opposition um 5% steigt, bewirkt das mehr linke Politik, als wenn die Stimmenanzahl der SPD in der Regierung um 5% steigt. Die SPD setzt ja nur das um, was aus den Eliten kommt. Was in HartzIV drinsteht legt ein VW-Manager fest (also ein Lobbyist), ganz egal ob die SPD nun 15%, 35% oder 55% hat, schreibt der da dasselbe rein. Es ist also in der Tat völlig egal ob die SPD immer in der Opposition ist oder nicht.

            Gut vielleicht Schwulenehe oder so, woran die Lobbies kein Interesse haben, wobei sowas inzwischen auch schon aus der CDU kommt. Merkel machts möglich.

            • In Dubio 28. Januar 2018, 17:29

              Revolution oder absolute Mehrheit der LINKEn oder sowas?“
              Klar, aber das ist das Fernziel.

              Das kann man als Witz bringen, kaum aber als ernstgemeintes Statement, oder?

              Wenn die Stimmenanzahl der LINKEN in der Opposition um 5% steigt, bewirkt das mehr linke Politik

              Wie kommen Sie denn darauf? Also erstens hat die linke in den letzten 3 bundesweiten Wahlen gezeigt, dass ihr Potential bei 9% ausgereizt ist. Woher sollten 5% und damit eine Steigerung um 60% kommen, wenn es der LINKEN schon in den letzten 10 Jahren nicht gelungen ist, vom Niedergang der Sozialdemokratie zu profitieren? Die AfD hat in diesem Zeitraum weit mehr sozialdemokratische Wähler gezogen als die selbsternannten Erben Willy Brandts. Und die 9% für die LINKE sind längst von den anderen Parteien eingepreist, es besteht keine Notwendigkeit, Forderungen einer stagnierenden Gruppierung ernst zu nehmen, die sich sonst aus dem Spiel nimmt.

              Was in HartzIV drinsteht legt ein VW-Manager fest (also ein Lobbyist)

              Nun ja, die LINKE leistet sich mit Bodo Ramelow, Bernd Riexinger, oder früher Klaus Ernst waschechte Lobbyisten in der Führung. Diese Personen sind allesamt in Gerwerkschaften beschäftigt und sozialisiert worden.

            • Ariane 28. Januar 2018, 18:47

              Revolution oder absolute Mehrheit der LINKEn oder sowas?“
              Klar, aber das ist das Fernziel.

              Revolution oder absolute Mehrheit oder ist das egal?

              Naja, ich denke in den Anfangsjahren konnte die LINKE auch als reine Oppositionspartei viel bewegen, aber das ist jetzt ausgereizt. Allein schon, weil seit 100 Jahren die Union die größte Fraktion stellt und damit immer zwei oder drei Parteien für Kritik von links sorgen. Und vielleicht gibt es dank Lafontaine und Wagenknecht ja noch eine weitere neue linke Partei, hast du da schon eine Präferenz, welche der beiden denn nun die echte Linke wäre?
              Bei einem SPD-geführten Bündnis ob nun Ampel oder rotgrün würde das bestimmt auch wieder Sinn machen. Geben die Mehrheitsverhältnisse aber nicht her und die LINKE verhindert das auch eher und insofern scheint mir das irgendwie eine Sackgasse und würde vielleicht doch eine mittelfristige Strategie erfordern, mit baldiger Revolution ist eher nicht zu rechnen und aktuell müsste man wohl auch eher eine von recht statt von links befürchten.

              Gut vielleicht Schwulenehe oder so, woran die Lobbies kein Interesse haben, wobei sowas inzwischen auch schon aus der CDU kommt

              Ahjo, Schwulenehe hier, Mindestlohn da. Davon haben etliche Menschen immerhin was, während die LINKE damit zufrieden ist, die nächsten 100 Jahre an CDU-Regierungen herumzukritisieren. Tut mir ja leid, aber ich sehe den Sinn darin einfach nicht.

  • Ariane 24. Januar 2018, 12:32

    @Stefan P: Ich mach hier mal weiter.

    Ein weiteres Problem der Partei ist, dass Funktionäre und Mitglieder eine deutlich linkere Politik wünschen, der Zeitgeist aber nach rechts geht.

    Achso, weil der Zeitgeist irgendwie nach rechts geht, soll die SPD das Linkssein jetzt komplett aufgeben und der AfD hinterherhecheln?? Bitte?

    Also erstens(!) ganz grundsätzlich: Es ist Aufgabe einer Partei, an der Willensbildung mitzuwirken und nicht irgendeinem behaupteten Trend hinterherzuhecheln. Gerade links der Mitte braucht man schon ein Minimum an Standfestigkeit, wir sind hier ja nicht bei der FDP 😛

    Denn bis auf ein paar Sektierer finden die Bürger – zumindest im Westen der Republik – Ungleichheit gut
    Da hätte ich jetzt gerne mal eine Statistik, dass die Bürger Ungleichheit total super finden und nur ein paar Sektierer wie Ralf da ein Problem sehen. Die These erscheint mir ja gewagt und du verkündest sowas immer so überzeugt von deiner Allwissenheit.^^
    Aber ich geh da spaßeshalber mal mit, mit dem Beispiel der Ungleichheit als vermuteten Kernpunkt der SPD.
    Also wenn die Bürger Ungleichheit total super finden und stattdessen in 5 Flüchtlingen in Sachsen ein riesiges, weltverändertes Problem ausmachen. Dann ist es Aufgabe der SPD ihr Kernproblem der Ungleichheit in die Öffentlichkeit zu bringen und nicht der AfD hinterherzurennen und um 5 Flüchtlinge in Sachsen herumzutanzen. Ich als SPD-Wählerin erwarte, dass sie darüber reden, dass 45 Deutsche soviel Vermögen haben wie 50% der Bevölkerung. Das vielleicht noch in Panama herumliegt, das soeben von der Liste der Steueroasen gestrichen wurde. Völlig egal, ob das auch die BILD, die AfD oder Dich als überzeugten FDPler interessiert.
    Das reicht wohl nicht, um schnell an die 30% ranzukommen, ist aber eine wichtige langfristige Sache. Ich bin nämlich der Ansicht, dass der rechte Zeitgeist auch in der Verantwortung der SPD und anderer linker Parteien/Organisationen liegt, weil sie sich die Themen diktieren lassen anstatt eigene zu stärken. Sie sollen also nicht deswegen rumheulen und hinterherrennen, sondern ihre Anliegen vertreten.

    Eine Partei in der Regierung wird immer mit dem Regierungshandeln identifiziert, nicht mit Ideen, die sie sonst hat. Im Falle einer GroKo läuft die kleinere Volkspartei dazu noch Gefahr, dass alles Negative an ihr hängen bleibt.
    Keine Frage, schwierige Situation. In alle Richtungen aber. Wenn die SPD jetzt auch noch den leichten Weg nimmt, steht sie genauso schlecht da und wir haben dann immer noch keine Regierung.
    Und zum 100. Mal: Du behandelst so eine Wahl immer wie eine verquere Modenschau, wo es nur darum geht, bei der nächsten Wahl irgendwie besser auszusehen. Ich hab sie übrigens gewählt und mir als Wählerin ist das vollkommen schnurz, ich habe die gewählt, damit sie regieren. Um ihre Anliegen durchzubringen, bzw bei den aktuellen Zahlen eher um Schlimmeres zu verhindern. Und ich erwarte auch, dass sie das tun, und wenn sie nochmal 10% dabei verlieren.
    Und wenn die SPD jetzt ankommt und meint „Ach nö, wir lösen jetzt lieber mal ne richtige Regierungskrise aus, weil wir beim Mitregieren vielleicht nicht so gut aussehen“, dann verlieren sie meine Stimme mit Sicherheit und deine bekommen sie übrigens auch nicht.
    „Große Koalitionen sind nun mal demokratietheoretisch widersinnig“ -> Ja mein Gott, dann ruf doch den Lindner oder meinetwegen Trittin an und beschwer dich bei dem! Da kann doch nun die SPD nichts für. So ein großes Land wie Deutschland komplett ohne Regierung ist demokratietheoretisch nämlich auch nicht das Gelbe vom Ei.
    Du machst dir genauso einen schlanken Fuß wie der Lindner. Verteidigst, dass deine Partei eine andere Koalition verhindert hat und weinst, dass eine große Koalition aber ganz ganz doof ist. Und als Lösung schlägst du vor, einfach so lange keine Regierung zu haben und wählen zu lassen, bis irgendwie ein Wunder eintritt und dein Wunschergebnis rauskommt.
    Und dann beschwerst du dich ernsthaft, wenn ich dir vorwerfe, das Ganze nicht so ernst zu nehmen.

    Deine Prognose war, dass die SPD zu seriöser Regierungarbeit wie in den Jahren zuvor zurückfindet. Nun hängst Du die Ansprüche ein ganzes Stück tiefer.

    Naja, es gibt nun mal Ministerien, die mehr im Fokus stehen (Finanzen, Wirtschaft, etc.) und in denen man sich mehr in der Öffentlichkeit zeigen kann oder muss. Und kleinere Ministerien, bei denen man häufig nur dann auffällt, wenn etwas schief läuft wie Verkehr, Umwelt, Entwicklung etc. Da hab ich (und vermutlich die meisten anderen) nicht mehr Erwartungen als seriös seine Arbeit erledigen und möglichst nichts verbocken.^^

    • In Dubio 24. Januar 2018, 14:55

      (..) weil der Zeitgeist irgendwie nach rechts geht, soll die SPD das Linkssein jetzt komplett aufgeben und der AfD hinterherhecheln?? Bitte?

      Nein, das musst Du als Partei natürlich nicht. Aber dann sollte eine solche Partei auch nicht den Anspruch erheben, das Land zu führen, das ist ein Widerspruch in sich. Übrigens: wenn ich mich richtig erinnere, finden Du und Ralf an der Kanzlerin gerade gut, dass sie nicht standfest ist.

      Da hätte ich jetzt gerne mal eine Statistik, dass die Bürger Ungleichheit total super finden und nur ein paar Sektierer wie Ralf da ein Problem sehen. Die These erscheint mir ja gewagt und du verkündest sowas immer so überzeugt von deiner Allwissenheit.

      Du und Ralf sind dafür meine Zeugen. Gemein, gell? In der Vergangenheit wurdet Ihr nicht müde zu betonen, dass auch Linke nicht wollen, dass alle Menschen gleich verdienen. Ein Unternehmer darf ruhig deutlich mehr bekommen als ein Rohrreiniger, ein SAP-Berater mehr als eine Altenpflegerin. Gebe ich Dich da richtig wieder? Nichts anderes habe ich gemeint.

      Ich als SPD-Wählerin erwarte, dass sie darüber reden, dass 45 Deutsche soviel Vermögen haben wie 50% der Bevölkerung.

      Bitte korrigiere mich, aber Du bist eine von 20%. Und der Ehrgeiz der Partei wie auch Deiner endet nicht damit, nur für jeden fünften Wähler zu sprechen. In den ganzen Monaten habe ich immer noch nicht rausgefunden, wie Deine Strategie wäre, Wähler der Union, der FDP oder der AfD zu gewinnen. Zumindest, soweit es keine Wählerbackmaschine gibt, wird eine nach links wandernde SPD auf solche Leute enorm überzeugend wirken müssen. In dieser Welt ist ja bekanntlich nichts unmöglich, aber für wahrscheinlich halte ich es nicht.

      Sie sollen also nicht deswegen rumheulen und hinterherrennen, sondern ihre Anliegen vertreten.

      Bisher dachte ich, Abgeordnete sollten die Interessen des Volkes vertreten und es repräsentieren. Deiner Ansicht nach jedoch sollen gerade linke Parteien klarlegen, dass das Volk falsch liegt.

      Du behandelst so eine Wahl immer wie eine verquere Modenschau, wo es nur darum geht, bei der nächsten Wahl irgendwie besser auszusehen.

      Nope. Aber selbst das Strafgesetzbuch verlangt nicht, dass jemand sein Leben riskiert um einen anderen zu retten. Du würdest nie von jemanden verlangen, dass er einen Job macht, der die eigene Existenz ruiniert. Du würdest nie verlangen, dass ein Unternehmen selbst dann produziert, wenn es keinen Gewinn macht. Selbst eine Schwangere darf noch bis kurz vor Toreschluss abtreiben, wenn ihr eigenes Leben gefährdet ist. Aber Du verlangst von Parteien, dass sie sich im Zweifel selbst zerstören, damit Du Deine Regierung bekommst.

      Die Bundestagswahl hat einen klaren Regierungsauftrag an die Union und an ihre Vorsitzende Angela Merkel erbracht. Was es nicht erbracht hat ist eine Bestätigung der Regierungspolitik. Dennoch mag die Kanzlerin keinen Deut von ihrem Kurs lassen und versuchte dazu, Grüne und FDP zu gewinnen. Insbesondere die Liberalen wollten da nicht mitmachen. Wir haben eine Kanzlerinnenkrise, denn das Problem hängt im wesentlichen daran, dass die CDU nicht nur Merkel zur Kanzlerwahl stellen will, sondern auch, dass die bisherige Politik in den Grundlinien unverändert fortdauert. Ich habe von Dir noch kein Argument gehört, warum die FDP dazu die Hand hätte reichen sollen. Ganz klar: wir haben eine Kanzlerkrise, keine Staatskrise. Würde die CDU einen anderen Kandidaten / Kandidatin benennen, hätten wir möglicherweise auch schnell eine Jamaika-Koalition.

      So ein großes Land wie Deutschland komplett ohne Regierung ist demokratietheoretisch nämlich auch nicht das Gelbe vom Ei.

      Die USA haben jemanden im Oval Office, der scheinbar nicht mal körperlich in der Lage ist, das Präsidentenamt auszuüben. Ich weiß nicht, da ist mir für ein paar Monate eine geschäftsführende Regierung irgendwie lieber.

      Und als Lösung schlägst du vor, einfach so lange keine Regierung zu haben und wählen zu lassen, bis irgendwie ein Wunder eintritt und dein Wunschergebnis rauskommt.

      Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich erwarte, dass die Kanzlerin das Wahlergebnis entweder ernst nimmt, Stil und Richtung neu justiert oder den Weg für eine Neubewertung durch den Souverän freimacht. Auch in Demokratien, wo auf Anhieb keine Regierungsbildung gelungen ist, wurde nicht beliebig oft gewählt.

      So weit seid Ihr nicht. Aus dem Aufstieg von AfD und FDP hast weder Du noch Ralf Schlüsse gezogen. Deine Analyse ist so stur wie schlicht: Angela Merkel hat die Wahl gewonnen und einen Regierungsauftrag. Doch niemand ist verpflichtet, eine Person zu wählen, die in freien Wahlen gerade gut jeden dritten Wähler überzeugen konnte.

      • Ariane 24. Januar 2018, 17:05

        Übrigens: wenn ich mich richtig erinnere, finden Du und Ralf an der Kanzlerin gerade gut, dass sie nicht standfest ist.

        Öh? Also ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber die Kanzlerin ist in der CDU und ich bin SPD-Wählerin und Ralf hat meines Wissens die Linke gewählt.^^
        Ja ich mag ihre Art und finde es natürlich gut, wenn auch mit ihr in der Regierung Gesetze beschlossen werden, die ich gut finde, wie zb den Mindestlohn. Ich bewundere sie auch für ihre stoische Gelassenheit.
        Ändert aber nichts daran, dass sie aus meiner Sicht zur politischen Gegnerschaft zählt und eines meiner Ziele als Wählerin eben ist, die Union aus der Regierung wegzubekommen. Natürlich habe ich an sie und die Union ganz andere Erwartungen als an die Partei, die ich wähle, bzw an die Parteien, die ich für meine Wahl in Betracht ziehe. Merkel kommt da erst dran, wenn wirklich alle 753 anderen Kasper regierungsunwillig sind.^^

        u und Ralf sind dafür meine Zeugen. Gemein, gell? In der Vergangenheit wurdet Ihr nicht müde zu betonen, dass auch Linke nicht wollen, dass alle Menschen gleich verdienen. Ein Unternehmer darf ruhig deutlich mehr bekommen als ein Rohrreiniger, ein SAP-Berater mehr als eine Altenpflegerin. Gebe ich Dich da richtig wieder? Nichts anderes habe ich gemeint.

        Keine Ahnung, ich erinnere mich gar nicht, ob ich mich überhaupt jemals dazu geäußert habe. Es erscheint mir aber ein großer Unterschied darin zu liegen, ob ich sage „Ist ok, wenn die Altenpflegerin und der SAP-Heini nicht denselben Lohn haben“ Oder eben darin Probleme sehe, wenn der SAP-Heini 3 Millionen im Jahr verdient und vielleicht 2 Millionen nach Panama verschickt, um da ja keine Steuern zu bezahlen. Während die Altenpflegerin in München 70% ihres mickriges Gehalts für ihre Miete ausgibt.

        Erscheint mir jetzt ziemlich verrückt, das ganze auf Kommunismus pur oder Ungleichheit super finden herunterzubrechen.

        Bitte korrigiere mich, aber Du bist eine von 20%. Und der Ehrgeiz der Partei wie auch Deiner endet nicht damit, nur für jeden fünften Wähler zu sprechen. In den ganzen Monaten habe ich immer noch nicht rausgefunden, wie Deine Strategie wäre, Wähler der Union, der FDP oder der AfD zu gewinnen. Zumindest, soweit es keine Wählerbackmaschine gibt, wird eine nach links wandernde SPD auf solche Leute enorm überzeugend wirken müssen. In dieser Welt ist ja bekanntlich nichts unmöglich, aber für wahrscheinlich halte ich es nicht.

        Ich verstehe die Logik echt nicht. Die SPD soll sich also hinsetzen, sich überlegen die AfD-Wähler zu sich zu holen und zwar, indem sie deren Parteiprogramm übernehmen?? Himmel Hilf! Diese geniale Superlogik scheint dir auch nur bei der SPD wichtig zu sein. Ich habe nämlich noch nichts davon gehört, dass die FDP zwingend mich als SPD-Wählerin braucht und deswegen davon etwas in ihr Programm aufnehmen muss.

        Ja ich bin nur eine von den 20% und ich habe nicht Deine „Großkotzigkeit“ aus meiner eigenen Meinung immer gleich den allgemeinen Wählerwillen zu machen. Es wäre doch logisch, erstmal um Leute wie mich oder Ralf zu werben, die eben die „Zielgruppe“ sind ,als bei Lindner-Fanboys wie Dir. Wenn sie nämlich einen auf FDP 2.0 machen, bekommen sie deine Stimme trotzdem nicht, meine nicht mehr und Ralf haben sie sowieso schon verloren. In dieser öh repräsentativen Studie landen sie also von +1 bei -1 und mir ist völlig unklar, wessen Stimme sie denn überhaupt dazugewinnen sollen. FDPler mit sozialem Gewissen oder wie?
        In deiner Wählerbackmaschine gibts nämlich spaßigerweise immer nur Zugewinne, aber nie Stimmen, die dann vielleicht woanders auch wieder verloren gehen. Gilt für mich bei der SPD ebenso wie bei der konservativ revolutionierten Union.

        Bisher dachte ich, Abgeordnete sollten die Interessen des Volkes vertreten und es repräsentieren. Deiner Ansicht nach jedoch sollen gerade linke Parteien klarlegen, dass das Volk falsch liegt.

        Ich denke, es ist durchaus klargeworden, dass ich das sehr puristisch sehe. Sie sollen an der politischen Willensbildung mitwirken, das ist Aufgabe der Partei. Dann wählen die Leute das, was sie gut finden und dann werden sie Abgeordnete und repräsentieren den Wählerwillen und regieren dann hoffentlich gefälligst das Land anstatt eine Regierungskrise nach der anderen auszulösen^^
        Schwer vorstellbar, dass du bei einem linken Zeitgeist von wirklich jeder Partei erwartest, das linkeste aller Parteiprogramme zusammenzuschreiben, oder? Ich erwarte nicht, dass die SPD oder linke Parteien dem Volk erklären, das es falsch liegt. Ich erwarte aber durchaus, dass sie ihre Anliegen vertreten und nicht auf irgendein Thema aufspringen, dass die AfD oder die BILD gerade durch’s Dorf treiben. Ich mit meiner kleinen Stimme (ja schon klar, nur eine von 20% bzw 82 Mio) muss ja auch irgendwas zum Wählen auswählen können und wenn nun wirklich alle Parteien mit dem AfD-Quatsch um die Ecke kommen, hab ich nichts mehr. Soll ich denn lieber zu Hause bleiben oder gleich das Original wählen oder was rätst du mir dann?

        Nope. Aber selbst das Strafgesetzbuch verlangt nicht, dass jemand sein Leben riskiert um einen anderen zu retten. Du würdest nie von jemanden verlangen, dass er einen Job macht, der die eigene Existenz ruiniert. Du würdest nie verlangen, dass ein Unternehmen selbst dann produziert, wenn es keinen Gewinn macht. Selbst eine Schwangere darf noch bis kurz vor Toreschluss abtreiben, wenn ihr eigenes Leben gefährdet ist. Aber Du verlangst von Parteien, dass sie sich im Zweifel selbst zerstören, damit Du Deine Regierung bekommst.

        Sag mal, bist du heimlich gar nicht Analytiker, sondern offizieller Alkohol-Tester? Drunter gehts nicht mehr?^^ Lebensgefahr, Existenzvernichtung, Untergang des Abendlandes vielleicht noch?
        Die sollen sich nicht ins Schwert stürzen. Ich erwarte oder verlange sogar, dass da irgendjemandem das Mitwirken an der Regierung dieses Landes ein Minimum wichtiger ist als ihr Ergebnis bei der nächsten Bundestags- oder Landtagswahl. Also Verzeihung, aber das sollte nun wirklich eine absolute Selbstverständlichkeit sein! Und so zu tun, als wäre das ernsthaft eine überzogene Forderung – also das macht mich sprachlos, echt jetzt.
        Wie willst du mir denn bitte mit dieser Einstellung darlegen, warum ich zur Wahl loslatschen soll? Damit dann 753 Kasper erklären können, sie wollen lieber nicht regieren, das könnte sie 2% bei der nächsten Wahl kosten?? Und ich soll sie jetzt aber bitte vier Jahre lang bezahlen und in der Zeit nörgeln sie (an der nichtvorhandenen) Regierung herum und passen ihr Programm dem aktuellen Zeitgeist an? Also bitte, dann können wir die Schotten dichtmachen, ich geh dann bestimmt nicht mehr los und mach irgendwo mein Kreuzchen, um ein parlamentarisches Dschungelcamp zu erleben.

        Ich habe von Dir noch kein Argument gehört, warum die FDP dazu die Hand hätte reichen sollen. Ganz klar: wir haben eine Kanzlerkrise, keine Staatskrise. Würde die CDU einen anderen Kandidaten / Kandidatin benennen, hätten wir möglicherweise auch schnell eine Jamaika-Koalition.

        Ja nee schon klar. Den Trittin hast du vergessen oder muss der auch noch schnell aus dem Weg geräumt werden? Vielleicht noch eine besondere Einladung mit Büttenpapier und Goldumschlag? Ist dir schon aufgefallen, dass ich die erste bin, die draufschlägt, wenn meine Partei einen Rückzieher machen will? Während bei dir wirklich alle und zwar ausnahmslos doof sind und die Verantwortung tragen, nur die Liberalen haben die weißeste aller Westen. Ist es denn wirklch zuviel verlangt, die Klappe nur halb so weit aufzureißen?

        So weit seid Ihr nicht. Aus dem Aufstieg von AfD und FDP hast weder Du noch Ralf Schlüsse gezogen. Deine Analyse ist so stur wie schlicht: Angela Merkel hat die Wahl gewonnen und einen Regierungsauftrag. Doch niemand ist verpflichtet, eine Person zu wählen, die in freien Wahlen gerade gut jeden dritten Wähler überzeugen konnte.

        Öhm. Na klar, deine These ist viel einleuchtender. FDP und AfD haben die Wahl gewonnen und jetzt irgendwie den Regierungsauftrag, während die Union abgewählt ist und sich erstmal umbauen sollte, das gleiche gilt für die SPD. Die sollten sich jetzt mal alle zusammensetzen und sich als Alternative Freie Partei Deutschlands (AFPD) oder so neu definieren.
        Total logisch. Bleiben nur zwei Fragen: 1. Wer regiert das Land? Ist ja bisschen doof, wenn die Wahlgewinner gar keine Mehrheit haben
        2. Was machen die Grünen und die LINKE? Bilden wir lieber gleich die Alternative Freie Einheitspartei Deutschlands (AFED) oder werden die noch als Feindbild gebraucht.
        3. Ich will auch was von dem Zeugs, das du da heimlich testest!

        • In Dubio 24. Januar 2018, 21:50

          Ich zähle Dich als heimliche Merkel-Wählerin und Ralf hat ja ernsthaft überlegt, sie zu wählen. 🙂

          Ja ich mag ihre Art und finde es natürlich gut, wenn auch mit ihr in der Regierung Gesetze beschlossen werden, die ich gut finde.

          Und warum soll ich das gut finden?!?

          Es erscheint mir aber ein großer Unterschied darin zu liegen, ob ich sage „Ist ok, wenn die Altenpflegerin und der SAP-Heini nicht denselben Lohn haben“ Oder eben darin Probleme sehe, wenn der SAP-Heini 3 Millionen im Jahr verdient

          Ich weiß, ich habe das jetzt etwas zerstückelt, aber das ist doch der Punkt! Wie willst Du das kommunizieren? Ich bin dafür, dass der SAP-Heini ruhig 500.000 Euro verdient, aber bitte nicht 2 Millionen Euro? Du traust Dir ernsthaft zu, daraus eine Marketing-Strategie zu entwickeln?

          Ich verstehe die Logik echt nicht. Die SPD soll sich also hinsetzen, sich überlegen die AfD-Wähler zu sich zu holen und zwar, indem sie deren Parteiprogramm übernehmen??

          Liebe Ariane, habe ich geschrieben „indem“? Nein. Aber Du beginnst ja nicht mal die Frage zu stellen, warum SPD-Wähler zur AfD wandern. Weg ist weg und gut. Wir drehen uns im Kreis: Du glaubst an ein SPD-Potential von jenseits der 30%, aber die Wähler sollen aus dem Nichts kommen. So toll finde ich an der Stelle Deine Kommunikationsstrategie nicht.

          Ich habe nämlich noch nichts davon gehört, dass die FDP zwingend mich als SPD-Wählerin braucht und deswegen davon etwas in ihr Programm aufnehmen muss.

          Nein, warum auch? Du bist nunmal sehr weit weg von der Partei, mit anderen Schichten bestehen weit mehr Schnittmengen, die derzeit noch nicht FDP wählen. Und die Liberalen haben schließlich nicht das Ziel, 100% des Elektorats zu überzeugen. Wenn Dich AfD nicht überzeugt, dann nehme halt CDU- oder FDP-Wähler, welche das linke Lager gewinnen sollte, um wieder eine Mehrheitsfähigkeit zu erlangen. Auch das dürfte nicht ganz einfach werden, schließlich will die SPD ja weiter nach links (mit Deinem Wohlwollen, wenn ich das richtig verstanden habe), soll aber Wähler ziehen, die bisher von einer konservativen Partei bedient werden.

          Die FDP scheint das Ziel zu haben, einen Teil von jenen zu holen, die derzeit zur AfD tendieren. Kleinbürger aus den großstädtischen Vororten und ältere Gutsituierte, die wütend sind, durch eine Europolitik um ihre Ersparnisse gebracht zu werden und welche die Suspendierung des Rechts aufregt, ohne dass sie deswegen einem Björn Höcke zujubeln, sondern dessen Triaden eher befremdlich finden. Wenn ich mich in diesen Kreisen umhöre, dann kann diese Strategie tatsächlich funktionieren.

          Jedenfalls zeigt gerade die FDP, dass sie neue Schichten gewinnen kann. Immer mehr beispielsweise bindet sie die Start-up-Szene, die zeitweise mit den Piraten sympathisierte, an sich. Ich kenne jedoch keine Gruppierung, die man soziologisch als Gesellschaftsschicht bezeichnen könnte, welche zuletzt mehrheitlich zur SPD gewandert ist. Die Partei ist einfach der Loser.

          Schwer vorstellbar, dass du bei einem linken Zeitgeist von wirklich jeder Partei erwartest, das linkeste aller Parteiprogramme zusammenzuschreiben, oder?

          Liebe Ariane, dafür gibt es doch eine Parallele, worauf bemerkenswerterweise Linke bis heute darauf herumreiten. Ende der Sechziger, Anfang der Siebzigerjahre sortierte sich die FDP sozialliberal und hielt das ein Jahrzehnt lang, wodurch andere Mehrheiten möglich waren. Infolge mehrerer Wirtschaftskrisen änderte sich erst die Stimmung und dann die Einstellungen der Gesellschaft hin zum Konservatismus und auch die FDP verschob sich.

          Wie willst du mir denn bitte mit dieser Einstellung darlegen, warum ich zur Wahl loslatschen soll?

          Letzte Woche erhielt ich durch ein Interview im Focus Unterstützung in meiner Prognose, dass die Bürger bei einer Neuwahl wesentlich stärker Koalitionsoptionen in ihr Kalkül ziehen würden.

          Huber: Entscheidend sind aus meiner Sicht zwei Faktoren: Bei den derzeitigen Umfragen rechnen die Wähler mit dem bestehenden Personal. Aber ich gehe nicht davon aus, dass die Parteien wieder mit denselben Spitzenkandidaten in einen neuen Wahlkampf gehen würden. Martin Schulz dürfte nicht erneut Spitzenkandidat der SPD werden, auch bei Angela Merkel gibt es große Zweifel. Und auf eine Wahlentscheidung hat das Personal natürlich großen Einfluss.

          (..) Wenn mit der GroKo zum zweiten Mal eine Regierungsbildung scheitert, würden Koalitionsüberlegungen der Wähler eine wesentliche Rolle spielen. Bei der letzten Wahl haben die Parteien klare Aussagen verweigert. Im nächsten Wahlkampf werden sich weder Medien noch die Wähler damit zufriedengeben. Die Parteien müssten klare Aussagen machen, insbesondere die SPD müsste sagen, welche Regierungsoption für sie in Frage kommt oder ob sie lediglich eine Oppositionsrolle anstrebt. Diese Signale werden die Menschen in ihre Entscheidung einbeziehen.

          Während bei dir wirklich alle und zwar ausnahmslos doof sind und die Verantwortung tragen, nur die Liberalen haben die weißeste aller Westen.

          Da hast Du einiges überlesen. Dass die FDP noch nicht regierungstauglich aufgestellt ist, kann man als Kritik lesen. Dass die FDP sich nicht entsprechend in Verhandlungen behaupten konnte, ist Kritik an der Partei. Was willst Du also?

          Na klar, deine These ist viel einleuchtender. FDP und AfD haben die Wahl gewonnen und jetzt irgendwie den Regierungsauftrag, während die Union abgewählt ist und sich erstmal umbauen sollte, das gleiche gilt für die SPD. Die sollten sich jetzt mal alle zusammensetzen und sich als Alternative Freie Partei Deutschlands (AFPD) oder so neu definieren.

          Beide führende Parteien des Landes haben zusammen 14% verloren, während Euro- und Zuwanderungskritische Parteien sowie staatskritische Parteien im selben Zeitraum über 14 Prozent gewinnen konnten. Wie lässt sich ein solches Wahlergebnis interpretieren? Alles in Ordnung so, weiter so? Das sind immerhin mehr als 12 Millionen Wähler, die sich deutlich anders entschieden haben. Und lassen wir dabei das Philosophieren, dass ein weiterer Teil allein aus Treue zu ihrer Partei nochmal CDU oder SPD gewählt hat, obwohl die Überzeugung nicht da war. Interpretierst Du das ernsthaft so, dass Frau Merkel die Geschäfte weiterführen soll wie bisher?

          Wenn Du das ernsthaft so siehst, dann würdest Du auch in Verantwortung für ein Unternehmen an einer Produkt- und Geschäftsstrategie festhalten, selbst wenn dieses große Umsatzverluste erleidet. Warum etwas ändern, so lange Kunden überhaupt noch die Produkte kaufen?

          Drogen sind teuer und ich glaube nicht, dass Du Dir meinen Speed leisten kannst. 🙂

          • Ariane 25. Januar 2018, 06:52

            Ich zähle Dich als heimliche Merkel-Wählerin und Ralf hat ja ernsthaft überlegt, sie zu wählen

            Nee nee, nur weil ich Merkel als Person und Kanzlerin ok finde, muss ich noch lange nicht ihre Grusel-Partei wählen. Wie gesagt, ich will sie – Merkel hin oder her – von der Regierung weghaben^^
            Und nur weil ich Merkel oder den Mindestlohn gut finde, heißt das nicht, dass du das ebenfalls super finden musst übrigens 🙂

            Ich bin dafür, dass der SAP-Heini ruhig 500.000 Euro verdient, aber bitte nicht 2 Millionen Euro? Du traust Dir ernsthaft zu, daraus eine Marketing-Strategie zu entwickeln?

            Also 1. bin ich kein PR-Experte und 2. war Ungleichheit ja erstmal nur unser Beispiel. Aber gut:
            Ganz einfach, indem man das Gehalt total beiseite lässt und anders an das Ungleichheitsproblem rangeht. Hey, du als FDPler darfst jetzt jubeln, man könnte nämlich über Steuersenkungen nachdenken, und zwar bei der Mehrwertsteuer. Das entlastet die ärmsten Teile der Bevölkerung am meisten. Oder man arbeitet daran, den öffentlichen Nahverkehr viel günstiger oder sogar umsonst anzubieten, haben ebenfalls die ärmsten Bürger am meisten davon und man könnte noch paar andere Probleme in einem Aufwasch lösen, Emissionen, Umwelt und so.
            Der SAP-Heini ist mir übrigens egal, aber falls man das nicht über die Überschüsse bezahlen will, müsste er vielleicht mehr Steuern zahlen oder dürfte seine 2 Millionen nicht mehr nach Panama verschicken oder irgendwie so. Meinetwegen auch ne Luxussteuer für besonders große Autos, Häuser, Rennpferde was weiß ich. ^^

            Liebe Ariane, habe ich geschrieben „indem“? Nein. Aber Du beginnst ja nicht mal die Frage zu stellen, warum SPD-Wähler zur AfD wandern. Weg ist weg und gut. Wir drehen uns im Kreis: Du glaubst an ein SPD-Potential von jenseits der 30%, aber die Wähler sollen aus dem Nichts kommen.

            Na schau, du guckst immer nur in die eine Richtung. Boah, die Leute sind alle zur AfD, da muss die SPD jetzt aber hinterher. Aber die Wirklichkeit ist nun doch komplizierter. Es gibt den imaginären AfD-Wähler, dem die SPD zu ausländerfreundlich ist, es gibt aber auch Ralf, dem die SPD nicht links genug ist. Dich, der mit Lindner-Poster über dem Bett einschläft *g* und mich, die mit Stimmentzug droht, sollte die SPD plötzlich Ausländer doof finden, um irgendwelche AfDler erfreuen.
            Ich glaube die Positionierung Mitte-Links ist für die SPD durchaus in Ordnung, die Probleme sind woanders, nämlich dass sie CDU light spielt und meint Verwalten ohne konkretes Tun reicht aus, aber der Platz ist schon besetzt.^^
            Und auf der Seite ist es doch ähnlich wie bei mir, Gabriel (hier noch gar nicht aufgetaucht) wird vermutlich auch nie SPD wählen, egal wie weit sie sich nach rechts beugt und egal wie sehr er Schulz oder Nahles mag. Dich oder Gabriel zum SPD-Wähler zu machen ist viel zu aufwendig und man würde woanders viel zu viele Stimmen verlieren, als dass das irgendwie erfolgversprechend ist.

            Letzte Woche erhielt ich durch ein Interview im Focus Unterstützung in meiner Prognose, dass die Bürger bei einer Neuwahl wesentlich stärker Koalitionsoptionen in ihr Kalkül ziehen würden.
            *hüstel* Ich lehne doch die Neuwahl an sich schon ab!^^
            Mag sein oder auch nicht, weiß natürlich jetzt keiner. Weiß ja eben auch keiner, wie groß die Verwerfungen sein werden und wie der Wahlkampf so läuft.
            Irgendwie anders wählen oder ganz andere Mehrheitsverhältnisse sind immer noch zwei Paar Schuhe. Ich würde zb vielleicht zu den Grünen wechseln, wenn die SPD denn so zwingend in die Opposition will. Das hilft dir auf dem Weg zu Schwarzgelb mit konservativem Tralalala auch nicht weiter.^^
            Du brauchst ja Lagerwechsler und nun stehst du plötzlich vor der Frage, wie du Grüne oder SPDler denn zu CDU oder FDP bekehren willst oder sollen die alle von der AfD kommen? 😉

            Wie lässt sich ein solches Wahlergebnis interpretieren? Alles in Ordnung so, weiter so? Das sind immerhin mehr als 12 Millionen Wähler, die sich deutlich anders entschieden haben. Und lassen wir dabei das Philosophieren, dass ein weiterer Teil allein aus Treue zu ihrer Partei nochmal CDU oder SPD gewählt hat, obwohl die Überzeugung nicht da war. Interpretierst Du das ernsthaft so, dass Frau Merkel die Geschäfte weiterführen soll wie bisher?

            *verzweifel* Außer Plus und Minus gibt es ja auch noch die absoluten Zahlen. Und natürlich hat die Partei, die mit Abstand die meisten Stimmen bekommen hat, den Auftrag zur Regierungsbildung. Das ist diesmal ja sogar noch die Partei, ohne die überhaupt keine Mehrheit zustande kommen kann. Du tust immer so, als hätten AfD und FDP 51% bekommen und die beiden so als Einheit zu sehen, lässt mich übrigens durchaus die Augenbraue heben.

            Das kann man in seine strategischen parteitaktischen Überlegungen für die nächste Wahl (nicht morgen!) natürlich alles einbeziehen, bitte sehr. Interessiert mich als Wählerin aber nun mal weniger als die Regierungsbildung und da hilft das gute Abschneider der AFPD nicht soviel, denn mit den einen will keiner und die anderen wollen gerade nicht. Und nun sind wir doch wieder bei der Frage, ob man erstmal irgendeine Regierung hat oder einfach so lange rumwählen lässt, bis es passt.

            • In Dubio 25. Januar 2018, 14:42

              Du trittst nun seit Monaten dafür ein, dass Angela Merkel ihre bisherige Politik unverändert weiter verfolgen kann, egal ob in Jamaika oder GroKo. Du magst der FDP keine substanziellen Zugeständnisse machen, warum diese Merkel zur Kanzlerin wählen sollte und das Gleiche gilt für die SPD, die von Dir gewählte Partei. Da kann ich Dich doch als heimliche Merkel-Wählerin outen, oder? 😉

              Also 1. bin ich kein PR-Experte und 2. war Ungleichheit ja erstmal nur unser Beispiel.

              Zu erstens, Du betätigst Dich nun dauernd als Hobby-Politikerin (wie wir anderen auch), dann verlagere doch einfach Dein Betätigungsfeld für diesen Thread in den Bereich der PR und politischen Kommunikation. Dein Talent als Hobby-Politikerin habe ich ja nun zur Kenntnis genommen, eine solche sollte die Kärrnerarbeit der Vermittlung von Politik aber nicht anderen überlassen. In jeder Marketingvorlesung wird gesagt, dass ein Produkt auch schlüssig vermittelt werden können muss. Darin sehe ich hier das Problem, nicht darin, dass das alles schön und gut wäre. Zweitens ist das vielleicht genau deshalb ein besonders schlechtes Beispiel.

              Hey, du als FDPler darfst jetzt jubeln, man könnte nämlich über Steuersenkungen nachdenken, und zwar bei der Mehrwertsteuer. Das entlastet die ärmsten Teile der Bevölkerung am meisten.

              Schon wieder ein ganz schlechtes Beispiel, womit Du nicht mal einen Blumentopf gewinnen würdest. Erstens steht dem Europarecht entgegen, eine wesentliche Senkung der Umsatzsteuersätze verbietet sich bei einer Höhe, die im EU-Mittel changiert. Zweitens hast Du jeden Bürgermeister und jeden Ministerpräsidenten dieses Landes gegen Dich, weil Konsumsteuern die stabilste Einnahmequelle des Staates ist. Da gleichzeitig die Verfassung die Verschuldung eng begrenzt, würde jede Wirtschaftskrise den Staat in die finanzielle Bredoillie bringen. Wie Du gerade dann finanzieren willst, was Du finanzieren willst, bliebe offen. Drittens ist die Umsatzsteuer wegen ihrer Ausgestaltung eher eine lineare Steuer, d.h. obere Einkommen würden relativ gleichermaßen profitieren. Herzlichen Dank. Kombiniert mit exzessiven Luxussteuern dürfte das an den Rand des Grundgesetzes getrieben werden, denn der Staat ist nicht völlig frei in seiner Steuergestaltung. Viertens verstehe ich das Argument grundsätzlich nicht: Bei der Reduzierung des Steuersatzes auf Bewirtungen („Mövenpick-Steuer“) wurde vom linken Lager, von SPD bis LINKE, argumentiert, eine solche Steuererleichterung käme ja gar nicht den Hotelgästen, sondern nur den Hotelliers zugute. Muss ich das verstehen? Eine Umsatzsteuerreduzierung, die von der FDP eingefordert wird, führt zu Steuerausfällen und begünstigt nur die Unternehmen. Eine Umsatzsteuerreduzierung, die von Linken eingefordert wird, begünstigt dagegen den Verbraucher und nicht den Anbieter.

              Boah, die Leute sind alle zur AfD, da muss die SPD jetzt aber hinterher.

              Die Leute sind vor allem von der SPD weg. Sie sind vor allem zur Union, FDP und AfD. Da kann man sie lassen, da hast Du recht. Und die SPD kann man irgendwo bei 15-20 Prozent lassen, ist dann auch in Ordnung. Ralf ist bei der LINKEN, und da wird er auch bleiben. Was er und die vielen, die zur LINKEN abgewandert sind, wollen, ist eine Entschuldigung der Sozialdemokratie für angebliche Ungerechtigkeiten und die Bestätigung, schon immer Recht gehabt zu haben. Außerdem ist das ein Null-Summen-Spiel. Was die SPD gewinnen würde, würde die LINKE verlieren. Ich dachte, Du strebst Mehrheiten an…

              die Probleme sind woanders, nämlich dass sie CDU light spielt und meint Verwalten ohne konkretes Tun reicht aus, aber der Platz ist schon besetzt.

              Und das findest Du ja richtig, wie Du in einem entsprechenden Thread mal argumentiert hast. Die CDU wäre ja so dämlich, würde sie nach Merkel die gewonnene Position räumen. Rechne also nicht mit der Dämlichkeit anderer Menschen.

              Gabriel (..) wird vermutlich auch nie SPD wählen, egal wie weit sie sich nach rechts beugt und egal wie sehr er Schulz oder Nahles mag. Dich oder Gabriel zum SPD-Wähler zu machen ist viel zu aufwendig und man würde woanders viel zu viele Stimmen verlieren, als dass das irgendwie erfolgversprechend ist.

              Hier liegt einer Deiner großen Irrtümer. Gabriel hat früher SPD gewählt (zumindest habe ich das so in Erinnerung, ich blogge ja mit ihm schon seit dem Sprengsatz) und ich auch. Ich hätte auch 2013 SPD wählen können, Steinbrück mit einem Steinbrück-Programm. Peer Steinbrück ist doch in der SPD, oder? Siehst Du, das willst Du nicht wahrhaben – aber Du bist ja noch jung: die SPD wird für Leute wie Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gewählt, knorrige Typen, wo der 40jährige AT-Angestellte das Gefühl haben kann, der Staat sei bei solchen Fahrensmännern gut aufgehoben. Die SPD wird nicht für Leute wie Nahles, Schwesig oder Stegner gewählt, die immer wissen, wo’s was zu meckern gibt. Oskar Lafontaine ist ein kluger Mann. Er wusste 1998, dass mit ihm auf dem Schild die SPD wahrscheinlich auch gegen einen völlig abgehalfterten Kohl verloren hätte.

              Am Ende will die Mehrheit der Wähler immer wissen, dass der Staat bei der Person, die zum Kanzler gewählt werden soll, gut aufgehoben ist und dass derjenige keinen Blödsinn anstellt. Bei der heutigen SPD kann man da halt nicht mehr so sicher sein.

              Du brauchst ja Lagerwechsler und nun stehst du plötzlich vor der Frage, wie du Grüne oder SPDler denn zu CDU oder FDP bekehren willst oder sollen die alle von der AfD kommen?

              Wieso? Das gesamte linke Lager, die Grünen ohne Abstriche mit eingerechnet, kommt auf 38%, Tendenz unverändert dank der Grünen. Und wenn Du in Mathe richtig aufgepasst hast, bedeutet dies für die rechte Seite des Plenums 57% (bei 5% außerhalb des Parlaments). Das hört sich nach einer gesunden Mehrheit an, wäre da nicht die AfD, die auf 13% kommt. Erscheint es wirklich so ausgeschlossen, dass Union und FDP mit einem anderen Kanzlerkandidaten und sonst ohne große Veränderungen ein paar Prozentpunkte von der Alternativen gewinnen, deren Bindungskraft auf die eigenen Wähler höchst bescheiden ist? Wäre das möglich?

              • Ariane 25. Januar 2018, 16:28

                Du trittst nun seit Monaten dafür ein, dass Angela Merkel ihre bisherige Politik unverändert weiter verfolgen kann, egal ob in Jamaika oder GroKo. Du magst der FDP keine substanziellen Zugeständnisse machen, warum diese Merkel zur Kanzlerin wählen sollte und das Gleiche gilt für die SPD, die von Dir gewählte Partei. Da kann ich Dich doch als heimliche Merkel-Wählerin outen, oder?

                Also irgendwie verheddern wir uns hier. Nur weil ich positive Aspekte bei Merkel sehe, bin ich weder ein heimlicher Fan noch besonders am Fortkommen ihrer Partei interessiert. Klar begrüße ich es, wenn auch dank ihr Mindestlohn oder Ehe für alle kommen, das entspricht nun mal meiner Meinung. Ansonsten ist es mir aber recht gleichgültig, was die CDU so treibt oder wie die Verhältnisse zwischen FDP und CDU so sind.
                Klar beobachte ich das und hab vielleicht auch eine Meinung, dass deine FDP sich vielleicht nicht so klug angestellt hat. Aber wenn die FDP meiner Ansicht nach was Dummes macht, tanze ich eher durch die Wohnung als in mein Taschentuch zu weinen.^^
                Genauso dreht sich mir bei deinen Revolutionsträumen der Magen um, aber ich sehe durchaus, dass das vielleicht auch der Tritt in den Hintern sein könnte, den meine Seite mal braucht. Und ich hab nun schon zehnmal gesagt, dass ich eine Koalition ohne die Union bevorzugen würde, aber das geht halt gerade nicht und ich persönlich wäre dann eben mit dem Trostpreis GroKo auch zufrieden.

                Darin sehe ich hier das Problem, nicht darin, dass das alles schön und gut wäre. Zweitens ist das vielleicht genau deshalb ein besonders schlechtes Beispiel.

                Na ich hab doch ein paar Beispiele genannt und mit dem kostenlosen Nahverkehr scheinst du ja eher konform zu gehen (ja, da gibts vermutlich ein Föderalismusproblem). Ich bin hier zwar gerne Hobbypolitikerin, aber zum Einen finde ich Finanzpolitik eher öde und zweitens fehlt mir da eben der Einblick in Forschungen und Zuständigkeiten (deswegen ja Hobby^^).
                Ich persönlich fand auch das Leiharbeitsding vielversprechend. Kann man mit traurigen Geschichten unterfüttern und es ist etwas, was alle schnell verstehen und die meisten (herzlose FDPler ausgenommen^^) spontan ungerecht finden. Da sich die SPD immer noch hauptsächlich als Arbeitnehmerpartei sieht, passt es auch ins Profil und man hätte vielleicht auch die Gewerkschaften mit im Boot. Ist jetzt alles kein Riesending, aber man könnte ne schöne Kampagne damit fahren und wenn die sich nicht immer so saudämlich anstellen würden, glaube ich, dass man damit ein paar Wählerstimmen finden würde und vielleicht noch wichtiger: Man würde Druck aufbauen, so dass selbst in einer GroKo die Union dort Zugeständnisse eingehen müsste.

                Was die SPD gewinnen würde, würde die LINKE verlieren. Ich dachte, Du strebst Mehrheiten an…

                Ich nehme aber auch rotgrün oder die Ampel übrigens 😉
                Ich mein klar, wir haben eh ganz unterschiedliche Vorstellungen, aber ich finde das unlogisch. Ralf, der zumindest noch im linken Lager sitzt, gibst du für die SPD auf immer verloren, aber Dich nicht? Hä?

                Und das findest Du ja richtig, wie Du in einem entsprechenden Thread mal argumentiert hast. Die CDU wäre ja so dämlich, würde sie nach Merkel die gewonnene Position räumen. Rechne also nicht mit der Dämlichkeit anderer Menschen.

                Öh, ich weiß jetzt nicht so genau, was du meinst. Ich meinte, die CDU (das Original^^) kann es sich leisten, hauptsächlich auf Kanzlerbonus, „Sie kennen mich“, „Keine Experimente“ etc. zu setzen. Das mögt ihr ein wenig anzweifeln, aber das ist ihre Rolle und das funktioniert ja auch mehr oder weniger. Kommt ja nicht von ungefähr, dass die Union in der Regel an der Regierung war und ist und Opposition eher die Ausnahme war.
                So. Die SPD kann das aber eben nicht. Der Platz ist ja schon besetzt und wer alles super findet und alles so lassen will, kann ja die Merkel wählen. Und außerdem stellt man an die SPD, bzw das linke Lager, andere Erwartungen. Da will man Utopien, Veränderungen, andere Gesellschaftsentwürfe oder zumindest die kleinen Geschwister davon.^^
                Und gerade wenn da die MerkelCDU als Bollwerk steht, müsste – meiner Ansicht nach – die SPD etwas auf den Putz hauen. Kann vielleicht linker sein, muss aber gar nicht. Irgendwie frecher, lauter, moderner, anders (!) würde vielleicht auch funktionieren. Genau das passiert aber ja nicht, stattdessen schleppen die eine Schlaftablette nach der anderen an und alle erzählen, dass das im Großen und Ganze ja ok ist, man könnte hier und da vielleicht eine Kleinigkeit und *schnarch* und dass sie mit irgendwie modern und progressiv so gar nichts am Hut haben ist ja nun auch kein Geheimnis.

                Hier liegt einer Deiner großen Irrtümer. Gabriel hat früher SPD gewählt (zumindest habe ich das so in Erinnerung, ich blogge ja mit ihm schon seit dem Sprengsatz) und ich auch. Ich hätte auch 2013 SPD wählen können, Steinbrück mit einem Steinbrück-Programm. Peer Steinbrück ist doch in der SPD, oder? Siehst Du, das willst Du nicht wahrhaben – aber Du bist ja noch jung: die SPD wird für Leute wie Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gewählt, knorrige Typen, wo der 40jährige AT-Angestellte das Gefühl haben kann, der Staat sei bei solchen Fahrensmännern gut aufgehoben. Die SPD wird nicht für Leute wie Nahles, Schwesig oder Stegner gewählt, die immer wissen, wo’s was zu meckern gibt

                Ach herrjemine. Und haste Steinbrück gewählt übrigens? Du gehst immer von DIR aus, aber die ganze SPD tanzt doch nicht um dich herum, weil nur du als Wähler sie retten kannst? Das war übrigens das einzige Mal (glaub ich), dass ich nicht die SPD gewählt habe, weil ich den Kerl auf den Tod nicht ausstehen kann (noch schlimmer als aktuell der Schulz). Und übrigens! Ja wow stimmt, der Steinbrück! Der Liebling! Der Retter der SPD! 25% hat er eingefahren und da kamen sie aus der Opposition!
                Aber klar, das lag nicht an Steinbrück, sondern am Programm. Weil natürlich alle 50 Millionen immer vor der Wahl ganz genau die Parteiprogramme lesen und erst dann auf die Spitzenkandidaten gucken. Also bitte, das ist doch Wahnsinn.
                Ich persönlich glaube auch, dass es nicht mehr so die Zeit für knorrige alte Typen ist, jedenfalls nicht, wenn es gegen Merkel geht, da gibts doch genug Sicherheit. Übrigens niedlich, dass Willy Brandt da nie genannt wird, eben weil er da nicht reinpasst.
                Ich bin durchaus der Meinung, dass auch andere Typen funktionieren können. Zum Beispiel eine kämpferische Nahles. Genau deswegen war ihre Rede so aufsehenerregend und wurde hoch und runter besprochen und gelobt und selbst die konservativen Blätter waren plötzlich verliebt (obwohl das jetzt ein bisschen homoerotisch klingt, weil sie ja der einzige Mann war^^). Und zwar weil in Deutschland seit Ewigkeiten keiner mehr so eine Rede erlebt hat, in der jemand vor Wut gekocht hat und hochemotional war. So sehr, dass sie sich verhaspelt hat und in ihren Ruhrpottslang und in ihren Eifelhumor reingekippt ist. Ich mag sie ja und sie hat mir auch absolut aus dem Herzen gesprochen, aber ich denke auch wenn man ganz anderer Meinung ist, merkt man da auf, weil es eben keine öde Rede ist, sondern eher ein „Erlebnis“. Ich sag ja nicht, dass sie in vier Jahren Kanzlerin ist und die 35% erreicht, aber hey auf so ein Kanzlerinnenduell hätte ich durchaus Bock und bitte nicht den Scholz oder so als Sicherheitsschlaftablette Nummer 5.

                Und wenn Du in Mathe richtig aufgepasst hast, bedeutet dies für die rechte Seite des Plenums 57% (bei 5% außerhalb des Parlaments). Das hört sich nach einer gesunden Mehrheit an, wäre da nicht die AfD, die auf 13% kommt. Erscheint es wirklich so ausgeschlossen, dass Union und FDP mit einem anderen Kanzlerkandidaten und sonst ohne große Veränderungen ein paar Prozentpunkte von der Alternativen gewinnen, deren Bindungskraft auf die eigenen Wähler höchst bescheiden ist? Wäre das möglich?

                Öh, ja nun, aber da ist nun mal die AfD. Und wenn man dir so zuhört, werden quasi morgen mit ihr Verhandlungen aufgenommen.
                Also wenn ich dich richtig verstehe, soll das in deinem Beispiel in zwei Monaten passieren? Schwer abzusehen natürlich, weil zumindest bei den beiden Großen kaum einschätzbar ist, wie sie sich aufstellen. Und ich finde, du unterschätzt da einiges. Bei der Union wäre die Zeit furchtbar knapp für neuen Kanzlerkandidaten, konservative Revolution und Schwung nach rechts. Wenn Merkel nicht von selbst sofort den Hut nimmt, muss die ja auch noch irgendwie gestürzt werden. Dann muss das ganze an Leute vermittelt werden, die nicht wie wir jede Regung verfolgen. Die kennen deinen Spahn vielleicht nicht oder nur so „ach ja, der Hipsterhasser“-mäßig. Gleichzeitig müssten sie auch noch verkünden, dass sie jetzt die neue, revolutionäre CDU sind und nicht mehr die mittigeMerkel-CDU (vllt sogar noch neues Partei- oder Wahlprogramm?), Nasen wie Altmaier oder VdL wird man dann wohl auch gegen andere austauschen, Spahn kann vermutlich nicht überall auftauchen. Also ja, sowohl die Umwälzung als auch die Vermittlung in knapp zwei Monaten scheint mir ambitioniert, hat ja nun nicht jeder gedanklich schon durchexerziert wie du.^^
                Dann hätten wir noch die FDP und Lindner, der die Frage nach Opposition oder nicht diesmal viel eindeutiger beantworten müsste.
                Und daneben sehe ich immer noch zwei Probleme: 1. die meisten AfDler haben ihre Wahl mit Unzufriedenheit mit Regierung und System begründet. Ich zweifle sehr stark, dass es da ausreicht vorne eine Nase auszutauschen und dann zu verkünden „Hey, wir regieren zwar schon sehr sehr lange, aber jetzt ist alles anders und wir sind das wahre Antiestablishement.“ Oder wie soll das denn bitte gehen, meinste die haben sich echt nur an der Merkel aufgehangen?
                Und 2. Mal wieder: Du rechnest immer nur mit Zugewinnen, aber überlegst nie, dass vielleicht auch Stimmen verloren gehen. Da sind bestimmt FDPler sauer über den Abbruch und wählen anders. Und es gab bestimmt in den Millionen und Abermillionen CDU-Stimmen Leute, die gerade wegen der Merkel und ihrer mittigen Art da ihr Kreuz gemacht haben. Und wenn da so ein Rechtsschwenk erfolgt, wird bestimmt die Frage nach der AfD mehr in den Vordergrund kommen und auch nur die vage Möglichkeit einer Koalition würden wieder Stimmen kosten. Es gibt weder bei der CDU noch bei der SPD Strategien, bei denen es nur Zugewinne gibt, da wird man immer irgendwo Stimmen verlieren.
                Also ja, ich halte dein Szenario für wenig wahrscheinlich und so wie im skizzierten Falle würde ich nicht unbedingt Geld auf einen überzeugenden Schwarzgelb-Sieg setzen.

                • In Dubio 25. Januar 2018, 18:39

                  Ariane! Du beschäftigst mich!

                  Wie Du weißt neige ich dazu, manches zu überspitzen. Ich verstehe Deine / Eure Motive, Merkel sympathisch zu finden und ihr politisch Glück zu wünschen. Erstaunlicherweise scheint Ihr nicht zu verstehen, warum genau das typische Sympathisanten der Union wie auch Leute wie mich eher abschreckt.

                  Trotz aller ellenlanger Elaborate finde ich bei Euch keine Antworten auf meine mantramäßig vorgetragenen Fragezeichen:
                  1. Welche Wählergruppen soll die SPD bei einem Kuchen gewinnen und wodurch?
                  2. Ich verstehe, dass Ihr Euch freut, dass die FDP so wenig in den Sondierungen erreichen konnte. Ich habe auch ein gewisses Verständnis dafür, dass Ihr sagt, dass wäre nunmal ein parteiinternes Problem und die Partei könne ja dennoch in eine Regierung gehen. Was ich nicht verstehe, ist, dass Ihr umgekehrt kein Verständnis dafür habt, dass Lindner nun genau das nicht macht, da er eine Wiederholung der Erfahrungen von 2009-2013 fürchtet und von einem Untergang der FDP nun viele Leute auch nichts haben.

                  Na ich hab doch ein paar Beispiele genannt und mit dem kostenlosen Nahverkehr scheinst du ja eher konform zu gehen

                  Überhaupt nicht. Ich habe immer ein Problem, wenn der Sozialstaat Menschen unter die Arme greift, die dessen nicht bedürfen. Wer ist denn der größte Profiteur einer solchen Politik? Das sind Berufspendler, die größte Kundengruppe des ÖNV. Das sind daneben viele Gutsituierte in den Ballungsräumen, die sich hohe Mieten und Baupreise leisten können und dafür auf ein Auto verzichten. Und das alles, damit auch ein paar Arme befördert werden können. Klar wählen auch bessere Schichten in Berlin, Hamburg und München Grün, die solche Vergünstigungen versprechen.

                  Kommt ja nicht von ungefähr, dass die Union in der Regel an der Regierung war und ist und Opposition eher die Ausnahme war.

                  Und damit kannst ausgerechnet Du Dich anfreunden?! Schröder hatte mal einen anderen Ansatz und damit außerordentlichen Erfolg. Anfang des Jahrtausends hatte die SPD die Position im Parteienspektrum, der nun der CDU gehört. Sie konnte mit den meisten Parteien, neben den Grünen auch mit der FDP. Dazu war man die größte Fraktion. So ein sozialdemokratisch geprägtes Land wie Deutschland könnte auch eine Mehrheitsfraktion wie die SPD tragen. Dies erwarteten viele Beobachter übrigens nach dem Mauerfall, als der protestantische Osten mit einbezogen wurde. Die ersten Wahlen sorgten hier für Ernüchterung.

                  Die SPD will aber nicht Funktions- noch natürliche Kanzlerpartei sein. Die nicht nur von mir aufgeworfene Frage: was will sie überhaupt sein?

                  Und haste Steinbrück gewählt übrigens?

                  Nein, aus zwei Gründen: erstens wurde Steinbrück von seiner Partei programmatisch kastriert, zweitens war sein Auftreten wahrlich nicht kanzlertauglich. 2011 war ich allerdings anders entschlossen.

                  Du gehst immer von DIR aus, aber die ganze SPD tanzt doch nicht um dich herum, weil nur du als Wähler sie retten kannst?

                  Weil ich zu Schichten gehöre, ohne die die SPD am Ende nicht mehrheitsfähig wird. Das bedeutet nicht ich persönlich, aber nach meiner tiefen Überzeugung wird die Partei mehr tun müssen, als Hartz-IV-Empfänger und Zeitarbeiter zu umwerben. Sonst wird sie dauerhaft deutlich unter 20% sinken.

                  Übrigens niedlich, dass Willy Brandt da nie genannt wird, eben weil er da nicht reinpasst.

                  Willy Brandt wurde von den deutschen Wählern lange getestet, die Mehrheit war sehr lange skeptisch. Warum ich ihn nie erwähne, ist einfach erklärt: Brandt war lange vor meiner Zeit, ich kann ihn nicht aus eigener Anschauung bewerten, sondern nur aus Geschichtsbüchern (auf die sonstigen Verklärungen lege ich keinen Wert). Seine Wirtschafts- und Finanzpolitik empfand ich so desaströs wie sie sein Wirtschaftsminister Karl Schiller sie bewertete.

                  Zum Beispiel eine kämpferische Nahles.

                  Das halte ich für in hohem Maß Verklärung. Nahles wirkt so stark nach innen wie sie abschreckend nach außen wirkt. Dazu trägt sie ständig selber bei. Mit Ende 40 ist sie bis heute nicht zu einer wichtigen Direktwahl angetreten, geschweige denn gewählt worden. Nicht mal ihren Wahlkreis Ahrweiler konnte sie in mehreren Anläufen je direkt gewinnen. Ihre Tauglichkeit, Wähler zu ziehen muss sie erst nachweisen. Zugegeben, das gilt in der heutigen Zeit für erschreckend viele Politiker, macht die Sache aber nicht besser.

                  Öh, ja nun, aber da ist nun mal die AfD. Und wenn man dir so zuhört, werden quasi morgen mit ihr Verhandlungen aufgenommen.

                  Nur dass kein Zweifel aufkommt: ich empfinde die AfD als eine abstoßende Partei, nicht jedoch einige ihrer Wähler, die mir bekannt sind.

                  Daneben unterschützt Du offensichtlich die Wut bis hin zu Hass auf Merkel in manchen Kreisen. Gerade in Schichten, die der Union traditionell nahe stehen, gibt es einen Überdruss und viele machen ihr Kreuz nur noch mit der Faust in der Tasche.

                  Der Unterschied zwischen uns: mir ist klar, dass ich Positionen verändern muss um mehr Wähler zu erreichen. Natürlich beinhaltet dies auch ein Risiko, eine Strategie ohne Risiko gibt es nicht. Du empfiehlst jedoch Deiner Partei, haltet die Position und wartet, dass endlich wieder die Leute kommen. Für die FDP gibt es bei der SPD nicht mehr viel zu gewinnen. Das Gros der verbliebenen sozialdemokratischen Wähler denkt zu sozialstaatlich, als dass sie mit den neoliberalen Überzeugungen zusammenzubringen wäre. Wachstum kann daher durch Veränderung der Wählerschaft entstehen, immer mehr junge Menschen haben höhere Bildungsabschlüsse und damit gute Chancen auf die Sonnenseiten des Lebens. Kurz: wenn die Zahl der Studierten wächst, die der Arbeiter aber schrumpft, spielt das tendenziell den Liberalen und nicht der Arbeiterpartei SPD in die Karten. Dann gibt es Bürger, die dauerhaft von dem sozialdemokratischen Kurs der Union enttäuscht sind, die ja in früheren Zeiten für z.B. Steuersenkungen eingetreten ist und heute nicht mehr. Und es gibt diejenigen wie erwähnt, die aus eurokritischen und rechtstaatlichen Motiven zur AfD gewandert sind. Das sind die Potentiale der FDP und die sind nach meiner Einschätzung weit größer als die Verlustrisiken, denn derzeit ist die Wählerschaft der FDP vergleichsweise homogen. Das macht die Dinge einfacher.

                  • Ariane 25. Januar 2018, 20:31

                    Ariane! Du beschäftigst mich!

                    Achje, das wirkt ja nun eher etwas gruselig 😉

                    Trotz aller ellenlanger Elaborate finde ich bei Euch keine Antworten auf meine mantramäßig vorgetragenen Fragezeichen:
                    1. Welche Wählergruppen soll die SPD bei einem Kuchen gewinnen und wodurch?

                    Doch doch, die wurden genauso mantramäßig beantwortet, dir gefallen die Antworten nur immer nicht, weil wir nicht dafür sind, dass die SPD Dir oder irgendwelchen AfDlern hinterherhechelt^^

                    Was ich nicht verstehe, ist, dass Ihr umgekehrt kein Verständnis dafür habt, dass Lindner nun genau das nicht macht, da er eine Wiederholung der Erfahrungen von 2009-2013 fürchtet und von einem Untergang der FDP nun viele Leute auch nichts haben.
                    Doch, psychologisch hab ich schon Verständnis, gebranntes Kind und so. Ändert nur nichts daran, dass ich links, rechts und in der Mitte nichts von Regierungsunwilligkeit halte. Und wenn ich mir dann noch dieses Geflenne von wegen atmosphärische Störungen und man habe sich nicht genug gekümmert anhören muss, werde ich unleidlich. Und nö sorry, ich hab diese FDP in den letzten vier Jahren nicht vermisst und wenn Lindner die verbliebenen liberalen Reste jetzt gegen einen Rechtsschwenk eintauschen will, können die sich meinetwegen auch auflösen. Kannst dich bei Stefan melden, der meint das wäre demokratietheoretisch vielleicht gut, ich glaube das erst, wenn ich das sehe.

                    Überhaupt nicht. Ich habe immer ein Problem, wenn der Sozialstaat Menschen unter die Arme greift, die dessen nicht bedürfen.
                    Hahaha, du hast immer Probleme, wenn der Sozialstaat irgendwem, der nicht mindestens gehobene Mittelschicht ist, unter die Arme greift. Und klar, das lehnst du natürlich ab, weil auch der SAP-Heini umsonst Bus fahren könnte, ja das geht ja nicht.
                    Ich hatte diese zwei Dinge genannt, weil ich weiß, dass es Forschungen gibt, die besagen, dass damit die untersten Schichten am meisten entlastet werden, zb weil die keine oder sehr wenig Einkommensteuern etc. zahlen.
                    Bahn und Bus komplett kostenfrei anbieten ist ehrlich gesagt eine meiner Lieblingsideen. Es ist für die Bürger (ja für alle, aber besonders für die Armen) entlastend, es ist gut für die Umwelt, eine besondere Entlastung für Städte, nicht nur was Feinstaub angeht, sondern auch Platz, Straßen, Parkplätze etc., und wie man gerade aus Melbourne hört, lässt sich damit auch noch Geld sparen. Ich fänds aber auch ok, wenns was kostet, kann man meinetwegen bei Flugzeugen wieder reinholen.

                    Und damit kannst ausgerechnet Du Dich anfreunden?!

                    Hä? Damit freunde ich mich nicht an, das ist einfach ein Fakt. Daran ändert auch weder die Schröderkanzlerschaft noch die anderen SPD-Kanzlerschaften etwas. Das heißt nicht, dass die Union immer regiert und die SPD nie, aber die Wahrnehmung ist eben so. Und wenn die SPD Koalitionsführerin sein will, reicht ne gute Verwaltung nicht. Da muss sie mehr oder zumindest was ganz anderes bieten als dieses schwammige Gewusel der letzten Wahlkämpfe. Ich finde, es muss nicht die große Utopie sein, aber ein oder einige kampagnenfähige Projekte und selbst als Regierungspartner ein bisschen mehr Mut zum Widerspruch wäre schon mal ein guter Anfang (und den Schulz loswerden!).

                    Weil ich zu Schichten gehöre, ohne die die SPD am Ende nicht mehrheitsfähig wird. Das bedeutet nicht ich persönlich, aber nach meiner tiefen Überzeugung wird die Partei mehr tun müssen, als Hartz-IV-Empfänger und Zeitarbeiter zu umwerben. Sonst wird sie dauerhaft deutlich unter 20% sinken.

                    Nehmen wir mal dich und mich als Stellvertreter. Ich wähle die gerade zumindest noch, aber die Stimme steht auf recht tönernen Füßen. Laut deiner Logik soll die SPD aber ihr ganzes Programm umwerfen und um dich herumtanzen und nun AFPD light werden und ganz ganz vielleicht – wenn sie noch das größte Arschloch unter der Sonne als Kandidaten aufstellt – bekommt sie dann deine Stimme. Vielleicht aber auch nicht. Denn wie rechts sollen die bitte werden, wenn dir schon die CDU viel zu links ist?
                    Meine Stimme hat sie dummerweise aber sicher verloren, ich bin zu den Grünen oder vielleicht sogar zur LINKEn abgewandert. Das erscheint mir nun nicht wie der sichere Weg zur neuen Glorie. Oder bist du echt überzeugt, dass vllt 5-10 Millionen genau wie Du denken und ich einfach mutterseelenallein mit ner Einzelmeinung dastehe?

                    Das halte ich für in hohem Maß Verklärung. Nahles wirkt so stark nach innen wie sie abschreckend nach außen wirkt.

                    Vielleicht, aber bin ich nicht mal so sicher, wenn plötzlich sogar die konservativen Blätter Lobeshymnen dichten. Ich neige ja nicht so zur Verklärung wie du und sage, sie wird die nächste Kanzlerin und führt die SPD an die 40% ran 😉
                    Ich denke eben, dass einiges über die Andersartigkeit gehen könnte. Selbst Spahn ist ja nun eher unterkühlt und meiner Ansicht nach ist Deutschland gerade ziemlich ausgehungert nach so einer Wucht und Emotionalität. Klar springt nicht jeder vor Begeisterung jubelnd auf, aber man merkt eben auf, es ist nichts, was man so mit halbem Ohr bei Phönix mitbekommt. Sondern man guckt hin und ist fasziniert und komm, selbst du hättest bestimmt mehr Bock auf so ein Kanzlerinnenduell als die letzte Paarung. Aber Spitzenkandidatin hin oder her, für Vizekanzlerin, Parteivorsitz und wichtiges Ministerium will ich sie unbedingt.
                    Aber hach, bring mich gar nicht erst zum Träumen, die olle Chauvi-SPD ist bestimmt so strunzdumm und bleibt entweder bei Schulz kleben oder schleppt allen Ernstes den Scholz an und guckt, ob es mit Schlaftablette Nr. 12 läuft.

                    Daneben unterschützt Du offensichtlich die Wut bis hin zu Hass auf Merkel in manchen Kreisen
                    Ja, man munkelt ja sogar, dass sogar 98% der CDU-Parteimitglieder voller Wut und Hass auf Merkel sind. Wo hab ich das nur gehört? Ich fürchte, du überschätzt den Merkelhass da eher, denn gerade bei den jetzigen Wählern kann er ja nicht so furchtbar groß sein.
                    Und um von der CDU mal eben zur AfD zu wechseln, die zum Zeitpunkt der Bundestagswahl schon sehr deutlich rechtsextrem, naziverseucht und teilweise antisemitisch war (und ist natürlich), da gehört imo schon mehr dazu als Merkelunzufriedenheit. Das ist meiner Ansicht nach schon deutlicher ein System- und Regierungshass, den würde auch eine revolutionierte Spahn-CDU mit sich schleppen, wenn du keine Oppositionszeit irgendwie dazwischen einplanst.

                    Kurz: wenn die Zahl der Studierten wächst, die der Arbeiter aber schrumpft, spielt das tendenziell den Liberalen und nicht der Arbeiterpartei SPD in die Karten.

                    Also was ist das nun wieder für ein Schwachsinn bitte? Nur strunzdumme Kohlekumpel kommen zur SPD und die FDP ist ein Magnet für die Genies?
                    Das ist Quark, die FDP hat einen hohen Wähleranteil bei den Höhergebildeten aber die Grünen genauso, was nun für deine Pläne nicht soviel nützt.
                    Naturgemäß ist das bei den beiden Volksparteien gemischter, aber die Union hat sogar einen leicht höheren Anteil an Arbeitern und wenig Gebildeten als die SPD. Und bei der SPD kommen Angestellte und Beamte mit recht wenig Abstand dahinter. Und da beide Parteien einen recht hohen Anteil Rentner haben, gehe ich davon aus, dass sich künftig die Zahlen noch weiter in Richtung höhere Bildung verschieben.
                    Hier hab ich die Zahlen her: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wahlergebnisse-volksparteien-laufen-waehler-weg-afd-und-fdp-profitieren-a-1169611.html

                    Also ist ja ein Kunststück, aber dein SPD-Bild hängt irgendwie nochmal 30 Jahre zum Eigenbild zurück.

                    Dazu kommt noch was, was du nicht erwähnt hast und wo du vermutlich auch nicht unbedingt zustimmen wirst, aber gerade in deiner Zielgruppe der jungen Akademiker sind die Grünen ein großer Konkurrent. Das splittet sich natürlich in äh schnöselige Karrieretypen und Ökölinke, aber gerade wem das Moderne und Frische wichtig ist, wird einen der beiden nehmen. Und wenn die FDP sich nach rechts lehnt und Anschluss an die konservative Union und die AfD sucht, wird sie auf dem Feld Abstriche machen müssen. Natürlich auch, falls noch wer da ist, der meint, das liberal im Namen ist irgendwie ernst gemeint, aber denen wäre wohl eh nicht mehr zu helfen.^^

                    • In Dubio 25. Januar 2018, 23:24

                      Doch doch, die wurden genauso mantramäßig beantwortet, dir gefallen die Antworten nur immer nicht, weil wir nicht dafür sind, dass die SPD Dir oder irgendwelchen AfDlern hinterherhechelt

                      Was habe ich da überlesen? Woran ich mich erinnere ist die Hoffnung, dass die Union so weit nach rechts rückt, dass die Wähler aus Verzweiflung zur SPD überlaufen. Nur dran glauben tust Du auch wiederum nicht. Dagegen steht, dass die Stammwählerschaft der Union laut einer Allensbach-Studie bei 28,5% liegt, von der Union ließen sich auf dem freien Wählermarkt folglich nur so 5% erben. Also selbst im besten aller Fälle ließen sich auf diesem Wege 25% erreichen.

                      Bahn und Bus komplett kostenfrei anbieten ist ehrlich gesagt eine meiner Lieblingsideen.

                      … und sauteuer. Ein Gefühl dafür geben die Defizite der Nahverkehrsnetze der Großstädte und die erheben sogar Ticketpreise. In Australien ist der ÖNV auf ganz wenige Städte begrenzt. Meine Vorstellung von Down Under hat sich gewandelt, seit ich einmal dort war. Die Städte sind regelrechte Inseln (oder offene Gefängnisse), ein paar Schritte abseits der Stadtgrenzen ist nichts.

                      Leider überlegen Linke zu wenig, was man sozialpolitisch alles mit dem Geld machen könnte, das nach den bisherigen Methoden einfach versickert. Wir hatten die Debatte beim Gesundheitswesen. Auch der Staat muss mit seinen Mitteln haushalten und weil er das nicht tut, kneift es an allen Ecken.

                      Nehmen wir mal dich und mich als Stellvertreter. Ich wähle die gerade zumindest noch, aber die Stimme steht auf recht tönernen Füßen.

                      Und? Für ein linkes Lager ist das so interessant wie der Sack Reis. Ob nun die LINKE in einem rot-rot-grünen Bündnis etwas stärker ist oder die Grünen – who cares? Das ist nur interessant, würde man die Ampel ins Visier nehmen. Dann sollte man gefälligst Leute wie mich bei der FDP lassen, aber dann wäre immer noch die Frage, warum die Liberalen nicht die Union als Partner vorziehen sollten. Heute weiß die SPD gar nichts, weder was sie sein will noch mit wem sie irgendwann mehrheitsfähig werden will.

                      Ich denke eben, dass einiges über die Andersartigkeit gehen könnte.

                      Sicher, aber Andersartigkeit ist kein Wert an sich. Ich glaube, dass die Tonialität von Nahles sogar viele linke Wähler abschreckt. Die Fraktionsvorsitzende hat einen Gassenhofslang, der immer noch sehr nach Jusos klingt. „In die Fresse“ war halt kein Ausrutscher. „Bätschi“ und „der blöde Dobrindt“ ist einfach infantil und ich fand es bemerkenswert, dass ausgerechnet Albrecht Müller dies zu einem Thema gemacht hat. Denn die Frage ist immer: will man als Bürger von so einer Person vertreten werden?

                      Das für mich Erschreckende: ich hatte bei der SPD immer Politiker, die ich favorisiert hätte. Seit dem Steinbrück-Debakel und seinem Abgang ist da nichts mehr. Hier in Hessen bewirbt sich z.B. der mit dem Doppelnamen und dem Kult zur Blindheit zum dritten Mal (!) für eine Regierungsmehrheit. Never! Undenkbar, dass ein Schäfer-Gümbel die Boomregion Rhein-Main irgendwann bei internationalen Großinvestoren bewirbt, um Banken von London nach Frankfurt zu ziehen. Die Hessen sehen das ähnlich, die SPD dümpelt bei Mitte 20% in einem früheren Kernland, Rot-Rot-Grün ist eine Illusion. Finde ich schon bei der Union kaum jemanden, dem ich das Amt des Kanzlers heute zutraue, ist der bei der SPD noch weit schlimmer. Und damit stehe ich definitiv nicht allein.

                      Nur strunzdumme Kohlekumpel kommen zur SPD und die FDP ist ein Magnet für die Genies?
                      Das ist Quark, die FDP hat einen hohen Wähleranteil bei den Höhergebildeten aber die Grünen genauso, was nun für deine Pläne nicht soviel nützt.

                      Nein. Das Argument war, dass wenn die SPD sich als Arbeiterpartei inszenieren will, ihr Potential eher gering ist. Allein, weil es weniger Arbeiter gibt. Ist irgendwie logisch und kein Grund, mir an die Kehle zu springen. Nur mal so. Das Interessante ist, dass FDP und Grüne erstaunlich wenige Schnittmengen bei Wählern haben, von Einkommen und Bildung abgesehen. Das zeigt sich schon darin, dass bei Wahlen die beiden individualistischen Parteien wenig Stimmen gegeneinander abgeben. Sind Wähler auf Landesebene enttäuscht, so wandern FDP-Anhänger eher zur SPD als zu den Grünen und bei den Ökos ist es ganz ähnlich: eher geht man zur CDU als zur FDP. Allerdings altert die Anhängerschaft der Grünen schneller als die der FDP.

                      Ansonsten habe ich in einem Artikel vor der Wahl dies genauer analysiert und muss es nicht wiederholen: die SPD wird halt vor allem von mittleren Angestellten und Beamten gewählt, sozioökonomisch ähnliche Schichten wie die der Union. Nur wollen die Sozen das nicht wahrhaben, sie hadern mit ihren eigenen Wählern.

                    • Ariane 26. Januar 2018, 07:13

                      Parteitaktisch hat Ralf jetzt in meiner Schlafenszeit alles so schön aufgeschrieben, also lasse ich das erstmal ruhen. Erzählen wir uns beim übernächsten Artikel bestimmt eh wieder alles 😉

                      Bahn und Bus komplett kostenfrei anbieten ist ehrlich gesagt eine meiner Lieblingsideen.

                      … und sauteuer. Ein Gefühl dafür geben die Defizite der Nahverkehrsnetze der Großstädte und die erheben sogar Ticketpreise.

                      Da ich ja eine brave Sozialdemokratin bin, fang ich nicht gleich an zu weinen, wenn morgen nicht 100% umgesetzt ist. Das kann man auch gut schrittweise angehen, erstmal innerstädtisch oder erstmal deutlich reduzieren statt umsonst oder so. Vermutlich bräuchte man eh erstmal eine große Föderalismusreform (hey, deswegen wäre das ein Superprojekt für eine GroKo^^).
                      Gerade bei umsonst würden enorm viele Kosten wegen der ganzen Ticketsachen wegfallen. Alleine schon, wenn ich bedenke, dass hier zwischendrin alle notgedrungen schwarz fahren, weil die Bahn einen Ticketautomat aufstellt, der kaputtgeht oder gemacht wird und sie wieder einen neuen hinstellt, ad infinitum. Oder denk mal an die Bürgermeister, die einfach einen Batzen Geld in die Hand bekommen um irgendwie die Feinstaubbelastung ohne Fahrverbote zu bekämpfen. DAS ist Geld versickern ohne Ende!

                      Und da wir damit ja nicht nur die Umwelt retten wollen, sondern auch noch Ungleichheit bekämpfen, können wir an der Baustelle gleich weitermachen. Wir könnten uns erstmal hinsetzen und wirklich jede einzelne Vergünstigung einsacken, die mit Flugzeugen zu tun hat gerade innerhalb Europas! Von Subventionen beim Bau bis zu Flugzeugbenzin und was es da noch gibt. Und dann könnten wir mal überlegen, ob es für Pendler wirklich unbedingt ein SUV sein muss, die fahren ja über gute deutsche Straßen und müssen nicht das australische Outback durchqueren. Luxusmobilitätssteuer drauf, um den öffentlichen Verkehr querzufinanzieren und wir entlasten die Ärmsten am meisten und die mit etwas mehr Geld finanzieren das und wir haben noch nicht mal über Erbschaften und Spitzensteuersätze geredet. Und wenn der SAP-Heini sich den Flug nicht mehr leisten kann, dann kann er Bahn fahren.

                      Die Fraktionsvorsitzende hat einen Gassenhofslang, der immer noch sehr nach Jusos klingt. „In die Fresse“ war halt kein Ausrutscher. „Bätschi“ und „der blöde Dobrindt“ ist einfach infantil und ich fand es bemerkenswert, dass ausgerechnet Albrecht Müller dies zu einem Thema gemacht hat. Denn die Frage ist immer: will man als Bürger von so einer Person vertreten werden?

                      Hahaha Albrecht Müller, echt jetzt? Der hat seit 30 Jahren kein gutes Haar an einem SPDler gelassen, das ja nun eher eine Auszeichnung. Genauso von jemandem, der immer noch Steinbrück hinterhertrauert.

                      Da sie ja für die SPD antritt, finde ich das nicht so schlimm. Bezweifelt ja niemand, dass sie was im Kopf hat – Ghettoslang hin oder her (außer die Leute, die es auch wichtig fanden, ob Schulz wohl Abitur hat). Da ich aus einer „kleine-Leute-Familie“ stamme, erfreut es mein Herz, wenn jemand komplizierte Sachen möglichst einfach und gerne mit Slang auf den Punkt bringt. Und der SPD, die sich gerne schon beim Straße überqueren im Technokratendeutsch verirrt, kann das sowieso nur gut tun.

                      Außerdem alles eine Frage deines beliebten Marketings, daraus kann man bestimmt ein Markenzeichen mit „beliebtem Charme“, „urtümlich“ etc. machen. Und: auch Empörung und reißerische Artikel bei den NDS ist ok, Schulz oder die Stones hatten das nicht, die haben an der absoluten Gleichgültigkeit rumgeknabbert.

            • Erwin Gabriel 26. Januar 2018, 17:45

              @ Ariane

              Ich werde vermisst – wie schön 🙂

              Gabriel (hier noch gar nicht aufgetaucht) wird vermutlich auch nie SPD wählen, egal wie weit sie sich nach rechts beugt und egal wie sehr er Schulz oder Nahles mag.

              Ich habe von Helmut Schmidt bis Gerhard Schröder stets SPD gewählt. nach der ersten GroKo, die mir nicht sonderlich gefiel, habe ich Merkel gewählt, um zu schauen, was sie ohne die Zugeständnisse an die SPD hinbekommt.

              … Gabriel zum SPD-Wähler zu machen ist viel zu aufwendig und man würde woanders viel zu viele Stimmen verlieren, als dass das irgendwie erfolgversprechend ist.

              Ich sehe, ich stecke schon wieder in einer Schublade.

              Für mich gibts es ein paar Dinge, die sich mit gesundem Menschenverstand (Einschränkung: mit dem, was ich dafür halte) halbwegs klären lassen.

              Dazu gehört beispielsweise, dass man sich für üppige (=ungeregelte) Zuwanderung oder für einen üppigen Sozialstaat entscheiden muss – beides zusammen geht nicht. Oder dass nicht jedes Bundesland über eine (meist politisch motivierte) Bildungspolitik samt unterschiedlich anspruchsvoller Abiturprüfungen entscheiden kann, wenn die Abiturienten anschließend per Numerus Clausus gleich bewertet werden (müssen). Oder dass man beim verständlichen Wunsch nach erneuerbaren Energien nicht gleichzeitig Atomkraft-, Kohle-, Gas- und Erdölkraftwerke abzuschalten versucht, noch bevor es eine Infrastruktur für die Verteilung der erneuerbaren gibt. Wenn Du ein neues Gericht ausprobierst, wirst Du auch nicht direkt mit den einzelnen Arbeitsschritten anfangen, sondern Dich erst um die Zutaten bemühen.

              Und egal, was falsch läuft, man schiebt es schulterzuckend auf den Bürger.

              Liebe Ariane,
              Ich schimpfe bei der CDU mehr als bei der SPD, weil ich bei der Kanzlerin unser größtes Problem sehe. Mein Gemaule zur SPD hat eher mit Frust zu tun, nicht damit, dass ich die Partei nicht mag.

              Bei der FDP sagt mir Christian Lindner derzeit durchaus zu, nicht nur aufgrund seiner Person, sondern auch, weil die FDP es geschafft hat, sich zu erneuern, die anderen Parteien aber nicht.

              Und meine Wahlentscheidungen werden viel stärker von dem Wunsch getrieben, die zukünftige Situation meiner vier Kinder zu verbessern, als meine persönliche Befindlichkeit zu optimieren. Deshalb darf es für mich auch gerne die SPD sein, nur nicht diese SPD.

              Es grüßt
              E.G.

              • Ariane 26. Januar 2018, 20:23

                Ich werde vermisst – wie schön

                Natürlich, das wird sofort vermerkt, wenn Du noch nicht aufgetaucht bist 🙂

                Ich sehe, ich stecke schon wieder in einer Schublade.

                *g* Nee so war das diesmal nicht gemeint. Ich halte es nur für höchst unwahrscheinlich, vielleicht sogar unmöglich, dass die SPD (oder auch eine andere Partei) Dich, Stefan P. und mich gleichzeitig zum Wähler hat. Natürlich sind wir uns auch in einigen Punkten einig, aber die Prioritäten und Grundrichtungen sind doch schon sehr unterschiedlich.

                Und ich halte es gelinde gesagt für einen Selbstmordpakt, wenn die SPD jetzt an Euch heranrückt und um Euch herumtanzt, dass ihr sie bitte wieder wählen sollt und meine Stimme für diese unsichere Aussicht aufgibt. Am Ende hat sie dann eine Stimme weniger und landet vielleicht bei 15% statt zwei Stimmen zu gewinnen.

                • Erwin Gabriel 26. Januar 2018, 20:55

                  @ Ariane

                  Ich halte es nur für höchst unwahrscheinlich, vielleicht sogar unmöglich, dass die SPD (oder auch eine andere Partei) Dich, Stefan P. und mich gleichzeitig zum Wähler hat.

                  Das soll nicht herblssend klingen, aber vielleicht mangelt es Dir einfach nur an Phantasie.

                  Wir drei sind für Europa; ich möchte ein Europa der Ideale und Ideen, Stefan ein Europa der Freizügigkeit und Chancen; Du vielleicht ein offenes Europa, wo Grenzen und Nationalitäten belanglos werden. Keiner von uns will ein Europa der Bürokratie.

                  Du möchtest über Zuwanderung vielleicht jedem helfen, der in Not ist, Stefan sucht vielleicht „nur“ nach Arbeitskräften, ich erhoffe Zuwanderung von Leuten, die sich zu unserem Land bekennen,, die mitmachen wollen. Keiner von uns will chauvinistische Spackos, die intolerant gegenüber Andersgläubigen sind und Frauen unterdrücken.

                  Du hoffst (vielleicht) für den HSV, ich für Hannover 96, Stefan für den 1 FC Köln; wir alle mögen schönen Fußball.

                  Ich habe schon einmal geschrieben, dass Du dich (nach meiner ganz persönlichen Wahrnehmung) zu sehr auf die Unterschiede kaprizierst, nicht auf die durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten.

                  • Ariane 26. Januar 2018, 22:01

                    Ich habe schon einmal geschrieben, dass Du dich (nach meiner ganz persönlichen Wahrnehmung) zu sehr auf die Unterschiede kaprizierst, nicht auf die durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten.

                    Nun ich fürchte, das liegt an unserer Kommunikationsform. Die Punkte, in denen wir uns einig sind, geben halt weniger Diskussions-Stoff her 😉

                    Und ja, es mangelt mir tatsächlich an der Fantasie, mir eine SPD für uns drei vorzustellen. Ihr seid ja nun auch noch beide Kritiker des Merkel-Mitte-Kurses und befürwortet die konservative Revolution. Das habt ihr jetzt zwar nicht konkretisiert, aber da müsste die SPD ja sehr weit rücken und sich irgendwie bei rechtem CDU-Flügel, rechtem FDP-Flügel und dem moderaten AfD-Flügel einordnen. Kann sie ja machen, nur ich bin dann eben raus.
                    Vielleicht sagt euch ja auch Lafos Idee von noch einer weiteren linken Partei zu, die dann Lafontaine, Wagenknecht, Gabriel und Augstein gründen und „Sozial, aber ohne Gedöns!“ nennen. Mir recht, nur damit will ich auch nichts zu tun haben.

                    Muss ja auch nicht, gibt ja schließlich verschiedene Parteien, weil Menschen unterschiedliche Ansichten haben. Auf mich persönlich wirkt das nur ähnlich widersinnig, als wenn ich mich darüber beschwere, dass die FDP nicht um meine Stimme wirkt.^^

                    • Erwin Gabriel 27. Januar 2018, 12:31

                      @ Ariane 26. Januar 2018, 22:01

                      Die Punkte, in denen wir uns einig sind, geben halt weniger Diskussions-Stoff her

                      Mag sein; dass es sie zur Genüge gibt, darf ja trotzdem mal festgestellt werden. 😉

                      Ihr seid ja nun auch noch beide Kritiker des Merkel-Mitte-Kurses und befürwortet die konservative Revolution. Das habt ihr jetzt zwar nicht konkretisiert, aber da müsste die SPD ja sehr weit rücken und sich irgendwie bei rechtem CDU-Flügel, rechtem FDP-Flügel und dem moderaten AfD-Flügel einordnen.

                      Manchmal bin ich verzweifelt, wie wenig von dem, was ich schreibe, bei Dir ankommt.

                      An anderer Stelle schrieb ich, dass ich die Entscheidung von Frau Merkel, die CDU etwas nach links zu ziehen, gut verstehen kann, und dass ich glaube, dass sie damit die Entwicklung in der Bevölkerung nachvollzieht. Was ich ihr vorgeworfen habe bzw. immer noch vorwerfe, ist, dass sie die Konservativen in der Partei, den rechten Flügel, komplett gekillt hat.

                      Schau auf die CSU: da hast Du mit Aigner oder Seehofer Personen, die das „S“ groß schreiben, die Hausfrauen, Rentnerinnen etc. besser versorgen möchten, die sich um den „kleinen Mann“ kümmern; Seehofer ist ein verkappter Linker (da, wo er aus Deiner Sicht „rechts“ steht, etwa beim Zuzug von Flüchtlingen, arbeitet er ab, was ihm die bayerische Bevölkerung aufträgt; er fragt dort regelmäßig nach). Du hast mit Dobrindt und Söder wiederum Köpfe, die das konservative Spektrum bedienen.

                      Ich brauche keine Partei, die zu 100 % nur das liefert, was mir vorschwebt. Ich kann andere Meinungen als meine tolerieren, bin (in gewissen Grenzen) lernfähig, und als Verfechter von Demokratie und Grundgesetz auch in der Lage, Mehrheitsbeschlüsse zu akzeptieren.

                      Was ich überhaupt nicht mag, ist Merkels Weg, unsere Demokratie oder die innerparteiliche Meinungsfindung abzuwürgen (da ist sie deutlich rigider als selbst Helmut Kohl), politische Gestaltungsspielräume in Deutschland zu reduzieren, und sich mit dem politischen Gegner (AfD) nicht argumentativ auseinanderzusetzen.

                      Ich finde die „Gerechtigkeitsdebatte“ der SPD durchaus wichtig und zurecht geführt; mich stört allerdings, dass es offenbar wichtiger ist, „den Reichen“, die bereits ab 4000 Euro brutto aufwärts definiert werden, etwas wegzunehmen, als die Situation der Leute zu verbessern, denen es schlecht geht.

                      An der CDU gefiel mir die integrative Kraft, fast alle mitzunehmen. Merkel hat das allerdings zerstört.

                      An den Grünen gefällt mir die Richtung (nicht unbedingt die rechthaberische Konsequenz) ihrer Umweltpolitik durchaus gut, aber ihr Naturschutz ist echt für den Darm. Für eine Handvoll Windräder mehr nehmen sie gewaltige Natur- und Landschaftszerstörungen in Kauf – ist aus meiner Sicht sehr unausgewogen.

                      Bei den Linken gefällt mir die intellektuelle Stärke von Frau Wagenknecht. Bei ihr muss man sich ernsthaft mit ihren Argumenten auseinandersetzen, sonst nagelt sie einen an die Wand. Leider ist der Rest der Partei alles andere als überzeugend.

                      An der AfD gefällt mir, dass sie es geschafft haben, die Zuwanderung zu einem breit und inzwischen sachlich diskutierten Thema zu machen. Das soll weißgott nicht heißen, dass mir ihre Lösungen gefallen, sondern nur, dass mir der Tagesordnungspunkt gefällt; wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, werden es in der aktuellen Legislaturperiode bekommen, und das liegt nicht an den Volksparteien, sondern ist Verdienst der AfD (wenn auch der Einzige).

                      Die FDP macht aus meiner Sicht derzeit vieles richtig. Ich möchte nicht zwar nicht unbedingt Christian Lindner als Regierungschef haben, halte aber das Korrektiv der FDP für enorm wichtig. Die Partei tritt nicht bedingungslos für die Wirtschaft ein, aber für die Selbstständigen; sie erwartet die Einhaltung von Gesetzen auch dann, wenn es unbequem wird; sie fordert Eigeninitiative von den Menschen (wenn ich ein Problem habe, sollte ich selbst mein erster Ansprechpartner sein, nicht der Staat); sie tritt für einen schlanken Staat ein und prangert die deutsche Anspruchs- und Vollversorgungsmentalität an (Europa hat etwa 7% der Weltbevölkerung, produziert etwa 30% der Weltwirtschaftsleistung, bezahlt – bei steigender Tendenz – etwa 50% der Weltsozialhilfe; und die Hälfte der weltweit verfassten Erläuterungsliteratur zu Steuern ist auf Deutsch verfasst). Sie hat Bildung und Digitalisierung als wichtig erkannt (die anderen Parteien tun derzeit nur so).

                      Ich bin ich nicht so einseitig und schlicht aufgestellt, wie Du vielleicht vermutest (und vielleicht sind auch die Unterschiede zwischen mir und Stefan P. etwas klarer geworden; wir stecken nicht im gleichen Sack).

                      Es grüßt
                      E.G.

                    • Ariane 27. Januar 2018, 14:20

                      Ich bin ich nicht so einseitig und schlicht aufgestellt, wie Du vielleicht vermutest (und vielleicht sind auch die Unterschiede zwischen mir und Stefan P. etwas klarer geworden; wir stecken nicht im gleichen Sack).

                      Das denke ich keineswegs, so streng bin ich gar nicht 😉

                      Nur egal wieviele Gemeinsamkeiten wir noch feststelle, es wäre wohl höchst ungewöhnlich, wenn wir alle drei gleichzeitig dieselbe Partei wählen, dafür sind die Prioritäten wieder sehr unterschiedlich. Und ist ja auch nicht schlimm, dafür haben wir ja eine Demokratie mit Mehrparteiensystem.

                      Natürlich tun sich die kleinen linken Parteien auch etwas leichter, während die SPD als Volkspartei viel mehr Interessen abdecken muss. Egal was sie macht, es wird immer verwaschener und weniger eindeutig sein als die LINKE. Und ja, an linke Parteien werden andere, höhere Erwartungen gestellt als Kleinklein und ne schöne Verwaltung. Dazu kommt noch etwas anderes: denn klar, einerseits definiert sich das Linkssein wirtschaftspolitisch, die Reichen geben den Armen, blablubb.
                      Dazu gehört aber auch die progressive Seite: Umweltschutz, Emanzipation, Multikulti, Offenheit für neue Ideen, Techniken usw.

                      Und da entbrennt ja gerade in der SPD ein kleiner und in der LINKEn ein großer Kampf, weil einige sagen, jetzt ist aber mal gut mit dem „Gedöns“ und wir gucken jetzt nur noch auf das Wirtschaftliche und andere meinen, die „Gedönsthemen“ bekommen schon jetzt zuwenig Aufmerksamkeit. Das blubbert ja schon eine Weile so ungelöst vor sich hin und ist für Leute wie mich ein Problem, weil jetzt schon beide Parteien so furchtbar unmodern wirken. Das hab ich selbst nicht miterlebt, aber für die SPD, die ja früher die totale Fortschrittspartei ist, ist das schon ungewöhnlich und auch gar nicht mehr so einfach zum Lösen. Die haben jetzt schon einen höheren Rentnerwähler-Anteil als die Union und die wollen sie natürlich nicht verlieren, dadurch werden sie für jüngere Leute aber auch automatisch unattraktiver.

                      Ich als Wählerin würde mir auch gar keine absolute Mehrheit für die SPD wünschen, sondern schon eher rot-grün oder auch die Ampel, damit eben die moderne und progressive Seite von den Kleinen Parteien angeschoben wird. War auch der Grund, warum ich Jamaika nicht ganz schlecht gefunden hätte.

                  • In Dubio 27. Januar 2018, 12:15

                    Du hoffst (vielleicht) für den HSV, ich für Hannover 96, Stefan für den 1 FC Köln; wir alle mögen schönen Fußball.

                    Das stimmt nicht. Würden wir schönen Fußball mögen, würden wir uns anderen Vereinen zuwenden. Wobei Ariane und ich immerhin noch Entschuldigungen haben: als ich Fan des EffZeh wurde, spielten da noch Pierre Littbarski, Stephan Engels, Tony Woodcook, Bernd Schuster, Klaus Fischer und Klaus Allofs. Ariane schwärmt für einen Verein, der weit vor ihrer Zeugung unter dem legendären Trainer Ernst Happel spektakulär spielte. Aber Hannover 96? Was ist da in Erinnerung außer einem Dieter Schatzschneider? Und der spielt nur in der 2. Liga für den kleinen HSV.

                    • Erwin Gabriel 27. Januar 2018, 12:38

                      @ Stefan P.

                      * Meisterschaft im WM-Jahr 1954
                      * Pokalsieg 1992 (als Zweitligist)
                      * weniger Abstiege aus der ersten Bundesliga als der 1 FC Köln

                      Nicht ganz so lag und namhaft wie beim 1 FC. Köln, die Liste, aber auchn nicht ganz leer
                      🙂

                      Viele daumendrückende Grüße aus der Tabellenmitte
                      E.G.

                    • In Dubio 28. Januar 2018, 09:07

                      Scherzkeks!

                      * Meisterschaft im WM-Jahr 1954

                      Innerhalb von über 100 Jahren war so jeder Verein schon mal Deutscher Fußballmeister – sogar Eintracht Braunschweig. Autsch! 🙂

                      * Pokalsieg 1992 (als Zweitligist)

                      Das zählt nicht. Das war Elfmeterschießen und kein Fußballspiel. Und wurde nur gewonnen, weil Gladbach keine Elfer schießen kann (frag‘ nach bei Lothar Matthäus 1984).

                      * weniger Abstiege aus der ersten Bundesliga als der 1 FC Köln

                      96 war gar nicht so lange in der Bundesliga, um so häufig wie die Geißböcke absteigen zu können…

                    • Ariane 27. Januar 2018, 13:49

                      Ja als Fußballästhet ist beim HSV nicht soviel zu holen und die glorreichen Zeiten lagen auch noch vor meiner Geburt, aber da oben im Norden war die Auswahl nicht so groß.
                      Und hier keine daumendrückende Grüße für den FC! Wir brauchen jede Schützenhilfe, die wir kriegen können 🙂

  • Ralf 25. Januar 2018, 03:26

    @ Ariane @ In Dubio

    Unsere Welt ist ein Raub- und Beutezug der reichsten 1% und wir sind Opfer. Gegen Diebstahl darf man sich mit Gewalt wehren. Nehmt den Reichen weg, was sie sich unrechtmäßig angeeignet haben! Haben Sie sich nie gefragt, warum solch revolutionäres Gerede so wenig verfängt?

    Wo haben Sie im obigen Beitrag das Wort Diebstahl gelesen? Und woher entnehmen Sie den Aufruf zur Gewalt? Alles was dort gefordert wurde, war dass eine sozial gerechte Politik die Annaehrung von Einkommen und Vermoegen zum Kernziel erklaeren solle. Dieses Kernziel laesst sich auf voellig demokratischem und rechtsstaatlichem Wege erreichen, und zwar ueber eine entsprechende Steuerpolitik. Franklin D. Roosevelt hat es in den USA vorgemacht mit alles ueberragendem Erfolg. Die USA gelten ueblicherweise uebrigens eher nicht als Hort des Kommunismus und linker Spinnereien. Eine starke amerikanische Mittelklasse wurde geboren und ein beispielloser breiter Wohlstand kam ueber das Land. Dafuer mussten die Reichsten etwas abgeben …

    http://equitablegrowth.org/wp-content/uploads/2014/10/102014-wealth-web-01.jpg

    … damit die UEBERGROSSE Mehrheit der Gesellschaft aufsteigen konnte …

    http://equitablegrowth.org/wp-content/uploads/2014/10/102014-wealth-web-03.jpg

    Ich wuensche mir eine Renaissance von Roosevelts Politik. Wo Sie da den Bezug zu Diebstahl und vor allem zu Gewalt sehen, bleibt Ihr Geheimnis.

    Sie mögen nicht erkennen, dass es den kleinen Mann nicht (mehr) gibt. Genau deshalb sind solche Schichten auch so schwer politisch anzusprechen. Was meinen Sie, warum denn sozialdemokratische Parteien solche Schwierigkeiten haben, noch nennenswerte Wähleranteile zu gewinnen? […]
    Es ist eben keine intelligente Strategie, in prosperierenden Ländern eine Mehrheitsfähigkeit auf Verlierern der Gesellschaft wie Arbeitslose, Abgestürzte und völlig Mittellose aufbauen zu wollen.

    Die letzte Frage laesst sich am einfachsten beantworten. „Sozialdemokratische“ Parteien haben Schwierigkeiten noch nennenswerte Waehleranteile zu gewinnen, weil sie ihr sozialdemokratisches Profil seit Jahren beerdigt haben. Was hat denn der kleine Mann heute konkret davon, wenn er meinetwegen die SPD waehlt? Er bekommt Hartz IV, die Rente mit 67, den „besten Niedriglohnsektor in Europa“, Steuersenkungen fuer die Wohlhabenden und die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch. Wohlgemerkt allesamt nicht schmerzliche Kompromisse, die in einer Koalition mit einem schwierigen Partner notwendig waren, sondern Ziele, die offensiv als wuenschenswert und angestrebt in der Oeffentlichkeit (bzw. gegen die Oeffentlichkeit) durchgepeitscht wurden. Da wo Sozialdemokraten und Linke glaubwuerdig soziale Politik vertreten, legen sie auch wieder zu. In Portugal und Griechenland regieren sie bereits. In Grossbritannien liegt Labour nicht zuletzt dank Jeremy Corbyn mittlerweile stabil vor den Tories:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Opinion_polling_for_the_next_United_Kingdom_general_election

    In den USA hat Bernie Sanders zwar im letzten Jahr die Primaries gegen Hillary Clinton verloren. Das allerdings nur knapp und die heutige Demokratische Partei zieht stark nach links und wird immer mehr zu Sanders‘ Ebenbild. Und faehrt Wahlgewinn ueber Wahlgewinn ueber Wahlgewinn ein.

    In Italien ist in den gegenwaertigen Umfragen die Fuenf-Sterne-Bewegung staerkste Partei. In Frankreich siegte bei den Praesidentschaftswahlen bekanntlich Macron und wir sollten nicht vergessen, dass sich in den Vorwahlen Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon mit einem fast identischen Programm gegenseitig die Stimmen wegnahmen. Zusammen haetten die beiden Linken Macron um 2% uebertroffen. Soviel nur am Rande.

    Aber nun zu Ihrem „kleinen Mann“, den es angeblich nicht mehr gibt. Vielleicht treiben Sie sich zu haeufig in den Villenvierteln Deutschlands herum. Als ich zu Weihnachten zum Familienbesuch in mein altes Stadtviertel heimkehrte, sah dort noch alles genauso aus wie frueher. Sozialwohnungen, viel untere Mittelklasse, viele Menschen, die hart arbeiten und trotzdem nur gerade so ueber die Runden kommen. Mitnichten sind das alles nur „Arbeitslose, Abgestürzte und völlig Mittellose“, obwohl es die selbstverstaendlich auch gibt.

    Übrigens: wenn ich mich richtig erinnere, finden Du und Ralf an der Kanzlerin gerade gut, dass sie nicht standfest ist.

    ???

    Ich finde an der Kanzlerin gut, dass sie in einer schweren humanitaeren Krise das Richtige gemacht hat und Beduerftigen geholfen hat. Ich bewundere, dass sie das trotz eines erheblichen politischen Risikos fuer sich selbst und gegen starken Widerstand in den eigenen Reihen durchgesetzt hat. Einer der wenigen Momente in der deutschen Politik, in der sich Menschlichkeit und Anstaendigkeit gegen kalte Kalkulation durchgesetzt haben. Wo Sie daraus ableiten, dass ich grundsaetzlich Politiker bevorzuge, denen es an Standfestigkeit mangelt, ist mir voellig unerklaerlich.

    Du und Ralf sind dafür meine Zeugen. Gemein, gell? In der Vergangenheit wurdet Ihr nicht müde zu betonen, dass auch Linke nicht wollen, dass alle Menschen gleich verdienen. Ein Unternehmer darf ruhig deutlich mehr bekommen als ein Rohrreiniger, ein SAP-Berater mehr als eine Altenpflegerin. Gebe ich Dich da richtig wieder?

    Ja. Nur dient das nicht Ihrem Punkt.

    Dass es Gehalts- und Vermoegensunterschiede in der Gesellschaft gibt, ist nicht nur voellig in Ordnung, sondern absolut erstrebenswert. Kaum jemand wuerde der These widersprechen, dass jemand, der sich anstrengt und gute harte Arbeit leistet, besser verdienen sollte als jemand, der sich keine Muehe gibt und sich stattdessen auf die faule Haut legt. Auch dass jemand, der in der Schule gut aufpasst, sich auf Pruefungen intensiv vorbereitet und eine lange Ausbildung fuer einen schwierig zu erlernenden Beruf durchlaeuft am Ende besser dastehen sollte, als jemand, der kein Interesse zeigt, seine Zeugnisse vergeigt und statt fuer die Ausbildung zu lernen lieber mit den Freunden einen trinken geht, ist unstrittig. Und die meisten finden es auch in Ordnung, dass die, die mit Talent gesegnet sind – Kuenstler, Musiker, Fussballspieler – einen hoeheren Verdienst einstreichen als der Durchschnittsbuerger, auch wenn Talent nicht im eigentlichen Sinne „verdient“ ist. Aber eine Praeferenz fuer gewisse moderate Gehalts- und Vermoegensunterschiede in der Gesellschaft, die als nuetzlicher Ansporn fuer den Traum vom Aufstieg dienen, rechtfertigt beim besten Willen nicht den perversen Reichtum von Multimilliardaeren, die in Saus und Braus leben, waehrend am anderen Ende des Spektrums Obdachlose Pfandflaschen und Essen aus Muelltonnen sammeln, um zu ueberleben. Zeigen Sie mir mal eine Umfrage, in der sich die Mehrheit der Buerger fuer Exzesse in der Ungleichheit oben und unten ausspricht. Zeigen Sie mir eine Umfrage, in der die Mehrheit der Buerger zustimmt, dass es in Ordnung ist, wenn ein Durchschnittsverdiener 157 Jahre lang arbeiten muss, um einmal auf das Jahresgehalt eines DAX-Vorstands zu kommen. Oder sparen Sie sich die Suche. Eine Mehrheit fuer einen voellig aus den Fugen geratenen Raubtierkapitalismus, wie er Ihnen vorschwebt, gibt es nicht. Sonst stuende die FDP nicht bei 10% und sonst waere auch die anti-Establishmentstimmung nicht so ausgepraegt. Und auch die grossen Parteien – CDU und SPD – sind nach ihren neoliberalen Grenzueberschreitungen mitte der 2000er Jahre wieder ganz, ganz langsam von Rechts ein Stueck weit hin zur Mitte gerueckt in wirtschafts- und arbeitspolitischen Fragen.

    Der Ruck nach Rechts, den Sie in Deutschland und Europa zu beobachten glauben, ist ein Ruck getrieben von Fremdenfeindlichkeit und Deutschtuemelei, nicht ein Bekenntnis der Waehler zu einer schaerferen Schieflage von Einkommen in der Gesellschaft. Das gilt uebrigens weltweit. Die Brexit-Tories etwa machten vor dem Referendum Wahlkampf mit Versprechen den National Health Service mit einem dreistelligen Millionenbetrag woechentlich zu foerdern. Praesidentschaftskandidat Donald Trump zog durch das Land mit Forderungen nach einer Steuerreform, bei der die Reichen mehr zahlen sollten als vorher und mit Zusicherungen Social Security, Medicare und Medicaid vor Kuerzungen zu bewahren. Im polnischen Wahlkampf trompeteten die Konservativen die Senkung des Renteneintrittsalters und die Erhoehung des Kindergeldes. Diese Liste liesse sich endlos fortsetzen. Alle diese „Rechten“ versprachen den sozial Benachteiligten Hilfsprogramme und flankierten dies mit Abschottungsplaenen und Fremdenfeindlichkeit.

    Anders als Ralf glaub ich gar nicht, dass es unbedingt DIE große Vision braucht, Ungleichheit bekämpfen ist ja ähnlich schwammig wie soziale Gerechtigkeit. Große Vision und das dann total kleinteilig in 500 Seiten Wahlprogramm oder Verhandlungspapier machen sie ja schon ne Weile und klappt nicht so gut. Paar konkrete Ideen, die man in drei Sätzen erklären kann mit der Lösung gleich dazu, das wär mal was.

    Da moechte ich widersprechen und ich bin wohl auch falsch verstanden worden. Mir geht es nicht darum einfach irgendeinen schwammigen Begriff wie „soziale Gerechtigkeit“ oder „Ungleichheit“ auf’s Banner zu drucken, damit sich die Partei hinter irgendeinem windigen Slogan versammeln kann. Mir geht es darum, dass die Politiker mal klar sagen sollen, wie sie sich die Welt eigentlich vorstellen, fuer die sie kaempfen. Was fuer ein Land wollen sie? Was ist das Endziel der Politik? Worauf arbeitet man hin? Ich moechte nicht einfach „drei konkrete Ideen“ hoeren, wie in x Jahren irgendwelche gesellschaftlichen Parameter um y Prozent erhoeht oder verringert werden koennen. Ich moechte wissen, wie sich diese „drei konkreten Ideen“ in eine breite, positive Vision fuer das Land integrieren.

    Ich zum Beispiel moechte gerne ein Land, in dem ich nicht mehr jeden Tag Obdachlose sehen muss, die in der Muelltonne wuehlen. Ich moechte ein Land, in dem Wohnraum bezahlbar bleibt, auch fuer sozial schwache Menschen mit bescheidenem Einkommen. Ich moechte ein Land, in dem junge Menschen die bestmoegliche Ausbildung bekommen; ein Land, in dem wir in Kindergaerten, Schulen und Universitaeten investieren. Ich moechte ein Land, in dem auch duenn besiedelte Gebiete ausserhalb der grossen Staedte solide an das Verkehrsnetz angeschlossen bleiben. Ich moechte ein Land, in dem Busse und Bahnen auch den Armen erlauben von A nach B zu kommen – zur Arbeit, zu den Eltern oder zu Freunden. Ich moechte ein Land, in dem die Ungleichheit zwischen arm und reich dramatisch abnimmt; ein Land, in denen es den Wohlhabendsten immer noch sehr gut und immer noch besser als all den anderen geht, aber eben nicht 100-mal oder 1000-mal besser; ein Land, in denen auch die Aermsten ein Dach ueber dem Kopf, genug zu essen und zu trinken und Anteil am sozialen Leben haben. Ich will ein Land, in dem alle Zugang zu moderner medizinischer Versorgung haben und alles bekommen, was sie brauchen um wieder gesund zu werden. Ein Land, in dem den Armen nicht die Zaehne im Mund verfaulen, weil sie sich keine Zusatzversicherung leisten koennen. Ich will ein Land, in dem Kinder gefoerdert werden und in dem junge Eltern – als Paar oder alleinerziehend – mit der vollen Unterstuetzung der Gesellschaft rechnen koennen. Ich will ein Land das offen, liberal und warmherzig ist. Ein Land, in dem der Rechtsstaat regiert und in dem anstaendige Buerger nicht anlasslos ueberwacht, ausgehorcht, ausspioniert werden. Ich wuensche mir ein Land, das nicht Waffen in Diktaturen exportiert und das sich nicht an Kriegen beteiligt, die nicht unseren ureigensten Interessen dienen. Ich wuensche mir ein Land, in dem massvoll und nachhaltig gewirtschaftet wird, so dass Landschaft und Natur erhalten bleiben. Ich fordere, dass wir der naechsten Generation einen Planeten uebergeben, auf dem auch die noch leben kann. Ich wuensche mir ein Land, in dem in Infrastruktur und Forschung und Wissensdurst investiert wird. Ich will ein Land, in dem alle Menschen mit Respekt behandelt werden. Auch wenn sie arm sind und unsere Unterstuetzung benoetigen. Auch wenn sie arbeitslos sind. Auch wenn sie eine andere Hautfarbe, Religion oder Sexualitaet haben. Ich moechte ein Land, in dem es fair zugeht. Ein Land, in dem die, die hart arbeiten auch in der Regel prosperieren. Ich wuensche mir ein Land, in dem nicht Lidl, Kik und Ein-Euro-Shops wachsen, sondern in dem Qualitaet geachtet wird; ein Land, das sich nicht mit dem Slogan „Geiz ist geil“ schmueckt, sondern mit „Made in Germany“. Ich moechte ein Land, in dem die Menschen ein Stueck weit Stabilitaet erfahren; in dem sie nicht jedes zweite Jahr umziehen muessen, staendig flexibel sein muessen, keine Ahnung haben, ob sie in einem halben Jahr noch ein Gehalt haben. Kurzum ein Land, in dem man mit gutem Gewissen ein Kind in die Welt setzen kann.

    Andere wuenschen sich wohl eine andere Welt. Das ist in Ordnung. Wir muessen ja nicht alle das gleiche Ziel haben. Aber IRGENDEIN Ziel sollten wir dann doch haben. Zumindest wenn man Kanzlerkandidat ist und den Anspruch hat Deutschland zu regieren. Dann moechte ich gerne eine konsistente Vision fuer die Zukunft. Eine Vision, die Begeisterung und Aufbruchstimmung schafft. Und dafuer braucht es wesentlich mehr als einen leichten Anstieg der Arbeitgeberbeitraege zur Krankenversicherung oder die Absichtserklaerung bis zum Ende des Jahres eine Ankuendigung machen zu wollen, in welchem Zeitplan moeglicherweise irgendwann mal aus der Kohle ausgestiegen werden wird.

    • In Dubio 25. Januar 2018, 12:40

      Also bemerkenswert, wie wir uns hier missverstehen. Dadurch läuft Ihre Replik (wie auch die von Ariane) in die falsche Richtung. Somit müssen wir das zurücksetzen.

      Natürlich ist es eine legitime Forderung, für weniger Einkommens- und Vermögensungleichheit einzutreten. Genauso ist es legitim, für 20% Vermögensteuer zu streiten. Ich habe damit überhaupt kein Problem. Es ging um die Kommunikations- und Marketingstrategie, daraus eine attraktive Gesellschaftsidee zu formen, die in Wahlen Mehrheiten gewinnt.

      Stattdessen verfangen Sie sich in den eigenen Fallstricken Ihrer Forderungen. Können Sie mir erklären, wer Franklin D. Roosevelt ist? Der Mann ist mir völlig unbekannt. Google meldet mir, dass Franklin D. Roosevelt ein Untergrundbahnhof der Pariser Metro sei. Was haben Ihre politischen Ideen mit einer Untergrundbahn zu tun?

      Das Einzige, war Ihnen zu dem legendären amerikanischen Präsidenten einfällt, sind extrem hohe Einkommensteuern. Als Kern Ihrer Vision formulieren Sie folglich, den Oberen genügend wegzunehmen, damit der Abstand zwischen den Einkommensschichten nicht weiter wächst. Das ist die Negativstrategie, welche nie verfängt. Seit 1980 ist die SPD in 10 bundesweite Wahlen gegangen, in acht davon forderte sie höhere Steuern für die Reicheren. Alle diese Wahlen wurden verloren. Sie tun genau das, worauf ich meine Argumentation aufgebaut habe: die wenigsten wollen politisch damit identifiziert werden, dass sie anderen etwas wegnehmen wollen.

      Sie haben Ihren Piketty nicht gelesen. Der stellte gerade wieder fest, dass in Kriegszeiten und danach die Einkommens- und Vermögensspreizungen zurückgehen würden. Sie sind sicher mit den Amtszeiten der US-Präsidenten vertraut. Franklin D. Roosevelt war ein Kriegspräsident, seine Regierungszeit erfüllt somit Pikettys Typisierung par excellence. Vielleicht sollten wir einen veritablen Weltkrieg anzetteln, das würde das Problem der Einkommens- und vor allem Vermögensunterschiede möglicherweise effektiver lösen.

      Umgekehrt haben Sie keine Antwort, was Sie den von mir typisierten potentiellen SPD-Wählern eigentlich anbieten wollen. Was ist mit der 27jährigen Frührentnerin, die mit einem Tumor im Kopf, aber einem ehrgeizigen Neu-Ehemann sich noch ein gutes (Rest-) Leben aufbauen will? Auf der letztjährigen Hochzeit (ich erwähnte früher, dass seit 2013 meine Frau und ich immer auf eine Hochzeit ihrer Kolleginnen eingeladen war) saß ich neben einer jungen Ex-Kollegin meiner Frau. Sie ist der Liebe wegen mit ihrem Freund in dessen Heimat Australien ausgewandert, wahrscheinlich ist dieses Jahr Hochzeit. 🙂 Er ist Bauarbeiter und verdient dort gut. Sie wohnen am Strand und können so viel Geld sparen, dass sie in den nächsten beiden Jahren (nach 5 Jahren Ansparzeit) ein Haus erwerben können – weitgehend ohne Schulden. Sicher, die Krankenversicherung ist relativ teuer, aber auf der anderen Seite bestehen dort Möglichkeiten das Leben auch für Kleinbürger selbst zu gestalten, von denen diese Kreise in Deutschland nur träumen können. Meine Frage: was hätten Sie solchen Kreisen anzubieten, außer ein kostenloses Ticket mit den öffentlichen Verkehrswerken?

      Was hat denn der kleine Mann heute konkret davon, wenn er meinetwegen die SPD waehlt? Er bekommt Hartz IV, die Rente mit 67, den „besten Niedriglohnsektor in Europa“

      Gute Frage, siehe oben. Sie definieren das Potential der SPD aus den Verlierern der Gesellschaft. Sie können natürlich Hartz-IV verdoppeln (und dadurch den Kreis der Anspruchsberechtigten verdreifachen), Sie können für die Rente mit 60 eintreten (und allein dadurch den Arbeitnehmern weitere 2,5 – 3,5 Prozent ihres Einkommens wegnehmen – beim Arbeitgeber nochmal das Gleiche), aber am Ende kommen Sie eben nur auf so 12 Millionen Betroffene, die ungeachtet anderer Überzeugungen SPD wählen könnten. Da sind wir aber bei unseren 11 – 13 Prozent, da scheinen Sie das zukünftige Potential der Partei zu sehen. Ich dachte, wir reden über Wachstumsstrategien.

      Bekanntlich verlor Corbyn die Unterhauswahlen, die er eigentlich – schon wegen der langen Regierungszeit der Konservativen – hätte gewinnen müssen. In Portugal und Griechenland hat jeweils ein Regierungswechsel stattgefunden nach tiefen Wirtschaftskrisen. Das ist zum einen nicht ungewöhnlich – in Spanien gewann in einer solchen Situation das konservative Lager, das 2004 nach verherrenden Terroranschlägen überraschend verloren hatte – zum anderen noch keine Bestätigung durch Wiederwahl. In Athen hat die Syriza die Rolle der PASOK übernommen, die aufgrund von tiefer Korruption marginalisiert wurde. Syriza macht weiter mit der Korruption und ist in Umfragen auf dem absteigenden Ast. Nochmal: es ist in Demokratien nicht so schwer, lang regierende Lager abzulösen. Das Problem ist die Nachhaltigkeit. Und dass Sie die 5-Sterne-Partei von Beppo Grillo, die Europa- und Eurokritisch auftritt, als Leumund für linke Politik anführen, überzeugt nicht wirklich. In Frankreich addieren Sie Wähleranteile, in dem Sie behaupten, die wären deckungsgleich. Nur wollte Harmon ein deutliches Mehr an Europa und Jean-Luc Mélenchon das Gegenteil. Zudem gilt der Linkspopulist in einigen einschlägigen Kreisen als Totengräber der Sozialdemokratie. Addition wirkt da wie Milchmädchen.

      Aber nun zu Ihrem „kleinen Mann“, den es angeblich nicht mehr gibt.

      Sie haben zwei Buchstaben, allerdings die entscheidenden, weggeschnitten. Das Wörtchen „so“. Den kleinen Mann, den es so nicht mehr gibt. Was Sie aufzählen (und früher schon genannt haben) bestätigt das. Es gibt echte Verliererschichten. Die sind aber nicht identisch mit den früheren Kleine-Leute-Milieus, sie sind anders. Folglich müssen sie anders angesprochen werden und das stellt auch die Frage, ob dies überhaupt möglich ist mit anderen Schichten, die am Ende irgendetwas von 35 – 40 Prozent ergeben sollen und darüber hinaus auch noch koalitionsfähig in andere Schichten. Wenn Sie sich eine solche Aufgabe zutrauen – wow!

      Der Ruck nach Rechts, den Sie in Deutschland und Europa zu beobachten glauben, ist ein Ruck getrieben von Fremdenfeindlichkeit und Deutschtümmelei

      Sie wollen also sagen, dass alle AfD-Wähler fremdenfeindlich und deutschtümmelnd seien, von den Anhängern der FDP ganz zu schweigen? Das würde ich schon persönlich nehmen. Sie würden behaupten, Macron und die Republikaner in Frankreich seien vor allem fremdenfeindlich? Sie finden, dass der BREXIT ein Projekt der Resozialdemokratisierung sei? In den Niederlanden und in Österreich haben Sie eine Bewegung zur Revitalisierung des linken Lagers ausgemacht? Die Erholung der Nea Dimokratia ist von Fremdenfeindlichkeit getrieben? Ich glaube, Sie machen es sich zu einfach.

      Ich zum Beispiel möchte gerne ein Land

      Es ist ja schön, was Sie möchten. Ich könnte dagegegen halten, was ich möchte. Nur diskutieren wir ja unter dem Thema, was eine vernünftige Politik- und Kommunikationsstrategie für die SPD sein könnte. Weder Sie noch ich sind SPD-Wähler, es bringt nicht so viel darzulegen, was uns beide weggetrieben hat. Eine einheitliche, überzeugende Strategie würde daraus definitiv nicht.

      • schejtan 25. Januar 2018, 17:18

        „Bekanntlich verlor Corbyn die Unterhauswahlen, die er eigentlich – schon wegen der langen Regierungszeit der Konservativen – hätte gewinnen müssen.“

        Verstehe ich Sie da richtig, dass sie der Meinung sind, dass Labour mit einem anderen, mehr zum Zentrum geneigten Kandidaten gewonnen haette?

        Ansonsten wurde es ja schon haeufig von z.B. Ralf gesagt, aber ich wiederhole es gerne: Ja, Corbyn, hat die Wahl letztendlich verloren. Er hat aber aber massiv Sitze dazugewonnen, in einer Wahl, in der es eigentlich ja schon feststand, dass die Tories ihre Mehrheit ausbauen, gegen den Widerstand nicht zu vernachlaessigender Teile der Medien und seiner eigenen Partei. Wie man das nicht als erfolgreicher als die Wahlergebnisse der anderen sozialdemokratischen Parteien, die eher den ueblichen Empfehlungen folgen und damit immer weiter Stimmen verlieren, einordnen kann, erschliesst sich mir nicht. Und wenn es darum geht, dass man mit solch einer Politik ja niemals Gutverdiener (aka FDP, CDU Klientel) fuer sich gewinnen kann: Labour hat Kensington gewonnen, nicht gerade der aermste Stadtteil Londons.

        • In Dubio 25. Januar 2018, 17:42

          Verstehe ich Sie da richtig, dass sie der Meinung sind, dass Labour mit einem anderen, mehr zum Zentrum geneigten Kandidaten gewonnen hätte?

          Ich kann über UK relativ wenig Fundiertes sagen. Sicher ist die britische Gesellschaft weiter geteilt als die kontinentaleuropäischen, sicher ist für Durchschnittsengländer ein Leben in London-City kaum erschwinglich, sicher ist im Bildungssystem vieles im argen. Es gibt auch tiefere gesellschaftliche Gründe, warum Labour wieder erstarkt ist. Aber ein demokratischer Fakt ist, dass sehr exponierte Kandidaten verhältnismäßig selten gewinnen.

          David McAlister hat 2012 ebenfalls die Niedersachsen-Wahl knapp verloren, dennoch war das politische Talent danach erstmal durch. Helmut Kohl scheiterte 1976 äußerst knapp an der absoluten Mehrheit und wurde trotzdem als Wahlverlierer gehandelt. Und Theresa May gilt wohl als eine der unfähigsten Wahlkämpferin aller Zeiten, die während des Wahlkampfs Debatten verweigerte. Für politische Beobachter gilt es weiterhin als unfassbar, dass May heute noch Premierministerin ist. Das ist die Person, gegen die Corbyn verloren hat. Doch wenn es Ihrem Seelenfrieden hilft, gestehe ich zu, dass Corbyn einen guten Wahlkampf geführt hat.

          • schejtan 25. Januar 2018, 20:52

            Klar hat Theresa May einen fuerchterlichen Wahlkampf gefuehrt. Wenn das Waehlerpotenzial fuer eine linke Politik ala Corbyn aber tatsaechlich so klein waere und es ausserhalb auf so eine grosse Ablehnung stossen wuerde , wie sie es immer wieder darstellen, haette Labour trotzdem nicht so ein Ergebnis erreichen duerfen.

            • Floor Acita 25. Januar 2018, 21:14

              Zumal der Sprung nach oben eindeutig mit der Veröffentlichung des Manifesto begann. Das kann dann ja zweimal nicht sein, konkrete Programme sind ja scheinbar genauso kontraproduktiv. Nate Silver hat mehrmals darauf hingewiesen: Es ist der „common sense“ der Überdacht werden sollte. Wirtschaftseliten nennen es neuerdings „decision traps“.

            • In Dubio 25. Januar 2018, 22:45

              Keine Frage, in UK findet ein interessantes Experiment statt. Entweder die Tories erholen sich in den nächsten Jahren – wonach es derzeit nicht aussieht – und Corbyn wird bei einer erneuten Wahlniederlage eine unbedeutende Episode der britischen Geschichte sein. Wahrscheinlicher halte ich, dass auch aufgrund der zunehmenden Spannungen wegen der chaotischen Organisation des BREXITs die Regierung implodiert und ermattet 2021 abgewählt wird (regulär wäre glaube ich 2022). Ideologisch bin ich bei den Liberaldemokraten und fern von Corbyn, das bedarf eigentlich keiner Erwähnung. Aber ich bin auch Analytiker der Verhältnisse und das Projekt Corbyn ist in jedem Fall spannend.

      • Ralf 26. Januar 2018, 03:45

        @ In Dubio

        Als Kern Ihrer Vision formulieren Sie folglich, den Oberen genügend wegzunehmen […] was hätten Sie solchen Kreisen anzubieten, außer ein kostenloses Ticket mit den öffentlichen Verkehrswerken?

        Hmmm … jetzt hab ich mir soviel Muehe gegeben ein Bild zu malen, wie ich mir eine positive Vision fuer ein gerechteres Land vorstelle und sie destillieren es runter auf „den Reichen Geld wegnehmen“ und ein „kostenloses Bahnticket“. Das ist keine ganz faire Darstellung. Aber am besten kann ich Ihnen antworten, indem ich vorher aus einer Ihrer Repliken auf Ariane zitiere:

        Ich habe immer ein Problem, wenn der Sozialstaat Menschen unter die Arme greift, die dessen nicht bedürfen.

        Das ist ja eine Ihrer bekannten Thesen: „Der Staat soll sich nur um diejenigen kuemmern, die sich selbst nicht helfen koennen. Dafuer der Mittelklasse das Leben angenehmer zu machen, ist er nicht da.“

        Ich koennte nicht vehementer widersprechen und hier scheiden sich unsere Visionen fuer unser Land fundamental. Ich bin fuer einen Staat, der sich ganz massiv einbringt der Mittelklasse das Leben leichter zu machen. Und ich moechte Ihnen zwei Beispiele nennen.

        Das erste ist eine Bekannte von mir, die in den USA lebte und durch die Geburt ihrer Zwillinge finanziell praktisch ruiniert worden ist. Die gehoerte eigentlich solide zur unteren Mittelklasse. Sie und ihr Mann hatten beide ein ordentliches Gehalt und stabile Arbeit. Das Problem war, dass es in den USA keine staatlich subventionierten Kitas gibt und das bedeutet, dass die Kosten horrend sind. Fuer die Zwillinge fiel mehr an als das komplette Gehalt meiner Bekannten. Sie haette Geld sparen koennen, wenn sie ihren Beruf an den Nagel gehaengt haette. Das natuerlich waere fuer sie langfristig katastrophal gewesen. Also musste die vierkoepfige Familie mit weniger als dem vollen Gehalt des Mannes auskommen, was einfach hinten und vorne nicht passte. Jeden Monat schmolzen die Ersparnisse der Familie weiter dahin und gerettet wurde meine Bekannte nur dadurch, dass sie und ihr Mann irgendwann Jobangebote aus Deutschland bekamen, wo sie jetzt ihre Kinder fuer einen Spottpreis in die Kita geben koennen und sich finanziell langsam wieder erholen.

        So profitiert die Mittelklasse von der Hilfe der Gemeinschaft, also mit anderen Worten des Staates. Sie erwaehnen in Ihrem Text als potentielle SPD-Waehlerin den speziellen Fall einer „27jährigen Frührentnerin, […] mit einem Tumor im Kopf, aber einem ehrgeizigen Neu-Ehemann“ (Ihr Zitat). Das Beispiel ist leider wenig repraesentativ. Die Mehrheit der 27jaehrigen Frauen hat nicht mit einer fatalen Krankheit zu kaempfen. Allerdings duerfte die Mehrheit der 27jaehrigen Frauen Kinder haben oder sich zumindest wuenschen. Dass der Staat Verhaeltnisse und Bedingungen schafft, unter denen man Kinder grossziehen kann ohne bankrott zu gehen – und damit ein funktionaler Staat fuer die Mittelklasse (Kitas, Kindergeld, Schulen etc.) – ist im ureigensten Interesse dieser Mehrheit. Eine soziale Partei auf dieser Wellenlaenge waere absolut attraktiv fuer diese Gruppe.

        Das zweite Beispiel ist mein eigenes Semesterticket, mit dem ich als Student und auch noch als Doktorand kostenlos mit Bus und Bahn fahren konnte. Auch ich war niemals ein Sozialfall, wenngleich ich auch mit Sicherheit nicht wohlhabend war. Ich komme aus einer Familie der unteren Mittelklasse. Aber mir haben die kostenlosen oeffentlichen Verkehrsmittel unheimlich geholfen. Freunde von mir wohnten am anderen Ende der Stadt. Und auch die Uni war nicht gerade nah. Ohne Semesterticket haette ich zu beiden mit dem Auto fahren muessen. Das haette die Umwelt geschaedigt. Es waere so teuer gewesen, dass ich es mir nicht immer haette leisten koennen. Und folglich waere ich seltener bei Freunden gewesen. Das haette mein soziales Leben eingeschraenkt. Und ich waere seltener in der Uni gewesen. Das haette moeglicherweise bedeutet, dass der Steuerzahler ein Jahr laenger fuer mein Studium haette aufkommen muessen. Es waere fuer alle eine Lose-Lose-Situation gewesen.

        Und deshalb kann ich Arianes Forderung nach einem kostenlosen Bus- und Bahnticket fuer alle nur voll unterstreichen. Das waere absolut in unser aller Interesse und im Interesse der Umwelt. Und Bus und Bahn muessen uebrigens ohnehin bezahlt werden. Es fragt sich halt nur wer in der Gesellschaft welchen Anteil traegt.

        Es ging um die Kommunikations- und Marketingstrategie, daraus eine attraktive Gesellschaftsidee zu formen, die in Wahlen Mehrheiten gewinnt.

        Nein, mir geht es ueberhaupt nicht um Marketingstrategien. Parteien sind nicht Unternehmen, die in jedem Umfeld Kunden finden muessen. Parteien sollen aus meiner Sicht jeweils fuer gewisse Vision fuer das Land stehen und dem Waehler ein Angebot machen. Welches Angebot der Waehler annimmt, schwankt dabei mit der Zeit und ist oft zyklisch. Das zeigt sich in Zweiparteiensystemen bei Mehrheitswahlrecht besonders eindrucksvoll. In den USA wechseln sich z.B. Republikaner und Demokraten mit ziemlicher Regelmaessigkeit ab. In Systemen mit Verhaeltniswahlrecht ist die Situation komplizierter, weil nicht nur die Regierungspartei sondern auch Koalitionen wechseln koennen (Merkel hat z.B. in einer GroKo und in einer Schwarz-Gelben Koalition regiert). Dadurch wird zusaetzliche Vielfalt geschaffen. Aber auch hier kommen und gehen Ideen oft nach einem zyklischen Muster. Eine Partei, die auf soziale Gerechtigkeit setzt, wird irgendwann wieder nach oben gespuelt werden, wenn sie bei ihrem Programm bleibt. Manchmal muss man eben etwas Geduld mitbringen.

        Wer staendig versucht jedem Trend hinterher zu rennen, laeuft Gefahr so zu enden, wie derjenige, der im Stau staendig versucht die Fahrspur dahin zu wechseln, wo sich gerade was bewegt. Und immer wenn er es gerade geschafft hat sich in die vermeintlich „schnellere“ Fahrspur einzufuegen, bleibt diese ploetzlich stehen und auf der anderen Spur fahren die Fahrzeuge los. Der uebereifrige Spurwechsler ist am Ende der, der am langsamsten vorankommt.

        Daraus kann auch die SPD lernen. Man muss nicht jedem Trend hinterher rennen. Und um Gotteswillen sollte die Partei nicht den Faschisten von der AfD oder den Ellbogenkapitalisten von der FDP nachlaufen. Fuer meine persoenliche Wahl ist das garnicht mal entscheidend. Meine Stimme bekommen die Sozialdemokraten ohnehin nicht. Aber am Ende bin ich ueberzeugt, dass die SPD so nur verlieren kann. Die Faschisten werden am Ende lieber das Original waehlen. Und die Turbokapitalisten ebenfalls.

        Die einzigen realistischen Zielgruppen fuer die SPD, die die Sozialdemokraten langfristig wieder in die Regierung heben koennten, sind die mittlere und untere Mittelklasse, die Arbeiterklasse und die vielen Habenichtse in unserer Gesellschaft, die wieder aufsteigen wollen und eine Leiter suchen. Ein Teil dieser Waehler ist heute bei der Union, weil Angela Merkel fuer eine CDU-Kanzlerin relativ nahe an die Mitte gerueckt und damit attraktiv geworden ist (Atomausstieg, Abschaffung der Wehrpflicht, liberale Fluechtlingspolitik, Mindestlohn, Ehe fuer alle etc.). Sollte Ihr Freund Jens Spahn die Macht in der Union an sich reissen, werden diese Waehler ein neues Zuhause suchen. Gruene und SPD bieten sich an und es ist prinzipiell fuer eine potentielle Rot-Rot-Gruene (bzw. Gruen-Rot-Rote) Regierung einigermassen egal, wer im linken Lager diese zusaetzlichen Waehler bekommt. Ein Teil moeglicher Wechselwaehler, natuerlich in geringerem Masse, ist auch bei der FDP. Naemlich diejenigen, die Lindners Truppe wegen ihrer Hauptwahlkampfthemen, der Digitalisierung und der Bildung, gewaehlt haben und nach der Wahl, als die Liberalen ihre Plaene dort in einer Jamaika-Koalition haetten umsetzen koennen, fassungslos zur Kenntnis nehmen mussten, dass die Partei lieber in die Opposition marschierte, weil es ihr am Ende doch nur um die Entlastung der Wohlhabenden ging. Diese enttaeuschte Waehlergruppe koennte die SPD (oder die Gruenen) mit einem modernen, progressiven Programm abwerben. Und natuerlich kann die SPD auch von der AfD wieder Waehler zurueckholen. Naemlich die, fuer die die SPD nur noch eine reine Establishment-Partei ist, die seit Schroeder Politik gegen den kleinen Mann macht. Ein glaubwuerdiger Kanzlerkandidat Kevin Kuehnert (just kidding!), der sich glaubhaft von Hartz IV und den ganzen Schweinereien distanziert, koennte einen Teil dieser Klientel wieder zurueckgewinnen. Mit Martin Schulz und einer neuen GroKo erreicht man natuerlich das exakte Gegenteil. Das selbe gilt fuer Nahles, die ja bei allen Entscheidungen der Vergangenheit mit dabei war. Da muss ich dann auch Ariane widersprechen. Nahles ist mitnichten ein Neuanfang. Nahles ist die personalisierte Vergangenheit mit rheinischem Akzent, diesmal ohne Bart und in weiblich.

        • Ariane 26. Januar 2018, 06:45

          Absolute Zustimmung, schön gesagt!

          Aber^^
          Das selbe gilt fuer Nahles, die ja bei allen Entscheidungen der Vergangenheit mit dabei war. Da muss ich dann auch Ariane widersprechen. Nahles ist mitnichten ein Neuanfang. Nahles ist die personalisierte Vergangenheit mit rheinischem Akzent, diesmal ohne Bart und in weiblich.

          He, ich hab nie gesagt, dass sie für einen Neuanfang steht. Sie wäre eben ein anderer Typ als Merkel (und die Schlaftabletten in den eigenen Reihen)
          Ich fänds auch gut, wenn in vier Jahren Malu Dreyer oder so antritt, die besser einen Neuanfang verkörpert. Mir gehts erstmal mehr um Parteiführung und Vizekanzlerschaft – und das wäre ja auf jeden Fall „neuer“ als wenn sie da Gabriel und Schulz mitschleppen. 🙂

        • Floor Acita 26. Januar 2018, 07:23

          „Nahles ist mitnichten ein Neuanfang. Nahles ist die personalisierte Vergangenheit mit rheinischem Akzent, diesmal ohne Bart und in weiblich.“

          Der Gerd steht auch wieder zur Vefügung, ist auch ziemlich gut im „fundraising“, irgendwas mit Gasindustrie oder so, hab ich gehört 🙂

        • In Dubio 27. Januar 2018, 11:59

          Zweiter Versuch, ich hatte eine tolle Replik und habe sie weggetabt.

          Hmmm … jetzt hab ich mir soviel Mühe gegeben ein Bild zu malen, wie ich mir eine positive Vision für ein gerechteres Land vorstelle

          Ja, das Leben ist oft ungerecht – und daran sind die Neoliberalen schuld. 🙂

          Es ist ja keine Frage, dass Angebote des Staates auch Annehmlichkeiten mit sich bringen, wer wollte das bestreiten? Die Frage ist, ob sich dies mit übergeordneten Zielen der Ressourcenschonung, Zielorientierung und Verteilungsgerechtigkeit vereinbaren lässt. Das sind Anliegen, die doch gerade Linken besonders wichtig sind. Nehmen wir Arianes Vorschlag, den Öffentlichen Nahverkehr (ÖNV) aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren. Was hat konkret die Sachbuchhalterin mit 2.800 Euro p.m. in Mühlheim davon, die täglich mit dem eigenen alten Auto oder dem Fahrrad ins benachbarte Offenbach (Main) pendelt, während der Investmentbanker im Frankfurter Westend demnächst sein Ticket für die zwei Stationen zur Börse vom Steuerzahler erlassen bekommt? Als ich Student war, bin ich mit dem Fahrrad gefahren, weil erstens der Bus so voll war, der Weg mit dem Fahrrad schneller zurückgelegt wurde und drittens das noch Spaß gemacht hat. Heute fahre ich in Großstädten wie Berlin kaum mit dem Auto, das wäre ja irre. Sie denken an die Prekären in Frankfurt Bornheim, nur dort ist ein Auto noch ein Statussymbol und sie haben wenig davon, kostenlos auf die Zeil fahren zu können. Was sollen sie da?

          Wir wissen, dass die Grünen vor allem von Bessersituierten gewählt werden – die überdurchschnittlich häufig in Großstädten sehr gute Wahlergebnisse erzielen. Ist es da Wunder, dass keine Partei sich so für kostenlose Nahverkehrstickets einsetzt wie die Grünen? Sie schimpfen so auf die Ellbogen-Liberalen, sehen aber nicht, wie subtil andere Parteien ihre Klientel unter die Fittiche nehmen.

          Die Europäische Zentralbank in Frankfurt beschäftigt tausende Angestellte aus allen Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft. Insbesondere aufgrund der extrem niedrigen Taxierung (die Abgabenbelastung der Gehälter liegt irgendwo bei 5-6 Prozent) ist das ein sehr wohlhabender Kreis. Den vergleichsweise fruchtbaren Mitarbeitern bietet die EZB als Sozialleistung bestens ausgestattete Kindertagesstätten zu einem Beitrag von 100 Euro für ihren Nachwuchs. Ähnlich verfahren andere Großunternehmen im Rhein-Main-Gebiet. Es gibt andere Wege, das Problem der Kinderbetreuung Berufstätiger zu lösen, als allein in einen Bereich mit relativ wenigen Betroffenen Milliarden Euro zu pumpen. Abgesehen davon werden Sie kaum erklären können, was gerade an dem Fall EZB besonders verteilungsgerecht ist, wenn die Kinder von Wohlhabenden, für die 100 Euro Beitrag nicht spürbar ist, die beste frühkindliche Betreuung erhalten, während Kinder aus benachteiligten Elternhäusern mit Großgruppen Vorlieb nehmen müssen.

          Sie erwähnen in Ihrem Text als potentielle SPD-Wählerin den speziellen Fall einer „27jährigen Frührentnerin, […] mit einem Tumor im Kopf, aber einem ehrgeizigen Neu-Ehemann“ (Ihr Zitat). Das Beispiel ist leider wenig repräsentativ.

          Ich hoffe Sie haben sich verschrieben und meinten statt „leider“ „glücklicherweise“. 😉 Der Punkt ist ja, dass wir dauernd solche Einzelfälle haben und ein wachsender Teil sich nicht mehr typisieren lässt. Sagen Sie dann: Pech gehabt, dann kümmere ich mich halt um andere Wählerschichten? Sie machen nämlich wie viele Linke generell den Fehler, Typisieren zu wollen. Sie sehen Bürger als Einzelpersonen und kommen deswegen zu falschen Schlussfolgerungen. Es ist ja durchaus interessant, dass Politiker wie Sanders und Corbyn gerade bei sehr jungen, gut gebildeten Menschen erfolgreich sind, die eben häufig sich auf dem gleichen Level der ökonomischen Entwicklung sich befinden. Doch sobald ein Störfaktor auftaucht, schwenken sie ab. Ich habe Ihnen auch die Beispiele von Erzieherinnen genannt. Oder meinen Sie nicht, dass Angestellte in öffentlichen Kitas ein klassische Klientel des linken Lagers sind? Das sind allesamt junge Menschen mit meist durchschnittlicher und manchmal etwas überdurchschnittlicher Ausbildung. Und für diese Leute haben SPD und LINKE keine Idee, wie sie sie gewinnen können?

          Es fragt sich halt nur wer in der Gesellschaft welchen Anteil trägt.

          Nein, die Frage stellt sich nicht, wenn wir über soziale Angebote an breite Bevölkerungsschichten nachdenken. Dann gibt allein das Einkommen der oberen 10% es nicht her, dass diese vor allem zahlen. Gerade Jens Berger hat das vor wenigen Tagen in Bezug auf das Grundeinkommen nochmal en detail vorgerechnet. Das ist eine Sache von „Rechte Tasche, linke Tasche“, und das war nie anders.

          Nein, mir geht es überhaupt nicht um Marketingstrategien. Parteien sind nicht Unternehmen, die in jedem Umfeld Kunden finden müssen.

          Doch, genau das sind Parteien. Sie bewegen sich auf dem Wählermarkt. Und auch Wähler müssen vor allem angesprochen werden, spätestens das Revival der FDP sollte Sie doch dahingehend belehrt haben. Also empfiehlt es sich, als jemand, der Parteien Empfehlungen geben will, auch darüber nachzudenken, wie so etwas verkaufbar ist. Ansonsten macht man sich nur einen schlanken Fuß.

          Die einzigen realistischen Zielgruppen für die SPD, die die Sozialdemokraten langfristig wieder in die Regierung heben könnten, sind die mittlere und untere Mittelklasse, die Arbeiterklasse und die vielen Habenichtse in unserer Gesellschaft, die wieder aufsteigen wollen und eine Leiter suchen.

          Und Sie meinen, Merkel habe diese Leute mit Atomausstieg und einer liberalen Flüchtlingspolitik gewonnen? Arbeiter und Habenichtse wählen kaum, das hat selbst die LINKE erkannt. Und das wollen sie gehen einigermaßen gutverdienende Wählerschichten eintauschen? Tolle Strategie!

          Bei dem Punkt, was hätten Sie den mittel verdienenden Einkommen anzubieten, waren Sie plötzlich total still. Sie haben zwar Ideen, wie man sehr Reichen Vermögen wegnehmen könnte. Aber Sie haben nicht den Hauch einer Idee, wie Politik untere und mittlere Einkommen vermögender machen könnte. Die Abschaffung der Abgeltungsteuer für Zinserträge, die nun so gefeiert wird, trifft Einkommen ab so 25.000 Euro, für die allein wird Sparen noch unattraktiver. Vermögensbildung durch Wohneigentumserwerb – keine Idee von Ihnen. Vermögensbildung durch Investieren in den Kapitalstock der Gesellschaft – keine Idee von Ihnen. Gabor Steingart hat vorgerechnet, dass Sie nur 50 Euro im Monat sparen müssten, um im Verlaufe Ihres Lebens dahin zu kommen, was Linke heute als wohlhabend bezeichnen. Ist das wirklich kein Ziel für Sie? Für die meisten Menschen schon und so lange Linke das nicht verstehen, werden sie eine Minderheitenfraktion bleiben. Zu Recht.

          • Ralf 28. Januar 2018, 04:20

            Es ist ja keine Frage, dass Angebote des Staates auch Annehmlichkeiten mit sich bringen, wer wollte das bestreiten? Die Frage ist, ob sich dies mit übergeordneten Zielen der Ressourcenschonung, Zielorientierung und Verteilungsgerechtigkeit vereinbaren lässt. Das sind Anliegen, die doch gerade Linken besonders wichtig sind. Nehmen wir Arianes Vorschlag, den Öffentlichen Nahverkehr (ÖNV) aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren. Was hat konkret die Sachbuchhalterin mit 2.800 Euro p.m. in Mühlheim davon, die täglich mit dem eigenen alten Auto oder dem Fahrrad ins benachbarte Offenbach (Main) pendelt […]

            Was hat der Kinderlose vom Bau von Schulen und Spielplaetzen? Was hat der Gesunde von der Nachruestung von Bussen und Bahnen fuer Behinderte? Was hat der Brieftraeger oder der Muellmann von der Foerderung von Universitaeten? Weshalb sollte ein
            Buerger ansaessig in Dresden eine Autobahn finanzieren, die von Stuttgart nach Muenchen verlaeuft?

            Die Antwort ist immer die selbe. In einer Staatsgemeinschaft entscheiden die Buerger darueber was sie haben wollen, indem sie Politiker waehlen, die fuer entsprechende Angebote kaempfen und wenn die Mehrheitsentscheidung gefallen ist, macht die gesamte Community die Projekte ueber ihre Steuerzahlungen moeglich. Das bedeutet zwangslaeufig, dass Sie als Buerger immer wieder auch Angebote finanzieren werden muessen, die Ihnen nichts bedeuten, nichts nuetzen und die Sie moeglicherweise fundamental ablehnen. So finanziert der Pazifist etwa die Bundeswehr mit und der Stuttgart21-Gegner bezahlt einen Bahnhof, den er nicht will. Gluecklicherweise profitiert jeder halt auch irgendwann vom Service des Staates. Die autofahrende Sachbuchhalterin aus Ihrem Beispiel mag sich z.B. ueber ihren erzwungenen Beitrag zu den oeffentlichen Verkehrsmitteln aergern, dafuer bietet ihr der Staat an anderer Stelle kostenlose oeffentliche Schulen fuer ihre Kinder an, ueber deren Finanzierung sich wiederum der kinderlose Rentner nebenan aergert, der mangels Auto mit dem Bus faehrt.

            Natuerlich ist der Staat nicht dafuer da, jedem Buerger irgendeinen Wunsch von den Augen abzulesen. Projekte, die von der Gemeinschaft finanziert werden, sollten auch einen breiten gesellschaftlichen Nutzen haben. Aber genau das ist bei den oeffentlichen Verkehrsmitteln ganz offensichtlich der Fall. Und mitnichten nutzt das nur den Stadtbewohnern. Meine Grossmutter wohnte z.B. lange Zeit in einem sehr kleinen Staedtchen im laendlichen Raum mit nur einem Supermarkt und ohne groessere Geschaefte. Die naechstgelegene Stadt mit einem grossen Kaufhaus und Laeden fuer Kleider und anderes befand sich etwa 17 Kilometer entfernt und ein Auto besass sie nicht. Die oeffentlichen Verkehrsmittel waren fuer sie die einzige Moeglichkeit einmal groessere Einkaeufe zu taetigen. Oder als mein Grossvater dort in dieser naechstgelegenen Stadt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, waren die oeffentlichen Busse die einzige Moeglichkeit ihn zu besuchen. Als Kind, wenn meine Eltern keine Zeit hatten mich zu chauffieren, war der Bus die einzige Moeglichkeit zu meiner Oma zu gelangen. Aehnliche Beispiele koennte ich von meiner Schwester nennen, die lange Zeit in einem noch kleineren Dorf gelebt hat. Meine Schwester verfuegt zwar ueber ein grosses Auto, mit diesem ist sie allerdings laufend beruflich unterwegs. Um das Dorf rum war nur Wald und Natur. Einsam und weit und breit keine Menschenseele. Da schickt sicher niemand seine Kinder guten Gewissens durch. Und so war auch hier der Bus die einzige Moeglichkeit, dass die Grosse zum Geigenunterricht, der Mittlere zum Fussballtraining und die Kleine zu ihren Schulfreundinnen kommt. Alleine schon der Schulbesuch waere ohne oeffentliche Verkehrsmittel unmoeglich gewesen.

            Und oben drauf haben wir alle als Gesellschaft, und das schliesst Ihre Sachbuchhalterin mit ein, ein Interesse an der Schonung und Bewahrung unserer Umwelt. Wir wollen ein Mehr an Nutzern, nicht ein Weniger. Durch die Ticketpreise werden Kunden allerdings abgeschreckt. Wenn Autofahren nicht viel teurer ist, ist es wahrscheinlich attraktiver sein Fahrzeug zu benutzen. Unter den entstehenden Abgasen leiden wir dann alle. Kostenlose oeffentliche Verkehrsmittel hingegen wuerden so manchen bewegen auf diese umweltfreundlichere Alternative umzusteigen. Dazu fielen fuer die Kunden Unannehmlichkeiten weg, wie staendig Kleingeld in der Tasche haben zu muessen, Kontrolleure wuerden nicht mehr benoetigt, Fahrkartenautomaten muessten nicht mehr installiert und gewartet werden, der Straftatbestand des Schwarzfahrens wuerde eliminiert, die ganze Buerokratie verbunden mit speziellen Fahrausweisen fuer Schulkinder, Studenten, Senioren und Behinderte wuerde entfallen und vermoegensarme Arbeitslose auf der Suche nach relativ niedrig bezahlten Taetigkeiten koennten den Radius ihrer Arbeitssuche deutlich ausweiten. Zumindest diese positiven Aspekte muessten doch selbst einem ueberzeugten Neoliberalen das Herz hoeher schlagen lassen …

            Nein, die Frage stellt sich nicht, wenn wir über soziale Angebote an breite Bevölkerungsschichten nachdenken. Dann gibt allein das Einkommen der oberen 10% es nicht her, dass diese vor allem zahlen.

            Wie auch immer. Die oeffentlichen Verkehrsmittel werden zweifellos heutzutage bereits von irgendwem bezahlt. Teilweise vom Steuerzahler insgesamt, denn der Staat subventioniert den Betrieb ja kraeftig. Und teilweise von den Fahrgaesten. Diese Fahrgaeste gehoeren eher zu den Geringverdienern und aus oben genannten Gruenden, die auch den oberen 10% nuetzen, wollen wir mehr, nicht weniger. Stellt sich also die Frage, weshalb wir fuer die Aufrechterhaltung dieses so wichtigen staatlichen Angebots ausgerechnet diejenigen am staerksten belasten, die es sich am wenigsten leisten koennen. Zusaetzlich stellt sich die Frage, ob wir nicht erfolgreicher waeren damit mehr Kunden fuer die oeffentlichen Verkehrsmittel zu gewinnen und gleichzeitig weniger Autos auf die Strassen zu bringen, wenn wir die Kosten fuer die Kunden der oeffentlichen Verkehrsmittel senken, und die entstehenden Ausgaben stattdessen auf die Schulter aller Steuerzahler legen.

            Sie bewegen sich auf dem Wählermarkt. Und auch Wähler müssen vor allem angesprochen werden, spätestens das Revival der FDP sollte Sie doch dahingehend belehrt haben.

            Der Begriff “Waehlermarkt” existiert nicht. Das ist eine Wortneuschoepfung von Ihnen. Waehler sind nicht Kunden auf einem Markt und Parteien sind nicht Geschaefte, die ein Produkt verkaufen.

            Und Ihr vielzitiertes “Revival” der FDP ist tatsaechlich wesentlich unspektakulaerer als Sie das hier immer behaupten. CDU und FDP haben eine stark ueberlappende Zielgruppe und funktionieren folglich wie kommunizierende Roehren. Ihr kombinierter Anteil bei der Bundestagswahl in 2013 war 46,3% und dieser Anteil ist in 2017 auf 43,6% gesunken. Ein Teil der Waehler von 2013 ist zur AfD abgewandert, was deren Anstieg um 7,9% im selben Zeitraum teilweise erklaert. Ausserdem hat die AfD auch noch einen Grossteil der Stimmen aufgesogen, die andernfalls zur NPD und aehnlichen Parteien geflossen waeren. Dieser rechtsextreme Stimmenanteil ist immer da und in einem Umfeld, in dem die Fluechtlingsfrage das dominante Thema ist, auch signifikant, hat aber normalerweise keine politischen Folgen, da die entsprechenden Parteien fuer gewoehnlich die 5%-Huerde nicht ueberwinden. Da die AfD in den Bundestag eingezogen ist, haben diese rechtsextremen Stimmen nun zum ersten Mal eine Vertretung im Parlament gefunden. Wenn man diese Effekte beruecksichtigt, bleibt von einem “heftigen gesellschaftlichen Rechtsruck”, den Sie staendig beschreiben, kaum noch etwas uebrig, vor allem wenn man bedenkt, dass die Merkel-CDU auch einen bescheidenen, aber signifikanten Teil der Mitte-Links-Stimmen bindet und die CDU folglich nicht total in vollem Umfang zum “rechten Lager” gezaehlt werden kann. Das selbe gilt im uebrigen fuer die FDP. Auch da gibt es einen Teil der Waehler, die – anders als Herr Lindner – die Themen Digitalisierung, Bildung und Buergerrechte bedeutsam finden und die die Liberalen wegen dieser konkreten Inhalte gewaehlt haben, nicht wegen Steuersenkungen fuer Wohlhabende.

            • In Dubio 28. Januar 2018, 09:02

              Sie geben mir Gelegenheit, meinen liberalen Kanon herunterzuleiern. Sicherheit nach Innen und Außen, Rechtstaat im engeren, Bildung und Infrastruktur im Erweiterten sind originäre Aufgaben des Staates. Der Grund sind dabei nicht die Kosten, sondern dass es keinen breiten Ausschluss von Trittbrettfahrern gibt und / oder allein der Staat eine einheitliche Versorgung sicherstellen kann. Der reichste Mann eines Landes könnte sich eine Privatarmee aufstellen um sich vor einem feindlichen Angriff aus dem Ausland zu schützen. Die Nutznießer davon wären aber auch die anderen Bürger, die allein schon vom Abschreckungseffekt profitieren. Es ist nicht gerecht, dass dafür nur ein einzelner zahlt. Der Staat ist allein in der Lage, für eine einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen. Wie schwer das ist, zeigen Länder, wo sich das Recht über Präzedenzfälle Bottom-Up bildet.

              Beides sind keine Kriterien, die auf den öffentlichen Nahverkehr zutreffen. Private sind sehr wohl in der Lage, zumindest in Ballungsräumen einen Nahverkehr zu betreiben. Und genauso können Nicht-Zahler von der Nutzung ausgeschlossen werden, wie Ihr Verweis auf die Schwarzfahrer zeigt – der übrigens einigermaßen makaber ist, wie ich unten noch darlegen werde. Schulen sind für Kinder dar und die Aufzucht von ihnen ist mit die wichtigste Aufgabe, die eine jede Gesellschaft hat. Die Forderung nach Mobilität auf die gleiche Prioritätenebene zu heben wie die Sorge um Kinder, zeigt lediglich, wie die Werte verrutscht sind.

              Der Grund, warum Sie den Öffentlichen Nahverkehr kostenlos haben wollen, ist rein – nach Ihrem Verständnis – sozialer Natur. Denn der Staat ist sehr wohl in der Lage, von anderen Nutzern der Infrastruktur Kostenbeiträge zu erheben – von der Maut bis zur Kfz- und Mineralölsteuer. Nach der Methode könnten Sie auch kostenlose Smartphones für alle fordern. Aber warum sollen alle für eine Leistung zahlen, die nur von einem kleinen Kreis genutzt wird? Was soll daran sozial sein? Und von diesem kleinen Nutzerkreis sind nur relativ wenige so mittellos, dass sie aus Kostengründen auf das Bezahlangebot verzichten. Das Auto jedenfalls ist kein kostengünstiges Verkehrsmittel. Soweit sie alleine fahren, ist es teurer als öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie aber zu mehreren unterwegs, so ist sowohl die finanzielle als auch die ökologische Bilanz des PKWs besser.

              Warum dennoch so viele Menschen PKWs zu beruflichen wie für den Arbeitsweg nutzen, hat mit der vergleichsweise schlechten Leistung der öffentlichen Träger zu tun. Pünktlichkeit, Sauberkeit, Sicherheit, Schnelligkeit und zeitliche Taktung bietet der Staat nicht so, dass sein Angebot viele überzeugt. Warum sollen Menschen für etwas mitzahlen, was sie nicht überzeugt? Der Pazifist kann gerne mal ein libysches Gefängnis als Insasse besuchen, dann wird er den Nutzen der Bundeswehr schon zu schätzen lernen. Sicherheit ist wie oben angeführt originär genauso wie die Erstellung von Infrastruktur, weshalb auch der S21-Gegner zurückstehen muss, wenn Gerichte – nicht ein Ministerium – gesagt hat, dass in Stuttgart ein neuer Bahnhof errichtet wird. Das ist nur etwas völlig anderes als wenn der Staat sagt, er übernimmt nicht nur den ÖNV, sondern macht ihn auch noch kostenlos. Denn damit schließt er die Bürger gleichfalls aus, sich selbst, eben auch mit Bussen und Bahnen, selbst zu organisieren.

              Und nun kommen wir zu den gesellschaftlichen Kosten. Ihre Beispiele legen nahe, dass Sie generell das Angebot öffentlicher Beförderung kostenlos halten wollen. Hier sind wir nicht mehr im Bereich von zweistelligen Milliardenbeträgen, sondern im dreistelligen. Das lässt sich nicht rechtfertigen, dass wir ein paar Millionen Menschen mobil halten zu gesellschaftlichen Kosten, die der Gesundheitsversorgung für alle entsprechen, die wirklich allen Bürgern zugute kommt. Ihre kriterienlose Argumentation zieht dann unbegrenzte Kreise: heute müssen sich viele Gemeinden zusammenlegen, Behördenapparate, öffentliche Angebote wie Schwimmbäder etc. Ihre Argumente angewandt, ist das nicht zu rechtfertigen und muss mit Steuergeldern gegengehalten werden. Denn warum sichern wir die Mobilität einer Frau im hintersten Vorpommern, nicht aber die Teilhabe deren Nachbarn und Kinder an der örtlichen Schule?

              der Straftatbestand des Schwarzfahrens würde eliminiert

              Ich mache Ihnen einen Vorschlag: wir sollten die Steuerzahlungen freiwillig halten, so können wir auch den Straftatbestand der Steuerhinterziehung eliminieren. Und das ist weit bedeutender. Dazu berücksichtigen Sie nicht, dass Sie ja die Steuern weiter in die Höhe treiben, was mehr Menschen in die Steuerflucht treibt. Sie würden schon gedanklich zwar keine Schwarzfahrer mehr haben, dafür aber mehr Menschen in die Steuerhinterziehung treiben – ein schwereres Vergehen. Das ist ein Weg, die Gesellschaft zu kriminalisieren.

              die ganze Bürokratie verbunden mit speziellen Fahrausweisen für Schulkinder, Studenten, Senioren und Behinderte würde entfallen und vermögensarme Arbeitslose auf der Suche nach relativ niedrig bezahlten Tätigkeiten könnten den Radius ihrer Arbeitssuche deutlich ausweiten.

              Niemand behauptet, dass Soziales bürokratielos wäre. Abgrenzungsfragen sind mit Bürokratie verbunden, die Fahndung nach Steuerhinterziehern allerdings auch. Und der Grund, warum Geringqualifizierte nicht einen langen Fahrtweg in Kauf nehmen, hat meist mehr damit zu tun, dass sich dies zeitlich nicht lohnt als mit den Kilometerkosten. Nicht zufällig steigt der Fahrtweg mit dem Einkommen, wo das Einkommen so attraktiv ist, das Menschen 4 Stunden pendeln. Wer würde das für einen Minijob tun?

              Die Bürger sind nicht bereit, mehr Steuern aufzuwenden, schon die Belastungsstatistiken der OECD zeigen, dass Deutschland an der Spitze angekommen ist, jeder fühlt das bei der monatlichen Gehaltsabrechnung. Sie werden mit dem Versprechen auf kostenlose öffentliche Mobilität keine Mehrheiten organisieren können, wenn Sie gleichzeitig anführen müssen, dass die monatlichen Kürzungen auf dem Gehaltszettel dafür um mindestens 5-10 Prozent höher ausfallen werden. Und es ist doch angeblich Ihr Anliegen, linke Ideen wieder mehrheitsfähig zu machen, oder?

              Der Begriff “Wählermarkt” existiert nicht. Das ist eine Wortneuschöpfung von Ihnen.

              Anscheinend inspiriere ich inzwischen schon die altehrwürdige F.A.Z.

              CDU und FDP haben eine stark überlappende Zielgruppe und funktionieren folglich wie kommunizierende Röhren.

              Sie haben allein in diesem Forum mit Erwin Gabriel und mir zwei FDP-Wähler, die mit der Union so wenig am Hut haben, aber in der Vergangenheit viel mehr mit der SPD. Und Sie übersehen gesellschaftliche Veränderungen. Zweistellige Ergebnisse für die Liberalen (bundesweit gerechnet unter Berücksichtigung der schlechten Werte im Osten) eher die Ausnahme, nun hatten wir das bei drei aufeinander folgenden Bundestagswahlen zweimal. Die Start-up-Szene in Berlin, Hamburg und München gab es vor 20 Jahren nicht, mentalitätsmäßig sind die ganz anders gestrickt als ein Herr Grundig. Genau in solchen gesellschaftlichen Veränderungen liegt auch Potential für linke Parteien. Wenn Sie denn fähig wären es zu heben.

              • Ralf 28. Januar 2018, 23:36

                Der reichste Mann eines Landes könnte sich eine Privatarmee aufstellen um sich vor einem feindlichen Angriff aus dem Ausland zu schützen. Die Nutznießer davon wären aber auch die anderen Bürger, die allein schon vom Abschreckungseffekt profitieren. Es ist nicht gerecht, dass dafür nur ein einzelner zahlt.

                Hmmm … also die Argumentation ist schon einigermassen tragikomisch. Sie wollen mir erzaehlen, das Steuersystem sei dafuer geschaffen worden, um die Interessen der Reichsten und Wohlhabendsten gegen die uebergrosse Mehrheit der Normalbuerger durchzusetzen? Also selbst fuer einen Neoliberalen scheinen Sie eine enorme Portion an Humor an den Tag zu legen …

                Tatsaechlich ist es natuerlich genau andersherum. Steuern und der Staat im Allgemeinen dienen dem Schutz der Interessen der Schwachen gegenueber den Starken. Und ja, auch dem Schutz der Normalbuerger gegenueber den isolierten Interessen der reichsten Oberen Zehntausend.

                Sind Sie aber zu mehreren unterwegs, so ist sowohl die finanzielle als auch die ökologische Bilanz des PKWs besser.

                Bin nicht sicher, ob das stimmt. Ist aber auch egal, denn die grosse Mehrheit der Pendler, die morgens zur Arbeit faehrt, faehrt allein und nicht in Gruppen. Fahrgemeinschaften sind vorbildlich, aber selten. In meinem persoenlichen Bekanntenkreis kenne ich nicht eine einzige Person, die per Fahrgemeinschaft zur Arbeit faehrt. Die oekologische Bilanz des Autos bleibt folglich verheerend, wenn wir die Realitaet statt eines Luftschlosses als Basis zur Beurteilung nehmen.

                Aber warum sollen alle für eine Leistung zahlen, die nur von einem kleinen Kreis genutzt wird? Was soll daran sozial sein?

                Da komme ich wieder zu meiner urspruenglichen Frage zurueck. Weshalb sollte der Kinderlose fuer Schulen und Spielplaetze bezahlen? Kinder sind in der Gesellschaft in der Minderheit. Weshalb soll also die Mehrheit fuer diese Minderheit blechen? Oder ich erinnere mich wie vor Jahren Bus- und Bahnhaltestellen umgebaut wurden, damit auch Behinderte im Rollstuhl selbststaendig ein- und aussteigen koennen. Rollstuhlfahrer sind aber zweifellos eine winzige Minderheit. Weshalb sollte die grosse Mehrheit der Steuerzahler fuer diese kleine Gruppe zahlen, wenn sie selbst keinerlei Nutzen aus den teuren Umbauten ziehen kann?

                Die Antwort ist beeindruckend simpel: Weil es moralisch richtig ist.

                Weil es diesen Minderheiten erlaubt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und eine Zukunft zu haben. Und das selbe gilt fuer die oeffentlichen Verkehrsmittel. Die erlauben gerade den Geringverdienern eine gewisse Mobilitaet, die sie andernfalls nicht haetten. Ich als Doktorand etwa hatte damals ungefaehr 1000 Euro netto in der Tasche. Viele Geringverdiener haben noch deutlich weniger. Nach Abzug von Miete, laufenden Kosten, Lebensmitteln und anderen zwingenden Ausgaben blieben mir vielleicht gerade noch etwa 150 Euro. Ein Monatsticket fuer die oeffentlichen Verkehrsmittel in einer deutschen Grossstadt kommt auf irgendwo zwischen 55 Euro und 80 Euro. Ich haette auf die Haelfte meiner sozialen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verzichten muessen, haette ich nicht durch das Semesterticket kostenlos fahren duerfen.

                Und hier laeuft Ihr Argument dann auch voellig in die Leere. Denn die oeffentlichen Verkehrsmittel werden ja auch bereits jetzt schon finanziert. Sie wollen mir weismachen, den Reichen sei es nicht zuzumuten, sich an diesem essentiellen Service fuer die Gemeinschaft zu beteiligen. Das sei fuer die, die es sich am ehesten leisten koennen, einfach viel zu unerhoert teuer. Gleichzeitig haben Sie kein Problem damit, dass die Rechnung fuer die oeffentlichen Verkehrsmittel den haeufigsten Nutzern in vollem Umfang auf die schwachen Schultern gelegt wird, also gerade den Buergern die ohnehin schon bereits so wenig zum Leben haben und die es sich am allerwenigsten leisten koennen diese Preise zu bezahlen.

                Sie würden schon gedanklich zwar keine Schwarzfahrer mehr haben, dafür aber mehr Menschen in die Steuerhinterziehung treiben – ein schwereres Vergehen. Das ist ein Weg, die Gesellschaft zu kriminalisieren.

                Nehmen Sie an Tchibo entscheidet sich aus ethischen, moralischen Gruenden nur noch Kaffee anzubieten, der aus Fair-Trade-Produktionen stammt. Als Folge steigt der Preis fuer ein Pfund Kaffee. Wuetend ueber die Preissteigerung gehen Sie in die Filiale, packen Sie sich den Kaffee heimlich unter den Mantel und verlassen das Geschaeft ohne zu bezahlen. Als Sie spaeter auf dem Revier bei der Polizei sitzen, erklaeren Sie, dass alles Tchibos Schuld sei. Die haetten Sie durch ihr Fair-Trade-Anliegen und der damit verbundenen Preiserhoehung in den Ladendiebstahl getrieben. Empoert stellen Sie fest, man haette Sie kriminalisiert. Dabei wollten Sie doch nur billigen Kaffee kaufen, dessen niedriger Preis den Kleinbauern in Kolumbien die Lebensgrundlage unter den Fuessen wegzieht. Und das sei ja schliesslich Ihr Recht.

                Das in etwa waere die Analogie zu Ihrer Aussage oben.

                • In Dubio 29. Januar 2018, 11:17

                  Sie wollen mir erzählen, das Steuersystem sei dafür geschaffen worden, um die Interessen der Reichsten und Wohlhabendsten gegen die übergroße Mehrheit der Normalbürger durchzusetzen? Also selbst für einen Neoliberalen scheinen Sie eine enorme Portion an Humor an den Tag zu legen …

                  Ich habe das extremste exponierteste Beispiel gewählt um das klassische Staatsverständnis deutlich zu machen. Ja, das ist meine Art von Humor und gleichzeitig Provokation. 😉 Sie kennen das in den USA doch noch viel besser: in bürgerlichen Vierteln bilden sich regelmäßig Bürgerwehren, deren Aufwand gleichmäßig auf alle Anwohner verteilt werden. Schließlich profitieren alle Anwohner von solchen Bürgerwehren und nicht nur jene, die sie organisieren. Internalisierung externer Kosten nennen Ökonomen solche Umlagen.

                  Der Staat ist eben keine Veranstaltung ärmerer Schichten, das ist allein das verschobene Verständnis der erst in den späten Sechzigerjahren herausgebildeten linken Milieus. Auch ich als Besserverdiener bin bei den originären Staatsaufgaben auf eben diesen Staat angewiesen. Ohne ihn kann ich nicht mein Recht durchsetzen, ohne ihn kann ich mich nicht sicher überall im Land bewegen, ohne ihn fühle ich mich von Russland bedroht und gleichzeitig gewährt mir dieser Staat Bildungsabschlüsse, die ich auch international verwenden kann. Genau aus diesen Motiven bin ich auch enorm sauer, wenn der Staat genau an diesen seinen wichtigsten Aufgaben versagt und stattdessen lieber auf Feldern sich rumtobt, die ich als Bürger auch gut selber regeln kann. Einen Staat, der mir kein Recht verschafft, ein Staat, wo ich mich in vielen Vierteln unsicher fühlen muss, ein Staat, der die Bildung schleifen lässt, den brauch‘ ich nicht.

                  Ist aber auch egal, denn die große Mehrheit der Pendler, die morgens zur Arbeit fährt, fährt allein und nicht in Gruppen.

                  Richtig. Sie fahren trotz höherer Kosten allein, weil das Angebot des Staates schlicht unbefriedigend ist. Die Gründe für die Unzufriedenheit (Unpünktlichkeit, fehlende Sicherheit und Sauberkeit, Überfüllungen, große Taktungen) habe ich auch genannt. Diese Defizite werden nicht dadurch beseitigt, dass die Beförderung für jeden kostenlos wird.

                  Interessant: ein PKW mit Elektroantrieb ist in der Ökobilanz mit einer Zugfahrt zu vergleichen. Fernbusse übrigens, welche von Linken bekämpft wurden, schneiden hier übrigens noch besser ab.
                  http://www.co2-emissionen-vergleichen.de/verkehr/CO2-PKW-Bus-Bahn.html#CO2-Bahn

                  Da komme ich wieder zu meiner ursprünglichen Frage zurück. Weshalb sollte der Kinderlose für Schulen und Spielplätze bezahlen? Kinder sind in der Gesellschaft in der Minderheit.

                  Wiederholungen bringen uns wenig: die Antwort war nicht Moral, wie Sie es anführen, sondern weil Fortpflanzung die essentielle Aufgabe allen Lebens ist. Es gäbe Sie nicht, hätten Ihre Eltern nicht an Fortpflanzung gedacht. Und Sie wären ziemlich ungebildet, hätte die Gesellschaft mit Ihren Eltern nicht an Bildung gedacht und diese bezahlt. Ohne Nachwuchs und ohne hochwertige Bildung kann keine moderne Gesellschaft überleben. Ohne kostenfreien ÖNV schon.

                  Ich war auch Student. Ich wurde nicht von einem Elternhaus, wo die Mittel auch nicht so dicke waren, gepampert. Und dennoch brauchte ich kein Kostenlosticket. Wie gesagt, wenn es Ihnen um diese Schichten geht, können Sie das Problem zu einem Bruchteil (!) der Kosten lösen, die mit Ihren Vorschlägen entstehen. Warum wollt Ihr Linken die Sachen eigentlich immer so teuer wie möglich?

                  Sie wollen mir weismachen, den Reichen sei es nicht zuzumuten, sich an diesem essentiellen Service für die Gemeinschaft zu beteiligen.

                  Meine Aussage war eine andere: wenn Sie einen so umfangreichen Kostenlosservice der Gesellschaft wünschen, wird ein wesentlicher Teil der Kosten dafür nicht allein von den oberen 10% aufgebracht werden können. Einfach, weil solche Beträge in absoluten Werten dort nicht vorhanden sind. Sie können einem Millionär am Ende eben nur eine Million wegnehmen und nicht 100.

                  Nehmen Sie an Tchibo entscheidet sich aus ethischen, moralischen Gründen nur noch Kaffee anzubieten, der aus Fair-Trade-Produktionen stammt.

                  Ihr Beispiel ist ganz schön schräg. Abgesehen davon, dass ich kein Kaffeetrinker bin, sondern auf Schokolade stehe, kann ich Kaffee bei sehr vielen Anbietern kaufen, die den Preis nach Angebot und Nachfrage bilden. Wenn Tchibo nur Fair Trade anbieten will, muss ich den nicht kaufen, sondern kann zu einem der herkömmlichen Ausbeuter gehen. Beim Staat habe ich genau diese Wahlmöglichkeit nicht. Obwohl ich mit etwas unzufrieden bin, werde ich zur Kostendeckung herangezogen. Der erhobene „Preis“ in Form von Steuern begründet ja eben keinen Anspruch auf Gegenleistung. Eine Macht, die so stark in die Selbstbestimmung der Bürger eingreift, muss diese Eingriffe wesentlich besser begründen als der Tchibo-Händler. Und solche Eingriffe müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken. Das ist bereits heute nicht der Fall und eine Ausweitung des Modells macht die Sache nicht besser.

                  • Ralf 30. Januar 2018, 02:35

                    Ohne ihn kann ich nicht mein Recht durchsetzen, ohne ihn kann ich mich nicht sicher überall im Land bewegen, ohne ihn fühle ich mich von Russland bedroht und gleichzeitig gewährt mir dieser Staat Bildungsabschlüsse, die ich auch international verwenden kann. Genau aus diesen Motiven bin ich auch enorm sauer, wenn der Staat genau an diesen seinen wichtigsten Aufgaben versagt und stattdessen lieber auf Feldern sich rumtobt, die ich als Bürger auch gut selber regeln kann.

                    Sie tun so als seien Sie der einzige Buerger des Staates, dessen Interessen bedient werden sollen. Die mit viel Muskelkraft oder einer starken Gang hinter sich machen sich aber z.B. viel weniger Sorgen darueber sich sicher in der Stadt zu bewegen. Die haben im Gegensatz zu Ihnen auch kein Problem notfalls ihr Recht durchzusetzen. Und international gueltige Bildungsabschluesse sind ebenfalls Ihr Privatanliegen. Die meisten Menschen haben nicht vor das Land zu verlassen. Viele haben noch nicht einmal vor ihre Heimatstadt zu verlassen. Von meinen alten Schulfreunden wohnen immer noch ein Drittel oder gar die Haelfte in der selben Stadt wie damals. Es sind die Eliten wie Sie, die es wegzieht, so dass Sie in der grossen weiten Welt Ihr Glueck versuchen koennen. Schoen dass der Staat Ihnen bei Ihrem persoenlichen Lebensweg auf Kosten aller anderen Steuerzahler behilflich ist. Aber weshalb sollte er dem Rest der Bevoelkerung nicht auch bei ihren Anliegen und Sorgen beistehen?

                    Und da kommen wir jetzt zum Kern des Problems. Ausser Ihnen gibt es naemlich noch andere Buerger. Sie moegen dank Ihres hohen Einkommens wichtige Anliegen wie etwa Ihre Mobilitaet „selber regeln“ koennen. Dazu sind Sie zu beglueckwuenschen. Allerdings sollten Sie nicht von sich auf andere schliessen. Ein Niedrigloehner kann sich kaum ein Monatsticket fuer die oeffentlichen Verkehrsmittel leisten. Wie oben bereits beschrieben, haette selbst ich als Doktorand mir damals ein solches Ticket nicht wirklich leisten koennen. Zumindest nicht ohne einen massive Einschraenkung meiner Lebensqualitaet hinzunehmen. 60 oder 70 Euro fuer ein Monatsticket sind fuer Sie Peanuts. Auch ich mache mir heutzutage ueber solche Betraege keine Sorgen mehr. Entspricht, glaub ich, etwa der Haelfte meiner monatlichen Spass-Kaeufe bei Amazon. Aber fuer eine Familie mit nur einem kleinen Einkommen und mit vielen Maeulern, die gestopft werden muessen, ist das verdammt viel Geld. Fuer einen Hartz IV-Empfaenger ist es voellig unbezahlbar. Und das limitiert nicht einfach nur die Mobilitaet der Menschen, wenn es um Vergnuegungsfahrten zum Zoo geht (, obwohl auch das bedeutend ist!). Sondern das begrenzt ganz signifikant den Radius innerhalb dessen ich mir z.B. Arbeit suchen kann. Wenn ich einen Job finden kann, in dem ich 70 Euro mehr verdienen wuerde oder wenn ich als Hartz IV-Empfaenger einen Job finden koennte, in dem ich netto 70 Euro dazuverdienen wuerde, ich aber um diesem Job nachgehen zu koennen gleichzeitig ein Monatsticket fuer die Bahn erwerben muesste, das mich wiederum 70 Euro kostet, dann wuerde das effektiv bedeuten, dass ich meinen gesamten Gewinn wieder verliere.

                    Die grosse Mehrheit der Steuerzahler hilft Ihnen mit Ihrer Sicherheit und Ihren Bildungsabschluessen. Ich denke es ist an der Zeit, dass Sie dieser Mehrheit der Steuerzahler auch nach Kraeften helfen, damit diese Mehrheit ihre Anliegen und Probleme auch geloest sieht.

                    Die Gründe für die Unzufriedenheit (Unpünktlichkeit, fehlende Sicherheit und Sauberkeit, Überfüllungen, große Taktungen) habe ich auch genannt.

                    Also zumindest in den Grossstaedten sind diese Probleme meiner Erfahrung nach sehr begrenzt. Den Hauptfaktor haben Sie in Ihrer Liste aber geflissentlich unterschlagen. Die oeffentlichen Verkehrsmittel sind unattraktiv, weil sie teuer sind. Als ich ueber Weihnachten in meiner Heimatstadt zu Besuch war, musste ich z.B. fuer eine 20-minuetige Fahrt aus der Innenstadt in ein nicht weit entferntes Viertel, in dem mein Vater wohnt, 3 Euro bezahlen. Fuer eine Richtung wohlgemerkt. Das sind 6 Euro hin- und zurueck. Da gehe ich lieber zu Fuss. Allerdings bin ich auch koerperlich einigermassen fit und weder alt noch krank noch gebrechlich. Es hat aber eben nicht jeder diese Alternative. Manche schleppen schwere Einkaufstueten. Andere koennen es sich nicht leisten voellig ausser Atem und nach Schweiss stinkend auf der Arbeit anzukommen. Und es hat auch nicht jeder die Zeit – wie ich im Urlaub – 50 Minuten zu Fuss in der Gegend rumzulaufen.

                    Interessant: ein PKW mit Elektroantrieb ist in der Ökobilanz mit einer Zugfahrt zu vergleichen.

                    Interessant dass das von Ihnen kommt. Waren Sie nicht ein bekennender Freund des Ottomotors?

                    Es gäbe Sie nicht, hätten Ihre Eltern nicht an Fortpflanzung gedacht. Und Sie wären ziemlich ungebildet, hätte die Gesellschaft mit Ihren Eltern nicht an Bildung gedacht und diese bezahlt. Ohne Nachwuchs und ohne hochwertige Bildung kann keine moderne Gesellschaft überleben. Ohne kostenfreien ÖNV schon.

                    Naja, also die Welt ist ziemlich lange ohne den staatlichen Bau von Spielplaetzen und Schulen ausgekommen. Und ja, meine Eltern hatten Interesse an Investitionen in hoeherwertige Bildung. Dieses Interesse teilten sie mit anderen Eltern. Wer selbst hingegen kinderlos ist, dem nutzen hohe Ausgaben fuer den Bildungssektor und der Spielplatz um die Ecke garnichts. Was Sie machen ist, dass Sie sich das Feld Bildung heraussuchen, das Ihnen persoenlich wichtig ist und erwarten, dass der Rest der Gesellschaft Geld fuer Ihr Anliegen in die Hand nimmt. Und ich moechte Sie dafuer garnicht kritisieren. Bildung ist wahrscheinlich eines der wenigen Felder, auf denen wir beide gerne hoehere Investitionen sehen wuerden. Allerdings sollten Sie dann einraeumen, dass andere Buerger andere primaere Sorgen haben. Und diese anderen primaeren Sorgen sind nicht weniger wichtig und nicht weniger berechtigt als die Ihren.

                    Ein kostenfreier ÖNV schafft Mobilitaet gerade bei denen, die finanziell benachteiligt sind. Es erlaubt diesen Menschen in einem groesseren Radius nach Arbeit zu suchen. Es erlaubt diesen Menschen unter Umstaenden regelmaessig einen Verwandten zu pflegen, der nicht gerade nebenan wohnt. Es erlaubt Familien ein Stueck Teilhabe am sozialen Leben, weil man ins Kino, zu Freunden oder in den Zoo kann. Das kann einen enormen Zugewinn an Lebensqualitaet bedeuten. Und es ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Menschen, die etwa Zugang zu Transport aus den Vorstaedten in die Innenstaedte haben, kaufen da oft auch was. Das nutzt dann auch dem besserverdienenden Geschaeftsinhaber.

                    Ihr Beispiel ist ganz schön schräg. Abgesehen davon, dass ich kein Kaffeetrinker bin, sondern auf Schokolade stehe, kann ich Kaffee bei sehr vielen Anbietern kaufen, die den Preis nach Angebot und Nachfrage bilden. Wenn Tchibo nur Fair Trade anbieten will, muss ich den nicht kaufen, sondern kann zu einem der herkömmlichen Ausbeuter gehen.

                    Naja, da haben Sie sich jetzt den billigsten Notausgang aus der Analogie gewaehlt, damit Sie sich nicht mit deren Kern auseinandersetzen muessen. Also dann nochmal eine neue Analogie fuer Sie ganz persoenlich: In dieser neuen Analogie ist es der Staat, der mit Zustimmung der Mehrheit der Waehler ein Gesetz erlaesst, dass Produkte, die nicht aus Fair-Trade-Produktion stammen, nicht mehr verkauft werden duerfen. Das gilt dann eben auch fuer Ihre Schokolade, weshalb deren Preis etwas steigt. Aus Wut ueber die Preissteigerung gehen Sie in den Laden und klauen die Schokolade einfach. Bei der Polizei spaeter rechtfertigen Sie sich dahingehend, dass Sie vom Geschaeft (oder meinetwegen vom Staat) in den Ladendiebstahl getrieben worden waeren. Sie seien also ein armes Opfer, das kriminalisiert worden ist, dem praktisch nichts anderes uebrig blieb als in Notwehr die Ware zu stehlen.

                    Das ist in etwa die Analogie zu Ihrer Feststellung Steuerzahler wuerden durch Steuererhoehungen in die Steuerhinterziehung getrieben. So als gaebe es keine Moeglichkeit anders zu handeln als seine Gemeinschaft und Mitbuerger zu bestehlen. Das ist eine voellig absurde Argumentation. Mit dem selben Recht koennte jemand, dem die rote Ampelphase zu lange dauert, behaupten er sei in die Missachtung der Ampel getrieben worden. Oder jemand, der sich von einer Tempo 30-Zone genervt fuehlt, koennte behaupten er sei in die Geschwindigkeitsueberschreitung getrieben worden.

                    Solch eine unsinnige Argumentation wuerden Sie selbst nirgendwo gelten lassen ausser beim Thema Steuerhinterziehung, wo Sie offensichtlich eine politische Agenda verfolgen. Rational laesst sich Ihr Standpunkt schlicht nicht begruenden.

                    • In Dubio 30. Januar 2018, 21:18

                      Sie tun so als seien Sie der einzige Bürger des Staates, dessen Interessen bedient werden sollen.

                      Vorsicht, solche Sachen fallen auf einen selber zurück.

                      Was ich aufgezählt habe, sind die eigentlichen Aufgaben des Staates. Was Sie dazugedichtet haben, ist das, was Linke sich wünschen. Doch immer muss erst das eine erfüllt sein. Ein moderner Staat kann nicht ohne die von mir aufgezählten Leistungen. Das ist der Unterschied zwischen uns – Ihnen sind die Nebengeräusche wichtiger als der eigentliche Sound. Wer soll denn die Steuern verdienen, womit Sie das umfangreiche Sozialsystem unterhalten wollen? Mit Bildungsversagern? Was denken Sie denn, welche Frauen damals auf der Kölner Domplatte belästigt bis vergewaltigt wurden? Frau Geis war nicht darunter. Der Rechtstaat nützt allen – auch und gerade dem kleinen Arbeiter, der gefeuert und beim Rausgehen noch über den Tisch gezogen wird. Es gibt pro Jahr in Deutschland Millionen Gerichtsverfahren, was meinen Sie, wer da vor Gericht ist? Der Staat hilft Kleinkindern in prekären Elternhäusern, der Rechtstaat hilft Menschen, die nicht mehr miteinander reden können. Das sind nicht selten solche, die nicht die Millionen auf dem Konto haben.

                      Das Argument, dass Leute mit geringem Einkommen sich besonders gut körperlich wehren können, ist kein besonders kluges. Und passend schon gar nicht. Silvester 2012 habe ich es einem solchen auf der Berliner Partymeile gegeben, als er mit seinen Bierbechern dumm kam. Danke, ich konnte mich bisher in meinem Leben sehr gut wehren. Ob in New York, Toronto, San Francisco, Hamburg oder Berlin: ich konnte mich selbst in Vierteln, wo die Kriminaliät höher ist, stets unbehelligt bewegen – „Meiden Sie die Häuser am Alamo Square!“ Sie wissen möglicherweise, dass das aus einem Fremdenführer ist. 😉

                      Ein Niedriglöhner kann sich kaum ein Monatsticket für die öffentlichen Verkehrsmittel leisten.

                      Ein Niedriglöhner ist kaum repräsentativ für unsere Gesellschaft (siehe oben). Genauso wenig wie Sie übrigens mit Ihren Wünschen an die Gesellschaft. Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass solche Kostenlostickets linken Parteien wieder zur Mehrheit verhelfen? Weil es Ihnen gefällt? Sie haben keine Idee, wie Sie einer jungen Erzieherin zu ihrem Lebenstraum vom eigenen Haus verhelfen. Sie haben keine Ahnung, wie Sie es einer jungen Arzthelferin ermöglichen können, mehr als ein Kind bekommen zu können. Aber Sie glauben, diese Jungwähler seien glücklich mit einem geschenkten Busticket zu machen. Ehrlich gesagt: ich glaube das nicht, mehr noch: ich weiß es. Eher wählen solche jungen Leute FDP.

                      Wenn Sie 170 Euro als Student frei zur Verfügung hatten, so ist das weit mehr, als dem Durchschnitt in der Tasche bleibt. Und Sie beklagen sich? Nochmal: Ihr Problem mit den geringen Einkommensbeziehern ließe sich zu einem Bruchteil der von Ihnen vorgeschlagenen Kosten bewerkstelligen. Gehen Sie wirklich stets mit dem Vorsatz einkaufen, Ihre Klamotten und Lebensmittel so teuer wie möglich zu bekommen?

                      Die öffentlichen Verkehrsmittel sind unattraktiv, weil sie teuer sind.

                      Nein. Dazu müssen Sie sich nur ansehen, wie oft heute in Großstädten aufs Auto verzichtet wird. Sorry, wer in Berlin oder München in der Innenstadt mit dem Auto fährt, hat sie nicht alle. Nur: die meisten produzierenden Unternehmen befinden sich jenseits den Ballungsräumen und damit auch entfernt von einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz. Nehmen wir allein Rhein-Main: würde ich beispielsweise in Wiesbaden arbeiten, so wäre mein täglicher Arbeitsweg mit dem RMV 4 Stunden lang, Laufweg nicht eingerechnet. Mit dem Auto sind es bei den handelsüblichen Staus trotzdem nur so gut 2 Stunden. Das sind 500 Stunden Lebenszeit pro Jahr. Berücksichtigen wir noch, dass immer weniger Nine to Five arbeiten, so sinkt die Attraktivität des öffentlichen Angebots weiter. Noch ein weiteres Beispiel: Meine Mutter kommt nächste Woche abends am Rhein-Main-Airport um 22 Uhr an. Da jedoch ab 22:26 Uhr die Fahrten Richtung Fulda eingestellt und erst nach Mitternacht wieder aufgenommen werden, kommt ein Flugreisender trotz guter Anbindung erst tief in der Nacht zuhause an – mit dem Auto dagegen sind es lediglich etwas mehr als eine halbe Stunde.

                      Manche schleppen schwere Einkaufstüten.

                      Kaum jemand fährt schwer mit Einkäufen beladen U-, S-Bahn und Bus.

                      Interessant dass das von Ihnen kommt. Waren Sie nicht ein bekennender Freund des Ottomotors?

                      Nope. Warum ist das Argument so schwer zu verstehen? Ich denke nicht, dass der Staat befähigt ist, die richtige Motorisierung für die Zukunft vorherzusehen. Ich scheine damit auch in Bezug auf den Elektromotor richtig zu liegen. Bis heute mag kaum jemand die üppigen Subventionen des Bundesfinanzministers abrufen. Die Bürger jedenfalls glauben noch nicht an den E-Antrieb.

                      Naja, da haben Sie sich jetzt den billigsten Notausgang aus der Analogie gewählt, damit Sie sich nicht mit deren Kern auseinandersetzen müssen.

                      Der Vorwurf geht an Sie. Die Umkehrung mit der Schokolade mag billig gewesen sein (sehe ich nicht so), aber dabei haben eben Sie den Kern des Gegenarguments übersehen. Es gibt auch noch Starbucks. Und selbst wenn Tchibo Monopolist wäre, gälten in einem solchen Fall Wettbewerbsauflagen, Kernleistungen würden unter Regulierung gestellt. Einfach auf Fair Trade umstellen, geht dann aus verschiedenen Gründen nicht.

                      Steuern sind laut Abgabenordnung Geldleistungen ohne Anspruch auf eine Gegenleistung. Dass die Belastung der Einkommensbezieher auf dem höchsten Level in der OECD steht, hält Sie nicht davon ab, die Steuerschraube weiter anzuziehen. Aber wie kommen Sie darauf, dass Sie mit einem solchen Ansatz Mehrheiten gewinnen könnten? Und eins ist eine internationale Erfahrung: Ein Hochsteuerstaat generiert mit weiteren Erhöhungen der Abgabenbelastung zusätzliche Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit. Ergo: wenn Sie die Steuern erhöhen wollen, wollen Sie auch die Kriminalität erhöhen.

                      Wenn Sie das Grundgesetz lesen, werden Sie feststellen, dass der entscheidende Satz lautet, Deutschland ist ein demokratischer und Rechtstaat. Sie können eine Maßnahme mit 100% beschließen, sie ist unwirksam, wenn sie nicht rechtstaatlichen Normen entspricht. Merke: wer Demokratie sagt, muss auch Recht sagen. Zwei paar Schuhe.

            • In Dubio 28. Januar 2018, 09:53

              Wenn man diese Effekte berücksichtigt, bleibt von einem “heftigen gesellschaftlichen Rechtsruck”, den Sie staendig beschreiben, kaum noch etwas uebrig, vor allem wenn man bedenkt, dass die Merkel-CDU auch einen bescheidenen, aber signifikanten Teil der Mitte-Links-Stimmen bindet

              Also, Sie sind schon sehr widersprüchlich. Zum einen wollen Sie der SPD verwehren, die gleiche Taktik wie die Union anzuwenden, obwohl diese der CDU die strukturelle Mehrheitsfähigkeit beschert hat. So ganz soll die Union nicht zum rechten Lager zählen, aber doch genug um kommunizierende Röhren zu entdecken – was eine gewisse inhaltliche Nähe voraussetzt. Dass die AfD in der ehemaligen DDR zur zweitstärksten Partei aufgestiegen ist, scheint Ihnen auch entgangen, jedenfalls findet es sich nicht in Ihrer Bewertung wieder, wenn Sie die Alternativen und ihr Wählerreservoir mit der NPD gleichsetzen.

              Bei der Bundestagswahl 2009 – damals war Angela Merkel bereits Kanzlerin – erreichte die Union 33,8%, die FDP 14,6% und die NPD 1,5%. Macht in Summe 49,9%. 2013 waren es dann in Summe mit der AfD 52,3% und zuletzt 56,2%. Sie sehen schon allein an den Zahlen der AfD, dass diese das Standardergebnis der NPD von 1,3% mehrfach aufwiegt.

              • Ralf 29. Januar 2018, 02:20

                Ich nehme erstaunt zur Kenntnis, dass Sie die CDU und ihre Lieblingspartei FDP zusammen mit der NPD in einem gemeinsamen politischen Lager verorten. Oder was wollen Sie mir mit der Aufsummierung der Ergebnisse dieser Parteien zu einem “rechten Block” sagen?

                Tatsaechlich setzt sich das Waehlerspektrum der etablierten Parteien aus verschiedenen, stark ueberlappenden Gruppen zusammen. So wird die Union etwa von strammen Konservativen gewaehlt, genauso wie von eher mittigen Waehlern, die im Grunde genauso gut ihr Kreuz bei der SPD haetten machen koennen. Wirtschaftsliberale Waehler haben ebenfalls mindestens zwei denkbare Optionen: die CDU und die FDP. Im Anschluss an Grosse Koalitionen, in der Kompromisse mit den Sozialdemokraten noetig sind, neigen diese Waehler dazu die Union fuer ihre “zu linke Regierungspolitik” zu bestrafen. Die FDP legt in der Folge signifikant zu. Diesen Fall hatten wir 2009 und 2017 und in bescheidenerem Mass (die Union liegt schon sehr niedrig) werden wir den selben Effekt wohl auch 2021 sehen. Kommt die FDP hingegen unter Druck durch eine breite, feindliche Medienkampagne und eine Myriade von selbstverschuldeten Skandalen und Peinlichkeiten, wandert ein Grossteil der entsprechenden Waehler hin zur CDU, waehrend die Liberalen abstuerzen. Diesen Fall hatten wir 2013. All das hat nichts mit echten Verschiebungen im politischen Spektrum zu tun. Es sind lediglich kommunizierende Roehren.

                Wenn Sie diesen Effekt beruecksichtigten, dann hat das “rechte Lager” aus CDU und FDP 2017 gegenueber 2013 etwa 3% verloren. Im gleichen Zeitraum hat die AfD 8% dazu gewonnen. Wenn wir das verrechnen, bleiben noch 5% AfD-Stimmen unerklaert.

                Die extreme Rechte (z.B. NPD oder REP) holt bei Bundestagswahlen typischerweise um die 1,5%. In den 90er Jahren, als Auslaenderthemen besonders stark in den Medien praesent waren, waren es eher um die 2%. Nach der Medienhysterie ueber Fluechtlinge und Terrorismus und die Koelner Silvesternacht wuerde man wohl wahrscheinlich ein aehnliches Ergebnis erwarten. Nur dass diese Stimmen diesmal fast vollstaendig bei der AfD landeten. Damit bleiben lediglich 3% Stimmenzuwachs bei den Rechtspopulisten fuer Ihren “gesellschaftlichen Rechtsruck” uebrig.

                Leider sind aber auch diese 3% wackelig. Viele haben die AfD naemlich aus Protest, nicht aus Ueberzeugung gewaehlt. Dieser Effekt laesst sich nicht exakt quantifizieren, duerfte aber einen signifikanten Teil und moeglicherweise sogar vollstaendig den Erfolg der Rechtspopulisten erklaeren. Fuer Ihre Theorie des Rechtsrucks gibt es bei genauerem Hinsehen auf jeden Fall wenig Support.

                • Ariane 29. Januar 2018, 07:51

                  Nur kurz als Einwurf:
                  Ich würde die Anzahl der Protestwähler noch deutlich höher einschätzen. Bei den Wählerwanderungen kam die größte Gruppe (1,2 Mio) von den Nichtwählern und auch von den 400.000 Wählern, die vorher die LINKE gewählt haben, sind vermutlich etliche von einer Protestwahl zur nächsten gegangen, außerdem kamen noch 690.000 von „anderen“ Parteien, was ebenfalls auf Protest hindeutet.

                  Da wären wir schon deutlich näher an 50% statt an 3%. Klar, man weiß nicht, ob die Leute gegen Merkel, die Regierung, das System oder das Wetter protestieren wollten, aber diese Gruppe holt man nicht mit ein bisschen Rechtsruck und nem neuen Vorsitzenden wieder zu sich zurück. Schon gar nicht die Union, die bald seit 20 Jahren regiert. Die FDP könnte in die Lücke stoßen und vielleicht war das auch Lindners Taktik. Das funktioniert aber auch nur, wenn die FDP Sondierungsgespräche abbricht und erzählt, wie doof alle anderen sind und wäre sofort vorbei, wenn die FDP in eine Koalition eintritt.

                • In Dubio 29. Januar 2018, 10:44

                  Ich habe allein das klassische Rechts-Links-Schema genommen, zumal eines Ihrer Argumente war, dass die AfD eigentlich nur die Nachfolge der NPD angetreten habe. das lässt sich jedoch nicht anhand der Zahlen belegen. Zudem wählen Sie eine einzige Periode zur Widerlegung eines Trends. Trends lassen sich aber nur über mehrere Perioden darlegen, nicht durch Vergleich von Periode 1 mit Periode 2. Den Rechtstrend, den Politologen verorten, beginnt daher auch kurz nach der Finanzkrise. Und dazu müssen wir eben die Wahlen 2009 ebenfalls heranziehen. Wenn Sie einen reinen Austausch zwischen Union und FDP sehen, so bleiben fast 13% für die AfD erklärungsbedürftig. Und Ihre Erklärungen, die rein auf logischen Überlegungen beruhen (die ja schließlich falsch sein können), taugen dafür überhaupt nicht, weil sie im Konflikt mit Wählerbefragungen am Wahltag stehen.

                  Eine Zahl dominierte den Abend des 24. September 2017: Zwei Drittel derjenigen, die der Union den Rücken gekehrt haben, taten dies, weil sie mit der Flüchtlingspolitik unzufrieden waren. Von den verbliebenen Unionswählern sind immerhin noch ein Drittel unzufrieden. Die Bundestagswahl 2017 war eindeutig eine Abrechnung mit der Flüchtlingspolitik der letzten Jahre und nicht mit sozialdemokratischen Elementen wie Mindestlohn, Rente mit 63 und Ehe für alle. Warum fällt es Ihnen so schwer, das zu respektieren?

                  Innerhalb von zwei Wahlperioden, die durch zwei konservative Themen nämlich der Eurokrise und der Flüchtlingskrise gekennzeichnet waren, gewinnt das rechte Spektrum (selbst ohne NPD, die im Wahlergebnis ohnehin neutralisiert ist) über 6%, obwohl ihre führende Partei seit langem regiert und obwohl diese Union insgesamt 1% verliert. Gleichzeitig verlor die linke Konkurrenz 7%. Wenn das kein deutlicher Fingerzeig ist, was dann? Fakt ist ja auch, dass zwar rechts sich mit der AfD noch eine weitere Partei nähren konnte, links jedoch die langjährigen Oppositionsparteien Grüne und Linke deutlich verloren. Das sind rein zufällig Parteien, die für mehr Transfers in Europa und für eine liberale Migrationspolitik stehen.

                  Sehen Sie das wirklich als Zufall an?

                  Es ist ja richtig, dass Sie die Schnittmengen im mittleren Bereich sehen. Gleichzeitig jedoch lehnen Sie es ab, dass gerade die SPD versucht, Unions- und FDP-Wähler durch eine Neujustierung zu gewinnen. Meiner Ansicht nach passt das nicht zusammen. Und Anhänger linkspopulistischer Parteien wählen im Zweifel nicht die eigentlich naheliegende Sozialdemokratie, sondern rechtspopulistische Parteien. Das ist so zwischen LINKE und AfD, das ist so in Frankreich, in Griechenland und Italien. Es ist daher wenig verwunderlich, wenn linkspopulistische Politiker wie Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon ihre politischen Aussagen dahingehend anpassen. Es ist auch nicht verwunderlich, wenn Jeremy Corbyn sich bis heute nicht dem Remain-Lager anschließen konnte, obwohl seine jugendliche Wählerbasis genau das verstärkt fordert.

              • popper 2. Februar 2018, 09:58

                @In Dubio
                Nur mal zwei Punkte:
                Wer soll denn die Steuern verdienen, womit Sie das umfangreiche Sozialsystem unterhalten wollen?

                Das sind Narrative aus der Mottenkiste zur gefälligen Verunglimpfung des Staates als gefräßigen Moloch, der seine Bürger für seine Verschwendungen schröpft. Der Staat braucht überhaupt keine Steuern, um einen Sozialstaat zu finanzieren oder sonstige Ausgaben der Daseinsvorsorge zu tätigen. Im Gegenteil, er könnte alles kaufen ohne einen Cent Steuern eingenommen zu haben. Er hat über seine Zentralbanken das Geldmonopol. Jeden Cent, den Menschen in unserem zweistufigen Geldsystem zu schuldenbefreienden Zahlung besitzen, resultiert aus dem Geldmonopol des Staates über die Geldemission seine Zentralbanken. Denn Geld, ich kann es nur wiederholen wächst nicht auf den Bäumen oder fällt vom Himmel.
                Das heißt allerdings nicht, dass der Staat überhaupt keine Steuern erheben sollte. Denn Steuern haben, wenn der Staat alle Güter (Gesundheit, ÖPNV, Rente etc.) umsonst zur Verfügung stellen würde dann die Funktion Inflation zu verhindern, da die Mehreinnahmen der Bürger zu mehr Kaufkraft und Erhöhung der Preise führen würden (ergo Inflation).

                Ein Hochsteuerstaat generiert mit weiteren Erhöhungen der Abgabenbelastung zusätzliche Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit. Ergo: wenn Sie die Steuern erhöhen wollen, wollen Sie auch die Kriminalität erhöhen.

                Mit Logik hat das nun wirklich nichts zu tun, sondern einer willkürlichen Aneinanderreihung induktiver Urteile. Nicht der Staat generiert Steuerhinterziehung, sondern der einzelne Steuerzahler. Kein Gericht würde deshalb auf die Idee kommen, den Staat anstelle des Steuerhinterziehers zu beklagen. Hier sollten Sie ihr Rechtsverständnis auf seine Validität überprüfen. Ebenso wenig besteht zwischen Steuererhöhung und Kriminalität ein Kausalnexus.

                • In Dubio 2. Februar 2018, 10:45

                  Sie vergessen eins: der Staat hat zwar das Geldmonopol, im Falle dass er aber keinen Gegenwert für dieses Geld bieten kann, wird es nicht mehr akzeptiert. Würde eine Regierung einfach Geld drucken um damit „alles“ zu kaufen, so würde niemand sein Eigentum an den Staat verkaufen, weil der Staat für das Papiergeld nichts bietet. Dieses sollten doch gerade die Deutschen aus der Geschichte gelernt haben.

                  Nicht der Staat generiert Steuerhinterziehung, sondern der einzelne Steuerzahler.

                  Der Staat generiert so Steuerhinterziehung wie er Schwarzfahrer züchtet. Schließlich war das Ralfs Argument, dass die angeblich hohen Ticketpreise Menschen zum Schwarzfahren nötigen würden. Zu beidem gehört kriminelle Energie. Allerdings: je öfter ein Delikt begangen wird, je öfter es gesellschaftlich als „gerechtfertigt“ akzeptiert wird, desto weniger wirkt die Kriminalisierung, weil es von den Bürgern nicht als „kriminell“ akzeptiert wird. Analogien finden sich dazu beim Broken Window Theorem.

                  • popper 5. Februar 2018, 12:30

                    @In Dubio
                    der Staat hat zwar das Geldmonopol, im Falle dass er aber keinen Gegenwert für dieses Geld bieten kann, wird es nicht mehr akzeptiert.

                    Von welchem Gegenwert und welcher Akzeptanz sprechen Sie. Den Goldstandard, der seit Bretton Woods eine Forderung an die Zentralbank (ZB) darstellte, gibt es seit 1971 nicht mehr. Also ist die Zeit, in der eine Banknote den Charakter eines (Inhaber-)Schuldscheins hatte, längst Geschichte. Heute ist Geld keine Forderung an etwas oder jemanden, sondern Geld ist das Geforderte, d.h. lapidar Erfüllungsgegenstand einer Geldschuld. Die Erschaffung von Zentralbankgeld ist auf der Aktiva-Seite eine Forderung der ZB an sich selbst und auf der Passiva-Seite ein Merkposten für die Summe der Herausgabe und des Bargeldumlaufs, aber keine Schuld. In der ‚Europäischen Währungsunion‘ ist Eurobargeld gesetzliches Zahlungsmittel und unterliegt einem Annahmezwang. Lediglich bei Münzen ist die Annahme auf 50 Münzen oder Münzen im Wert von über 200 Euro begrenzt.

                    Ich vermute einmal, dass Sie mit ihrem Hinweis auf den Gegenwert sich auf die Gleichung von I=S beziehen. Sozusagen Geld als Forderung auf das BIP oder andere gesamtwirtschaftliche Güterhaufen. Quasi eine reale Schuldversprechen mit Gegenwert. Diese Ansicht könnte man vergleichen mit dem Lernprozess eines Kindes, das feststellt, dass ein Eisbecher auf Papis Smartphone eben nicht das sensationelle Geschmackserlebnis hervorbringt, das ein Eisbecher beim Italiener entfaltet. Auch wenn es schwerfällt, es führt kein Weg daran vorbei, eine Geldeinheit hat immer die Eigenschaft, eine Verbindlichkeit von einer Geldeinheit zu tilgen. Wozu brauchen Ökonomen dann noch eine Definition eines realen Wertbegriffs. Das Kostenvolumen als monetäre Größe ist klar, aber was ist mit dem Output, der ja eine in Geld kalkulierte Stückgröße ist. Diese Verklammerung der monetären Maßeinheit Euro als Input mit einem kalkulierten Output, müsste doch jedem zeigen, dass Geld ein relatives Maß der geldfinanzierten Produktion ist. Wobei sich sozusagen als „Beifang“ zeigt, dass relative Maße die Dimension dessen, was sie abbilden, nicht auch selber haben müssen.

                    Der Staat generiert so Steuerhinterziehung wie er Schwarzfahrer züchtet… Analogien finden sich dazu beim Broken Window Theorem.

                    Solange Sie uns nicht das >b>so, etwas näher erklären, hängt die Conclusio in der Luft. Es gibt immer wieder Soziologen auf dieser Welt, die Symptome für Ursachen halten. „Broken Window“ wurde nie wissenschaftlich überprüft. Und weder Steuererhöhungen noch hohe Ticketpreise nötigen irgendjemanden zu delinquentem Handeln. Wieso Sie hier äußere Umstände einführen, wo Sie sonst die Ursachen von Handlungsmotiven doch eher im individualisierten Verhalten verorten, verwundert schon.

                    • In Dubio 6. Februar 2018, 10:46

                      Was ist eine Flasche Wasser wert? Menschen kaufen etwas, wenn ihnen der zukünftige Nutzen / Wert der Sache höher erscheint als der Preis / Kosten / Verzicht. Spiegelbildlich verhält es sich für Verkäufer. Die Formel I=S ist eine makroökonomische Definition eines volkswirtschaftlichen Gleichgewichts, keine geldtheoretische. Sie ist daher im falschen Medium, um in der Geldtheorie zu argumentieren, in unserem Fall, wenn der Staat mittels Geldmaschine alle Güter kaufen wollte.

                      Wirft der Staat die Gelddruckmaschine an, um damit seine Ziele durchzusetzen, führt dies zu Inflation / Blasen. Diese müssen, das ist die Lehre aus den letzten 20 Jahren, nicht zwingend auf den Gütermärkten stattfinden. Dies gilt erst recht, wollte der Staat die knapp 7 Billionen Sach- und Finanzwerte Deutschlands erwerben. Ein Unternehmer, der eine Aktiengesellschaft im Nominalwert (Grundkapital) von 1 Million Euro und nach den üblichen Bewertungen von 2 Millionen Euro besitzt, dieses kaum für einen solchen Betrag veräußern, wenn der Interessen der Staat ist und den Kaufpreis durch Druck von Papiergeld aufbringen will.

                      Als die EZB ihre verschiedenen Aufkaufprogramme für Staatsanleihen verkündete, sanken die Renditen erheblich. Der Preis eines auf einen Nominalwert lauteten Bonds drückt sich auf verschiedene Arten aus. Bei bereits gehandelten Anleihen steigt der Handelswert, bei Neuemissionen sinkt der Zins, den der Staat anbieten muss. Genau letzteres passierte bei den Programmen der EZB, weil die Zentralbanker jedem Käufer zusicherten, seine eventuell risikobehafteten Papiere zum Emissionswert zu kaufen. Folglich wurden die Anleihen für den Erwerber „teurer“ als ohne Gelddruckmaschine im Hintergrund. Die gleiche Entwicklung sehen wir seit Jahren auf den Aktien- und Immobilienmärkten.

                      Die Finanzkrise hat in der Politik der Fed, die Geldmenge deutlich auszuweiten, ihren Anfang. Der Überfluss an Geld sorgte dafür, dass Immobilienkäufer wie Bauinvestoren auf stetige Nominalsteigerungen ihrer Assets vertrauen konnten. Folglich wollten wesentlich mehr Menschen kaufen als verkaufen, selbst sogenannte Subprime-Kredite verloren das ihnen innewohnende Risiko – scheinbar. Die Finanzkrise sorgte für eine Neubewertung sämtlicher gehandelter Finanzwerte. Es ist schon aufgrund dieser neuzeitlichen Erfahrungen keine gute Idee, wenn die Herren des Geldes mittels Geldpolitik die Wirtschaft steuern wollen. Gerade der heutige Tag zeigt dies erneut.

                      Ralf brachte das Argument, dass ein kostenloser ÖNV dafür sorgen würde, dass es keine Schwarzfahrer mehr gebe, Menschen also nicht mehr kriminalisiert würden. Ich habe das Argument lediglich gespiegelt, nicht mehr sollte es sein. Sie müssen also das Original kritisieren, nicht den Spiegel.

                    • popper 6. Februar 2018, 15:13

                      @In Dubio
                      Was ist eine Flasche Wasser wert? …Wirft der Staat die Gelddruckmaschine an, um damit seine Ziele durchzusetzen, führt dies zu Inflation / Blasen.

                      Der Wert einer Flasche Wasser ist etwas anderes als der (Gegen-)Wert des Geldes. Dessen Wert sehe ich nicht und habe deshalb auch im letzten Post darauf hingewiesen, dass der monetäre Input nicht dem kalkulierten Output entspricht. Schon Marx hat sich den Kopf darüber zerbrochen, wieso Unternehmer 500 GE investieren und 600 GE herausholen. Da alles Geld von Zentralbanken kommt, ist eine Erwirtschaftung von Geld > Geld über die Produktion von Gütern, bezogen auf das Nettogeldvermögen, nicht logisch begründbar. Das heißt, die Finanzierung des Staates und die Finanzierung/Investitionen Privater erfolgen durch die Zentralbank über Geschäftsbanken. Insofern entscheidet nicht der Nutzen ob ich Hummer oder Zahnpasta verkaufe, sondern die Notwendigkeit zur Erwirtschaftung von monetärer Schuldendeckungsmittel.

                      Ihren Hinweis auf den kategorialen Unterschied der Einheit von I=S als „makroökonomische Definition eines volkswirtschaftlichen Gleichgewichts, die nach ihrer Aussage mit Geldtheorie nichts zu tun haben soll, teile ich nicht. Ich habe ja gelegentlich geschrieben, dass die neoklassische Gleichgewichtstheorie nur reale Güter kennt, wo die Haushalte über die in ihrem Eigentum stehenden Ressourcen verfügen, die sie den Unternehmen für die Produktion überlassen. Überspitzt formuliert überlassen die Privaten in der „Abstinenzphase“ den Unternehmen zur Produktion die Ladenhüter – ziemlich grotesk. Geld muss dabei entweder als ’numeraire‘ ein Gut sein, oder ein Schleier über den „wahren“ realen Tauschverhältnissen, was dann dazu führt, dass Geld auf wundersame Weise als Tauschmittel interpretiert werden kann, sodass hier eine monetäre Theorie des Gewinns/ Profits überhaupt nicht vorkommt. Weshalb man auch immer wieder völlig erkenntnisfrei behauptet, Produktivität steigere den monetären Gewinn.

                      Ich habe nicht davon gesprochen, dass der Staat alles aufkaufen soll, sondern die Daseinsvorsorge oder auch den ÖNV kostenlos zu Verfügung stellen kann, ohne dafür Steuermittel zu benötigen. Dass sinnloses Gelddrucken zur Inflation führt, bestreite ich nicht, vorausgesetzt das Geld wird konsumtiv verwendet. Die Ausweitung der Geldmenge allein bewirkt das nicht. Falsch ist der Glaube, dass immer dann, wenn staatliche Ausgaben die Zwangszahlungen an den Staat übersteigen, automatisch eine Hyperinflation droht. In der EWU gibt der Staat Staatsanleihen heraus, diese werden an Banken verkauft, welche sich wiederum Geld von der Zentralbank geliehen haben. Das tolle daran ist, dass Zinsen, die das Finanzministerium auf Staatsanleihen zahlt, und die an die Zentralbank fließen, dort einen Gewinn ausweisen, den die ZB am Ende des Jahres an das Finanzministerium zurücküberweist.

                      Das, was die EZB macht (QE) ist doch gezwungenermaßen eine adäquate Reaktion auf die mangelnde Fiskalpolitik der „starken“ Länder in der EWU. Die naive Vorstellung mancher Akteure (z.B. Schäuble), der tatsächlich meint in einer Währungsunion müssten die Zinsen für die Starken immer zu niedrig und für die Schwachen zu hoch sein, zeigt das ganze Ausmaß ökonomischer Unvernunft.

                      Gerade ein reiches Land wie Deutschland, das die Währungsunion seit Beginn des Euro nutzt, um sich via Lohndumping merkantilisch zu bereichern, schafft eine unlösbare Situation für die Zentralbank. Senkt sie die Zinsen so weit, dass auch die zurückgefallenen Länder eine Chance bekommen, ist der positive Effekt für das merkantilistische Land immer am größten. Sinkt der Wechselkurs, ist der Effekt für alle Länder theoretisch gleichgroß, weil sich die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Rest der Welt nicht verändern, aber der Merkantilist dürfte dennoch in der Lage sein, die Abwertung am effizientesten für sich zu nutzen, da er in den meisten Märkten die stärkste Ausgangsposition hat. Das, was viele für völlig normal halten, ist Ausdruck einer perversen Situation in der Europäischen Währungsunion, für die Deutschland verantwortlich ist. Die Differenzen in der Handelsbilanz Europas betragen 440 Mrd. Euro Überschüsse, davon Deutschland mit 256 Mrd. Außerhalb der EU haben die größten Defizite die USA und Großbritannien. Da Trump dazu eine dezidiert andere Meinung zu den Exzessen deutscher Merkantilisten hat, verheißt die Zukunft nichts Gutes für das deutsche Geschäftsmodell.

                    • In Dubio 6. Februar 2018, 16:57

                      Wir haben ein Gedankenexperiment gemacht, dass Sie die (vollständige) Staatsfinanzierung über die Zentralbank nicht gefordert haben, hatte ich schon verstanden, schließlich hatten Sie das explizit geschrieben. Kein Dissens auch, dass sich der Wert von Geld nicht beziffern lässt, er hängt von dem ab, was die Bürger ihm zubilligen. Schließlich hat Geld vor allem eine Tausch- und eine Aufbewahrungsfunktion.

                      Dass sinnloses Gelddrucken zur Inflation führt, bestreite ich nicht, vorausgesetzt das Geld wird konsumtiv verwendet.

                      Das lässt sich so nicht sagen. In den letzten zehn Jahren bestand für Investoren vor allem das Problem, renditeträchtige Objekte zu finden. Aus Mangel an solchen Investitionen wurde Geld überproportional häufig in Finanzanlagen „geparkt“ oder gleich zu den Zentralbanken zurückgeschoben. Hinzu kam, dass der Staat einerseits über die Zentralbanken die Zinsen deutlich senkte um Investitionen anzuregen. Auf der anderen Seite schrieb er Banken eine schnelle und deutliche Erhöhung ihrer Eigenkapitalquoten vor und belegte Darlehen mit schlechter Bonität mit Aufschlägen für die Risikovorsorge durch Eigenkapitalhinterlegung. Diese widersprüchliche Politik sorgte dafür, dass Banken trotz rekordniedriger Zinsen die Kreditvergabe deutlich zurücknahmen. Selbst nach Ihrem Gedankenansatz ist damit erklärt, warum das Quantitative Easing nicht zu einer Inflation auf den Konsumentenmärkten führte.

                      Die Ausweitung der Geldmenge allein bewirkt das nicht.

                      Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, wie beschränkt die Möglichkeiten der Geldpolitik sind. In einer rezessiven Phase werden Konsum und Investitionen zurückgehalten, die Zinskurve ist vergleichsweise starr.

                      Gerade ein reiches Land wie Deutschland, das die Währungsunion seit Beginn des Euro nutzt, um sich via Lohndumping merkantilisch zu bereichern, schafft eine unlösbare Situation für die Zentralbank.

                      An dieser Stelle haben wir unseren Dissens, und das unter mehreren Aspekten. Die EZB kann immer nur Geldpolitik für den gesamten Markt des Euroraums betreiben. Anfang des Jahrtausends war die Zinspolitik für Deutschland falsch, denn während insbesondere in Spanien die Konjunktur heiß lief, würgte die Geldpolitik das Wachstum hierzulande zusätzlich ab. Nach der Finanzkrise und der Neubewertung der Staatsschulden durch die Finanzmärkte war die Niedrigzinspolitik für die Südländer oder Irland richtig, aber gerade für Deutschland zunehmend falsch. Entsprechend bilden sich auch hier wieder Blasen auf den Immobilienmärkten und den Aktienmärkten, so wie vor 15 Jahren in Spanien.

                      Dazu spart der deutsche Finanzminister trotz jahrelangen Wachstums und Rekordeinnahmen nicht. Er verhält sich eben nicht keynesianisch und antizyklisch, sondern im Gegenteil. Dazu wanderte das Gros der durch Wirtschaftswachstum erlangten Überschüsse nicht in den Abbau der Staatsverschuldung, sondern in die Ausweitung der Staatstätigkeit. Allerdings, sozusagen strafverschärfend, in den Konsum und nicht in die Investitionen. Tatsächlich, und da treffen wir uns, kann man schwerlich behaupten, die deutsche Finanzpolitik verhalte sich idealtypisch.

                      Die Briten werden sich wegen des BREXITs ihr Importmodell so immer weniger leisten können. Aufgrund ihrer selbstgewählten Isolierung benötigen sie ein neues Wirtschaftsmodell, denn die meisten Insulaner werden sich ihren Wohlstand so nicht mehr leisten können. Das zeichnet sich bereits heute ab. Ist die Frage, ob sich das altehrwürdige Königreich so ändern kann. Selbst die BREXIT-freundliche Regierung hat daran erhebliche inoffizielle Zweifel.

                    • popper 9. Februar 2018, 10:12

                      @In Dubio

                      …dass sich der Wert von Geld nicht beziffern lässt, er hängt von dem ab, was die Bürger ihm zubilligen. Schließlich hat Geld vor allem eine Tausch- und eine Aufbewahrungsfunktion…

                      Ich weiß nicht, ob wir uns, was die Bedeutungsinhalte betrifft, hinreichend verstehen. Ich hatte ja angedeutet, dass Geld ein relatives Maß der geldfinanzierten Produktion ist. Was heißt, die Kosten der Produktion bestehen aus einer monetären Größe in Euro, wogegen der Stückpreis z.B. einer Flasche Wasser aus einer Preiskalkulation nach Geldeinheiten pro Stück resultiert. Infolgedessen, ist Geld kein absolutes, sondern relatives Maß. Es besteht zwischen dem was gemessen werden soll und dem was das Maß darstellt, keine Identität. Darin manifestiert sich der seit zweihundert Jahren misslungene Versuch, Input- und Outputseite mit Hilfe eines absoluten „Wertmaßstabes“ kommensurabel zu machen. Interessant dabei ist, dass jenseits dieser Versuche, dem Geld einen Wert zuzuschreiben, heute das Geld keiner Mengenrestriktion mehr unterliegt, was bei einer Bindung an Gold oder andere Edelmetalle der Fall ist. Das macht auch deutlich, das Geld heute stellt für den der es emittiert (Zentralbank) keinen Wert dar, sodass für eine Zentralbank Kategorien wie Gewinn oder Verlust inhaltleer sind. Das wirft auch ein Licht auf die Target-Salden, von denen behauptet wird (z.B. Prof. Sinn), sie seien eine Forderung.

                      Geld hat, bei einer sachgemäßen Betrachtung, auch keine Tausch- und/oder Aufbewahrungsfunktion. Die Vorstellung von Geld als Tauschfunktion ist eher auf der Ebene eines Dagobert Duck mit seinem Geldspeicher anzusiedeln, und nicht als kommunikative Institution der ökonomischen Realität in Form von Forderung und Verbindlichkeit. Da die herrschende Wirtschaftstheorie (Neoklassik) den Tausch als theoretische Grundform bis heute aufrechterhält und diese Funktionsweise der Geldtheorie überstülpt, resultieren daraus sonderbare Geldmengenkonstruktionen, die der Tauschfunktion Rechnung tragen sollen. Dabei ist merkwürdig, dass Bargeldbestände innerhalb der Banken nicht Bestandteil des Basisgeldes M0 sind. Dasselbe bei einer Banknote, die im Geldautomat liegt und dort nicht Geld im Sinne der Definition von M0 ist. Sobald diese aus dem Geldautomat abgehoben wird, mutiert sie zur Geldmenge M0 und wird auch Teil der Geldmengen M1-M3. Das macht deutlich, dass die dem ‚Mainstream‘ zugrundeliegende Theorie des allgemeinen Gleichgewichts Geld als Tauschmittel benötigt, das in den Banken darauf wartet die von der Gleichgewichtslage bestimmten zu tauschenden Gütermengen abzuwickeln. Man weigert sich zu verstehen, dass es weniger um die Abwicklung von Tauschvorgängen geht, sondern um ein Hilfsmittel zur Verteilung eines sozialen Produktionsergebnisses. Denn die Verfügung über Einkommen enthebt den allgemeinen Vermarktungs- bzw. Verteilungsprozess von der Unmittelbarkeit, Verteilungsansprüche in natura (Tauschhandel) umsetzen zu müssen. So gesehen, haben Einkommenszahlungen für die Verteilung des Sozialprodukts eine genuine Informationsfunktion, weil sie Individuen befähigt, nach Maßgabe ihrer eigenen Verteilungsposition das Güterangebot durch ihre Nachfrage zu honorieren. Die Ratio des Gebrauchs eines abstrakten Geldes ist daher in seiner Funktion als Distribution zu werten und hat eben nicht die seit 200 Jahren insinuierte Aufgabe, als Tausch- oder Schmiermittel vorgegebener Bestände zu fungieren.

                      Eine der diversen Theorien, die versucht diese althergebrachte Vorstellung des Tauschs zu unterfüttern, ist die sogenannte Quantitätstheorie. Bei der es sich gar nicht um eine Theorie handelt, sondern eine Identität. Denn die Gleichung: M x V = P x Y geht davon aus, dass Y dem Vollbeschäftigungsoutput entspricht und V der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Nur wenn V und Y konstant sind, ergeben sich hieraus Veränderungen von M (der Geldmenge) direkt und ausschließlich auf P (das Preisniveau). Aber, das lässt sich empirisch nicht nachweisen. Trotzdem versucht man damit die Entstehung von Inflation zu erklären. Was zeigt, dass die neoklassische Zweiteilung in eine Real- und eine Geldsphäre, in der alle entscheidenden ökonomischen Fragen mit Ausnahme der Erklärung des Preisniveaus entschieden werden. Alle Hinweise auf das Geld als die Grundvoraussetzung der Ingangsetzung von Wirtschaftskreisläufen, versucht man mit mehr oder weniger verbrämter Ökonometrie wegzudefinieren. Und verarbeitet es zu einer Denkfigur bestehend aus der Knappheit des Geldes (Geld als Ware) und dem Geldschöpfungsmultiplikator zu einer Theorie, die angeblich Preisstabilität garantieren soll. Insbesondere die letzten Jahre haben gezeigt, dass dies nicht stimmen kann. Im Gegenteil. Dieses Konglomerat theoretischer Beschreibungen umadressierter Widersprüche erzeugt bis dato ein enorme Unverständnis für die Wirkursachen des real existierenden kreditfinanzierten Kapitalismus. Dessen Wirkursachen kreditbasiert sind.

                      Bei dem Thema Aufbewahrungsfunktion ist zu bedenken, dass Depositen nichts mit etwas Deponiertem zu tun haben, denn dafür stehen sie auf der falschen Seite der Bilanz. Bei der „Einlage“ von Geld bei einer Bank passiert folgendes: die eingezahlte Banknote geht in das Eigentum der Bank über und der „Einleger“ verliert sein Eigentum daran. Er erhält im Gegenzug eine Sichtforderung, mit der er Banknoten (nicht die eingezahlten) zurückverlangen oder die Bank beauftragen kann, zu seinen Lasten einen Transfer von Zentralbankgeld vorzunehmen. Diese Verfügung kann eine Bank deswegen durchführen, weil das Zentralbankgeld in ihrem Eigentum steht und sie deswegen befähigt ist, im Auftrag des Überweisenden einen Zentralbankgeldtransfer durchzuführen.

                      Das hat meines Erachtens auch Auswirkungen auf den ominösen Negativzins, den inzwischen einige Geschäftsbanken auf Sichtforderungen ihrer Kunden erheben. Auf deren Konto befindet sich aber gar kein Geld, sondern eine Forderung gegen die Bank. Insoweit gibt es nichts aufzubewahren und führt zu der Frage, weshalb Kontoinhaber für ihre Forderung gegen die Bank Negativzinsen zahlen sollten, was logisch nicht mehr gut begründbar ist. Ich sehe das eher als ein Lenkungsmittel, das Kunden veranlassen soll, ihr Geld „arbeiten zu lassen“. Da Geld nicht mehr Geld, erwirtschaften kann, auch nicht über Produktionsumwege, sondern aus Kreditverhältnissen entsteht, die zwar das gesamte Nettogeldvermögen ausweiten, aber letztendlich nur Stocks and Flows generieren, ist der Negativzins eine Maßnahme der Banken hilft forciert ihr eigenes Geschäft zu betreiben, aber weniger das ihrer Kunden.

                    • In Dubio 9. Februar 2018, 16:38

                      Nun, wie Sie richtig feststellen ist Geld heute etwas, das aus Forderungen Und Verbindlichkeiten besteht. Damit Menschen in so etwas abstraktes Vertrauen haben und Geld als alleiniges Zahlungsmittel akzeptieren, müssen sie an den Wert der Währung glauben. Das tun sie, wenn sie von der Seriosität der hinter der Geldpolitik stehenden Institutionen überzeugt sind. Nicht von ungefähr genoss die Deutsche Bundesbank nach dem Krieg höchstes Ansehen in der Bevölkerung – bis heute. Es ist daher gefährlich, mit dem Vertrauen zu spielen. Deutschland benötigte nach 1945 neue Institutionen und das Versprechen der Politik die Unabhängigkeit der Zentralbank zu garantieren. Das Vertrauen ist gewährleistet, wenn die Politik die Zentralbank nicht für eigene Zwecke missbraucht und die Geldmenge beliebig ausweitet. Denn ist das Vertrauen einmal weg, hilft nur ein vollständiger Reset.

                      Folgende Szenario: Italien und Griechenland scheiden demnächst aus dem Euro aus. In diesem Fall hätte die Deutsche Bundesbank wertlose Forderungen in Billionenhöhe, denen keine gleichlautenden Sachwerte gegenüberstehen. Die Institution müsste nach den geltenden Regeln die Forderung wertberichtigen, was zu einer bilanziellen Überschuldungssituation führen würde. Natürlich können wir das Problem noch auf die EZB verlagern, es ändert aber nichts daran, dass eine Notenbank, die selbst gegen Grundsätze soliden Wirtschaftens verstößt, kaum glaubwürdig Stabilität und Seriosität repräsentieren kann. Das wäre das Ende des Euros.

                      Rückblick in das Jahr 2015: damals erwog die griechische Regierung den Austritt aus dem Euroverbund. Sie versprach sich davon eine erhebliche Schuldenerleichterung durch Einführung einer Parallelwährung. Dadurch wären die Spareinlagen der eigenen Bevölkerung per Knopfdruck verringert worden. Athen nahm Abstand von dem Plan, da bereits zu der Zeit der Großteil der griechischen Verschuldung in Euro lautete und ein Währungsschnitt wenig Erleichterung gebracht hätte. Chancen und Risiken standen in keinem Verhältnis.

                      Geld hat, bei einer sachgemäßen Betrachtung, auch keine Tausch- und/oder Aufbewahrungsfunktion.

                      Der Staat verlangt in seinen Ausführungsgesetzen von seinen Bürgern, allein seine Währung als alleiniges Zahlungsmittel zu akzeptieren. Das ist die Funktion als Tauschmittel. Ebenso fördert der Staat das Sparen von Geld. Es ist dabei einerlei, ob Geld im Grunde nur Darstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten ist. Auch Forderungen können eine Form des Sparens sein. Damit dies alles funktioniert, ist Vertrauen in die Währung notwendig. Schließlich sehen wir in Hochinflationsstaaten, wohin eine Geldpolitik führt, wenn sie sich nicht an dem Erfordernis der Stabilität orientiert. In solchen Ländern bildet sich eine Parallelwährung heraus, die am Ende auch der Staat als Zahlungsmittel akzeptieren muss. Ein prominentes Beispiel dazu war Argentinien, dass nach dem Zusammenbruch 2001 seinen neuen Gläubigern Schuldverschreibungen in US-Dollar und nach amerikanischem Recht zubilligen musste.

                    • popper 12. Februar 2018, 13:21

                      …wie Sie richtig feststellen ist Geld heute etwas, das aus Forderungen Und Verbindlichkeiten besteht. Damit Menschen in so etwas abstraktes Vertrauen haben und Geld als alleiniges Zahlungsmittel akzeptieren, müssen sie an den Wert der Währung glauben…

                      Zunächst, Währung und Geld ist nicht dasselbe, sondern Währung adressiert eine Unterform des Geldes. Geld besteht eben nicht aus Forderungen und Verbindlichkeiten, sondern ist deren Erfüllungsgegenstand. Wäre Geld mit Forderungen und Verbindlichkeiten identisch, ginge der Erfüllungsgegenstand flöten. Das muss man terminologisch schon sauber trennen. Und Vertrauen als quasi sozialpsychologische Gegebenheit ist in diesem Zusammenhang keine wirklich hilfreiche Zuschreibung, um ein einfaches Konzept wie Geld zu charakterisieren. Sie schreiben doch selbst:

                      Der Staat verlangt in seinen Ausführungsgesetzen von seinen Bürgern, allein seine Währung als alleiniges Zahlungsmittel zu akzeptieren.

                      Ziehen aber postwendend die falschen Schlüsse daraus. Die Emission von Euro ist ein hoheitlicher Akt, d.h. es wird dadurch zum ultimativen Schuldentilgungsmittel, ohne dass dazu noch irgendeine Deckung erforderlich ist. Wir leben nicht mehr im Zeitalter des Goldstandards. Man kann auch sagen, seit 1971 ist der Forderungsinhalt des ehemaligen Forderungspapiers auf Gold ist im Zeitalter des Papiergeldes verloren gegangen.

                      Sie schreiben: Folgende Szenario: Italien und Griechenland scheiden demnächst aus dem Euro aus. In diesem Fall hätte die Deutsche Bundesbank wertlose Forderungen in Billionenhöhe, denen keine gleichlautenden Sachwerte gegenüberstehen. Die Institution müsste nach den geltenden Regeln die Forderung wertberichtigen, was zu einer bilanziellen Überschuldungssituation führen würde.

                      Woraus schließen Sie das? Für Zentralbanken gelten nicht die normalen Bilanzierungsregeln. Warum sollte eine Zentralbank (ZB) gegen eine andere ZB Forderungen haben. Wenn Sie an die Zentralbank Zentralbankgeld (ZBG) in Papierform zurückzahlen, wandert es auf Nimmerwiedersehen in den Reißwolf. Erfolgt es über einen heute üblichen Buchvorgang ergibt die Buchung eine Bilanzverkürzung auf der Passivseite, die den Zentralbankgeldumlauf dokumentiert. Zentralbanken bilanzieren nämlich keinen Kassenbestand, wo man auf der Aktivseite etwas einzahlen oder Zentralbankgeld verbuchen könnte, sofern es sich nicht um Wertpapiere oder sonstige Assets handelt. Das wäre ein „Eulen nach Athen tragen“. Operationen zwischen Zentralbanken müssen aus logischen Gründen anders beurteilt werden, als Operationen von Zentralbanken mit den ihr angeschlossenen Geschäftsbanken. Da die Target Salden Ausdruck der grenzüberschreitenden Verteilung von Zentralbankgeld sind, können sie auch dann kein Risiko darstellen, wenn ein Mitgliedstaat ausscheidet.

                      Die einzige Sache, auf die Prof. Sinn zurecht aufmerksam gemacht hat ist, dass durch das in der EWU im Target II Verfahren die nationalen ZB keine Kontrolle mehr über die Geldmenge haben, alles andere war schlichter Un(-Sinn). Target Salden sind keine Forderungen, sondern ein Hinweis darauf wo sich welche Menge Zentralbankgeld. Auf was denn? Zentralbanken können selbst Zentralbankgeld Geld herstellen. Die Verwirrung entsteht dadurch, dass auch von Geld gesprochen wird, wenn es um Kredite zwischen Geschäftsbanken und Privaten geht. Das zweistufige Geldsystem hat im Innenverhältnis (ZB-GB) kein „Kreditgeld“, sondern Zentralbankgeld und allein das ist gesetzliches Zahlungsmittel. Sie können es drehen und wenden, Geld braucht keinen Wert, sondern Bonität.

                    • Stefan Pietsch 12. Februar 2018, 13:49

                      In unserem diskutierten Fall ist Währung gleich Geld. Unsere Steuern müssen wir schließlich in Euro entrichten, so steht es in der Abgabenordnung.

                      Die Emission von Euro ist ein hoheitlicher Akt, d.h. es wird dadurch zum ultimativen Schuldentilgungsmittel, ohne dass dazu noch irgendeine Deckung erforderlich ist.

                      Nein, hier irren Sie, was sich dann weiter durchzieht. Auch eine Zentralbank unterliegt dem Erfordernis der doppelten Buchführung wie den allgemeinen Bilanzierungsregeln. Auch Notenbanken dürfen sich nicht eigene Rechnungsregeln erfinden. Außerdem läuft die Geldschöpfung nicht so, wie Sie es beschreiben. Diese wird von den Geschäftsbanken, nicht den Notenbanken getrieben.

                      In $26 des Gesetzes für die Deutsche Bundesbank heißt es:
                      (1) Das Geschäftsjahr der Deutschen Bundesbank ist das Kalenderjahr.

                      (2) Das Rechnungswesen der Deutschen Bundesbank hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Der Jahresabschluss ist unter Berücksichtigung der Aufgaben der Deutschen Bundesbank, insbesondere als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken, aufzustellen und mit den entsprechenden Erläuterungen offenzulegen; die Haftungsverhältnisse brauchen nicht vermerkt zu werden.

                      Soweit sich aus Satz 2 keine Abweichungen ergeben, sind für die Wertansätze die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für Kapitalgesellschaften entsprechend anzuwenden. Die Bildung von Passivposten im Rahmen der Ergebnisermittlung auch für allgemeine Wagnisse im In- und Auslandsgeschäft, wie sie unter Berücksichtigung der Aufgabe der Deutschen Bundesbank im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung für zulässig gehalten wird, bleibt unberührt.

                      Die Target-Salden stehen bei der Deutschen Bundesbank im Soll, haben damit Forderungscharakter und sind Umlaufvermögen. Die Vorschriften für Kapitalgesellschaften sehen hierzu im HGB eine Einzelbewertung nach Werthaltigkeit vor. Es gilt das Niederstwertprinzip. Eine Forderung, die nicht mehr von Dritten bedient wird, ist danach auf Null wertzuberichtigen. Daran kann es keinen Zweifel geben und lässt auch kein Finanzwissenschaftler Zweifel.

                      Da kein Eigenkapital in vergleichbarer Höhe besteht, wäre die Bundesbank im Moment der Wertberichtigung bilanziell überschuldet. Eine Überschuldung muss durch Maßnahmen des Eigentümers abgewendet werden. Ansonsten wird auch eine Körperschaft Öffentlichen Rechts abgewickelt. Folglich gilt das, was ich bereits geschrieben habe.

                    • popper 13. Februar 2018, 14:48

                      In unserem diskutierten Fall ist Währung gleich Geld. Unsere Steuern müssen wir schließlich in Euro entrichten, so steht es in der Abgabenordnung.

                      Das ist korrekt. Ich wollte bei meiner Unterscheidung ja nur zum Ausdruck bringen, dass der Terminus „Währung“ sich auf viele Sorten von Geld beziehen kann. Zum anderen soll das erklären, dass der „Wert“ des Geldes im Grunde eine mystische Zuschreibung zu einer Sache ist, die nur die eine Aufgabe hat: Schulden zu tilgen. Was ist der Unterschied von Gütern und Waren? Ganz lapidar sind für den Unternehmer Waren das mit dem sie bezwecken, Geld für Schuldendienst und Gewinn aufzutreiben. Ganz anders für den Konsumenten, hier üben Güter eine nutzenstiftende Funktion aus. Dieses Gefasel mancher Ökonomen oder solchen, die es gerne wären von der „Werthaltigkeit“ des Geldes ergibt sich auch nicht aus dem Rückgriff auf Gold oder Wertpapiere. Die sind ja auch nur eine Forderung auf Geld. Und ergibt sich aus der schlichten Tatsache, dass Verbindlichkeiten bedient werden müssen.

                      Nein, hier irren Sie, was sich dann weiter durchzieht. Auch eine Zentralbank unterliegt dem Erfordernis der doppelten Buchführung wie den allgemeinen Bilanzierungsregeln. Auch Notenbanken dürfen sich nicht eigene Rechnungsregeln erfinden. Außerdem läuft die Geldschöpfung nicht so, wie Sie es beschreiben. Diese wird von den Geschäftsbanken, nicht den Notenbanken getrieben.

                      Wieso irre ich? Wie entsteht denn ihrer Meinung nach das gesetzliche Zahlungsmittel in der EWU, wenn es, wo Sie mir vielleicht zustimmen, nicht vom Himmel fällt. Es entsteht durch die EZB und die Zentralbanken. Eine Forderung an die Zentralbank ist immer eine Forderung auf Banknoten. Allein sie haben das Recht Bargeld herzustellen und zu emittieren. Und wenn eine Auszahlung erfolgt ist, warum sollte der Banknotenumlauf auf der Passivseite dann noch eine Forderung sein, die ist doch mit der Auszahlung des Erfüllungsgenstandes schuldfrei. Das hilft auch keine Bilanzregel aus dem HGB mehr. Denn „Passiv“ bedeutet ja zuerst Mittelherkunft und nicht automatisch eine externe Verbindlichkeit.

                      Und die Kreditschöpfung (nicht Geldschöpfung) der Geschäftsbanken (GB) ist eine reine Bilanzverlängerung. Die muss weder durch Sparen noch durch Gold finanziert oder besichert werden. Oder sind Sie der Auffassung, bei einer Übergabe von Bargeld zur Einzahlung auf ihr Konto würde von Seiten der Bank etwas Gleichwertiges an Sie übergeben. Oder bei Einräumung ihres Darlehens für einen Hauskauf. Hier erfolgt doch nur ein Buchungseintrag, der den ihnen bisher zur Verfügung stehenden Betrag um ein gewisses Quantum erhöht.

                      Nun sind Sie ja gewieft genug und schreiben: „Diese [Geldschöpfung d. Verf.] wird von den GB, nicht den Notenbanken getrieben. und zeigen mit dieser Formulierung, dass ihnen die Sache mit der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe eben nicht so ganz geheuer ist. Denn getrieben ist nicht selbst tun. Dem stimme ich sogar zu, denn die GBen ökonomisieren die Kredite. Gerade die Finanzkrise hat doch auf eindrückliche Weise gezeigt, dass den Banken auf einmal klar wurde, dass sie sich nicht mehr auf die Zahlungszusagen anderer Banken verlassen konnten. Und die LTRO etc. waren doch gerade deswegen notwendig, weil es einen Unterschied von Zentralbankguthaben und Nostroforderungen gibt. Und ich bitte Sie. Diesen Quatsch-Artikel aus der FAZ, noch dazu im Feuilleton von einem Herrn Wolfgang Krischke, Journalist, Buchautor und Lehrbeauftragter für Sprachwissenschaft (Schwerpunkte: Sprache der Medien, Sprachwandel, Sprachkritik) an der Universität Hamburg, schreibt doch nichts anderes als den üblichen unverstandenen Pseudogram.

                      Und zu den Target II-Salden gibt es keine ernstzunehmende Stellungnahme, die diese als Forderungen ausweist. Target II ist ein Zahlungssystem, kein Finanzierungssystem. Da das ganze Währungssystem in einer einzigen Notenbank kulminiert (EZB) ist der Denkansatz, hier bestünden Forderungen, abwegig. Ein Euro ist ein Euro, unabhängig davon, wo er sich aufhält, sprich, unabhängig davon, gegen welche nationale Zentralbank sich eine auf Euro lautende Forderung richtet.

                      Und wie soll man diesen Einwand ernst nehmen: Da kein Eigenkapital in vergleichbarer Höhe besteht, wäre die Bundesbank im Moment der Wertberichtigung bilanziell überschuldet.

                      Ja und? Eigenkapital ist ein Saldo mit Informationsfunktion. Nicht mehr und nicht weniger. Richtiger wäre „passiver Vermögensbestandssaldo“, das würde viel zur Begriffshygiene beitragen. Bei ihrer Sorge wegen einer Wertberichtigung oder bilanziellen Überschuldung fehlt nur noch die Refinanzierung der Zentralbank. Und das ausgerechnet bei derjenigen Institution, die per definitionem niemals illiquide werden kann? Ich fürchte hier könnte ihnen selbst Herr Weidmann nicht mehr folgen. Und Herr Draghi schon überhaupt nicht.

                      Im Übrigen als Randbemerkung, die EZB hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen hinsichtlich der ELA-Kredite an Griechenland. Herr Draghi weigert sich, dieses öffentlich zu machen. Varoufakis und De Masi klagen auf Herausgabe. Könnte sein, dass die EZB tatsächlich ihr Mandat aus politischen Gründen verletzt hat, die Liquidität der Banken sicherzustellen. Das wäre aber ein anderes Thema.

                    • In Dubio 13. Februar 2018, 15:41

                      Wieso irre ich? Wie entsteht denn ihrer Meinung nach das gesetzliche Zahlungsmittel in der EWU, wenn es, wo Sie mir vielleicht zustimmen, nicht vom Himmel fällt.

                      Sie hatten ausgeführt, eine Notenbank unterläge nicht den Bilanzierungsvorschriften normaler Unternehmen. Daraus abgeleitet könne es keine bilanzielle Überschuldung geben. Die Targetsalden sind ein Aktivposten. Nennen Sie es Forderung oder Verrechnungsposten, es bleibt das Gleiche. In dem Moment, wo derjenige aus dem Währungsverbund ausscheidet, der den Gegenposten im Passiv hat, muss das Verrechnungskonto auf Null gestellt werden. Nur nebenbei: eine Bilanz kann keinen Verrechnungsposten führen, es ist entweder ein Fixed Asset, eine Forderung oder Liquide Mittel. In diesen Kategorien sind die Target-Salden Forderungen. Die Bundesbank selbst spricht auf Seite 71 ihres Geschäftsberichts 2016 von Forderungen gegenüber der EZB aus dem Target2-System.

                      Ich wiederhole mich: im Falle eines Ausscheidens Griechenlands oder Italiens muss ein solcher Posten wertberichtigt oder gar ausgebucht werden. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das Gleiche. Nun kann eine Notenbank selbst Geld drucken und einen Aktivposten schaffen. Aber das ist ein Bilanztrick und jeder wüsste das. Das Vertrauen in die Seriosität der obersten geldpolitischen Instanz wäre dahin und den Bürgern würde vor Augen geführt, dass ihre Währung nur eine Fata Morgana wäre.

                      Damit drehen wir uns im Kreis: da Währungen nicht mehr an feste Werte wie Gold gekoppelt sind, muss irgendwoher das Vertrauen kommen, dass Geld als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Bilanztricks vernichten jegliches Vertrauen. Bisher vertraut jeder Händler, jeder Bürger, dass er für seinen Euro, sein Guthaben einen Gegenwert erhält, den er ebenso in Euro bemisst. Eine Notenbank, die gerade mal eine Billion Euro druckt, weil ihre Bilanz sonst schief wäre, kann nicht voraussetzen, dass ihre Buchungen beim Bürger wie den Finanzmärkten noch Vertrauen auslösen. Das ist nicht abstrakt: die Südländer sind ja gerade in den Euro geflüchtet, weil ihre Bürger kein Vertrauen in die eigene Geldpolitik hatten.

                      Zur Klarstellung: ich sprach bewusst immer von „bilanzieller Überschuldung“. Sie unterscheidet sich von einer Insolvenz, die eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit beschreibt. Aber auch eine bilanzielle Überschuldung ist unter Bilanzierungsgesichtspunkten nicht hinnehmbar und erfordert Maßnahmen. In Bezug auf eine Notenbank sind dies entweder eine Nachschusspflicht des Staates oder der Ausweis neuer geldpolitischer Instrumente.

                    • popper 13. Februar 2018, 20:52

                      Sie hatten ausgeführt, eine Notenbank unterläge nicht den Bilanzierungsvorschriften normaler Unternehmen.

                      Nein, das habe ich nicht, lesen Sie es weiter oben nach. Meine Punkt war folgender: „Für Zentralbanken gelten nicht die normalen Bilanzierungsregeln.“ Und das ist zutreffend, wie aauch aus Paragraph 26 des Gesetzes der deutschen Bundesbank hervorgeht, wenn es dort heißt: „Soweit sich aus Satz 2 keine Abweichungen ergeben, sind für die Wertansätze die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für Kapitalgesellschaften entsprechend anzuwenden.“ Und es gibt diese bei Berücksichtigung der Aufgaben der Deutschen Bundesbank, insbesondere als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken. Weidmann, Sinn u.a. regen sich doch ständig darüber auf und vertreten vor dem Verfassungsgericht ihre politischen Präferenzen, die an den finanztechnischen und ökonomischen Tatsachen völlig vorbeigehen.

                      Das ist aber gar nicht der Punkt. Sie können bis dato nicht mit sachlichen Argumenten widerlegen, dass der eingetragene Bargeldumlauf, obwohl er auf der Passivseite der Notenbank-Bilanz steht keine Forderung gegen die Notenbank ist, oder gar eine Schuld. Hier unterscheidet sich klar die Bilanzregel von dem, was üblich ist. Und wenn sich jemand im Kreis dreht, dann bin nicht ich das. Ich habe ihnen unzählige Erläuterungen und Nachweise zu geldtheoretischen Sachverhalten geliefert, auf die Sie überhaupt nicht eingehen. Dagegen wiederholen Sie in jedem Posting althergebrachte Fehlurteile über die
                      spezifische Funktion des Geldes als Erfüllungsgegenstand einer Geldschuld im Rahmen des zweistufigen Geldsystems der EWU. Ohne ein korrektes Geldverständnis und Kenntnis des aktuellen Sachstandes ist eine Diskussion nicht möglich. Anstatt eines entsprechenden Antwortversuchs auf meine ausführlichen Sachbeschreibungen ergehen Sie sich in Referaten über Buchungszusammenhänge, die das Thema Zentralbankgeld und Target II Salden überhaupt nicht adressieren. Ist es denn nicht statthaft, Sie dazu aufzufordern, sachlich ein paar einfache Fragen zu beantworten. Denn bei den Target II Salden handelt es sich in Wahrheit um einen Geldstrom. Das heißt, wenn ein Land eine Target II-Verbindlichkeit hat und Geld aus dem Land abfließt, erhält umgekehrt ein anderes Land eine Target II-Forderung und es fließt ihm Geld zu Jetzt erklären Sie mir mal, wieso das Land, dem Geld zugeflossen ist, diese „Forderungen“ noch besichert haben möchte oder wie es Prof. Sinn bei seinen nebulösen Einlassungen vorschwebte, dass diese Forderungen (nochmal) mit Wertpapieren „ausgeglichen“ werden sollten… Dabei ist die Sache doch ganz einfach: wenn die Bundesbank die Target II-Salden nicht haben will soll sie sich davon doch einfach Wertpapiere des Senderlandes einkaufen. Und wenn sie keine griechischen Staatspapiere haben will kann sie sogar mit den Target II-Forderungen aus Griechenland sich auf dem gesamten Kapitalmarkt bedienen… Jetzt sind Sie dran, und kommen Sie nicht wieder mit ihren Bilanzen.

                    • In Dubio 13. Februar 2018, 21:11

                      Nein, das habe ich nicht, lesen Sie es weiter oben nach.

                      Wenn Sie das so sehen, ist das in Ordnung.

                      Ich sehe keinen Sinn darin, sich über eine Geldtheorie zu zerstreiten, zumal ich Ihre Ausführungen ja nachvollziehen kann. Die einzig relevante politische Frage ist jedoch, ob die Target2-Salden bei einem Zerbrechen des Euros eine Wirkung haben oder nicht. Dass sie eine haben, ergibt sich aus den bilanzrechtlichen Vorschriften, das ist keine Frage einer Geldtheorie.

                      Und wenn sich jemand im Kreis dreht, dann bin nicht ich das.

                      Wir drehen uns im Kreis.

                      Jetzt erklären Sie mir mal, wieso das Land, dem Geld zugeflossen ist, diese „Forderungen“ noch besichert haben möchte oder wie es Prof. Sinn bei seinen nebulösen Einlassungen vorschwebte, dass diese Forderungen (nochmal) mit Wertpapieren „ausgeglichen“ werden sollten…

                      Ein wichtiger Grund ist, weil hinter den Target2-Strömen der Tausch realer Werte steht. Sie zeigen, dass das eine Land mehr bekommen hat als das andere. Das US-System funktioniert genau so, dort müssen die Bundesstaaten einmal im Jahr die Verrechnungskonten auf Null stellen, in dem offene Salden in Gold oder Wertpapieren ausgeglichen werden. Das ist kein Unsinn, im Gegenteil. Professor Sinn nimmt für den Euro den einzigen komplexen Währungsverbund zum Vorbild, der auf der Welt funktioniert.

                    • popper 15. Februar 2018, 11:12

                      Wir drehen uns im Kreis… Professor Sinn nimmt für den Euro den einzigen komplexen Währungsverbund zum Vorbild, der auf der Welt funktioniert.

                      Ich muss Sie leider doch noch einmal bemühen. Wir drehen uns im Kreis, weil Sie immer wieder die gleichen Fehleinschätzungen wiederholen und nicht bereit sind andere Denkstrukturen aufzugreifen und logisch zu schlussfolgern. Prof. Sinn und die USA als Referenz sind nicht gerade valide. Die Ausführungen von „Sinn“ zu den Taget II-Salden sind, vornehm ausgedrückt, abwegig. Sinn hat sich, wie oft in den Jahren, schlicht verrannt und in Fachkreisen teilweise auch lächerlich gemacht. Dazu gibt es von vielen Wissenschaftlern Darlegungen, die das nachweisen.

                      Und die „Amerikaner“ verteidigen ihren Dollar mit allen Mitteln, wenn es sein muss, bis hin zu militärischen Interventionen. Wären die Golfstaaten und andere ab morgen nicht mehr bereit, ihr Öl, Gas etc. in Dollar zu fakturieren, wäre die Leitwährung Dollar am Ende. Das ISA-System der USA ist nur unzureichend mit dem Target II-Verfahren der EU vergleichbar. Und diesem sogar unterlegen Die FED ist im Gegensatz zur Bundesbank eine Privatbank. Man muss auch wissen, dass es beim ISA-System zu keinem vollständigen Saldenausgleich kommt. Da eine Anpassung über Gold-Zertifikate aufgrund des niedrigen Bestands im Fed-System nicht möglich ist. D.h., in einem weiteren Schritt wird die Aufteilung des Gold-Zertifikate-Kontos neu vorgenommen. Eine Übertragbarkeit auf die EU ist auch nicht praktikabel, weil der Goldbestand im gesamten Eurosystem etwa 500 Mrd. Euro umfasst, das ist weniger als der Saldo bei der BuBa, wo sich bereits ein signifikanter Teil (130 Mrd.) befindet. Man kann schon von einem „Besicherungswahn“ sprechen, denn es kursieren unausrottbar immer noch Vorstellungen aus der Zeit des Goldstandards, die auf inadäquate Weise auf die heute geltenden Finanzsysteme übertragen werden. Ökonomen glauben immer noch, Papiergeld bräuchte eine Absicherung in realen Werten. Aber selbst dann, wenn alle Salden zu 100% mit Gold hinterlegt wären, müsste auch dieses mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel bezahlt, ge- oder verkauft werden.

                      Bei den Target II-Salden liegt der Denkfehler darin, dass manche Ökonomen nicht verstehen (wollen), dass Kredite, Geld oder Zentralbankgeld in unserem Geldsystem unterschiedliche Funktionen haben. Jede Unklarheit drüber versperrt die Sicht auf das Verständnis. Das lässt sich auch nicht mit bilanztechnischen Feinheiten beheben, denn diese sind zwar richtig, für das Verständnis der Target II-Verfahren aber doch weitestgehend unerheblich.

                      Denken Sie nur einmal kurz an Devisenreserven. Die Bundesbank nimmt z.B. Sorten herein, sagen wir USD, um diese zinstragend in Forderungen auf USD umzuwandeln. Käme hier jemand auf die Idee, die US-Treasury sollte/müsste ihre Verbindlichkeiten besichern. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Nixon 1971 von heute auf morgen den Goldstandard liquidierte, also die Goldparität schon da nie eingehalten wurde.

                      Bei den Target II-Umbuchungen ist wichtig zu beachten, dass hier bereits schon vorher emittiertes Zentralbankgeld, transferiert wird. Sodass eine Target-Forderung der Bundesbank gegen irgendeine andere Nationale Zentralbank des Euro-Raumes letztlich nur einen Merkposten darüber darstellt, WO das von der Bundesbank (evtl. auch nur temporär) emittierte Zentralbankgeld ursprünglich herstammt. Der Anfängerirrtum, Banknoten deswegen als Forderungen aufzufassen, weil der Gegenposten Zentralbankgeld auf der Passivseite jeder Zentralbank aufgeführt wird, ist überhaupt der entscheidende Indikator, dass Target II-Salden keine Forderungen zwischen Zentralbanken sein können. Bei Target II-„Überweisungen“ handelt es sich eben nicht um „normale“ Überweisungen. Eine strukturelle Hierarchie, wie sie zwischen Geschäftsbanken und Zentralbanken besteht, ist auf der Ebene der Target II-Transaktion nicht gegeben, denn hier handelt es sich um Abgleichungsprozesse zwischen Zentralbanken. Nur die im Grunde überflüssige Einbeziehung der EZB, lässt das Ganze so erscheinen, als würde hier, wie beim Überweisungsverkehr zwischen Geschäftsbanken auf nationaler Ebene, Zentralbankgeld übertragen. Es ist auch sachlich unangemessen aus der Zu- oder Abnahme der Target-Salden zu schlussfolgern, damit ginge eine Ab- oder Zunahme des Export-/Importsaldos einher.

                      Niemand wird doch ernsthaft bezweifeln wollen, dass jede Güter- und Dienstleistungslieferung ihre Entsprechung in der Kapitalbilanz hat (besser: Kapitalverkehrsbilanz). Im umgekehrten Falle gilt das nur insoweit, als aufgrund historischer Buchhaltungsüblichkeiten die Übertragungsbilanz zur Leistungsbilanz gerechnet wird. In der Diskussion ist meistens nicht die Leistungsbilanz, sondern der Außenbeitrag gemeint, wenn es um Ex- oder Importe geht. Andere Vorgänge, betreffen nur die Kapitalbilanz, nämlich wenn es sich um reine Geldvermögensumschichtungen handelt.

                      Nochmal ein Beispiel: Die Begleichung einer Dollarforderung erfordert bei der Bundesbank nur einen Kasseneingang in Dollar, dabei handelt es sich schlicht um einen Aktivtausch: Dollarforderung gegen Dollar. Sollte die Bundesbank sich jetzt damit belasten in ihrem Tresor die Dollarscheinchen zu bunkern? Das wäre doch das berühmte „Eulen nach Athen tragen“, denn eine Dollarforderung gegen eine US-Zentralbank ist dasselbe wie Dollar zu haben und die könnten sogar noch Zinsen abwerfen. Genauso unsinnig wäre es, wenn eine Euro-Zentralbank gegenüber einer anderen Euro-Zentralbank auf einer Zahlung von Euro bestehen würde, denn die Forderung gegen eine Zentralbank, (ich kann mich da nur wiederholen) stellt bereits Zentralbankgeld dar. Im Euro-Raum ersetzen Target-Salden, schlicht und ergreifend die Zahlung von „Devisen“, denn die „Zahlungspflichtigen“ sind ja Zentralbanken. Kontrafaktisch könnte man das so beschreiben: würde sich die Bundesbank die Euro-Scheinchen von den betreffenden Euro-Zentralbanken liefern lassen, würde sie (nach Aktivtausch „Forderung“ gegen Euro-Noten) den „Kasseneingang“ (Bestandsveränderung!) umgehend gegen den Posten Zentralbankgeld (Passivseite!) gegenrechnen und die entsprechenden Geldscheine verbrennen und das kann man wörtlich nehmen.

                      Deshalb ist es schlicht unzutreffend, wie Prof. Sinn und offenbar auch Sie es tun, hieraus zu konstruieren, es handle sich bei Target II-Buchungen um offene Forderungen im Sinne geschäftlicher Verhältnisse. Denn damit leugnen Sie die Sonderstellung von Zentralbanken im Rahmen des Kreditgeldsystems, wie wir es nun einmal in der EWU haben. Insofern wüsste ich nicht, wie man das noch eingehender erklären sollte, um diese tradierten Fehlinterpretationen zu überwinden.

                      Dieser ganze Hype, der seit Jahren darum gemacht wird, verunsichert die Menschen in Deutschland, soll aber Deutschland als Opfer präsentieren, das, wenn es „schief geht“, für alles aufzukommen haben, was andere verbocken. Das trägt weder zur Versachlichung bei noch entspricht es den systemtheoretischen Tatsachen. Gerade Personen wie Prof. Sinn, die als Sachverständige vor dem BVerfG auftreten und den Juristen schlichten Widersinn auftischen, machen die Sache nur schlimmer, zumal Herr Sinn in Deutschland als Koryphäe in ökonomischen Fragen gilt. Herr Sinn ist zweifelsohne ein ausgezeichneter Ökonom mit speziellen weltanschaulichen Neigungen. Diese haben für die politischen Entscheidungen große Bedeutung. Das Ergebnis sieht man auch in der völlig verfahrenen Euro- und Finanzkrise und dem deutschen merkantilistischen Sonderweg.

                    • In Dubio 15. Februar 2018, 12:56

                      Wir drehen uns im Kreis, weil Sie immer wieder die gleichen Fehleinschätzungen wiederholen und nicht bereit sind andere Denkstrukturen aufzugreifen und logisch zu schlussfolgern. Prof. Sinn und die USA als Referenz sind nicht gerade valide.

                      Wieso kommen Sie nicht auf die Idee, dass Ihre Vorwürfe Sie selbst treffen?

                      Ich habe eine klare Abgrenzung gezogen:
                      Ich debattiere, ob ein Ausscheiden von Italien und Griechenland das Ende des Euros bedeuten würde.
                      Ich debattiere, ob ein solches Szenario die Bundesbank in eine Schieflage bringen würde.

                      Alle weitergehenden Fragen über geldtheoretische Aspekte können Sie gerne debattieren, jedoch nicht mit mir.

                      Genau zu diesen Fragen sagen Sie jedoch nichts. Denn es sind keine Fragen, die sich durch Geldtheorie beantworten lassen, sondern es sind am Ende bilanzrechtliche Fragen.

                      Die USA betreiben den einzigen funktionierenden Währungsverbund. In diesem werden die Verrechnungskonten einmal jährlich auf Null gestellt mittels Ausgleich in Gold und Wertpapieren. Das ignorieren Sie mit dem Verweis, dass die USA ja über Kriege ihren Dollar überall durchdrücken könnten. Nur das war nicht die Frage. Auch hier ist die einzig geltende Frage, unter welchen Bedingungen ein Währungsverbund funktioniert. Sie liefern kein Argument, warum Sie das US-Modell ablehnen. Was wäre denn dagegen zu sagen, wenn die Euro-Mitgliedsländer ihre Target2-Salden (Verrechnungskonten) einmal im Jahr auf Null stellen würden? Einzig das Argument, das wäre nicht notwendig, ist nicht gerade viel Futter zum Diskutieren.

                      Eine Übertragbarkeit auf die EU ist auch nicht praktikabel, weil der Goldbestand im gesamten Eurosystem etwa 500 Mrd. Euro umfasst, das ist weniger als der Saldo bei der BuBa, wo sich bereits ein signifikanter Teil (130 Mrd.) befindet.

                      Sie können das gerne um Wertpapiere erweitern, dann müsste es auch in Ihren Augen praktikabel sein. Das BIP der USA ist mit 20 Billionen US-Dollar deutlich größer als das des Euroraums (11 Billionen Euro). Folglich müsste der Ausgleich über Gold und Wertpapiere möglich sein. Es sei denn, Sie definieren den Euroraum wirklich als Transferunion über die Geldpolitik, was aber weder im Sinne der Europäischen Verträge noch der Mehrheit der europäischen Bürger wäre und nebenbei ein Argument liefert, warum der Euro als gemeinsames Währungsprojekt nicht funktioniert.

                      Die Bundesbank sagt im Einklang zur Bilanzierung der EZB, dass die Target2-Salden Forderungscharakter hätten. Nebenbei: ansonsten dürften sie nicht bilanziert werden. Einwand von Ihnen?
                      Der Anfängerirrtum, Banknoten deswegen als Forderungen aufzufassen, weil der Gegenposten Zentralbankgeld auf der Passivseite jeder Zentralbank aufgeführt wird, ist überhaupt der entscheidende Indikator, dass Target II-Salden keine Forderungen zwischen Zentralbanken sein können.

                      Ich weiß nicht, da die Bundesbank, geprüft durch Wirtschaftsprüfer und den Bundesrechnungshof, die Target2-Salden als Forderungen ausweist, scheinen Sie sich hier grundsätzlich zu irren. Jedenfalls scheint es sich nicht um einen Anfängerirrtum zu handeln, sonst müssten gegen zahlreiche Experten im Staatsdienst Strafverfahren eingeleitet werden. Gehen wir einen Moment davon aus, dass diese Herren, Damen und Institutionen Recht haben, so bliebe nur die Schlussfolgerung, dass Sie sich in diesen Auffassungen irren.

                      Auch Verrechnungskonten verbürgen Geschäftsvorfälle und daher indirekt den Fluss von Gütern und Werten. Sonst ergeben Verrechnungskonten keinen Sinn, weder in Unternehmen noch bei einer Notenbank. Wenn das aber so ist und die Südländer nicht gleichlautend die Konten über Gold und Wertpapiere ausgleichen können, so hat hier eine Bereicherung stattgefunden.

                    • popper 19. Februar 2018, 11:05

                      Wieso kommen Sie nicht auf die Idee, dass Ihre Vorwürfe Sie selbst treffen?

                      Dann nennen Sie doch die Fakten, die bestätigen, wo meine Ausführungen inkonsistent sind. Ihre Frage geht völlig an den Tatsachen vorbei. In meinen Beiträgen beschreibe ich sehr ausführlich, dass Buchführungskenntnisse zwar eine notwendige Bedingung für ein korrektes Verständnis des Target II-Verfahrens sind, aber es nicht hinreichend erklären können. Ihre Kommentare machen nur deutlich, dass Sie mit Gewalt versuchen, das Problem der Target II Salden auf aktienrechtliche Bilanzierungsvorschriften einzuengen. Und dabei komplett ignorieren, dass Operationen zwischen Zentralbanken aus logisch zwingenden Gründen anders beurteilt werden müssen, als Operationen zwischen Zentralbanken und den ihnen angeschlossenen Geschäftsbanken. Anstatt darüber konstruktiv nachzudenken, kommt bei ihnen immer nur dieses im übertragenen Sinne: „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“. Mit dem Sie an Buchungssätzen kleben, weil Sie die Faktizität im Zusammenhang mit dem Target II-Verfahren nicht ausreichend verstanden haben. Dabei wäre doch hilfreich, Sie würden dem etwas entgegenzusetzen, das die Sinne verblüfft, und den Verstand belehrt. Sie verlegen sich auf Wortklauberei. Ihnen scheint entweder nicht möglich oder Sie weigern sich, die erforderlichen systemimmanenten Kausalitäten zu akzeptieren, die nun mal für die technische Seite der Target II Salden im Zahlungsverkehr der Staaten des Europäischen Währungssystems unabdingbar sind.

                      Ich habe eine klare Abgrenzung gezogen: Ich debattiere, ob ein Ausscheiden von Italien und Griechenland das Ende des Euros bedeuten würde. Ich debattiere, ob ein solches Szenario die Bundesbank in eine Schieflage bringen würde.

                      Abgrenzung von was? Zunächst müsste von ihrer Seite eine klare Begründung kommen, warum Sie glauben, ein Austritt von Griechenland und/oder Italien könnte die Bundesbank in eine Schieflage bringen. Machen wir doch die Probe aufs Exempel am Beispiel Italien: Die Banca Italia (BI) emittiert Zentralbankgeld und hat damit einen T2 Passiva-Eintrag der mit einen T2 Aktiva-Eintrag bei der EZB korrespondiert, im Gegenzug entsteht ein T2 Passiva-Eintrag bei der EZB und ein T2 Aktiva-Eintrag bei der Deutschen Bundesbank (BuBa). Sollte es nun tatsächlich dazu kommen, dass Draghi beim Austritt Italiens die „Kohle“ zurückverlangt, dann geschieht dies nicht als Forderung, sondern als Lieferung des Schuldentilgungsmittels sui generis, also Banknoten. Denn nur die Übergabe von Bargeld ist die einzig mögliche Option einer Zentralbank, wenn sie sich von ihren Verbindlichkeiten befreien will oder muss. Eine solche Rückzahlung eines T2 Passiva-Eintrages der BI an die BuBa würde dann bedeuten, dass das Zentralbankgeld, sprich „Forderung gegen die BI“ gegen das Zentralbankgeld („Euro-Banknote“) getauscht würde. Was zur Folge hätte, dass die BI anstelle eines T2 Passiva-Eintrags einen entsprechend höheren Banknotenumlauf in ihrer Bilanz zu verzeichnen hätte. Entgegengesetzt hätte die BuBa einen höheren Kassenbestand, den sie aufgrund der Gepflogenheiten jedoch mit ihrem Banknotenumlauf verrechnen müsste, sodass der T2 Aktiva-Eintrag bzw. der Banknotenumlauf der BuBa abnehmen würde. Es mag ja Leute geben, die bei einer solchen Umstrukturierung immer noch auf die Idee kommen, die BuBa hätte zwar weniger „Schulden“, bzw. weniger „faule“ Forderungen, aber die BI immer noch „Schulden“. Denen muss man dann klarmachen, dass Geld nie Schulden sind.

                      Alle weitergehenden Fragen über geldtheoretische Aspekte können Sie gerne debattieren, jedoch nicht mit mir. Genau zu diesen Fragen sagen Sie jedoch nichts. Denn es sind keine Fragen, die sich durch Geldtheorie beantworten lassen, sondern es sind am Ende bilanzrechtliche Fragen.

                      Ihre Ablehnung in der Sache zu diskutieren ist widersprüchlich und liegt meines Erachtens darin begründet, dass ihnen offensichtlich die theoretischen Voraussetzungen fehlen, um zu verstehen, dass die Ökonomie, wie wir sie heute kennen, auf einem kreditfinanzierten Kapitalismus beruht, was aus neoklassischer Sicht immer noch beharrlich geleugnet wird. Indem man das „Geld“ als Tauschmittel oder Schleier apostrophiert, die über den wahren ökonomischen liegen. Dabei bleibt unadressiert, dass letztlich nicht Geld gegen Ware, sondern Geld gegen (kalkulierten) Geldwert getauscht wird, es also bildlich gesprochen bei der Erreichung eines Umsatzziels in letzter Konsequenz nicht darauf ankommt was verkauft wird, sondern wieviel und zu welchem Preis. Die Fixierung auf die Tauschmittelaufgabe des Geldes outet sich als eine oberflächliche Betrachtungsweise, die das Geldproblem immer an die Tauschökonomie anzugleichen sucht, um es im Ergebnis an der Quantitätstheorie festzukleben. Damit reflektiert die Transaktion Ware gegen Geld nur auf der phänomenologischen Ebene das, was die Interaktion der Geldsphäre mit der Gütersphäre ausmacht. Das ist aber ein ziemlich weites Feld und würde die Möglichkeiten dieses Blogs sprengen.

                      Die USA betreiben den einzigen funktionierenden Währungsverbund.

                      Was, bitte, verstehen Sie unter einem „einzig funktionierenden“ Währungsverbund? Zu dieser Behauptung fehlt von ihnen jede wissenschaftliche Begründung. Und was sagt das über das ISA-Verfahren. Bevor Sie hier auf Vorzüge mit Alleinstellungsanspruch aufwarten, sollten Sie sich das Verfahren erst einmal genauer ansehen. Es gibt auch Expertisen, nach denen das Verfahren veraltet und auch nicht so abläuft, wie es das dafür vorgesehene Buchhaltungshandbuch eigentlich vorschreibt. Sie müssten sich nur kundig machen.

                      In diesem werden die Verrechnungskonten einmal jährlich auf Null gestellt mittels Ausgleich in Gold und Wertpapieren. Das ignorieren Sie mit dem Verweis, dass die USA ja über Kriege ihren Dollar überall durchdrücken könnten. Nur das war nicht die Frage.

                      Was behaupten Sie da schon wieder? Mein Hinweis bezog sich nicht auf die Verrechnung im ISA-Verfahren, sondern auf den von den USA immer wieder ausgeübten Zwang auf andere Staaten, in Dollar zu fakturieren.

                      Auch hier ist die einzig geltende Frage, unter welchen Bedingungen ein Währungsverbund funktioniert. Sie liefern kein Argument, warum Sie das US-Modell ablehnen.

                      Mit welchen Worten habe ich das US-Modell abgelehnt? Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass ISA und Target II nicht vergleichbar sind. Und es beim ISA-Verfahren zu keinem vollständigen Saldenausgleich kommt, weil eine Anpassung über Gold-Zertifikate aufgrund des niedrigen Bestands im Fed-System nicht möglich ist. Und das ist exakt. Ich kann mich auch hier nur wiederholen und darauf hinweisen, dass Geld keine Schuld ist, sondern der Erfüllungsgegenstand einer Geldforderung. Eine Zentralbank im Eurosystem, die Bargeld emittiert (in Umlauf bringt) geht keine Schuld ein. Das heißt, Zentralbanken verrechnen untereinander keine Forderungen, sondern dokumentieren in ihren Bilanzen, wo sich welcher Teil der emittierten Geldmenge M0 befindet.

                      Was wäre denn dagegen zu sagen, wenn die Euro-Mitgliedsländer ihre Target2-Salden (Verrechnungskonten) einmal im Jahr auf Null stellen würden? Einzig das Argument, das wäre nicht notwendig, ist nicht gerade viel Futter zum Diskutieren.

                      Meine Argumente dazu sind sehr ausführlich, denn eine Forderung von Bargeld gegen eine Zentralbank ist DASSELBE wie der Forderungsinhalt Zentralbankgeld. Dazu habe ich ausgeführt: „Bei den Target II-Umbuchungen ist wichtig zu beachten, dass hier bereits schon vorher emittiertes Zentralbankgeld, transferiert wird. Sodass eine Target-Forderung der Bundesbank gegen irgendeine andere Nationale Zentralbank des Euro-Raumes letztlich nur einen Merkposten darüber darstellt, WO das von der Bundesbank (evtl. auch nur temporär) emittierte Zentralbankgeld ursprünglich herstammt. Der Anfängerirrtum, Banknoten deswegen als Forderungen aufzufassen, weil der Gegenposten Zentralbankgeld auf der Passivseite jeder Zentralbank aufgeführt wird, ist überhaupt der entscheidende Indikator, dass Target II-Salden keine Forderungen zwischen Zentralbanken sein können. Bei Target II-„Überweisungen“ handelt es sich eben nicht um „normale“ Überweisungen. Eine strukturelle Hierarchie, wie sie zwischen Geschäftsbanken und Zentralbanken besteht, ist auf der Ebene der Target II-Transaktion nicht gegeben, denn hier handelt es sich um Abgleichungsprozesse zwischen Zentralbanken. Insoweit lassen meine Diskussionsbeiträge an Ausführlichkeit wenig offen. Wogegen Sie sich, wie ein seinen Knochen verteidigender Köter, auf bilanztechnische „Binsen“ kaprizieren, die für die Erklärung des Target-Systems der Europäischen Währungsunion nichts hergeben.“ Im Übrigen handelt es sich bei dem Target-Verfahren um ein Clearing nicht um eine Verrechnung/Ausgleich, wie bei ISA.

                      Sie können das gerne um Wertpapiere erweitern, dann müsste es auch in Ihren Augen praktikabel sein. Das BIP der USA ist mit 20 Billionen US-Dollar deutlich größer als das des Euroraums (11 Billionen Euro). Folglich müsste der Ausgleich über Gold und Wertpapiere möglich sein. Es sei denn, Sie definieren den Euroraum wirklich als Transferunion über die Geldpolitik, was aber weder im Sinne der Europäischen Verträge noch der Mehrheit der europäischen Bürger wäre und nebenbei ein Argument liefert, warum der Euro als gemeinsames Währungsprojekt nicht funktioniert.

                      Es geht nicht um Praktikabilität, sondern um systemimmanente Funktionalitäten, die nur geldtheoretisch fassbar sind. Ich denke, dass Sie das Prinzip der Target-Salden bis dato nicht verstanden haben und sich an das klammern. Dass die geldpolitische Strategie der Bundesbank unterlaufen wird muss man in Frankfurt nicht lustig finden, zeigt aber auch, dass zwischen Vorstellung und Realität manchmal Welten liegen. Wenn das Währungsprojekt der EWU nicht so funktioniert, wie der monetaristische Block in Deutschland das gerne hätte, liegt das nicht am System, sondern an den falschen politischen Erwartungen und unzutreffenden Erklärungen des Geldsystems. Das zeigt sich ja schon darin, dass die Erhöhung des Basisgeldbestandes nicht zu den viel beschworenen inflationären Entwicklungen geführt hat, die in Deutschland ständig angemahnt wurden.

                      Die Bundesbank sagt im Einklang zur Bilanzierung der EZB, dass die Target2-Salden Forderungscharakter hätten. Nebenbei: ansonsten dürften sie nicht bilanziert werden. Einwand von Ihnen?

                      Bestreite ich das? Ich bestreite nur, dass die Target II-Salden faktisch eine Forderung an die EZB sind, denn sobald die Zentralbank eine Forderung gegenüber einer Nichtzentralbank erfüllt hat weist sie auf der Passivseite ihrer Bilanz einen Merkposten aus, dass sie Basisgeld M0 in Umlauf gebracht hat. Da können Sie noch solange gebetsmühlenartig behaupten, was auf der rechten Seite der Bilanz stehe sei bilanztechnisch eine Forderungen gegen der Zentralbank. Es bleibt falsch und ist ihrem Mangel an Sachkenntnis geschuldet. Schauen Sie sich bitte den Vortrag von Prof. Dr. Martin Hellwig an: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Termine/2018/2018_02_14_bargeldsymposium.html. Vielleicht kann das ihrem Defizit an Verständnis auf die Sprünge helfen.

                      Ich weiß nicht, da die Bundesbank, geprüft durch Wirtschaftsprüfer und den Bundesrechnungshof, die Target2-Salden als Forderungen ausweist, scheinen Sie sich hier grundsätzlich zu irren. Jedenfalls scheint es sich nicht um einen Anfängerirrtum zu handeln, sonst müssten gegen zahlreiche Experten im Staatsdienst Strafverfahren eingeleitet werden. Gehen wir einen Moment davon aus, dass diese Herren, Damen und Institutionen Recht haben, so bliebe nur die Schlussfolgerung, dass Sie sich in diesen Auffassungen irren.

                      Target II-Salden weisen Zentralbankgeld aus und das ist weder eine Forderung noch eine Schuld. Sie müssen einfach verstehen, dass die Target II-Salden, wie der Eintrag Bargeldumlauf auf der Passiva-Seite Merkposten in der Bilanz der Zentralbanken sind, dann löst sich ihr Problem in Luft auf. Wenn Sie sich den Vortrag von Prof. Dr. Hellwig angeschaut haben, müsste ihnen klar geworden sein, dass bilanztechnische Wahrheiten nichts mit geldtheoretischer Logik zu tun haben, aber zu Fehlurteilen führen, wenn man seine Vorurteile nicht von Zeit zu Zeit überprüft und/oder korrigiert. Im Übrigen, im Ausland trägt Herr Prof. Sinn viel weniger dick auf, wenn es um die Bewertung der Target II-Salden geht.

                      Auch Verrechnungskonten verbürgen Geschäftsvorfälle und daher indirekt den Fluss von Gütern und Werten. Sonst ergeben Verrechnungskonten keinen Sinn, weder in Unternehmen noch bei einer Notenbank. Wenn das aber so ist und die Südländer nicht gleichlautend die Konten über Gold und Wertpapiere ausgleichen können, so hat hier eine Bereicherung stattgefunden.

                      Das, was Sie hier schreiben ist geradezu exemplarisch dafür, was herauskommt, wenn man permanent die Ebenen auf denen die Transaktionen stattfinden verwechselt. Das Clearing der Target II-Salden erfolgt ausschließlich auf der Ebene der Zentralbanken und der EZB. Was Sie als Geschäftsvorfälle und den Fluss von Gütern und Werten mit Gold und Wertpapieren bezeichnen, finden auf der Ebene der Geschäftsbanken und deren Kunden statt unter Beteiligung der nationalen Zentralbanken. Dort wird kein Zentralbankgeld emittiert, sondern die Geschäftsvorfälle werden auf der Ebene von Sichtforderungen /-einlagen und den Referenzkonten der Geschäftsbanken bei den nationalen Zentralbanken abgewickelt. Dieses zu unterscheiden ist die Grundvoraussetzung für eine sachlich korrekte Zuordnung von unterschiedlichen Transaktionen. Tut man das nicht, dann spielen In dieser Ecke auch Behauptungen (auch wieder von „Sinn“) hinein, die die mit dem Geldtransfer verbundenen Forderungen und Verbindlichkeiten unter Banken in unterschiedlichen Ländern, so interpretieren, als fände in die Defizitländer ein Kapitalexport aus den Überschussländern statt, der die Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits des einen Landes durch ein anderes Land bewirkt. Ich möchte das hier nicht weiter vertiefen.

                    • In Dubio 19. Februar 2018, 12:03

                      Danke für Ihre Ausführungen, die jedoch für meinen Geschmack deutlich zu lang geraten sind und sich in dem erschöpfen, was Sie bereits gesagt haben. Sie opfern viel Zeit und Platz Ihrem Steckenpferd geldtheoretischer Ausführungen. Aber Sie sind nicht problemorientiert, obwohl ich deutlich gemacht habe, dass dies die einzige Frage ist, die mich interessiert. Denn ein Ausstieg Italiens verkürzt alles auf eine bilanztechnische Frage, die dann Auswirkungen auf alles andere hat, je nachdem, wie diese gelöst wird.

                      Zunächst müsste von ihrer Seite eine klare Begründung kommen, warum Sie glauben, ein Austritt von Griechenland und/oder Italien könnte die Bundesbank in eine Schieflage bringen.

                      Ich meine nicht Schieflage, sondern die politische Implikation, die aus der Lösung dessen folgt, dass die Deutsche Bundesbank nunmal Target2-Salden in nun unbedeutender Höhe in ihrer Bilanz hat.

                      Machen wir doch die Probe aufs Exempel am Beispiel Italien: Die Banca Italia (BI) emittiert Zentralbankgeld und hat damit einen T2 Passiva-Eintrag der mit einen T2 Aktiva-Eintrag bei der EZB korrespondiert, im Gegenzug entsteht ein T2 Passiva-Eintrag bei der EZB und ein T2 Aktiva-Eintrag bei der Deutschen Bundesbank (BuBa).

                      Das ist die IST-Situation.

                      Sollte es nun tatsächlich dazu kommen, dass Draghi beim Austritt Italiens die „Kohle“ zurückverlangt, dann geschieht dies nicht als Forderung, sondern als Lieferung des Schuldentilgungsmittels sui generis, also Banknoten.

                      Nein. Aus zwei Gründen: Im Moment des Austritts verliert die Banca Italia das Recht, Euronoten zu begehen. Das zweite Argument ist ein politisches. Warum sollte die italienische Notenbank den Ausgleich anstreben, schließlich hat man einen Haben-Posten. Die Auflösung eines Habenpostens führt bilanziell zu einem Ertrag, im Gegensatz zur Ausbuchung eines Sollpostens.

                      Sie übersehen auch einen nicht unwesentlichen Sachverhalt: Sowohl die Deutsche Bundesbank als auch die Banca Italia sind de facto Filialen der EZB. So lange wir einen geschlossenen Euroverbund haben, gibt es kein Problem. Die nationalen Notenbanken führen als Teil der EZB Verrechnungskonten, die in dieser Situation keine materiellen Auswirkungen haben. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass sich diese Bewertung schlagartig ändert (ändern muss), wenn das geschlossene System gesprengt wird.

                      Mein Argument: genau die Bereinigung der Target2-Salden bei einer Sprengung des Systems beispielsweise durch einen Austritt Italiens führt zu dem entscheidenden Vertrauensverlust, denn diese lässt sich nur durch eine Trickbuchung beseitigen. Italien, Griechenland werden ihre Habensalden nicht glattziehen, wenn sie selbst wieder unabhängig von der EZB sind. Da die Haben-Salden aus dem System „ausscheiden“, müssen die Soll-Salden einseitig auf Null gestellt werden. Und das ist die bilanzrechtliche wie bilanzpolitische Herausforderung, die einen Vermögensverlust in irgendeiner Form zeigen wird.

                      Wogegen Sie sich, wie ein seinen Knochen verteidigender Köter

                      Bitte bleiben Sie höflich und gesittet, ich werde ungern mit einem „Köter“ verglichen, schon gar nicht in der persönlichen Ansprache.

                      (..) weil Sie die Faktizität im Zusammenhang mit dem Target II-Verfahren nicht ausreichend verstanden haben.

                      Mag sein, aber Sie werden das kaum bewerten können. Genauso wenig wie ich haben Sie wohl im Dunstkreis einer Zentralbank gearbeitet, noch geprüftes Wissen erworben. Damit sind wir beide auf den Punkt zurückgeworfen, uns bei widerstreitenden Ansichten entweder Ignoranz vorzuwerfen oder es so zu akzeptieren.

                      Und es beim ISA-Verfahren zu keinem vollständigen Saldenausgleich kommt, weil eine Anpassung über Gold-Zertifikate aufgrund des niedrigen Bestands im Fed-System nicht möglich ist.

                      Das ist richtig und falsch. Richtig ist, dass es zu keinem vollständigen Ausgleich kommt, falsch ist, dass dies wegen fehlender Gold-Zertifikate nicht möglich sei. Worauf Sie jedoch nicht eingehen, ist, dass eben wegen des Forderungs- / Kreditcharakters der Target2-Salden eine Begrenzung und Steuerung dieser Verrechnungskonten notwendig ist. Wenn diese keine materielle Bedeutung haben, warum steigen sie so viel schneller aus im amerikanischen System?

                      Hans-Werner Sinn zu dem Problem:
                      Eine einfache Minimallösung, die ebenfalls Wirkung entfalten könnte, hat der frühere Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger vorgeschlagen. Er will die Target-Salden mit progressiv gestaffelten Strafzinsen belasten, die dann von den Defizitländern an die Überschussländer abgetreten werden. Auf jeden Fall braucht die Eurozone ein System von Stoßdämpfern, welche die extremen Ausschläge bei den Target-Krediten abfedern. Der Überziehungskredit beim privaten Girokonto ist auch nicht beliebig zu haben.

                    • popper 20. Februar 2018, 11:58

                      Mag sein, aber Sie werden das kaum bewerten können. Genauso wenig wie ich haben Sie wohl im Dunstkreis einer Zentralbank gearbeitet, noch geprüftes Wissen erworben. Damit sind wir beide auf den Punkt zurückgeworfen, uns bei widerstreitenden Ansichten entweder Ignoranz vorzuwerfen oder es so zu akzeptieren.

                      Wenn ihnen gar nichts mehr einfällt, dann kommt ein Argumentum ad hominem. Und damit es nicht ganz so blöd daherkommt, reihen Sie sich dann gerne mit ein, um mit verquaster Logik ihre Despektierlichkeit zu camouflieren. Aber zuvor noch bei einem humorvollen bildlichen Vergleich, sofort den moralischen Stinkefinger löcken. In der Sache besagt oder beweist das nichts. Dass geprüftes Wissen nicht vor Fehleinschätzungen schützt, erleben wir tagtäglich am Beispiel von Prof. Sinn o.a. Und dafür, dass ungeprüftes Wissen zu einzigartigen Leistungen führen kann, gibt es unzählige Beispiele in der Kunst und der Wissenschaft. Der Russe Modest Petrowitsch Mussorgsky, der unter anderem die Oper Boris Godunow komponierte, war kein „gelernter“ Komponist, ebenso der Brite Edward Elgar. Beide sind heute als renommierte Komponisten anerkannt, mit Werken von Weltrang. Aber lassen wir das und kehren zur Sache zurück. Selbst Einstein ist ein Beispiel dafür, dass formales Wissen nicht von allzu großer Bedeutung ist, wenn es darum geht, problemorientierte Denkprozesse in Gang zu setzen.

                      Das ist richtig und falsch. Richtig ist, dass es zu keinem vollständigen Ausgleich kommt, falsch ist, dass dies wegen fehlender Gold-Zertifikate nicht möglich sei. Worauf Sie jedoch nicht eingehen, ist, dass eben wegen des Forderungs- / Kreditcharakters der Target2-Salden eine Begrenzung und Steuerung dieser Verrechnungskonten notwendig ist. Wenn diese keine materielle Bedeutung haben, warum steigen sie so viel schneller aus im amerikanischen System?

                      Vielleicht überzeugt Sie das: „Der genauere Blick auf die Zusammenhänge und Hintergründe der Target2-Salden hat somit gezeigt, dass auch die Idee einer direkten Begrenzung oder die Forderung nach einem regelmäßigen Ausgleich der Target2-Salden nicht sachgerecht ist. (…)Der im Fed-System praktizierte, in der Regel nur teilweise Ausgleich erfolgt letztlich mit Wertpapieren, welche die regionalen Federal Reserve Banken aus den Offenmarktgeschäften des Systems erhalten. Eine Limitierung der Salden oder eine Einschränkung des Zahlungsverkehrs zwischen den Distrikten ist aber zu keiner Zeit vorgesehen. Der Mechanismus ist nicht geeignet, um Ungleichgewichte zwischen den Distrikten zu beseitigen oder dauerhaft zu vermeiden. Er dient lediglich dazu, die unverzinslichen ISA-Salden in zinstragende Positionen umzuwandeln“.
                      (Quelle: Jens Ulbrich, Leiter des Zentralbereichs Volkswirtschaft bei der Deutschen Bundesbank. Dr. Alexander Lipponer, Referent im Arbeitsgebiet Direktinvestitionen und Auslandsvermögen im Zentralbereich Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank, publiziert im: ifo Schnelldienst 16/2011 – 64. Jahrgang, Die europäische Zahlungsbilanzkrise S.71)

                      Bei den EWU Target II-Salden ist die alles entscheidende Frage, ob eine Forderung gegen eine Zentralbank Zentralbankgeld ist oder nicht. Beantwortet man die Frage mit JA ist der Target II-Saldo quasi ein Kassenbestand (der Bundesbank) den diese bei einer (Netto-) Zahlung an z.B. Italien (wo ein Teil der Gegenposition ist) zum Liquiditätsausgleich verwenden kann. In diesem Fall hat auch die Bundesbank nichts mehr zu “fordern”, weil dieser Aktivposten “TARGET II″ bereits Zentralbankgeld darstellt.

                      Beantwortet man diese Frage mit NEIN, könnte die italienische Zentralbank zum Ausgleich ihrer „Target II-Verbindlichkeiten“ einen Geldkoffer nach Frankfurt schicken, damit die Bundesbank den Kasseneingang ihrer “Forderungen” erhält. (Da auch die italienische Zentralbank eine Zentralbank ist, kann sie das in unbeschränktem Ausmaß tun.) Das kann man machen, der Knackpunkt daran ist, dass eine Zentralbank keinen Kassenbestand führt. Ergo: sie muss den Kasseneingang gegen den von ihr emittierten Zentralbankgeldumlauf saldieren. Und da könnte inzwischen (nur mal als Hinweis) bei der Bundesbank sogar ein negativer Saldo herauskommen. Ein negativer Passivsaldo ist dann so was wie negatives Eigenkapital, sodass die Bundesbank eine fiktive “Forderung gegen unbekannt” in die Bilanz einstellen müsste. Wäre das ein Fortschritt oder damit etwas gewonnen?

                      Hans-Werner Sinn zu dem Problem:
                      Eine einfache Minimallösung, die ebenfalls Wirkung entfalten könnte, hat der frühere Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger vorgeschlagen. Er will die Target-Salden mit progressiv gestaffelten Strafzinsen belasten, die dann von den Defizitländern an die Überschussländer abgetreten werden. Auf jeden Fall braucht die Eurozone ein System von Stoßdämpfern, welche die extremen Ausschläge bei den Target-Krediten abfedern. Der Überziehungskredit beim privaten Girokonto ist auch nicht beliebig zu haben.

                      Die Aussage Schlesingers, die Target II-Salden seien Kredite sowie deren Vergleich mit einem „Überziehungskredit beim privaten Girokonto“, disqualifiziert seine Aussagen bezüglich der Target II-Salden als schlichte Fehleinschätzung.

                    • In Dubio 20. Februar 2018, 12:32

                      Der Mechanismus ist nicht geeignet, um Ungleichgewichte zwischen den Distrikten zu beseitigen oder dauerhaft zu vermeiden. Er dient lediglich dazu, die unverzinslichen ISA-Salden in zinstragende Positionen umzuwandeln

                      Es redet keiner von Limitierung, sondern davon, die Aufnahme von Target2-Krediten mit einem Preis zu versehen. In einer Marktwirtschaft und damit auch beim Geld ist der Preis das zentrale Steuerungsinstrument. Sie liefern kein Argument, warum Sie sich sowohl gegen eine Verzinsung als auch gegen einen (Teil-) Ausgleich wehren. Da Sie das wiederholt nicht tun, müssen wir das als nicht geklärten Dissens, der von Ihnen nicht begründet wird, stehen lassen.

                      Bei den EWU Target II-Salden ist die alles entscheidende Frage, ob eine Forderung gegen eine Zentralbank Zentralbankgeld ist oder nicht. Beantwortet man die Frage mit JA ist der Target II-Saldo quasi ein Kassenbestand (der Bundesbank) den diese bei einer (Netto-) Zahlung an z.B. Italien (wo ein Teil der Gegenposition ist) zum Liquiditätsausgleich verwenden kann.

                      Darüber reden wir nun die ganze Zeit. Der Buchungssatz in der Bilanz lautet dazu Kasse an EK 1 Billion Euro. Und das ist genau der Satz, an dem die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit jeder großen Notenbank scheitert. Genau das ist der Deutschen Bundesbank nämlich im Rahmen des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank in Verbindung mit den handelsrechtlichen Vorschriften HGB und IFRS so nicht gestattet. Um dieses zu ermöglichen, bedürfte es streng genommen eines Ausnahmegesetzes, damit eine Lex Bundesbank. Viele Worte um zu einem sehr einfachen Sachverhalt zu kommen.

                      Die Aussage Schlesingers, die Target II-Salden seien Kredite sowie deren Vergleich mit einem „Überziehungskredit beim privaten Girokonto“, disqualifiziert seine Aussagen bezüglich der Target II-Salden als schlichte Fehleinschätzung.

                      Ein Notenbanker, der keine Ahnung von Geldflüssen hat. Auch eine interessante Einschätzung. Immerhin war der Mann mal Chef der Bundesbank, hat sich sein gesamtes Berufsleben mit Geld und Volkswirtschaft beschäftigt, besitzt mehrere Ehrendoktorwürden, das große Bundesverdienstkreuz und muss sich dennoch von einem anonymen Blogger und Popper-Verehrer als disqualifiziert für Aussagen bezüglich Target2 abkanzeln lassen. Manche würden solch ein Verhalten Ihrerseits als Hybris bezeichnen.

                    • popper 20. Februar 2018, 15:09

                      Es redet keiner von Limitierung, sondern davon, die Aufnahme von Target2-Krediten mit einem Preis zu versehen. In einer Marktwirtschaft und damit auch beim Geld ist der Preis das zentrale Steuerungsinstrument. Sie liefern kein Argument, warum Sie sich sowohl gegen eine Verzinsung als auch gegen einen (Teil-) Ausgleich wehren. Da Sie das wiederholt nicht tun, müssen wir das als nicht geklärten Dissens, der von Ihnen nicht begründet wird, stehen lassen.

                      Sie müssen ja nicht an jedem Wort kleben. Ihre Behauptung es würden Target II-Kredite aufgenommen, ist unzutreffend. Die Emittierung von Zentralbankgeld ist keine Kreditvergabe. Sondern eine Zurverfügungstellung des gesetzlichen Zahlungsmittels (Emission). Und Geld ist auch keine Ware, die einen Preis hat. Geld können Sie nicht kaufen. Sie verwechseln Geld mit Ware. Geld wird nicht im Rahmen eines Produktionsprozesses produziert. Im Übrigen versagt ihre Theorie doch total, wir haben null Zins, die EZB beliefert seit Jahren die Banken mit Liquidität en masse und nichts passiert. Sie kommen einfach nicht weg von ihren „geprüften“ aber überkommenen Denkstrukturen. Ich bin nicht gegen einen Teilausgleich, nur dieser ist bei den Target II-Salden nicht erforderlich. Das Clearing der EZB findet statt und die Emission von Zentralbankgeld, egal welche nationale Zentralbank es bewirkt ist keine Forderung gegen die EZB, sondern ein Merkposten. Und dann kann ich ihnen nicht helfen, aber es ist so, Zentralbanken haben keine Kasse (deshalb „quasi“). Warum auch. Und Bargeld ist aus Sicht des Emittenten keine Schuld. Daraus folgt, dass emittiertes Zentralbankgeld der nationalen Zentralbanken, ob es sich in Deutschland oder in Italien befindet keine Forderung/Schuld sein kann. Früher war das anders. Damals hatte man eine Forderung auf Gold oder andere Edelmetalle. Daraus resultieren auch die Fehleinschätzungen in der Target-Debatte.

                      Darüber reden wir nun die ganze Zeit. Der Buchungssatz in der Bilanz lautet dazu Kasse an EK 1 Billion Euro. Und das ist genau der Satz, an dem die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit jeder großen Notenbank scheitert. Genau das ist der Deutschen Bundesbank nämlich im Rahmen des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank in Verbindung mit den handelsrechtlichen Vorschriften HGB und IFRS so nicht gestattet. Um dieses zu ermöglichen, bedürfte es streng genommen eines Ausnahmegesetzes, damit eine Lex Bundesbank. Viele Worte um zu einem sehr einfachen Sachverhalt zu kommen.

                      Manchmal sind In den Kommunikstionswissenschaft würde man das „Nachdruck durch Wiederholung“ nennen. Bei meinen Ausführungen: “Bei den EWU Target II-Salden ist die alles entscheidende Frage, ob eine Forderung gegen eine Zentralbank Zentralbankgeld ist oder nicht. Beantwortet man die Frage mit JA ist der Target II-Saldo quasi ein Kassenbestand (der Bundesbank) den diese bei einer (Netto-) Zahlung an z.B. Italien (wo ein Teil der Gegenposition ist) zum Liquiditätsausgleich verwenden kann.“ Haben Sie die Konklusion weggelassen, diese lautet nämlich: “In diesem Fall hat auch die Bundesbank nichts mehr zu “fordern”, weil dieser Aktivposten “TARGET II″ bereits Zentralbankgeld darstellt.“

                      Wir reden expressis verbis darüber, ob die Notenausgabe der Zentralbank bereits Zentralbankgeld ist. Und das ist es, denn darin besteht Sinn und Zweck der Notenbank. Diese Ausgabe erscheint nun in ihrer Bilanz als Verbindlichkeit, obwohl sie die Zentralbank zu nichts verpflichtet. Denn das Erscheinen einer Verbindlichkeit in der Bilanz der Zentralbank ist eine anerkannte Konvention, die man nicht logisch bestreiten kann. Müsste man darauf das Zeitwertprinzip „fair value accounting“ anwenden, d.h. den Zeitwert angeben, der aufgrund der durch die Emission anfallenden Verpflichtung entsteht, wäre dieser schlicht und ergreifend: NULL, nada, denn die Bargeldausgabe verpflichtet die Zentralbank zu nichts. Diese Abweichung ist politökonomisch auch sehr sinnvoll, denn würde es als Eigenkapital ausgegeben, wie Sie oben deklarieren, würde das die Politiker sehr begierig machen, sich daraus zu bedienen, was Sie doch sicher nicht wollen. Das kann man als eine Verschleierung der Tatsache sehen, dass diese Bargeldschöpfung Vermögenswerte für die Zentralbank schafft. Auch die Einlagen der Banken bei der Zentralbank sind Forderungen auf Bargeld, was man als perfekte Substituierung betrachten kann.

                    • In Dubio 20. Februar 2018, 15:54

                      Im Übrigen versagt ihre Theorie doch total

                      Welche? Ich habe keine zum Besten gegeben.

                      Das Clearing der EZB findet statt und die Emission von Zentralbankgeld, (..) ist keine Forderung gegen die EZB, sondern ein Merkposten.

                      Nein, Merkposten dürfen nicht bilanziert werden. Es sind Verrechnungskonten. Innerhalb einer rechtlichen Einheit heben sie sich auf und werden nicht ausgewiesen. Im Bilanzansatz einer Teileinheit werden sie ihrem Charakter nach als Forderungen / Verbindlichkeiten dargestellt. Das gilt für Konzernunternehmen genauso wie für die Notenbanken.

                      Und dann kann ich ihnen nicht helfen, aber es ist so, Zentralbanken haben keine Kasse

                      Nennen Sie es Sonstige Aktiva. Der Buchungssatz bleibt der Gleiche und die bilanzielle Auswirkung auch.

                      Daraus resultieren auch die Fehleinschätzungen in der Target-Debatte.

                      Es gibt keine Fehleinschätzungen.

                      Ich bin nicht gegen einen Teilausgleich, nur dieser ist bei den Target II-Salden nicht erforderlich.

                      Okay, dann können Sie ja problemlos für etwas eintreten, wogegen Sie nichts haben, auch wenn Sie es nicht für erforderlich halten. Wenn es am Ende, wenn auch nicht geplant, der Stabilität des Währungssystems nutzt, wäre doch allen gedient.

                      Diese Ausgabe erscheint nun in ihrer Bilanz als Verbindlichkeit, obwohl sie die Zentralbank zu nichts verpflichtet.

                      Richtig, weil es kein Eigenkapital ist. Folglich ist es Fremdkapital, schließlich emittiert eine Notenbank Geldnoten nicht zum eigenen Zweck.

                      denn die Bargeldausgabe verpflichtet die Zentralbank zu nichts.

                      Dazu heißt es auf dem britischen Pfund:
                      „I promise to pay the bearer on demand the sum of … pounds“

                    • popper 20. Februar 2018, 19:12

                      Klingt alles ziemlich nach Resignation. Offensichtlich sind Sie mit ihrem Latein am Ende, deshalb schlage ich vor es auf sich beruhen zu lassen.

                      Welche? Ich habe keine zum Besten gegeben.

                      Z.B.„In einer Marktwirtschaft und damit auch beim Geld ist der Preis das zentrale Steuerungsinstrument.“ Man nennt das auch Angebot und Nachfrage. Die taugt in der Marktwirtschaft, und schon gar nicht in der Geldtheorie. Denn das Aktivitätsniveau von Angebot und Nachfrage beruht auf Metaphysik. Mit anderen Worten auf einem Auktionator, auch als hidden hand bekannt.

                      >i>Nein, Merkposten dürfen nicht bilanziert werden. Es sind Verrechnungskonten. Innerhalb einer rechtlichen Einheit heben sie sich auf und werden nicht ausgewiesen. Im Bilanzansatz einer Teileinheit werden sie ihrem Charakter nach als Forderungen / Verbindlichkeiten dargestellt. Das gilt für Konzernunternehmen genauso wie für die Notenbanken.

                      Natürlich sind die Target II-Salden ein Merkposten und zwar darüber, wo das Zentralbankgeld ursprünglich emittiert wurde. Oder bei der BuBa ein Merkposten darüber wieviel Geld von ihr in Umlauf gebracht wurde. Wenn sie hier zum x-ten Mal anderes behaupten, ändert das gar nichts.

                      Nennen Sie es Sonstige Aktiva. Der Buchungssatz bleibt der Gleiche und die bilanzielle Auswirkung auch.

                      Nehmen Sie’s einfach zur Kenntnis und buchen Sie es unter Erkenntnisgewinn ab. Die Position „Kasse“ existiert bei der Zentralbank auf der Aktivseite praktisch nicht! Bezeichnenderweise steht in der Bilanz der Bundesbank (und jeder anderen Zentralbank auch) dort, wo normalerweise die Bilanzposition „Kasse“ stehen würde, lediglich „Gold und Goldforderungen“. – aber nicht Zentralbankgeld!

                      Es gibt keine Fehleinschätzungen.

                      Doch, ihre Ausführungen sind Fehleinschätzungen über Sachverhalte im Rahmen des Finanzierungssystems der EWU, die Sie noch nicht verstanden haben.

                      Okay, dann können Sie ja problemlos für etwas eintreten, wogegen Sie nichts haben, auch wenn Sie es nicht für erforderlich halten. Wenn es am Ende, wenn auch nicht geplant, der Stabilität des Währungssystems nutzt, wäre doch allen gedient.

                      Es ist nicht erforderlich im Target II-Verfahren der EWU. In den USA mag es seinen Zweck erfüllen, um die Gemüter dort zu beruhigen, obwohl es auf einer Vorstellung beruht, die für heutige Geldsysteme unangemessen ist. Für unserem europäisches Währungssystem hat es keinen nennenswerten anschlussfähigen Vorteil.

                      Richtig, weil es kein Eigenkapital ist. Folglich ist es Fremdkapital, schließlich emittiert eine Notenbank Geldnoten nicht zum eigenen Zweck.

                      Weder das eine noch das andere.

                      Dazu heißt es auf dem britischen Pfund:
                      „I promise to pay the bearer on demand the sum of … pounds“

                      Dann geben Sie mal einen 20 GBP-Schein bei der Bank of England ab, Sie können uns ja darüber informieren was man ihnen für den Hinweis auf der Note gegeben. Vielleicht gibt man ihnen, wenn Sie einen zerknitterten oder beschädigten haben einen nagelneuen. Sonst kriegen dafür nichts. Sie haben auch bei anderen Geldnoten keine Forderung auf irgendetwas. Geld berechtigt Sie eigentlich zu gar nichts, wenn es zuvor zu keiner vertraglichen Vereinbarung kommt. Denn eine Geldschuld betsteht aus Forderung und Verpflichtung, diese wiederum aus einer beidseitigen, übereinstimmenden Willenserklärung.

    • Erwin Gabriel 26. Januar 2018, 17:55

      @ Ralf

      Ich finde an der Kanzlerin gut, dass sie in einer schweren humanitaeren Krise das Richtige gemacht hat und Beduerftigen geholfen hat.

      Das lasse ich für die Leute, die in Budapest festsaßen, gerne gelten.

      Danach über die sozialen Medien verkünden zu lassen, dass die Grenzen offenbleiben, hat erst einen riesigen Sog ausgelöst, hat erst Tausende Menschen auf den Weg gebracht (von denen der eine oder andere auf der Reise umkam). Das war nicht humanitär.

      Ihr Verhalten hat sichergestellt, dass die Schlepper entscheiden, wer zu uns kommt.

      Es grüßt
      E.G.

  • Ariane 25. Januar 2018, 07:21

    Da moechte ich widersprechen und ich bin wohl auch falsch verstanden worden. Mir geht es nicht darum einfach irgendeinen schwammigen Begriff wie „soziale Gerechtigkeit“ oder „Ungleichheit“ auf’s Banner zu drucken, damit sich die Partei hinter irgendeinem windigen Slogan versammeln kann. Mir geht es darum, dass die Politiker mal klar sagen sollen, wie sie sich die Welt eigentlich vorstellen, fuer die sie kaempfen

    Ja. Kann ich gut verstehen, würde ich auch für meine utopische Wunschpartei wollen, aber die jetzige SPD wäre meinem Gefühl nach damit überfordert, vielleicht auch zu uneinig. Bevor sie eine fertige Utopie zusammenschneidern, würde es mir schon reichen, wenn sie Soziale Gerechtigkeit erstmal näher definieren und konkrete Maßnahmen für das Erreichen vorschlagen und zwar öffentlich, nicht irgendwo in 358 Seiten Programm im Kleingedruckten.

    Ich bin da ganz bei Nahles. Das große erreicht man nur im Kleinen und auch deine Vision bräuchte ganz viele Gesetze. Und dann steht man eben vor der Frage, ob man sich kleiner macht um irgendetwas Großes herbeizuträumen oder zwei konkrete Minischritte verwirklicht. (und nebenbei noch Neuwahl mit konservativer Revolution verhindert^^).

  • popper 25. Januar 2018, 11:57

    @Ralf 23. Januar 2018, 03:19

    Bei aller Zustimmung zur Beschreibung der SPD befindet sich in ihrer Argumentation eine Inkonsistenz, die den Blick auf die Problematik der parteipolitischen Orientierung und deren Bilanz vernachlässigt. Es wäre insofern sinnvoll, zunächst einmal die theoretische Basis zu adressieren, die zu den vorgefundenen parteiinternen Überzeugungen hinführt.

    Doch zuvor kurz zu ihrer Analogie Kirche. Der Glaube hat etwas Archaisches und lässt sich nur bedingt mit Äußerlichkeiten zeitgemäß aufpeppen oder interessant machen. Zudem besteht ein gravierender Unterschied zwischen der metaphysischen Seite des Religiösen und dem verinstitutionalisierten Glauben der Kirchen. Entweder glaubt jemand an Gott und sein geoffenbartes Wort in der Bibel oder er/sie sucht Erklärungen, die darüber hinausgehen und dann tendenziell Denkstrukturen bedient, die vom Glauben eher wegführen. Im Hebräerbrief 11 Vers 1 heißt es sinngemäß, dass der Glaube die Zuversicht erhoffter Dinge ist, eine offenkundige Darstellung von Wirklichkeiten, obwohl man sie nicht sieht. Diese philosophisch-dialektische Formulierung führt zu der Fragestellung, ob man der wissenschaftlichen Auslegung folgt. Diese besagt, dass die Menschheit mit allem was existiert das Ergebnis einer organischen bzw. kosmischen Evolution ist oder im Sinne von Glauben (fides, als religiöse Überzeugung) überzeugt ist, alles sei dem Wirken eines Schöpfergottes ohne Anfang und Ende zuzuschreiben, dessen Seins Frage sich der vernunftmäßigen Erklärung entzieht.

    Ins Politische gewendet bedeutet das, herauszufinden, worin die Hintergründe liegen, die zu der Gemengelage geführt haben, die wir heute, je nach politischer Orientierung vorfinden oder beklagen. Wenn Sie sich, zurecht oder zu Unrecht sei einmal dahingestellt, fragen:

    Weshalb sollte der Waehler auf Dauer eine Partei am Leben erhalten, die fuer nichts steht, fuer nichts kaempft, keine Vision hat, blutleer ist, kein Personal und kein Interesse an den Buergern und ihren Sorgen und Noeten hat?

    Dann ist auch die Frage zu stellen, ob die übrigen Parteien etwas haben, was sie unterscheidbarer und/oder wählbarer macht. Oder warum bestimmte Parteien (z.B. AfD) zum Teil von denen gewählt wird, die sich abgehängt fühlen, aber offenbar nicht erkennen, dass sie einer neoliberalen, sozialrassistischen Partei auf den Leim gehen, die gar nicht daran denkt, ihre Probleme zu lösen. Könnte das daran liegen, dass insbesondere in unserem Land den Leuten seit Jahrzehnten permanent durch Schönreden und grobe Falschdarstellungen, Fehlurteile über den tatsächlichen Zustand unseres Landes suggeriert werden. Warum verstehen viele den Zusammenhang nicht, zwischen außenpolitischem und -wirtschaftlichem Handeln, angezettelten Kriegen um Ressourcen einer heuchlerischen, an Wirtschaftsinteressen orientierten Wertegemeinschaft und dem Phänomen, dass sich Millionen Menschen auf der Flucht aus ihren Ländern befinden. Warum wird eine kontraproduktive und volkswirtschaftlich unsinnige und einseitige Umverteilung von unten nach oben immer noch interessenbasiert relativiert und auf politischer Ebene verhindert, Einkommen und Vermögen statistisch so zu erfassen, dass daraus authentische verteilungspolitische Konsequenzen gezogen werden könnten. Oder dass trotz der Tatsache, dass Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas hat unsere Funktionseliten den Menschen immer noch wahrheitswidrig einreden wollen, die Agenda 2010 hätte ihnen den versprochenen Wohlstand gebracht. Auch die Phrase, es geht uns allen gut, ist nichts weiter als ein Zeichen politischer Dekadenz.

    Worin besteht Frau Merkels Inspiration und politische Gestaltungskraft, die Herr Schulz oder Frau Nahles noch fehlen. Ist da nicht vielmehr nur ein Wille zum Weiter-so vorhanden, der Macht und Positionen sichern hilft, ohne die notwendigen Lösungsansätze. Und komme mir niemand mit Lindner und seiner FDP. Eine Partei, die Werbeslogans mit politischer Programmatik verwechselt und beim ersten politischen Gestaltungsversuch kläglich scheitert und das dann damit zu rechtfertigen sucht, es gäbe nur die Alternative zwischen Nicht- und Falschregieren, zeigt wie schmal die Ideenbasis ist, wenn es um Regierungsverantwortung geht. Wenn man beobachtet, wie von den Medien die SPD in die GroKo aggressiv geprügelt wird und auf der anderen Seite die Kapitulation der FDP zur rationalen Handlung glorifiziert wird, dann kann man nur den Kopf schütteln.

    Das bietet noch keine validen Erklärungen auf die Frage, wo sich programmatisch besseres finden ließe. Und schon gar nicht, warum diese unverbesserliche Riege des prolongierten Neoliberalismus innerhalb der Parteien nicht endlich vom Wähler abgestraft wird. Wurden denn im Sondierungspapier etwa Themen wie: soziale Gerechtigkeit, Befristungen, Leiharbeit, Mini-Renten, Altersarmut, Hartz IV etc. überhaupt erst thematisiert. Nichts davon. Im Gegenteil, man hat sogar in das Sondierungspapier beim Unterpunkt Recht im Spiegelstrich: Folgen der Digitalisierung (z. B. Personengesellschaftsrecht, Europa-GmbH) Möglichkeiten der Mitbestimmungsvermeidung der Firmen bezüglich ihrer Niederlassungsfreiheit hineingemogelt und leistet damit dem Abbau von Arbeitnehmerrechten weiteren Vorschub.

    Schon deshalb wäre zu begrüßen, wenn möglichst viele Menschen neu in die SPD eintreten würden, um die Flucht der SPD in die GroKO doch noch zu verhindern. Nur so könnte vielleicht à la longue ein Paradigmen- und Generationenwechsel herbeigeführt werden, der die SPD aus ihrer selbstverschuldeten Irrelevanz erlöst. Ebenso hilfreich wäre es, dem Aufruf von Wagenknecht und Lafontaine zu folgen und durch Konzentration progressiver Kräfte, eine Phalanx gegen den neoliberalen Mainstream zu organisieren. Leider scheitern hoffnungsvolle Entwicklungen zu oft an innerparteilichen Querelen und Animositäten anderer Parteien. Zumal diese Möglichkeit der Erneuerung bei den Parteien CDU, CSU, FDP und AfD nicht in den Blick genommen wird, weil man sich dort im Besitz der „wahren Lehre“ wähnt und sich nach wie vor seiner wirtschaftsliberalen Klientel verpflichtet fühlt. Besonders die AfD ist in Verkennung ihres Markenkerns durch die Überlagerung der Flüchtlingsproblematik per se keine rassistische, sondern eine neoliberale Partei, die den Akzent der Fremdenfeindlichkeit nutzt, um politisches Terrain zu gewinnen. In Wahrheit ist ihr Rassismus in seiner elitären Erweiterung, wie oben erwähnt, ein Sozialrassismus, in dem sich ihre Abneigung gegen Fremde zusätzlich auf die gesellschaftlich Benachteiligten ausweitet. Der „Witz“ besteht darin, dass die durch den Neoliberalismus geschädigten Gesellschaftsgruppen sich ausgerechnet Hilfe von der Partei erhoffen, die in allererster Linie neoliberal mit negativen Konsequenzen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen ist, die die Nöte der Betroffenen gar nicht beheben will.

    So hat sich auch die Farblosigkeit von Herrn Lindner nicht erst auf den Wahlplakaten der FDP gezeigt, sondern ist seit der von ihm angezettelten Fahnenflucht aus Jamaika mit Händen zu greifen. Insofern müsste man sich fragen, was an ideologischer Prämisse hinter dem politischen Stillstand steckt, der es verunmöglicht, einer perpetuierten Fehlentwicklung Einhalt zu gebieten. Von einer konzeptionellen Schwäche z.B. in der Wirtschaftspolitik sind eben alle Parteiführungen befallen. Keine ist bereit, sich mit den gesamtwirtschaftlichen Folgen der Agenda 2010 auseinanderzusetzen. Die einen, weil sie nicht Verursacher sondern Nutznießer sind. Und die SPD scheut sich aus falsch verstandener Parteiräson und ideologischer Verirrung (Seeheimer Kreis). Warum ist man damals überhaupt der These von Deutschland als ökonomisch „krankem Mann“ in Europa bereitwillig und völlig unkritisch gefolgt, obwohl sich deren Falschheit damals wie heute anhand einschlägiger makroökonomischer Fakten nachweisen lässt. Hinzu kamen die Folgen der Wiedervereinigung, zusammen mit einer Kumulation von fortgesetzter makroökonomischer Dummheit und zusätzlichen Vorschlägen der Unternehmensberater in der Hartz-Kommission. Und die noch heute von dem unsäglichen, in den letzten Jahren mit absurden Expertisen sich kompromittierenden, Sachverständigenrat (außer Bofinger) zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für die Agenda 2010 verstärkt wird.

    Der Rückgang der Arbeitslosigkeit nach 2006 war eben nicht Folge der Agenda, sondern im Kern konjunkturbedingt. Die Beschäftigung im industriellen Sektor stieg weil die Weltwirtschaftskonjunktur anzog und positiv auf die starke industrielle Basis in Deutschland zurückwirkte. Auch der Export von Investitionsgütern hatte mit den so genannten Arbeitsmarktreformen zunächst nichts zu tun. Einhergehend mit dem Finanzkapitalismus führte die Rentenreform 2001 zu einer Schwächung des Binnenkonsums infolge der Rentensenkungen. Und auf dem Arbeitsmarkt wurde bis heute keine Verbesserung erreicht. Von den 1,3 Millionen, d.h. 36 % der Arbeitsplätze, die seit dem konjunkturellen Tiefpunkt des Jahres 2004 zusätzlich entstanden sind, handelt es sich entweder um befristete Verträge, Leiharbeit, Minijobs oder reguläre Teilzeitbeschäftigung mit maximal 20 Wochenarbeitsstunden. Außerdem gab es bei den Normalarbeitsverhältnissen eine Verlagerung von Vollzeit- zu Teilzeitarbeit mit mehr als 20 Wochenstunden. Da diese zuletzt genannten per Definition des Statistischen Bundesamtes zu „Normalarbeitsplätzen“ umgewidmet wurden, verstellt dies den Blick darauf, dass diese Arbeitsplätze nur geringe Verdienst uns Aufstiegschancen bieten. 77% der gesamten, neu entstandenen Arbeitsplätze sind prekäre Beschäftigungsformen oder reguläre Teilzeit. Daran ist erkennbar, dass das Geschwafel von erreichter Vollbeschäftigung in FAZ und WELT etc. nichts anderes als Fake News sind.

    Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung, den man weiter mit unzähligen Fakten unterfüttern könnte, wird klar, dass hier ein exorbitantes Politik(er)versagen zu konstatieren ist. Und das alleine bei der SPD zu verorten, wäre tatsächlich realitätsfremd. Unsere ganze politische Funktionselite ist reif für die Mottenkiste. Die Jungen müssen endlich ran. Wobei ich von den rückwärtsgewandten Zukunftsvisionen Macrons und Herrn Kurz in Österreich (alter Wein in neuen Schläuchen) mir nicht viel Gutes verspreche. Wer mit den Methoden/Maßnahmen retten will, die den ganzen Schlamassel gerade verursacht haben, erweist den Menschen keinen Dienst. Gelingt es den Linken nicht, sich programmatisch zu erneuern, wie in Großbritannien die Labour Party mit Jeremy Corbyn, wird der neoliberale Ungeist weitere Urstände feiern und die Gesellschaften spalten.

  • In Dubio 25. Januar 2018, 15:27

    Aktuell zum Thema, wie so oft pointiert und gut zusammengefasst von Jan Fleischhauer:
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/warum-die-linke-den-kampf-gegen-rechts-verliert-kolumne-a-1189790.html

    • Floor Acita 25. Januar 2018, 17:06

      Eigentlich nicht. Denn er kritisiert auch nur ohne einen Gegenvorschlag zu entwickeln. Und es sind ja gerade die ökonomischen Forderungen die von Ihnen hier in den Kommentaren angegriffen werden. Die Ablehnung von Identitätspolitik (selbstverständlich nur linker Identitätspolitik) hat er auch mit einigen lautstarken Bernie Sanders Anhängern gemein – schwer vorzustellen, dass der Rest deren Forderungen mehr nach seinem Geschmack ist. Und Frauen bei den Minderheiten zu verorten ist in einer Welt in der Frauen >50% der Bevölkerung ausmachen wohl auch keine wirkliche Zukunftsperspektive. Er nennt die 53% weißer Frauen in den USA, verschweigt aber, dass Frauen insgesamt weit demokratischer gewählt haben und ja, auch nicht-weiße Frauen sind sowohl Frauen als auch Staatsbürger. Seit Amtsantritt Donald Trumps hat sich keine andere Wählergruppe so weit nach links bewegt wie Frauen. Letztendlich geht es ja auch immer um Mobilisierung und Wahlbeteiligung, nicht nur um Themen allein. Ich muss nicht die Mehrheit der „echten“ Bürger gewinnen, sondern die Mehrheit der Bürger. Wenn wie in den USA ein Wahlsieg aus einer Koalition zwar einer Minderheit der Weißen aber einer überwältigenden Mehrheit von „Minderheiten“ (worunter die Gängelungsparteien CDU, FDP, AfD einfach jeden zählen der nicht ihrer Vorstellung von Deutschsein widerspricht „küssen OK, heiraten nein“, „nein das kannst Du mit Deinem Körper nicht machen“, „das Kleidungsstück ist uns zu bieder“, „nein das ist uns zu freizügig“, „nein nein nein nein nein so kannst Du Dein Leben nicht leben) zustande kommt, ist das genauso legitim und für mich auch OK. Die Zukunft der Deutschen will jedenfalls nicht zurück ins letzte Jahrtausend, sondern sucht nach Antworten für das 21. Jahrhundert und da gehören eben Freunde unabhängig der Sprache, der Geschlechtsidentität, der Herkunft, der Hautfarbe und der insgesamt sowieso immer weniger wichtigen Religion dazu. Wie und was für Jobs sind denn zukunftsträchtig und bieten auch einen angemessenen Lebensstil in einer Welt die immer enger zusammenwächst, die von sozialen Medien, digitaler Technik, künstlicher Intelligenz, augmented reality und internationaler Kooperation bestimmt werden? Wird die Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet deren Leben und das Ihrer Eltern noch von Kohle bestimmt den Anschluss schaffen, kann der Nachwuchs studieren gehen und teilhaben an dieser schönen neuen Welt oder wird er auf der Strecke bleiben müssen?

      Es geht um Freiheit, Vielfalt und Teilhabe. Gerecht ist die Welt wenn sich einer jeder in ihr zurechtfinden und partizipieren kann, unabhängig davon ob er nun in die richtige Familie hineingeboren wurde oder was für persönliche, kulturelle Vorlieben er hat, die es ihm erlaubt sein Leben zu leben wie er es für richtig hält ohne dabei finanziell und kulturell auf der Strecke zu bleiben. Niemand verlangt Almosen oder Gleichmacherei, aber es kann auch nicht sein, dass sich die Massen schuften und die Lorbeeren von einem immer kleiner werdenden Teil von, ehrlich gesagt erschöpft und ratlos wirkenden Eliten eingestrichen werden. Neue Mauern, Schutzzölle und Paranoia vor allem Fremden sind jedenfalls keine Zukunftsvision. Während sich die erschöpften Eliten in Davos einfinden um den Status quo zu verwalten, treffen sich am anderen Ende der Welt die Pioniere des Silicon Valley um über die Zukunft der Menschheit zu diskutieren. An welchem Tisch aber sitzen die Vertreter der unzähligen Massen die in der am grünen Tisch erdachten Welt später einmal leben sollen? Nein, Zukunft braucht Freiheit, Vielfalt und Teilhabe – das kann man nicht auseinanderreißen. Ohne Vielfalt keine Freiheit, ohne Teilhabe ist Freiheit wertlos. Theoretische Freiheit nützt niemandem irgendwas – schön dass es mir erlaubt ist eine Yacht und Villa zu kaufen, denkt sich der Handwerker der sich nu8r mit 2 Jobs über Wasser halten kann, die junge Familie für die das Geld noch bis Monatsende reichen muss. Freiheit als Gut muss letztendlich auch reale Entscheidungen ermöglichen, das wird ohne Teilhabe kaum möglich sein und die können wir eben nur gemeinsam erreichen, Vielfalt bedeutet letztendlich jedem einzelnen zu ermöglichen sein Leben selbst zu gestalten, ein Quell der Freiheit. Schlagen wir uns gegenseitig die Köppe ein, können wir die Türen der Zukunft auch gleich wieder schließen, denn so werden wir es nicht sein die am Ende lachen…
      Freiheit, Vielfalt und Teilhabe sind Werte die ständig aufs neue erkämpft werden müssen, darum brauchen wir eine starke Vertretung in Berlin und Brüssel die sich für diese Werte einsetzt, nicht die selben alten Sesselfurzer, sondern Kämpfer für unsere Interessen, für uns, für die kleinen Leute, für die Arbeiter, für die Mittelschicht welche die größten Bürden zu tragen hat, für vorausschauende, zukunftsweisende Poltitik – kein Klein Klein, kein Nein Nein Nein, kein zurück in die Steinzeit. Freiheit, Vielfalt, Teilhabe dafür lohnt es sich dann auch nicht nur selbst wählen zu gehen, sondern auch andere mitzunehmen, zu begeistern und für eine hohe Wahlbeteiligung zu sorgen. Wir stehen an einem Scheideweg, vor oder zurück, Zukunft oder Vergangenheit – ein „weiter so“ wird es nicht geben…

      Irgendwie hat Macron nicht nur aus dem Stand die Präsidentschaft, sondern auch mit einer weniger als 1 Jahr alten Partei die Mehrheit im Parlament gewonnen, das muss ja wohl in Deutschland ebenfalls möglich sein, schließlich sind unsere eigenen „traditionellen“ Parteien nicht weniger abgehalftert.

      • In Dubio 25. Januar 2018, 18:53

        Schwierig auf Ihren Kommentar zu antworten. Ich neige zu Wiederholungen, wie der Opa mit seinen Kriegsgeschichten. Ich wurde im wesentlichen nach 1982 politisiert, als die SPD damit, dass sie Minderheiteninteressen gezielt ansprach, versuchte Mehrheiten zu gewinnen. Das Ergebnis der Geschichte ist bekannt. Frauen sind so wenig eine homogene Gruppe wie Männer. Wenn von Frauenpolitik die Rede ist, dann in Bezug auf bestimmte Interessen wie z.B. eine Quote für Aufsichtsratsmandate. Das betrifft nur ein paar hundert Personen, ist also eindeutig ein Minderheitenthema, denn nur ein Promillewert von Frauen wird in die Versuchung kommen, die Aufsicht über eine Aktiengesellschaft übernehmen zu können. Und wenn nur 1% der Bürger die MeeToo-Debatte als ein wichtiges Thema betrachtet, werden darunter auch viele Frauen sein, die eigentlich angesprochen werden sollen.

        Die Zukunft der Deutschen will jedenfalls nicht zurück ins letzte Jahrtausend, sondern sucht nach Antworten für das 21. Jahrhundert

        Warum begeistert sich dann fast jeder Vierte für Parteien wie die AfD und die LINKE, die Konzepte und Ideen aus dem 20. Jahrhundert hochleben lassen?

        Die Möglichkeiten zur Teilhabe jedenfalls sind heute so groß wie nie – und so klein. Sie erfordern nämlich weit mehr Engagement und Durchsetzungsvermögen als zu früheren Zeiten, weil die Welt so unüberschaubar geworden ist.

        Nach Einschätzung vieler Linker macht Macron eine neoliberale Politik, die er zudem angekündigt hatte. Ich sehe zwar auch darin Potential für eine Wiederbelebung der Sozialdemokratie, aber viele Linke würden dem nicht folgen.

        • Floor Acita 25. Januar 2018, 21:09

          „Schwierig auf Ihren Kommentar zu antworten.“

          Das passiert wenn man mehr „Marketing“/political talk macht 🙂
          Der Teufel steckt natürlich im Detail, ich glaube aber grundsätzlich, dass man ein Narrativ finden muss, dass verschiedene Forderungen unter ein Motto zusammenfasst, dass a) „ein Lebensgefühl“ wiederspiegelt und b) sich genug von anderen Parteien abhebt. Es scheint ja Gemeinsamkeiten zu geben, jenseits von CDU, FDP, AfD – sonst könnten Sie ja auch nicht auf „Linke“ antworten oder das „linke Lager“. Was ist also, bei aller Zersplitterung (und die sehe ich leider auch), die Gemeinsamkeit. Ich bin halt überzeugt, dass es Leuten heute wichtiger ist ihre Forderungen wiederzufinden, ob dann auch Forderungen dabei sind, die man nicht unbedingt teilt ist nicht mehr so wichtig wie einst, sonst hätten die weißen Frauen ja gerade nicht Trump gewählt – was man wollte war wichtiger als das was einen abschreckte.
          Und ich denke „Freiheit, Vielfalt, Teilhabe“ ist ein erster Ansatz 🙂
          Vielleicht ist 1 Partei aber auch eine Illusion – um regieren zu können, muss man sowieso Kompromisse schließen, Koalitionen bilden. Eine Plattform kann auch unterschiedliche Strategien nach sich ziehen. Je nach Wahllkreis in a) eine der 3 linken Parteien eintreten, b) einen konkreten Kandidaten unterstützen, oder doch c) eigene Kandidaten aufstellen – dann eine Zusammenarbeit auf der Grundlage einer gemeinsamen Plattform anstreben.

          Prinzipiell bin ich der Meinung die Veränderungen im sozialen, kulturellen Zusammenleben, die veränderte Kommunikation, „individuelle Lösungen“, spotify statt Radio, Netflix statt Fernsehen, maßgeschneiderte Anzüge zu Stangenpreisen etc. müssen sich auch irgendwie im politischen Leben/der Parteienlandschaft wiederspiegeln. Im Moment sehe ich noch keine / nur kleinere Probleme im konservativen Lager, insbesondere in Zeiten eines backlash und dem Wunsch nach vergangener Zeit (ja, auch wenn es das im linken Lager auch gibt), aber auch was es bedeutet „konservativ“ zu sein wird sich die nächsten Jahre über verändern…

          • In Dubio 25. Januar 2018, 22:39

            ich glaube aber grundsätzlich, dass man ein Narrativ finden muss, dass verschiedene Forderungen unter ein Motto zusammenfasst, dass a) „ein Lebensgefühl“ wiederspiegelt und b) sich genug von anderen Parteien abhebt.

            Das genau ist die 100 Millionen Dollar-Frage. Komischerweise haben Sie mich auf einen Gedanken gebracht. Vielleicht liegt die Zukunft einer linken Politik in einem marktwirtschaftlichen Konzept. Wenn Unternehmen Kunden zunehmend segmentieren, warum nicht Parteien auch, gerade wenn die eigene Wählerstruktur extrem heterogen ist. Oder Organisation als Wahlplattform mit politischen Forderungen zum Ankreuzen. Ich meine das nicht witzig, wenn nichts funktioniert, ist der Zeitpunkt, aus traditionellen Mustern auszubrechen. Nun bin ich kein Politiker oder Politologe, das heißt ich habe davon, wie man Wähler gewinnen kann, keine Ahnung. Immerhin, die Organisation um Corbyn versucht da ja einiges.

            Ihre Ideen finde ich jedenfalls interessant…

            • Floor Acita 26. Januar 2018, 06:40

              “ Vielleicht liegt die Zukunft einer linken Politik in einem marktwirtschaftlichen Konzept. Wenn Unternehmen Kunden zunehmend segmentieren, warum nicht Parteien auch, gerade wenn die eigene Wählerstruktur extrem heterogen ist. “

              Exakt, so die Idee!

              • popper 31. Januar 2018, 14:27

                Das, was Sie als neue Idee apostrophieren, wird doch längst tausendfach praktiziert. Parteien beschäftigen unzählige PR-Agenturen, um bei Wahlen den unterschiedlichen Meinungsspektren Rechnung zu tragen. In den USA ist das seit Jahren Bestandteil der Gesellschaft mit enormem Einfluss durch Medien und Reichtumseliten. Ihre Anregung sich marktwirtschaftlicher Konzepte zu bedienen, ist insoweit auch nicht originell. Sie scheitert bereits an der kategorialen Unvereinbarkeit von Individualität und systemimmanenter Begrenzung. Der Markt im Singular war schon immer eine Fata Morgana derjenigen, die Menschen mit Pawlowschen Hunden verwechselt haben. Und der Behaviorismus tut noch sein Übriges. Eine politische Partei sollte ihre Programmatik aus den originären Funktionsmechanismen der Sozietät entwickeln. Und nicht Ausschau danach halten, wie man Menschen am geschicktesten zum Mitmachen überredet. Die dominierende gesellschaftliche Ideologie heute ist der Neoliberalismus, der die Neoklassik als Vehikel nutzt, was ihm offenbar auch gelingt. Die neoliberale Grundkonstante appelliert vordergründig an die menschliche Vernunft, desavouiert aber gleichzeitig deren Erkenntnisfähigkeit an den Markt als über der menschlichen Vernunft stehendes Korrektiv. Auf einer rein marktwirtschaftlichen Basis wird parteipolitisches Handeln nichts Sinnstiftendes hervorbringen können. Es sei denn, man behandelt Menschen als reines ‚Stimmvieh‘ und nicht, wie es das Grundgesetz Art.21, (1) vorgibt, als Adressat politischer Meinungsbildung, der letztlich darin bestehen sollte, den politischen Willen ihrer Wähler ernst zu nehmen und nach Möglichkeit in den Parlamenten (das kann in der Gemeinde sein, im Landesparlament oder im Bundestag) in politische Entscheidungen umzusetzen. Nicht die Prinzipien des Marktes, sondern die Organisierung von Demokratie ist die originäre Aufgabe der Parteien. Ich gebe ja zu, dieser idealtypische Ansatz war zu allen Zeiten Makulatur. Denn die Funktionseliten der Parteien der repräsentativen Demokratie, waren schon immer eifrige Interessenvertreter der Eliten und nicht des Volkes.

    • schejtan 25. Januar 2018, 17:20

      „wie so oft pointiert und gut zusammengefasst von Jan Fleischhauer:“

      und das ist eindeutig der beste Witz, den sie jemals gemacht haben 😉

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.