Das Evolutionäre an der Meinung

Meine Internetgeschichte begann vor über zehn Jahren mit dem ersten Kommentar im sogenannten Metzger-Blog auf Focus Online. Oswald Metzger, damals noch Grüner, schrieb dort wöchentlich eine Kolumne, die regelmäßig ein hörbares Echo hervorrief. Meine ersten Kommentare unter dem Pseudonym StefanP waren stocknüchtern, halbwissenschaftlich auf ökonomische Themen geschrieben. Es war für so manchen nicht erträglich, der Vorwurf neoliberal und kaltherzig zu sein, begleitet mich seit den ersten digitalen Schritten, trotzdem ich den Stil über die Jahre variiert habe. Nun bin ich nicht sadomasochistisch veranlagt und wie die meisten habe ich ein Gefühl für die eigenen Verletzungen. Genau davon war hier zuletzt viel die Rede, wer wie sehr persönlich angefeindet und verletzt wurde. Ein Pseudonym schützt, weshalb ich lange gezögert habe, mit Full Name live zu gehen. Mir war immer unverständlich, wie ein Pseudonym persönlich angegriffen werden kann, denn es ist nur eine Hülle, die jederzeit abgestreift werden kann. Eine echte Persönlichkeit kann das nicht, Authentizität entsteht durch die Person, die wir sind. Wegen dieser Überzeugung gebe ich immer wieder Umstände von mir preis.

Am Internet ist so einiges erstaunlich, so, dass wir uns anmaßen, Menschen zu kennen, von denen wir meist nur Worte lesen und manchmal auch Bilder sehen. Wir zeichnen Karikaturen von anderen und glauben, das sei die Realität. Zahlreiche It-Girls leben von sogenannten Followern, denen sie ihren makellosen und aufreizenden Körper präsentieren, so dass der Beobachter den Eindruck gewinnt, Cellulite, Pickel und Übergewicht seinen Erscheinungen einer alten Epoche. Einer Epoche, in der ich aufgewachsen bin. Mit Kopfschütteln können solche älteren Zeitgenossen nur registrieren, dass Bekannte – das sind Personen, die keine Follower und keine Facebookfreunde sind, sondern durch vis-a-vis Begegnungen bekannt – umfangreich bearbeitete Bilder in ihr Profil stellen. Was wollen solche Leute damit sagen? Vielleicht, dass die Realität das ist, wie sie sich selbst in der digitalen Welt darstellen?

Nein, so ist es nicht. Das Internet kennt nur ein Zerrbild von uns, eine Karikatur, ein Profilbild – was auch immer. Selbst in der realen Welt jenseits von WhatsApp und Instagram existieren mindestens zwei Bilder. Das eine ist das, was wir von uns selbst zeichnen. Niemand kennt uns so gut, wie wir uns selbst, schließlich müssen wir von Geburt an mit uns selbst auskommen. Aber dieses Bild ist auch geschönt, wir überblenden unsere Schwächen gerne mit Weichzeichner. Wir fühlen uns im Recht, selbst wenn wir im Unrecht sind. Wir fühlen uns als Opfer, wo wir Täter sind. Wir haben die Lösung und verstehen nicht, wenn andere alles so kritisch sehen. Wir sind sicher nicht perfekt, aber viel fehlt manchmal nicht. Das ist für die meisten der eigene Image. Daneben besteht aber noch ein Weiteres, und das ist jenes, welches unsere Eltern, Kinder, Freunde, Kollegen und Vorgesetzte von uns zeichnen. Das ist nicht so nett und deswegen häufig ehrlicher.

Es kommt selten vor, dass beide Bilder im Einklang miteinander stehen. Es gehört eine gehörige Portion Selbstkritik dazu, sie zusammenzubringen. Und Erklärungswillen der eigenen Person und Persönlichkeit. Mit beidem tun wir Menschen uns außerordentlich schwer. Selbstkritik ist spätestens seit der Dominanz der Selbstinszenierung außer Mode gekommen und nur angesagt, wenn jemand öffentlich gefehlt hat. Es mangelt aber auch am Erklärungswillen, wenn nur das Perfekte belohnt und gleichzeitig auf die Ausnutzung von Schwächen geschielt wird. Überlegen Sie für sich selbst, welche fünf positiv besetzte Eigenschaften Sie an Ihren Mitmenschen schätzen. Sie kommen auf mehr als fünf? Auch gut. Und nun benennen Sie drei (oder die Zahl der positiven Charakteristika minus zwei) eindeutig negativ besetzte Eigenschaften, die Sie bereit sind an anderen zu akzeptieren. Meiner Erfahrung nach tun sich die meisten bereits mit einer einzigen Nennung schwer.

Menschen in Bewerbungsverfahren, sei es für eine Festanstellung, als Model oder Freelancer, beklagen sich nicht selten, es würden perfekte Kandidaten gesucht. Das ist nicht mehr richtig, in Unternehmen hat man durchaus dazugelernt. Es gibt nunmal keine perfekten Menschen, also lohnt es auch nicht, danach zu suchen, sonst wird man nur belogen. Bewerbungsprofile sind heute deutlich spezialisierter, was auch Auskunft darüber gibt, welche Fehler und welches Fehlen akzeptiert würde. In der Gesellschaft sind wir auf einem anderen Weg, wir sehen zunehmend Fakes als die neue Realität an.

Mir wird immer unverständlich bleiben, wie manche ein Internetprofil hassen können. Wie sich mancher hier meint, an einzelnen Teilnehmern, die nicht ihre Ansichten teilen, abarbeiten zu müssen, ja, die sich durch manche geschriebenen Sätze provoziert fühlen, bekommt meine volle Verwunderung. Denn wie gehen solche Zeitgenossen mit Mitmenschen um, die zu ihrer unmittelbaren Umgebung zählen und die nicht mit einem Mausklick in den Orkus geschoben werden können? Welchen Hass müssen erst diese sicherlich liebenswerten Menschen von dem ein oder anderen Forenteilnehmer aushalten? Auf DeliberationDaily werden zumindest von den Autoren keine strafrechtlich relevanten Aussagen getätigt. Alles, was hier von Stefan sowieso, aber auch von mir geschrieben wird, findet sich so in der Gesellschaft. Wer das nicht aushält, muss sich fragen lassen, wie belastbar er überhaupt für eine demokratische Gesellschaft ist.

Wer Führungspositionen übernimmt oder auch nur als Blogger auftritt, muss damit leben, dass sein Handeln und seine Positionen nicht von allen geteilt werden. Unternehmen sind an mir und meiner Arbeit interessiert, wenn sie sich selbst in Umbruchsituationen befinden, mit dem Rücken an der Wand stehen oder nur in bestimmten Bereichen eine neue Stufe der Professionalisierung benötigen. Meist gelingt mir das mit Erfolg, manchmal nicht. In jedem Fall hat meine Arbeit mit vielen Veränderungen zu tun und der Widerwille zu Veränderungen ist stets größer als die Zustimmung. Und so gehört eine kritische Begleitung, manchmal bis hin zu unterschwelliger Abneigung und Denunziation praktisch zum Geschäft. Wer anderen Menschen Veränderungen aufzwingt und Verhältnisse kritisiert, muss es sich gefallen lassen, selbst kritisch betrachtet zu werden.

Ich habe in meinem Berufsleben weit mehr Menschen persönlich entlassen und gekündigt als neue Mitarbeiter eingestellt. Es gibt wenige, die ein solches Handeln kalt lässt, ich gehöre nicht dazu. Entlassungen beschäftigen einen Wochen, häufig Monate oder sogar Jahre lang. Ich habe viel Verständnis dafür, dass solche Ex-Kollegen und -Mitarbeiter nicht gut auf mich zu sprechen sind. Ich habe viel Verständnis dafür, dass Arbeitnehmer, die weniger gut von mir in Jahresgesprächen beurteilt wurden, nicht in Lobgesänge ausbrechen. Wofür ich kein Verständnis habe, ist, wenn Kommentatoren im Internet, die eine Person nicht im geringsten kennen, diese mit Hass, miesen Wünschen und Androhung beruflichen Übels verfolgen. Mit Verlaub, liebes Forum, es ist absurd, fremde Menschen im Internet zu hassen oder sich nur provoziert zu fühlen.

Bis auf wenige Ausnahmen schätze ich alle, die sich hier beteiligen. Stefan hat ein Publikum aufgebaut, das nach dem von ihm vorgelebten Stil debattiert. Das ist bestimmt ein wichtiger Grund, warum die Klickzahlen des Blogs im letzten Jahr deutlich gestiegen sind. Es gehört zur Natur der Sache Internet, dass sich weit weniger Menschen aktiv beteiligen als mitlesen. Das ist bei DeliberationDaily nicht anders. Sowohl die Beteiligungs- auch auch Lesezahlen sind weit höher bei Artikeln, die eine umstrittene These zur Grundlage haben, als solche, die auf Ausgleich und reine Information angelegt sind. Da muss sich jeder fragen, ob sein eigenes Image mit seinem Verhalten und wahren Interessen übereinstimmt.

Wenig überraschend verwechselt jeder Meinung mit Überzeugung. In und unter jedem Artikel werden vor allem Überzeugungen artikuliert. Eine Meinung ist wie ein Urteil, zusätzliche Informationen beeinflussen es. Wenn jeder so objektiv ist wie er meint, wie kann es sein, dass zu einem Sachverhalt, wo die Informationen ausgetauscht sind, der eine diese und der andere jene Meinung hat? Stellen Sie sich einen Gerichtssaal vor, wo der Richter nach Austausch der Argumente den Sachverhalt feststellt und je nach Laune zu diesem oder jenem Urteil käme? Oder ein anderer Richter unter den gleichen Umständen die Dinge völlig gegensätzlich sähe? Würden Sie das mit Begriffen wie Fairness und Gerechtigkeit in Verbindung bringen? Eher nicht.

Auch unsere Überzeugungen sind, zumindest wenn wir noch geistig flexibel sind, im Fluss. Wir bewerten ständig Informationen und weben sie in unsere Überzeugungen ein. So vollzieht sich das, was die meisten mit „Meinungsbildung“ überschreiben, evolutorisch. Mancher hier verlangt jedoch eine revolutionäre Veränderung des Weltbildes, meist von mir, so als wäre ich ein ungebildeter Zeitgenosse, der die Standardargumente noch nie gehört und nun eigentlich unter deren Wucht zusammenbrechen müsste. Überhaupt finde ich es erstaunlich, dass mancher sich erhofft, durch Zuhören zur Meinung eines anderen Menschen die eigene Meinung bilden oder sogar verändern zu können. Wenn Meinungsbildung auf der Wertung von Informationen beruht, dann ist eine solche Herangehensweise Nonsens.

Wir publizieren auf DeliberationDaily meistenteils Meinungsartikel der Autoren, jeder nach dem Weltbild des einzelnen geschrieben. Wer das nicht aushält, sollte die Seite schleunigst aus seiner Favoritenleiste entfernen. Dabei ist das Schreiben eines solchen Meinungsartikels nicht so einfach, vor allem, wenn man sich zum Fairness bemüht und um den Mangel an Information weiß. Als Leser wiederum wird vom Autor verlangt, eindeutig Position zu beziehen, schließlich geht es nicht um wissenschaftliche Artikel. Ein typischer Meinungsartikel baut von der Schlussfolgerung auf und erklärt, warum bestimmte Gegenargumente nicht zutreffen, eben wie in einem juristischen Urteil.

In diesem Sinne sind eine Reihe meiner Artikel der letzten Zeit schlecht gewesen, denn sie schwankten häufig zwischen den Positionen. Betrachten Sie unter diesem Aspekt z.B. den Artikel über Macrons Europaredehttp://www.deliberationdaily.de/2017/12/die-vereinigten-staaten-von-europa-und-das-ende-des-grundgesetzes/. Bis zur Mitte ist nicht klar, ob der Autor die Vorschläge nun gut oder eben nicht gut empfindet. Denn tatsächlich bin ich überzeugter Europäer, der nur zu gern einen geeinten Kontinent hätte. Ab Mitte des Schreibens entschied ich mich erst für eine Richtung, wobei das Hauptargument war, dass die Idee sicher erstrebenswert sei, es aber an der Ernsthaftigkeit und dem Willen, die Interessen des anderen – und aus deutscher Sicht bedeutet dies eben auch die Interessen Deutschlands („Germany First“) – zu berücksichtigen und glaubwürdig respektieren zu wollen, schlichtweg mangelt.

Das Schreiben und Kommentieren in einem Blog sollte Spaß machen. Spaß und Verbissenheit passen nicht zusammen. Hier werden nicht die Weltläufe entschieden, was wir hier sagen und äußern bleibt ohne Auswirkungen auf unser echtes Leben. Wer das nicht so sieht, sollte mich tunlichst ignorieren, denn so handhabe ich meine Beteiligungen seit 2007. Obwohl es sich nicht geziemt, persönlich zu werden, so möchte ich doch (möglichst viele) Kommentatoren herausheben, die ich enorm schätze und hier danken möchte, ob dies nun Ralf ist, dessen Anekdoten eine angenehme Persönlichkeit erkennen lassen, Erwin Gabriel trotz seines enormen Makels, dem falschen Fußballclub anzuhängen. CitizenK, mit dem ich nun über mehrere Blogs eine gemeinsame Vita teile, sozusagen. Ant_ und benavite oder schejtan, der mich manchmal an genau den richtigen Stellen korrigiert. Kning mit seinen, aus meiner Sicht, richtigen Einwürfen und so manchen, den ich nun aufgrund meines schlechten Namensgedächtnisses vergessen habe. Vielen Dank für alle, die sich berufen fühlen, hier zu kommentieren. Bei jenen, die sich von mir beleidigt und getroffen fühlen, möchte ich mich ungeachtet des oben Gesagten entschuldigen, es lag nicht in meiner Absicht.

Anmerkung: die Kommentare eines einzigen Teilnehmers werden hier nicht angenommen. Der Verlust hält sich sicher in Grenzen, da er ohnehin dieses Forum verlassen wollte.

{ 18 comments… add one }
  • Ariane 6. Januar 2018, 16:52

    Schöner Artikel, obwohl ich natürlich äußerst empört bin, als langjährige Florettgegnerin nicht namentlich erwähnt zu werden 😛

    Meine Internethistorie begann so um 2005 herum, als ich meinen eigenen Internetzugang hatte und ganz erschlagen war von der Nachrichten- und Meinungsvielfalt, die sich mir da so plötzlich eröffnete. Das war so eine Art Erleuchtung für mich und hat auch erheblich zu meiner Meinungsbildung beigetragen. Und ich freu mich eigentlich immer noch drüber. Auch darüber, eigene Plätze für special interest-Sachen zu haben, weil das private Umfeld nicht immer dauerhaft mit komplizierten Überlegungen zu Fußball oder Politik zugequatscht werden will.^^

    Und bei mir ist es so, dass ich meine „Internetpersönlichkeit“ recht streng von mir als privater Person trenne. Zum Einen als Schutz, weil es gerade bei Frauen immer wieder vorkommt, dass irgendwelche Irren Vergewaltigungsdrohungen aussprechen, aber auch andersrum. Muss ja nicht sein, dass mein Nachbar oder Friseur genau über meine Ansichten über dies und das und jenes informiert ist.

    Ich glaube Rauschi war es, die schon mehrmals nach Sinn und Zweck dieser Seite gefragt hat und ich muss sagen, ich konnte und kann das nicht so richtig beantworten. Insofern trifft „politisches Kaffeekränzchen“ vielleicht schon zu, weil ich den Meinungsaustausch interessant finde, ohne dass ich nun ein Ergebnis dabei erwarte. Und die dürfen ruhig unterschiedlich sein, selbst wenn ich ebenfalls gelegentlich davon genervt bin und mich aufrege.

    Und ein weiterer Grund, warum ich Stefans offenen Ansatz gut finde, ist dass ich der Meinung bin, dass das Internet auch durchaus zu einer gewissen Selbstradikalisierung beitragen kann. Ich war früher zb ein riesiger Fan vom Spiegelfechter und fand alles total super und einleuchtend, was er so schrieb, aber so nach und nach auch durch die Verbandelung mit den Nachdenkseiten ist das irgendwie in so eine Verschwörungsecke abgedriftet und die Kommentatoren waren meist noch radikaler. Das hat mich irgendwann eher abgeschreckt und auch dazu geführt, dass ich mein „Internetdasein“ vielfältiger gestalte.
    Und ich glaube, wenn hier kaltherzige Neoliberale und linke Naivträumer gemeinsam sitzen, hält das die ganz radikalen Verschwörungstheoretiker fern – hoffe ich jedenfalls.^^

    • In Dubio 6. Januar 2018, 18:10

      Erstens giltst Du als Autorin und zweitens meint sonst noch jemand, ich wäre verliebt in Dich. 🙂

      Als ich 2007 mehr per Zufall anfing zu schreiben, tat ich dies, weil mich die unsachlichen Pöbeleien anekelten. Ich wollte so sachlich wie möglich sein und wurde sofort unsachlich unter Beschuss genommen. Ich finde, im Internet müssen die gleichen Regeln gelten wie im realen Leben. Tatsächlich fallen für sehr viele alle Hemmungen, bis hin zum mächtigsten Mann der Welt.

      Nach dem Ende vom Metzger-Blog habe ich beim Spiegelfechter geschrieben. Wie Du Dir denken kannst, wurde ich als Zumutung empfunden, obwohl ich damals noch ohne provokanten Stil schrieb. Es endete, als Jens Berger sich dazu hinreißen ließ, über meine weitere Teilnahme ein Tribunal zu veranstalten. Jedes x-beliebige Pseudonym durfte ankreuzen und sich darüber auslassen. ob StefanP weiterhin kommentieren dürfe, gesperrt werden sollte oder in eine Quarantäne abgeschoben werden sollte. Jens Berger empfand das als demokratisch, ich definitiv nicht, weshalb ich kurz meinen Abschied verkündete. Autoren besitzen mehr Macht als Kommentatoren, das ist wahr. Macht bedeutet erhöhte Verantwortung, weshalb ich nie Kommentatoren in Artikeln bloßstellen werde.

      Stefans Blog ist der zivilisierteste den ich kenne. Und das ist etwas absolut Besonderes. Der Sinn und Zweck dieser Seite ist nach meinem Verständnis, Spaß zu haben, das zu tun, was wir früher nur in der realen Welt tun konnten. Aber es gelten die gleichen Regeln, es ist Stefans Wohnzimmer. Wir können keine Informationen beschaffen, die nicht andere zuvor beschafft haben. Ich für meinen Teil kombiniere einfach verschiedene Bereiche und Aspekte miteinander und versuche dadurch andere dazu zu bewegen, ihre Ansichten neu und origineller zu begründen, in dem sie nicht einfach Versatzstücke als oft Gelesenem nehmen. Wenn das gelingt und beiden Spaß macht, sehe ich meine Aufgabe als Autor erfüllt. Wenn sich dadurch jemand verletzt sieht, weil seine Position unter Stress gesetzt wurde, so tut mir das leid.

      Wer an die Öffentlichkeit geht, ob nun in Unternehmenspositionen oder im Werben um politische Mehrheiten, wird einem weit größeren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. „Grillen“ nennt man das Neudeutsch. Jedes Budgetgespräch ist härter als das, was wir hier veranstalten. Mag sein, dass ich damit manchen überfordere. Aber so sind die Regeln, wenn sich jemand öffentlich äußern und Gehör finden will. Sie sind nirgends anders, nur manchmal stilloser.

      Ich schätze an allen genannten Personen einiges, was sie jenseits ihrer politischen Meinung haben durchklingen lassen. An Dir schätze ich Deinen Idealismus, Deine Contenance und Dein ausgleichendes Wesen selbst in schwierigen Situationen. Natürlich bin ich mir bewusst, Dich gerade zuletzt unter Stress gesetzt zu haben, aber es war Spiel für mich. Es war nicht verletzend gemeint.

      • Ariane 6. Januar 2018, 19:28

        Witzig, vielleicht haben wir uns damals schon unbekannterweise auf dem Spiegelfechter immer herumgestritten. Und Stefan war unser Lafontaine und hat eine Blogabspaltung eingeleitet *lol*

        Ich wollte so sachlich wie möglich sein und wurde sofort unsachlich unter Beschuss genommen. Ich finde, im Internet müssen die gleichen Regeln gelten wie im realen Leben.
        Ja ich weiß nicht warum, ist aber oft so, dass im Internet rauhere Sitten herrschen und Dinge schnell eskalieren, dagegen ist selbst der vorherige Kommentarstrang ein nettes Pläuschchen. Hat bei mir aber auch gedauert, bis ich für mich die richtige Distanz gefunden hatte. Ist vielleicht die Kehrseite, zwar findet sich für alles irgendwie ein Plätzchen um ernsthaft irgendwelche speziellen Interessen und Details zu besprechen und gleichzeitig nimmt ein Thema dann schnell eine ungeheure (irrationale) Bedeutung an und eh man sich versieht, steckt man mitten in absurden Streitereien.

        Natürlich bin ich mir bewusst, Dich gerade zuletzt unter Stress gesetzt zu haben, aber es war Spiel für mich. Es war nicht verletzend gemeint.
        Kein Problem, solange du es mir nicht übel nimmst, wenn ich mich manchmal über dein „übers Ziel hinausschießen“ etwas lustig mache wie bei Trittin als dunklem Lord oder Obessionen mit dem Heiratsmarkt im Osten. ^^

        Ich denke, es ist auch wichtig, bei einem neuen Thema wieder von vorne anfangen zu können und nicht vielleicht alte Spitzen von vor zwei Wochen noch mit sich herumzutragen. Wenn ich mich heute noch darüber ärgern würde, dass du in Emanzipationsfragen so eine Ignoranz an den Tag legst, würde mir vielleicht entgehen, dass wir woanders plötzlich auf einer Seite stehen.

      • Stefan Sasse 6. Januar 2018, 19:30

        Ich war ja früher sogar Autor beim Spiegelfechter. Aber die Radikalität und pure Bosheit, die einem da aus den Kommentarspalten teils entgegenschlug, war einer der Hauptgründe, warum ich das Ding verlassen habe (und generell das Linkssein, aber da schrieb ich ja schon mal drüber). Da entstand auch die Idee für die Öffnung, zuerst vom OeF, dann die Gründung von DD.

    • Erwin Gabriel 7. Januar 2018, 00:36

      @ Ariane 6. Januar 2018, 16:52

      Schöner Artikel, obwohl ich natürlich äußerst empört bin, als langjährige Florettgegnerin nicht namentlich erwähnt zu werden

      Verständlich – Sie hätten es sich verdient 🙂

      Viele Grüße
      E.G.

  • Ralf 6. Januar 2018, 17:56

    Ich hatte, glaube ich, auch zuvor schon mal in einem Kommentar geschrieben, dass ich großen Respekt vor diesem Blog und all seinen Autoren habe. Die Idee ein Forum zu schaffen, auf dem alle Ansichten willkommen sind, solange sie sich innerhalb des rechtsstaatlichen und demokratischen Spektrums befinden und in einem anständigen Ton formuliert sind, ist großartig. Die Vielfalt von Meinungen in Beiträgen und Kommentaren ist ausgesprochen hilfreich um eine Meinung zu bilden, zu überprüfen oder zu verändern. Ich wüsste keinen anderen Blog wo so verschiedenartige, aber durchweg intelligente und informierte Menschen aufeinandertreffen und ich möchte die vielen interessanten Artikel nicht missen. Und es sind wohlgemerkt gerade die Artikel, mit denen ich am wenigsten inhaltlich d’accord gehe, die mir persönlich am meisten nutzen. Wir sollten uns eigentlich viel öfter die Mühe machen auch mal anderen Standpunkten zuzuhören. Niemandem fällt ein Zacken aus der Krone, wenn ein Mitdiskutant mal eine andere Meinung hat. Und wir müssen auch nicht jedes Wort immer auf die Goldwaage legen. In den USA können wir das traurige Ergebnis einer hoffnungslos polarisierten Gesellschaft beobachten, in der Menschen aus unterschiedlichen politischen Lagern nicht mehr miteinander reden. In denen Meinungsverschiedenheit zu Kontaktabbruch führt. Wo Familien und Freundeskreise entlang politischer Trennungslinien auseinanderbrechen. Ein Blog wie dieser zwingt den Leser oft lieb gewonnene, vorgefertigte Einstellungen zu überprüfen. Man wird herausgefordert. Auch wenn man sicher seine Meinungen selten fundamental ändert, lernt man doch immer wieder, dass es zu vielen Themen eben doch eine Gegenperspektive gibt, die man oft nicht bedacht hat (oder die man geflissentlich ignoriert hat, weil sie unbequem ist). Hin und wieder merkt man bei der Internetrecherche zu einem Kommentar, dass sicher geglaubte “Fakten” schlicht falsch oder unvollständig waren. Oder dass sie in einem neuen Kontext anders bewertet werden müssen. Für mich persönlich ist deliberationdaily.de gerade deshalb so attraktiv. Ich zumindest habe viel gelernt, manchmal meine Meinung geändert und manchmal konnte ich meine vorherige Meinung mit besseren Argumenten stärken. Neben rationallyspeakingpodcast.org ist das hier eine der ganz wenigen Seiten im Internet, die intelligenten Meinungen ein Forum bieten, egal aus welcher Ecke sie kommen, wenn sie nur interessant und bedeutsam sind. Und wo Debatten ermutigt und kultiviert werden, auch und insbesondere dann wenn unterschiedliche Sichtweisen aufeinanderprallen. Wir sollten das zu schätzen wissen, dass das hier keine reine Echokammer für die eigene Meinung ist, wie 99% des restlichen Internets. Mein Gott, gibt es etwas langweiligeres als ständig die eigenen Ansichten vorgekaut zu bekommen und dann auch noch von den immer Gleichen zustimmend auf die Schulter geklopft zu werden? Nein danke. Nicht für mich. Ich hoffe dieser Blog bleibt genauso divers und bunt und meinungsverschieden wie er immer war!

    • Stefan Sasse 6. Januar 2018, 19:31

      Danke!

    • Erwin Gabriel 7. Januar 2018, 00:37

      Ich schließe mich gerne an!

    • Blechmann 10. Januar 2018, 12:47

      Ich hätte den Block jetzt eher als links-liberalen Wohlfühlblock eingeordnet. „Wie könnte die SPD ihr Ergebnis um 5% verbessern und linke Politik wieder möglich machen (den Mindestlohn um 50 cents erhöhen).“ Besonders kontrovers kommt er mir nicht vor, außer dass Logos und ein paar andere Kritikaster nicht geblockt werden. Und wenn Dubio zuviel stichelt kommt es zum Eklat. Aber gute Artikel und Diskussionen, keine Frage. Kontroverser als die übliche Diskussionsrunde im Fernsehen allemal und mit mehr Niwo!

  • CitizenK 6. Januar 2018, 18:08

    „erstaunlich ….durch Zuhören zur Meinung eines anderen Menschen die eigene Meinung bilden oder sogar verändern zu können“.

    Ich finde das nicht erstaunlich. So genau kann man „Meinung“ nicht trennen von der „Wertung von Informationen“. Ich jedenfalls kann das nicht. Die Konfrontation mit einer anderen Meinung (auch mit der Ihren) löst bei mir normalerweise einen Denkprozess aus. Ihre Haltung, auch hier im Blog niemanden überzeugen zu wollen, finde ich schwierig. Wird die „deliberation“ dann nicht zum Glasperlenspiel?

    • In Dubio 6. Januar 2018, 18:22

      Wir beide kommen aus einer Zeit, wo noch strikt zwischen Nachrichten und Meinung getrennt wurde. Ein Blog ist die Vermischung von beidem, natürlich arbeite ich damit. Als Student, damals liberal-sozial orientiert, habe ich in der Mensa während der Mittagspause meist F.A.Z. und WELT gelesen, also die Presseerzeugnisse, die nicht meine Meinung abbildeten. Nun könnte man zu der Ansicht kommen, dies habe meine politische Positionierung gedreht. Einfach gedacht. Tatsächlich vollzog sich dies erst langsam deutlich nach Ende meines Studiums, als ich über die Wirtschaftsprüfung mit unterschiedlichen Unternehmenswirklichkeiten konfrontiert wurde. Und auf der politischen Ebene durch die Debatten während der letzten Kohl-Regierung, als die Parteien versuchten, das Steuersystem anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse auszurichten – und daran scheiterten.

      Wenn ich Leser und Kommentatoren zum Nachdenken, zum Selbstrechtfertigen, zur Überprüfung der eigenen Position bringe, finde ich das einen Erfolg. Jeder hat das Recht auf ein eigenes Wertesystem und Grundüberzeugungen. Dies ändern zu wollen, hielte ich für illiberal. Sie werden aus einem vehementen Abtreibungsgegner keinen überzeugten Abtreibungsbefürworter machen, egal wie die Argumente liegen.

      • Stefan Sasse 6. Januar 2018, 19:33

        Sehe ich ähnlich. Aber: Nachrichten machen wir hier eigentlich gar nicht. Das können wir auch nicht. Dieses Blog ist ein Meinungsportal, nicht mehr und nicht weniger. Und ich habe lange, lange Jahre nie Kommentare zensiert. Ich meine, ich blogge seit 2006. 2016 ist das erste Mal, dass ich Kommentare zensiert oder gelöscht habe. Es war einfach eine Grenze erreicht, die drohte, das Blog mitzureißen.

      • Erwin Gabriel 7. Januar 2018, 00:41

        @ In Dubio 6. Januar 2018, 18:22

        Zustimmung!

        es grüßt
        E.G.

    • Ariane 6. Januar 2018, 21:03

      Es führt vielleicht etwas in die Irre, das nur als Meinungsclash zu sehen. Wenn jeder mal fix seine vorgefestigte Sichtweise auftippselt und dann gehen alle wieder nach Hause, ist es ja wirklich recht witzlos. Aber selbst bei unterschiedlichen Meinungen und ohne Überzeugungswillen wird man ja gezwungen, an seinen eigenen Argumenten zu feilen und weitere Details zu bedenken. Kommt ja auch vor, dass man etwas gut oder schlecht findet und selbst noch gar nicht so genau darüber nachgedacht hat, warum das so ist.
      Oder man kommt auf ganz neue Themen. Wenn Stefan hier nicht soviel über US-Politik schreiben würde, würde ich mir weniger Gedanken zu den USA allgemein aber eben auch Demokratienormen oder Polarisierung machen.

      Was jetzt nicht heißen muss, dass konträre Meinungen immer total super sind. Zb bei den Geschlechterthemen finde ich es oft sehr anstrengend, dass die ganze Debatte immer bei 0 anfängt und man darüber diskutiert, ob überhaupt ein Problem vorliegt oder nicht oder welches Geschlecht denn nun am meisten gebeutelt ist. Da finde ich es oft durchaus lohnender mit „Gleichgesinnten“ zu diskutieren, weil man dann eher in die Details gehen kann, wenn die Zielrichtung ähnlicher ist.

  • Erwin Gabriel 7. Januar 2018, 01:02

    @ Ariane 6. Januar 2018, 21:03

    Es führt vielleicht etwas in die Irre, das nur als Meinungsclash zu sehen. Wenn jeder mal fix seine vorgefestigte Sichtweise auftippselt und dann gehen alle wieder nach Hause, ist es ja wirklich recht witzlos.

    Ich glaube, dass das nicht ganz der entscheidende Punkt ist.

    Ich (60) betrachte wie ein jeder alle Argumente durch (m)eine ganz eigene Brille. Das verleiht natürlich Fakten und Argumenten eine Färbung. Ob man beispielsweise einen Sozialhilfesatz von 500 Euro für hoch oder niedrig hält, mag davon abhängen, ob man selbst mit dieser Summe klarkommen muss, oder ob man mit dem Höchstsatz an Steuren und Sozialabgaben belastet wird. Und jemand, der es gewohnt ist, mit dem Job auch jedesmal den Wohnort zu wechseln, hat vielleicht wenig Verständnis für jemanden, der nicht bereit ist, das zu tun.

    Wer meinen Werdegang, meine Werte und meine Grundeinstellungen kennt, kann meine Argumentation besser nachvollziehen als jemand, der nur in seiner Muschel hockt und nur seine Werte gelten lässt.

    In jedem Falle haben sich trotz meiner konservativen Prägungen einige meiner Sichtweisen durch die Teilnahme an der Diskussion hier verändert, in erster Linie dadurch, dass mir ein anderer Rahmen erläutert wurde.

    Das war etwa beim Thema Erbschaftssteuer der Fall, dass ich ursprünglich nur auf meine persönliche Situation bezogen hatte, nicht aber auf wirklich große Vermögen; oder beim Thema USA / Trump/Republikaner – hier war das für mich klar nachvollziehbare Argument, dass die Reps das Land im Zweifel an die Wand fahren, um ihren Willen zu bekommen, die Demokraten aber, wenn es darauf ankommt, Staatsräson zeigen
    (@ Herr Sasse: Sie sehen, Ihr Treiben hier ist nicht ganz vergeblich 🙂 ).

    bei den Geschlechterthemen finde ich es oft sehr anstrengend, dass die ganze Debatte immer bei 0 anfängt und man darüber diskutiert, ob überhaupt ein Problem vorliegt oder nicht oder welches Geschlecht denn nun am meisten gebeutelt ist. Da finde ich es oft durchaus lohnender mit „Gleichgesinnten“ zu diskutieren …

    Das finde ich sehr nachvollziehbar. ich hoffe, dass ich mir beim nächsten Durchgang einen Kommentar verkneifen kann. 🙂

    herzliche Grüße
    E.G.

    • CitizenK 7. Januar 2018, 08:50

      „….Sichtweisen durch die Teilnahme an der Diskussion hier verändert…“

      Das ist doch der Sinn der Sache. Informationen, Gesichtspunkte, Argumente, die man nicht auf dem Schirm hatte.

      Und man ist doch eher bereit, diese aufzunehmen, wenn sie in einer angemessenen Form daherkommen.

      P.S. @ die Blogbetreiber

      Zitate aus dem Artikel oder aus Kommentaren sind typographisch oft schwer von der Antwort zu unterscheiden. Kann man das technisch verbessern?

    • Stefan Sasse 7. Januar 2018, 18:07

      Ah, mir wird warm ums Herz. 🙂

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