Replik den Neo-Moralisten: Die Hexenjagd im Gewand puritanischer Entrüstung

Wenn es um Sexualdelikte gegen Frauen geht, wo Männer vorgeblich ihre Machtstellung ausgenutzt haben, brandet inzwischen eine Hysterie auf, die jeder nüchternen Aufklärung abträglich ist. Denn wer die natürliche Empathie abstreift, kommt nicht um den Verdacht herum, dass die einseitige Hypersensibilität zunehmend im Geschlechterkampf instrumentalisiert wird. Schuldig bei Verdacht, so lautet längst die Maxime. Mein Kollege Stefan Sasse dreht in seinem Artikel Trump, Weinstein und die Akzeptanz sexueller Belästigung an dem gleichen Rad. Doch anders als der Titel suggeriert, geht es überhaupt nicht um Akzeptanz irgendeiner Straftat. Dabei geraten sämtliche rechtstaatlichen Werte, auf die an anderer Stelle gedrungen wird, völlig aus dem Blick. Es ist diese Aufgeregtheit, die die Basis unseres zivilisierten Umgangs miteinander zunehmend zerstört. Denn es geht längst nicht mehr um Benennung von Tätern und die Klärung eines Sachverhalts, es geht um Scherbengerichte.

Nun also der aktuelle Fall Harvey Weinstein. Die Legende der Lichtspielindustrie verliert nur wenige Tage, nachdem Vorwürfe der fortgesetzten sexuellen Belästigung laut geworden sind, seinen Job als Vorstand der von ihm mitbegründeten Company. Zuvor erging es einigen Managern beim Start-up Uber genauso. Stefan Sasse nimmt den aktuellen Fall auf, um daraus die Legende eines männlichen Schweigekartells zu stricken und den Vorwurf der moralischen Verkommenheit in den Raum zu stellen. Doch sämtliche Fälle, die angeführt werden, haben eins gemeinsam: sie sind überhaupt nicht bewiesen oder es fehlt der strafrechtliche Hintergrund. Mehr noch: einige dieser Fälle nähren den Verdacht einer gezielten Kampagne zur Diskreditierung von Personen der Öffentlichkeit. Daran sollte sich niemand beteiligen, der Selbstjustiz ablehnt.

Dabei sind doch die Fälle spektakulär, wo Frauen gerichtsfest Männer schlimmer Sexualverbrechen beschuldigt haben mit dem Ziel, ihnen ihre berufliche Grundlage wie Reputation zu zerstören. Ziemlich laut halten sich dabei die Moralisten zurück, wenn es um die Vernichtungsfeldzüge gegen Jörg Kachelmann, Andreas Türck oder die Vorgänge um die Berufslügnerin Gina-Lisa Lohfink ging, die hier detailliert debattiert wurden. Auch beim französischen Lebemann Dominick Strauß-Kahn blieb von den Vorwürfen, das Zimmermädchen eines Luxushotels vergewaltigt zu haben, nur übrig, das vor dem Titel IWF-Chef nunmehr ein „Ex“ steht. Die Indizien legen den Verdacht nahe, dass der frühere französische Superminister Opfer einer Intrige geworden ist, um seine Ambitionen auf das Präsidentenamt zu hintertreiben.

Es gibt viele Gründe, Donald Trump als ungeeignet für den Job im Oval Office zu erachten. Darunter sind auch genügend Aspekte, die seinen Charakter betreffen. Bemerkungen, Frauen zwischen die Beine fassen zu dürfen, gehören jedoch nicht dazu. Zudem ist auch hier die Koinzidenz bemerkenswert, dass die Dokumentation der Jahre alten großspurigen Sprüche justament in der Woche vor der wichtigsten Fernsehdebatte des US-amerikanischen Wahlkampfes publik wurden. Wer dem Milliardär ein fragwürdiges Verhältnis zum weiblichen Geschlecht nachweisen wollte, der wäre zu jeder Zeit ausreichend fündig geworden. Trump hat keine nachgewiesene Straftat begangen, ihn dennoch in die Nähe eines Kapitalverbrechens mit sexuellem Hintergrund zu rücken, ist nicht akzeptabel. Und wie die Einstellungen des Immobilientycoons zu bewerten sind, darüber hat der Wähler, insbesondere die Frauen, im November letzten Jahres sein/ihr Urteil gesprochen.

Wer Trump wegen seiner Machosprüche als moralisch ungeeignet für den Job als mächtigsten Mann der Welt aburteilt, muss mit der SPD-Politikerin Manuela Schwesig weit härter ins Gericht gehen. Die frühere Bundesfamilienministerin schlug sich 2016 auf die Seite einer Straftäterin, die vorsätzlich vor Gericht gelogen hatte zum eigenen Vorteil und Gründen der Publicity. Als Teil der Exekutive überschritt sie deutlich die Grenzen der Gewaltentrennung und unterstellte unabhängigen Gerichten am Beispiel Lohfink, Frauen nicht vor Vergewaltigern zu schützen. Doch wer sich gemein mit Straftätern und ihren Taten macht, ist für höhere Ämter ungeeignet. Die heutige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern hat sich nie für ihre nachgewiesen falsche Parteinahme erklärt noch entschuldigt.

Die moralische Überheblichkeit, die heute viel zu viele wie eine Monstranz vor sich hertragen, lässt sich nicht immer akzeptieren. Im Furor gegen alle und jeden, die Macht und Geld haben, verliert sich jede Differenzierung. Gerade sehr erfolgreiche Menschen umgeben sich selten mit „Speichelleckern“, wie das Stefan höchst despektierlich beschrieb. Wer nur mit eigenem Können und Wissen und sonst mit reinen Ja-Sagern vermögend werden will, wird mit Sicherheit eins: scheitern. Und wer solche Menschen zeiht, moralische Grenzen zu überschreiten, war anscheinend noch nie mit einer Baukolonne unterwegs und hat sich die Spinde und Pausenräume von Lageristen von innen angesehen.

Es ist auch keineswegs so wie von Stefan behauptet und von der Straße gerne übernommen, dass gefallene Manager mit üppigen Abfindungen ihren Ausstieg vergoldet bekommen. Top-Manager von Konzernen werden auf Zeit beschäftigt, deren Verträge meist eine fest vereinbarte Laufzeit von 3-5 Jahren besitzen. Mit Ablauf des Vertrages fallen weder Abschlusszahlungen an noch besteht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Nur wer dennoch vor Ablauf der Frist aus dem Zeitverhältnis aussteigen möchte, wird dafür bezahlen müssen. Und wenn insbesondere keine strafrechtlichen Verurteilungen ins Kontor schlagen, so ist eine solche Auflösung eines Vertragsverhältnisses ausgesprochen teuer. Zudem weiß niemand, was im Fall der Fälle möglicherweise vereinbart wurde und ob der Ex-Vorstand Abschläge hat hinnehmen müssen. Sich dennoch ein moralisches Urteil zu erlauben, grenzt an Rabulistik.

Gerade in den letzten Jahren wurden immer wieder Menschen mit Vorwürfen in ihrer Existenz vernichtet, die sich später als haltlos herausstellten. Die Moralisten haben in solchen Fällen jedoch nur ein leichtes, keinesfalls bedauerndes Achselzucken übrig. Sie leisten sich den Luxus, ihre Moral als die Krönung menschlicher Existenz zu präsentieren. Doch in der Abwägung, ob eine sexuelle Belästigung ungestraft bleibt oder ein Mann wegen der Beschuldigung einer Vergewaltigung, die nie stattgefunden hat, Job, Vermögen, Reputation, Familie und Freunde verliert, kann es nur ein Plädoyer für die unbedingte Unschuldsvermutung geben. Es ist höchst bedauerlich, dass es die Moralisten an dieser Eindeutigkeit vermissen lassen und anscheinend lieber ein Sexualdelikt mehr als zu wenig verfolgt sehen wollen.

Wer kann wirklich eine Vergewaltigung, die im Jahr 1920 im Rahmen einer Ehe stattfand, moralisch verurteilen? Seit dieses Sexualdelikt ins Strafgesetzbuch gehoben wurde, ist genau das eingetreten, was die Kritiker immer befürchteten: viele Frauen in Scheidungsverfahren beschuldigten ihren Ex-Partner des sexuellen Übergriffs allein, um sich Vorteile wie das alleinige Sorgerecht für das gemeinsame Kind und auch Unterhaltsansprüche zu sichern. Tatsächlich werden insgesamt nur sehr wenige Fälle angezeigt, gut 60 sind es pro Jahr, wo das Familienministerium von einer Dunkelziffer von 350.000 Fällen ausgeht. Ein Riesenpopanz für ein Gesetz, das kaum Wirkung entfaltet, zumal die gesellschaftliche Ächtung der ehelichen Vergewaltigung eindeutig ist. Dafür müssen sich heute Gerichte mit der Frage beschäftigen, wie glaubwürdig ein vermeintliches Opfer ist, wenn es erst vor dem Scheidungsrichter mit dem behaupteten Martyrium rausrückt. Am Ende handelt es sich weniger um ein Opferschutzgesetz als um eine Regelung, die Frauen mehr Rechte zubilligt.

Jugendliche Moralapostel besitzen den Vorteil, nur einen moralischen Wertmaßstab erlebt zu haben. Sie kennen es nicht, dass sich auch und gerade moralische Vorstellungen ändern, was für Zeitgeist-Moralisten zur Folge hat, dass sie irgendwann old-fashion erscheinen. Wer meint, lang zurückliegende Vorgänge mit dem heutigen Wertegerüst beurteilen zu können, wird irgendwann merken, dass sich dies irgendwann gegen einen selbst richtet.

Als junger Prüfer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft waren dem Verfasser dieses Artikels in den Neunzigerjahren auch Bestechungszahlungen in Drittländern zur Erlangung internationaler Aufträge berufsbekannt. Die Regeln für solche nützlichen Aufwendungen waren aus steuerlicher Sicht klar und das generelle Vorgehen international akzeptiert. Doch die Akzeptanz ging zurück und die OECD verfasste Regelungen für ein ordentliches Geschäftsgebaren, was Bestechungszahlungen generell ächtete. Deutschland war bei dieser Bewegung keineswegs Vorreiter. Dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden von Siemens, Heinrich von Pierer, wurden die veränderten Maßstäbe Mitte des letzten Jahrzehnts zum Verhängnis, als er mit Schmiergeldzahlungen des Münchner Konzerns in Verbindung gebracht wurde, die in den Neunzigerjahren verauslagt worden waren.

Moralische Wertmaßstäbe wurden zu allen Zeiten auch als Machtmittel missbraucht. Die heutigen Zeiten sind da keinen Deut besser, nur wollen die Neo-Moralisten dies nicht wahrhaben. Im Gegenteil, manches ähnelt heute modernen Hexenjagden, nur das die Beschuldigten nicht mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt, sondern ins digitale Fegefeuer der Verdammnis geworfen werden. Der Rechtsstaat hat die westlichen Gesellschaften lange vor solchen maßlosen Übergriffen geschützt. Mit den „sozialen“ Netzwerken und Google, zusammen mit einem neuen Puritanismus ist der Marsch in eine neue Zeit moralischen Absolutismus in vollem Gange.

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  • Vahid Garth 9. Oktober 2017, 17:39

    Ein Artikel, der mit „nüchterner Aufklärung“ gegen aufbrandende „Hysterie“ einsteigt, und, weil offenbar zu viele „eine Vergewaltigung, die im Jahr 1920 im Rahmen einer Ehe stattfand, moralisch verurteilen“, mit dem „Marsch in eine neue Zeit moralischen Absolutismus“ endet. Große Komik.

  • Wolf-Dieter Busch 9. Oktober 2017, 18:26

    Dass Vergewaltigung eine Sauerei ist: unbestritten. Eine Falschbeschuldigung ist allerdings eine noch größere.

    Faszinierend dazu Margarete Stokowskis Überlegungen bei Spiegel Online, in denen sie bewusste Falschbeschuldigung nicht aus ethischen Gründen ablehnt, sondern aus technischen Gründen verwirft.

    • bevanite 9. Oktober 2017, 23:18

      Dass Vergewaltigung eine Sauerei ist: unbestritten. Eine Falschbeschuldigung ist allerdings eine noch größere.

      Nicht Ihr Ernst, oder?

      • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 13:35

        Doch.

      • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 13:38

        Die Falschbeschuldigerin schadet außer dem Beschuldigungsopfer auch wahren Vergewaltigungsopfern (induziert Glaubwürdigkeitskrise).

    • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 15:48

      Nein?! Die größere der beiden Sauereien bleibt die Vergewaltigung. Alter!

      • In Dubio 10. Oktober 2017, 16:06

        Wieso?

        • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 16:17

          Was ist schlimmer: Mord oder eine falsche Anklage zu Mord?

          • In Dubio 10. Oktober 2017, 16:33

            Falscher Vergleich. Eine der wichtigsten Maßstäbe für das Strafrecht sind der Schaden und die Motive. Eine Vergewaltigung geschieht aus Machtgelüsten, die gezielte Falschbeschuldigung aus Rache und dem Drang, den anderen zu vernichten. All das sind niedere Beweggründe, wobei es keine Rangfolge gibt. Dazu nutzt der Falschbeschuldiger eine Vertrauensstellung aus, im Strafrecht ein schweres Vergehen. Der sexuelle Missbrauch eines Menschen führt zu einem Trauma, beeinflusst das Leben nachhaltig. Die Tat dauert jedoch meist nur wenige Minuten. Die wirtschaftliche und soziale Vernichtung aufgrund einer Falschbeschuldigung dauert meist ein Leben lang und der persönliche Schaden wie auch die Ächtung durch Mitmenschen dauerhaft. Ich sehe nicht, warum Du Vergewaltigung als das wesentlich schwerere Verbrechen einstufst.

            • Ariane 10. Oktober 2017, 17:09

              Fangen wir jetzt doch an, Vergewaltigungen zu relativieren oder wie?

              Der sexuelle Missbrauch eines Menschen führt zu einem Trauma, beeinflusst das Leben nachhaltig. Die Tat dauert jedoch meist nur wenige Minuten. Die wirtschaftliche und soziale Vernichtung aufgrund einer Falschbeschuldigung dauert meist ein Leben lang und der persönliche Schaden wie auch die Ächtung durch Mitmenschen dauerhaft.
              Verzeihung? Jemanden falsch zu beschuldigen ist im Zweifel doch genauso schnell erledigt.
              Du schreibst doch selbst, dass eine Vergewaltigung ein Trauma nach sich zieht, mit der Tat alleine ist es da also auch nicht getan, egal wie schnell die vorbei ist. Ein zu Unrecht Verdächtigter hat zumindest noch den Vorteil, körperlich unversehrt zu bleiben, was bei einer erfolgten Vergewaltigung nicht der Fall ist.

              • In Dubio 10. Oktober 2017, 17:34

                Falsches Wort in dem Zusammenhang. Der Strafgesetzbuchgeber relativiert nur. Er ordnet nämlich Vergehen zu, grob sind das Straftaten geringer Schwere (6 Monate bis 2 Jahre), mittelschwere Vergehen (bis 5 Jahre), schwere Kriminalität (5-10 Jahre) und darüber hinaus (bis 15 Jahre und lebenslänglich). Für ein Opfer steht eine Tat immer isoliert, nicht jedoch für den Rechtsstaat.

                Ein zu Unrecht Verdächtigter hat zumindest noch den Vorteil, körperlich unversehrt zu bleiben, was bei einer erfolgten Vergewaltigung nicht der Fall ist.

                Frag‘ nach bei Jörg Kachelmann, Andreas Türck oder Horst A. Pardon, der liegt ja auf einem Friedhof.

                • Stefan Sasse 11. Oktober 2017, 07:45

                  Das Problem an deiner Argumentation ist, dass du einen Generalverdacht gegenüber allen Opfern aufmachst (könnte ja eine Falschanschuldigung sein) und die Beweislast umkehrst. Das würdest du für keine andere Straftat so akzeptieren.

                  • In Dubio 11. Oktober 2017, 09:11

                    Das Problem an deiner Argumentation ist, dass du einen Generalverdacht gegenüber allen Opfern aufmachst (könnte ja eine Falschanschuldigung sein) und die Beweislast umkehrst.

                    Genau so ist es. Und das ist keine Beweislastumkehr. Ein mögliches Opfer muss beweisen, dass es Opfer ist. Nur ein sehr geringer Anteil der eingeleiteten Ermittlungsverfahren führen zu einem Strafverfahren und nur ein Bruchteil mündet in einer Verurteilung. Ja, aus juristischer Sicht ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Vorgang nicht justiziabel ist als dass ein schweres Delikt vorliegt. Und es ist unsere rechtstaatliche Pflicht, davon auszugehen, dass ein Beschuldigter unschuldig ist und eine zur Last gelegte Tat nicht begangen hat. Das, Stefan, meint die Unschuldsvermutung.

                    Vor Jahren wurde ein guter Freund von mir – dazu noch im Unternehmen mir zugeordnet / keine disziplinarische Verantwortung (damals waren wir nicht befreundet) – als junger Vorgesetzter der sexuellen Belästigung beschuldigt. Das Unternehmen kündigte fristlos. Im arbeitsrechtlichen Verfahren erwiesen sich die Vorwürfe nachweislich als haltlos, dennoch war eine Rückkehr als Niederlassungsleiter natürlich unmöglich geworden. Kannst Du Dir vorstellen, was das für jemanden bedeutet, der in einem Unternehmen aufgewachsen ist und viele Jahre dieses vertreten hat? Möglicherweise nicht. Genauso wie Du will ich mutmaßlichen Opfern grundsätzlich glauben. Ich habe auch die Geschichte damals geglaubt. Aber die Realität, Stefan, ist, dass vieles, was auf dieser Welt behauptet wird, eben nicht so stimmt, wie es erzählt wird. Deswegen ist bei jeder Beschuldigung ein gehöriges Misstrauen oder zumindest Vorsicht angebracht, auch wenn es unserem normalen Impuls widerspricht.

                    Als Führungskraft habe ich einen harten Ruf. Und es gehört inzwischen zum Geschäft, dass man von einzelnen angefeindet und auch falsch beschuldigt wird. Ich bin darauf angewiesen, dass relevante Personen und Gruppen die Dinge einzuordnen wissen. Die eben wissen, dass Menschen durchaus aus unlauteren Motiven Gerüchte und Lügen in die Welt setzen. Trotzdem habe ich heute Manschetten, mit einer Mitarbeiterin hinter einer geschlossenen Tür zu sprechen und versuche solche Situationen zu vermeiden. Das, Stefan, ist die Konsequenz aus der Hysterie, für die Du zumindest Sympathie zu empfinden scheinst.

                    • Ariane 11. Oktober 2017, 11:20

                      Und das ist keine Beweislastumkehr. Ein mögliches Opfer muss beweisen, dass es Opfer ist. Nur ein sehr geringer Anteil der eingeleiteten Ermittlungsverfahren führen zu einem Strafverfahren und nur ein Bruchteil mündet in einer Verurteilung. Ja, aus juristischer Sicht ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Vorgang nicht justiziabel ist als dass ein schweres Delikt vorliegt. Und es ist unsere rechtstaatliche Pflicht, davon auszugehen, dass ein Beschuldigter unschuldig ist und eine zur Last gelegte Tat nicht begangen hat. Das, Stefan, meint die Unschuldsvermutung.

                      Aber genau das passiert doch auch beim Vorwurf der Vergewaltigung. Niemand läuft los und wirft jemanden ins Gefängnis, nur weil eine Frau eine Vergewaltigung berichtet, natürlich gilt rechtlich die Unschuldsvermutung. Dein Denkfehler ist – wie ich schon wiederholt angemerkt habe – dass du aus jedem eingestellten Verfahren und jedem Freispruch aus Mangel an Beweisen schließt, dass es sich dann ja nur um eine Falschbeschuldigung handeln könnte. Das ist schlichtweg falsch, ich hab dir hier ja schon lang und breit beschrieben, wie schwierig (und btw demütigend für das Opfer) so ein Verfahren sein kann.

                      Außerdem vermischt du beständig die rechtliche mit der gesellschaftlichen Seite, das sind aber zwei Paar Schuhe. Gerade arbeitsrechtlich reicht der Verdacht auf (hier) eine Vergewaltigung/sexuelle Belästigung schon aus.
                      Das ist problematisch, aber arbeitsrechtlich nicht neu. Auch der Verdacht auf Diebstahl einer Kleinigkeit kann bereits für eine fristlose Kündigung ausreichen, genauso problematisch, darüber wird aber nur selten berichtet.

                      Dazu kommt der gesellschaftliche Wandel. Bis vor nicht allzu langer Zeit war es einfach normal, dass Frauen im Arbeitsleben quasi Freiwild waren und zb ein beiläufiges Potätscheln dazugehörte. Da gab es damals weder einen Begriff noch eine Beschwerdestelle für, Frauen mussten damit leben, wenn sie ihrem Beruf nachgehen wollten. Mittlerweile wird dies als Problem erkannt,es ist aber noch so neu, dass gerade eine Mischung besteht. Häufige sexuelle Belästigung und eine Hemmung diese zu melden, gibt es immer noch. Gleichzeitig wird dem aber mehr Aufmerksamkeit geschenkt, mit dem Problem, dass alles von anzüglichen Bemerkungen bis ständiges Grabschen in einen Topf geworfen wird. Das ist nicht perfekt, aber wohl nicht vermeidbar. Deine Alternative sieht nun vor, lieber nichts mehr zu sanktionieren aus Sorge vor Falschbeschuldigungen, damit fallen aber auch alle echten Opfer unter den Tisch. Daher meine Frage: Was passiert mit den Opfern? Haben die Pech gehabt, weil nur noch der Videobeweis gelten darf? Hast du dafür eine Lösung?

                    • In Dubio 11. Oktober 2017, 15:39

                      Niemand läuft los und wirft jemanden ins Gefängnis, nur weil eine Frau eine Vergewaltigung berichtet, natürlich gilt rechtlich die Unschuldsvermutung.

                      Wenn die Polizei zu Ehestreitigkeiten gerufen wird und die Frau behauptet, von ihrem Mann tätlich angegriffen worden zu sein, wird der Mann im Zweifel der gemeinsamen Wohnung verwiesen, bis ein Gericht befunden hat. Das ist bis heute das Vorgehen. Genauso verhält es sich im Sorgerechtsfall für unterhaltspflichtige Kinder. Ariane, das denke ich mir nicht aus.

                      Dein Denkfehler ist (..) dass du aus jedem eingestellten Verfahren und jedem Freispruch aus Mangel an Beweisen schließt, dass es sich dann ja nur um eine Falschbeschuldigung handeln könnte.

                      Nein, Einstellung eines Verfahrens bedeutet lediglich, das ein Anfangsverdacht sich nicht erhärtet hat. Wenn ich von vielen Falschanzeigen spreche, dann beziehe ich mich auf die Berichte durch Praktiker, die in Medien und dem verlinkten Wikipedia-Artikel genannt werden.

                      Kindesmisshandlung und sexuelle Vergehen gegen Kinder sind noch traumatischer. Dennoch werden Kinder im Zweifel gehört werden müssen. Warum sollten erwachsene Frauen mehr geschont werden als Kinder? Hast Du nicht gesagt, weiß ich, aber Du schaust mit Scheuklappen auf das Problem. Sei doch zufrieden, dass vergewaltigten Frauen vor Gericht eine höhere Glaubwürdigkeit zuerkannt wird, wenn sie detailliert die Tat schildern können. Für den Täter bedeutet nämlich genau dies, das er einen Strafaufschlag zu erwarten hat. Ich wüsste nicht, was es da neu zu tarieren gäbe.

                      Dazu kommt der gesellschaftliche Wandel. Bis vor nicht allzu langer Zeit war es einfach normal, dass Frauen im Arbeitsleben quasi Freiwild waren und zb ein beiläufiges Potätscheln dazugehörte.

                      Ich weiß nicht, woher Du das hast, jedenfalls nicht durch eigenes Erleben. Compliance-Regeln gibt es schon seit über 2 Jahrzehnten, insbesondere bei Unternehmen mit angelsächsischen Müttern. Ich kenne das nicht, ich hab‘ ja sogar die Zeit verpasst, wo man noch mit dem Mandanten nach einem guten Abschlussgespräch in den Puff gegangen ist. 🙂

                      Deine Alternative sieht nun vor, lieber nichts mehr zu sanktionieren aus Sorge vor Falschbeschuldigungen, damit fallen aber auch alle echten Opfer unter den Tisch.

                      Ich habe es nun mehrfach geschrieben: wenn es keine weiteren Belege gibt, so muss eine Vergewaltigung oder generell ein sexueller Übergriff durch die Zeugenaussage des mutmaßlichen Opfers belegt werden. Das bedeutet allerdings auch, dass einer falschen Aussage eine ganz entscheidende Rolle zukommt. Jemand, der unter diesen Umständen falsch aussagt, muss hart bestraft werden. Was ist daran zu kritisieren?

                    • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 14:17

                      @In Dubio – „Ein mögliches Opfer muss beweisen, dass es Opfer ist.“ – falsch, lieber Stefan: die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht muss das beweisen. Das Opfer ist nur Zeuge im Vergewaltigungsverfahren.

                    • Ariane 11. Oktober 2017, 16:22

                      Wenn die Polizei zu Ehestreitigkeiten gerufen wird und die Frau behauptet, von ihrem Mann tätlich angegriffen worden zu sein, wird der Mann im Zweifel der gemeinsamen Wohnung verwiesen, bis ein Gericht befunden hat. Das ist bis heute das Vorgehen. Genauso verhält es sich im Sorgerechtsfall für unterhaltspflichtige Kinder. Ariane, das denke ich mir nicht aus.
                      Ja, aber das ist doch normal. Wenn irgendwo Gefahr im Verzug zu sein scheint, muss die Situation erstmal eingefroren werden, bis das genauer untersucht wird. Da kann die Polizei ja schlecht achselzuckend wieder abziehen, bis ein Gericht in zwei Wochen vielleicht festgestellt hat, ob Frau oder Mann das Kind schlägt – um ein geschlechtsunabhängiges Beispiel zu wählen.

                      aber Du schaust mit Scheuklappen auf das Problem. Sei doch zufrieden, dass vergewaltigten Frauen vor Gericht eine höhere Glaubwürdigkeit zuerkannt wird, wenn sie detailliert die Tat schildern können.
                      Imo schaust du hier mit Scheuklappen auf das Problem. Dass Frauen prinzipiell eine höhere Glaubwürdigkeit haben sollten, ist doch nirgends belegt. Gerade wenn lediglich zwei Aussagen gegeneinander stehen, ist eher mit einem Freispruch zu rechnen, weil dann eben im Zweifel für den Angeklagten gilt.

                      Ich habe es nun mehrfach geschrieben: wenn es keine weiteren Belege gibt, so muss eine Vergewaltigung oder generell ein sexueller Übergriff durch die Zeugenaussage des mutmaßlichen Opfers belegt werden. Das bedeutet allerdings auch, dass einer falschen Aussage eine ganz entscheidende Rolle zukommt. Jemand, der unter diesen Umständen falsch aussagt, muss hart bestraft werden. Was ist daran zu kritisieren?
                      Daran ist nichts zu kritisieren, Falschaussagen und falsche Beschuldigungen werden doch sowieso juristisch verfolgt und zwar seit langem. Das macht jetzt aber irgendwie deinen ganzen Artikel obsolet^^
                      Mein Argument ist doch, dass diese Problematik schlicht nicht lösbar ist, weil wir über Delikte reden, die fast ausschließlich ohne handfeste Beweise auskommen müssen. In unserer Welt gibt es aber nun mal sowohl Vergewaltiger als auch Frauen, die Vergewaltigungen erfinden – das lässt sich nicht ändern, auch wenn das nicht die Mehrheit ist. Aber Falschbeschuldigungen lassen sich nur mit Extremmaßnahmen ausschließen, zb in dem man sagt, man verfolgt solche Anzeigen nur noch, wenn es außer der Aussage noch andere Beweise gibt. Ich schätze, solche extremen Maßnahmen würdest auch du nicht unterstützen?

                    • In Dubio 11. Oktober 2017, 16:45

                      Ja, aber das ist doch normal.

                      Du hast nicht bemerkt, dass der Beschuldigte ohne richterlichen Beschluss das Feld räumen muss, obwohl er das gleiche Wohnrecht besitzt wie das angebliche Opfer? Zuvor hattest Du noch gesagt, es gälte die Unschuldsvermutung. Die würde jedoch nahelegen, dass die Wohnung aufgeteilt würde oder ggf. das angebliche Opfer die Wohnung räumt.

                      Imo schaust du hier mit Scheuklappen auf das Problem. Dass Frauen prinzipiell eine höhere Glaubwürdigkeit haben sollten, ist doch nirgends belegt.

                      Doch. Kann eine Vergewaltigung detailliert und plausibel geschildert und wiedergegeben werden, so kommt es zu einer Verurteilung. Da kannst Du Staatsanwälte fragen. Da hilft dann auch keine gegenteilige Aussage des Beschuldigten. Deswegen legen die Ankläger so viel Wert auf die Details der Zeugenbefragung. Wer etwas wirklich erlebt hat, kann detailreich schildern. Lügner bleiben allgemein. Sowohl Jörg Kachelmann als auch Andreas Türck sind allein aufgrund der Zeugenaussagen der jeweiligen an geblichen Opfer in Untersuchungshaft genommen worden (Flucht- bzw. Verdunklungsgefahr). In beiden Fällen war die Zeugenaussage zentral für den Prozess. Allein weil die Vergewaltigungen nicht so stattgefunden haben konnten, wie die Frauen dies geschildert hatten, kam es zu Freisprüchen. Andernfalls hätte die Verurteilung zu jahrelanger Haft gestanden. Daran erkennst Du, welche Bedeutung und auch Verantwortung angeblichen Vergewaltigungsopfern zukommt. Hier falsche Angaben zu machen, ist extrem niederträchtig. Sind wir uns da einig?

                      Daran ist nichts zu kritisieren, Falschaussagen und falsche Beschuldigungen werden doch sowieso juristisch verfolgt und zwar seit langem.

                      Bei Betrugsdelikten, ja. Aber weder im Fall Kachelmann noch bei Andreas Türck befleißigte sich die Staatsanwaltschaft eben dieser Verfolgung. Genau das ist dann auch zu kritisieren, oder?

                      Aber Falschbeschuldigungen lassen sich nur mit Extremmaßnahmen ausschließen, zb in dem man sagt, man verfolgt solche Anzeigen nur noch, wenn es außer der Aussage noch andere Beweise gibt.

                      Ich glaube, dazu habe ich nun alles gesagt. Jedes vermutete Verbrechen muss ohne Ansehen der Person verfolgt werden. Das ist doch nicht meine Rede. Meine Rede ist, dass eine Frau wie die Radiomoderatorin „Simone“ mit der gleichen Unerbittlichkeit von der Justiz verfolgt wird wie ein mutmaßlicher Vergewaltiger. Und da weiß ich nicht, ob wir uns hier einig sind.

                    • Ariane 11. Oktober 2017, 17:23

                      Du hast nicht bemerkt, dass der Beschuldigte ohne richterlichen Beschluss das Feld räumen muss, obwohl er das gleiche Wohnrecht besitzt wie das angebliche Opfer? Zuvor hattest Du noch gesagt, es gälte die Unschuldsvermutung.
                      Das ist imo kein Widerspruch, juristisch gilt doch trotzdem die Unschuldsvermutung. Wenn die Polizei wegen einer Gefahr herbeigerufen wird, hat das immer Vorrang vor der juristischen Prüfung. Bei Gefahr im Verzug dürfen Polizisten ja auch Türen eintreten, was sie sonst nicht dürfen. Das ist doch bekannt und auch völlig geschlechtsunabhängig. Wenn eine Frau ihren Mann bedroht und der deshalb die Polizei ruft, wird sie für eine Zeit lang des Hauses verwiesen.
                      Dasselbe bei der Untersuchungshaft, dafür gibt es ja Regeln, aber die erfolgt ja ebenso bevor juristisch geklärt werden kann, ob ein Täter nun schuldig oder unschuldig ist und auch dies ist völlig geschlechtsunabhängig.

                      Meine Rede ist, dass eine Frau wie die Radiomoderatorin „Simone“ mit der gleichen Unerbittlichkeit von der Justiz verfolgt wird wie ein mutmaßlicher Vergewaltiger. Und da weiß ich nicht, ob wir uns hier einig sind.
                      Äh^^ Ich gebe zu, dass mir bei diesen Boulevardfällen genaue Kenntnisse fehlen. Ich weiß immerhin, dass Kachelmann freigesprochen wurde, insoweit hat das System also irgendwie funktioniert.
                      Ich habe allerdings keinen Schimmer, was da sonst noch drumrum geschah und weiß auch nicht, wer Radiomoderatorin Simone ist. Genausowenig weiß ich, ob sich diese prominenten Fälle als Beispiel eignen.
                      Also davon ab stehen Falschbeschuldigungen ja durchaus unter Strafe. Wenn ich dich recht verstehe, bist du mit der Rechtslage soweit zufrieden und forderst nur eine bessere Anwendung?

                    • In Dubio 11. Oktober 2017, 17:44

                      „Simone“ war das Pseudonym der Kachelmann-Geliebten. Der Fall ist in Teilen ein Justizskandal, das das angebliche Opfer schon bei der Vernehmung mehrfach und entscheidend gelogen hatte. Von der Faktenlage hätte das Verfahren eingestellt werden müssen, eine U-Haft war zu keinem Zeitpunkt verhältnismäßig. Und obwohl die Tat nicht annähernd so stattgefunden haben konnte, wie die Radiomoderatorin dies behauptete, konnte es sich das Mannheimer Gericht in der Urteilsbegründung nicht verkneifen, Zweifel an der Unschuld des Angeklagten zum Ausdruck zu bringen. Nach Ansicht von Prozessbeobachtern diente dies allein dem Zweck, die Staatsanwaltschaft vor möglichen Schadensersatzansprüchen zu schützen. Da sich die Staatsanwalt in den Prominenten verbissen hatte und das Gericht den Vorwand lieferte, entwickelten die Mannheimer wenig Eifer, ihre ehemalige Kronzeugin zur Verantwortung zu ziehen. Andere Gerichte sahen das anders, aber das musste der Wetterfrosch mit seinem eigenen Geld bezahlen.

                      Ich bin grundsätzlich mit dem deutschen Recht weitgehend zufrieden. Dagegen versuchen Frauenaktivisten regelmäßig, die Regeln zugunsten der Anklage bei Sexualdelikten und damit zum Nachteil der Verteidigung zu verschieben. Ich bin dezidiert dagegen, da ich die Waffen als gut austariert ansehe.

                  • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 14:14

                    @Stefan Sasse – „Das Problem an deiner Argumentation ist, dass du einen Generalverdacht gegenüber allen Opfern aufmachst …“

                    Die Vergewaltigung wird vom Strafrecht verfolgt. Im Strafrecht gilt die Unschuldsvermutung, generell, sogar bei Vergewaltigungsvorwurf.

                    Deine Formulierung „Generalverdacht gegenüber allen Opfern“ ist Spiegelung genau dieser Unschuldsvermutung. Willst du sie kippen? Im Ernst?

                    Stefan, ich habe dich bisher immer menschlich geschätzt, aber das hier ist eine Ehrenfrage. Überleg dir deine Antwort.Generalverdacht gegenüber allen Opfern

                    • Stefan Sasse 11. Oktober 2017, 20:06

                      Nein, die Unschuldsvermutung gibt es aus gutem Grund – siehe Kachelmann. Aber auf der anderen Seite kannst du nicht wie Stefan Pietsch hergehen und jedem Opfer erst mal pauschal unterstellen, es sei wahrscheinlicher dass es lügt als dass es die Wahrheit sagt.

                    • Wolf-Dieter Busch 15. Oktober 2017, 18:00

                      Nichts dergleichen käme mir in den Sinn. Wie kommst du auf das schmale Brett?

              • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 13:58

                @Ariane – „Der sexuelle Missbrauch eines Menschen führt zu einem Trauma, beeinflusst das Leben nachhaltig.“

                Stimmt. Aber: Falschbeschuldigung mit anschließend fünfjähriger Haftstrafe, resultierendem Verlust von Arbeitsstelle und Reputation, keine vorzeitige Entlassung wegen „fehlender Reue“ (weil die vorgetäuschte Vergewaltigung abgestritten wurde) – und, liebe Ariane, das alles nicht aus sexuellem Notstand, sondern aus Mutwillen – was glaubst du? Ob er wohl traumatisiert ist? Ob sein Leben nachhaltig beeinflusst ist?

                Schau mal bei Wikipedia nach Horst Arnold nach.

                • Ariane 11. Oktober 2017, 15:02

                  ebe Ariane, das alles nicht aus sexuellem Notstand, sondern aus Mutwillen – was glaubst du? Ob er wohl traumatisiert ist? Ob sein Leben nachhaltig beeinflusst ist?

                  Das habe ich auch in keiner Weise bestritten! Nur Vergewaltigungsopfer sind nun mal genauso häufig ihr Leben lang traumatisiert. Es ist Mumpitz ein Beispiel gegen ein anderes Beispiel auszuspielen.
                  Ich halte dieses Problem schlicht für nicht lösbar, weil das Taten sind, bei denen es in den allerseltensten Fällen handfeste Beweise gibt – die Anzeigerate liegt ja bereits bei unter 20% und die Verurteilungsrate ist noch einmal niedriger.
                  Hast du denn eine Lösung für dieses Dilemma oder sollten sexuelle Delikte künftig nur noch angezeigt werden dürfen, wenn die Tat zufällig auf Video aufgezeichnet wurde?

                  • Ralf 11. Oktober 2017, 15:34

                    Hast du denn eine Lösung für dieses Dilemma oder sollten sexuelle Delikte künftig nur noch angezeigt werden dürfen, wenn die Tat zufällig auf Video aufgezeichnet wurde?

                    In vielen Sexualdelikten laesst sich eine Schuld leider nicht nachweisen. Fuer die Gerichte gibt es theoretisch also nur zwei Moeglichkeiten zu urteilen: Im Zweifel fuer den Angeklagten oder im Zweifel fuer das Opfer. Entweder Unschuldige bestrafen und einsperren, um nicht zu riskieren, dass auch nur ein wirklicher Taeter davonkommt. Oder viele wirkliche Taeter laufen lassen, um nicht zu riskieren, dass auch nur ein Unschuldiger bestraft und eingesperrt wird. Zwischen diesen beiden suboptimalen Loesungen musst Du waehlen. Es gibt keine anderen besseren Alternativen. Und wenn ich zwischen diesen beiden problematischen Alternativen waehlen muss, dann halte ich es fuer wesentlich gerechter Angeklagte mit der Unschuldsvermutung zu schuetzen, solange bis ihre Schuld bewiesen ist, anstatt sie zunaechst pauschal fuer schuldig zu erklaeren, um anschliessend zu schauen, ob sie sich irgendwie aus dem Schlamassel befreien koennen. Eine Umkehr der Beweislast wuerde Missbrauch und Falschanschuldigungen Tuer und Tor oeffnen, den Rechtsstaat in einen Treppenwitz verkehren.

                    • Ariane 11. Oktober 2017, 16:31

                      Fuer die Gerichte gibt es theoretisch also nur zwei Moeglichkeiten zu urteilen: Im Zweifel fuer den Angeklagten oder im Zweifel fuer das Opfer
                      Tut mir leid, aber das ist falsch. In Dubio pro reo ist ja ein fester Rechtsgrundsatz, der immer gilt. Das Gericht kann eben nicht frei entscheiden. Wenn es nur zwei gleichermaßen glaubwürdige Zeugenaussagen gibt, ist es gezwungen, den mutmaßlichen Täter freizusprechen.

                      Diese ganze Diskussion leidet enorm darunter, dass alles häufig durcheinandergewürfelt wird. Die Justiz kann nur Täter verurteilen, wenn die Schuld zweifelsohne feststellt. Punkt.
                      Anders ist es auf der gesellschaftlichen Ebene (die öffentliche Ächtung, die hier mehrmals angesprochen wurde) oder im Arbeitsrecht (da kann eine Kündigung schon bei einem Verdacht ausgesprochen werden, egal ob es zb um Diebstahl oder sexuelle Delikte geht).
                      Das sind ganz unterschiedliche Ebenen, die gesondert betrachtet werden müssen. Gegen eine vorschnelle gesellschaftliche Ächtung helfen zb keine Gesetzesänderungen.

                    • Ralf 11. Oktober 2017, 17:21

                      Mein Fehler. Ich hatte das falsch ausgedrueckt. Ich meinte ganz grundsaetzlich, dass es zwei denkbare Rechtssysteme gibt: Eines bei dem der Angeklagte solange als unschuldig gilt, bis ihm die Schuld bewiesen ist. Und ein anderes, bei dem grundsaetzlich von der Schuld des Angeklagten ausgegangen wird, es sei denn der Angeklagte kann seine Unschuld beweisen.

                      Du hast Recht, dass Arbeitgeber, Universitaeten und die Gesellschaft als ganzes nicht mit Gerichten gleichzusetzen sind. Aber auch diese Institutionen haben grundsaetzlich nur die selben beiden Alternativen im Streitfall zu urteilen. Ich habe Verstaendnis dafuer, dass hier oft eine geringere Beweislast vonnoeten ist, um eine Entscheidung zu bewirken. Gegenwaertig brechen in dieser Hinsicht allerdings alle Daemme. Eine einfache Behauptung eines angeblichen Opfers ist fuer die Verurteilung und Bestrafung bereits ausreichend, selbst wenn die Tat vom Beschuldigten bestritten wird und alle sonstigen vorhandenen Indizien gegen die Anklaegerin sprechen. Siehe als Beispiel z.B. hier:

                      http://www.zeit.de/2015/21/columbia-university-sexueller-missbrauch-prozess

                    • Ariane 11. Oktober 2017, 17:36

                      Da hast du natürlich recht und das sehe ich auch kritisch. Gerade die Amis neigen imo dazu, schnell zwischen den Extremen hin- und herzuschwanken.
                      Die ganze Debatte fing ja damit an, dass auf vielen Universitäten überhaupt keine Untersuchungen oder irgendwelche Aktivitäten folgten, wenn von Sexualdelikten berichtet wurde. Das war natürlich auch kein guter Zustand und es ist meines Erachtens positiv, dass hier ein Missstand erkannt wurde.
                      Nun aber beim kleinsten Verdacht mutmaßliche Täter zu bestrafen, ist natürlich genauso bescheuert. Ich möchte die Folgen keinesfalls kleinreden, gebe aber zu bedenken, dass ein generelles Ignorieren von Sexualdelikten auch nicht besser war. Ich denke, dass sich das noch ausbalancieren wird, das ist aber natürlich für die jeweiligen Opfer nur ein schwacher Trost.

                    • Ralf 11. Oktober 2017, 18:33

                      Die ganze Debatte fing ja damit an, dass auf vielen Universitäten überhaupt keine Untersuchungen oder irgendwelche Aktivitäten folgten, wenn von Sexualdelikten berichtet wurde.

                      Wenn bei der Polizei Anzeige erstattet wurde, dann folgten auch Untersuchungen und Aktivitaeten. Allerdings durch den Staatsanwalt und nicht durch die Universitaet. Universitaeten sind aus meiner Sicht fuer die Aufklaerung von Straftaten weder ausgebildet noch zustaendig noch geeignet.

                    • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:13

                      Wie Ariane schon sagte, effektiv eine Überreaktion. Dass sie das Problem allerdings angehen ist grundsätzlich richtig.

                  • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 19:06

                    @Ariane – „Es ist Mumpitz ein Beispiel gegen ein anderes Beispiel auszuspielen.“ – Die Traumatisierung hast du eingebracht, dann kannst du es mir nicht verwehren. Gleiche Regeln für beide Seiten.

          • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 13:46

            @Stefan Sasse – „Was ist schlimmer: Mord oder eine falsche Anklage zu Mord?“ – Verwegener Vergleich.

            Du übersiehst bei Falschbeschuldigung den Grad an Mutwillen. Ich habe noch nie eine Frau vergewaltigt, und ich werde es nie, aber das sage ich dir: das Weib, das mich falsch beschuldigt, dem gnade Gott.

            Ach, und so furchtbar weit ist das gar nicht hergeholt. Mein Sohn wurde vor Jahr und Tag von der Polizei vernommen, weil eine Frau eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Vergewaltigung gestellt hatte. Wenige Tage später stellte sich heraus, dass die Anzeige ein Fake war. Mein Sohn sagte hinterher sarkastisch, einmal hätte er jetzt wohl frei.

            • Stefan Sasse 11. Oktober 2017, 20:08

              Ist das nicht irgendwie genau wie das System funktionieren soll? Anzeige wird erstattet, Polizei ermittelt in alle Richtungen?

              • Wolf-Dieter Busch 12. Oktober 2017, 15:06

                Lieber Stefan!

                Es scheint ein grundsätzliches Missverständnis zu geben: Vergewaltigung ist ein Straftatbestand. Das heißt: die Vergewaltigte zeigt zwar an, aber klagen tut nicht sie, sondern der Staatsanwalt. Die Vergewaltigte ist Zeugin, nicht Klägerin.

                Beispielsweise kann sie auch keine Klage zurück nehmen. Logisch, sie hat sie auch nicht eingereicht.

                Weiter. Nicht ich bezichtige sie der Lüge, nie und dreimal nicht. Sondern der Angeklagte könnte das im Zuge der Verteidigung. Und er verteidigt sich nicht gegen die Beschuldigerin, sondern gegen den Staatsanwalt.

                Abschließender Schuld- oder Freispruch erfolgt in aller Regel aufgrund von Einschätzung Glaubwürdigkeit. Direkte Indizien sind eher selten.

                Ist ein Dilemma. Man kann ebensogut vorne wie hinten überkippen. Bei deiner Antwort 15:48 „Die größere der beiden Sauereien bleibt die Vergewaltigung“ (also Vergewalting sei schlimmer als Falschbeschuldigung) bin ich 100% sicher, dass du in eine der beiden Richtungen übergekippt bist. Kann passieren, nehm ich dir nicht krumm, aber ist so.

                • Wolf-Dieter Busch 12. Oktober 2017, 15:08

                  Korrektur: Vergewaltigung statt Vergewalting. Sorry.

                • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:15

                  Ich versteh schon was ein Staatsanwalt ist, aber Falschbeschuldigungen gibt es immer und bei allem, und gerade deswegen gibt es ja erst mal Ermittlungen, oder?

                  • In Dubio 13. Oktober 2017, 16:21

                    Bei Mord gibt es wenig Falschbeschuldigungen, bei Sexualdelikten relativ viele.

                    • Wolf-Dieter Busch 17. Oktober 2017, 14:09

                      Ausgezeichnet.

      • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 13:34

        Nyet.

        Sollte dir mit unbewaffnetem Hirn klar sein: die Falschbeschuldigerin schadet außer dem Beschuldigungsopfer auch wahren Vergewaltigungsopfern (induziert Glaubwürdigkeitskrise).

        • Ariane 11. Oktober 2017, 15:06

          …und der Vergewaltiger schadet allen Männern, die keine Vergewaltiger sind, und sorgt auf der Seite für eine Glaubwürdigkeitskrise.
          Deswegen halte ich dieses Ausspielen für Unsinn, beides besteht parallel zueinander und muss deswegen getrennt betrachtet werden, ansonsten stehen alle Frauen unter Generalverdacht wegen falschen Beschuldigungen und alle Männer als potenzielle Sexualtäter.

          • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 19:08

            Ist mir neu.

          • Wolf-Dieter Busch 11. Oktober 2017, 19:21

            Ganz ehrlich, ich habe im Leben noch nie einen solchen Verdacht auf mich bezogen.

            Ok, es gibt immer wieder Gerüchte von der „rape culture“, mit schöner Regelmäßigkeit aufgewärmt bei jedem Vergewaltigungsvorwurf, aber immer nur aus der Ferne einer Zeitungs- oder Internetmeldung.

            Dass Vergewaltigung vorkommt, ist eine traurige Tatsache; dass es eine regelrechte Vergewaltigungskultur gäbe, in dem Sinn, dass die Männer das ok finden, ist eine Zwecklüge der Kampfemanzen. Sorry. (Nicht auf dich bezogen.)

            • Ariane 11. Oktober 2017, 19:34

              Ja und wenn jeder Versuch, auf ein strukturelles Problem hinzuweisen als Kampfansage aufgenommen wird und alle in die verbalen Schützengräben springen, verstärken solche Diskussionen die Probleme nur als dass Lösungen gefunden werden können.
              Wie drüben geschrieben, es würde schon enorm helfen, zuzuhören und zu versuchen, sich in die andere Seite hineinzuversetzen, bevor man von Kampfgerüchten oder Kampfemanzen anfängt zu sprechen! (unabhängig davon ob ich persönlich gemeint bin oder nicht)

              • Stefan Sasse 11. Oktober 2017, 20:09

                Ich verstehe diese instinkte Abwehrhaltung auch nicht. Als ob man selbst angegriffen würde.

                • Wolf-Dieter Busch 12. Oktober 2017, 10:40

                  Ich brauche nicht persönlich betroffen zu sein, um Partei zu ergreifen für den Falschbeschuldigten. Empathie reicht. Ich finde es überraschend, dass du nicht selbst drauf kommst.

                  Denn due ergreifst Partei für Vergewaltigungsopfer, ohne persönlich betroffen zu sein: ebenfalls aus Empathie (die korrekt ist, und die ich teile).

                  • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:17

                    Mir geht es nicht um Parteinahme für Falschbeschuldigte, auch die haben meine Empathie. Mir geht es um die Abwehrhaltung gegen die These, dass es strukturelle Begünstigungen für Vergewaltiger gibt („rape culture“).

                    • Wolf-Dieter Busch 13. Oktober 2017, 17:50

                      Ok. Du vertrittst die These der rape culture (Vergewaltigungskultur), richtig verstanden?

                      Ehe wir aneinander vorbei sprechen, bitte sage mir, was du unter „Kultur“ allgemein verstehst, worin sich zweitens die „Vergewaltigungskultur“ konkret äußert, und drittens Quellenlage, falls vorhanden.

                      Vielleicht haben wir einfach unterschiedliche Begriffsdefinitionen im Kopf. Ich bestreite nämlich die rape culture.

                      Gleich vorweg mein Verständnis: In dem Sinn sollte eine Subkultur existieren, innerhalb derer Vergewaltigung akzeptiert ist. Das bestreite ich.

                    • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 19:06

                      Nein, ich meine damit eine Kultur (im Sinne eines gesellschaftlichen Normen- und Verhaltenskodex‘), die sexuelle Gewalt gegen Frauen begünstigt und Prävention und Aufklärung erschwert.

                    • Wolf-Dieter Busch 14. Oktober 2017, 09:46

                      Begünstigt also. Wie konkret? An unzureichendem Strafrecht kann es nicht liegen, also was dann?

                      Vielleicht wird deine Meinung mit einem Verbesserungsvorschlag klarer?

                    • Stefan Sasse 15. Oktober 2017, 06:20

                      Es ist eine Kultur, die Vergewaltigungsvorwürfe grundsätzlich erst einmal anzweifelt. Eine Kultur, in der Täter jahre- und jahrzehntelang gedeckt werden und man nach ihrem Auffliegen mehr Trauer um das „zerstörte Lebenswerk“ dieser Leute hat als um die zerstörten Leben ihrer Opfer. Es ist eine Kultur, in der das offene Zugeben sexueller Übergriffe als „Umkleidekabinengerede“ abgetan werden kann und die Mehrheit nichts dabei findet. Eine Kultur, in der Hollywood-Filme es immer noch als Höhepunkt der Romantik empfinden, wenn männliche Männer ein weibliches „Nein“ ignorieren und sich den Frauen durch überlegene Körperkraft aufzwängen. Und so weiter.

                    • Wolf-Diete Busch 15. Oktober 2017, 07:28

                      „Es ist eine Kultur, die Vergewaltigungsvorwürfe grundsätzlich erst einmal anzweifelt“ – Unschuldsvermutung.

                      „Eine Kultur, in der Täter jahre- und jahrzehntelang gedeckt werden und man nach ihrem Auffliegen mehr Trauer um das ‚zerstörte Lebenswerk‘ dieser Leute hat als um die zerstörten Leben ihrer Opfer“ – in meinem Sichtbereich eher Häme.

                      „Es ist eine Kultur, in der das offene Zugeben sexueller Übergriffe als ‚Umkleidekabinengerede‘ abgetan werden kann und die Mehrheit nichts dabei findet“ – Ich erlebe es völlig anders, aber bin nicht repräsentativ. Quelle?

                      „Eine Kultur, in der Hollywood-Filme es immer noch als Höhepunkt der Romantik empfinden, wenn männliche Männer ein weibliches ‚Nein‘ ignorieren und sich den Frauen durch überlegene Körperkraft aufzwängen“ – Die Dame ziert sich erst, der Herr reißt sie energisch an sich, die Dame schmilzt dahin, weil endlich an den wahren Macho geraten. Lieber Stefan. Das ist offzielle Hollywood-Grammatik. Rückwärtsgewandt? Sicher. Aber auf keinen Fall gewalttätig, sondern auf innere Überzeugung angelegt. Es gibt Literatur dazu. Also Widerspruch auf ganzer Linie.

                      Hilft alles nichts, es muss konkret werden. Ich mach jetzt mal.

                      Was begünstigt sexuelle Gewalt gegen Frauen: in aller Regel eine Mischung aus ausbrechende Sexualität in Verbindung mit sozialen Defiziten. Du kannst beides, weder Sexualität noch (jedwedes) Defizit, unter „Kultur“ verbuchen. Denn Kultur ist stets mit positiver Kodifizierung verbunden. Positiv hier nicht im moralischen, sondern im sachlichen Sinn. Ein Defizit ist kein „Ding“, sondern im Gegenteil eine „Lücke“.

                      Insbesondere ist die Macho-Subkultur männlicher Pubertierender kein „begünstigendes“ Element. Das männliche Balz- und Strunzverhalten ist ein Werbevorgang mit Ziel „Überzeugung“ der Damen. Dies Element ist diametral entgegengesetzt jeder Gewaltabsicht.

                      Was erschwert Prävention? In meinem Sichtbereich sind alle denkbaren präventiven Maßnahmen getroffen (Erziehung, Ethik-Unterricht in der Schule); Strafrecht natürlich. Von dir kommt auch kein Beispiel, also: nichts, nada, niente. Dass soziale Prävention niemals 100% wasserdicht ist, ist kein Argument.

                      Was erschwert Aufklärung von Gewalt?

                      1 – Da ist zunächst Konflikt mit der Unschuldsvermutung, die du nicht in Frage stellst; ich hatte dazu Dilemma gesagt. Wegen sachlicher Nähe zu Menschenrechten nicht verhandelbar.

                      2 – Da ist weiter eine gewissen Abneigung gegen Denunziation. Sehe ich positiv, denn es ist wie jede Parteinahme immer hochriskant.

                      3 – Rücksicht auf Traumatisierung des Vergewaltigungsopfers ist eine echte Erschwerung der Aufklärung vor Gericht, denn eine Entscheidung (Schuld- oder Freispruch) muss das Gericht treffen. Bei Nichtvernahme des Opfers erfolgt Urteilungsfindung aufgrund Indizien.

                      Alle drei Aspekte kennzeichnen keine Kultur, sondern sachliche Umstände.

                      Zusammenfassung: Vergewaltigungsmisstand: sicher; Vergewaltigungskultur: nyet.

                      Wusstest du eigentlich, dass 90% der Giftmorde von Frauen ausgeführt werden? Ist so. Aber ich würde mir eher die Zunge abbeißen als von einer Giftmordkultur zu sprechen. Misstand, ja; Kultur: nein.

                    • Stefan Sasse 15. Oktober 2017, 19:18

                      Mag natürlich auch sein, dass es deutlich weniger Giftmorde als Sexualstraftaten gibt.

                      Ansonsten stimme ich dir bei diversen Aspekten nicht zu, aber das kommt in den Artikel, an dem ich gerade schreibe; ich stelle das bis dahin mal zurück.

                    • Wolf-Diete Busch 15. Oktober 2017, 20:41

                      Wenn wir das schon quantitativ vergleichen: dass ein Giftmord nachhaltiger ist als eine Vergewaltigung, darin stimmst du mit mir überein?

                  • Wolf-Dieter Busch 16. Oktober 2017, 10:10

                    Mein letzter Kommentar war geätzt, da sind mir die Pferde durchgegangen. Sorry. Korrekt hätte dort stehen müssen: jede Quantifizierung führt in die Irre; es ging selbstverständlich um Kategorie, nicht Ausmaß.

                    Ich warte auf deinen neuen Artikel.

              • Wolf-Dieter Busch 12. Oktober 2017, 16:38

                @Ariane – deine Metapher „verbale Schützengräben“ habe ich nicht verstanden.

                Mein Begriff „Kampfemanze“ bezieht sich ausdrücklich nicht auf dich, sondern auf eine Subkultur (Social Justice Warriors) mit einem selbst formulierten Anspruch auf „Befreiung der Frau“ unter Verlust von Bodenkontakt. Ich rechne dich ausdrücklich nicht dazu.

                • Ariane 12. Oktober 2017, 16:57

                  Das ist nett, aber nur bedingt tröstlich. Es geht mir darum, dass jeder Versuch strukturelle Probleme bei dieser Thematik anzusprechen misslingt, weil sofort irgendwelche Nebenschauplätze und Rechtfertigungen aufgemacht werden. Genau das meine ich mit verbalen Schützengräben.
                  Und bevor du meinst, ich wäre keine Kampfemanze, ich bin auch der Meinung, dass es in Deutschland genauso wie anderswo eine Rape Culture gibt 😉 Damit ist übrigens nicht gemeint, dass alle Vergewaltigungen total super finden, sondern dass es eben ein strukturelles Problem gibt, zb in dem den Opfern (hier meistens Frauen) die Verantwortung aufgeladen wird, Vergewaltigungen oder Sexualdelikten allgemein zu entgehen/verhindern, dazu hatte ich ja drüben ein Beispiel beschrieben.

                  Tjoa und was passiert? Stefan fängt diese Debatte an und wir landen keine 24 Stunden danach bei den fiesen Frauen, die den Männern zu Unrecht ihr Leben versauen.

                  • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:18

                    Und die dazu noch das bei weitem größere Problem sein sollen, während gleichzeitig die Täter in Schutz genommen wird, weil es keine harten Beweise gibt.

      • Erwin Gabriel 16. Oktober 2017, 12:02

        Beides Sauerei, aber überhaupt nicht vergleichbar

    • Erwin Gabriel 17. Oktober 2017, 09:18

      Eine Vergewaltigung oder aufdringliche Belästigung ist eine Sauerei, ein Verbrechen, und gehört hart bestraft – da gibt es kein Vertun. Eine Vortäuschung dieser Straftatbestände ist ebenfalls eine Sauerei, ein Verbrechen, und gehört ebenfalls hart bestraft. Beides kann Menschen und deren Umfeld zerstören (die Frage, was schlimmer ist, ist meiner Meinung nach eher akademischer Natur und hängt vom Einzelfall ab).

      Wo meiner Wahrnehmung nach instrumetalisiert wird, ist der Bereich dazwischen. Ob ein Mann glaubt, sich aufgrund eines sexy weiblichen Hintern im knappen Minirock einen (aus seiner Sicht) „flotten Spruch“ oder einfach nur ein Kompliment erlauben zu dürfen, ist sicherlich eine Frage der jeweiligen Person; der eine machts, der andere lässt es bleiben.

      Und genauso ist es eine Frage der einzelnen Person, ob frau sich darüber eher geschmeichelt oder beleidigt fühlt (was wiederum oft von der Person abhängt, die das Kompliment macht), bzw. auch, ob sie sich aufreizend anzieht oder nicht. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

      Es gibt in uns gewisse genetische und soziale Programmierungen, die uns auf bestimmte Reize reagieren lassen. Wer die bewußt anspricht (gilt für Männlein und Weiblein gleichermaßen), darf sich nicht wundern, wenn das auch bei denen funktioniert, die nicht angesprochen werden sollten.

  • Stefan Sasse 9. Oktober 2017, 18:43

    Einige Anmerkungen:

    1) Ich finde es immer noch verstörend, wie du und deine selbst ernannt pragmatischen Zeitgenossen „Moral“ als Schimpfwort verwenden, als sei es in irgendeiner Art und Weise tugendhaft, ohne Moral zu handeln.

    2) Beides kann wahr sein: dass Falschbeschuldigungen von Frauen zerstörerisch sind und kaum zu widerlegen und in tiefstem Maße verabscheungswürdig UND dass es systemische sexuelle Belästigung durch Männer und ein entsprechendes „Schweigekartell“ gibt.

    3) Mit ein Grund für die zerstörerische Wirkung des (Falsch-)Vorwurfs ist, dass er stets sofort glaubhaft wirkt. Würde es sich um eine weniger weit verbreitete Problematik handeln, die reflexhaft gerade auch von Anti-Moralisten normalisiert und als Teil männlicher Psyche dargestellt wird, gäbe es hier vielleicht auch mehr Zweifel.

    • In Dubio 9. Oktober 2017, 20:19

      1) Moral ist kein Schimpfwort, sondern ein privater Maßstab. Ich habe ein Problem, wenn private Maßstäbe zum Gegenstand von Gesetzen gemacht werden. Der Staat muss aufgrund von Gesetzen handeln, die nach demokratischen Regeln beschlossen wurden. Vergewaltigung in der Ehe stand nicht deswegen nicht in StGB, weil dieser sexuelle Missbrauch den staatlichen Segen gehabt hätte, sondern weil er in den engen, grundgesetzlich geschützten Bereich Ehe eingegriffen hätte. Angesichts der extrem niedrigen Zahl an Anzeigen stehen eigentlich die Befürworter unter Rechtfertigungsdruck.

      2) Ich habe in einigen Unternehmen gearbeitet und nicht selten in Nähe der Leitungsebene. In 25 Jahren Berufstätigkeit ist mir kein einziger Fall (klarer) sexueller Belästigung bekannt geworden. Ich halte es deswegen für kein sehr verbreitetes Phänomen. Schau Dir an, wie wir über die Fälle von Machtmissbrauch durch Frauen diskutieren: 2013 nutzte die STERN-Journalistin Franziska Reich ihr Medium, um den von ihr auch politisch kritisch gesehenen FDP-Spitzenpolitiker Rainer Brüderle zu vernichten. Die bis dato völlig unbekannte Journalistin machte einen angeblichen Vorgang, der ein Jahr zurückreichte, öffentlich, der zudem in einem vertraulichen Bereich stattgefunden hatte. Am Ende gab es weder ein Verfahren, noch ein Urteil. Brüderle war dennoch in seiner beruflichen Existenz erledigt. Ich fand das ein absolut widerliches Verhalten des STERN, der Artikel hätte nie publiziert werden dürfen, da er weder objektiv noch beweisbar war und die Gegenseite keine glaubwürdige Position aufbauen konnte. Wenn Du glaubst, wir dürften auf diese Art Debatten führen, dann haben wir einen tiefen Dissens.

      3) Frauen wirken glaubwürdiger. Das ist eine Frage der Biologie, nicht der Sozialisation. Aber: ich kann nicht verurteilen, wenn Männer ihre biologischen Vorteile nutzen und dies bei Frauen ignorieren. Männer und Frauen sind nicht gleich.

      • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 12:24

        1) Seit wann stehe ich unter Rechtfertigungsdruck, wenn ich ein Verbrechen kriminalisiere? Angesichts der geringen Menge Terrototer steht ja auch nicht die ganze Antiterrorgesetzgebung unter Rechtfertigungsdruck!

        2) Ich glaube kaum, dass der Vorfall mit Brüderle in irgendeiner Art und Weise uncharakteristisch für ihn gewesen wäre. Das Verblüffende für ihn und den Rest der Altherrenriege war ja nicht, dass die Story veröffentlicht wurde, sondern das negative Echo darauf!

        3) My point still stands.

        • In Dubio 10. Oktober 2017, 12:32

          1) Nochmal: Vergewaltigung in der Ehe war auch vor der Reform strafbar. Aber das Strafrecht unterscheidet zwischen Antrags- und Offizialdelikt. Bei ersterem ermittelt ein Staatsanwalt eben nur auf Antrag, bei letzterem völlig unabhängig.

          2) Es tut überhaupt nichts zur Sache, ob ein bestimmtes Verhalten für eine Person „charakteristisch“ ist. Journalisten haben nicht das Recht, ein Tribunal zu veranstalten. Wenn der Vorgang gravierend und berichtenswert war – was schon zu bestreiten ist – dann wäre die Veröffentlichung 2012 angemessen gewesen. Und nein, niemanden hat das negative Echo überrascht, auch Brüderle nicht. Wie kommst Du darauf? Wäre es überraschend gewesen, hätte es zu Beginn Rechtfertigungsversuche gegeben. Tatsächlich war der damalige FDP-Spitzenkandidat sofort abgetaucht.

          • Ariane 10. Oktober 2017, 12:43

            Journalisten haben nicht das Recht, ein Tribunal zu veranstalten
            Also Verzeihung, aber das ist doch eine maßlose Übertreibung. Es war kein Tribunal, sondern einfach ein kritischer Artikel. Und natürlich haben Journalisten jedes Recht, kritische Artikel über Politiker zu schreiben, das gehört ja zu ihrem Job.

            • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 15:49

              Eben.

            • In Dubio 10. Oktober 2017, 15:51

              Nach journalistischen Standards ist zu berichten, was wahrgenommen wird. Danach hätte die Journalistin 2012 einen Artikel schreiben müssen. Sie selbst rechtfertigte sich später auf entsprechende Vorbehalte, dass sie erst dadurch, dass Rainer Brüderle Spitzenkandidat der FDP geworden war, dazu veranlasst sah. Nur war der Pfälzer auch schon vorher Spitzenpolitiker, die Begründung war vorgeschoben. Genauso verlangen journalistische Standards, einen Sachverhalt durch eine zweite Meinung zu verifizieren. Das unterblieb aus naheliegenden Gründen. So übernahm Franziska Reich gleich mehrere Rollen: Betroffene, Anklägerin, Richterin (Meinungsautorin). Brüderle selbst mochte sich nicht mehr an den Vorgang erinnern zu können. Im STERN schrieb Frau Reich, (nach Mitternacht) zu einem Hintergrundgespräch mit Brüderle gegangen zu sein. Klar, in alkoholgeschwängerter Atmosphäre, zu fortgeschrittener Stunde führt man ein politisches Hintergrundgespräch.

              In jedem Fall gelten solche Gespräche als absolut vertraulich, insbesondere bezüglich dessen, was gesprochen wird. Frau Reich hatte danach wenig verwunderlich einen schweren Stand auf der politischen Bühne. Welcher Politiker mag sich schon in kritischen Situationen auch noch von einer geltungssüchtigen Journalistin vorführen lassen?

              • Erwin Gabriel 17. Oktober 2017, 11:14

                Zustimmung!

                Wenn die gute Frau zeitnah berichtet hätte, wäre eine Empörung über das vorgefallene plausibel und nachvollziehbar gewesen.

  • Stefan Sasse 9. Oktober 2017, 18:54

    Und um das auseinanderzuhalten: hier ist eine Liste all der Frauen, die bisher öffentlich Donald Trump sexuelle Belästigung oder Schlimmeres vorgeworfen haben (hochscrollen): https://twitter.com/JuddLegum/status/917461210492297216
    Alle nur auf Zerstörung aus? Oder ist der Typ vielleicht einfach nur ein Serienstraftäter, der von der Gesellschaft mit dem mächtigsten Amt der Welt belohnt wurde?

    • In Dubio 9. Oktober 2017, 19:51

      Dann dürfte es ja nicht so schwer sein, Mr. Trump ein Verbrechen nachzuweisen. Könntest Du bitte noch die Artikel verlinken, wie oft der Serienstraftäter nun vor Gericht gestellt und verurteilt wurde?

      • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 15:50

        Hör dir mal kurz dieses 2-Minuten-Tape von Weinstein an: https://twitter.com/NewYorker/status/917765408412794880 Das ist wie die Scheiße abläuft (und auch bei Trump abgelaufen ist). Und dieser Dreck ist halt leider bisher nicht strafbar gewesen – daher ja auch die Initiative „Nein heißt nein“, gegen die du dich ja ausdrücklich verwahrt hast. Du kannst nicht auf der einen Seite sagen „nananananana, gibt kein Gesetz, kannst nicht beweisen“ und dann auf der anderen Seite aber genau die Gesetze ablehnen, die den Missstand beseitigen wollen.

        • In Dubio 10. Oktober 2017, 15:56

          Sorry, Stefan: ich kann hier sagen, dass Frauen dazu da sind, ihnen zwischen die Beine zu grapschen, und das ist nicht strafbar. Eventuell fällt es unter Volksverhetzung, aber das wäre schon arg konstruiert. Nicht alles, was gegen guten Geschmack und Sitten verstößt, ist justiziabel. Das möchtest Du auch gar nicht.

          Die Sexualstrafrechtsreform hat lediglich die Rechte verschoben. Das bedeutet gleichzeitig, es ist schwerer, sich gegen den Vergewaltigungsvorwurf zu wehren. Nun muss die Justiz wieder Maßstäbe finden. Praktiker jedenfalls haben sehr eindringlich dargelegt, dass die Reform prozessual nicht hilfreich ist.

          • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 16:18

            Dass das nicht strafbar ist ist für sich schon ein Problem.

            • In Dubio 10. Oktober 2017, 16:24

              Stefan! Willst Du jetzt eine Meinungsdiktatur?! Wir müssen uns nicht gegen alles mit Gesetzen schützen.

              • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 20:28

                Seit wann ist zwischen die Beine grapschen eine Meinungsäußerung?!

          • Logos 11. Oktober 2017, 08:02

            … ich kann hier sagen, dass Frauen dazu da sind, ihnen zwischen die Beine zu grapschen, und das ist nicht strafbar.
            Als juristischer Laie sagt mir mein Verstand [1]:
            Das erfüllt die Kriterien des § 111 der StGB [2]

            Eventuell fällt es unter Volksverhetzung …
            Hinreichend Verstand [1] vorausgesetzt:
            Angesichts der schon laienhaft näherliegenden Vermutung [2] eine extrem schwache Expertise von einem „Profi“.

            [1] „Gesunder Menschenverstand kann fast jedes Bildungsniveau ersetzen, aber keine noch so hohe Bildung kann den gesunden Menschenverstand ersetzen.“
            – Arthur Schopenhauer

            [2] https://dejure.org/gesetze/StGB/111.html

            • In Dubio 11. Oktober 2017, 08:54

              Man merkt: Sie sind juristischer Laie. Die Rechtsnorm sagt:
              Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft.

              Eine Aufforderung meint ein gezieltes Tun an einer Person, einem bestimmten Umfeld, in einer Situation. Meine (mögliche) Aussage ist unbestimmt. Es fehlt die Zielrichtung und die Bestimmtheit. Ansonsten ist das Einzige, was Sie jetzt tun müssten, zur nächsten Polizeidienststelle gehen, eine Anzeige gegen mich aufgeben und anschließend wandere ich für ein paar Jahre ins Gefängnis. Glauben Sie ernsthaft, dass es so läuft?

              • Logos 11. Oktober 2017, 11:20

                1) Eine Verlinkung des Gesetzestextes ist schon meinerseits erfolgt. Was ihre erneute Verlinkung soll erschließt sich nicht, da es exakt der gleiche Link ist.

                2) Man merkt: was gesunden Menschenverstand anbetrifft sind Sie blutiger Laie.
                Der Gesetzestext gibt
                „ein gezieltes Tun an einer Person, einem bestimmten Umfeld, in einer Situation.“
                schlicht weg nicht her.
                Eine richterliche Auslegung dieser Art wäre womöglich Rechtsbeugung.
                In Wahrheit, entgegen Ihrer Falschdarstellung, steht da „Wer öffentlich,“. Die Rechtsprechung dürfte inzwischen soweit der technischen Entwicklung Rechnung getragen haben, dass ein Aufruf im Internet als „öffentlich“ zu werten ist. Ansonsten gibt der Gesetzestext als Kriterium
                „zu einer rechtswidrigen Tat auffordert“ her. Dies dürfte
                dass Frauen dazu da sind, ihnen zwischen die Beine zu grapschen,
                erfüllen.

                • In Dubio 11. Oktober 2017, 12:47

                  Warum machen Sie soviel Worte? Gehen Sie zur Polizei und holen sich Ihre Lektion ab.

  • Ariane 9. Oktober 2017, 18:57

    Ich verstehe nicht so ganz, wieso nun zum wiederholten Male die Antwort auf „Problem struktureller sexueller Belästigung“ zu „Problem Falschbeschuldigung von sexueller Gewalt“ führt. Ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass beides sowohl schlimm ist als auch ein Problem darstellt, platt gesagt. Es muss doch möglich sein, beide Problematiken gesondert zu behandeln ohne dass sofort eines zum anderen führt, genau das ist es nämlich, warum das immer gleich in eine Art Geschlechterkampf ausartet! Das eine kann problemlos neben dem anderen existieren, ohne dass beides zwingend zusammenhängt.
    Daher nochmal meine Aussage von gestern: Das ist ein bisschen schade, weil ich denke es würde schon viel helfen, einfach etwas offener zuzuhören anstatt gleich in so eine reflexhafte Abwehrhaltung zu verfallen. Die Aussage „Sexuelle Belästigung ist ein strukturelles Problem“ heißt ja nicht, dass jeder Mann ausnahmslos ein sexuelles, gefährliches Monster ist.

    • Stefan Sasse 9. Oktober 2017, 19:19

      Genau mein Punkt. Beides kann wahr sein.

      • Martin 9. Oktober 2017, 20:00

        Nur das mit dem Begriff „toxische Männlichkeit“ suggeriert wird, „dass jeder Mann ausnahmslos ein sexuelles, gefährliches Monster ist.“

        Dir geht es gar nicht darum auf sexuelle Belästigung und Gewalt hinzuweisen, um diese Probleme anzugehen. Dir geht es nur darum Männer und Jungen aufgrund ihres Geschlechts abzuwerten und missbrauchst dafür nur jene tragischen Fälle.

        Wäre Dir der Kampf gegen sexuelle Gewalt wirklich wichtig, so würdest Du nicht über männliche Opfer und weibliche Täter schweigen. Du würdest auch jene gesellschaftlichen Rollenfestschreibungen kritisieren, die von Männern verlangen, schweigend ihre „Schwäche“ zu ertragen oder die sich über die männlichen Opfer lustig macht, die doch darüber reden; bzw. die die weiblichen Täter entschuldigt. Über die Höhe der daraus folgenden Dunkelziffer willst Du natürlich auch nicht spekulieren.

        Aber Du willst nicht allen Opfern helfen und auch nicht gegen alle Täter vorgehen. Du willst einfach nur klar machen, dass das Männliche böse, sorry „toxisch“ ist.

        Diese eine Wortgruppe entwertet leider Deinen Text. Auch wenn das für Dich neu sein mag: Auch Männer können durch Worte verletzt werden. Ja ich weiß: Weichei und so.

        Willkommen im 21. Jahrhundert!

        • Martin 10. Oktober 2017, 08:38

          Das Thema wird gerade auch in einem Zeit-Online Artikel behandelt: http://www.zeit.de/arbeit/2017-10/sexuelle-belaestigung-mann-arbeit/komplettansicht

        • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 12:29

          Gut dass du ohne mich zu kennen so gut weißt was meine sinistren ideologischen Absichten bei der „Zerstörung der Männer“ oder ähnlichem Maskulistenbullshit kennst. Und genau das, was du mir vorwirfst angeblich totzuschweigen, kritisiere ich massiv exakt unter dem Schlagwort „toxische Maskulinität“. Denn dieser Bullshit von „männlich ertragen“ vs. „Schwäche zeigen“, die Vorstellung, sexuelle Belästigung oder Vergewaltigung von Männern sei quasi unmöglich, genau das ist „toxische Maskulinität“. Aber klar, sei ruhig weiter grundlos aggressiv und unterstell mir irgendwelche Positionen, die ich nie vertreten habe, das treibt den Diskurs voran.

          • Martin 11. Oktober 2017, 07:12

            Guten Morgen!

            Dich kenne ich nicht, sondern nur Deine Texte. Aus diesen lese ich jedoch widersprüchliche Aussagen. Zum einen wird deutschlich, dass Du für Gleichberechtigung, Vorurteilsfreiheit und ein verständiges Miteinander eintrittst. Hier bin ich ganz an Deiner Seite, weswegen ich ja auch hier lese und Dir auch schreibe. Wenn ich Dich für einen dogmatischen, meschenfeindlichen Ideologen halten würde, gäbe es gar keine Grundlage für einen gemeinsamen Diskurs.

            Deswegen verstehe ich auch nicht, warum Du zum anderen so erpicht darauf bist, Männer bzw. Männlichkeit als böse, aggressiv und gewaltätige darzustellen.

            Oder wie anders soll ich diese Aussagen verstehen?

            „Ganze Milieus sind bis zum Hals im Morast der toxischen Maskulinität versunken“

            „typisch männlich konnotierte, gewaltaffine Dominanzrituale“

            Ich vermute, würde jemand über „die weibliche Unfähigkeit zum mathematischen Denken“ schwadronieren oder über „weibliche Unterwürfigkeit“, würdest Du – so hoffe ich – mit mir zusammen gegen diese Vorurteile aufbegehren.

            Warum aber befeuerst Du selbst solche Vorurteile, solange sie nur gegen Männer gehen?

            Ja, ich habe Dir bewusst Positionen unterstellt, von denen ich ausging, dass Du sie entschieden zurückweisen wirst. Bitte entschuldige diese retorische Strategie. Ich wollte damit erreichen, dass Du so vielleicht Deine, aus meiner Sicht rückwärtsgewandten, Ausfälle gegen Männer reflektierst und als möglicherweise im Widerspruch zu Deinen eigentlich progressiven Einstellungen siehst.

            Ich gebe zu, dass dies eine schlechte Strategie war (hat und wird wahrscheinlich nie bei jemanden funktionieren).

            Deswegen hier nun das hoffentlich friedlichere Argumenationsangebot in Form von Fragen:

            Was verstehst Du eigentlich unter dem Begriff „toxische Männlichkeit“?
            Kannst Du Dir zumindest vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich angegriffen und verletzt fühlen, wenn eine sie betreffende Eigenschaft (Geschlecht, Hautfarbe, Religion, …) mit negativ konnotierte Adjektiven oder Eigenschaften bedacht wird?
            Glaubst Du, dass Deine Texte an Argumentationskraft verlieren würden, wenn Du auf solche Verallgemeinerungen verzichten würdest?

            Einen schönen Tag noch.

            • Stefan Sasse 11. Oktober 2017, 20:11

              Ich mach bald einen Erklärartikel dazu. Nur so viel: die von dir genannten Beispiele lehne ich genauso ab wie du. Ich glaube, du stellst dir unter dem Begriff etwas vor, das nur Radikal-Feministinnen vertreten und rutscht in Abwehr direkt ins falsche Feld rüber. Aber das sehen wir ja dann.

    • In Dubio 9. Oktober 2017, 20:01

      Ich verstehe nicht so ganz, wieso nun zum wiederholten Male die Antwort auf „Problem struktureller sexueller Belästigung“ zu „Problem Falschbeschuldigung von sexueller Gewalt“ führt.

      Weil das so eng zusammenhängt. Bei Macht reden wir ja auch sofort über Machtmissbrauch. Vergewaltigung und sexuelle Belästigung sind die einzigen Delikte, wo das Opfer gleichzeitig erheblichen Nutzen aus seiner Rolle ziehen kann und gleichzeitig in der Öffentlichkeit eine hohe Glaubwürdigkeit besitzt. Und wenn wir nicht in diesem Kontext davon sprechen, sprechen wir überhaupt nicht davon. Jede Diskussion, die allein Falschanzeigen von Frauen zum Gegenstand hätte, müsste sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Kapitalverbrechen und das Leid von vergewaltigten Frauen zu verharmlosen. Der Punkt war, Stefan hat in einem Furor von dem angeblichen Machtmissbrauch von Machtmenschen geschrieben, ohne dass überhaupt Verurteilungen gegeben waren – von der öffentlichen abgesehen. Das hat Dich aber nicht gestört.

      Ich muss gestehen, ich war sehr überrascht, wie wenige Ehevergewaltigungen angezeigt werden. Angesichts der breiten Debatte, die damals stattfand, war das wieder ein Sturm im Wasserglas. Und wenn Du von den 60, 65 Fällen noch die Falschanzeigen und die nicht beweisbaren Delikte rausnimmst, bleibt fast gar nichts übrig. Und dafür ein Gesetz? Dafür eine sehr schwierige Abwägung von Grundrechten und staatlichen Eingriff in dieselben? Ich würde das eher Hysterie nennen.

      • Ariane 9. Oktober 2017, 20:42

        Weil das so eng zusammenhängt
        Das sehe ich etwas anders. Ich denke, dass beide Problematiken parallel existieren. Es gibt sowohl Falschbeschuldigungen bzgl sexueller Gewalt als auch sexuelle Gewalt, die vielleicht aus welchen Gründen auch immer nicht angezeigt wird. Das sind ja schon zwingend unterschiedliche Fälle. Und ich glaube nicht, dass eine Problematik schwerwiegender ist als die andere.
        Alles zusammen in einen Topf zu werfen und kräftig umzurühren, führt aber nur zu verhärteten Fronten und dem vielbeschworenen Geschlechterkampf.
        Beidem liegt ja auch dasselbe Problem zugrunde: Bei sexuellen Handlungen oder Gewalt handelt es sich fast immer um etwas, das privat und in Zweisamkeit geschieht. (sowas wie der Kellnerin nebenbei den Hintern zu tätscheln, klammern wir mal aus. Das gibts imo auch nicht mehr so oft). Das macht es der Frau schwierig sexuelle Gewalt irgendwie zu beweisen und andersherum dem Mann schwierig, eine Falschbehauptung als Falschbehauptung zu beweisen. Das Problem betrifft also beide Geschlechter gleichermaßen und das lässt sich auch nicht einfach lösen. Bisherige Gesetzesänderungen, die es dazu in den letzten Jahren gab, haben auch gar keinen Einfluss auf rechtsstaatliche Werte entgegen deiner Behauptung. Es ist jetzt lediglich möglich, sexuelle Gewalt in Fällen zur Anzeige zu bringen, bei denen es früher nicht möglich war (Vergewaltigung in der Ehe und/oder Vergewaltigung ohne körperliche Gegenwehr). Nochmal: das betrifft lediglich die Aufnahme einer Anzeige, auf ein Urteil hat es überhaupt keinen Einfluss und beide Beispiele sind extremst schwer zu beweisen.

        Ich muss gestehen, ich war sehr überrascht, wie wenige Ehevergewaltigungen angezeigt werden. Und dafür ein Gesetz? Dafür eine sehr schwierige Abwägung von Grundrechten und staatlichen Eingriff in dieselben? Ich würde das eher Hysterie nennen.
        Also erstens: seit wann messen wir den Erfolg eines Gesetzes an rechtskräftigen Urteilen? Wenn es nur danach geht, könnten wir sexuelle Gewalt gleich straffrei machen, denn durch den Grundsatz in dubio pro reo gibt es in diesen Fällen relativ selten rechtskräftige Urteile. (Und ja, du führst das darauf zurück, dass Frauen diese erfinden und ich sage, es ist lediglich schwer, das zu beweisen (s.o.)^^)
        Und in welches Grundrecht wird bitte eingegriffen, wenn Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist?

        • In Dubio 9. Oktober 2017, 21:35

          So, nun sage ich zu Beginn, was ich bewusst bisher ausgespart habe. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Du mir nicht erst ein klares Statement abverlangst, etwas zu verurteilen, bevor ich über etwas diskutieren darf. Das ist nämlich auch eine Unart, die sich inzwischen in Diskurse eingeschlichen hat.

          2011 habe ich mich mit meiner Frau durch das Gedränge der Berliner Silvesterparty gequält. Irgendwann drehte sich meine Frau blitzschnell und wütend zu dem hinter ihr laufenden Pärchen um. Der Mann soll ihr an den Po gefasst haben. Klar, eine deutliche Grenzübertretung. Grund für eine öffentliche Debatte? Nein, oder? Denn wenn das der Maßstab ist, kommen wir aus dem Moralisieren nicht mehr heraus. Herumpöbeln oder gar anrempeln in der U-Bahn? Wir brauchen ein spezielles Gesetz, das Rempeleien unter Strafe stellt.

          Eine Frau hat eine höhere Glaubwürdigkeit als ein Mann. Wenn eine Frau glaubwürdig und nachvollziehbar eine Vergewaltigung nachzuerzählen weiß, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung kommen. Zumindest nach den bekannt gewordenen Fällen zu urteilen, kommt es allerdings in diesem Bereich zu einem außerordentlich hohen Anteil von Falschanklagen und Falschbezichtigungen. Auch Richter und Staatsanwälte können (vor allem die internen) Statistiken lesen. Und jede Falschanzeige schädigt all jene, die tatsächlich Opfer geworden sind, weil es die Beweisführung erschwert. Das ist wie bei den Versicherungen: gäbe es nur wenige Versicherungsbetrüger, so wäre die Regulierung der tatsächlichen Fälle für alle Beteiligten wesentlich leichter.

          Die Zahl 60 beschreibt nicht die Verurteilungen. Sie beschreibt die Anzeigen. Ganz offensichtlich ist Vergewaltigung in der Ehe nicht ein so verbreitetes Delikt, dass von der Politik bis zur Jurisprudenz die ganze Staatsmacht in Bewegung gesetzt werden muss, um einen verbreiteten Missstand zu bekämpfen. Laut Studien sollen Vergewaltigungen zum Großteil im vertrauten Umfeld begangen werden. Wenn das zutrifft, dann ist noch weniger erklärlich, warum das Delikt Vergewaltigung in der Ehe weniger als 1% aller angezeigten Vergewaltigungen ausmacht.

          Jedes Grundrecht definiert den Schutzbereich des Bürgers vor Eingriffen des Staates. Die Vertragsfreiheit garantiert, dass zwei Parteien einen Vertrag schließen können ohne dass der Staat dessen Rechtmäßigkeit überprüft. Das Eigentumsrecht garantiert, etwas besitzen und ohne Vorschriften darüber verfügen zu dürfen. Immer, wenn der Staat dennoch in diese Schutzrechte eingreift, unterliegt dies einer sehr komplexen Güterabwägung mit anderen Grundrechten. Der Schutz von Ehe von Familie garantiert dem Bürger, dass sich der Staat grundsätzlich aus den innerfamiliären Beziehungen heraushält. So kann er Eheleute nicht zwingen, gegeneinander auszusagen. Bei jedem anderen Bürger kann er genau dies erzwingen. Er kann auch nicht in vertragliche Beziehungen oder sonstige Vereinbarungen zwischen Ehepaaren oder Eltern und Kindern eingreifen. Du musst Dir das wie einen imaginären Schutzwall vorstellen, der um eine grundgesetzlich geschützte Beziehung gelegt ist.

          Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt. Das bedeutet, der Staatsanwalt muss bei Verdacht ermitteln und nicht nur auf Antrag. Es ist eine sehr schwerwiegende rechtliche Frage: darf ein Staatsanwalt Ermittlungen wegen Vergewaltigung einleiten, auch wenn Ehepartner dies nicht wollen? Tatsächlich handelte und handelt es sich hier um eine Abwägung, die nicht so leicht ist, wie es sich die Moralisten machen. Denn der Eingriff lässt sich nur mit der Würde des Menschen rechtfertigen, was wiederum erst zu definieren ist.

          Wir sollten aus der nun viele Jahre zurückliegenden Debatte lernen, es uns mit der Übertragung von moralischen Gesichtspunkten ins Strafrecht nicht zu einfach zu machen.

        • In Dubio 9. Oktober 2017, 21:40

          Je nach Zählung und Bewertung sind weit über 50% der Anzeigen wegen Vergewaltigung falsch oder nicht eindeutig nachweisbar. Angesichts so hoher Zahlen muss die Strafbarkeit eines Delikt auch unter dem Aspekt des Missbrauchs diskutiert werden. Das geht aber nicht losgelöst voneinander. Bei Mord oder Raub haben wir solche Debatten nicht, weil die Quote von Falschanzeigen praktisch nicht messbar ist. Kein Wunder: aus der Vortäuschung eines Mordes oder Raubes entsteht höchst selten ein Vorteil für den Täter. Das ist wie gesagt bei Vergewaltigungsanzeigen ganz anders. Und Rache ist dabei nur eines von mehreren Motiven.

          • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 12:37

            Hast du dafür eine Quelle?

            • In Dubio 10. Oktober 2017, 16:16

              Das behaupte ich aus dem Gedächtnis. Eine Quelle dürfte jedoch leicht zu finden sein, ist das wichtig? Meiner Erinnerung nach herrschte in der FDP-Zentrale Rat- und Lautlosigkeit. Brüderle selbst war zu keinem Kommentar bereit. Allerdings hattest Du behauptet, man wäre verblüfft über das negative Echo gewesen.

            • Ariane 10. Oktober 2017, 17:00

              Ich schätze, Stefan meint Deine Zahl, dass 50% der Anzeigen bei Vergewaltigung in der Ehe ins Leere laufen, ob man diese Zahl irgendwo finden kann.
              Ich hab selbst mal schnell gegoogelt und die Datenlage scheint generell sehr sehr dünn, was Vergewaltigung in der Ehe angeht.
              Hier gibt es ein paar Zahlen. Interessant, wenn man Dubios Sorge vor Falschbezichtigungen überlegt: Es werden nur die wenigsten Sexualdelikte angezeigt, die höchste Zahl war 17%, die niedrigste 7%.

              und hier gibt es eine wissenschaftliche Studie des Bundestages aus 2008. Hab ich jetzt nur überflogen, aber die Datenlage ist extrem dünn aus zwei Gründen: Vergewaltigung in der Ehe wird meist nur generell unter häusliche Gewalt zwischen Ehepartnern abgefragt oder es gibt Statistiken über Vergewaltigung, die sich auf (Ex)-Partner beziehen also sowohl verheiratet als auch unverheiratet. Auch da gibt es viele interessante Zahlen, aber keine einzige nur über Vergewaltigung in der Ehe.

              • In Dubio 10. Oktober 2017, 17:28

                Genau das hatte ich gemeint, als ich schrieb, je nach Zählung…

                Auf Wikipedia findet sich folgendes:
                Eine Studie aus dem Jahr 2010 wertete den Verlauf von 100 Strafanzeigen wegen Vergewaltigung aus. Die Untersuchung stützt sich jedoch nicht auf die Einstellungen der Beamten, sondern wertet den Verfahrensverlauf nach einem eigenständigen Satz von Kriterien aus. Das knappe Ergebnis lautet, dass während der Ermittlungen bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens drei Prozent Falschanschuldigungen festgestellt wurden und in etwa 80 Prozent der Fälle das Strafverfahren eingestellt wurde.[95] In Europa schwankte der Wert zwischen einem und neun Prozent mit einem Mittel von rund sechs Prozent.[96][97]

                Klaus Püschel, der Direktor des Rechtsmedizinischen Instituts Hamburg, das die größte deutsche Opferambulanz betreibt, stellte im Jahr 2009 fest, bei ärztlichen Untersuchungen hätten sich 27 Prozent der angeblich Vergewaltigten als Scheinopfer erwiesen, die sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hatten. In 33 Prozent der Fälle habe die Tat rechtsmedizinisch nachgewiesen werden können, in den restlichen 40 Prozent sei das Ergebnis der Rechtsmedizin nicht eindeutig. Die Tendenz zur Falschbeschuldigung sei laut Püschel in den letzten Jahren erheblich gestiegen, zuvor habe sie über Jahrzehnte konstant bei fünf bis zehn Prozent gelegen.[98]

                Die Intension des Artikels war jedoch nicht die Kritik an der Sexualrechtsreform, sondern die Vorverurteilung und Voreingenommenheit sowie die überhöhte moralische Bewertung, die Stefan zuvor vorgenommen hatte. Und der Bezug auf den Straftatbestand Vergewaltigung in der Ehe zielte auf den Aspekt, nicht hysterisch kriminalistische Fälle anzugehen.

    • Erwin Gabriel 18. Oktober 2017, 21:24

      @ Ariane 9. Oktober 2017, 18:57

      Die Aussage „Sexuelle Belästigung ist ein strukturelles Problem“ heißt ja nicht, dass jeder Mann ausnahmslos ein sexuelles, gefährliches Monster ist.

      Nein. Sie bedeutet „nur“, dass jeder Mann potentiell ein sexuelles, gefährliches Monster ist.

    • Erwin Gabriel 18. Oktober 2017, 21:34

      Der Begriff „strukturelle“ Gewalt ist und bleibt eine Vorverurteilung: Da es strukturell und somit als Standard gegeben ist, muss Mann seine Unschuld beweisen (und oft reicht nicht mal das).

      es grüßt
      E.G.

  • CitizenK 9. Oktober 2017, 20:04

    „Es ist auch keineswegs so wie von Stefan behauptet und von der Straße (Sic!) gerne übernommen, dass gefallene Manager mit üppigen Abfindungen ihren Ausstieg vergoldet bekommen“.

    Sachfrage: Stimmt die Zeitungsmeldung, dass der wegen des Diesel-Betrugs gefeuerte AUDI-Manager eine Abfindung in Höhe von 14 Millionen Euro bekommen hat?

    • In Dubio 9. Oktober 2017, 20:28

      Keine Ahnung, ist aber auch unerheblich. Arbeitsrechtlich und strafrechtlich sieht es so aus, dass bisher keine Straftat vorliegt und genauso ungeklärt ist, ob gegen Obliegenheiten verstoßen wurde. Ich weiß, in der Öffentlichkeit ist das entschieden, für Juristen ist das jedoch unerheblich. Ein Vorstand oder Geschäftsführer ist nicht nur Organ, sondern auch Arbeitnehmer. Sie können einen Manager, auch wenn er einen Zeitvertrag hat, jederzeit als Vorstand abberufen. Dann ist er wieder einfacher Angestellter, das Arbeitsverhältnis ist davon nicht berührt. Das heißt, er unterliegt damit dem normalen Schutz des Arbeitsrechts. Und ab der Stelle wird es arbeitsrechtlich richtig kompliziert.

      Sollte einer der entlassenen Manager später einer Straftat oder einer sonstigen schweren Verfehlung überführt werden, kann (und muss) Audi die Abfindungen zurückfordern.

  • Ariane 9. Oktober 2017, 22:17

    @Dubio
    Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Du mir nicht erst ein klares Statement abverlangst, etwas zu verurteilen, bevor ich über etwas diskutieren darf.
    Ich setze einfach mal voraus, dass Du Vergewaltigungen verurteilst, so wie Du sicher sein darfst, dass ich Falschbehauptungen von Vergewaltigungen verurteile. 😉

    er Mann soll ihr an den Po gefasst haben. Klar, eine deutliche Grenzübertretung. Grund für eine öffentliche Debatte? Nein, oder?
    Um das erstmal abzuhaken. Grapschen bei Rempeleien gibt es sicher, aber da denke ich auch, dass so etwas außerhalb des Gesetzes geklärt werden muss. Ich hatte ja das Beispiel, des beiläufigen Potätschelns einer Sekretärin oder Kellnerin. Ist strenggenommen vermutlich auch eine strafbare Handlung, lässt sich aber imo effizienter außerhalb des Gesetzes klären und solche Handlungen gehören mittlerweile ja auch fast ausschließlich der Vergangenheit an.

    Eine Frau hat eine höhere Glaubwürdigkeit als ein Mann. Wenn eine Frau glaubwürdig und nachvollziehbar eine Vergewaltigung nachzuerzählen weiß, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung kommen
    Das sehe ich etwas anders. Ich kann aber verstehen, dass du aus der männlichen Perspektive eher Sorge vor Falschbehauptungen hast. Meine weibliche Perspektive ist naturgemäß eher anders und gottlob spreche ich hier nur in der Theorie! Nehmen wir also einmal an, es findet tatsächlich eine Vergewaltigung statt. Eine gute Chance auf Verurteilung hätte ich, wenn ich direkt nach so einem traumatischem Erlebnis zum Arzt gehe, mich untersuchen lasse und jedem (Arzt, Polizei, Staatsanwaltschaft) sofort die ganze Geschichte erzähle. Meistens erzählt der Vergewaltiger eine andere Geschichte (zb von einvernehmlichen Sex) und der Richter muss dann ein Urteil fällen. Falls ich aber erstmal nach diesem traumatischem Erlebnis nach Hause laufe, dusche, meine Klamotten verbrenne und mich erst einmal verkrieche, sind sämtliche Spuren verloren und nur noch die Geschichte bleibt übrig. In beiden Fällen ist der Beweis der Straftat extrem schwierig und es kommt (aufgrund des dubio pro reo-Grundsatzes) häufig zu Freisprüchen. Daher mein Hinweis, dass nicht jedes aufgegebene Verfahren oder jeder Freispruch gleich eine Falschbezichtigung sein muss. Es ist nun mal in beiden Fällen extrem schwer zu unterscheiden. Und ja, für den Mann kann es extrem rufschädigend sein, einer Falschbezichtigung ausgesetzt zu sein. Ich war wie gesagt noch nie in so einer Situation, aber für mich als Frau wäre es bei einer tatsächlichen Vergewaltigung extrem demütigend, die Geschichte wiederholt schildern zu müssen und ich kann durchaus verstehen, wenn sich Opfer dazu entschließen, das ganze lieber zu verdrängen als eine Straftat zur Anzeige zu bringen.
    Und das Beispiel geht jetzt von einer echten Vergewaltigung aus, bei der man im günstigen Falle neben den Zeugenaussagen noch verwertbare Spuren hat. Bei einer Wartezeit von ein paar Tagen oder Vergewaltigung durch den Ehemann oder reine Nötigung statt Vergewaltigung fällt dies zumeist weg und eine Verurteilung wird unwahrscheinlicher.
    Abschließend gesagt: die Situation ist unbefriedigend und ich sehe auch keine wirkliche Lösung dafür.

    Angesichts so hoher Zahlen muss die Strafbarkeit eines Delikt auch unter dem Aspekt des Missbrauchs diskutiert werden. Das geht aber nicht losgelöst voneinander.[…] Das ist wie gesagt bei Vergewaltigungsanzeigen ganz anders. Und Rache ist dabei nur eines von mehreren Motiven.
    Das Problem ist, dass das Argument in beide Richtungen funktioniert. Vergewaltigung in der Ehe kann ja ebenfalls vorkommen. Sollen wir wirklich so ein schwerwiegendes Delikt straffrei machen, weil der Beweis schwierig zu erbringen ist und es die Gefahr der Falschbezichtigung gibt? Das erscheint mir ebenfalls falsch.

    • In Dubio 10. Oktober 2017, 10:18

      Ich habe keine Sorge vor Falschbehauptungen. Ich habe sie einige Male persönlich erlebt. Dabei finde ich es beruhigend, dass die Profis in Gerichten Sachverhalte besser einzuordnen wissen als der allgemeine Volksmund – so wie ihn auch Stefan in seinem Artikel präsentiert hat.

      Jörg Kachelmann und Andreas Türck wären auch ohne eindeutige Beweise verurteilt worden, allein aufgrund der Zeugenaussagen der Opfer. Eine Verurteilung scheiterte allein, weil die Tathergangsschilderung völlig unglaubwürdig war. Kachelmann musste dabei auf eigene Kosten durch einen Gutachter seine Unschuld beweisen, eine klare Beweislastumkehr.

      Es ist richtig, dass bei Kapitalverbrechen auch eine Überführung allein aufgrund der Opferschilderung möglich ist. Dies kann jedoch nur unter zwei Voraussetzungen gelten: Zum einen müssen die Anforderungen an das Beweismittel „Zeugenaussage“ hoch gesetzt werden. Zum anderen muss eine Falschaussage hart sanktioniert werden, da sie aus niederen Beweggründen erfolgt. Die 2016 erfolgte Reform des Sexualstrafrechts geht in die umgekehrte Richtung, was gerade Praktiker kritisiert haben. Und in dem krassen Fall Kachelmann versagte die Strafgerichtsbarkeit dem früheren Wettermoderator die Genugtuung, so dass er auf zivilrechtlichem Wege die Anzeigeerstatterin zur Rechenschaft zieht. Die Justiz hat immer noch Manschetten, Falschbezichtigungen entsprechend zu verfolgen. Der Fall Gina-Lisa bildete da eine Ausnahme und rief sofort die Politik auf den Plan. Irgendwie war die Frau halt immer Opfer.

      Vergewaltigung in der Ehe war auch vor der Reform nicht straffrei. Das ist ein Mythos. Es ging im wesentlichen um die Frage, ob ein Staatsanwalt auch ohne Anzeigeerstattung im ehelichen Umfeld ermitteln darf. Das bedeutet, ein Ehemann kann auch dann belangt werden, wenn seine Frau eine Verurteilung nicht wünscht. Dass die Reform nicht wirklich etwas bewirkt hat, zeigen die extrem niedrigen Fallzahlen. Da dürfen Befürworter durchaus auch selbstkritisch sein und nicht alles, für das sie eintreten und eingetreten sind, auch nachträglich für gut befinden, egal wie die Faktenlage sich darstellt.

      • CitizenK 10. Oktober 2017, 10:31

        „….dass die Profis in Gerichten Sachverhalte besser einzuordnen wissen…“

        Wirklich? Da gab es den Fall eines Lehrers, der von einer Kollegin bezichtigt und verurteilt wurde. Der Mann war beruflich und gesundheitlich ruiniert und hat seine Rehabilitierung nicht mehr erlebt. Die Frau wurde dann zwar verurteilt, für ihn aber zu spät. Die „Profis“ hatten eklatante Widersprüche übersehen bzw. nicht sehen wollen.

        In Erinnerung sind mir auch die schlimmen Fehlurteile im „Wildwasser“- Fall, der Menschen und Familien zerstört hat. Auch da fragte man (nicht nur ich) sich hinterher fassungslos, was für „Profis“ da am Werk waren.

        • In Dubio 10. Oktober 2017, 11:27

          Gerade der Wildwasser-Fall zeigt, dass nüchtern urteilende Richter die empathisch agierenden Ankläger wieder einnordeten. Ich gebe Ihnen allerdings Recht, dass der angerichtete Schaden immens und größenteils nicht mehr heilbar war. Aber: hier hatte eine selbsternannte Hilfsorganisation – eben Wildwasser – den Fall ins Rollen gebracht und die Staatsanwaltschaft musste handeln. Jedoch Stefan ist nur exemplarisch eben viel weiter gegangen und hat jede gebotene Zurückhaltung in der Sache fahren lassen.

          • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 15:55

            Diese drei Fälle sind allesamt absolute Problemfälle, in denen tatsächlich öffentliche Tribunale veranstaltet wurden. Ich verurteile das auch auf das Schärfste. Aber die Logik kann nicht sein, dass man deswegen lieber mal nichts macht.

            • In Dubio 10. Oktober 2017, 15:57

              Doch, manchmal (oder häufig) ist genau das vernünftig. Es gibt auch die Möglichkeit, die Welt zu verschlimmbessern.

              • Logos 19. Oktober 2017, 09:37

                1) NOPE: aus Einzelfällen eine generelle Handlungsweise abzuleiten ist nicht häufig, sondern bestensfalls manchmal vernünftig.

                2) Den Nachweis, dass dieses „manchmal“ den hier thematisierten Sachverhalt umfasst, ist Pietsch schuldig geblieben

                3) Dass es auch die Möglichkeit gibt, die Welt zu verschlimmbessern, ist banal. Dies wird uns tagtäglich durch den gegen die Gesellschaft exekutierten Neoliberalismus vorgeführt.

  • Ralf 10. Oktober 2017, 00:12

    In den meisten Punkten, die Sie machen, stimme ich Ihnen zu. An einigen Stellen schiessen Sie jedoch weit ueber das Ziel hinaus. Bevor ich auf diese einzelnen Stellen eingehe, moechte ich allerdings etwas voranstellen, was mich sowohl bei Stefan Sasses Artikel als auch bei Ihrem Text stoert. Wenn man bei ihren beiden Artikeln zwischen den Zeilen liest, gewinnt man den Eindruck sie beide beziehen Extrempositionen, die mit der Realitaet wohl eher weniger zu tun haben. In Stefan Sasses Universum scheinen wir umgeben und umzingelt zu sein von Trumps, O‘ Reillys und Cosbys. Frauen werden staendig angegriffen und belaestigt und sind grundsaetzlich immer Opfer. Unschuldsvermutungen brauchen wir nicht mehr. Wenn eine Frau erklaert belaestigt worden zu sein, dann wird das schon so gewesen sein. Da veroeffentlicht irgendwer eine Liste auf Twitter mit den Namen von Frauen, die behaupten vom amerikanischen Praesidenten begrapscht worden zu sein. Und das reicht uns als Beweis. Wenn das irgendwer schreibt, wird da schon irgendwas dran sein. Gerichte und Richter werden nicht mehr gebraucht und durch den Mob in den sozialen Netzwerken ersetzt. Karrieren und Beziehungen werden ruiniert. Dass die Beweislage zu einer juristischen Verurteilung nicht ausreicht und sich in vielen Faellen spaeter die Falschheit der Vorwuerfe herausstellt, ist zweitrangig. Besser einen zuviel als einen zuwenig zerstoeren. Ich bezweifele stark, dass eine solche Attituede gut fuer unseren Rechtsstaat ist.

    Aber Ihr Universum ist irgendwie auch nicht viel besser. Wenn man Ihren Artikel so zwischen den Zeilen liest, gewinnt man den Eindruck Frauen, die behaupten sexuell belaestigt oder vergewaltigt worden zu sein, sind generell rach- und ruhmsuechtige oder geldgierige Gina-Lisa Lohfinks, die wir getrost ignorieren duerfen. Sexuelle Gewalt wird fast grundsaetzlich zu Fake-News. Maenner sind im wesentlichen alle grossartig. Frauen hingegen darf man nicht ueber den Weg trauen.

    Die Wahrheit liegt leider irgendwo zwischen diesen Extremansichten. Ja, es gibt Maenner, die ihre Machtposition und Unangreifbarkeit nutzen, Frauen zu missbrauchen und sich sexuell abzureagieren. Und ja, es gibt Frauen, die Luegen erzaehlen und falsche Vorwuerfe gezielt nutzen, um ihre eigene Karriere zu befoerdern, sich das Sorgerecht in einem Scheidungsstreit zu sichern oder auch nur aus reiner Rachsucht. Die Gerichte muessen sich dieser Tatsachen bewusst sein. Anders als Bankueberfaelle oder Einbrueche geschehen die meisten Vergewaltigungen nicht im oeffentlichen Raum. Das heisst, es gibt fast nie Zeugen. Und den Nachweis einer Vergewaltigung zu fuehren, wird in vielen Faellen leider unmoeglich sein. Trotzdem darf ein Gericht einen Angeklagten nicht verurteilen, wenn es keinen Beweis fuer die Schuld gibt. Die Unschuldsvermutung, nach der jeder solange als unschuldig gilt bis ihm eine Tat nachgewiesen wurde, ist der wohl wichtigste Pfeiler unseres Rechtssystems. Aber daraus folgt eben, das viele gerade sexuelle Verbrechen nicht zur Verurteilung gebracht werden koennen. Und auch die Medien und sozialen Netzwerke haben dann eine Verantwortung zu respektieren, dass jemand, dem man keine Schuld nachweisen konnte, eben als unschuldig zu gelten hat. Auch wenn es eine Twitter-Liste gibt. Umgekehrt sollten wir aus der geringen Zahl an Verurteilungen nicht schliessen, dass Sexualverbrechen selten oder unbedeutend seien. Viele Frauen, die das Martyrium einer Vergewaltigung erlebt haben, kriegen ihr Leben anschliessend nie mehr wirklich in den Griff, kaempfen lebenslang mit den Erinnerungen. Das ist traurig und das Leid, das in vielen Faellen angerichtet worden ist, auch wenn es ohne juristische Anerkennung bleibt, ist real. Wir sollten das nicht aus dem Blickfeld verlieren und auch bei unserer Tonwahl beruecksichtigen.

    Jetzt zu den Einzelheiten:

    Es gibt viele Gründe, Donald Trump als ungeeignet für den Job im Oval Office zu erachten. Darunter sind auch genügend Aspekte, die seinen Charakter betreffen. Bemerkungen, Frauen zwischen die Beine fassen zu dürfen, gehören jedoch nicht dazu.

    Da darf ich widersprechen. Jemand der glaubt, es sei in Ordnung, fremden Frauen uneingeladen zwischen die Beine greifen – im Falle der Ausfuehrung eine klare Straftat – ist fuer ein hohes politisches Amt nicht geeignet. Ein Praesident steht an der Spitze des Staates. Seine wichtigste Funktion ist es die Buerger seines Landes zu schuetzen und Schaden von ihnen abzuwenden. Das ist nicht kompatibel damit, die Haelfte der Bevoelkerung zu Freiwild zu erklaeren, an dem man sich nach Belieben und gegen den Willen der Opfer sexuell abreagieren darf.

    Und wie die Einstellungen des Immobilientycoons zu bewerten sind, darüber hat der Wähler, insbesondere die Frauen, im November letzten Jahres sein/ihr Urteil gesprochen.

    Nein, darueber hat der Waehler kein Urteil gesprochen. Auf dem Wahlzettel stand nicht die Frage „Wie sind Trumps Einstellungen zu bewerten?“ sondern „Soll Hillary Clinton oder Donald Trump Praesident werden?“. Die Wahl ist letztlich wohl dadurch entschieden worden, dass viele Waehler versucht haben das kleinere Uebel zu waehlen. Keine leichte Aufgabe wenn als einzige realistische Kandidaten die zwei verhasstesten Politiker des Landes zur Verfuegung stehen. Was die Waehler von Trump und seinen Einstellungen halten, laesst sich eher an den Favorability-Ratings des Praesidenten ablesen. Und die sind vor, waehrend und nach der Wahl bis heute katastrophal. Aus dem Wahlergebnis des letzten Novembers abzulesen, die amerikanischen Buerger und insbesondere die amerikanischen Frauen faenden es in Ordnung, wenn ihnen irgendein Fremder zwischen die Beine greift, ist jedenfalls absurd. In dem Zusammenhang erinnere ich auch noch mal an den Women’s March einen Tag nach der Inauguration, einer der groessten landesweiten Proteste in der Geschichte der USA und im wesentlichen von Frauen getragen.

    Wer Trump wegen seiner Machosprüche als moralisch ungeeignet für den Job als mächtigsten Mann der Welt aburteilt, muss mit der SPD-Politikerin Manuela Schwesig weit härter ins Gericht gehen.

    Schwesigs Parteinahme war ein Fehler. Die SPD-Politikerin hat versucht hier politische Punkte zu sammeln. Das haette sie nicht tun sollen. Anschliessend hat sie sich nicht entschuldigt, was so ziemlich auf Linie ist mit dem, was in solchen Situationen immer geschieht. Welcher Politiker entschuldigt sich schon? Ein Schuldeingestaendnis kostet politische Punkte und schadet der Karriere, weil die Medien Ehrlichkeit und Reue eben nicht honorieren, sondern dann erst recht einen Megaskandal aus der Sache basteln. Also sitzen Politiker ihre Fehler aus. Schwesig genauso wie alle anderen. Weshalb Manuela Schwesig dann besonders ungeeignet fuer hoehere Aemter sein sollte, verglichen mit dem Rest der politischen Klasse, die sich alle ganz genauso verhalten, erschliesst sich mir nicht. Ich hab das Gefuehl hier geht wieder mal Ihre Freude am Linken-Bashing mit Ihnen durch.

    Wer kann wirklich eine Vergewaltigung, die im Jahr 1920 im Rahmen einer Ehe stattfand, moralisch verurteilen?

    Ich kann das ohne Schwierigkeiten und wundere mich, dass Sie das nicht auch koennen. Einen Menschen gewaltsam zu missbrauchen, war auch nach den moralischen Massstaeben von 1920 nicht in Ordnung. Ich bin sicher, dass auch damals jeder, der sich so verhielt wusste, dass er ein Schwein war.

    Seit dieses Sexualdelikt ins Strafgesetzbuch gehoben wurde, ist genau das eingetreten, was die Kritiker immer befürchteten: viele Frauen in Scheidungsverfahren beschuldigten ihren Ex-Partner des sexuellen Übergriffs allein, um sich Vorteile wie das alleinige Sorgerecht für das gemeinsame Kind und auch Unterhaltsansprüche zu sichern. Tatsächlich werden insgesamt nur sehr wenige Fälle angezeigt, gut 60 sind es pro Jahr, wo das Familienministerium von einer Dunkelziffer von 350.000 Fällen ausgeht. Ein Riesenpopanz für ein Gesetz, das kaum Wirkung entfaltet, zumal die gesellschaftliche Ächtung der ehelichen Vergewaltigung eindeutig ist. Dafür müssen sich heute Gerichte mit der Frage beschäftigen, wie glaubwürdig ein vermeintliches Opfer ist, wenn es erst vor dem Scheidungsrichter mit dem behaupteten Martyrium rausrückt. Am Ende handelt es sich weniger um ein Opferschutzgesetz als um eine Regelung, die Frauen mehr Rechte zubilligt.

    Hier kann ich nur den Kopf schuetteln. Der Staat hat die Pflicht seine Buerger zu schuetzen. Eine Vergewaltigung in der Ehe fuer nicht strafbar zu erklaeren, wuerde bedeuten, dass ganz offiziell ein Refugium geschaffen wird, in dem es in Ordnung ist einen Mitmenschen und Mitbuerger gewaltsam zu missbrauchen und brutal zu misshandeln. Das kann und soll und darf unser Staat nicht dulden und eine entsprechende Strafverfolgung greift auch nicht in den „Schutz der Ehe“ ein. Ja, Ehepartner haben das Recht die Aussage zu verweigern und das ist in Ordnung so. Der Staatsanwalt muss trotzdem das Recht haben eine schwere Straftat zu verfolgen, wenn er einen entsprechenden Beweis fuehren kann. Der „Schutz der Ehe“ dient nicht dem Zweck Verbrechen zu verschleiern und Frauen ist nicht zuzumuten, dass sie ihre Rechte als Buerger verlieren, nur weil sie geheiratet haben. Und ja, es ist ein Recht eine Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen, wenn man Opfer geworden ist. So wie es Ihr Recht ist eine Gewalttat zur Anzeige zu bringen, wenn Sie Opfer einer solchen geworden sind.

    Nun ist Ihr Argument, dass die Strafbarkeit einer Vergewaltigung in der Ehe moeglicherweise zu Falschbehauptungen im Rahmen von Scheidungsverfahren gefuehrt hat, sicher nicht falsch. Und es ist auch ein wichtiges Argument. Aber unsere Antwort kann nicht im Ernst darin liegen schwerste Gewaltverbrechen zu legalisieren, nur weil deren Strafbarkeit moeglicherweise negative Nebenwirkungen hat. Stattdessen muessen wir auf die Unschuldsvermutung pochen. Wer behauptet Opfer einer Straftat geworden zu sein, der wird einen Beweis fuehren muessen. Und wenn dieser Beweis nicht gefuehrt werden kann, dann darf der Schuldvorwurf im Scheidungsverfahren eben keine Rolle spielen.

    Und die Tatsache, dass nur wenige Vergewaltigungen in der Ehe zur Anzeige gebracht wurden, kann nun wirklich nicht als sinnvolles Argument dienen, solche Vergewaltigungen zu legalisieren. Auch Bankraub kommt nur relativ selten vor (laut Statista gerade mal 128 Faelle im Jahr 2016). Sollen wir jetzt deshalb Bankueberfaelle legalisieren?

    • CitizenK 10. Oktober 2017, 06:28

      @ Ralf
      Ein kluger, reflektierter Kommentar, dem ich voll zustimmen kann.

    • Blechmann 10. Oktober 2017, 07:16

      Vergewaltigung in der Ehe war meines Wissens in der BRD nie legal. Das fiel unter sexuelle Nötigung.

    • Jyrgal Gobán 10. Oktober 2017, 10:43

      Zu Ihrem Abschnitt „Einzelheiten“:

      Es ist traurig, dass jemand so viel Zeit auf die hanebüchenen, als „nüchterne Aufklärung“ sich spreizenden Ausfälle von Herrn Pietsch verschwenden muss, nur um Positionen zu widerlegen, die in keinem Proseminar Bestand hätten. Aber trotzdem danke, dass Sie es getan haben.
      Es gilt:
      The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.

      • Logos 11. Oktober 2017, 07:34

        Es ist traurig, dass jemand so viel Zeit auf die hanebüchenen, als „nüchterne Aufklärung“ sich spreizenden Ausfälle von Herrn Pietsch verschwenden muss, nur um Positionen zu widerlegen, die in keinem Proseminar Bestand hätten.
        Volle Zustimmung!
        Und sehr treffend formuliert.
        Noch trauriger ist, dass derart krude und abwegigie Positionen sich nicht auf dieses Thema beschränken, sondern im Bereich Wirtschaft standardmäßig vertreten werden.

    • In Dubio 10. Oktober 2017, 11:21

      Der Artikel war als Replik zu Stefan Sasses Furor geschrieben. Ursprünglich als Kommentar gedacht, nahm es dann die Dimension öffentliche Moral an.

      Stefan schreckte selbst nicht davor zurück, den damaligen IWF Chef Dominick Strauss-Kahn zum Täter zu machen, obwohl der Franzose trotz Tatvorwurfs der Vergewaltigung eines Zimmermädchens in einem Luxushotel wahrscheinlich Opfer einer Intrige geworden war und die behauptete Vergewaltigung nach Lage der Dinge nicht stattgefunden hat.

      Frauen besitzen wesentlich mehr Glaubwürdigkeit als Männer. Wir glauben Frauen und wir wollen Frauen glauben. Umso härter ist ein Vertrauensmissbrauch zu bestrafen. Genau daran mangelt es. Wer aus niederen Beweggründen die wirtschaftliche und soziale Existenz eines Menschen vernichtet, ist nicht geringer zu bestrafen als jemand, der das sexuelle Selbstbestimmungsrecht eines Menschen verletzt.

      Persönlichkeitswahlen sind Charakterwahlen. Nirgends wird dies so deutlich wie bei den US–Präsidentschaftswahlen. Die Auseinandersetzung Trump versus Clinton drehte sich deshalb auch vor allem um den Charakter der Protagonisten. Und hier stand das fragwürdige Verhältnis von Donald Trump zum weiblichen Geschlecht im Fokus mit dem Ziel, den Republikanern bei einer wahlentscheidenden Wählergruppe (nämlich den Frauen) zu diskreditieren. Wer darauf seinen Wahlkampf aufbaut, muss dies hinterher auch gegen sich gelten lassen. In der persönlichen Bewertung bin ich durch aus bei Ihnen, aber darauf kommt es hier nicht an.

      Schwesig hat nicht nur einen Fehler begangen. Sie hat eine Grenze klar überschritten, die Politiker, insbesondere Amtsträger, gemeinhin respektieren. Sie hat dies auch noch zum politischen Kampf missbraucht. Denn am Ende ging es ihr um die Durchsetzung einer Strafrechtsreform um daraus politisches Kapital zu ziehen. Die demokratische Verfassung baut auf der Gewaltenteilung auf. Wer diese verletzt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er tatsächlich für öffentliche Ämter geeignet ist. Es gibt viele Gründe, warum ich die blonde SPD-Hoffnung für ungeeignet halte. Dies ist einer davon.

      Vergewaltigung in der Ehe war nie straflos. Es ging nicht um eine politische, sondern um eine juristische Neubewertung. Eine tiefere Auseinandersetzung dazu hatte ich an Ariane verlinkt. Auch vor der Reform hatte die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit Sexualstraftaten in der Ehe zu verfolgen, aber eben nur auf Antrag eines Betroffenen.

      Und es ist nun mal so, dass wenn die Möglichkeit einer Gewalttat im Raum steht, die Gerichte zum Schutz von Minderjährigen entscheiden müssen. Und das ist im Zweifel immer erst zu Gunsten des Anzeigenerstatters, nicht zu Gunsten des Beschuldigten. Das solche Verfahren eine ganze Zeit dauern, ist häufig schon ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstanden, wenn die Verhältnisse geklärt sind. Hier wird meist das Opfer zum Täter gemacht und die eigentliche Täterin erreicht mithilfe der Justiz ihr Ziel.

      Junge Menschen betrachten sich nicht selten als die Krönung der menschlichen Moral. Wer jedoch den steten Wandel von Moral erlebt, ist am Ende vorsichtiger mit endgültigen Bewertungen.

      • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:22

        Mir ging es bei der Nennung von Strauß-Kahn im Übrigen nicht um den Vergewaltigungvorwurf, sondern seine Praxis, zusammen mit Kollegen gleichen Alters und Mileus, illegale Prostitution zu unterstützen: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/dominique-strauss-kahn-im-prozess-erlitt-jade-hoellenqualen-a-1022811.html

        Und das ist genau das, was Ariane und ich so ankreiden und als rape culture betiteln: Warum werden diese Leute von euch so vehement verteidigt, aber für die Opfer macht keiner den Mund auf?

        • In Dubio 13. Oktober 2017, 18:56

          Dir ist noch nicht aufgefallen, dass ich Verbrecher nicht verteidige und Straftaten nicht rechtfertige. Egal, ob es sich dabei um Steuerhinterziehung oder Vergewaltigung handelt. Wir haben einen Rechtsstaat – was übrigens eine mindestens eben so wichtige und elementare Erfindung ist wie die Demokratie – damit Leute wie Du und ich nicht richten. Ich hatte auch schon vorgehabt, einen Artikel über die vielen provozierenden Anklagen gegen Prominente aus der Wirtschaft (Ackermann, Fitschen, Wiedeking, Wulff) zu machen. Hättest Du mir daraus auch einen Vorwurf gedreht?

          Gerade heute ist ein Bericht über einen besonders brutalen Fall von Vergewaltigung auf SPIEGEL Online. Übrigens sind das aus juristischer Sicht weit schwerwiegendere Fälle. Soll ich so etwas auch thematisieren? Vergewaltigungen durch Flüchtlinge und Migranten aus afrikanischen Staaten, die besonders brutal vorgehen? Wenn es Dir um den Schutz von Frauen geht, musst Du hier anfangen und nicht beim angeblichen Sexismus in Unternehmen.

          • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 19:10

            „Angeblich“. Und ich kann grundsätzlich anfangen wo ich will. Ich verstehe auch das Argument nicht, ich würde hier richten. Ich bin kein Richter, aber ich kann eine Meinung haben.

            • In Dubio 13. Oktober 2017, 19:27

              Dein Artikel war ein klares Richten. Deswegen allein hat mich zu der Replik emotionalisiert.

    • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 12:43

      Ich weiß nicht wie du diese Extremposition in meinen Artikel hineinliest, die vertrete ich sicher nicht. Es erlaubt dir natürlich die gerne eingenommene Positionder „rationalen“ Mitte, aber es ist ein Zerrbild meiner Argumentation. Rein inhaltlich stimme ich dir daher auch überwiegend zu.

      • In Dubio 10. Oktober 2017, 15:59

        Ich habe ebenfalls genau so Deinen Artikel gelesen, weshalb ich die Replik geschrieben habe. Ich empfand es als sehr krass, Debatten an Vorwürfen so hochzuziehen, als handele es sich um bewiesene Tatsachen.

        • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 16:19

          Ich bin unsicher ob ihr da euren eigenen Bias reinlest oder ob ich blöd formuliert habe. Aber: wenn du eine riesige Reihe von Leuten hast, die einer Person konsistent dieselbe Sache vorwerfen und die Person auf Tape sich auch noch damit brüstet – mehrfach, über drei Jahrzehnte – dann sind das nicht mehr nur einfach „Vorwürfe“.

          • In Dubio 10. Oktober 2017, 16:23

            Es gibt einen Unterschied zwischen Maulhelden und Vergewaltigern. Schon der Volksmund wusste: Hunde, die bellen, beißen nicht. Kurz: wir kennen nicht die Wahrheit und Du auch nicht, da Du Dein Wissen allein aus öffentlich zugänglichen Quellen beziehst. Denn warum Trump trotz angeblich eindeutiger Beweislage und einer Menge Zeugen in einem extrem klagefreudigen Land nie angeklagt noch verurteilt wurde, diese Riesenlücke bleibt in Deiner Argumentation.

            • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:23

              Es wurde diverse Mal Anzeige erstattet. Und wie du weißt, kauft man sich in den USA ziemlich leicht mit einem Vergleich aus solchen schwierigen Verfahren raus, wenn man eh die besseren Anwälte und mehr Geld hat.

              • In Dubio 13. Oktober 2017, 18:46

                Nein, weiß ich nicht. Die USA haben eine ausgeprägte Klagekultur, Prozesse sind für den Gewinner oft sehr lukrativ. Ansonsten zeichnest Du das Bild der USA als Bananenrepublik, lobst andererseits, wie der Rechtsstaat dem Präsidenten in den Arm fällt.

                • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 19:08

                  Um einen Rechtsstreit gegen einen Milliardär gewinnen zu können, brauchst du dieseits wie jenseits des Atlantiks ordentliche juristische Feuerkraft. Die musst du erst mal haben. Dazu kommt, dass selbst wenn eine annähernde Waffengleichheit gegeben ist der Prozess über alle Maßen eklig wird – dein Gegner wird alle Register ziehen, inklusive Privatdetektive etc., es wird über Jahre gehen und durch alle Instanzen. Ein Vergleich löst das alles. Entsprechend häufig ist das. Effektiv eine get-out-of-jail-card. Und das verträgt sich hervorragend mit einem staatliche finanzierten Justizsystem, das die Demokratie verteidigt.

                  • In Dubio 13. Oktober 2017, 19:24

                    Nein, Stefan, da bist Du arg weit weg von der juristischen Wirklichkeit. Du brauchst hier keine „Feuerkraft“, Anzeige genügt. Ein Vergewaltigungsopfer kann auch nicht einfach „zurückziehen“, das geht nicht, weil es sich um ein Offizialdelikt handelt. Es ist ein ziemlicher Irrglaube, dass Du in Deutschland mit entsprechenden Anwälten einer gebotenen Verurteilung entkommen kannst. Ein Anwalt hilft Dir, das Strafmaß gering zu halten, das ist es aber schon bei gegebener Beweislage.

                    Also, woher Du Deine Position hast, kann ich nicht verstehen.

                  • Ariane 13. Oktober 2017, 19:32

                    Um da nochmal kurz die weibliche Perspektive hereinzubringen: Geld ist da imo überhaupt nicht das Hauptproblem (mittlerweile gibt es in solchen Fällen ja auch häufig Unterstützung zb durch Vereine). Ich wüsste schon nicht, ob ich bei einer „normalen“ Vergewaltigung eines Unbekannten in Deutschland einen Gerichtsprozess auf mich nehmen würde. Aber ich hätte garantiert nicht die Kraft nach einer traumatischen Erfahrung einen jahrelangen Prozess durchzustehen gegen einen reichen Prominenten, bei dem meine sexuellen Gewohnheiten, meine Kleidungsgewohnheiten, meine Trinkgewohnheiten und was weiß ich noch alles auseinandergepflückt werden, um mir die Verantwortung für die Tat aufzubürden. Wer das mit ungewissen (wir hatten ja schon das Thema, dass solche Taten extrem schwierig zu beweisen sind und es demzufolge oft zu Freisprüchen aufgrund des Mangels von Beweisen kommt) Erfolgsaussichten durchsteht, muss eigentlich übermenschliche Kräfte haben. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Dunkelziffer so krass hoch ist und das wird sich nicht ändern, solange Fragen nach der Mitverantwortung der Opfer üblich sind.

                    • In Dubio 14. Oktober 2017, 09:24

                      Du hast nicht die weibliche Perspektive eingebracht, sondern durch Hollywoodfilme geprägte Ängste. Viele meinen ja auch, wir hätten in Deutschland Geschworene im Gerichtssaal. Ein Zeuge muss sich nicht begutachten lassen, genauso wenig wie die Prozessteilnahme erforderlich ist. Allerdings treten Opfer häufig nicht nur als Zeugen, sondern auch als Nebenkläger auf, weil sie dadurch mehr Verfahrensrechte haben und später Schadensersatzansprüche leichter geltend machen können. Doch das ist eine absolut freiwillige Geschichte.

                      Das ist ganz anders als bei einem Angeklagten der an jedem Prozesstag photographiert und Zuschauern präsentiert wird. Jeder Prozess ist eine enorme psychische Belastung – für Angeklagte, Zeugen und Opfer. Ich sehe nicht, was Du ändern möchtest. Du beklagst die angeblich hohe Dunkelziffer, doch die gibt es auch bei Kindesmissbrauch, ohne dass wir hier in den letzten Jahren sonderlich darüber debattiert hätten. Weder Dir noch Stefan scheint dies so am Herzen zu liegen wie der echte oder behauptete sexuelle Missbrauch von erwachsenen Frauen. Okay, das war ohne Frage provokativ. Dennoch, auch bei Mord soll es eine hohe Dunkelziffer geben, ohne dass dies je ein größeres Thema in der Öffentlichkeit gewesen ist.

                    • Stefan Sasse 15. Oktober 2017, 06:17

                      „Durch Hollywoodfilme geprägte Ängste“
                      Du könntest die Argumente durchaus etwas ernster nehmen und nicht ganz so chauvinistisch als gegenstandslos abtun, denn ein Trauma wie eine versuchte oder durchgeführte Vergewaltigung wieder und wieder, teilweise öffentlich, zu durchleben und öffentlich durchleuchtet zu bekommen ist nicht eine stereotypisierte Angst, sondern eine sehr reale.

                      Und ich wüsste nicht, dass die Dunkelziffer bei Morden gigantisch hoch wäre.

                    • In Dubio 15. Oktober 2017, 14:30

                      Ich nehme die Argumente ernst, ich verstehe nur nicht die Scheuklappen. Es gibt sehr viele, die Empathie verdienen: Kinder, unschuldig Angeklagte, sogar Straftäter, Opfer von Shitstorms. Und für jeden ist ein Prozess eine außerordentliche Belastung, selbst für Täter. Ich mache einen einzigen Unterschied und kann den rechtfertigen, weil es um die Schwächsten der Gesellschaft geht. Welche Begründung habt Ihr, insbesondere Frauen Eure Empathie zu schenken?

                      Was Ariane wiedergegeben hat, ist Hollywood. In Deutschland leitet der vorsitzende Richter die Verhandlung. Ohne sein ausdrückliches Okay darfst Du nicht mal den Mund aufmachen.

                      Forensiker gehen davon aus, das viele Morde nicht als solche erkannt werden. Einen Eindruck geben die Fälle, wo nach Jahren festgestellt wird, dass in Altenheimen und Krankenhäusern ein Serientäter am Werk war. Jedes Verbrechen ist schlimm. Eine Tat, die meist nur ein paar Minuten dauert, kann nicht den Anspruch haben, die schlimmste aller Verbrechen zu sein. Und wenn Du das doch so siehst, so musst Du Gefängnisse verbieten. Sie sind der Hort, wo unter staatlichem Schutz regelmäßig Vergewaltigungen geschehen. Hast Du hier Empathie?

                    • Stefan Sasse 15. Oktober 2017, 19:19

                      Ja.

          • Ralf 10. Oktober 2017, 22:34

            @ Stefan Sasse

            Aber: wenn du eine riesige Reihe von Leuten hast, die einer Person konsistent dieselbe Sache vorwerfen und die Person auf Tape sich auch noch damit brüstet – mehrfach, über drei Jahrzehnte – dann sind das nicht mehr nur einfach „Vorwürfe“

            Jedem steht in der Sache seine eigene Meinung zu. Und Deine persoenliche Meinung ist in diesem speziellen Punkt, diese spezielle Person betreffend nicht so viel anders als meine persoenliche Meinung. Aber eine Meinung ist eben genau das: Eine Meinung, nicht ein Beweis. Und bevor man jemandem oeffentlich vorwirft ein Verbrecher und Serienstraftaeter zu sein, sollte man mehr in der Hand haben als nur eine Meinung. Gerade bei so vielen Einzelfaellen ist es doch moeglicherweise verdaechtig, dass da nichts solideres existiert als „Vorwuerfe“. Was ist z.B. mit Zeugen? Mittlerweile sind wir auch enorm von Kameras umgeben (in Hotellobbys z.B. oder bei Empfaengen). Ist da nie etwas aufgezeichnet worden? Wie gesagt bei einem Einzelfall wuerde sich diese Frage wahrscheinlich nicht stellen, aber bei einem Serientriebtaeter faende ich es erstaunlicher, wenn da aus drei Jahrzehnten ueberhaupt gar keine Beweise existieren.

            Ein zweiter Punkt ist, dass Du die Grundannahme zu machen scheinst, dass Frauen fuer gewoehnlich kein Motiv haben Prominente falsch zu beschuldigen. Wenn sich dann also 10 Faelle finden, die alle aehnliches behaupten, dann ist das – so verstehe ich Deine Argumentation – praktisch ein Beweis. Leider stimmt diese Grundannahme nicht. Einen Prominenten des sexuellen Uebergriffs zu beschuldigen ist gerade in den USA eine Win-Win-Situation fuer die Anklagende, vorausgesetzt dieser Uebergriff hat nicht stattgefunden. Zunaechst einmal gibt es die Moeglichkeit, dass der Beschuldigte versuchen wird sich von den Vorwuerfen freizukaufen. In Amerika mit seinen absurd hohen Schmerzensgeldforderungen koennte man evetuell locker ein paar Millionen Dollar herausholen, wenn man die Vorwuerfe geschickt zum richtigen Zeitpunkt lanciert, wenn der Beschuldigte solche Vorwuerfe gerade ueberhaupt nicht gebrauchen kann, weil er z.B. gerade fuer ein politisches Amt kandidiert oder weil er gerade eine neue Hauptrolle bekommen hat etc.. Wehrt sich der Beschuldigte und wird nicht einfach zum Goldesel, dann geht man eben an die Oeffentlichkeit. Die Medien gieren nach Skandalen und wer einen Superstar der sexuellen Belaestigung oder gar der Vergewaltigung bezichtigt, wird garantiert erstmal in jede Talkshow eingeladen. Und die Presse und Bevoelkerung wird auch immer mit dem angeblichen Opfer sympathisieren. Ganz sicher nicht mit dem potentiellen Straftaeter. In der Folge gewinnen die Anklaeger also Popularitaet und Aufmerksamkeit, wodurch wiederum ihr Marktwert steigt. Finanziell lohnt es sich also allemal. Schalt mal Deinen Fernseher an und Du wirst das Dschungelcamp finden, wo abgehalfterte B-Stars Kakerlaken essen und in Wuermern baden, um sich eine kleine Chance zu bewahren doch wieder in die erste Liga aufzusteigen. Einen Prominenten des sexuellen Missbrauchs zu beschuldigen ist soviel einfacher und persoenlich angenehmer und sehr wahrscheinlich auch effektiver.

            Das alles soll wie gesagt nicht heissen, dass die gegen O’Reilly, Weinstein oder Trump vorgebrachten Vorwuerfe nicht stimmen. Kann durchaus sein, dass sie stimmen. Ist in einem Teil der Faelle sogar wahrscheinlich, dass sie stimmen. Aber man sollte bei solchen Vorwuerfen, solange sie nicht bewiesen sind, trotzdem nicht aus dem Blick verlieren, dass es fuer manche sehr sehr solide Motive gibt solche Geschichten frei zu erfinden. Und das sollte in eine glaubwuerdige Analyse eben auch einfliessen.

            Und man sollte auch nicht den Trittbrettfahrereffekt vergessen. Hat erstmal irgendjemand oeffentlich Anklage erhoben, dann ist der Beschuldigte in der oeffentlichen Meinung in der Regel erledigt. Wer glaubt schon einem potentiellen Verbrecher? In der Situation ist es extrem einfach auf den Zug aufzuspringen und aehnliche Vorwuerfe auf’s Tapet zu bringen. Durch den Multiplikatoreffekt gewinnen die Vorwuerfe an Plausibilitaet. Und jeder der sich der Kette noch anschliesst, traegt weiter zu deren Festigung bei. Gleichzeitig sinkt das Risiko der angeblichen Opfer dramatisch, denn wenn schon genug Anklagen im Raum stehen, schaut niemand mehr so genau auf die Einzelfaelle. Wird schon was dran sein, ist dann die Parole.

            Ein weiterer Punkt ist dass „Vorwurf“ nicht gleich „Vorwurf“ ist. Manchmal gibt es zehn „Vorwuerfe“ die im Raum stehen. Und einige davon wiegen schwer, waehrend andere moeglicherweise nur retrospektiv im neuem Kontext eine Rolle spielen. Gestern las ich zum Beispiel im Guardian einen Artikel ueber eine Schauspielerin, die Harvey Weinstein vorwarf sie sexuell belaestigt zu haben. Ihrer Beschreibung nach wurde sie im Rahmen einer Rollenbesetzung zu einem Gespraech mit Weinstein gebeten. Waehrend dieses Gespraeches, das in einem Hotelzimmer stattfand, war Weinstein mit einem Bademantel bekleidet. Sonst ist nichts passiert. Wuerde wirklich irgendjemand einen solchen Fall als sexuelle Belaestigung interpretieren, wenn es nicht bereits mehrere Anschuldigungen gegen den Hollywood-Produzenten gaebe und eine neuerliche sexuelle Belaestigung einfach hervorragend ins bestehende Narrativ passt? Wenn die naechste Twitter-Liste auftaucht, mit Weinstein-Opfern, dann wird dieser Fall darunter sein. Und ich frage mich, wieviele Faelle diesem Fall vergleichbar sein werden. Als ich obige Geschichte las, musste ich uebrigens an letzte Woche denken. Da kam ein Handwerker, der bei mir in der Wohnung die Lueftung reparieren sollte und ich hatte am Vorabend lange gearbeitet. Der Handwerker kam morgens und ich wollte anschliessend weiterschlafen. Also empfing ich den Herrn … im Bademantel.

            Und das ist meine Kritik an Deinem Narrativ. Zweifellos gibt es Faelle von Machtmissbrauch, von sexueller Belaestigung, von Frauenfeindlichkeit. Nicht nur in Hollywood. Auch in unseren Universitaeten, in unseren Betrieben, unter Nachbarn. Und es ist richtig darauf aufmerksam zu machen. Aber man muss eben auch die andere Seite sehen und das vermisse ich bei Dir voellig. Seit dem Aufstieg der Social Media koennen und werden Menschenleben oft innerhalb von Minuten durch Geruechte, Verzerrungen, Luegen und manchmal auch nur durch grotesk absurde Ueberbewertungen von Aussagen oder Handlungen vernichtet. Ein unpassender Witz? Weg ist der Job. Und das ist nicht in Ordnung. Und je schwerer die Anschuldigungen wiegen, desto vorsichtiger muessen wir damit umgehen. Vorverurteilungen haben in unserer neuen Zeit Ueberhand genommen und sind voellig ausser Kontrolle geraten. Und man muss immer wieder daran erinnern: Auch schlechte Menschen haben Rechte und vor allem ein Anrecht auf die Unschuldsvermutung. Leider wird das vom Internetmob wieder und wieder und wieder vergessen.

            • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:25

              Okay, aber das ist ja auch eine grundsätzliche Artikelgestaltungsfrage. Ich will hier auf einen Missstand aufmerksam machen. Dass es auf der anderen Seite ebenfalls einen Missstand gibt, habe ich ja nicht in Frage gestellt oder geblockt. Aber es macht wenig Sinn, das in denselben Artikel zu packen.

          • Ralf 11. Oktober 2017, 01:13

            Und weil wir viel zu viel ueber Prominente und Superstars reden, hier mal ein Fall aus der Welt der Normalbuerger und was es fuer Menschen wie Dich und mich heisst, wenn die Unschuldsvermutung ausser Kraft gesetzt wird:

            http://www.zeit.de/2015/21/columbia-university-sexueller-missbrauch-prozess

            • Stefan Sasse 13. Oktober 2017, 16:26

              Erneut: ich halte das für ein Riesenproblem, genau wie ihr. Ich finde nur, dass dem Problem, das ich angesprochen habe, nicht genug Aufmerksamkeit gezollt wird, und dieser Artikel und Kommentarthread bestätigen mich darin.

              • Ralf 14. Oktober 2017, 00:45

                Wie Ariane schon sagte, effektiv eine Überreaktion. Dass sie das Problem allerdings angehen ist grundsätzlich richtig.

                […]

                Erneut: ich halte das für ein Riesenproblem, genau wie ihr. Ich finde nur, dass dem Problem, das ich angesprochen habe, nicht genug Aufmerksamkeit gezollt wird, und dieser Artikel und Kommentarthread bestätigen mich darin.

                […]

                Diese drei Fälle sind allesamt absolute Problemfälle, in denen tatsächlich öffentliche Tribunale veranstaltet wurden. Ich verurteile das auch auf das Schärfste. Aber die Logik kann nicht sein, dass man deswegen lieber mal nichts macht.

                Mir geht es nicht um Parteinahme für Falschbeschuldigte, auch die haben meine Empathie. Mir geht es um die Abwehrhaltung gegen die These, dass es strukturelle Begünstigungen für Vergewaltiger gibt („rape culture“).

                […]

                Nein, ich meine damit eine Kultur (im Sinne eines gesellschaftlichen Normen- und Verhaltenskodex‘), die sexuelle Gewalt gegen Frauen begünstigt und Prävention und Aufklärung erschwert.

                Also vielleicht missverstehe ich Dich ja, aber mein Eindruck ist, dass Du „etwas machen willst“ um Praevention und Aufklaerung bei Sexualdelikten zu befoerdern, Dich dabei aber hinter arg wolkigen Begriffen wie „Rape Culture“ und „strukturellen Beguenstigungen fuer Vergewaltiger“ versteckst. Wenn man dann im Klartext ausspricht, was diese wolkigen Begriffe in realen Leben bedeuten, dann wird klar, dass die einzige Moeglichkeit wirklich „etwas zu machen“ genau das ist, von dem Du an anderer Stelle behauptest, es ja gar nicht zu wollen: Naemlich die Unschuldsvermutung auszuhebeln. Denn die Unschuldsvermutung repraesentiert eben die „strukturelle Beguenstigung“, die Du kritisierst. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!

                Das Hauptproblem bei Sexualdelikten ist dass sie eben fast immer im nicht-oeffentlichen Bereich geschehen. Es gibt folglich fast nie Zeugen. Und viele Opfer zeigen ihre Peiniger viel zu spaet oder gar nicht an, aus Scham oder in der Hoffnung die Tat verdraengen zu koennen oder um sich einen belastenden Gerichtsprozess zu ersparen oder weil der Taeter ihnen nahesteht – Vater, Onkel, Ehemann oder Partner ist. Fuer diese Entscheidung muss man Verstaendnis haben, diese Entscheidung muss man als Aussenstehender respektieren, aber die Folge ist eben, dass Beweise vernichtet werden, wenn Vergewaltigungsopfer nicht sofort zum Arzt und zur Polizei gehen. Und ohne Beweise kann ein Taeter nicht ueberfuehrt werden. Nicht von Gerichten. Und auch nicht von Universitaeten, Schulen, Unternehmen oder der Gesellschaft als ganzes. Solange die Unschuldsvermutung gilt! Die Unschuldsvermutung ist also die grosse Huerde, die wie Du sagst strukturell Beschuldigte beguenstigt und die Praevention und Aufklaerung behindert. Wenn Du also wirklich „etwas machen willst“, muss die Unschuldsvermutung weg. Das ist die einzige Moeglichkeit.

                Und wie eine Welt aussieht, in der mussmasslichen Opfern erstmal grundsaetzlich geglaubt wird – und das bedeutet, dass die Beschuldigten erstmal grundsaetzlich als schuldig betrachtet werden – das zeigt der von mir verlinkte Fall Emma Sulkowicz an der Columbia University. Dort gab es genau die Vorbedingungen einen Beschuldigten fuer schuldig zu erklaeren, die Du weiter oben im Thread genannt hattest. Auch dort gab es naemlich eine Liste von angeblichen Opfern. Zwar nicht auf Twitter, aber im Abstand weniger Tage beschuldigten drei Frauen den Angeklagten sexueller Verbrechen. Bei drei angeblichen Opfern darf man doch von der Schuld des jungen Mannes ausgehen, oder?

                Die Universitaet verhielt sich also genau so wie Du es forderst. Sie hat sich nicht lange mit der Unschuldsvermutung aufgehalten, sondern hat einseitig Partei ergriffen. Der angebliche Taeter wurde bestraft, sein Leben zerstoert, sein Name und Photo im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Vergewaltigung im Internet und in globalen Medien veroeffentlicht. Kaum eine grosse Zeitung hat nicht darueber geschrieben. „Endlich wird ueber solche Vorwuerfe nicht mehr geschwiegen“, hoere ich Dich schon sagen. Der beschuldigte junge Mann duerfte heutzutage der weltbekannteste Vergewaltiger sein. Selbstredend dass sich diese Informationen nie mehr wieder aus dem Netz loeschen lassen werden. Arbeitsangebote, die der junge Mann bereits hatte, sind anschliessend selbstverstaendlich zurueckgezogen worden. Neue werden wohl nicht kommen. Wer will schon einen Vergewaltiger einstellen?

                Dabei ist keiner der drei Faelle vor einem Gericht zum Urteil gekommen. Der einzige Fall, der ueberhaupt bei der Polizei zur Anzeige gebracht wurde, mit monatelanger Verspaetung, war der Fall Sulkowicz selber. Und Frau Sulkowicz zog die Anzeige kurze Zeit spaeter wieder zurueck, was den Prozess beendete. Die anderen beiden Anzeigen, die nur bei der Universitaet erfolgt waren und zwar von Bekannten von Frau Sulkowicz, verliefen sich im nichts. Beide angeblichen Opfer verweigerten die Zusammenarbeit mit der Universitaet, wollten noch nicht einmal Fragen beantworten. All das nachdem sie sich urspruenglich ja angeblich gerade deshalb gemeldet hatten, weil sie Aufklaerung wollten und keinerlei Probleme damit gehabt hatten Fragen von Reportern der New York Times fuer ein grosses Interview zu beantworten. Schliesslich musste die Universitaet nach mehreren Jahren eingestehen, in keinem der drei Faelle irgendwelche Hinweise zu haben, dass an den Geschichten etwas dran ist. Dem angeklagten Studenten musste man einen Freispruch erster Guete einraeumen. Diese Nachricht wird allerdings kaum auf eine grosse Oeffentlichkeit stossen und der Internetmob ist schon zum naechsten Fall weitergezogen. Das Leben des angeblichen Taeters war zu dem Zeitpunkt ohnehin bereits lange zerstoert. Ob er Schuld traegt oder nicht spielt keinerlei Rolle mehr. Den Preis fuer die Tat hat er bezahlt, auch wenn er unschuldig ist, und er wird ihn den gesamten Rest seines Lebens weiter bezahlen.

                Und so frage ich mich, wie die Universitaet denn Deiner Meinung nach haette handeln sollen. Oder nehmen wir mal ein naheliegenderes Beispiel. Du bist doch Lehrer. Stell Dir mal vor eine Schuelerin bezichtigt Dich faelschlicherweise eines sexuellen Uebergriffs. Vielleicht geschieht das aus psychischen Problem heraus, vielleicht will die Schuelerin einfach Aufmerksamkeit und glaubt diese in der Opferrolle zu finden, vielleicht hat sie sich in Dich verliebt und kommt nicht darueber hinweg, dass sie abgewiesen worden ist oder vielleicht will sie einfach Rache nehmen fuer eine schlechte Note, die Du ihr irgendwann mal gegeben hast. Und nehmen wir an diese Schuelerin kann ihren falschen Vorwurf sehr glaubhaft schildern und die Geschichte, die sie erzaehlt, laesst sich nicht widerlegen. Nehmen wir an sie ist so glaubwuerdig, dass es ihr sogar gelingt auch noch zwei weitere Maedchen zu ueberzeugen sich mit ihr zu solidarisieren und aehnliche falsche Vorwuerfe gegen Dich vorzubringen, um wirklich sicherzustellen, dass „jemandem wie Dir das Handwerk gelegt wird“. Ein Szenario also sehr nahe an dem Fall Sulkowicz. Welche konkreten kurz-, mittel- und langfristigen Schritte von Seiten der Schule wuerdest Du fuer angemessen und Dir zumutbar halten, im Falle dass die Vorwuerfe weder widerlegt, geklaert noch bestaetigt werden koennen und in allen drei Faellen Aussage gegen Aussage steht? Wie sagen wir der „Rape Culture“ den Kampf an in diesem ganz konkreten und einem realen Fall nahestehenden Beispiel, ohne Deine Rechte, Deine Ehre und Deine Wuerde zu verletzen?

                • Stefan Sasse 15. Oktober 2017, 06:33

                  Du hast natürlich die Crux an der Sache erkannt; eine einfache und perfekte Lösung für das Problem gibt es nicht, und als juristischer Laie kann ich auch keine ernsthaften Lösungsvorschläge auf diesem Gebiet anbieten, weswegen es etwas wolkig bleibt. Auch das von dir beschriebene Gefahrenfeld ist absolut real; ich habe diese Befürchtung ja auch stets im Hinterkopf. Da komme ich in meinem Beruf kaum darum herum. Falschbeschuldigungen sind ein gigantisches Problem, und die Überreaktionen die du beschreibst ebenfalls. Wo mein Thema mit eurer Problembeschreibung liegt ist nicht das Vorhandensein des Problems selbst, das beschreibt ihr völlig akkurat. Es ist die mitschwingende Annahme, dass man grundsätzlich nichts zum Positiven ändern könne und deswegen nichts tun dürfe, weder auf juristischem Gebiet noch auf dem Öffentlichkeitsarbeit.

                  Und hier kommt gewissermaßen mein Praxisvorschlag. Was ich will – und was ich hier im Blog realistisch auch als Einziges leisten kann – ist ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das Problem überhaupt existiert. Zivilcourage fördern. Leute dazu anregen, schädliche Verhaltensmuster zu überdenken. Das ändert für die von mir kritisierte Generation der über 60jährigen reichen alten Säcke natürlich nichts mehr. Aber für die Generation heutiger BWL-Schnösel, die aspirieren einmal selbst diese Rolle zu füllen vielleicht schon.

                  Vielleicht erinnerst du dich, dass ihm Rahmen der (viel zu wenigen) „what happened“-Artikel und Dokus zur Finanzkrise immer wieder vorkam, dass diese ganzen Investmentbanker und anderen Finanzheinis permanent in Stripklubs und Bordellen zu finden waren. Es sind solche Kulturen, die aufgebrochen werden müssen, wenn man die Wiederholung dieser Probleme in Zukunft vermeiden will. Wenn die unterliegenden Ursachen für die „rape culture“ beseitigt sind, kann dann nämlich im Gegenzug auch eine Kultur beseitigt werden, in der die gesamte Gesellschaft mit kollektivem schlechten Gewissen auf die Pinata eines mit dem Vergewaltigungsvorwurfs belegten Opfers einschlägt, um kollektiv ihre eigenen Dämonen auszutreiben und sich dann gut zu fühlen, denn das ist es meiner Meinung nach, was hier passiert. Und ich denke, dass ihr in eurer konstanten Verweigerung, das zur Kenntnis nehmen, zwar den Vorgang korrekt kritisiert, bei der Ursachenforschung aber wesentlich zu kurz springt.

                  • Ralf 15. Oktober 2017, 21:35

                    Es ist die mitschwingende Annahme, dass man grundsätzlich nichts zum Positiven ändern könne und deswegen nichts tun dürfe, weder auf juristischem Gebiet noch auf dem Öffentlichkeitsarbeit.

                    […]

                    eine einfache und perfekte Lösung für das Problem gibt es nicht, und als juristischer Laie kann ich auch keine ernsthaften Lösungsvorschläge auf diesem Gebiet anbieten

                    Du verstrickst Dich leider schon wieder in den exakt selben Widerspruch, den ich zuvor kritisiert hatte. Du forderst laut „Veraenderungen auf dem juristischen Gebiet“, verurteilst genau so laut wenn falsch beschuldigte Unschuldige in den Mahlstrom der Justiz und Gesellschaft geraten und willst solche Faelle verhindern, kannst aber keine Verbesserungsvorschlaege anbieten – und hier muss ich Dich korrigieren – nicht weil Du juristischer Laie bist, sondern weil Deine Traumproblemloesung schlicht nicht existiert. Ich fuehle mich an Donald Trump erinnert, der im Wahlkampf immer seine grossartigen Plaene fuer eine Krankenversicherung pries, die alle versorgen wuerde und zwar besser als je zuvor, aber nur einen Bruchteil kosten wuerde und fuer die Buerger mit keinerlei Verpflichtungen verbunden sei. Einfach „something beautiful“. Leider aber ein Widerspruch in sich.

                    Die Unschuldsvermutung zu erhalten, ist gleichbedeutend damit viele tatsaechliche Taeter entkommen zu lassen. Ist leider so. Das ist der Preis dafuer falsch Beschuldigte zu schuetzen. Die einzige Alternative dazu ist die Unschuldsvermutung auszuhebeln. Erst dann werden viele Taeter, denen heute nicht beizukommen ist, im Gefaengnis verschwinden. Und mit ihnen werden dort zahlreiche Unschuldige verschwinden. Du wirst Dich schon entscheiden muessen.

                    Und was die Oeffentlichkeitsarbeit angeht, wer hat denn da bitte etwas dagegen? Ich faende es absolut richtig, wenn dieses Thema etwa staerker in unsere Schulen getragen wuerde, damit junge Menschen von Anfang an lernen, welche Rechte sie haben und wie sie sie nutzen koennen. Und man sollte junge Menschen daran erinnern, dass sie nicht nur das juristische sondern auch das moralische Recht haben „nein“ zu sagen. Und dass wenn sie „nein“ gesagt haben, sie bei ihrem „nein“ bleiben muessen und sich nicht in ein „ja“ hineinresignieren lassen sollten. Und dass die Gesellschaft dabei auf ihrer Seite steht. Dass sie wenn noetig Widerstand leisten muessen, sich notfalls mit Gewalt befreien. Dass sie vor allem zur Polizei gehen muessen, wenn sie bedraengt worden sind, auch dann wenn es nicht zum Schlimmsten gekommen ist. So manch jungem Taeter wuerde moeglicherweise der Arsch auf Grundeis gehen, wenn noch in der Nacht die Polizei vor der Tuer steht und er zum Verhoer geladen wird. Sicher nicht allen, aber zumindest einigen wuerde so klar, dass ihr Handeln Konsequenzen haben koennte. Ein solcher Schuss vor den Bug waere eine hilfreiche Lektion, selbst wenn am Ende sehr wahrscheinlich Aussage gegen Aussage steht und es zu keiner Verurteilung kommt. Und ich bin zwar kein Jurist, aber ich nehme an, dass auch die Glaubwuerdigkeit eines Angeklagten langfristig leidet, wenn er mehrfach wegen immer dem selben Vergehen von unterschiedlichen Opfern angezeigt wurde. Irgendwann reicht bei solchen Serientaetern dann moeglicherweise auch eine andernfalls suboptimale Beweislage, um zu einer Verurteilung zu kommen. Man sollte mit jungen Menschen so frueh wie moeglich ueber diese Dinge sprechen und auch ansprechen, welche Konsequenzen es eventuell fuer „das naechste Opfer“ haben koennte, wenn ein Gewalttaeter nicht rechtzeitig hinter Schloss und Riegel gebracht wird. Hier haben alle eine Verantwortung inklusive Mitwissern und der Betroffenen selber.

                    Aber so wie sich das bei Dir liest, gewinnt man den Eindruck, als waere in den vergangenen Jahren ueberhaupt rein gar nichts in dieser Hinsicht passiert. So als seien Frauen besonders heutzutage in einer staendigen Opferrolle, auf Schritt und Tritt angegriffen und sexuell bedraengt. Man muesse endlich mal anfangen etwas dagegen zu tun. Dabei ist moeglicherweise noch nie in der Geschichte der Menschheit und mit Sicherheit nicht in den vergangenen 5000 Jahren in der westlichen Welt soviel getan worden, auf Missstaende aufmerksam zu machen und Opfer zu schuetzen. Glaubst Du wirklich dass es ein Zufall ist, dass ein Harvey Weinstein gerade in unserer Zeit entlarvt wurde, und das obwohl die meisten seiner Taten bis zu zwanzig Jahre zurueckliegen? Die Sensibilitaet fuer Verbrechen wie sexuelle Belaestigung ist in den vergangenen Jahren dramatisch gewachsen. Es duerfte kaum ein Unternehmen geben, das nicht Richtlinien zu dem Thema veroeffentlicht haette und eine Infrastruktur eingerichtet haette, um Opfern zu helfen solche Faelle zur Anzeige zu bringen. Da wo ich arbeite, bekommen wir vierteljaehrlich eine Email mit allen Telefonnummern, wie und wo man sich melden kann, anonym oder mit Angabe von Namen, mit vielen Informationen wie der Schutz von Betroffenen garantiert werden wird. Einmal pro Jahr kriegen wir einen schriftlichen Report ueber die Zahl gemeldeter Uebergriffe und wie darauf reagiert worden ist. Die universitaetseigene Polizeieinheit haelt ausgebildete Spezialisten vor, die sich ausschliesslich mit dieser Art Faellen beschaeftigen. Leitende Angestellte muessen jedes Jahr einen zweistuendigen Kurs absolvieren, der die Normen und Richtlinien des Arbeitgebers bezueglich sexueller Belaestigung am Arbeitsplatz anhand vieler einzelner Beispiele erklaert und darlegt. Betroffenen, egal ob sich die Beschuldigungen beweisen lassen oder nicht, wird auf Wunsch geholfen die Abteilung zu wechseln. Ich kenne einige solche Faelle persoenlich. Da wo normalerweise hohe buerokratische Huerden herrschen, werden ploetzlich Entscheidungen innerhalb weniger Tage moeglich. Wem Schuld nachgewiesen werden kann, ist in der Regel umgehend seinen Arbeitsplatz los. Ja, es gibt Ausnahmen, wo besonders einflussreiche Player an den Hebeln der Macht es schaffen Konsequenzen zu entgehen und diese Faelle werden dann beruehmt und man gewinnt das Gefuehl als wuerde sexuelle Belaestigung generell als Kavaliersdelikt abgetan. Aber so zu urteilen, waere so als ob man den traurigen Einzelfall von O.J. Simpson als Beweis anfuehrte, dass in der westlichen Welt ueberfuehrte Moerder gewoehnlicherweise ihrer Verurteilung entgehen. Und das ist natuerlich Quatsch. Der „gewoehnliche“ Sexualverbrecher ist nicht Harvey Weinstein oder Bill Cosby, sondern irgendein kleiner Chef oder Arbeitsgruppenleiter mit sehr beschraenkten Moeglichkeiten und ohne wirkliche Machtbasis. Und diese Klientel ist ihren Job schneller los als dass sie bis drei zaehlen kann, wenn die Gesamtreputation des Unternehmens bzw. der Universitaet bedroht ist. Und wie die Erfahrungen der letzten Wochen und Jahre zeigen, sind wir mittlerweile in einer Zeit, in der noch nicht einmal mehr ein Harvey Weinstein sicher ist. Aehnliches laesst sich aus der Welt der Wissenschaft vermelden, wo selbst Professoren, die zwei Millimeter vor dem Nobelpreis standen, wie etwa Geoff Marcy rausgeschmissen wurden, weil einfach der oeffentliche Druck auf die Universitaet zu gross wurde. Wir leben gottseidank nicht mehr in einer Zeit, in der ueber Sexualverbrechen nicht geredet wird. Denk mal zurueck an die Generation unserer Grosseltern, die vielen Frauen, die waehrend des Zweiten Weltkriegs vergewaltigt wurden. Wieviele von denen haben den Mund aufgemacht und ueber ihr Schicksal gesprochen? So gut wie keine. Wieviele Ehefrauen trauten sich in den Sechziger und Siebziger Jahren ueber Vergewaltigungen in ihrem eigenen Schlafzimmer zu reden? Kaum eine. Das Thema war ein totales Tabu. Nie ist soviel ueber diese Dinge gesprochen worden wie heute, noch nie ist die Gesellschaft so sensibilisiert gewesen wie heute, noch nie ist der gesellschaftliche Druck auf Unternehmen, Schulen und Universitaeten sich dem Thema zu widmen groesser gewesen als heute. Nie zuvor sind so viele Faelle zur Anklage gekommen, nie zuvor mussten Taeter mit heftigerer Strafverfolgung und gesellschaftlicher Aechtung rechnen als heute.

                    Und dann frage ich mich, was willst Du eigentlich noch?

                    • Stefan Sasse 16. Oktober 2017, 07:17

                      Diese große Konzentration auf den juristischen Rahmen habt ihr angefangen, nicht ich. Aber ich stimme dir sonst zu; selbstverständlich existiert hier keine Traumlösung, und selbstverständlich bedeutet die Unschuldsvermutung, dass Täter straffrei davonkommen. Das ist der Preis des Rechtsstaats.

                      Was du ansprichst, wenn es um gesellschaftlichen Wandel geht, ist ebenfalls wahr. Noch nie zuvor ging es Frauen in der Gesellschaft so gut, waren sie so wenig gefährdet. Das ist wahr. Wenn du dich jetzt fragst, warum das Thema ausgerechnet jetzt hochkocht: aus dem gleichen Grund, dass soziale Fragen nicht in der Krise, sondern im Boom relevant werden, dass Schwarze ihre Bürgerrechte einforderten nicht in der Zeit von Jim Crow aber als es ihnen besser ging, und so weiter: zum ersten Mal wird überhaupt anerkannt, dass hier ein massives Problem existiert. Dass das Problem heute kleiner ist als früher ist zwar wahr, aber auch irrelevant, denn das behebt den Missstand nicht. Und zu sagen, dass der lange Bogen der Geschichte zwar irgendwann in ferner Zukunft dazu führen mag, dass es gänzlich gelöst ist, ist sehr einfach, wenn man selbst vom Problem nicht betroffen ist.

                      Wie du bereits beschreibst braucht es eine stärkere Aufklärung, auch in Schulen (wird dich nicht überraschen, aber ich mach das), und das heißt auch, dass gesamtgesellschaftlich ein Zeichen gesetzt wird, indem solche Fälle verurteilt werden. Und bei Fällen wie Trump, Weinstein und Konsorten kannst du lange über Strafrechtlichkeit streiten; das überlasse ich den Experten. Aber gesellschaftlich gehört dieses Verhalten aufs Schärfste verurteilt.

  • Stefan Sasse 10. Oktober 2017, 16:20

    Noch ein Hinweis auf das systemische Problem: die Bebilderung.
    https://pbs.twimg.com/media/DLyadmKWsAIBXEI.jpg:large

    • Erwin Gabriel 17. Oktober 2017, 09:34

      So lässt sich die Dame halt freiwillig fotografieren, weil sie von solchen Bildern profitiert.

  • Worbl 10. Oktober 2017, 20:23

    Herr Pietsch vergisst in seinen inzwischen frauenverachtenden Tiraden, die immer gerade im rechten Moment Belege für unnötig und den „gesunden Menschenverstand“ für zuständig erklären, dass die Grenzen gesellschaftlich akzeptablen Verhaltens selbstverständlich auch außerhalb von Gerichten verhandelt werden, ohne dass dies automatisch auf „Hexenjagden“ hinausläuft.

    Wenn einer meint, sein Verhalten stets an der Linie ausrichten zu müssen, die ihm der Gesetzgeber gerade noch erlaubt, und das als nüchterne Position der Vernunft ausgibt, wird er dafür nicht auf den Scheiterhaufen geworfen. Aber es wird sich auch zu Recht niemand mit ihm abgeben wollen.

    In diesem Sinne wünsche ich Herrn Pietsch für seine jüngsten Aussagen auch weder vors Scherbengericht noch auf den Scheiterhaufen noch vors normale Gericht, aber habe auch keine Lust mehr, mich damit abzugeben. Selbst Debattierclubs dürfen Mindeststandards haben, und für Geschlechterideologie auf „Redpill“-Niveau braucht man keinen Blog abonnieren. Dieser fliegt folglich jetzt aus dem Reader.

  • Stefan Sasse 15. Oktober 2017, 19:41

    Mal noch eine Perspektive von der FAZ:
    https://t.co/qG1MDXkR3w

  • Rauschi 16. Oktober 2017, 09:44

    Ich hätte da einen Vorschlag, wie beiden Seiten vielleicht Genüge getan wird:
    Könnte man die Berichterstattung über alle Sexualdelikte nicht so lange verbieten, bis ein Urteil gesprochen wurde? Damit könnte dann niemand durch Vorverurteilung einen Nachteil erleben, weil es schlicht keine Öffentlichkeit gibt? Die Berichterstattung wäre auch nur zeitlich eingeschränkt, denn berichtet werden darf ja, aber eben erst nach einem Urteil oder bei Abschluss des Prozesses, aus welchen Gründen auch immer?
    Ich bin aber im Zweifel, ob das nicht einen Präzedenzfall schaffen würde, den die jeweiligen Regierungen gerne ausweiten würden und wahrscheinlich werden.
    Würde das nicht zwangsläufig auf eine Art Zensur hinaus laufen?

    Zur Einstellung von Herrn Pietsch gegenüber Frauen wurde schon alles gesagt, über diese Stöckchen springe ich heute mal nicht. 😛

    Gruss Rauschi

    • Stefan Sasse 16. Oktober 2017, 12:01

      Ich weiß nicht ob solche Einschränkungen in die Pressefreiheit nicht unter Umständen Kaskadeneffekte haben; aber dasselbe gilt ja auch zur Berichterstattung über Selbstmorde. Generell wäre Zurückhaltung bei vielem besser, aber die Grenzen zur Zensur sind halt immer fließend.

    • Ralf 16. Oktober 2017, 17:07

      Ich denke zumindest die Veroeffentlichung von Klarnamen und Personenphotos von Beschuldigten – und zwar sowohl in der Presse als auch sonstwo im Internet – muesste unter schwere Strafen gesetzt werden, solange bis eine Schuld eindeutig geklaert ist. Um die Zensur, die Stefan Sasse befuerchtet, mache ich mir eigentlich weniger Sorgen. Ich finde wir braeuchten viel mehr Zensur im Internet, das gegenwaertig praktisch ein rechtsfreier Raum ist, in dem jeder alles behaupten darf ohne jemals irgendwelche Konsequenzen zu befuerchten.

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