Eine europäische Renaissance?

Emmanuel Macron hat vor Stundenfrist eine Grundsatzrede zur weiteren Entwicklung der EU gehalten. Die generelle Richtung war bereits seit Wochen klar, genauso wie Merkels Reaktion darauf, aber bis Sonntag schien es wahrscheinlich, dass eine schwarz-rote Regierung der Empfänger der frohen Botschaft sein würde. Nun ist es stattdessen Christian Lindner, der am Kabinettstisch seine „roten Linien“ definiert statt Martin Schulz, der Merkel zu einer größeren Kooperation mit Frankreich drängt. Nichtsdestotrotz hat Macron nun seine Rede gehalten (und vermutlich entschärft, siehe unten). Und als überzeugter Europäer muss ich sagen: Chapeau. Macron fordert das, was ich mir im Wahlkampf beständig von Schulz gewünscht hätte. Dann wäre die SPD wenigstens für etwas untergegangen, statt nun für effektiv nichts bei 20% gelandet zu sein. Hätte, hätte, Fahradkette, wie Peer Steinbrück sagen würde. Aber zurück zu Macron.

Macrons Freundschaft zur EU war bereits im Frühjahr deutlich gewesen, weswegen er paneuropäisch auch der klare Favorit vor Le Pen und Melenchon gewesen war. In seiner Rede beweist der französische Präsident nun, dass es ihm ernst ist, denn seine Reformvorschläge für die EU sind nicht nur einseitige Forderungen an Deutschland. Auch für Frankreich sind einige happige Brocken dabei, und ich rede hier nicht von seinem innenpolitischen Reformprogramm, von dem ich wenig halte. Aber genug der Vorrede, sehen wir uns an, was er dargelegt hat.

Macron führte durch die komplette Rede ein generelles Bekenntnis zu einer starken und integrierten EU („um nicht den Wellen der Globalisierung ausgesetzt zu sein“, „Der einzige Weg der eine Zukunft garantiert ist ein souveränes, vereintes, demokratisches Europa“). Diese Integration sieht Macron auf mehreren Gebieten als notwendig an:

  • Verteidigung. Wie ich kürzlich erst selbst vorgeschlagen habe, verlangt auch Macron eine europäische Armee bis 2020 („gemeinsame Interventionsstreitmacht, gemeinsamer Verteidigungshaushalt und gemeinsame Handlungsdoktrin“). Zudem verlangt er die Ausrüstung Europas mit einer „gemeinsamen zivilen Verteidigungsmacht“. Ich bin mir etwas unsicher was er damit genau meint; ich vermute den Teil der EU-Armeen, die nicht auf Intervention ausgerüstet sind, was effektiv die Schaffung zweier EU-Armeen bedeuten würde. Klingt nicht doof.
  • Flüchtlinge. Macron wiederholt die gleiche Phrase, die auch hier im Wahlkampf ständig zu hören war: Europa muss „Schutzbedürftige auf würdige Weise willkommen heißen“, aber gleichzeitig „die Grenzen effizient schützen und diejenigen zurückschicken, die keinen Anspruch auf Asyl haben“. Das ist so Konsens, dass man eigentlich nur fragen muss, wie das im Detail aussehen soll. Aber dass es hier unmöglich sein sollte eine gemeinsame Lösung zu finden scheint wenig glaubwürdig. Wesentlich aufregender ist dass Macron von sich aus anbietet, was ich ja auch bereits als wahrscheinlichen Deal vorgeschlagen habe: die EU (und besonders Frankreich) schultert mehr von der Flüchtlingsbürde, wenn Deutschland sich im Gegenzug für andere Forderungen öffnet. Ich halte das immer noch für Merkels goldene Chance, die eigene Parteiopposition zu spalten, indem sie ihnen eine Verringerung der Flüchtlingsbelastung gegen eine Erhöhung der EU-Belastung vorhält. Abgesehen davon fordert Macron eine europäische Asylbehörde, was folgerichtig ist, aber vermutlich auf wesentlich stärkeren Widerstand stoßen dürfte, weil es massiv in die nationalstaatliche Souveränität eingreift. Aber irgendwelche Unterpfande zum Verhandeln braucht er ja auch.
  • Entwicklungspolitik. Macron kombiniert zwar in seiner Rede weder den gestärkten Grenzschutz noch die europäische Armee direkt mit der Entwicklungspolitik, aber „wir dürfen Afrika nicht länger als Bedrohung wahrnehmen sondern müssen es als Partner sehen“ und seine Forderung nach einer deutlichen Erhöhung der Entwicklungspolitik geht durchaus in diese Richtung. „Fluchtursachen bekämpfen“ heißt das hier ja immer.
  • Umweltschutz. Macron fordert eine europäische Karbonsteuer. Mein grünes Herz hüpft erregt auf und ab, besonders weil er dazu gleichzeitig eine Untergrenze einzieht: „Studien haben gezeigt, dass Preise unter 25-30 Euro pro Tonne CO2 nicht effizient sind“. Hier besteht durchaus die Möglichkeit einer Einigung mit Deutschland, weil keine der Jamaika-Parteien direkt dagegen ist; eines der wenigen Felder auf dem die SPD der große Blocker gewesen wäre.
  • Digitales. Macron forderte die Schaffung einer „Behörde für innovative Disruption“, sprich eine gigantische Förderanstalt, dass endlich das europäische Google dabei herauskommt. Ein Ziel dieser Behörde soll die Finanzierung von KI-Forschung sein. Gleichzeitig fordert er eine effiziente Besteuerung der Silicon-Valley-Giganten, was in Deutschland kaum auf Widerspruch stoßen dürfte (an der Stelle ein freundliches Winken nach Irland).
  • Steuern und Währung. Im Rahmen seiner Kritik an der Steuerflucht der Internetfirmen schlägt Macron eine umfassende EU-Steuerreform vor, die sich am Wertschöpfungsprozess ignoriert und den juristischen Standort der Firma weitgehend ignoriert. Das ist mehr als überfällig, dürfte aber in Deutschland nicht sonderlich gut ankommen. Macron sprach sich zudem für eine Finanztransaktionssteuer aus, mit der viele der von ihm vorgeschlagenen EU-Maßnahmen finanziert werden. Auch die Einführung dieser Steuer ist lange überfällig und würde dazu beitragen, die Belastung für die Bürger kleinzuhalten, was die Durchsetzbarkeit nur befördern kann. Macron bekannte sich – wenig überraschend – grundsätzlich zum Euro („dauerhafte wirtschaftliche Macht lässt sich nur um die gemeinsame Währung bauen“; „es ist die Wirtschafts- und Währungsunion, mit der wir ein integriertes Europa grünen werden“). Er kam dann aber schnell zum großen Elefant im Raum: „Das grundsätzliche Thema ist nicht ein Mechanismus, der magisch all unsere Probleme lösen wird. Es geht nicht um die Vergesellschaftung vergangener Schulden oder die Lösung der finanziellen Probleme einzelner Länder. Es geht um die Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa.“ Dieser Teil der Rede ist seit Sonntag mit Sicherheit entschärft worden, denn ohne die SPD ist auf dem Gebiet ohnehin nichts zu erreichen. Stattdessen reicht Macron Merkel hier den rhetorischen Olivenzweig. Aber: „Europa braucht seinen eigenen Haushalt der gemeinsame Investitionen finanziert und Stabilität gegen wirtschaftliche Krisen garantiert. Ein Haushalt muss aber Hand in Hand gehen mit einer starken politischen Führung durch einen gemeinsamen Minister und starke parlamentarische Aufsicht auf europäischer Ebene“. Und das ist DER kommende Streit, denn Lindner hat bereits als „rote Linie“ verkündet, dass es das alles keinesfalls geben wird. Etwas besser dürfte der FDP dagegen gefallen, dass Macron bis in vier Jahren die deutsch-französischen Unternehmenssteuern harmonisieren will, was sicherlich kein Fehler ist.
  • EU. Macron versprach weniger Bürokratie in Europa (wie jeder andere auch), aber deutlich kontroverser und folgenreicher dürfte seine Forderung sein, die Kommission auf 15 Mitglieder zu beschneiden. Dies ist für die europäische Handlungsfähigkeit mit Sicherheit notwendig, aber wie das politisch funktionieren soll bleibt nebulös. Er schlägt vor, dass die größten Länder ihre Sitze zuerst aufgeben, was mit Sicherheit absolut notwendige Vorbedingung ist, aber wie alles andere fußt dies auf der Annahme, dass Deutschland und Frankreich an einem Strang ziehen (siehe unten). Er schlägt zudem die Gründung einer europäischen „Neugründungsgruppe“ vor (wohl für die Reformen), deren Mitgliedschaft aber freiwillig sein soll. Die größte Begeisterung auf diesem Feld ruft bei mir aber seine Forderung hervor, 2019 die britischen Parlamentssitze quasi als Trockenübung paneuropäisch zu vergeben und bei den Wahlen 2024 „mindestens die Hälfte der Sitze“ auf einer paneuropäischen Liste wählen zu lassen. FUCK YEAH.
  • Deutschland. Generell betont Macron die Zusammenarbeit mit Deutschland und beschwört ein Wiederaufleben der Achse Paris-Berlin, die bisher noch jede europäische Integration vorangetrieben hat. Konkret fordert er eine Vereinheitlichung sämtlicher Regulierungen vor, eine „vollständige Integration der Märkte“ beider Länder bis 2024. Angesichts der Agenda2010 ist dies vor allem eine Schreckensforderung für Frankreich selbst, wo ihm hier starker Gegenwind entgegenwehen dürfte. Aber wie gesagt, er kommt nicht nur mit Forderungen.
  • Kultur. Spannend ist ebenfalls Macrons Forderung, dass bis 2024 jeder europäische Student zwei Sprachen sprechen können soll. Das ist in Deutschland weniger ein Thema; Englisch ist hier eigentlich Standard. Aber für die Franzosen ist es eine weitere zu schluckende Kröte. Macron präsentiert sich hier aggressiv kosmopolitisch, wozu auch seine Forderung passt, bis 2024 mindestens 20 „europäische Universitäten“ einzurichten. Die Idee scheint mir die Schaffung einer europäisierten Elite zu sein, die dann als Multiplikatoren fungieren kann. Das ist ein guter Ansatz.

Ich bin, wie wohl ersichtlich geworden ist, mehr als begeistert von Macrons Rede. Trotz der Entschärfung auf dem Gebiet der Euro-Politik und der Frage eines gemeinsamen Haushalts ist sie deutlich mehr, als ich zu hoffen gewagt habe, und Macron bietet direkt große Opfer seitens Frankreichs an. Als Eröffnungsangebot ist das alles ungeheuer weitreichend, und der Gedanke daran, dass bald Verhandlungen zu diesen Themen stattfinden könnten, wird mir mehr als warm ums Herz. Angesichts der Bedrohung durch die Ewiggestrigen von Front National und AfD ist eine solche mutige Reaktion genau das Richtige, und durch den Brexit fehlt auch einer größten Blockierer dieser Maßnahmen am Verhandlungstisch. Ich hoffe, dass Macron sich mit so viel wie nur irgendmöglich von diesen Maßnahmen durchsetzen kann.

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  • Erwin Gabriel 26. September 2017, 17:36

    Ein „dickes „JA“, aber auch ziemlich viele „abers“

    Die Rede zeigt sicherlich auf, was der EU an Herzblut fehlt, insofern kann ich Ihren Idealismus gut verstehen. Wiederum sind es, selbst wenn Deutschland stante pede mitmacht, erst zwei (wenn auch starke) Partner. Osteuropa wäre wohl weitgehend draussen, und würde sich jeden kleinen Schritt teuer abkaufen lassen.

    Ob Macron bei der nächsten Wahl mit seinem Programm gewinnt, ist fraglich. Er müsste mit seinen Reformen schon so heftig einsteigen, dass sich bis zur nächsten Präsidentschaftswahl erste vorzeigbare und spürbare Fortschritte zeigen. Dann wäre Macron der erste französische Präsident, der Europa vor Frankreich setzt – ich höre die Worte, doch mir fehlt der Glaube.

    Was die Realisierung dieser Vorstellungen angeht, habe ich außerdem – mit Blick auf die Einnahmen Deutschlands und anderer Staaten und die Finanzpolitik der EZB – doch den einen oder anderen bösen Verdacht.

    Dann macht mir das mit der „Bekämpfung der Flüchtlingsursachen“ immer Kopfweh. Politisch / militärisch sind wir nicht in der Lage, in Afrika für Ordnung zu sorgen, erst recht, wenn es so lukrativ ist, Rebellenführer zu sein. Angenommen, dass uns das gelingt, dann haben wir immer noch die Situation, dass von 10. Männern Nur 2-3 einen Job finden (das ist die Huptflüchtlingsursache). Kombiniert mit dem rasanten Bevölkerungszuwachs dort unten, bedeutet das, dass sich in den nächsten 10 – 20 Jahren zwischen 20 und 40 Mio. Menschen aus Afrika zu uns auf den Weg machen.

    Es sind einfach viel zu zu viele, die um ihre Existenz und ihr Überleben kämpfen. Keine wie auch immer geartete Chance, die sinnvoll aufzunehmen (erst recht nicht, wenn ich auf die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa schaue).

    Wie soll das gehen?

    Es grüßt
    E.G.

    • Stefan Sasse 26. September 2017, 19:49

      Ich verstehe deine Skepsis. Natürlich wird das nicht alles 100% umgesetzt, und selbst wenn fließen nicht von heute auf morgen Milch und Honig. Aber selbst wenn da viel nur Rhetorik ist – was ist Politik, wenn nicht der Versuch, Meinungen und Strömungen zu ändern? Dass Schulz das nie versucht hat halte ich für unverzeihlich.

      • Erwin Gabriel 27. September 2017, 08:34

        Wo ich dabei bin: man braucht für Europa Idealismus, nicht nur Büro- und Technokratie. Dennoch wird jedes Land (außer Deutschland, außer – vielleicht – Frankreich) sein Wohl im Egoismus suchen.

        Es grüßt
        E.G.

        • Logos 27. September 2017, 09:12

          man braucht für Europa Idealismus, …
          Nein, braucht man nicht.
          Diese Feststellung ist keine Meinung, sondern Fakt.
          Sie wissen nicht, wovon Sie da schreiben.

        • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:29

          Unbedingt. Eine gemeinsame europäische Identität, positiv begründet.

  • Ariane 26. September 2017, 18:38

    Yeah und Hurra!
    Falls jemand die Rede im Wortlaut in englisch oder deutsch findet, bitte gerne verlinken. Hab mich 20 Minuten durch eine französische Macron-Rede gekämpft, bis ich festgestellt habe, dass die vom Mai war. Oo

    Seine Vorschläge gehen meiner Meinung nach alle in die richtige Richtung, muss man halt abwarten, wie Frankreich sich das im Detail vorstellt. Die genaue Ausgestaltung ist mir aber gar nicht so wichtig, ich finde es aber furchtbar wichtig, dass es überhaupt so eine Pro-Europa-Rede von Macron gab. Die Proeuropäer sollten sich unbedingt die Deutungshoheit über die EU von den Nationalisten zurückholen, aus der Defensive kommen und Europa zu der positiven Zukunftsvision machen! Dann wäre es auch einfacher, europäische Veränderungen durchzusetzen.

    Ich verstehe auch nicht, wieso die SPD das im Wahlkampf links liegengelassen hat. Sie hatten mit Schulz doch DEN Vertreter, der dafür passt.

    • Stefan Sasse 26. September 2017, 19:51

      Geht mir ähnlich. Ich habe das ja auch während des Wahlkampfs kritisiert.

    • Logos 27. September 2017, 07:34

      Fragen, die mir sehr ernst sind:
      Wie redet man Ihrer Ansicht nach pro Europa?
      Was sind Ihrer Ansicht nach Pro- bzw. Anti-Europäer?

      • Ariane 27. September 2017, 10:12

        Mit Pro-Europäer/europäisch meine ich eben so etwas wie die Rede von Macron. Eine offensive Verteidigung, Bekenntnis und Bewerbung der europäischen Einigung und Ideale. Auch die Erinnerung daran, dass es dabei eben nicht nur um ein paar praktische Handelsgesetze geht.

        Und mit Anti-Europäer meine ich diejenigen, die nicht dies und das und jenes kritisieren, sondern das europäische Projekt insgesamt in Frage stellen und beenden wollen.

        • Logos 27. September 2017, 13:20

          Ergo: hier wird – sachlich unzulässig – ständig Eurpa und EU synonym verwendet, obwohl es keine Sysnonyme sind. Die EU ist nicht Europa und Europa ist NICHT die EU. Das eine ist ein Kontinent, dass andere ein zutiefst undemokratische Struktur, die aus einer WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT hervorgegangen ist. Europa und europäische Länder hat es lange vor der EU gegeben und wird es auch noch dann geben, wenn das künstliche Konstrukt EU längst Geschichte ist.

          Ist das akademische (bin Akademiker) Haarspalerei? NEIN! Warum nicht? Weil es JEDE Menge handfester Gründe [1] gegen diese EU gibt (die zutiefst undemokratische Struktur ist einer davon) – und selbst wenn man sich ausdrücklich für eine Ende DIESER EU ausspricht ist man damit aber noch lange kein Anti-Europäer!
          Die entscheidende Frage, die sich stellt ist:
          Ist diese EU reformierbar und wie wahrscheinlich ist das?
          Hinreichend kompetente Personen (was fast alle hier ausschließt) verneinen dies. Ich ebenfalls.

          Wer sich aus den og.g Gründen für ein Ende dieser EU ausspricht ist somit kein Anti-Europäer. Im Gegenteil, wenn man denn wirklich eine positiv besetzte europäische Integration zum Wohl der Gesellschaften anstrebt, dann bleibt dem hinreichend Informierten (dazu zählt hier fast gar keiner) kaum etwas anderes übrig, als ein Ende DIESER EU und einen Neustart unter anderen Prämissen, nämlich Menschen- und Bürgerrechten und sozialen Anliegen anstatt Wirtschaftsinteressen, zu fordern.

          Es lässt sich auch einfacher feststellen:
          Wer schon an den absoluten Basics scheitert, zwischen dem Kontinent Europa, den europäischen Ländern und dem Konstrukt EU sprachlich zu differenzieren, stattdessen immer wieder falsch durcheinander mengt und dann auch noch aus einer Ablehnung dieser EU eine „anti-europäische Haltung“ pseudoschlussfolgert, der verfügt nicht über das für eine qualifizierte Einlassung nötige Mindestmaß an Kompetenz!
          Böse Zungen könnten sagen, ich spräche hier fast allen die nötige Kompetenz ab. Das ist falsch. Sie selbst sind es, die dies durch ihre unqualifizierten und undifferenzierten Äußerungen tun.

          [1] http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/raus-aus-der-eu-rein-die-demokratie-wahlbetrug-um-eu-parlamentspraesident-aufgeflogen

  • Ralf 26. September 2017, 18:46

    Full Disclosure: Ich hab Macrons Rede nicht gehoert. Alles was ich ueber sie weiss, stammt aus diesem Artikel. Moeglicherweise tue ich Macron also Unrecht, wenn ich auf das Fehlen des einen oder des anderen Aspekts hinweise.

    Europa ist in der Krise. Europa ist in der Krise, weil sich die europaeischen Buerger nicht mit Europa identifizieren und weil politische Entscheidungsfindungen in Europa nicht demokratisch legitimiert sind. Vor Jahren gab es eine Periode, in der ich mich fast taeglich mit einem anderen Nutzer in einem oeffentlichen Blog ueber diese Lage stritt. Dieser andere Nutzer vertrat die Ansicht Europa sei ein reines Elitenprojekt, die EU ein top-down vom Establishment auf die Menschen heraboktroyiertes System, das die Mehrheit nicht will und das sich Entscheidungen anmasst, die keiner oder zumindest keiner ausreichenden demokratischen Kontrolle unterliegen. Ich hab das immer abgestritten. Ich habe immer vorhergesagt, dass irgendwann, irgendwie in der goldenen Zukunft alles besser werden wird, dass die EU irgendwann voll demokratisch sein wird und dass die Menschen den Glauben an und die Identifikation mit der Europaeischen Union letztlich finden werden. Wenn wir nur lange genug warten. Und Geduld haben. Viel, viel Geduld.

    Jetzt hab ich viele, viele Jahre gewartet. Und lange Zeit Geduld gehabt. Und es ist sehr, sehr wenig passiert. In vielen Punkten hat es sogar Rueckschritte gegeben. Grossbritannien ist raus. Ungarn und Polen haben das gemeinsame Wertegeruest Europas zerstoert. An den europaeischen Laendergrenzen wird wieder kontrolliert. Ueberall werden die Rechtspopulisten und Rechtsextremen staerker.

    Aus meiner Sicht stehen wir an einem Scheidepunkt. Wir muessen uns endlich entscheiden, ob wir das Vereinte Europa wollen oder nicht. Fuer beide Seiten in diesem Streit gibt es gute Argumente. Man muss kein „guter Europaeer“ sein, um ein „guter Demokrat“ oder ein anstaendiger Mensch zu sein. Die EU ist nicht alternativlos. Aber fuer die, die die EU wollen – und ich zaehle mich ausdruecklich dazu – brauchen wir endlich eine starke, positive Vision einer gemeinsamen Zukunft. Nicht ein aus Kleinstkompromissen zusammengezimmertes Luftschloss. Und da fehlen mir die drei wichtigsten Aspekte, die fuer mich ueberragende Bedeutung vor allem anderen haben, und die in Macrons Rede scheinbar nicht vorkamen:

    1) Ausbau des europaeischen Parlaments zu einem richtigen Parlament mit allen Rechten und Pflichten

    2) Zumindest mittel- bis langfristig das Ende der Europaeischen Kommission, ein Ende des Gekungels bei der Ernennung des europaeischen Praesidenten und eine Entmachtung des Europaeischen Rates. Stattdessen sollte das Parlament den Praesidenten waehlen, und der sollte eine Koalitionsregierung bilden (sofern seine Partei nicht die absolute Mehrheit hat).

    3) Ende der Einstimmingkeit. Die EU muss endlich handlungsfaehig werden.

    Stattdessen beginnt zumindest Stefan Sasses Liste mit der Verteidigungspolitik und der Forderung nicht nur eine, sondern gleich zwei europaeische Armeen zu errichten. Das braucht in diesem Stadium nun wirklich kein Mensch. Wir haben kein europaeisches Volk, das es zu verteidigen gilt. Wir haben gegenwaertig noch nicht einmal europaeische Werte, die es zu verteidigen gilt (siehe Ungarn; siehe Polen). Eine gemeinsame Armee wird Europa ganz am Ende des europaeischen Prozesses benoetigen, um diesen Prozess letztlich abzuschliessen und abzusichern. Dann wenn wir einen wirklich vereinten europaeischen Staat haben und eine europaeische Verfassung, die es sich zu verteidigen lohnt. Ganz am Ende. Ganz weit am Ende. Wenn wir nicht bereit sind echte Demokratie in der EU einziehen zu lassen und weitreichende Kompetenzen an die EU abzugeben (und wie gesagt, das waere ein absolut akzeptabler Standpunkt, fuer den es gute Argumente gibt), dann brauchen wir ueber europaeische Verteidigung ueberhaupt nicht zu sprechen. Wo kein Staat ist, braucht es auch keine Armee. So einfach ist das.

    Was mir an Macrons Forderungen gefaellt, sind in erster Linie der Einstieg in einen europaeischen Haushalt, also europaeische Steuern und die verstaerkte Kooperation bei der Steuerharmonisierung. Bei vielem anderen nicke ich gerne, mehr europaeische Zusammenarbeit ist immer erwuenscht, aber das macht nur Sinn, wenn absehbar ist, dass sich die Menschen bald wieder mit dem Projekt EU identifizieren werden. Und das ist nur realistisch, wenn Europa endlich demokratisch legitimiert wird und die Buerger konkret sehen, dass die EU ihre Lebensverhaeltnisse aktiv verbessert. Gegenwaertig geschieht vielerorts das Gegenteil (siehe Griechenland). Wir brauchen also vor allem Kooperation im sozialen Bereich (den Punkt fand ich auch nirgendwo in Macrons Rede) und im gemeinsamen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Und einen gemeinsamen Aufbau von Infrastruktur, europaweite Investitionen in Entwicklung usw.

    • Stefan Sasse 26. September 2017, 19:54

      1) Kam doch vor? Er fordert paneuropäische Wahllisten, stärkere Aufsichts- und Entscheidungsfunktion in Wirtschafts- und Währungspolitik, als Beispiele.

      2) Absolut. Kommission zu beschneiden schlägt er ja auch vor.

      3) Ja.

      Meine Auflistung folgte nicht der Reihenfolge seiner Rede, sondern nach Themengebieten und eher zufällig; ich habe eine Zitatliste im Netz gesucht und schlicht deren Reihenfolge übernommen. Hat keine weitere Bedeutung.

      Ich stimme dir ansonsten völlig zu.

    • Ariane 26. September 2017, 20:58

      Ich würde nicht soweit gehen, zu sagen, dass sich niemand mit Europa identifiziert, gerade für die jüngeren Generationen ist das schon ein Thema. Siehe auch den Brexit oder die Pro-EU-Demos in Polen.

      Ich halte eine weitere Demokratisierung auch für notwendig, aber selbst das ist zweitrangig, solange man Europa nicht anständig mit positiven Narrativen unterfüttert. Das wurde sträflichst vernachlässigt! Und mittlerweile ziehen selbst die alten Versprechen nicht mehr. Frieden? Klar wollen alle, die Weltkriege sind mittlerweile aber sehr lange her und die NATO gibt es ja auch noch. Die EU ist da nicht mehr zwingend für notwendig, glaubt ja niemand, dass es bald einen Krieg in Europa gibt, weil die Briten nicht mehr dabei sind.
      Wirtschaftswachstum hat sich einerseits als Trugbild herausgestellt, auf der anderen Seite wurden Erfolge eh gerne national gefeiert und Misserfolge der EU zugeschrieben. Stärkung der nationalen Demokratie hat auch lange eine Rolle gespielt und hat bei Spanien und Griechenland gut funktioniert. Das ist mittlerweile total diskreditiert, weil Polen und Ungarn fröhlich ihren Staat wieder umbauen und man da kaum Handhabe hat bzw gewillt ist, sein politisches Kapital in die Waagschale zu werfen.
      Was Neues gab es nicht und kann es so auch nicht geben. Man hat die komplette Deutungshoheit den Kritikern überlassen (und da sind sich die extremen Linken und Rechten ja sehr einig) und selbst die SPD als größte proeuropäische Partei versteckt ihre Europa-Ideen ganz verschämt, weil das ja vielleicht Wähler verschrecken könnte. Die – na sowas aber auch- viele Vorurteile bezüglich der EU haben, weil ihnen nie jemand was anderes erzählt. Die Medien, die Politiker, die Parteien zeigen immer nur auf Europa, wenn etwas nicht funktioniert.

      Und solange sich daran nichts ändert, nützen alle schönen Ideen nichts. Dann ist es vollkommen egal, ob die Kommission oder das Parlament das Sagen hat, ob wir einen europäischen Außenminister oder nicht haben. Wenn die Stimmung in einem Land eurokritisch ist, wird jedes noch so gute Projekt abgeschmettert werden und die Parteien haben imo vergessen, dass sie eben für diese Stimmungen mit verantwortlich sind und sie beeinflussen können. Wenn sie den kritischen Stimmen hinterherlaufen, wird sich das nicht von selbst ändern, sondern nur verstärken.

      • Ralf 26. September 2017, 21:23

        Ich halte eine weitere Demokratisierung auch für notwendig, aber selbst das ist zweitrangig, solange man Europa nicht anständig mit positiven Narrativen unterfüttert. Das wurde sträflichst vernachlässigt!

        Genau! Ich erinnere mich an einen Fernsehbericht kurz nach dem Brexit-Referendum, in dem sich die Reporter empoerten, dass selbst in britischen Ortschaften, in denen die EU massiv in Infrastruktur investiert hatte, die Mehrheit gegen Europa gestimmt hatte. Dabei hatte die EU doch ein Schild aufgestellt, dass hier mit europaeischem Geld gebaut wird. Hatten die Briten etwa das Schild nicht gelesen?

        Da fragt man sich echt, wieviel die ganzen europaeischen Experten eigentlich von Marketing verstehen …

        • Ariane 26. September 2017, 21:42

          Jep, der Brexit zeigt eigentlich schön, wie das aussieht, wenn man Europa sozusagen einmal durchspielt. War ja auch so, Cameron und die Tories sind auf den Anti-EU-Kurs erst aufgesprungen, haben dann sowohl dafür als auch dagegen geworben. Labour und vor allem Corbyn & Co wussten nicht, ob sie nun dafür oder dagegen sein sollten und das war dann natürlich alles sehr halbherzig oder sogar etwas absurd. Die großen EU-Demos gab es ja schlauerweise erst nach dem Referendum.

          Und die Brexiters waren natürlich voll dabei und konnten auch recht ungestraft noch so hanebüchenen Unsinn erzählen. Und es nervt mich furchtbar, dass das nationale und rechte Lager alle Emotionen bei sich hat. Gilt für Brexit, aber genauso für AfD oder Trump. Da geht wirklich alles über Gefühle, bis ins Hysterische hinein. Und ich glaube nüchterne Fakten und ein bisschen Technobabble sind da zuwenig, man muss eigene, andere Emotionen dagegensetzen. Das versucht Macron jetzt und das ist der richtige Schritt. Noch besser wäre es, wenn Merkel in zwei Tagen eine pathetische (haha) Europarede hält und dann Rajoy und so weiter.

          Aber ach, wir wissen doch, wie es läuft. Wenn Merkel gefragt wird, findet sie Europa schon ganz gut, aber hier Finanztransaktion kann er gleich mal vergessen und bla. Und dann versandet sowas wieder. Man müsste wirklich erstmal eine riesige Werbekampagne fahren, bevor man die Detailarbeit plant.

          • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:31

            Es muss halt auch offensiver erklärt werden, was der Laden eigentlich Positives bringt außer so luftigen „Frieden“-Kategorien. Anstatt über die Glühbirnenregelung zu nölen um Populismus-Punkte zu scoren, könnte man vielleicht auch sagen warum diese europaweiten Regulierungen total gut sein können. „Das beste aus allen Ideen“, oder so. Quasi als regulatorischer Wettbewerb. Ton macht Musik.

        • Ariane 26. September 2017, 21:43

          Da fragt man sich echt, wieviel die ganzen europaeischen Experten eigentlich von Marketing verstehen …
          Das sind bestimmt die gleichen, die seit Jahren die SPD-Wahlkämpfe managen 😀

          • Ralf 27. September 2017, 01:01

            Das befuerchte ich auch ^^

        • Tim 27. September 2017, 08:01

          Dabei hatte die EU doch ein Schild aufgestellt, dass hier mit europaeischem Geld gebaut wird. Hatten die Briten etwa das Schild nicht gelesen?

          Wenn man aus sozialen Gründen Geld bekommt, wird das sehr oft als Erniedrigung wahrgenommen, die man dem Geldgeber nie verzeiht.

          • Logos 27. September 2017, 09:09

            Wenn man aus sozialen Gründen Geld bekommt, wird das sehr oft als Erniedrigung wahrgenommen, die man dem Geldgeber nie verzeiht.
            Woher haben Sie diesen Käse?
            Aus den Fingern gesogen?

          • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:33

            Manchmal ja, aber das scheint mir hier nicht zu passen. Die meisten Leute wissen ja gar nicht, dass das Geld von der EU kommt, und meistens werden Investitionen in Gemeinde auch nicht als „handouts“ betrachtet. Das trifft mehr auf direkte Transferzahlungen zu, für die man sich per Nachweis qualifizieren muss.

      • Logos 27. September 2017, 15:17

        … Stärkung der nationalen Demokratie hat auch lange eine Rolle gespielt und hat bei Spanien und Griechenland gut funktioniert.
        Was genau meinen Sie damit? Wann hat die Stärkung nationalen Demokratie in Griechenland gut funktioniert? Würden Sie das mal bitte konkretisieren? Danke.

        • Ariane 27. September 2017, 15:41

          Griechenland, Spanien und Portugal hatten nach dem zweiten Weltkrieg Militärdiktaturen. Alle drei Staaten durften der EU in den 80ern erst nach erfolgter Demokratisierung beitreten und die Aufnahme geschah auch explizit, um die Demokratie in diesen Staaten zu stützen. Und der Erfolg ist, dass in all diesen Ländern weiterhin demokratische Mindestanforderungen gelten und keine Militärdiktatur herrscht.^^

          Die erste Phase (Beitritt erst nach Demokratisierung) hat in Polen und Ungarn auch funktioniert. Allerdings wirkt die EU eher hilflos, wenn es darum geht, dass demokratische Prozesse nach Beitritt rückabgewickelt werden.

          • Stefan Sasse 27. September 2017, 19:32

            Korrekt. Die EU in Südeuropa war eine ziemliche Erfolgsgeschichte, wenn man die Stabilität dieser Staaten anschaut. Griechenland wählt immer noch demokratische Regierungen statt Neonazis, was angesichts der Situation in der es sich befindet mehr als erstaunlich ist.

    • Blechmann 27. September 2017, 01:55

      „Wir muessen uns endlich entscheiden, ob wir das Vereinte Europa wollen oder nicht.“

      Naja, das wäre doch einfach zu entscheiden. Machen wir eine Volksabstimmung. 😀

      Wer ist denn da bitte wir? Die Pro-EUler werden einfach versuchen das durchzusetzen und der Rest wird versuchen es zu sabotieren. Die Machtfrage wird entscheiden unter welchem Regime die ehemals Deutschen in Zukunft leben. So groß wird der Unterschied nicht sein. Im Falle des „Vereinten Europas“ haben wir dann die marktkonforme Demokratie, irgendeine Kommission oder ein Parlament, das bei 50% Wahlbeteiligung gewählt wird. Alles ganz demokratisch natürlich. Ansonsten weiter das klassische Modell.

      Apropros Machtfrage; reicht Macrons Machtfülle als Präsident denn aus, das alles durchzudrücken?

      • Ralf 27. September 2017, 03:13

        Naja, das wäre doch einfach zu entscheiden. Machen wir eine Volksabstimmung.

        Kein Problem. Machen wir ein komplettes Jahr lang Wahlkampf. Ueberall in der EU. Alle Politiker muessen sich positionieren. Ganz rein mit vollem Einsatz. Oder eben ganz raus. Ein europaeischer Staat oder die Aufloesung der Union. Endlich ein Ende fuer diese elenden Kompromisse in der Mitte, die keine Seite zufrieden stellen und dazu fuehrt, dass die EU mittlerweile von links, von rechts und aus der Mitte verachtet wird. Wir sollten ein Jahr lang debattieren, so dass alle Argumente gehoert wurden, aus allen Richtungen. Und dann abstimmen. Und wenn die Buerger kein Europa wollen, dann ist halt Schluss mit dem Euro. Schluss mit der Freihandelszone. Schluss mit dem Europaeischen Gerichtshof. Schluss mit dem Europaeischen Parlament. Dann geht halt alles wieder zurueck in die nationale Verantwortung.

        Und wenn die Buerger sich fuer Europa entscheiden, dann muss Schluss sein mit den staendigen nationalen Egoismen, die der Gemeinschaft im Wege stehen. Dann gibt es ein mit allen Rechten ausgestattetes und von den Europaeern gewaehltes Parlament. Dann waehlen die Europaeer zukuenftig ihre Regierung. Schluss mit der Kommission. Schluss mit dem Rat. Dann wird der Euro ueberall eingefuehrt. Dann gibt es eine Transferunion und Euro-Bonds. Gleiche Steuern, gleiche Gesetze in ganz Europa. Ein europaeischer Haushalt. Eine europaeische Armee. Eine europaeische Polizei. Und Englisch wird langfristig die offizielle Sprache. Ueberall in der EU.

        • Tim 27. September 2017, 08:05

          @ Ralf

          Und wenn die Buerger sich fuer Europa entscheiden, dann muss Schluss sein mit den staendigen nationalen Egoismen, die der Gemeinschaft im Wege stehen.

          Wer glaubt, die Demokratisierung der EU sei der Heilsbringer, irrt gewaltig. Was machen wir denn, wenn es EU-weit eine Zustimmung von – sagen wir mal – 55 % für den neuen Bundesstaat EU gäbe? Wir hätten dann immer noch 45 %, die das Projekt mehr oder weniger radikal ablehnen. Die Folge wäre eine Zweitspaltung der Gesellschaft wie in den USA.

          Nein, weitreichende politische Projekte in großen geographischen Einheiten sind in der westlichen Welt heute keine gute Idee mehr.

          Es hilft nur ein radikales Europa der Regionen, in denen die Regionen aber das Recht haben müssen, untereinander noch viel enger zu kooperieren als heute.

          • Logos 27. September 2017, 09:05

            Argumente abzubügeln mit den Hinweis, die geforderte Maßnahme sei kein Heilsbringer, ist tumb und billig.
            SOFERN (bewußt den Konjunktiv verwenddet) Ihre Einlassung eine valider Einwand wäre, so ließe sich damit JEGLICHE Forderung und jegliches Ziel entkräften. Denn nichts ist ein „Heilsbringer“.

            Nun hat Ralf ja überhaupt nichts von „Heilsbringer“ geschrieben.
            Das ist ja allein auf Ihrem Mist gewachsen. Warum bleiben Sie nicht einfach beim Thematisierten?

            Anders herum wird ein Schuh daraus:
            wer sich indirekt gegen eine Demokratisierung der EU ausspricht, der zeigt, wes Geistes Kind er ist.

        • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:34

          Ich bin für den inkrementellen Fortschritt. Ich halte wenig von den großen Sprüngen, Hopp oder Topp. Halte das für gefährlich.

          • Ariane 27. September 2017, 15:12

            Ich auch. Außerdem denke ich, dass die EU zu groß und komplex ist, um daraus eine On/Off-Beziehung zu machen. Auch hier wieder der Brexit: Dort hat die ältere Generation die jüngere überstimmt mit ihrem Nein. Die 30jährigen müssen aber noch viel länger in dieser Welt leben und ein Wiedereintritt wäre ggf eine jahrelange Sache.

    • Erwin Gabriel 27. September 2017, 08:46

      @ Ralf,

      Ich wäre, was meine Sicht auf Europa angeht, eher bei Ihrem Kumpel gewesen. Und bis auf einen Punkt kann ich Ihren Ausführungen zustimmen:

      Ungarn und Polen haben den europäischen Werte-Kanon nicht verlassen; Frau Merkel hat ihn verändert, und diese beiden Länder (andere werden folgen) zogen nicht mit.

      Vielleicht ist es ganz gut, wenn jetzt ein junger Idealist (bei dem Versuch, die Probleme sein es Landes zu. Lösen) intellektuell die Führung für die europäische Idee übernimmt. Er findet, da er sich mit den anderen Regierungen auf Augenhöhe befindet, deutlich eher Zuhörer als das Gespann Merkel/Schäuble mit ihrer Brieftaschen-gesteuerten Bestimmer-Politik.

      Was das Mehrheitswahlrecht angeht: Solange nicht die in Mehrzahl befindlichen ärmeren EU-Länder bestimmen, was die wenigen wohlhabenden Länder ihnen alles bezahlen müssen (Tendenzen dazugibt es ja), bin ich gerne dabei.

      Es grüßt
      E.G.

      • Logos 27. September 2017, 08:56

        Worin im Detail besteht „der europäische Werte-Kanon“?
        Und wo zeigen sich diese „europäischen Werte“ ganz konkret?
        Oder ist das nur Geschwafel, welches verpufft,
        sobald mal konkret nachgehakt wird?

      • bevanite 27. September 2017, 10:03

        Ungarn und Polen haben den europäischen Werte-Kanon nicht verlassen; Frau Merkel hat ihn verändert, und diese beiden Länder (andere werden folgen) zogen nicht mit.

        Wie meinen Sie das denn? Orbáns Roma-Gesetzgebung 2011 fand weitgehend ohne irgendeinen deutschen Einfluss statt, ebenso etwas spaeter das Mediengesetz und aktuell der Eingriff in die akademische Freiheit (Im Gegenteil: Gauck verlieh kurze Zeit spaeter noch einem dubiosen Rassentheoretiker aus der Fidesz-Regierung einen Preis!) Die Gleichschaltung von Judikative und Exekutive in Polen hatte auch nichts mit Merkel zu tun. Also – was dann?

        Es ist ja nicht mal so, dass Polen und Ungarn hier die Vorreiter sind: Als Berluscino in Italien einige Prinzipien der Gewaltenteilung über Bord warf, gab es auch ein paar verbale Proteste aus Brüssel, aber mehr auch nicht. Es ist derzeit so, dass man bestimmte Kriterien erfüllen muss, um der EU beizutreten, aber was danach passiert, scheint ziemlich egal zu sein. Und das ist das Problem.

        • Ariane 27. September 2017, 15:44

          absolute Zustimmung!
          Spaniens rigoroses Umgehen mit der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung würde ich ebenfalls mitzählen. Es macht den Eindruck, als müsste die EU dringend automatische Mechanismen erarbeiten, wie man mit antidemokratischen Gesetzen/Verstößen von EU-Mitgliedern umgeht.

          • Stefan Sasse 27. September 2017, 19:33

            Die Durchsetzung ist halt immer das Problem. Im Endeffekt bedeutet jeder solche Mechanismus einen Eingriff in die Souveränität der Mitgliedsstaaten.

      • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:37

        Polen und Ungarn sind sehr wohl voll aus dem Wertekanon raus. Bei aller Merkel-Kritik, die beiden verstoßen krass und offensichtlich gegen den acquis communitaire.

  • Tim 27. September 2017, 07:20

    Naja.

    Was Macron sagt und fordert, ist doch relativ egal. Er spricht für einen Bruchteil der Franzosen. Eine zukunftsorientierte EU-Reform wird niemals gelingen, am Ende geht es doch sowieso vor allem darum, neue Geldquellen zu erschließen, d.h.: die (derzeit noch) starken EU-Staaten anzuzapfen. Die Rechtspopulisten in Holland, Deutschland, Österreich bekämen noch mehr Aufwind, eine Zweiteilung in eine Nord- und eine Süd-EU würde wahrscheinlicher.

    Nicht wirklich clever von ihm und auch nicht wirklich ambitioniert.

    • Logos 27. September 2017, 09:08

      Die Rechtspopulisten bekommen solange noch mehr Auffwind,
      wie neoliberale Politik gegen die Gesellschaft exekutiert wird.
      Und Macron ist nun mal leider Neoliberaler.

  • Kning4711 27. September 2017, 08:52

    Zunächst muss man Macron dankbar sein, überhaupt aus der Deckung gegangen zu sein und neue Impulse in die europäische Debatte gegeben zu haben. Man könnte auch sagen: Macron möchte in der Europapolitik wieder Führung übernehmen – ein Feld, dass den Deutschen krisenbedingt zwar zugefallen war, jedoch eben nur aus dem Fokus Krisenmanagement bearbeitet wurde. Konkrete Ideen der EU Weiterentwicklung blieb die Führungsmacht Deutschland bislang schuldig.

    Ich bin sehr gespannt, welchen Einfluss die Ideen des französischen Präsidenten auf die Koalitionsverhandlungen nehmen werden. Insbesondere die Union befindet sich an einem Scheideweg – setzt sich der konservative Flügel durch, dann werden die überwiegenden Ideen des französischen Präsidenten verpuffen. Ob Merkels Autorität noch ausreicht, dass Thema in Ihrer letzten Legislaturperiode zu befördern, halte ich für überaus fraglich. Die Ideen haben derartigen Sprengstoff, dass es die Einheit von CDU / CSU zersprengen könnte.

    Gleichsam wurde sträflich versäumt die EU Debatte in Deutschland nicht schon viel früher geführt zu haben. Es gibt in Deutschland kein Zielbild für eine künftige EU. Jetzt muss diese Diskussion parallel mit Koalitionsverhandlungen geführt werden. Es werden spannende Wochen in Berlin.

    • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:40

      Richtig. In Deutschland wird das Thema aus Angst vermieden, weil jede Positionierung als gefährlich angesehen wird (leider nicht zu Unrecht).

  • Logos 27. September 2017, 08:52

    Was macht Sie zu einem „überzeugten Europäer“?
    Wovon genau sind Sie überzeugt?

    • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:41

      Von der langsamen Integration der Nationalstaaten in ein gemeinsames Staatswesen. Von der Schaffung und Auslebung einer gesamteuropäischen Identität.

  • Kirkd 27. September 2017, 12:16

    Heute war in der FAZ übrigens ein gemeinsamer Auftritt deutscher und französicher Ökonomen, in dem zu einer Annäherung der wirtschaftspolitischen Doktrinen beider Länder aufgerufen wurde. Auf deutscher Seite waren mit Fuest (konservativ) und Fratzscher (Gabriels Hofberater) durchaus unterschiedliche Strönungen beteiligt. Es klang für mich so, als wäre das Teil einer Vorfeldstrategie, die eine Zusammenarbeit Merkel/Macron vorbereitet.

  • Kirkd 27. September 2017, 12:22

    „Steuern und Währung. Im Rahmen seiner Kritik an der Steuerflucht der Internetfirmen schlägt Macron eine umfassende EU-Steuerreform vor, die sich am Wertschöpfungsprozess ignoriert und den juristischen Standort der Firma weitgehend ignoriert. Das ist mehr als überfällig, dürfte aber in Deutschland nicht sonderlich gut ankommen.“

    Das wird vor allem in Irland, den Niederlanden und Luxemburg nicht gut ankommen. Das deutsche Aussensteuerrecht hat noch nie allein auf den juristischen Standort abgestellt sondern immer auf die Substanz. Für Deutschland als Exportland ist vor allem entscheidend, welche Rolle der Produktion des Gutes und welche Rolle der Kaufkraft des Importers bei der Verteilung der steuerbaren Profite zwischen den Ländern zukommt.

    • Stefan Sasse 27. September 2017, 12:42

      Vollkommen richtig. Ich denke auch der Widerstand ist eher politisch, weil diese Kompetenzen bei der EU bei CDU und FDP nicht sonderlich gut angesehen sein dürften.

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