Die Clinton-Tapes

 logo_general_fin_webIn einer Ironie politischen Timings, die wohl nicht nur Ted Cruz nicht witzig findet, ist eine der potenziell größten Enthüllungen über Clinton mit dem Todesstoß für Trump zusammengefallen. Wikileaks, vermutlich unterstützt von russischen Hackern, veröffentlichte eine erste Ladung Emails von Clintons Hauptstrategen John Podesta, in denen sich Szenen aus den Innereien des Clinton-Wahlkampfs und Zitate aus ihren Wallstreet-Reden finden. Es sind diese Reden, die Bernie Sanders in den Vorwahlen so effektiv als Waffe nutzen konnte, und es war Clintons Weigerung ihren Inhalt preiszugeben der dem Verdacht, dass sie schwerwiegende Enthüllungen enthielten, ständig neue Nahrung gaben – ganz ähnlich wie Trumps Weigerung, seine Steuererklärung zu veröffentlichen. Es ist Pech für Trump, dass seine eigenen Skandale jeglichen politischen Sauerstoff absaugen und die neuesten Clinton-Enthüllungen wohl folgenlos bleiben werden. Aber das muss uns ja nicht davon abhalten darüber zu sinnieren, wie alles hätte anders verlaufen können.

Was genau enthalten die Clinton-Reden? Die meistpublizierten Aussagen soweit sind ihre Aussage, dass sie „eine öffentliche und eine private Meinung“ haben und beide voneinander trennen müsste, dass die Beteiligung der Wallstreet an der Finanzkrise „übertrieben und politisiert“ sei und dass das richtige Maß an Regulierung der Wallstreet – „nicht zu viel und nicht zu wenig“ – nur im Zusammenspiel mit der Wallstreet und ihrem Fachwissen zu finden sei. Daneben erklärt sie, eine „freie westliche Hemisphäre mit offenen Grenzen“ und entsprechendem Freihandel anzustreben und dass Amerika „zwei moderate und pragmatische“ Parteien brauche und erteilt damit sowohl einem Bernie Sanders als auch einem Donald Trump oder Ted Cruz eine klare Absage. Viel mehr als diese Aussagen ist bislang nicht bekannt, aber Wikileaks hat weitere Mails versprochen.
Die Bewertung dieser Offenbarungen muss in zwei Dimensionen erfolgen. Erstens, wie wirkt sich das auf die Kandidatin Clinton aus? Ist sie eine Lügnerin und Betrügerin, die das eine sagt und im Amt das andere tut, wie es Sanders-Unterstützer immer prophezeit haben? Zweitens, welche Auswirkungen würden die Reden haben, wenn Clinton nicht gerade gegen Donald Trump antreten würde? Es muss an dieser Stelle klar gesagt werden, dass man diese Fragen aus einer (für Clinton) wohlwollenden oder weniger wohlwollenden Perspektive betrachten kann. Ich habe aus meiner Sympathie für sie bisher keinen Hehl gemacht; die folgenden Ausführungen sind also in diesem Licht zu betrachten.
Widmen wir uns zuerst der Frage nach Clinton selbst. Rein technisch gesehen erfahren wir über sie in den neuen Offenbarungen nichts, was wir nicht schon vorher wussten. Auch das teilt sie mit dem NBC-Mitschnitt über Trumps sexuelle Übergriffe: neu ist das alles eigentlich nicht. Wer hier überrascht tut, hat die letzten Monate und Jahre unter einem Stein verbracht. Neu ist allenfalls das Explizite, das sich-nicht-verstecken-können. Die Clinton-Äußerungen zeigen aber vor allem ihre große Nähe zu Barrack Obama, denn die Äußerungen hätten genausogut von ihm kommen können. Das mag überraschen. Aber bei Obama fielen Image und Realität schon immer auseinander. Weder der Hope&Change-Messias des Wahlkampfs 2008 noch der liberale Tyrann der republikanischen Propaganda der Jahre seither haben viel mit der Realität gemein. Obama ist ein pragmatischer, moderater Zentrist – in einem Land, in dem sich der politische Schwerpunkt seit den 1980er Jahren nach rechts verschoben hat.
Wenn Clinton also erklärt, dass die Wallstreet in Regulierungsbemühungen eingebunden werden muss ist das identisch mit Obamas Erklärung 2009, dass die Versicherungsindustrie „a chair at the table“ habe – nur eben nicht alle Stühle kaufen dürfe. Wenn sie sagt, dass Democrats und Republicans beide „moderat und pragmatisch“ sein sollten – das predigt Obama seit 2004. Offene Grenzen und Freihandel als wichtigstes Mittel zum Wohlstand? Ist Obamas Politik von Anfang an; er kämpft heute noch so gut er kann für TPP. Wie man ernsthaft aus Clintons (oder Obamas) bisheriger Karriere zu einem anderen Schluss kommen kann ist mir schleierhaft. Und ein Politiker muss seine „öffentliche und eine private“ Meinung trennen? Duh, you don’t say. Das macht jeder Politiker seit Adam und Eva.
Genau deswegen sind solche Enthüllungen und Nachforschungen durch Journalisten auch so wichtig. Sie erlauben es der Öffentlichkeit, ein genaues Bild von einem Politiker zu bekommen. Man muss auch vorsichtig sein, einer der beiden Darstellungen zu viel Gewicht zu geben. Clinton unterstüzte auch einmal den Irakkrieg, aber sie hat ihre Meinung geändert. Auch das passiert häufig. Die aktuellen Enthüllungen sind etwa kein Beleg dafür, dass Clintons opportunistischer Meinungswechsel bezüglich TPP reine Augenwischerei ist. Dies mag durchaus sein, und ihr Herz ist ziemlich sicher auf Seiten des Freihandels. Aber im Guten wie im Schlechten ist Clinton Politiker. Wenn die öffentliche Meinung gegen TPP ist, ist sie auch gegen TPP. So sollte das in einer Demokratie auch funktionieren.
Ihre Kritiker von links übersehen auch die Politikfelder, auf denen sie deutlich progressiver als der Mainstream ist. Und ja, die gibt es, gab es immer. Clinton war 2008 die „linkere“ Kandidatin vor Obama! Es ist die Außenpolitik, auf der sie sich stark von ihm und anderen Linken unterscheidet, weil sie ein klarer Falke mit einer Vorliebe für bewaffnete Interventionen ist (woraus sie auch nie ein Geheimnis gemacht hat). Aber in der Innenpolitik hat sie Positionen, die häufig links von Obama sind, oder wenigstens ebenbürtig. So ist ihr Hauptpolitikfeld, ihr Leib-und-Magen-Thema, die Familienpolitik. Clinton kämpft für Regelungen, wie wir sie in Europa schon lange haben: bezahlter Mutterschaftsurlaub, garantiertes Rückkehrrecht in den Beruf für mindestens ein Jahr für Mütter, bezahlte Krankheitstage, eine starke Ausweitung der Vorschulbetreuung und vieles mehr. Hier ist sie ein größerer Fan europäischer Sozialstaaten als Bernie Sanders, für den das nie ein großes Thema war (was möglicherweise auch seine geringere Attraktivität für weibliche Wähler erklärt). Clinton ist außerdem eine glaubhafte Vertreterin von Minderheiten.
Um die Betrachtung der ersten Fragestellung abzuschließen: Clinton hat sicherlich eine größere Nähe zur Wallstreet und einen moderateren Instinkt, als die Rhetorik der Vorwahlen manchmal vermuten ließ. Aber es ist nicht so, als wäre das Land bisher davon ausgegangen, sei sei eine Art weiblicher Bernie Sanders und fühlt sich nun verraten. Clinton gewann die Vorwahlen letztlich mit ihrer eigenen Botschaft, nicht, weil sie Sanders‘ komplett übernommen hätte.
Die zweite Frage ist etwas neutraler untersuchbar. Hätten die Enthüllungen ihr massiv geschadet, wenn nicht gerade Donald Trump ihr Gegner wäre? Das ist letztlich eine Variation der Frage, ob sie gegen einen anderen Republican – Mike Pence, John Kasich, Ted Cruz, Marco Rubio, Jeb Bush – auch gewinnen würde. Um das zuerst aus dem Weg zu schaffen: ich denke ja. Viele Beobachter des Wahlkampfs begehen den Fehler, Clintons Stärke allein Trumps Schwäche zuzuschreiben. Sie unterschlagen regelmäßig die tatsächlich existierende Basis, die von Clinton ebenso stark überzeugt ist wie Sanders‘ Fans von ihm, sie unterschlagen die Stärke ihrer Wahlkampforganisation, und sie unterschlagen die strukturellen Vorteile der Democrats in Form einer ordentlichen Wirtschaftsentwicklung, eines sehr beliebten Präsidenten und der Demographie.
Bei der Bewertung der Wirkung der Mails muss man sich außerdem vor Augen halten, dass der Wahlkampf gegen einen anderen Kandidaten nicht der Wahlkampf gegen Trump minus dessen rassistische und sexistische Ausschläge wäre. Ein Kampf gegen John Kasich etwa hätte völlig andere Themen. So wäre TPP vermutlich überhaupt kein Thema, weil die konservative Orthodoxie, der Kasich anhängt, keinerlei Probleme mit dem Abwandern von Industriejobs durch Freihandel hat. Stattdessen wäre die Frage nach Abtreibungsregeln und Planned Parenthood viel mehr auf der Platte, würde viel mehr über das Steuersystem und das Ryan-Budget gesprochen werden. Die Republicans ihrerseits würden viel mehr versuchen, Clinton als eine Linksradikale darzustellen. Die Enthüllungen hätten daher keinen so furchtbaren Boden, wie sie das jetzt – theoretisch, ohne den Trump-Faktor – hätten.
Man muss bei Analysen vorsichtig sein, den jetztigen Stand einfach als Basis zu nehmen und dann den Kandidaten auszutauschen. Diesen Fehler machen die Republicans gerade auch, wenn sie glauben, dass Mike Pence wesentlich erfolgreicher als Trump wäre, und diesen Fehler machen Democrats, wenn sie glauben, dass Bernie Sanders wesentlich besser abschneiden würde als Clinton. Die Kandidaten heißen Clinton und Trump, nicht Sanders, nicht Pence, nicht Kasich. Ein Jahr Wahlkampf, davon ein halbes Jahr unter einem intensiven Brennglas medialer Beobachtung und gandenloser gegnerischer Attacken verändert jeden Kandidaten. Clintons Resilienz gegen die Enthüllungen kommt auch von der ausführlichen Durchleuchtung, die sie vor, während und nach den Vorwahlen genießen durfte. Keiner der anderen Kandidaten kann das von sich behaupten. Man sollte deswegen vorsichtig sein, ihnen einen messianischen Status zu geben.
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  • Erwin Gabriel 9. Oktober 2016, 12:03

    Das läuft ja wie in einem Hollywood-Streifen – immer, wenn man denkt, dass das jetzt das finale Monster war, kommt ein größeres, böseres hervorgekrochen.

    Ich schliße mich der Einschätzung an, dass sowohl Trumps Entgleisungen als auch Hillarys Wall-Street-Nähe bei den eingefleischten Fans schon eingepreist sind. Interessant ist daher, wie die moderaten und auch die christlich orientierten republikanischen Wähler reagieren, denen Trump schon eh suspekt war, und wie die „moralisch anspruchsvollen“ Bernie-Sanders-Fans reagieren, die eventuell nur wegen Trump bei Hillary ein Kreuzchen gemacht hätten.

    Falls Hillary das Trump-Thema aufbringt, muss sie jedenfalls mit ein paar heftigen Kontern zu den Belästigungen (die bis zum Vorwurf der Vergewaltigung reichen) rechnen, die ihr Mann beging, und die sie wohl aktiv mit Lügen und Drohungen zu vertuschen half.

    Mann, bin ich froh, dass das da drüben und nicht hier passiert.

    PS:
    Dass Sie „Symparthien“ für eine Politikerin wie Hillary Clinton haben, obwohl diese eine Vorliebe für „bewaffnete Interventionen“ (=Angriffskrieg!!!) hat, erstaunt mich immer wieder.

  • Erwin Gabriel 9. Oktober 2016, 13:27

    Hätte Hillary nur die betrogene Ehefrau gemimt, wäre ja alles gut. Aber wie gesagt, sie hat beim Vertuschen der Anschuldigungen eifrig mitgemischt. Das hat nichts mit konservativ oder liberal zu tun.

    Und selbst, wenn Frau Clinton in Vielem positiver rüberkommt als ihr Gegenkandidat, dass gerade nach den Ein- und Angriffen im Nahen Osten, eine interventionistische Ader (positive Bezeichnung für Kriegstreiberei) gar nicht geht – unabhängig vom Kandidaten.

    Ich bin auch kein Trump-Fan. Ich finde es nur immer wieder erstaunlich, dass es Berichte zu dem Thema wie im SPIEGEL gibt. Da wird, mit nur wenigen nebensächlichen Übertreibungen, ein (aus meiner Wahrnehmung) sehr realistisches, abschreckendes Bild von Donald Trump gezeichnet, während man zu Hillary Clinton extreme Schönfärberei betreibt. Da werden Skandale weggelogen, da werden diverse, wiederholte Lügen (etwa zum Email-Skandal, der immerhin die Sicherheit der Vereinigten Staaten betrifft) „einige unscharfe Aussagen“ etc.

    Da trüben treten zwei der peinlichsten Politiker an, die die freie Welt (neben Silvio Berlusconi) je gesehen hat, und hier wird wieder gut gegen böse draus gemacht. Ist böse gegen böse.

    • Stefan Sasse 9. Oktober 2016, 13:42

      Ich sehe ehrlich gesagt nicht, dass Clintons Skandale eine besonders positive Note bekommen würden. Sie wurden in den Medien exzessiv breitgetreten und ihr monate- und jahrelang nachgetragen. Nur sind ihre Skandale nicht so schlimm wie Trumps, und sie ist deutlich besser darin mit ihnen umzugehen.

    • Stefan Pietsch 9. Oktober 2016, 14:08

      Bill Clinton war der erfolgreichste Politiker der letzten 30 Jahre. Es ist eher bedauerlich, dass sein Erbe so wenig gewürdigt wird.

      Und was haben Sie eigentlich alle gegen interventionistische Einsätze?! Die Europäer haben Anfang der 1990er Jahre mit diplomatischen Initiativen so lange herumgewedelt, bis hundertausende Bosnier, Kroaten, Muslime und Kosovaren massakriert waren. Die USA haben sich aus Afghanistan und Irak militärisch zurückgezogen, sie überlassen in Syrien die Interventionen einem Menschenschlächter und einem Russen, der UN-Hilfskonvois und Krankenhäuser zu militärischen Angriffszielen benennt. Man kann bei aller Liebe nicht behaupten, dass die amerikanischen Zurückhaltung unter Obama die Welt sicherer oder friedvoller gemacht habe. Konflikte werden, anders als in den 1990er Jahren nicht mehr gelöst, sondern zelebriert.

      Ich kann eher mit Zielradar ausgestatteten Bomben leben, die tatsächlich größtenteils militärische Einrichtungen treffen als Kriegsparteien, denen niemand in den Arm fällt, wenn sie Faßbomben auf Zivilisten werfen, Frauen, Kinder und Kranke zu gewünschten Opfern gemacht werden. Da bin ich etwas altmodisch.

      Da habe ich lieber einen US-Präsidenten mit Oralverkehr im Oval Office.

      • Stefan Sasse 9. Oktober 2016, 14:36

        Ich hab was gegen dumme Interventionen, nicht gegen Interventionen per se.

        Und Obama ist einer der erfolgreichsten Politiker der letzten 50 Jahre und du würdigst sein Erbe nicht 😀

        • Stefan Pietsch 9. Oktober 2016, 15:00

          Was sind dumme Interventionen? Putin agiert sicher nicht dumm im strategischen Sinne. Also in Ordnung?

          Von Bill Clinton schreiben Historiker, dass die USA damals ihre letzte echte Blüte erlebten. Obama wird als erster schwarzer Präsident in die Geschichtsbücher eingehen. Aus meiner bescheidenen Warte ist das Erste mehr wert.

          • Ariane 9. Oktober 2016, 17:01

            Ich muss zugeben, dass ich auch mehr und mehr Falke werde, von daher schreckt Hillary mich da so gar nicht. Hatte neulich ebenfalls die Diskussion, dass es besser gewesen wäre, nach Libyen mit Syrien weiterzumachen. Hätte sicher andere Probleme geschaffen, aber nichts, was SO viele Opfer und Vertriebene und zerstörte Kulturstätten gefordert hätte.

            • Stefan Pietsch 9. Oktober 2016, 20:13

              Ich verneige mich. Und zwar nicht wegen Deiner Position, sondern weil es immer sehr schwer ist, ein Stück von seinen Werten abrücken zu müssen, weil andere wichtiger sind.

            • Erwin Gabriel 9. Oktober 2016, 22:03

              Wäre die Welt vielleicht nicht doch besser dran als heute, wenn man den Irak und Libyen nicht angegriffen hätte? Wenn man sich in Syrien rausgehalten hätte? Da gab es bis zum Wirken des Westens keine Bürgerkriege.

              Ich bin echt fassungslos, mit welch überheblicher Leichtfertigkeit der eine oder andere Möchtegern-Weltkenner und Salon-Diplomat hier dem (Angriffs-)Krieg das Wort redet.

              • Stefan Pietsch 9. Oktober 2016, 23:08

                Vorsicht, junger Mann. Nur weil jemand aus humanitären Gründen militärische Einsätze befürwortet, macht ihn das noch nicht zu einem Bellezisten. Und Putins Intervention ist mit Sicherheit keine humanitäre.

                In Libyen hat eine internationale Koalition lediglich dafür gesorgt, dass sich ein Diktator mithilfe seiner militärischen Macht halten konnte. Afghanistan war vor dem Eingreifen der Alliierten und nach deren Abzug schlechter dran. Während die Truppen stationiert waren, hatte ein Teil der Bevölkerung wenigstens etwas Sicherheit. Das ist vorbei.

                Wie sieht Ihr friedfertiges Szenario denn aus? Richtig, Sie haben keins, aber stellen wir uns das mal vor. Assad war festentschlossen, sich unter allen Umständen an der Macht zu halten. Seine Strategie besteht darin, jeden zu vertreiben oder zu ermorden, der sich gegen das Regime stellt. So ähnlich haben sich das auch die Nazis vorgestellt. Es ist praktisch unmöglich, sich von so einer Diktatur und deren Mordschwadronen zu befreien. Aber Sie müssen da ja auch nicht leben. Nur, die Flüchtlinge wollen Sie auch nicht.

                Eine sehr bequeme Haltung. Milosevic, Assad, Gaddafi sind die Typen von Diktatoren, die ihre Bevölkerung im Zweifel nicht nur mit polizeistaatlichen Mitteln, sondern eben auch mit Panzern und Massenvernichtungswaffen disziplinieren. Sorry, an dieser Stelle halte ich ein militärisches Eingreifen für besser als jede andere Alternative. Wenn Sie das anders sehen, zeigen Sie diese bitte auf.

                • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 09:16

                  Geschätzter Stefan P.,

                  vorab: den jungen Mann gebe ich genauso bereitwillig zurück wie die Ermahnung zur Vorsicht.

                  Jeder von uns (ich eingeschlossen) sitzt am Frühstückstisch oder vorm Fernseher, trinkt ein Tässchen Kaffee oder genießt ein Glas Rotwein, liest Zeitung, schaut fern, geht ins Internet und bildet sich in der Weltpolitik. Aber keiner von uns hat auch nur ansatzweise eine Ahnung, was wirklich in vielen Teilen der Welt (wir reden hier nicht von der Schweiz) geschieht.

                  An die wichtigen Informationen kommen wir erst gar nicht heran; falls doch, würde uns die Zeit, das Wissen und die Technik fehlen, sie vernünftig zu interpretieren. Die Informationen, die wir bekommen, sind weit stärker gefiltert und deutlich kräftiger geschönt als in den Bekanntschaftsanzeigen von Parship. Auf welcher Basis sollte nun ein Herr Sasse, eine Ariane, Sie oder auch ich beurteilen können, wann eine „Intervention“, ein Angriffskrieg oder eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes, angebracht ist?

                  Dann hat uns auch die Geschichte ausführlich genug gelehrt, dass Länder wie die USA oder Russland ausschließlich in anderen Ländern eingreifen bzw. andere Länder angreifen, wenn sie einen direkten Vorteil erringen können oder eine Verbesserung der Machtposition erzielen.

                  Saddam Hussein, Muammar Ghadaffi und Baschar Al-Assad waren/sind sicherlich ziemlich wüste Despoten, die zum Machterhalt über Leichen gehen. Aber das gilt beispielsweise auch für Kim Jong-Un, für viele Herrscher in Afrika, oder für (ehemalige) Regime wie das von Pinochet, Papadopoulos oder Franco, wo man sich auch raushielt oder gar unterstützte. Wo liegt die Grenze, wer entscheidet, wann und wo sie überschritten wird? Wir etwa?

                  Und was ist der „bequemere“ Weg? Gegen Interventionen zu sein und auf Diplomatie zu setzen, oder aus der Ferne zuzuschauen, wie die USA, Russland und viele andere mit weit überlegener Waffentechnik /Flächenbombardements, Drohnen etc) ganze Gegenden in Schutt und Asche legen ohne Rücksicht auf die Bevölkerung?

                  Und selbst wenn Assad heftig gegen (vom Westen aufgeputschte und bewaffnete) Regimekritiker vorging – normale Menschen hatten vordem ihre Ruhe, unabhängig von ihrer Religion. Weder im Irak, noch in Libyen, noch in Syrien ist irgendetwas durch das militärische Eingreifen besser geworden für die Menschen dort. Schön für Sie, wenn Sie da auch einmarschiert wären, aber die meisten Menschen hätten gerne ihr altes Leben zurück.

                  Wir unterliegen bei der Beurteilung anderer Länder in anderen Kulturen permanent dem Fehler, alles durch unsere westlichen, aufgeklärten, saekulären, demokratisierten Augen zu betrachten. Demokratie ist nicht für jedes Land, nicht für jede Bevölkerung die beste Regierungsform.

                  Für Demokratie braucht man gebildete, informierte Wähler, die sich dann auch noch mit Sach- statt mit Glaubensfragen beschäftigen sollten. Wo es das nicht gibt, ist Demokratie fehl am Platz. Bildung hält der Demokratie die Türe auf, nicht Waffen.

                  • In Dubio 10. Oktober 2016, 09:53

                    Alles nicht falsch und trotzdem sind doch einige gravierende Schönheitsfehler in dem, was Sie sagen.

                    Die relevanten Informationen kommen von der Regierung, genauer von der Administration, die demokratisch legitimierte Politiker kontrollieren sollen. Diese Informationen sind in einem demokratischen und Rechtsstaat meist richtig und zutreffend und in manchen Fällen nicht. Über die (wenigen) Fälle, wo das nicht zutraf, diskutieren und klagen wir noch nach Jahrzehnten an.

                    Wissen Sie: ich habe ein Grundvertrauen in die demokratischen Regierungen des Westens, schon allein deshalb, weil gezielte, bewusste Desinformation irgendwann aufgedeckt wird und die rechtlichen, mehr noch die gesellschaftlichen Strafen für Fehlverhalten gravierend sind. Ich vertraue Beamten und der Justiz. Studien zeigen, dass Menschen, die mit einem solchen Vertrauen in ihre Umwelt weit besser durchs Leben kommen als die Misstrauischen. Und erzählen Sie mir nicht, das George W. Bush die Argumente für den Irak-Krieg manipuliert hatte. Das weiß ich auch. Nur: die Fakten für das Afghanistan-Mandat waren nicht manipuliert, das sollte man dann auch erwähnen.

                    Die Bombardierung Bagdads ging nicht auf irgendeinen Vorteil für die USA zurück. Wo bleibt Ihre Anklage an der Stelle an die europäische Diplomatie, die jahrelang (!) ein Schlachten vor der eigenen Haustür zugelassen hat?! Wo?! Erst als der Flugzeugträger USS Enterprise in der Adria in Stellung ging und die Jets aufstiegen, war Schluss mit dem Morden auf dem Balkan. Der Einsatz kostete nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 500 Menschen das Leben. Die Jugoslawien-Kriege forderten über 100.000 Tote, nicht gezählt die Folterungen und sonstige Opfer. Eine einfache Abwägung: hätte man früher die 500 Toten der Flugangriffe in Kauf genommen, wäre dem Balkan viel Leid erspart geblieben.

                    Und wer redet von Bodenkräften?! Mit Luftschlägen lassen sich Diktatoren in die Schranken weisen, das reicht häufig, um zu verhindern, dass sie militärische Mittel gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Assad kann nur deswegen so skrupellos vorgehen, weil sich der Westen dieser Option beraubt hat. Niemand redet davon, diese Völker bekehren zu wollen. Aber zu verhindern, dass Diktatoren jedes, wirklich jedes auch geächtete Mittel einsetzen, um ihre Bürger zu disziplinieren oder, wie im Falle Syriens, zu vertreiben, dafür bin ich schon.

                    Sie dagegen müssen sich vorhalten lassen, dass Sie auch den Abwurf von bio- und chemischen Waffen goutieren – lässt sich leider ja nichts dagegen machen.

                    • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 10:35

                      Wie immer die Feder provokant gespitzt 🙂

                      Ich mir das „Goutieren“ von B- und C-Waffen nicht vorhalten lassen, denn waffentechnisch „goutiere“ ich gar nichts.

                      Dann muss man wohl zwei Sachen trennen: Wehrt man sich gegen einen Aggressor, oder macht man mal eben mit militärischen Mitteln Politik zu eigenem Vorteil. In Afghanistan hat man Krieg gegen ein Land (und damit auch zwangsläufig gegen einen Teil der Bevölkerung) geführt, weil ein saudischer Terrorist dort Unterschlupf fand. Jetzt, nach 15 Kahren Krieg, also deutlich länger als der erste und zweite Weltkrieg zusammengenommen, ist man nicht wirklich weiter. War das also der richtige Weg?

                      Im Irak ging es ganz klar um westliche Interessen. Im Nahen Osten balzten vier Regime (Türkei, Irak, Iran, Saudi-Arabien) um die Vorherrschaft. Die Türkei und Saudi Arabien gelten als US-Verbündete. Saddam nicht, dazu verfügt der Irak über sehr große Ölreserven. Der Iran wurde durch Sanktionen schwach gehalten.

                      Ich sehe – außer dem Eingreifen der Amerikaner im Jugoslawien-Krieg – nicht wirklich nennenswerte Situationen, die sich durch externes militärisches Eingreifen (ist ja nicht nur der Westen) verbessert haben. In der Regel wurde es schlimmer.

                      Ob und wo Kriege entstehen, können weder Sie noch ich beeinflussen, das ist mir ja auch klar. Dennoch erschreckt mich die offenbar weitverbreitete positive Grundhaltung zu militärischen Einsätzen ungemein. Auch „gute“ (genauer: „gut gemeinte“) Kriege kosten viele Leben, erzeugen viel Leid, und bringen praktisch nie das gewünschte Ergebnis.

                    • Rauschi 10. Oktober 2016, 10:54

                      Erst als der Flugzeugträger USS Enterprise in der Adria in Stellung ging und die Jets aufstiegen, war Schluss mit dem Morden auf dem Balkan.
                      Sie haben aber schon mitbekommen, das Milosovic von allen Anklagepunkten frei gesprochen wurde?
                      Das ICTY in Den Haag hat den verstorbenen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic in aller Stille von Kriegsverbrechen freigesprochen, die während des bosnischen Krieges von 1992 bis 1995 begangen wurden, einschließlich des Massakers von Srebrenica.
                      Quelle: https://www.jungewelt.de/2016/09-12/038.php
                      Soviel zur Aufklärung über die Medien, oder haben Sie das in der Tagesschau vernommen?
                      Krieg für Menschenrechte ist ein Widerspruch in sich, weil dabei das oberste Menschenrecht, das Recht auf Leben, einem Teil der Menschen einfach aberkannt wird. Es gibt keinen humanen Krieg und es gab noch nie humane Gründe für einen Krieg.
                      Es gibt immer Sausäcke auf beiden Seiten, auf welche Seite wollen Sie sich schlagen?

                    • In Dubio 10. Oktober 2016, 11:34

                      Sie sind wie immer süß! (Trump-Attitüde)

                      Sie haben aber schon mitbekommen, das Milosovic von allen Anklagepunkten frei gesprochen wurde?

                      Wissen Sie, was Sie immer wieder verdächtig macht? Wenn Sie Quellen verwenden, die nicht seriös sind und dann auch noch von Medien stammen, die Sie sonst mit Sicherheit nicht lesen. Mit anderen Worten: Sie suchen nach etwas, was Ihren Vorstellungen entspricht. Dass Sie damit immer wieder auf die Nase fallen, scheint Sie bisher nicht gestört zu haben. So viel zum Persönlichen.

                      Machen wir es kurz: Ihre Aussage ist, wenig überraschend, falsch. Milosevic starb, bevor ein Urteil gefällt werden konnte. Es kam zu keinem Abschlussbericht. Dagegen ist die damalige Chefanklägerin del Ponte sicher, dass Milosevic aufgrund der erdrückenden Beweislast verurteilt worden wäre. Belassen wir es dabei. Es gab kein Urteil. Punkt.

                    • In Dubio 10. Oktober 2016, 11:46

                      In Afghanistan hat man Krieg gegen ein Land (und damit auch zwangsläufig gegen einen Teil der Bevölkerung) geführt (..).

                      In Afghanistan hat man genau betrachtet gar nichts geführt. Man hat beispielsweise durch Luftaufklärung die Nordtruppen bei der Vertreibung der Taliban aus Kabul unterstützt. Danach wurden Verteidigungstruppen stationiert, die in Abstimmung mit der nationalen Regierung Polizeiaufgaben übernahm. Ich sehe da schon einen qualitativen Unterschied.

                      Wissen Sie, wie lange die alliierten Truppen in Deutschland stationiert waren? Ist Ihnen bekannt, dass noch 1969 deutsche Generäle von einem Putsch gegen die mögliche „sozialistische Regierung“ Brandts planten? Und das war mitten in Europa fast 25 Jahre nach Kriegsende. So etwas braucht Zeit, wenn Sie meinen, generationendauernde Konflikte binnen einer Dekade befrieden zu können, so gehen Sie von falschen Annahmen aus. Haben Sie das mal in der eigenen Familie versucht? 😉

                      Im Nahen Osten balzten vier Regime (Türkei, Irak, Iran, Saudi-Arabien) um die Vorherrschaft. Die Türkei und Saudi Arabien gelten als US-Verbündete.

                      Mir ist nicht bekannt, dass die USA eine dieser beiden Länder maßgeblich in ihrer geostrategischen Politik unterstützt hätten. Die USA machen auch seit Jahrzehnten Druck auf Europa, die Türkei in die EU aufzunehmen. Wie man sieht mit durchschlagendem Erfolg.

                      Dennoch erschreckt mich die offenbar weitverbreitete positive Grundhaltung zu militärischen Einsätzen ungemein.

                      Genau damit tun Sie Ihren Opponenten Unrecht. Es gibt keine positive Grundhaltung zu militärischen Einsätzen. Es gibt nur Leute wie ich, die irgendwann (!), nicht am Anfang, des Schlachtens und Mordens überdrüssig sind und dann (!) eine klare westliche und militärische Antwort wünschen.

                      Meine Grenze habe ich klar gemacht: wenn eine Diktatur nicht mehr nur polizeistaatliche Mittel, sondern stärkste militärische Waffen zur Disziplinierung der eigenen Bevölkerung einsetzt, ist der Rubikon überschritten.

                  • In Dubio 10. Oktober 2016, 10:19

                    Der „junge Mann“ war flapsig gemeint, so wie ich es liebe. Natürlich weiß ich, dass Sie etwas älter sind als ich. Aber ich denke, ein gewisser, lockerer Umgangston tut der Sache keinen Abbruch. 😉

                    • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 12:51

                      >>Genau damit tun Sie Ihren Opponenten Unrecht. Es gibt keine positive Grundhaltung zu militärischen Einsätzen. Es gibt nur Leute wie ich, die irgendwann (!), nicht am Anfang, des Schlachtens und Mordens überdrüssig sind und dann (!) eine klare westliche und militärische Antwort wünschen.<<

                      Damit kann ich leben. Aber wenn Sie sich nochmal die Äußerungen am Anfang der Debatte anschauen, liest sich das deutlich (!) anders.

                    • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 13:38

                      „Ich werde das Alter nicht zum Thema dieser Diskussion machen. Ich will für politische Zwecke nicht Jugend und Unerfahrenheit meines Opponenten ausschlachten.“

                      🙂

                      PS / Off Topic: Respekt für den 1. FC. Die Geißböcke nehmen die Liga ganz schön auf die Hörner.

                    • In Dubio 10. Oktober 2016, 14:11

                      Ich hab‘ immerhin gut getippt und trotzdem gegooglt: Der Satz, der Ronald Reagan die Wiederwahl gegen Walter Mondale sicherte. 🙂

                      Wie man in Köln so schön sagt: nächste Saison spielt der FC Champins Lieg. 🙂

                  • bevanite 10. Oktober 2016, 11:12

                    Woher kommt eigentlich die im Netz immer wieder vorgebrachte Lüge, „der Westen“ habe in Syrien Regime-Gegner „aufgeputscht und bewaffnet“? Ähnliches liest man in konservativen Online-Medien generell über den arabischen Frühling. Ist der Gedanke, dass sich nach jahrzehntelanger Tyrannei, überwachenden Polizeistaat und systematischen Einsperren von Regimegegnern, in der Bevölkerung authentischer Widerstand formiert, wirklich so abwegig? In Europa sind wir doch durch unsere Erfahrungen der Jahre 1988-1990 (bzw. bereits vorher in Polen Anfang der Achtziger) mit ähnlichen Entwicklungen vertraut. Die Ägypter und die Syrer hatten ebenso wie die Ostdeutschen die Diktatur satt. Nur fielen eben die Reaktionen der Machthaber anders aus. Und genau so wenig wie die ostdeutschen, polnischen, ungarischen Bürgerbewegungen vom Westen aufgestachelt waren, waren es die Demonstrierenden vom Tahir-Platz.

                    • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 13:36

                      >>Woher kommt eigentlich die im Netz immer wieder vorgebrachte Lüge, „der Westen“ habe in Syrien Regime-Gegner „aufgeputscht und bewaffnet“?<<

                      Von CIA-mitarbeitern, die sich in Interviews und Dokumentationen geäußert haben.

              • Ariane 10. Oktober 2016, 01:12

                Naja, ich war nie Pazifist oder Isolationist, aber wie Dubio auch macht mich das nicht gleich zu einem Bellizisten.

                Man muss ja gucken, wo man anfängt. Hätten die Europäer vor Hunderten von Jahren da nix kolonisiert, wüssten wir vielleicht noch gar nicht, dass da Leute wohnen 😛 Dass Augen zuhalten die Welt eben nicht friedlicher macht, sollten Zustände wie in Syrien oder auch Ruanda eigentlich bewiesen haben. Nur Tote, die eben nicht vom Westen verursacht werden, interessieren dann komischerweise nicht. DAS nenne ich mal eine zynische Haltung.

                Die Irakinvasion 2003 halte ich auch für Quark, aber wir sollten nicht vergessen, dass da schon seit zig Jahren ein Bürgerkrieg in Gange war. Auch die Taliban sind nicht friedlich an die Macht gekommen. Wo zum Teufel kommt denn bitte die Vorstellung her, dass alle friedlich zusammenleben, solange der Westen nichts macht?
                Wenn man sich in Syrien rausgehalten hätte?
                Hab ich was nicht mitbekommen? Wir haben uns da doch brav rausgehalten und den Rebellen vor paar Jahren von Weitem viel Glück gewünscht.
                Jetzt ist ein Großteil der Syrer tot oder geflüchtet, durch Fassbomben und Giftgas. Die Russen nehmen Hilfskonvois und Krankenhäuser als Ziele her, so dass kein einziger Helfer mehr da ist und der Rest der Überlebenden verhungert. In den Badlands breitet sich der IS aus, zerstört uralte Kulturgüter und bringt den Rest der Bevölkerung um.
                Das sehe ich ähnlich wie Dubio. Es ist sehr einfach, die Hände in Unschuld zu waschen, weil der Westen nichts macht, aber man sollte die Augen nicht davor verschließen, dass da Massen an Menschen sterben oder vertrieben werden.

                • Marc 10. Oktober 2016, 07:09

                  Weshalb hätte sich bei einer Syrien-Intervention nicht das Afghanistan-Szenario entwickeln sollen?

                  • In Dubio 10. Oktober 2016, 08:20

                    Sie haben das Argument nicht verstanden. Selbst das Afghanistan-Szenario erscheint manchem besser als Aleppo 2016.

                    • Marc 10. Oktober 2016, 08:28

                      Ich ich finde beide gleich ########

                    • In Dubio 10. Oktober 2016, 08:36

                      Gut, dann machen wir es wie beim Augentest: wenn für Sie beide gleich ######, das Afghanistan-Mandat aber das schlechteste aller Interventionsszenarien ist, dann wäre – rein mathematisch betrachtet natürlich – das immer noch besser als keine Intervention aus humanitären Gründen. Zumindest müssten Sie diese Position nachvollziehen können. Ganz ohne #######.

                    • Marc 10. Oktober 2016, 08:48

                      Ich glaube, dass bei einem vollständigen Waffen- und Munitions-Embargo das Morden schneller aufhört als bei einer militärischen Intervention. Aber Sorry, ich will ihnen mit Logik, Vernunft und Humanismus (Pfui, Bäh!) nicht zu nahe treten.

                    • In Dubio 10. Oktober 2016, 08:54

                      Tolle Idee! Und so praktikabel. Die meisten Länder der Welt produzieren Waffen, sogar Syrien. Vielleicht sollten wir es Assad untersagen, Fassbomben zu erstellen und sie abzuwerfen? Mit Russland ist sogar eine Vetomacht nicht nur an der Seite der Schlächter von der syrischen Armee engagiert, sondern gleichzeitig einer der größten Waffenschmieden der Welt. Und Russland hat letzte Woche gezeigt, dass es von einem Waffenstillstand gar nichts hält – die legten gegen alle anderen ihr Veto ein.

                      Und was nun? Was ist nun mit Ihrem tollen Vorschlag?

                    • Marc 10. Oktober 2016, 09:14

                      Ich lasse ihn auf dem Tisch liegen.

                • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 09:27

                  >>Es ist sehr einfach, die Hände in Unschuld zu waschen, weil der Westen nichts macht, aber man sollte die Augen nicht davor verschließen, dass da Massen an Menschen sterben oder vertrieben werden.<> Hab ich was nicht mitbekommen? Wir haben uns da doch brav rausgehalten und den Rebellen vor paar Jahren von Weitem viel Glück gewünscht.<<

                  Von weitem viel Glück gewünscht? Es gab Geld, es gab Waffen, es gab Informationen – alles außer einer direkten militärischen Unterstützung. Hat Assad so sehr geschwächt, dass ein Großteil des Landes jetzt unter Kontrolle des IS steht, dass Millionen Menschen gestorben oder auf der Flucht sind, und dass, wer immer da unten in welchem gebiet auch herrschen wird, ein radikaler Islamist sein wird.

                  Auf das Glück hätten alle verzichten können.

                  • Ariane 10. Oktober 2016, 11:28

                    Das ist doch Wahnsinn. Der Westen ist schuld wegen minimaler Unterstützung?
                    Die meiste Unterstützung ging an die Kurden, weil die kurz vor einem Massaker standen. Und die halten momentan die einzigen Gebiete in Syrien, in denen es sich noch halbwegs leben lässt.

                    • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 13:14

                      Es ist nachvollziehbar, dass sich auch in Syrien Teile der Bevölkerung auch ohne „Anstachelung“ von außen, bzw. nur durch die Ereignisse des „Arabischen Frühlings“ inspiriert, gegen Assad auflehnten – das war auch nicht gemeint.

                      Aber diese rein islamisch geprägte (wenn Sie unbedingt wollen) „Bürgerrechtsbewegung“ wurde als Chance wahrgenommen, den ungeliebten Russland-Verbündeten Assad aus dem Amt zu hebeln. Es gab seitens der CIA Geld, es gab Waffen, so dass sich der Konflikt auf beiden Seiten hochschaukelte. Natürlich hatten die Protestierer / Rebellen gegen Flugzeuge und Panzer nichts zu bieten, und gingen spätestens dann unter, als die hochgerüstete ISIS einmarschierte. Man hat damals versucht, Putin einzubinden, der aber wollte, dass Assad bis zur nächsten Wahl im Amt bleibt. Die USA lehnten das damals ab. Wäre es nach Putin gegangen, wäre Assad inzwischen weg – relativ friedlich.

                      Man mag einwenden, dass im nachhinein jeder klug ist, und dass diese Entwicklung nicht absehbar war. Aber es gab genug Geheimdienstler, die genau dieses Szenario vorhergesagt haben: Wenn man die Rebellen nur mit Waffen unterstütze, sei das zu wenig. Entweder erst garnicht rein, oder richtig. Richtig wollte Obama nicht, sich raushalten auch nicht.

                      Jetzt haben wir das (vereinfachte Darstellung; die Wirklichkeit ist deutlich komplizierter):
                      http://www.deutschlandfunk.de/media/thumbs/3/36e9a14492378824f97867f2650b4c8dv1_abs_550x672_b3535db83dc50e27c1bb1392364c95a2.jpg

                  • bevanite 10. Oktober 2016, 11:54

                    Es gab Geld, es gab Waffen, es gab Informationen – alles außer einer direkten militärischen Unterstützung. Hat Assad so sehr geschwächt, dass ein Großteil des Landes jetzt unter Kontrolle des IS steht

                    Ach Du meine Güte. Assad hat sich, wenn überhaupt, selbst geschwächt, in dem er 2011 die friedlichen Proteste niederschlug und keine Gespräche mit der Opposition suchte. Ein „runder Tisch“ stand in Syrien niemals zur Debatte. Zu diesem Zeitpunkt gab es den IS in Syrien überhaupt nicht (dessen Vorläuferorganisationen waren damals nur im Irak tätig).

                    Wenn Honecker 1989 hätte schießen lassen, hätten Sie dann auch behauptet, die USA würden das Neue Forum finanzieren?

                    • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 13:28

                      Zu Syrien: Da ging alles ineinander über, und lässt sich nicht so schön trennen, wie Sie das tun.

                      Nehmen Sie ansonsten das Vorgehen des Westens in der Ukraine als Beispiel. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat US-Außenminister Baker den Russen versprochen, die Nato nicht nach Osten zu erweitern. Inzwischen steht man direkt an der russischen Grenze. Man hat in der Ukraine, in der ein großer Teil der Bevölkerung russisch, ein noch größerer Teil westlich geprägt ist (hervorragende Basis für einen Bürgerkrieg), fast gewaltsam Richtung EU und NATO gedrängt, und mithilfe der Opposition (inkl. Nazis) einen gewählten (und halbwegs russenfreundlichen) Präsidenten vertrieben. Zum Zeitpunkt des Maidan-Zwischenfalls war der CIA-Chef in Kiew, aus, wie er angab, privaten Gründen.

                      Manche Dinge entwickeln sich vielleicht besser, wenn man ihnen mehr Zeit lässt. Das hätte ich mir auch für Syrien und Libyen gewünscht.

                    • sol1 10. Oktober 2016, 20:26

                      „Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat US-Außenminister Baker den Russen versprochen, die Nato nicht nach Osten zu erweitern.“

                      *megagähn*

                      http://www.zeit.de/2014/41/nato-russland-usa-deutsche-wiedervereinigung/komplettansicht

                    • Stefan Pietsch 11. Oktober 2016, 06:22

                      Richtig! Der 2+4-Vertrag sieht nur vor, dass keine NATO-Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationiert werden. Wäre die Behauptung wahr, stellte sich die Frage, warum die UdSSR nicht darauf bestanden hat, dies in dem völkerrechtlichen Vertrag zu regeln. Schließlich wussten auch damals die Russen, dass demokratisch gewählte Politiker nur ein Mandat auf Zeit haben. Sie können keine mündlichen Zusagen treffen, die für die Ewigkeit gelten.

                      Der Kreml wollte genau geregelt haben, dass auf dem Gebiet der DDR keine Atomwaffen und andere stationiert werden dürfen, hat aber die weitreichende Zusage, die NATO nicht auf den damals noch existierenden Ostblock auszudehnen, mit einem Gentlemen’s Agreement belassen?

                • Blechmann 12. Oktober 2016, 08:56

                  „Die Irakinvasion 2003 halte ich auch für Quark, aber wir sollten nicht vergessen, dass da schon seit zig Jahren ein Bürgerkrieg in Gange war. Auch die Taliban sind nicht friedlich an die Macht gekommen.“

                  Und die USA hatten mit der Machtergreifung der Taliban, vorher Mudschaheddin und Freiheitskämpfer tituliert, natürlich nix zu tun. Oder mit dem Bürgerkrieg im Irak. Da wurde komischerweise der Diktator unterstützt und das Giftgas, die aufständischen Kurden zu vergasen, hat Deutschland geliefert. Eigentlich natürlich zum Einsatz im Angriffskrieg gegen den Iran gedacht.

                  „Wo zum Teufel kommt denn bitte die Vorstellung her, dass alle friedlich zusammenleben, solange der Westen nichts macht?“

                  Und wo kommt die Vorstellung her, dass militärische und politische Interventionen des Westens dieses Zusammenleben irgendwie verbessern? Oder dass das der Grund für die Interventionen wäre?

                  • In Dubio 12. Oktober 2016, 09:36

                    Und die USA hatten mit der Machtergreifung der Taliban, vorher Mudschaheddin und Freiheitskämpfer tituliert, natürlich nix zu tun.

                    Wir können natürlich auch bei den Briten im 19. Jahrhundert beginnen oder beim russischen Einmarsch 1980, die das Land immerhin 10 Jahre besetzt hielten. Und das war eine richtige Besatzung. Nix UN und so.

                    Ohne amerikanische Waffen wären die Muslime der Besatzungsmacht völlig ausgeliefert gewesen. Und die war, Sie ahnen es, völkerrechtswidrig. Ist ähnlich wie in Syrien.

          • sol1 9. Oktober 2016, 17:36

            „Putin agiert sicher nicht dumm im strategischen Sinne. “

            Er agiert nicht dumm im taktischen Sinne, aber eine langfristige Strategie kann ich in seiner Kraftmeierei, hinter der, wie jeder wissen sollte, eine schwachbrüstige Wirtschaft steht, nicht erkennen.

            • Erwin Gabriel 9. Oktober 2016, 22:13

              >> Er [Putin] agiert nicht dumm im taktischen Sinne, aber eine langfristige Strategie kann ich in seiner Kraftmeierei, hinter der, wie jeder wissen sollte, eine schwachbrüstige Wirtschaft steht, nicht erkennen.<<

              An wem liegt das – an Putin oder an Ihnen?

              Wie bei den USA lässt sich das Wirken nach innen und nach außen nicht voneinander trennen. So hat bislang noch praktisch jeder US-Präsident einen Grund für eine "Intervention" gefunden, auch, um daheim als durchsetzungsstark zu gelten.

              Ist bei Putin nicht anders.

              • In Dubio 10. Oktober 2016, 08:22

                Carter? Obama? Seltsame Vergleiche, die Sie ziehen. Auslandsengagements sind seit Irak 2003 so unbeliebt in den USA, damit gilt kein Präsident als „durchsetzungsstark“.

                • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 13:18

                  Einen Carter-Obama-vergleich habe ich nicht gebracht. Und Kriege sind schon seit Vietnam unbeliebt, und trotzdem zündelt jeder Präsident nicht nur aus Notwendigkeit.

              • Erwin Gabriel 11. Oktober 2016, 08:09

                @ sol1

                https://www.youtube.com/watch?v=dW3DWgMAwz0

                Immerhin klärt sich für mich die Frage mit der Wahrnehmung.

                • sol1 11. Oktober 2016, 16:08

                  Wie oben von Stefan Pietsch schon geschrieben – entscheidend ist auf dem Platz, und der Platz sind völkerrechtliche Verträge.

                  Es besteht auch kein Grund zur Annahme, daß die NATO-Osterweiterung gegen Rußland gerichtet wäre. Es ging in den 1990er Jahren vor allem darum, den osteuropäischen Raum zu stabilisieren. Wenn man das in Russland anders gesehen hätte, hätte Putin wohl kaum 2001 einen NATO-Beitritt ins Spiel gebracht:

                  http://www.faz.net/aktuell/politik/russland-debatte-nato-beitritt-in-der-logik-130230.html

                  • Marc 12. Oktober 2016, 07:04

                    Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Atommächten liegt die Entscheidung nicht auf dem Platz, sondern im Weltuntergang, Vollhonk.

                    • In Dubio 12. Oktober 2016, 09:33

                      Ich denke, Stefan hat hier guten Grund, einen Teil Ihres Kommentars zu löschen. Wir wär’s mit einer Entschuldigung Ihrerseits?

                      Weder Stefan noch ich wollen solche Kommentare lesen.

          • Erwin Gabriel 9. Oktober 2016, 22:25

            Da kann ich zustimmen. Immerhin: Obama hat auf der einen Seite einen Friedensnobelpreis bekommen. Andererseits sind die USA unter seiner Regentschaft mehr Tage im Krieg als unter der Regentschaft irgend eines anderen Präsidenten zuvor:

            http://www.nytimes.com/2016/05/15/us/politics/obama-as-wartime-president-has-wrestled-with-protecting-nation-and-troops.html?_r=0

            • In Dubio 10. Oktober 2016, 08:25

              Noch so ein schräger Vergleich. Obama hat den Friedensnobelpreis dafür bekommen, US-Präsident geworden zu sein. Hoffen wir, dass das Gleiche nicht Donald Trump widerfährt.

              Bush hat zwei echte Kriege begonnen, Obama beide beendet. Das ist wie Ballbesitzfussball.

              • Erwin Gabriel 10. Oktober 2016, 13:34

                In Afghanistan stehen immerhin noch 5500 Mann, auch im Irak sind die Amerikaner präsent.
                Zu dem Thema Irak / Afghanistan / Obama / ISIS gibt es übrigens einige bemerkenswerte Aussagen von Gen. David Petraeus. Da erfahren Sie vielleicht ein bisschen mehr.

                • Kning 11. Oktober 2016, 22:32

                  Bislang fehlten leider den großen militärischen Interventionen des Westens der Plan B für’s Nation Building. Hier braucht es einen sehr langen Atem, Frustationstoleranz und starkes Commiment.

                  Auf dem Balkan gibt es nach wie vor keine ganzheitliche Friedensordnung, die auch den Menschen in Serbien oder Bosnien an der Friedensdividende partizipieren lässt. Stattdessen baut Europa nun Zäune und verbaut weitere Wegen für Wohlstand und Stabilität.

                  In Afghanistan könnte man durchaus bilanzieren, dass 12 Jahre Dauereinsatz außer zerbrochenen Veteranen dem Westen nichts gebracht hat. Die Region ist weiterhin höchst instabil, die Drogenproduktion kommt zu neuer Blüte und die mühsam errungenen gesellschaftlichen Fortschritte wegen sukzessive kassiert oder von Korruption und Vetternwirtschaft verschlungen.

                  In Syrien schauen wir weiterhin einem Bürgerkrieg zu, in dem die Welt- und Regionalmächte Ihre Stellvertreter Kriege führen. Ob Aleppo oder andere namenlose Vororte der Hölle deren Bilder abend für abend in unsere Wohnzimmer gesendet werden. Wie zynisch muss internationale Diplomatie sein, dass uns das Schicksal tausender Kinder und Zivilisten so kalt lässt, dass man nicht mal eine Waffenruhe organisieren kann, die eine Woche hält?

                  Ich glaube der Westen kann hier mehr tun. Kann man Russland keine Perspektive in Syrien für eine Zukunft ohne Assad bieten?

                  • Blechmann 12. Oktober 2016, 08:29

                    „Ich glaube der Westen kann hier mehr tun. Kann man Russland keine Perspektive in Syrien für eine Zukunft ohne Assad bieten?“

                    Naja, der Westen, oder besser die USA, will aber nicht. Die Grundidee ist doch, einen Verbündeten der Russen nach dem anderen auszuschalten.

                    Jugoslawien–>Syrien–>Ukraine–>???

                    Die Einwände und Bedenken der Russen wurden in den drei Fällen systematisch ignoriert, was auch Sinn macht, denn im Konsens ist das wohl kaum möglich. Die Russen glauben, dass sie diesen Plan der Amis durchkreuzen können, und die Amis glauben, dass sie das nicht können. Ein Dissenz über die Machtverhältnisse lässt sich nur in der Praxis auflösen, indem man es probiert. Würden die Russen in Syrien und Ukraine nachgeben, wird sofort sagen wir Weißrussland das Ziel. Die USA haben 4 Mrd für die *hüstel* Demokratisierung der Ukraine investiert (laut eigener Aussage), also für den pro-westlichen Putsch gegen die gewählte Regierung. Die nächsten 4 Mrd fließen beim Erfolg dann in den nächsten mit Russland verbündeten Staat. Da hat Putin natürlich kein Interesse dran. Also wird er den Stellvertreter-Krieg in Syrien am Kochen halten, solange kein grundsätzlicher Konsens mit dem Westen über die Einflusszonen besteht. Das Ziel des Westens, also der USA, ist aber die Umwandlung Russlands in einen Vasallenstaat wie Deutschland. Vulgo die Demokratisierung Russlands; die Unterwerfung Russlands unter das Völkerrecht, dass die USA ganz offen für sich selbst nicht anerkennen.

                    Solange die USA nicht anerkennt, dass dieses Ziel nicht realistisch ist, oder Russland sich dem Westen, also den USA, unterwirft, werden die Stellvertreter-Kriege weitergehen.

                    Was allerdings mich allerdings stört, dass Deutschland sich an diesem Machtkampf auf Seite der USA beteiligt. Erstens bezweifle ich, dass es den USA gelingen wird, Russland zu einem Vasallen zu machen und zweitens ist das für Deutschland auch nicht wichtig, ob ihnen das gelingt. Wieso also tragen wir die erheblichen Kosten dafür, politisch, moralisch und finanziell?

                  • In Dubio 12. Oktober 2016, 09:31

                    Ah, der Westen hat etwas gegen Assad, weil der Verbündeter Russlands ist? Wenn das so ist, warum wirkt Putin nicht auf Assad ein, das Morden zu beenden?

                    Wie zynisch muss internationale Diplomatie sein, dass uns das Schicksal tausender Kinder und Zivilisten so kalt lässt, dass man nicht mal eine Waffenruhe organisieren kann, die eine Woche hält?

                    Ersetzen Sie „international“ durch „russisch“. Russland hat im Sicherheitsrat sein Veto gegen die Ausweitung der Waffenruhe eingelegt. Ja, zynisch und pervers.

      • Blechmann 11. Oktober 2016, 13:45

        >Die Europäer haben Anfang der 1990er Jahre mit diplomatischen Initiativen so lange herumgewedelt, bis hundertausende Bosnier, Kroaten, Muslime und Kosovaren massakriert waren…<

        Das ist aber nur ihre Version. Die USA haben die jugoslawischen Muslime unter Umgehung des Waffenembargos so lange heimlich mit Waffen versorgt, bis hundertausende Tote ihnen die gewünschte Rechtfertigung verschafft haben, Jugoslawien zu zerschlagen. "Minimale Hilfe" ist eben nur schlecht, wenn Putin das in der Ukraine macht und seine humanitären Gründe sind natürlich nicht so gut wie unsere. Man kann auch nicht behaupten, dass der militärische Interventionismus von George Bush die Welt sicherer und friedvoller gemacht hat. Wozu solche demokratisch kontrollierten Politiker fähig sind hat man in Vietnam gesehen. Welche Konflikte hat Bill Clinton denn gelöst? Den Bürgerkrieg in Somalia?

        Humanitäre Kriege gibt es nicht. Da bin ich etwas realistisch. Wobei Somalia eine Ausnahme sein könnte, da sind die Amis nach 18 Toten wieder abgezogen. So schnell geben sie sonst nicht auf, wenn nationale Interessen im Spiel sind.

        Als Hauptproblem an den "humanitären Angriffskriegen ohne UN-Mandat" sehe ich, dass die Idee des Völkerrechts damit aufgegeben wird. Humanitäre Gründe vorschieben kann schließlich jeder. Es ist ja nicht so, dass außerhalb der NATO das irgendwer glaubt. Es ist also eine reine Rechtfertigung nach innen.

        • In Dubio 12. Oktober 2016, 09:29

          Die USA haben die jugoslawischen Muslime unter Umgehung des Waffenembargos so lange heimlich mit Waffen versorgt, bis hundertausende Tote ihnen die gewünschte Rechtfertigung verschafft haben, Jugoslawien zu zerschlagen.

          Sie wissen aber schon, dass im Bosnien-Krieg fast nur Muslime und Kroaten gestorben sind? Oder nicht? Haben die Amerikaner untaugliche Waffen geliefert? Mussten die armen Serben sich gegen die muslimischen so wehren?

          Das ist ziemlich albern, was Sie anführen. Wie das Grundgesetz (Urteile des BVerfG), wie die Bundesregierung, wie die meisten demokratischen Parteien befürworte ich, Einsätze unter UN-Mandat wohlwollend zu prüfen. Die LINKE im Bundestag lehnt auch solche militärischen Einsätze ab. Sollte nur mal erwähnt werden.

  • Rauschi 10. Oktober 2016, 12:28

    @In Dubio
    Dagegen ist die damalige Chefanklägerin del Ponte sicher, dass Milosevic aufgrund der erdrückenden Beweislast verurteilt worden wäre. Belassen wir es dabei. Es gab kein Urteil. Punkt.
    Das nennt sich Rechtsstaat, es reicht, wenn der Ankläger von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist, schöne neu Welt? Haben Sie nicht geschrieben, Sie glauben an die Justiz und dann so was?
    Ach nein, es gibt kein Urteil?
    Wenn allerdings Karadzic wegen der Morde in Srebrenica verurteilt wurde, spricht das nicht seinen Gegner frei? Nein, sicher haben die gemeinsame Sache gemacht.
    Wenn sie englisch beherrschen, können Sie selbst lesen:
    http://www.unmict.org/sites/default/files/cases/public-information/cis-karadzic-en.pdf
    Von keiner dubiosen Seite, sondern der offiziellen Seite des ICTY.
    Ich verbitte mir aber jeden Vergleich mit Trump, denn Kindergartenspiele sind Ihr Fachgebiet.
    Bevor Sie mir wieder vorwerfen, ich würde falsche Informationen verbreiten, bitte mal selbst prüfen, was Sie so von sich geben. Es gibt vielleicht keinen Abschlussbericht zu Milosevic, aber zu den Taten, die ihm vorgeworfen wurden.

    • In Dubio 10. Oktober 2016, 12:47

      Trump-Attitüde war gegen mich gemünzt, man nennt das Selbstironie. Ich wollte damit keineswegs despektierlich Ihnen gegenüber sein.

      Nein, natürlich ist die Einschätzung der Anklage am Ende nicht maßgebend, sie ist aber das einzig belegbare, was am Ende bleibt. Zu einem Rechtsstaat gehört, dass mit dem Tod eines Angeklagten sämtliche Strafverfolgungsmaßnahmen enden. So war das auch im Fall Milosevic. Freispruch durch Tod, sozusagen. Es ist aber nicht das, was Sie behauptet haben und darauf kommt es an.

      Karadzic war nicht wegen exakt der gleichen Vorgänge wie Milosevic angeklagt. Die Anklagepunkte:

      Anklagepunkte Kroatienkrieg:
      Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter
      Verfolgung, Tötung, Folter und unmenschliche Behandlung.
      Kriegsverbrechen und Verstöße gegen die Genfer Konventionen
      Deportation von mindestens 170.000 Kroaten und anderen Nicht-Serben
      Das Massaker von Vukovar
      Die Belagerung von Dubrovnik

      Anklagepunkte Bosnienkrieg: zusätzlich die folgenden Verbrechen:
      Völkermord, allein über 8000 Opfer beim Massaker von Srebrenica
      Tausende Ermordete in den Gefangenenlagern Omarska und Keraterm.

      Anklagepunkte Kosovokrieg:

      Zum Kosovo-Krieg wurden Milošević darüber hinaus die folgenden Verbrechen vorgeworfen:
      die systematische Vertreibung des albanischen Bevölkerungsteils geplant, befohlen und betrieben zu haben
      die Vertreibung von 800.000 Zivilisten aus dem Kosovo
      den Tod von mindestens 900 Menschen
      Verbrechen gegen die Menschlichkeit
      Kriegsverbrechen.
      Quelle: Wikipedia

      Karadzic wurde für die Belagerung Sarajevos, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Teilen Bosniens und für den Völkermord in Srebrenica mit 8000 Toten verurteilt.

  • Erwin Gabriel 11. Oktober 2016, 17:15

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