Treuhand Athen im Spiegelsaal

Die Troika ist wieder da. Sie heißt zwar immer noch „die Institutionen“, was Wolfgang Schäuble vermutlich wurmt. Es scheint dass wenn es nach Mr. Isch Over geht, Alexis Tsipras persönlich in einem Eisenbahnwaggon die Rück-Umbenennung unterzeichnen müsste. Tatsächlich ist die Liste, die die Euro-Finanzminister nun auf 14 Seiten zusammengefasst haben, ein einziger Diktat für die griechische Regierung, der vor allem die komplette Unterwerfung zelebriert. Und ich will hier gar nicht wieder das große Fass von Demokratie und Solidarität aufmachen. Griechenland ist de facto bankrott und befindet sich gerade in der Abwicklung. Zu glauben, dass man in so einer Situation – die Währungsunion und ihre geteilte Souveränität einmal ganz außen vor gelassen – noch die volle Autonomie über die eigenen Angelegenheiten hat wäre hochgradig illusionär. Nur muss sich die Eurogruppe fragen lassen, wie aus der Konkursmasse Griechenland mit den aktuellen Forderungen noch irgendetwas herausgeholt werden soll.

So etwa sind die Folgen der geforderten Mehrwertsteuererhöhung ziemlich absehbar: nicht nur belastet die regressive Steuer gerade die Bevölkerungsgruppen, die ohnehin bereits am schwersten getroffen sind, sie torpediert auch noch einen der letzten funktionierenden griechischen Wirtschaftszweige, den Tourismus. Ebensowenig ist erkennbar, warum ausgerechnet eine Stärkung des Finanzsektors in Griechenland nachhaltiges Wachstum ermöglichen sollte. Nach Lage der Dinge könnte dies nur ein ausländischer, aufgepropfter Finanzsektor sein, denn griechisches Kapital gibt es praktisch keines mehr. Fragt sich nur, in was dieser Finanzsektor investieren sollte – aber da findet sich im Papier ja gleich die nächste Lösung. Und hier offenbart sich auch die Natur dieses Teils des Forderungskatalogs: absurde 50 Milliarden Euro soll Griechenland durch Privatisierungen von Staatseigentum erlösen. Erreicht werden soll dies, indem die zu privatisierenden Güter in eine Treuhand überführt werden, die dann – unter Troika-Aufsicht – die Privatisierungen durchführt.

Das ist geradezu lächerlich. Ausgerechnet Wolfgang Schäuble, der schon ein direkt Verantwortlicher des Treuhand-Desasters nach der deutschen Einheit war, will dasselbe gescheiterte Modell Griechenland aufdrücken. Damals wie heute profitierte vor allem der Finanzsektor – der ja die technische Umsetzung der Privatisierungen vornimmt und dabei eine goldene Nase verdient – und diejenigen, die das Zeug zu Ramschpreisen kaufen konnten. Und niemand kann ernsthaft behaupten, dass es etwas anderes als Ramschpreise geben würde. Der Zeitrahmen für die Umsetzung dieser Maßnahmen ist so lächerlich klein, dass auch nur eine halbwegs ordentliche Bewertung der Assets unmöglich ist, geschweige denn eine vorherige Sanierung oder sonstige Maßnahmen, um das alles ordentlich abzuwickeln.

Stattdessen ist der Ablauf bereits schmerzhaft deutlich sichtbar: die europäischen Finanzinstitute und Investoren werden die Troika-Regeln zum größten Ausverkauf seit Jahren nutzen und, ohne dass die Griechen auch nur das geringste Mitspracherecht hätten, alle Kronjuwelen zu Spottpreisen aufkaufen. Der unverkäufliche Rest wird dann von einer korrupten Treuhand zugrunde gerichtet und untergehen. Der einzige Lichtblick für die Griechen ist, dass nach Durchführung dieses Programms wirklich jede Region Griechenlands sich auf Jahrzehnte hinaus für die EU-Förderung wirtschaftlich schwacher Regionen qualifizieren wird. Dieses Papier sagt nichts anderes als dass die Jagdsaison eröffnet ist, und Glücksritter wie Guy Verhofstadt, die privat mit Firmen engagiert sind die diese Privatisierungen organisieren und öffentlich über das Europaparlament genau diese von Griechenland erzwingen sind nur die sichtbarsten Exponenten einer Reihe neuer Krisengewinnler. Viele davon dürften personal-identisch mit denen sein, deren griechische Staatsanleihen zwischen 2010 und 2014 von der Troika risikofrei, aber mit voller Rendite auf Kosten des Steuerzahlers abgelöst wurden.

Dass vor diesem Hintergrund die harschen Kontrollen der Troika wieder eingeführt werden, verwundert kaum. Erneut muss jeder für die Programme relevante Gesetzesentwurf, bevor das griechische Parlament darüber abstimmen darf, von der Troika abgesegnet werden muss. Syrizas gefeierter Rauswurf der Troika vor einigen Monaten wendet sich nun gegen sie, denn offensichtlich kam die Rettung ja ohne sie nicht; stattdessen folgten die Krisengipfel immer schneller auf härter aufeinander. Dass das natürlich in einem solchen Zeitrahmen unter diesen Bedingungen  mit einer unerfahrenen Partei kaum anders zu erwarten ist – geschenkt, das interessiert niemanden mehr. Syriza hat hoch gepokert und zumindest auf diesem Feld klar verloren, denn die Bilanz sieht verheerend aus. Griechenland hat die Kontrolle über sein eigenes Schicksal endgültig verloren.

Ein Passus der betont, dass die Umsetzung all dieser Maßnahmen die Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen ist und keineswegs Prognosen für deren Abschluss zulässt ist da nur noch eine weitere Demütigung. Die nächste Eskalationsstufe wäre der Einmarsch und die direkte Übernahme der griechischen Verwaltung. Auch muss Griechenland nach dem Willen der Eurogruppe einen Paragraphen 231 akzeptieren: die vom IWF festgestellte Nicht-Tragfähigkeit der griechischen Schulden wird „den gelockerten Maßnahmen der letzten 12 Monate“ zugeschrieben. Unterschreiben die Griechen dieses Papier, so akzeptieren sie gleichzeitig die Alleinschuld an der desolaten wirtschaftlichen Lage. Dass gerade Deutschland die Demütigung Griechenlands zusätzlich zur Durchsetzung seiner Interessenpolitik in die Verträge packen will zeugt von einer eigenen Geschichtsvergessenheit, die nur noch widerwärtig ist.

Die Aufmerksamkeit wendet sich daher bereits auf die Sieger. Einige arbeiten unverhohlen am Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone, allen voran Wolfgang Schäuble und die nordeuropäischen Staaten. Andere sträuben sich dagegen, wie etwa Italien oder Frankreich, aber keiner von ihnen wird ernsthaft seine Interessen für Griechenland riskieren. Ihnen geht es vor allem um die Zukunft innerhalb der Eurozone, das heißt um das künftige Mächtegleichgewicht. Und in diesem haben einige Staaten mit und einige ohne Griechenland einen Vorteil, und entsprechend gestaltet sich auch die Konfliktlinie innerhalb der Eurogruppe. Dies erkennt man an den Passagen der Eurogruppenforderungen, die in eckigen Klammern gehalten sind, denn über sie gab es keine Einigung. So findet sich etwa die Möglichkeit, bei Versagen der obigen Maßnahmen die Rückzahlung der Schulden zu strecken – effektiv also ein Schuldenschnitt auf Zeit – als Forderung Italiens und Frankreichs direkt neben Schäubles Plan, Griechenland „auf Zeit“ aus der Eurozone zu stoßen, ebenfalls mit „möglicher“ Restrukturierung der Schulden.

Die Wahl, vor die die Eurogruppe Griechenland, das gerade einmal zwei Tage Zeit hat, um die zentralen Forderungen im Parlament zu verabschieden, damit stellt, ist durchaus vergleichbar mit der, vor der Deutschland vor knapp 100 Jahren selbst stand: einen demütigen, offensichtlich nicht tragfähigen und für die Erhohlung einer schwer getroffenen Wirtschaft schädlichen Vertrag unterschreiben – oder eben nicht. Die Frage wäre nur, was dann passiert. Eine Rückkehr zur Drachme wäre mit Sicherheit nicht ansatzweise so einfach und logisch positiv für Griechenland, wie einige Euro-Gegner das durch die rosarote Brille darstellen. Auch ein Default birgt unkalkulierbare Risiken. Hätte Griechenland einen Krieg verloren, stünde ihm eine ganz andere Option offen: nicht unterzeichnen und die Sieger die Verantwortung übernehmen lassen. So weit würde aber nicht einmal Schäuble gehen. Er braucht die Griechen als Vollstrecker der eigenen Politik. So oder so grenzte es an ein Wunder, wenn Griechenland sich unter diesen Aussichten nicht von Europa abwendet und sich den dunklen Impulsen eines einfachen, übersichtlichen Nationalismus mit seinen klaren Feindbildern hingibt. Deutschland hat es unter günstigeren Bedingungen getan.

{ 55 comments… add one }
  • Ralf 13. Juli 2015, 01:20

    Weitestgehend Zustimmung von meiner Seite.

    Ein pikantes Detail hast Du jedoch ausgelassen. Schaeuble moechte die griechischen 50 Milliarden nicht „irgendeiner neutralen Treuhand“ sondern sich selbst hoechst persoenlich unterstellen:

    http://www.thepressproject.gr/details_en.php?aid=79155

    Zweitens mag es zwar laestig sein, dass „grosse Fass von Demokratie“ aufzumachen, aber da kommt man nun wirklich nicht mehr drum herum. Es muss die Frage diskutiert werden, wie weit das (an sich durchaus berechtigte) Interesse der Glaeubiger die Umsetzung von Vereinbarungen zu kontrollieren getrieben werden darf, wenn dafuer de facto die Demokratie ausser Kraft gesetzt wird. Ich habe keine gute Antwort darauf. Aber diese Vorgaenge muessen diskutiert werden. Ansonsten finden wir uns moeglicherweise in der Zukunft irgendwann mal alle unter einer Technokraten-Regierung wieder, die Verfassungen, Gesetze und Wahlen ausser Kraft setzt fuer irgendein hoeheres Gut … was auch immer das sei.

    Der letzte Punkt ist, dass was wirklich beaengstigend ist, der Fallout dieser „Verhandlungen“ ist. Ich bin immer noch ueberzeugt, dass man sich am Ende auf einen Kompromiss ohne Grexit (und ohne griechische Treuhand-Milliarden) einigen wird. Aber wenn die Regierungschefs mitten in der Nacht aus den Gespraechen kommen, wird die Europaeische Union massiv beschaedigt sein. Ganz egal was die Loesung heute ist, das Ansehen Deutschlands in der Welt duerfte sich auf dem absoluten Nullpunkt befinden. Wie werden wohl die Menschen in Griechenland, in Frankreich, in Portugal auf uns schauen? Dank Schaeuble und Co. ist das Bild des haesslichen Deutschen wiedererwacht. Wir gelten als unsolidarische Egoisten, denen die europaeische Idee nicht nur schnuppe ist, sondern die mit Haeme und Verachtung auf ihre Nachbarn schauen, die sie als degeneriert empfinden. Wer wird uns im gemeinsamen Haus Europa noch die Hand reichen wollen? Eine Twitter-Nutzerin traf am Abend den Punkt ganz genau. Sie gab Merkel Recht, die in ihrem Eingangsstatement zum Gipfel gesagt hatte, dass es kein Vertrauen mehr gaebe. Nur habe die Bundeskanzlerin anders Recht, als sie denke. Nicht Griechenland habe alles Vertrauen verspielt, sondern Europa habe das Vertrauen in Deutschland und in Deutschlands „gute Absichten“ verloren. Dem ist nichts hinzuzufuegen. Das ist auch der Tenor in der internationalen Presse. Das ist der Tenor unter vielen Wirtschaftswissenschaftlern. Das ist der Tenor der globalen Debatte auf Twitter, derzeit gefuehrt unter dem Hashtag #ThisIsACoup. Wie sollen wir uns davon erholen? Wie will ernsthaft jemand nach den heutigen Ereignissen den europaeischen Prozess voranbringen? Die Eurozone ist paralysiert und zerstritten. Erschreckend wie man einen Einigungsprozess vieler Jahrzehnte in ein paar wenigen Monaten zerschlagen kann …

    • Stefan Sasse 13. Juli 2015, 08:44

      Die Demokratieprobleme treffen hier schlicht nicht zu. Die Amerikaner konnten im Kalten Krieg auch nicht wählen, dass sie den Warschauer Pakt doof finden und auflösen wollen. Die Strukturen sind wie sie sind, und die Griechen wollen offensichtlich – das spuckt zuverlässig jede Meinungsumfrage aus – im Euro bleiben. Da der Euro aus 19 demokratischen Staaten besteht, von denen die Griechen etwas wollen, müssen sie zwangsläufig damit arbeiten. Sie haben kein unilaterales Recht auf mehr „Demokratie“ als der Rest.

      Damit ist nichts darüber gesagt, ob die Maßnahmen in irgendeiner Weise vernünftig sind oder nicht. In meinen Augen sind sie es nicht. Aber die demokratische Legitimation ist kein echtes Problem im Moment.

      Ich gehe außerdem absolut d’accord, dass diese Politik für Deutschland ein Fehler war. Nicht nur stehen wir jetzt als Riesenarschlöcher da, mit allen Folgen die das in Zukunft haben kann, und haben die EU/Euro so definiert, dass die Bundesbanker feuchte Augen bekommen. Die Kosten des Ganzen sind auch für die Zukunft höher als die Alternative, Griechenland einfach zu retten. Denn Deutschland hat vor aller Welt seinen Führungsanspruch in Europa angemeldet, und wenn du wissen willst, was Führungsansprüche im Kosten-Nutzen-Verhältnis einbringen, musst du nur mal die USA fragen.

      • Ralf 13. Juli 2015, 20:09

        @ Stefan Sasse

        und die Griechen wollen offensichtlich – das spuckt zuverlässig jede Meinungsumfrage aus – im Euro bleiben

        Zu welchem Preis? Das sind die Griechen meines Wissens nach nie gefragt worden. Und Meinungsumfragen gibt es immer viele. Es ist etwas anderes eine Meinung zu aeussern, wenn es keine Konsequenzen hat oder eine tatsaechliche politische Abstimmung in einer Wahl vorzunehmen, die dann die Richtung vorgibt.

        Die einzigen belastbaren Zahlen, die wir in diesem Kontext haben, ist dass 61% der Griechen sich gegen einen weiteren Austeritaetskurs ausgesprochen haben. Und da die Drohung des Grexit bei dem Referendum absolut im Raume stand, in allen Medien diskutiert wurde und von fuehrenden Politikern wiederholt wurde, darf man annehmen, dass diese 61% sich der Gefahr bewusst waren, dass sie moeglicherweise fuer das Verlassen der Eurozone stimmen. Und sie haben trotzdem so abgestimmt wie sie abgestimmt haben.

        Auf dieser Basis halte ich es fuer zumindest zweifelhaft, ob die Griechen mehrheitlich den Euro UM JEDEN PREIS wollen.

        bankrotte Staaten brauchen nicht auf Souveränität zu pochen, sie haben keine mehr

        Das Statement macht mich einigermassen sprachlos. Bankrotte Staaten behalten sehr wohl ihre Souveraenitaet. Bankrotte Staaten machen normalerweise einen Schuldenschnitt, werten ihre Waehrung ab, und starten dann wieder durch. Der Verlust der Souverenitaet wuerde noch nicht einmal in dem ohnehin hinkenden Beispiel mit einem Privatschuldner passen. Auch der verliert nicht seine „Souverenitaet“. Der Glaeubiger kann mit seinem saeumigen Schuldner nicht machen was er will. Er kann ihn nicht, wie im Mittelalter auf dem Marktplatz an den Pranger stellen oder in den Schuldturm werfen. Er kann sich nicht einfach beim Schuldner bedienen und mitnehmen was ihm beliebt. Er kann dem Schuldner definitiv nicht mehr nehmen als das Existenzminimum. Er kann nicht die Kinder und Kindeskinder des Schuldners haftbar machen. Und wenn der Schuldner in einer hoffnungslosen Lage ist, kann er Privatinsolvenz beantragen und nach einer gewissen Frist neu anfangen.

        Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich erschreckend, wie hier mit aller Selbstverstaendlichkeit davon ausgegangen wird, dass man verschuldete Laender beliebig auspluendern und entrechten darf, inklusive der de facto Abschaffung der Demokratie (und nichts anderes ist das, wenn Technokraten-Organisationen von aussen jedes Gesetz umschreiben duerfen und diktieren duerfen, was das Parlament zu verabschieden hat). Offensichtlich haben Schuldner keine Rechte mehr. Vergleich das Mal damit wie die Amerikaner uns nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt haben. Nachdem wir nicht nur hoffnungslos ueberschuldet waren, sondern uns auch noch den schwersten Massenmord der Menschheit haben zu Schulden kommen lassen plus die Verantwortung fuer 55 Millionen Tote auf dem Schlachtfeld. Wir sind entschuldet worden, als Partner aufgebaut worden, man hat uns einen Marshall-Plan gegeben, uns ueberall die Tueren aufgemacht, in die NATO, in die EG und man hat uns vergeben.

        Und jetzt hier ist, wie wir Danke sagen …

        • Ralf 13. Juli 2015, 20:20

          Ach, und noch was. Wenn Glaeubiger kein Vertrauen haben, dass ein Schuldnerland seine Verpflichtungen erfuellt, dann gibt es eine klare Alternative zu einem „neuen Rettungspaket“, das aufgrund von Kontrollzwecken mit dem Abschalten der Demokratie einhergehen muss:

          Die Alternative ist einfach KEIN NEUES GELD! Das wuerde jede Bank so machen! Wer bitte wuerde einem ohnehin bereits saeumigen Schuldner noch mehr Geld hinterherwerfen??? Vielmehr wuerde man einen Schuldenschnitt machen (es gibt durchaus Expertenmeinungen, die besagen das sei auch im Falle Griechenlands legal gewesen) oder eine Umschuldung, damit das Land wieder genug Luft bekommt, um auf die eigenen Beine zu kommen. Auch um zumindest den Totalausfall der Schulden zu vermeiden. Im Endeffekt ist eine solche Politik das geringste von vielen moeglichen Uebeln. Griechenland muesste dann in Zukunft in seinen Verhaeltnissen leben. Erstaunlicherweise war dies ja auch genau das, was Syriza wollte. Stattdessen haben wir Griechenland ein neues Rettungspaket aufgedraengt, dass die Griechen garnicht haben wollten. Das Geld ist natuerlich verloren. Bezweifelt das einer? Und in 3 Jahren, wenn die griechischen Schulden noch hoeher, die Arbeitslosigkeit noch hoffnungsloser, das soziale Elend noch dramatischer sind, werden wir den naechsten 17-Stunden Gipfel einlaeuten koennen und uns wird das selbe Problem erneut auf die Fuesse fallen. So buchstabiert Deutschland heutzutage Nachhaltigkeit. Es ist zum Weinen!

          • In Dubio 14. Juli 2015, 08:56

            Griechenland müsste dann in Zukunft in seinen Verhältnissen leben. Erstaunlicherweise war dies ja auch genau das, was Syriza wollte.

            Sehr witzig. Sie glauben auch jede Politikeräußerung, wenn Sie mit der Richtung konform gehen. Syriza ist mit den Wahlversprechen gewählt worden, die Staatstätigkeit auszuweiten, mehr Bedienstete einzustellen, die Renten anzuheben und ein Konjunkturprogramm aufzulegen. Egal, was man davon halten mag: zuerst muss hierfür Geld durch Verschuldung aufgebracht werden. Demgemäß forderte man anfangs von den Gläubigern, ohne Auflagen weiteres Kapital freizumachen.

            Mit ihrer Politik der permanenten Unsicherheit, gipfelnd in der Schließung der Banken, hat die Regierung aus linken und rechten Populisten eine neue vertiefte Wirtschaftskrise heraufbeschworen und dem Land zusätzliche Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe aufgebürdet. Konnte man zuletzt einen leichten Primärüberschuss erwirtschaften, ist dieses Ziel durch die Politik Syrizas in weite Ferne gerückt. Und so müssen die Kreditinstitute des Landes erstmal mit 15-25 Milliarden Euro rekapitalisiert werden, damit man wieder ein funktionierendes Bankenwesen hat. Anschließend werden die Linken wieder behaupten, die Banken wären gerettet worden.

            Wie gesagt, rund ein Drittel der notwendig gewordenen Rettungsmilliarden sind dafür da, die Schäden Syrizas im Bankenwesen zu beseitigen. Und was glauben Sie, was fällig würde, wenn Griechenland aus dem Euro austreten würde? Die EU jedenfalls hat sich auf einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag eingestellt, um die dann erwartete humanitäre Katastrophe zu lindern.

            • Ralf 14. Juli 2015, 23:45

              @ In Dubio

              Syriza ist mit den Wahlversprechen gewählt worden, die Staatstätigkeit auszuweiten, mehr Bedienstete einzustellen, die Renten anzuheben und ein Konjunkturprogramm aufzulegen. Egal, was man davon halten mag: zuerst muss hierfür Geld durch Verschuldung aufgebracht werden.

              Das ist doch nicht Ihr Problem. Haette man Griechenland mit einem deutlichen Schuldenschnitt entlastet und das Land ansonsten mit seinen eigenen Mitteln leben lassen, so wie Syriza das auch angeboten hat, dann waeren die schon sehr schnell selber drauf gekommen, was sie sich leisten koennen und was nicht. Oder sie finden irgendwo einen Sponsor, der investieren will. So oder so, waere das nicht Ihr, nicht unser und auch nicht das Problem der EU gewesen.

              Mit ihrer Politik der permanenten Unsicherheit, gipfelnd in der Schließung der Banken, hat die Regierung aus linken und rechten Populisten eine neue vertiefte Wirtschaftskrise heraufbeschworen und dem Land zusätzliche Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe aufgebürdet. Konnte man zuletzt einen leichten Primärüberschuss erwirtschaften, ist dieses Ziel durch die Politik Syrizas in weite Ferne gerückt. Und so müssen die Kreditinstitute des Landes erstmal mit 15-25 Milliarden Euro rekapitalisiert werden, damit man wieder ein funktionierendes Bankenwesen hat.

              Das was Sie die „Politik der Unsicherheit“ nennen, haette es ueberhaupt nicht gebraucht. Waere man, wie oben beschrieben, auf die Idee von Syriza eingegangen und haette einen Schuldenschnitt gemacht + die Vereinbarung keine neuen Kredite an das Land zu vergeben, waere es zu dem ganzen Chaos garnicht erst gekommen.

              Und was glauben Sie, was fällig würde, wenn Griechenland aus dem Euro austreten würde?

              Wer will denn, dass die Griechen aus dem Euro austreten?

              Bankrotte Staaten stehen eine Weile unter Kuratel ihrer Gläubiger, verlieren einen Teil ihrer Finanzsouveränität und sind in der Verfügungsmacht über Staatsbedienstete wie Staatseigentum eingeschränkt. Das nennt man gemeinhin eine Beschränkung von Souveränität.

              Unter wessen Kuratel steht denn meinetwegen Argentinien gegenwaertig?

              Dass souveraene Staaten ihre Souveraenitaet verlieren, ist nirgendswo in internationalem Recht verankert. Sollte ich mich irren, nennen Sie mir bitte, worauf Sie sich da konkret juristisch beziehen.

              Ich komme Ihnen aber entgegen. Manchmal kann es fuer ein Land von Vorteil sein, einen Teil seiner Souveraenitaet aufzugeben. Alle Eurostaaten haben etwa partiell Rechte an die Zentralregierung in Bruessel delegiert. Der Iran hat gerade heute eine Abmachung unterzeichnet, in dem er einen Teil seiner Rechte einschraenkt. Es macht unter Umstaenden auch durchaus Sinn, wenn ein bankrottes Land seinen Glaeubigern entgegenkommt, um verlorengegangenes Vertrauen wieder aufzubauen. Allerdings hat das alles Grenzen. Bei uns etwa zieht das Grundgesetz eine rote Linie. Die griechische Verfassung hingegen scheint keine Rolle zu spielen. Ich zitiere mal aus der badischen Zeitung:

              Wenn die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss kommen sollen, muss die Grundlage für eine „ehrgeizige Reform des Rentensystems“ geschaffen werden. Wie die Regierung dabei das Problem umschifft, dass der Verfassungsgerichtshof die von der EU-Kommission vorgeschlagene Reform als verfassungswidrig abgelehnt hat, bleibt ihr überlassen.

              Aber tatsaechlich geht es ja um viel mehr. Die Troika wird praktisch jedes Gesetz kontrollieren und diktieren. Die Parlamentarier werden nur noch zum Abnicken gebraucht. Ich zitiere wieder aus der Badischen Zeitung:

              Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wenn der Plan umgesetzt wird, kehrt die verhasste Troika nicht nur zurück, sie entscheidet auch über die Privatisierung von Staatseigentum. Den Abgeordneten im griechischen Parlament wird auf den Tag genau vorgeschrieben, worüber sie abzustimmen haben und wie das Ergebnis aussehen soll.

              Das (und die Konfiszierung griechischen Staatseigentums um es zu verscherbeln) ist nichts anderes als die vollstaendige Beseitigung von Demokratie und Entrechtung Griechenlands. Waere man konsequent und ehrlich, wuerde man das Land ganz offiziell zum Protektorat erklaeren, einen Generalgouverneur einsetzen und keine weiteren Wahlen mehr zulassen. Die Buerger duerfen ja de facto ohnehin ueber nichts mehr entscheiden.

              Wo verlaeuft die Grenze, mag man sich fragen. Wieviel Abgabe von Souveraenitaet darf man verlangen? Was ist noch in Ordnung und wo ist eine rote Linie ueberschritten? Zugegeben, darueber kann man lange diskutieren und unterschiedlicher Meinung sein. Aber eine de facto Abschaffung der Demokratie und damit die Zukunft des Landes aus der Hand der Buerger zu nehmen und Technokraten und Institutionen ohne Legitimation des Waehlers regieren zu lassen, ist garantiert inakzeptabel. Hier handelt es sich um eine exzessive Aggression, bei der ein kleines Land, das sich aufgrund seiner momentanen Schwaeche nicht wehren kann, voellig in den Dreck getrampelt wird. Es erinnert an die Kanonenbootpolitik aus einer Zeit, von der man gehofft hatte, sie sei lange vorbei.

              Ja, so stellen Sie sich die Welt vor. Griechenland hat in den letzten 2 Jahrhunderten 6 Insolvenzen hingelegt, so richtig durchgestartet sind sie bis heute nicht. Argentinien ging 2001 in die Knie und ist bis heute nicht aufgestanden. Kein Wirtschaftswachstum, keine Kredibilität bei internationalen Gläubigern, dazu den Staatsbankrott von vor 14 Jahren immer noch nicht ordentlich abgewickelt. So sieht bei Ihnen Durchstarten aus.

              Mit „Durchstarten“ meine ich nicht, dass Griechenland zum Exportweltmeister oder Wirtschaftswunder wuerde, wenn es wirtschaftlich wieder etwas Luft bekaeme. Auch Schuldner, die durch eine Privatinsolvenz gegangen sind, werden meist nicht anschliessend Millionaer. Wer in Schulden versunken ist – ob Staat oder Privatperson – hat zumeist systemische Probleme, die sich nicht einfach von heute auf morgen beseitigen lassen. Aber eine Entschuldung ermoeglicht einen Neustart. Griechenland muesste fuer eine ganze Weile innerhalb seiner Mittel leben, weil niemand einem Land, das gerade einen Schuldenschnitt hinter sich hat, billige Kredite hinterher werfen wuerde. Aber im Neuanfang liegt immer eine Chance. Wird das Land weiter angewuergt, und so sieht es ja jetzt aus, gibt es noch nicht einmal eine Chance.

              Sie stellen Schuldenschnitt als etwas Einseitiges dar, führen mit Deutschland jedoch ein Beispiel an, wo Sie sehr wohl sehen könnten, dass so eine Entschuldung keine einseitige Angelegenheit ist. Im Schnitt wird ein Staat um 20-50 Prozent seiner Schulden entlastet, Griechenland würde sich in einem solchen Fall irgendwo zwischen Deutschland und Italien befinden. Gemäß der Studie von Rogoff wäre das immer noch so viel um das Wirtschaftswachstum einschränken, wenn nicht weitere Anstrengungen hinzukommen.

              Die Studie von Rogoff ist fehlerhaft, wie die Autoren selbst zugegeben haben. Wie heftig die Studie dadurch beschaedigt ist, da gehen die Meinungen in der Wissenschaft sehr auseinander. Nicht wenige halten sie fuer komplett diskreditiert. Es gibt im uebrigen auch Studien, die Rogoff widersprechen. Siehe z.B. hier:

              http://www.peri.umass.edu/236/hash/31e2ff374b6377b2ddec04deaa6388b1/publication/566/

              Auch laesst sich aus der Studie von Reinhart und Rogoff, selbst wenn man sie fuer voll nimmt, meines Wissens nach kein kausaler Zusammenhang ableiten, nachdem eine hohe Verschuldung niedriges Wachstum bewirkt. Moeglicherweise ist es andersrum und niedriges Wachstum fuehrt zu hohen Schulden. Moeglicherweise korrelieren Wachstum und Schulden auch nur indirekt miteinander, ohne einander zu bewirken.

              Im uebrigen behauptet kein Mensch, dass ein Schuldenschnitt generell etwas „einseitiges“ ist, obwohl es dafuer wohl Beispiele gibt. Sinnvoller ist immer, wenn sich Schuldner und Glaeubiger auf einen von beiden Seiten getragenen Kompromiss verstaendigen koennen. Allerdings sollte dies ein Kompromiss sein, der fuer beide Seiten fair ist. Gerade dann, wenn es sich wie bei Griechenland und Deutschland um Partner in einer gemeinsamen Union handelt. Denn wenn Europa zusammenwachsen soll, koennen wir uns die Wunden, die ein unausgewogenes, einseitiges Diktat verursacht, bei dem ein Gewinner einen Verlierer an die Wand drueckt, politisch nicht leisten.

              Auch zeigt die Wirtschaftsgeschichte, dass Staaten, die regelmäßig abwerten, sich keineswegs dadurch wirtschaftlich erholen. Dafür sind gerade einige Euroländer (Frankreich, Italien, Griechenland) beredete Beispiele. Dagegen wuchsen Deutschland und Japan trotz permanenten Aufwertungsdrucks zwischen 1970 und 1990.

              Ginge es Griechenland jetzt wie Frankreich oder Italien, waere schon viel gewonnen. Letztlich sollten die Griechen selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Dafuer gibt es Demokratie, Wahlen, Parlamente. Also alles Dinge die Dank der deutschen Verhandlungsstrategie nicht mehr gebraucht werden.

              Nur weil Vulgär-Keynesianer gerne schöne Theoriegebäude entwerfen, heißt das nicht, dass die Wirklichkeit sich danach richtet.

              Naja, das Statement, so hingeworfen, hat zwar nur bedingt Inhalt, aber wenigstens habe ich den Begriff „Vulgaer-Keynesianer“ gelernt …

              Warum haben Sie nur ein so unendliches Verständnis für Schuldner, die ihre Partner prellen und Null Mitgefühl mit Gläubigern?

              Investoren sind immer ein Stueck weit Gluecksspieler, Anlagen immer mit Risiko verbunden. Wenn Sie Ihr Geld garantiert nicht verlieren wollen, dann legen Sie sich ihre Banknoten unter’s Kopfkissen oder ins Bankschliessfach. Wer sein Geld hingegen vermehren will und investiert, muss mit der Moeglichkeit leben, dass die Anlage futsch sein koennte. Deshalb ist „Mitgefuehl“ hier per se eine falsche Kategorie. Wird ja schliesslich niemand gezwungen, sein Geld anzulegen, genauso wie niemand gezwungen wird ins Kasino zu gehen und beim Roullette alle seine Ersparnisse auf die 5 zu setzen. Wuerden Sie mit einem Gluecksspielverlierer auch „Mitgefuehl“ haben?

              Wie dem auch sei, mit den deutschen Glaeubigern im Falle Griechenlands muss man garantiert kein Mitgefuehl haben. Jeder der sich informierte, konnte wissen, dass das Geld, dass wir an Griechenland zahlen, niemals wieder zurueckkommen wird. Weder die Milliarden, die das Land jetzt bereits schuldet, noch die Milliarden, die jetzt noch oben drauf gelegt werden. Der IWF spekuliert derzeit, dass die Schulden Griechenlands bald die 200% des BIP erreichen werden. Das Geld ist weg. Fuer immer. Der einzige Grund, dass wir keinen Schuldenschnitt machen koennen, ist dass Merkel dann vor die Deutschen treten muesste und das komplette Scheitern ihrer Politik verkuenden muesste. Also werfen wir weitere Milliarden in ein schwarzes Loch, das absehbar immer schwaerzer werden wird. Nicht Griechenland wird hier gerettet, sondern unsere Bundeskanzlerin, die wohl glaubt noch rechtzeitig in Rente gehen zu koennen, damit das Problem + die Schuld dann ihrem Nachfolger auf die Fuesse faellt.

              Und mal ueberhaupt. Wenn Sie mich um einen Kredit von 1000 Euro bitten, mit dem Versprechen die Summe naechsten Monat zurueckzuzahlen, und ich gebe Ihnen das Geld und Sie verjubeln es. Im naechsten Monat stehen Sie bei mir an der Tuer und verkuenden nicht nur, dass ich meine 1000 Euro nicht wiederbekommen werde, sondern dass Sie weitere 5000 Euro benoetigen und mir die gesamte Summe dann einen Monat spaeter zurueckzuzahlen. Einen weiteren Monat spaeter bekomme ich erneut Besuch von Ihnen, nachdem Sie auch die 5000 Euro verjubelt haben, und erklaeren dass Sie schon wieder nicht zahlen koennen, dass Sie aber einen weiteren Kredit, diesmal ueber 10000 Euro moechten. Wenn ich Ihnen dann tatsaechlich weitere 10000 Euro gebe, muss man mit mir wirklich „Mitleid“ haben?

              (vermutlich ja, aber anders als Sie das oben gemeint haben ^^)

              Die von Ihnen angesprochene Schuldenkonferenz fand in London 1953 statt, 8 Jahre nach Kriegsende und 14 Jahre nachdem Deutschland seine Schuldner erstmals geprellt hat. Gewendet auf Griechenland könnte das Land also frühestens zwischen 2018 und 2024 mit einer Schuldenkonferenz rechnen.

              Vielleicht moechten Sie begruenden, weshalb aufgrund der Schuldenkonferenz in London, Schuldenschnitte generell immer nur nach genau 8 oder 14 Jahren Sinn machen. Ein Schuldenschnitt macht dann Sinn, wenn er wirtschaftlich Sinn macht (fast eine Tautologie!) und nicht wenn eine gewisse Frist abgelaufen ist. Wenn Sie Ihren Privatkredit bei der Bank nicht zurueckzahlen koennen, werden Sie schliesslich auch nicht erst nach 14 Jahren kontaktiert, um nach moeglichen Loesungen zu suchen.

              @ Stefan Sasse

              Meinungsumfragen: Bisher habe ich nichts gegenteiliges gesehen. Mir scheint, dass der Grexit noch unpopulärer als die Troika ist. Noch.

              Hmmm … also Demokratie funktioniert normalerweise so, dass Parteien die moeglichen Optionen und Alternativen diskutieren und die Waehler dann entsprechend abstimmen. Und da haben wir nun zwei ganz konkrete und aktuelle Wahlergebnisse: Die Wahl von Syriza nach einem Wahlkampf, dessen zentrales Motiv die Ablehnung des Austeritaetskurses war. Und das Referendum, mit einem kristallklaren Bekenntnis gegen weitere Austeritaet.

              Mir ist nicht erklaerlich wieso diese konkreten Wahlergebnisse Deiner Meinung nach weniger wichtig sein sollen, als irgendwelche Umfragen, die weder bindend sind noch irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen.

              Nur Souveränität hat hier nichts mehr zu tun, denn die haben die Griechen mit ihrer Unterwerfung effektiv aufgegeben.

              Den Griechen blieb garnichts anders uebrig. Sie sind, um Deinen Begriff zu verwenden, in der Tat unterworfen worden. Der totale Souverenitaetsverlust ist etwas, was man nach einer Kapitulation im Krieg erwartet. Dass solch drastische Mittel in Friedenszeiten eingesetzt werden, und dann auch noch unter „Partnern“ – man kann das Wort wirklich nur noch in Anfuehrungszeichen setzen – ist ohne Praezedenz. Mit einer normalen, geschweige denn fairen Auseinandersetzung zwischen einem Schuldner und einem Glaeubiger hat das nichts mehr zu tun. Das ist vielmehr, wie der mittlerweile beruehmte Hashtag #ThisIsACoup nahelegt, ein de facto Staatsstreich. Wir sollten darueber nicht den Mantel der Normalitaet stuelpen.

              • CitizenK 15. Juli 2015, 06:09

                @ Ralf

                „… dass das Geld, dass wir an Griechenland zahlen, niemals wieder zurückkommen wird“.

                Wer ist in diesem Fall „wir“? Das Geld ist doch zurückgekommen – zu den Banken. Die wussten um ihren Einfluss auf die Politik. Jetzt hat der Staat (das Ungeheuer, das sie eigentlich in der Badewanne ersäufen wollten) die wertlosen Forderungstitel in der Hand.

                In der gegenwärtigen aufgeheizten Situation scheint es mir dennoch besser, den Verlust durch eine „Umstrukturierung“ für 30 bis 50 Jahre zu verschleieren. Was wäre – politisch – gewonnen, wenn Merkel sich jetzt offen zum Scheitern ihrer „Rettungs-“ Politik bekennen würde? Eine regierungsfähige Opposition, die aus dem Stand übernehmen könnte, gibt es ja nicht.

                • Ralf 15. Juli 2015, 16:43

                  @ CitizenK

                  Wer ist in diesem Fall “wir”? Das Geld ist doch zurückgekommen – zu den Banken.

                  Mit „wir“ meine ich die deutschen Buerger (i.e. Steuerzahler), die das Geld aufgebracht haben und denen Merkel versprochen hat, sie bekaemen ihr Geld zurueck.

                  In der gegenwärtigen aufgeheizten Situation scheint es mir dennoch besser, den Verlust durch eine “Umstrukturierung” für 30 bis 50 Jahre zu verschleieren. Was wäre – politisch – gewonnen, wenn Merkel sich jetzt offen zum Scheitern ihrer “Rettungs-” Politik bekennen würde? Eine regierungsfähige Opposition, die aus dem Stand übernehmen könnte, gibt es ja nicht.

                  Das kann doch kein Argument sein, eine gescheiterte Politik fortzusetzen. Schon deshalb nicht, weil die Krise fuer uns durch die Verschleppung einer wirklichen Loesung immer teurer wird. Die zig Milliarden, die wir jetzt den bereits verschwundenen Milliarden hinterherwerfen, belasten den deutschen Steuerzahler offensichtlich enorm. Aber auch aus der Sicht der Griechen ist die Konkursverschleppung katastrophal. Solange wir offiziell nicht gescheitert sein duerfen, wird die Wirtschaft in Griechenland weiter abgewuergt werden und das soziale Elend verschlimmert sich dort mit jedem Tag. Dazu kommt, dass diese Milliardentransfers und die damit einhergehenden drastischen Eingriffe in die griechische Demokratie unsere Voelker gegeneinander aufbringen – Zwietracht, Hass und Feindschaft saehen. Auf die Dauer wird das die Eurozone zum Zerbrechen bringen.

                  Die Konkursverschleppung im Falle Griechenlands ist also eine Lose-Lose-Lose Situation. Alle verlieren, damit Merkel gerettet werden kann.

        • CitizenK 14. Juli 2015, 05:28

          Was ist eigentlich aus der Idee eines Marshallplans für Griechenland geworden?

          Wenn man „den Griechen“, die Herrn Schäuble ja so leid tun, wirklich hätte helfen wollen, wäre der längst verabschiedet oder läge wenigstens unterschriftsreif auf dem Tisch.

          Wenn jetzt in griechischen Krankenhäusern die Medikamente fehlen, Kinder in Heimen und Flüchtlinge nichts mehr zu essen bekommen, dann ist die Diskussion um einen „Primärüberschuss“ einfach nur noch zynisch.

        • In Dubio 14. Juli 2015, 08:44

          Bankrotte Staaten behalten sehr wohl ihre Souveränität.

          Bankrotte Staaten stehen eine Weile unter Kuratel ihrer Gläubiger, verlieren einen Teil ihrer Finanzsouveränität und sind in der Verfügungsmacht über Staatsbedienstete wie Staatseigentum eingeschränkt. Das nennt man gemeinhin eine Beschränkung von Souveränität.

          Bankrotte Staaten machen normalerweise einen Schuldenschnitt, werten ihre Währung ab, und starten dann wieder durch.

          Ja, so stellen Sie sich die Welt vor. Griechenland hat in den letzten 2 Jahrhunderten 6 Insolvenzen hingelegt, so richtig durchgestartet sind sie bis heute nicht. Argentinien ging 2001 in die Knie und ist bis heute nicht aufgestanden. Kein Wirtschaftswachstum, keine Kredibilität bei internationalen Gläubigern, dazu den Staatsbankrott von vor 14 Jahren immer noch nicht ordentlich abgewickelt. So sieht bei Ihnen Durchstarten aus.

          Sie stellen Schuldenschnitt als etwas Einseitiges dar, führen mit Deutschland jedoch ein Beispiel an, wo Sie sehr wohl sehen könnten, dass so eine Entschuldung keine einseitige Angelegenheit ist. Im Schnitt wird ein Staat um 20-50 Prozent seiner Schulden entlastet, Griechenland würde sich in einem solchen Fall irgendwo zwischen Deutschland und Italien befinden. Gemäß der Studie von Rogoff wäre das immer noch so viel um das Wirtschaftswachstum einschränken, wenn nicht weitere Anstrengungen hinzukommen.

          Auch zeigt die Wirtschaftsgeschichte, dass Staaten, die regelmäßig abwerten, sich keineswegs dadurch wirtschaftlich erholen. Dafür sind gerade einige Euroländer (Frankreich, Italien, Griechenland) beredete Beispiele. Dagegen wuchsen Deutschland und Japan trotz permanenten Aufwertungsdrucks zwischen 1970 und 1990.

          Nur weil Vulgär-Keynesianer gerne schöne Theoriegebäude entwerfen, heißt das nicht, dass die Wirklichkeit sich danach richtet.

          Offensichtlich haben Schuldner keine Rechte mehr. Vergleich das Mal damit wie die Amerikaner uns nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt haben. Nachdem wir nicht nur hoffnungslos überschuldet waren, sondern uns auch noch den schwersten Massenmord der Menschheit haben zu Schulden kommen lassen plus die Verantwortung für 55 Millionen Tote auf dem Schlachtfeld. Wir sind entschuldet worden, als Partner aufgebaut worden, man hat uns einen Marshall-Plan gegeben, uns überall die Türen aufgemacht, in die NATO, in die EG und man hat uns vergeben.

          Warum haben Sie nur ein so unendliches Verständnis für Schuldner, die ihre Partner prellen und Null Mitgefühl mit Gläubigern? Die von Ihnen angesprochene Schuldenkonferenz fand in London 1953 statt, 8 Jahre nach Kriegsende und 14 Jahre nachdem Deutschland seine Schuldner erstmals geprellt hat. Gewendet auf Griechenland könnte das Land also frühestens zwischen 2018 und 2024 mit einer Schuldenkonferenz rechnen. Deutschland stand damals jedoch schon unter starker Einschränkung seiner Souveränität und hatte unter Anleitung der Alliierten mit einem soliden Staats- und Wirtschaftsaufbau begonnen. Diesen Status hat Hellas noch nicht erreicht. Ach übrigens: die sozialistische Enklave genannt DDR behauptete, mit dem Ganzen nichts zu tun zu haben. Eben eine typisch sozialistische Sicht…

        • Stefan Sasse 14. Juli 2015, 15:27

          Meinungsumfragen: Bisher habe ich nichts gegenteiliges gesehen. Mir scheint, dass der Grexit noch unpopulärer als die Troika ist. Noch.

          Souveränität bei Bankrott: Ich habe nie gesagt, dass man bankrotte Länder beliebig plündern und entrechten darf. Selbstverständlich können die Griechen sich entscheiden, unilateral einen Schuldenschnitt zu verkünden, eine eigene Währung aufmachen und dann „durchstarten“. Nur wird der Start wahrscheinlich ein ziemlicher Kalter werden, denn wie andere Defaults der letzten Jahre gezeigt haben (*hust* Argentinien *hust*) gehen damit eine ganze Menge rechtlicher Auseinandersetzungen mit anderen Ländern einher, in denen die genaue Art der Bedienung der Schulden (oder ihre Nicht-Bedienung) geregelt werden. Aber bei Griechenland ist diese ganze Debatte hinfällig, denn Griechenland hat weder eigene Währung noch Zentralbank und will, siehe oben, diese auch nicht haben. Griechenland hat wirtschaftlich und finanziell eine geteilte Souveränität mit dem Rest Europas, und da es dringend auf die Kooperation dieses Rests angewiesen ist, kann der für seine Hilfe eben auch Bedingungen stellen. Anzunehmen, dass das nicht so ist und auf eine nicht-existente Voll-Souveräntität zu pochen verkennt die Natur der Lage. Das gilt übrigens für die anderen Eurostaaten ebenso. Und nichts davon sagt etwas darüber aus, wie sinnvoll die Bedingungen sind, die Griechenland nun gestellt wurden. Nur Souveränität hat hier nichts mehr zu tun, denn die haben die Griechen mit ihrer Unterwerfung effektiv aufgegeben. Das macht die deutsche Politik keinen Deut besser. Denn ja, ein Marshallplan wäre sowohl moralisch als auch politisch und wirtschaftlich vernünftiger gewesen.

          • CitizenK 14. Juli 2015, 16:08

            Noch ein Punkt, der in der moralischen wie politischen Beurteilung eine Rolle spielt: Was ist eigentlich mit den angeblich 200 Mrd. Euro Fluchtgeldern in der Schweiz (Lagarde-Liste).

            Linke fragen irritiert, die anderen hämisch, warum Syriza da nichts gemacht hat.
            Weiß hier jemand mehr?

  • In Dubio 13. Juli 2015, 06:20

    Es gerade mal 24 Stunden her, da hast Du, Stefan, geschrieben, es ginge nicht um Glaubwürdigkeit. Doch, was Du nun lange beschreibst, das Diktat, ist das Ergebnis der griechischen Politik der letzten 5 Jahre und von Syriza im Speziellen. Wer Vertrauen verspielt, erhält einen kurzen Vorteil und bezahlt dafür einen enorm hohen Preis. Probier‘ das mal im Privatleben oder im Beruf aus!

    Die Troika verlangt, was in vielen Euroländern längst gegeben ist und auf EU-Richtlinien basiert. Und so gehört es in den Partnerstaaten zur Normalität, dass der Staat sich nur in begründeten Fällen an Unternehmen beteiligt.

    Du schreibst, die 50 Milliarden Euro Privatisierungserlöse seien absurd? Hallo? Das hat die Athener Administration selbst vor Jahren ins Angebot geschrieben. Wenn die Griechen ihre Werte nicht kennen, wer dann?!

    Wer in der Welt herumkommt, sieht dort, wo es einen Finanzdienstsektor gibt, Prosperität. Auffällig war das für mich vor einigen Jahren in Australien. Ich war in Sidney – eine glänzende Stadt (mit großem Financial District). Ich war in Adelaide – eine ärmlich wirkende Innenstadt (ohne Finanzdienstleistungsbereich). Und ich war in der 200.000 Einwohner-Stadt Darwin, wo der Reichtum spürbar war. Richtig, mit Financial District. Das setzt sich fort: San Francisco, Boston, New York, London, Hamburg, München, Düsseldorf, Frankfurt. Alles reiche Städte.

    Griechenland benötigt irgendwo 74 – 100 Milliarden Euro auf 3 Jahre. Und es hat nichts zu bieten, nicht mal das Minimum, Glaubwürdigkeit. Warum sollten die Europäer das Land stützen? Mit dieser Frage solltest Du Dich unter den Bedingungen des Vertrauensverlusts auseinandersetzen, statt bestimmte Diktate als „widerwärtig“ abzutun.

    • Ant_ 13. Juli 2015, 08:31

      1) Privatleben und Politik sind durchaus nicht dasselbe. Der Punkt besteht doch gerade darin, dass man international keine andere Wahl hat, als die Souveränität des anderen Staates anzuerkennen. In internationaler Politik gibt es strukturell immer das Problem, dass das System anarchisch ist, d.h. Staaten prinzipiell sich nicht an Verträge halten MÜSSEN ( auch wenn sie das natürlich sehr verstört). Die vernünfte Lösung der Diplomatie besteht dann in einem Kompromiss, der für beide Seiten akzeptable ist, und nicht in der teilweise oder kompletten Auflösung der Souveränität des anderen Staates, nur „weil man ihm nicht vertraut“.

      2) Es geht ja noch nicht einmal darum, Privatisierung prinzipiell schlecht zu finden. Mir persönlich geht es erstens um die Art der Abwicklung, sowie die ziemlich transparenten Nutznießer eines solchen Verfahren. Zweitens ist es eine unglaublich dumme Idee, Betriebe zu einem Zeitpunkt zu verstaatlichen, zu dem sie auf *jeden* Fall gnadenlos unterbewertet sein werden und man keine andere Wahl hat, als sie abzustoßen, weil das vertraglich so festgeschrieben ist. Sich in eine Marktsituation zu begeben, in der der Gegenüber alle Optionen hat und man selber keine ist niemals eine besonders gute Idee und das wird hier gefordert.

      3) Korrelation ist erstens nicht Kausalität. Ich kann die Suggestivität ihrer Aussage auch einfach ignorieren und raushören, dass wirtschaftliche Prosperität zwangsläufig zu einem erhöhten Rent-Seeking von finanziellen Dienstleistern führt, deren Anteil am Wachstum realistisch betrachtet eher marginal ist. Ihre Anekdote funktioniert also in beide Richtungen.

      4) Warum die „Europäer“ Griechenland „stützen“ sollten? Wenn Sie diese Frage schon so stellen ist doch bereits klar, dass „europäische Solidarität“ für Sie keine ernstzunehmen Antwort ist. Dinge, die ich Ihnen noch anbieten könnte: Erstens den Wunsch, Griechenland politisch langfristig zu stabilisieren, was diese Maßnahmen definitiv nicht tun werden. Zweitens um eine Neuausrichtung der griechischen Außenpolitik zu anderen, nicht-europäischen Partnern (v.a. Russland) zu verhindern, die dann auf einmal in der EU indirekt Einfluss gewinnen würden, wo Griechenland weiter vertreten wäre. Drittens die Einsicht, dass man sich aktuell über die Behandlung Griechenlands den Impetus einer stetig zunehmenden europäischen Integration und eine Vergrößerung des Euroraums endgültig ausbremst. Das sind natürlich alles Antworten, die erklären, warum es im Interesse der Staaten wäre, wenn man internationale Politik aber auf der komplett persönlichen Ebene konzeptionalisiert, ist die Frage des „Vertrauensverlustes“ natürlich total fatal. Das ist meiner Meinung nach aber ein absoluter Fehler.
      Und noch dazu: Warum dieses Diktat „widerwärtig“ ist? Weil es noch nicht einmal mehr 100 Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges von Deutschland gewollt eine Klausel enthält, die festschreibt, welche der beteiligten Parteien vollkommen und allein die Schuld daran trägt, dass dieser Vertrag aufgesetzt werden musste. Auch das ist eine Frage, die nicht über Verträge geregelt werden kann, ein absoluter Tabubruch der dadurch, dass er von Deutschland kommt nur ein weiterer Schlag in das Gesicht aller griechischen Bürgerinnen und Bürger ist. So einen Vertrag sollte man alleine wegen dieser einen Klausel auf gar keinen Fall unterschreiben, alleine schon um den nationalisitischen Kräften in Griechenland nicht so ein Einfalltor zu geben.

      • In Dubio 13. Juli 2015, 11:00

        Privatleben und Politik sind durchaus nicht dasselbe.

        Gut, dann lassen Sie bitte auch die Vergleiche. Der Begriff Solidarität kommt aus dem Familiären, hier funktioniert Solidarität aufgrund persönlicher Beziehungen, Treueversprechen, gegenseitiger Vorteile. Dann kamen Sozialisten auf die Idee, das Prinzip auf den Staat zu übertragen, schufen Solidarsysteme und den Begriff der Sozialen Gerechtigkeit – den keiner wirklich versteht. Und nun sind die Sozialisten aller Länder dabei, den Begriff auf bestimmte – nicht alle (!) – supranationalen Staatskonstruktionen zu übertragen. Und dann kommen Sie…

        Staaten prinzipiell sich nicht an Verträge halten müssen.

        Sorry, das ist totaler Stuss. Während Solidarität in der Familie funktioniert und die Beziehung durch das Persönliche determiniert ist, haben Staaten nichts anderes als Verträge und das internationale Recht. Ansonsten gibt es keine Verlässlichkeit. Erklären Sie dann Vertragstreue als obsolet, bleibt nichts mehr. Auch nichts, worauf Sie einen Kompromiss gründen könnten. Deswegen können Sie sich die Frage…

        dass “europäische Solidarität” für Sie keine ernstzunehme Antwort ist.

        sparen. Sie haben diese bereits zu Beginn Ihres Kommentars zerlegt, bzw. die Grundlage dafür. Das nennt man eine nicht-konsistente Argumentation. 😉

        Es geht ja noch nicht einmal darum, Privatisierung prinzipiell schlecht zu finden.

        Das ist die völlig falsche Frage. Die Beziehung zwischen Bürger und Staat definiert sich nach liberalem Verständnis auf die Abgrenzung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten. In diesem Verständnis, da können Sie Vordenker des 18. und 19. Jahrhunderts wie die Begründer des deutschen Ordoliberalismus wie Müller-Armack nehmen, soll der Staat sich nicht unternehmerisch betätigen, da dies durch private Unternehmer wesentlich besser ausgeübt werden kann. Die Liste, die dies bestätigt, ist Legende.

        Daher ist die Frage, welcher Zeitpunkt der Richtige zur Veräußerung ist, im Falle Griechenlands zweitrangig. Seit Jahren ist das Land verpflichtet, sich gemäß EU-Regeln von Staatsunternehmen zu trennen. Außerdem haben Linke bei dieser Form öffentlichen Eigentums höchst seltsame Preisvorstellungen. Nehme ich z.B. die Bewertungen der Kritiker zur Privatisierung der Deutschen Bahn, so gehört das Schienenunternehmen zu den 5 wertvollsten Marken der Welt. Da lachen ja die Hühner.

        Nun ja, wenn im Umfeld von Finanzdienstleistungssektoren stets Prosperität herrscht, kann man da auf eine gewisse Kausalität schließen. Es ist auch naheliegend, schließlich gründet schon der Name unseres Wirtschaftssystems auf Kapital. Und für die Organisation von Kapital sind Finanzdienstleister zuständig.

        Wie können Sie eigentlich ignorieren, dass es gerade die kleinen nordeuropäischen Staaten sind, die den meisten Druck machen? Wie können Sie ignorieren, dass Finnland die Zustimmung zum 2. Hilfsprogramm nur gegen ein Faustpfand im Gegenwert von knapp 1 Mrd. EUR verfassungsrechtlich möglich war? Deutschland ist die Vormacht des nordeuropäischen Rechtsverständnisses der Vertragstreue (worüber Sie lachen), was bei Gründung des Euro alle Gründungsparteien wollten. Entweder gibt es ein auf Verträgen und internationalem Recht basierende Europäische Union oder keine. Die Menschen in Nordeuropa sehen hier eher: Nein. Hierfür allein die Verantwortung bei Deutschland abzuladen, ist politisch blind.

        • Stefan Sasse 13. Juli 2015, 13:57

          Korrekt, Deutschland ist nicht alleine. Aber keiner der nordeuropäischen Staaten hätte ernstzunehmenden Einfluss, wenn nicht Deutschland voranstehen würde.

  • In Dubio 13. Juli 2015, 08:23

    Vielleicht müssen die vielen, vielen Kritiker, welche die FDP ob der Einordnung von Hotellerie-Leistungen als eine ermäßigt zu besteuernde Leistung zerrissen haben, Abbitte leisten? Oder ist eine Steuerermäßigung nicht gleich einer Steuerermäßigung?

    Was ist an den Maßnahmen so schlimm?
    – Reform des Justizwesens
    – Unabhängigkeit des Statistikamtes
    – Umsetzung relevanter Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakts der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
    – Verabschiedung der Europäischen Bankenrichtlinie BRRD
    – Sonntagsöffnung der Geschäfte
    – Öffnung der Arbeitsmärkte und Lohnfindung gemäß internationaler und europäischer Praxis
    – Ausgliederung von Staatseigentum in einen Treuhandfonds

    Ich verstehe nicht, was an diesen Maßnahmen so skandalös ist, wird hier doch nichts verlangt, was andere Länder nicht haben oder nicht praktizieren. Und so wäre es doch auch unmöglich gewesen, die Volkseigenen Betriebe in einer freien Marktwirtschaft als Staatsunternehmen weiterzuführen. Und erkläre mir bitte, warum der Stromkonzern nicht privatisiert werden sollte?

    Klar, das alles ist bei den Hellenen nicht mehrheitsfähig, entspricht jedoch EU-Regeln. Athen hat in 5 Jahren nur gezeigt, dass die verschiedenen Regierungen es nicht können. Und 82-85 Milliarden Euro wieder an Griechenland zu geben, ist eben in den Mitgliedsländern der Eurozone auch nicht mehrheitsfähig. Dieses Paket liefert immerhin den Regierungschefs von Finnland, den baltischen Staaten, Deutschlands, Niederlande oder Österreich Argumente, diesmal die Verwendung der Mittel unter Kontrolle zu haben.

    Der Preis des Verlusts der Glaubwürdigkeit.

  • Stefan Sasse 13. Juli 2015, 08:50

    Ich habe das im Artikel leider unterschlagen, aber ein guter Teil der Troika-Maßnahmen ist notwendig, und ja, offensichtlich sind die Griechen nicht in der Lage, das eigenständig umzusetzen. Cicero hatte da letzthin einen tollen Artikel zu den fehlgeschlagenen Versuchen Athens, ein Katasterwesen einzurichten. Die Dysfunktionalität der griechischen Verwaltung ist geradezu albern. Deswegen habe ich in der Vergangenheit auch immer betont, dass Griechenland kein unschuldiges Opfer ist. Das Staatswesen ist korrupt und verrottet, sie haben die Zahlen gefälscht und sie haben mit den Euro-Krediten eine veritable Blase aufgebaut. Das ist nicht die Frage.

    Was mich so wütend macht ist die schlicht und einfach schlechte Politik, die die besonders Deutschland fährt. Privatisierungen um jeden Preis sind Quatsch. Ich brauche kein Experte für BWL zu sein um festzustellen, dass die Privatisierung von Lotteriebeteiligungen, die dem griechischen Staat Jahr um Jahr 500 Millionen Euro einbringen für 650 Millionen ein schlechter Deal ist. Wer überlegt sich so eine Scheiße?!

    Genauso ist es einfach bescheuert, Griechenland zusätzlich zu den notwendigen Maßnahmen und, ja, dem notwendigen Einschränken seiner Souveränität (erneut, bankrotte Staaten brauchen nicht auf Souveränität zu pochen, sie haben keine mehr) auch noch zu demütigen. Davon hat niemand was, außer dem Ego der direkt Beteiligten. Es ist hundsmiserable Politik, weil es Animositäten schafft, wo keine notwendig wären. Hier laden die deutschen Verhandler Schaden für die deutsche Politik auf, der unnötig wäre, allein aus ideologischer Verblendung und, muss man annehmen, Eitelkeit.

    • In Dubio 13. Juli 2015, 11:18

      1. Aufgabe des Staates ist nicht, durch eigene Unternehmen seinen Bürgern (!!!!) Konkurrenz zu machen. Und bei Lotto-Betrieben beutet der Staat gezielt zur Staatsfinanzierung die Spielleidenschaft seiner Bürger aus. Das kann man auch als widerwärtig bezeichnen. Und ob Griechenland richtig rechnen kann, ist sehr die Frage: gerade erst hat das Athener Finanzministerium die potentiellen Einnahmen aus der zusätzlichen Besteuerung von Werbeausgaben mit 100 Millionen Euro beziffert – in einem Bereich, wo gerade 180 Millionen Euro umgesetzt werden… Von den 2 Daten, die Du genannt hast, wäre der Verkaufserlös nach verschiedenen Berechnungsmethoden deutlich zu niedrig. Ich bezweifle eher die Einnahmenseite, die wohl eher Umsatz ist…

      2. Die griechische Administration hat monatelang die Geldgeber vor aller Welt vorgeführt und teilweise lächerlich gemacht. Angefangen beim medienwirksam inszenierten Rausschmiss der Troika bis zum nicht abgestimmten Referendum. So vorgeführt, dass man sich in den USA schon fragt, warum die EU nicht mit einem Land fertig wird, dass gerade mal für 1,7% des BIP verantwortlich ist. Es ist der zwingende Zeitpunkt, Härte zu zeigen zum Schutz der Europäischen Institutionen und um das Vertrauen in die gemeinsame Währung zu sichern. Offensichtlich kommt die an den Finanzmärkten, diesem empfindlichen Seismographen, an.

      • Stefan Sasse 13. Juli 2015, 12:16

        Gut, so genau kenne ich mich da nicht aus. Habe mich auf diese Quelle verlassen, die gut recherchiert schien:
        http://t.co/UoqdtaIJra

        Die Finanzmärkte sind ein empfindlicher Seismograph, gewiss, aber das heißt nicht zwingend, dass sie auf die richtigen Reize reagieren.

  • R.A. 13. Juli 2015, 10:08

    Hmm. Gibt es eigentlich die komplette Maßnahmeliste irgendwo im Original? Auf die meist grottenschlechten Interpretationen der deutschen Medien verlasse ich mich ungern.

    Ansonsten ist natürlich das Grundproblem, daß die Geldgeber keinen Pfifferling darauf geben könne, daß Tsipras irgendeine zugesagte Maßnahme hinterher auch durchführen wird. Da ergibt sich dann automatisch die Notwendigkeit sich auf Sachen zu konzentrieren, die man halbwegs kontrollieren kann. Da ist dann ein Privatisierungsfonds erst einmal eine gute Idee.

    > Tatsächlich ist die Liste, die die Euro-Finanzminister nun auf 14 Seiten
    > zusammengefasst haben, ein einziger Diktat für die griechische Regierung,
    Ja logisch. Angesichts der Vorgeschichte war gar nichts anderes mehr möglich. Und wenn man sich umschaut, ist selbst dieses Entgegenkommen in Deutschland nicht unbedingt mehrheitsfähig.

    > sie torpediert auch noch einen der letzten funktionierenden
    > griechischen Wirtschaftszweige, den Tourismus.
    Ich sehe beim griechischen Tourismus kein Kostenproblem. Das Problem ist, daß die Touristen gar nicht mehr kommen – wegen des Syriza-Chaos.
    Ein Tick mehr auf die Rechnung wäre dagegen nicht abschreckend.

    > Ebensowenig ist erkennbar, warum ausgerechnet eine Stärkung des
    > Finanzsektors in Griechenland nachhaltiges Wachstum ermöglichen sollte.
    Das ist halt ein Basisservice für eine funktionsfähige Wirtschaft, notwendige Infrastruktur gerade für die Exportfirmen.

    > denn griechisches Kapital gibt es praktisch keines mehr.
    Es gibt reichlich griechisches Kapital. Nur eben nicht mehr in Griechenland.
    Entscheidend wäre es Vertrauen zu schaffen, damit die Griechen wieder im eigenen Lande investieren.

    > absurde 50 Milliarden Euro soll Griechenland durch Privatisierungen
    > von Staatseigentum erlösen.
    Eine durchaus realistische Summe. Wobei der Haupteffekt gar nicht mal der fiskalische wäre, sondern die Umwandlung von Pfründenorganisationen in Kunden-orientierte Servicebetriebe.

    > Treuhand-Desasters nach der deutschen Einheit war,
    Erstens war (trotz gerne aufgebauschter Einzelfälle) die Bilanz der deuschen Treuhand so schlecht nicht, und zweites sind die Fälle nicht vergleichbar. Denn das Hauptproblem damals war, daß das ganze Umfeld sich gleichzeitig änderte, Griechenland ist aber im Prinzip schon marktwirtschaftlich.

    > Der Zeitrahmen für die Umsetzung dieser Maßnahmen ist so
    > lächerlich klein, …
    Das könnte ein Problem sein – was ist denn der Zeitrahmen?

    > alle Kronjuwelen zu Spottpreisen aufkaufen.
    So viele „Kronjuwelen“ sind da nicht zu erwarten – sondern völlig verkrustete Strukturen, die nur mit harter Arbeit umzubauen sind. Und das in einem Umfeld, in dem bei jeder Investition zweifelhaft ist, ob sie sich jemals rechnen kann.

    > Glücksritter wie Guy Verhofstadt
    Das ist Unsinn bzw. eine von den „Krautreportern“ fabrizierte Lüge.

    > Syriza hat hoch gepokert und zumindest auf diesem Feld klar verloren, …
    Und vor allem: Syriza hat nicht im Ansatz irgendeinen alternativen Weg aufgezeigt. Alle Vorschläge bezogen sich immer nur auf andere Methoden, an EU-Geld zu kommen – nie auf bessere Ideen, intern in Griechenland zu reformieren.

    > Ein Passus der betont, dass die Umsetzung all dieser Maßnahmen die
    > Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen ist und keineswegs
    > Prognosen für deren Abschluss zulässt ist da nur noch eine weitere
    > Demütigung.
    Nein, das ist nackter Realismus. Denn bisher war die griechische Regierung gewohnt, das alleine schon für die Ankündigungen Geld fließt. Das ist vorbei.

    > Unterschreiben die Griechen dieses Papier, so akzeptieren sie
    > gleichzeitig die Alleinschuld an der desolaten wirtschaftlichen Lage.
    Das ist ja auch richtig so.
    Es ist ein Unding, daß in der staatsgriechischen Propaganda immer die Helfer schuld daran sind, daß Griechenland Mist gebaut hat.

    > Einige arbeiten unverhohlen am Rauswurf Griechenlands aus
    > der Eurozone, …
    Was ich inhaltlich für falsch halte. Aber wenn die Sache so weiter läuft, ist es wohl unvermeidlich – weil weitere Hilfszahlungen im Rest-Europa politisch einfach nicht mehr durchsetzbar sind.

    > Und in diesem haben einige Staaten mit und einige ohne Griechenland
    > einen Vorteil, und entsprechend gestaltet sich auch die Konfliktlinie
    > innerhalb der Eurogruppe.
    Richtig. Und deswegen wird es da irgendeinen Kompromiß geben. Letztlich will der übrigen 18 Staaten mit den anderen nur wegen Griechenland brechen.

    • Stefan Sasse 13. Juli 2015, 12:24

      Diktat: Sag ich ja. Das war nicht anders zu erwarten und ist auch nicht per se das Problem; die Taktlosigkeit und unnötige zusätzliche Demütigung ist, was ich so abstoßend finde.

      Finanzsektor: Glaubst du ernsthaft, dass wenn Griechenland da jetzt die gewünschten Gesetze erlässt, ein stabiler Finanzsektor entsteht der nachhaltiges Wachstum schafft und nicht einer, der schnellen Reibach macht und danach wieder geht? Das hielte ich für furchtbar naiv. Ich stimme grundsätzlich schon zu, dass so ein Finanzsektor eine feine Sache ist. Ich sehe nur nicht, wie der jetzt per Fiat so zu schaffen sein soll.

      Privatisierung: Wie oft ist versprochen worden, dass vorher so schwerfällige staatliche Dinger danach total kunden- und serviceorientiert und auch noch billiger sind? Und wie oft ist es gehalten worden? Auch hier besteht schlichtweg keine Kausalität. Es gibt gute Privatisierungen, sicherlich, aber in dem Maßstab und dem engen Zeitrahmen so viel kann nicht gut gehen.

      Zeitrahmen: Ich dachte, es geht um drei Jahre. Weiß ich da was falsch?

      Kronjuwelen: Was erst recht gegen Privatisierung aus Prinzip spricht.

      Verhofstadt: Weiß ich nicht. So oder so aber werden da mit Sicherheit Leute zwischen den Stühlen sitzen.

      Syrizas Poker: Sie haben sie diskutiert, aber nicht umgesetzt. Liegt teils sicher an der eigenen Struktur, teils aber auch echt an den Umständen.

      Umsetzungspassus: Zugegeben.

      Propaganda: Ich kann nur immer wieder betonen: keine der beiden Seiten ist alleine Schuld.

      Grexit: Denkst du nicht?

      Kompromiss: Exactly my point. Keiner wird es sich mit Deutschland nur wegen Griechenland verscherzen.

      • In Dubio 13. Juli 2015, 16:55

        Die Taktlosigkeiten waren auf griechischer Seite (finanzwirtschaftliches Waterboarding, Terror, kriminelle Vereinigung, um nur die prägnantesten zu nennen).

        Griechenland benötigt einen eigenständigen, von der Politik unabhängigen Finanzsektor. Das ist derzeit nicht gegeben, weshalb bis heute der bankrotte Staat von den Banken Kredit erhalten hat. Das muss ohne Zweifel geändert werden und fällt großzügig unter den Begriff Korruption.

        Die meisten Privatisierungen haben funktioniert. In den gescheiterten Fällen (ach so, die berühmte Londoner Tube) hat die Politik nicht auf die Empfehlungen der Ökonomie gehört. Nochmal: der Staat hat im Bereich der Unternehmen nichts (!!!) zu suchen, das ist nicht seine Aufgabe.

        Inzwischen ist bekannt geworden, dass Griechenland die Privatisierungen über die Laufzeit der Kredite – also Jahrzehnte – durchführen kann und 25% der Erlöse für Inlandsinvestitionen reserviert sind. Damit sind die in den Fonds überführten Anteile nichts anderes als ein Pfand. Beruhigt?

  • CitizenK 13. Juli 2015, 10:49

    Prof. Hickel (eben im Radio-Interview) findet den Deal gar nicht so schlecht – unter der Voraussetzung, dass die Rückzahlung auf 30 – 50 Jahre gestreckt wird.
    Rudolf Hickel ist bisher nicht als neoliberaler Hardliner in Erscheinung getreten.
    Weiteres Nachdenken ist also angesagt.

    • In Dubio 13. Juli 2015, 11:20

      Das geht in die Richtung, die ich schon früher skizziert hatte. Irgendwann in 10 Jahren wird man sich über einen echten Schuldenschnitt unterhalten können, doch heute ist der falsche Zeitpunkt.

    • Stefan Sasse 13. Juli 2015, 12:25

      Schon, aber gerade diese Schuldenstreckung (oder Haircut oder was weiß ich) ist doch eine der Kernforderungen von Syriza?

      • In Dubio 13. Juli 2015, 16:47

        Das ist ein großer Unterschied. Griechenland hat in den letzten 5 Jahren beides erfahren: erst wurden die privaten Gläubiger zu einem deutlichen Forderungsverzicht genötigt, anschließend wurden die Zahlungsbedingungen der öffentlichen Gläubiger gestreckt. Beides gilt in der Finanzwirtschaft als Zahlungsausfall.

        Trispras und Varoufakis beharrten bis zum Schluss auf einem Schuldenschnitt, d.h. auf den (Teil-) Verzicht der ausstehenden Forderungen. Ziel: Griechenland in den Stand zu versetzen, wieder selbst am Kapitalmarkt Bonds zu begehen. Aus rechtlichen Gründen schloss sich der IWF dieser Auffassung an.

        Die Bundesregierung wie zahlreiche andere Regierungen der Eurozone und die EZB können ebenfalls aus (verfassungs-) rechtlichen Gründen bestenfalls verlängerte Zahlungskonditionen anbieten. Diese werden nach dem Staatsrecht nicht als Zahlungsausfall gewertet. Verwirrend?

        Ich sehe nur den Weg, dass in 10-15 Jahren eine internationale Schuldenkonferenz stattfindet. Dazu ist jedoch zwingend eine Wohlverhaltensphase vorgeschaltet, Athen muss sich jetzt unter Kuratel der Gläubiger begeben. Schuldenschnitt ohne Wohlverhalten geht nicht, andernfalls, das hatte ich bereits geschrieben, muss Griechenland zwingend aus der Eurozone austreten, um dies zu erreichen.

  • CA 13. Juli 2015, 11:10

    Der KR-Artikel über Verhofstadt grenzt ja an Verschwörungstheorie. Er hat einen Aufsichtsratssitz bei einer Beteiligungsgesellschaft, die 0,38% eines Konzern hält, der mal eine Tochterfirma hatte, die mal mit einer anderen Firma ein griechisches Wasserwerk übernehmen wollte. Lol.

  • Kning 13. Juli 2015, 12:08

    Wenn sich im Ausland für den neutralen Beobachter der Eindruck verfestigt, der Umgang Deutschlands mit Griechenland erinnere an den Umgang der Sieger mit besiegtem Deutschland nach dem ersten Weltkrieg, dann ist das Ergebnis dieser Einigung nur als kommunikativ desaströs zu bezeichnen.
    Man hätte sicherlich eine Einigung mit Griechenland erzielen können und allen Seiten erlauben können, dass Gesicht zu wahren. Wie verbittert muss man auf deutscher Seite gewesen sein, dass man nur einen Weg der Einigung fand, in dem man den Gegner demütigt. Das erinnert an schwärzeste Kapriolen großdeutscher Vergangenheit, die ich schon lange überwunden geglaubt habe.

    Man mag heute das Scheitern des Euros abgewendet haben, aber wir Deutschen werden für diese Arroganz und Überheblichkeit einen Preis bezahlen müssen – das Land, dass am allermeißten von der europäischen Einigung profitiert, dass einst Motor für den europäischen Einigungsprozess war, zeigt an dem Punkt, wo Solidarität, Weitblick und politische Klugheit gefragt wären, das hässliche Bild von Rechthaberei, Borniertheit und Schulmeisterei.

    Außenpolitisch haben Herr Schäuble und Frau Merkel dem Land einen Bärendienst erwiesen und zertrümmern munter weiter das politische Erbe, dass Ihnen die Kanzler der Vergangenheit hinterlassen haben.

    @Karlspreisgesellschaft in Aachen:
    Bitte erkennen Sie Schäuble und Merkel den Karlspreis ab –

  • R.A. 13. Juli 2015, 15:48

    > die Taktlosigkeit und unnötige zusätzliche Demütigung ist,
    > was ich so abstoßend finde.
    Ich sehe da nicht wirklich eine Demütigung. OK – Tsipras hat erst einmal groß das Maul aufgerissen und dann ist es natürlich peinlich, wenn man klein beigeben muß. Aber die Bedingungen selber sind m. E. alle sachlich begründet. Man kann über die Sinnhaftigkeit/Realisierbarkeit vieler Punkte streiten – aber keiner ist unverständlich oder Schikane.

    > Glaubst du ernsthaft, dass wenn Griechenland da jetzt die
    > gewünschten Gesetze erlässt, ein stabiler Finanzsektor entsteht …
    Ich erwarte da keine kleine City of London. Nur ein paar funktionsfähige Institute, die seriös Kredite vergeben und Zahlungsverkehr abwickeln. Was es ja vor dem Syriza-Chaos schon weitgehend gab. Da fehlt m. E. nicht mehr viel.

    > Privatisierung: Wie oft ist versprochen worden, dass vorher so
    > schwerfällige staatliche Dinger danach total kunden- und
    > serviceorientiert und auch noch billiger sind?
    Die Diskussion will ich hier gar nicht führen. Da gebe ich Dir sowieso recht – man kann es so oder so machen.
    Aber Privatisierung in Griechenland hieße nicht, etwaige 10% Effizienzgewinne zu heben. Sondern einfach mal abzustellen, daß der Hauptzwecke der Firma in der Versorgung von Parteigängern besteht. D.h. die privatisierten Firmen können überhaupt mal anfangen normal zu arbeiten.

    > Zeitrahmen: Ich dachte, es geht um drei Jahre. Weiß ich da was falsch?
    Siehe oben, mir fehlen insgesamt noch viele Details.

    > Grexit: Denkst du nicht?
    Weichwährung kann helfen, Wettbewerbsfähigkeit bei den Kosten herzustellen. Indem man über Abwertung die Reallöhne senkt.
    Das ist aber bei Griechenland schon durch. Die Exportindustrie und der Tourismus wären im Prinzip wettbewerbsfähig. Und pleite ist Griechenland in jeder Währung.

    > Keiner wird es sich mit Deutschland nur wegen Griechenland verscherzen.
    Es ist ja nicht nur Deutschland. Auch ein Schäuble könnte seine Position nicht gegen 18 andere Staaten durchdrücken.

    • Stefan Sasse 13. Juli 2015, 17:30

      Gut, ich dachte bei Finanzsektor jetzt eher an Deutsche Bank als an Sparkasse.

      Bei Privatisierung – ist ein Argument. Ich bin ja auch nicht gegen Privatisierung per se, ich bin gegen Privatisierung von ALLEM, SOFORT und UM JEDEN PREIS.

  • R.A. 13. Juli 2015, 15:51

    > gerade diese Schuldenstreckung (oder Haircut oder was weiß ich)
    > ist doch eine der Kernforderungen von Syriza?
    Das ist eine reine Ablenkungsdiskussion. Ein Haircut wäre vielleicht 2020 nötig, derzeit ist der Schuldendienst nicht das Problem.

    Im wesentlich versucht Syriza davon abzulenken (und sehr viele Leute gehen gerne darauf ein), daß sie nach Regierungsübernahme wieder ein heftiges Primärdefizit erzeugt haben. D.h. sie brauchen das frische Geld nicht wegen der Altschulden, sondern um jeden Monat Gehälter und Renten zu bezahlen.

  • R.A. 13. Juli 2015, 16:02

    > Wenn sich im Ausland für den neutralen Beobachter der
    > Eindruck verfestigt, der Umgang Deutschlands mit Griechenland
    > erinnere an den Umgang der Sieger mit besiegtem Deutschland
    > nach dem ersten Weltkrieg …
    Das scheint mir bisher eine reine Hysterie gewisser deutscher Medien zu sein.
    Ich habe bisher keine ausländischen Medien gefunden, die diesen Vergleich ernsthaft ziehen. Die Griechen selber vergleichen ja immer nur mit Nazi-Deutschland, für die übrigen Euro-Länder ist das keine speziell deutsche Linie, sondern die Linie der jeweils eigenen Regierung.

    > Man hätte sicherlich eine Einigung mit Griechenland erzielen können
    > und allen Seiten erlauben können, dass Gesicht zu wahren.
    Nach den Kapriolen von Tsipras war das wohl nicht mehr möglich. Denn alles außer „Geld her ohne Bedingungen“ wäre für ihn ja eine Niederlage gewesen.

    > Wie verbittert muss man auf deutscher Seite gewesen sein, dass man
    > nur einen Weg der Einigung fand, in dem man den Gegner demütigt.
    Wer sagt das?
    Die Positionen, auf die sich ALLE Gläubiger geeinigt haben, werden als notwendig und sinnvoll gesehen, um Griechenland mittelfristig wieder liquide zu machen. Das kann man inhaltlich bezweifeln – aber demütigend sind weder dieses Ziel noch die Einzelpunkte.

  • Kning 14. Juli 2015, 12:20

    Was den Vergleich angeht findet sich hier einiges in einschlägigen ausländischenBoulevardmedien – man mag einwenden, dass diese von geringer publizistischer Qualität sind, aber eben ein nicht zu unterschätzende meinungsmachende Wirkung erzielen. Aber auch in der renommierten Wirtschaftspresse (Financial Times, Wallstreet Journal, etc.) waren entsprechende Verweise zu lesen.

    Es gibt ja eben diesen ominösen Paragraphen in dem Vertragsentwurf, in dem Griechenland die volle Schuld auf sich nehmen muss. Ich meine eine derart emotionale Aufladung des Thema war nicht notwendig und ist explizit auf deutschen Wunsch hineindefiniert worden. In der derart komplexen Situation noch ein Schaustück von Schuld und Sühne aufführen zu wollen ist aus meiner Sicht ein typisches Zeichen von Kleingeistigkeit und Schulmeisterei, die so typisch Deutsch ist , aber dem Lösungsprozess nicht dienlich ist.

  • Stefan Sasse 14. Juli 2015, 17:38
  • R.A. 15. Juli 2015, 09:50

    > Es gibt ja eben diesen ominösen Paragraphen in dem
    > Vertragsentwurf, in dem Griechenland die volle Schuld
    > auf sich nehmen muss.
    Kann man den irgendwo mal im Original nachlesen?
    Es ist gerade bei solchen Sachen fast unmöglich, nur nach indirekten und interpretierenden Presseberichten ein Urteil zu fällen.

    In der Sache scheint mir schon sinnvoll, die Verantwortlichkeiten irgendwo klar festzuschreiben – gerade weil Syriza und Genossen so gerne die Verantwortung für die selbst geschaffenen Mißstände auf die EU abschieben wollen.

    • Ralf 15. Juli 2015, 22:43


      > Es gibt ja eben diesen ominösen Paragraphen in dem
      > Vertragsentwurf, in dem Griechenland die volle Schuld
      > auf sich nehmen muss.

      Kann man den irgendwo mal im Original nachlesen?

      Ja, kann man:

      https://varoufakis.files.wordpress.com/2015/07/eurosummit-communique-terms-of-surrender.pdf

      Zitat: „There are serious concerns regarding the sustainability of Greek debt. This is due to the easing of policies during the last twelve months, which resulted in the recent deterioration in the domestic macroeconomic and financial environment.

      The Euro Summit recalls that the euro area Member States have, throughout the last few years, adopted a remarkable set of measures supporting Greece’s debt sustainability, which have smoothed Greece’s debt servicing path and reduced costs significantly.“

      Mit anderen Worten, die Troika raeumt noch nicht einmal eine Teilschuld an den voellig aus dem Ufer gelaufenen griechischen Schulden ein. Im Gegenteil. Angeblich will die Troika viele „bemerkenswerte Schritte“ unternommen haben, die griechischen Schulden tragfaehig zu machen. Schuld daran, dass das nicht geklappt hat, sind allein die Griechen. Speziell in den letzten 12 Monaten, wird vermerkt, sind die griechischen Schulden untragbar geworden. Hier eine Abbildung der Entwicklung der griechischen Schulden, der man entnehmen kann, dass diese Behauptung kompletter Bloedsinn ist:

      http://media1.faz.net/ppmedia/aktuell/235371262/1.3391593/default/hq/infografik-griechische.jpg

      • CitizenK 16. Juli 2015, 17:04

        Und DIE ZEIT verbreitet diesen verleumderischen Blödsinn auf der Titelseite: „Tsipras hat sein Land in einem halben Jahr in Grund und Boden gewirtschaftet“. Der Verfasser, Uwe Jean Häuser, gilt als Wirtschaftsjournalist!
        (Weiter hinten allerdings, im Dossier, werden die Dinge wieder etwas geradegerückt. Es ist aber zu befürchten, dass der Leitartikel mehr Wirkung entfalten wird.

  • R.A. 15. Juli 2015, 09:52

    > das Varoufakis-Interview als vollständiges Transkript.
    Interessant.
    Mal abgesehen davon, daß ich einige Passagen für extrem unglaubwürdig halte: Es bestätigt sich das Bild eines Menschen, der aus dem akademischen Elfenbeinturm kommend nicht begriffen hat, was er in seinem Amt eigentlich zu tun hat, der auch keinerlei Verständnis für politische Prozesse und Verhandlungen hat.
    Und der es nicht geschafft hat, mit irgendjemand eine vernünftige Kommunikation hinzukriegen – weder in der Euro-Gruppe noch in der eigenen Regierung.

    • Stefan Sasse 15. Juli 2015, 10:21

      Ich fühlte mich etwas an die Piratenpartei erinnert, die auch nie verstanden hat warum mit ihrem Einzug in die Parlamente sich das politische System nicht geändert hat.

  • In Dubio 18. Juli 2015, 10:44

    @Ralf 14. Juli 2015, 23:45

    In einem Nebenstrang wurde mir vorgeworfen, mich in Blogdiskussionen nicht überzeugen lassen zu wollen. Das stimmt, nur liegt das an dem Verhalten meiner Gegenüber, einem Informationsvorsprung meinerseits (ich weiß, arrogant) und meiner Bereitschaft und Offenheit, schon zuvor Gegenargumente ordentlich abgeklopft zu haben.

    Und Sie liefern – trotz aller Intelligenz – ein Beispiel par excellence, warum das so ist. Sie debattieren mit mir in einer Ignoranz, das nicht im Mindesten erkennen lässt, Gegenargumente zu adaptieren. Ich erwarte nicht, dass man meine Positionen übernimmt, Gott bewahre. Aber ich erwarte von einem intelligenten Menschen, dass ich in einer Diskussion nicht immer beim Punkt Null anfange. Nach all dieser Vorwürfe Handfestes:

    Hätte man Griechenland mit einem deutlichen Schuldenschnitt entlastet und das Land ansonsten mit seinen eigenen Mitteln leben lassen, so wie Syriza das auch angeboten hat, dann wären die schon sehr schnell selber drauf gekommen, was sie sich leisten können und was nicht. Oder sie finden irgendwo einen Sponsor, der investieren will. So oder so, wäre das nicht Ihr, nicht unser und auch nicht das Problem der EU gewesen.

    Hier hatte ich bereits ausführlich geschrieben, was die Probleme dabei sind:
    1. Durch einen angenommenen Schuldenschnitt würde Griechenland auf einen Stand sinken, der Deutschland oder Frankreich ähnlich ist. Maßgeblich zu Lasten dieser Länder. Das bedeutet, es könnte sich auch wieder an den Finanzmärkten refinanzieren, sprich verschulden. So sehen das ja auch beide Parteien, die Gläubiger wie Teile Syrizas und weite Teile der griechischen Wählerschaft.
    2. Griechenlands Problem ist derzeit nicht die Tilgung, die wegen der Streckung bei so 1,5% des BIPs und damit in erschwinglicher Höhe liegt. Allein dies liefert kein zwingendes Argument für einen Schuldenschnitt.
    3. Nach den Regeln der Eurozone sowie der EZB ist ein Schuldenschnitt ausgeschlossen, dieser ist nur mit weiteren Rechtsbrüchen zu haben.

    Ihr Kommentar, der nach diesen Ausführungen publiziert wurde, liefert keinen Anhaltspunkt, dass Sie sich ansatzweise mit den Gegenargumenten auseinandergesetzt hätten.

    Wäre man, wie oben beschrieben, auf die Idee von Syriza eingegangen und haette einen Schuldenschnitt gemacht + die Vereinbarung keine neuen Kredite an das Land zu vergeben, wäre es zu dem ganzen Chaos garnicht erst gekommen.

    Tsipras und Varoufakis haben immer beides verhandelt: Schuldenschnitt und Restzahlung aus dem Rettungspaket. Auch dies ist an Ihnen vorbeigerauscht.

    Wer will denn, dass die Griechen aus dem Euro austreten?

    Ein Schuldenschnitt ist nach den Regeln der Währungsunion nicht mit der Mitgliedschaft vereinbar („No-Bail-Out-Klausel“).

    Dass souveräne Staaten ihre Souveränität verlieren, ist nirgendswo in internationalem Recht verankert.

    Stimmt, das ist nicht kodifiziert. Aber genau den Verlust von Souveränität beklagen Sie doch nun, oder?

    Das (und die Konfiszierung griechischen Staatseigentums um es zu verscherbeln) ist nichts anderes als die vollständige Beseitigung von Demokratie und Entrechtung Griechenlands.

    Griechenland hat Demokratie ausgeübt, in dem es gegen die Rettungspakete gestimmt hat. Die demokratisch legitimierten Partnerländer sehen das diametral anders. Die Bevölkerung Griechenlands will aber um jeden Preis im Euro bleiben, während die Bevölkerungen im Norden nichts gegen ein Ausscheiden hätten. Ich habe es oft geschrieben: Entscheidungen, auch demokratische, ohne Konsequenz gibt es unter Erwachsenen nicht. Sie wollen Kindergarten. Wenn die Griechen im Euro bleiben wollen, dann nur zu den Bedingungen der Gemeinschaft. Andernfalls: Farewell!

    Sinnvoller ist immer, wenn sich Schuldner und Gläubiger auf einen von beiden Seiten getragenen Kompromiss verständigen können. Allerdings sollte dies ein Kompromiss sein, der für beide Seiten fair ist.

    Definieren Sie fair. Nein, nicht hier, das wäre mir zu lang. Nein, darum geht es nicht, bei einem Schuldenschnitt will der Schuldner etwas aus subjektiven, manchmal auch objektiven Gründen und schädigt damit seinen Gläubiger. Das ist einseitig. Der Gläubiger hat aus verschiedenen Aspekten (ethisch, rechtlich) nur einen Grund darauf einzugehen, nämlich dass er sonst gar nichts bekäme. So sind daher im Privaten, in Nordamerika wie Europa die Regeln für Insolvenzen, die Sie nonchalant entweder ausblenden oder nicht kennen. Beides macht dann eine Diskussion überflüssig.

    Fürs Protokoll: Unternehmen werden durch den Staat im Insolvenzfall enteignet, die bisherigen Eigner verlieren die Herrschaft über das Unternehmen (Verlust der Souveränität) und werden nicht entschädigt. Das Vermögen wird versilbert (Überführung von Staatseigentum in einen Privatisierungsfonds). Alles dient der Befriedigung der Gläubiger. Bei der Insolvenz von Privatpersonen müssen diese ihr Vermögen sowie ihr Einkommen unter einen Insolvenzverwalter stellen, sich zu Wohlverhalten von 7 Jahren verpflichten und nur, wenn dies erfüllt wird, wird ihnen Schuld erlassen.

    Schuldet der Bürger dem Staat Geld (Steuern, Bafög, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld), so hat dieser fast keine Möglichkeit, seinem Schuldner etwas zu erlassen.

    Sie verlangen, dass Staaten – in diesem Fall Griechenland – immer besser gestellt werden als die eigenen Regeln dies zulassen. Wie kann ein regelloses Denken akzeptiert werden?

    Investoren sind immer ein Stück weit Glücksspieler, Anlagen immer mit Risiko verbunden.

    … und gleichzeitig machen Linke wie Sie in Fällen Griechenland, Italien, Spanien und anderen Investoren Vorwürfe, wenn sie aus Ihrer Sicht nicht angemessene Zinsen verlangen.

    Wie dem auch sei, mit den deutschen Gläubigern im Falle Griechenlands muss man garantiert kein Mitgefühl haben.

    Die Bundesregierung hat 2011 die deutschen Banken gebeten, ihre Vermögenspositionen zu halten. Der später von der gleichen Regierung initiierte Schuldenschnitt traf dann die deutschen Banken überproportional.

    Nicht Griechenland wird hier gerettet, sondern unsere Bundeskanzlerin

    Nicht die Bundeskanzlerin hat Griechenland zuletzt einen Kredit angeboten, der Ministerpräsident Tsipras hat beim ESM einen Antrag auf finanzielle Mittel eingereicht und sich zu den bestehenden Regeln verpflichtet. Soweit Athen die Bedingungen erfüllt, hat es einen Anspruch. Ich weiß, mit Recht und Regeln stehen Sie auf Kriegsfuß, Sie händeln und beurteilen lieber „hemdsärmelig“. Sie sagen selbst, man könne den Postsozialisten nicht trauen, nur um sie politisch zu unterstützen. Das nenne ich Slapstick.

    Wenn Sie Ihren Privatkredit bei der Bank nicht zurückzahlen können, werden Sie schließlich auch nicht erst nach 14 Jahren kontaktiert, um nach möglichen Lösungen zu suchen.

    Sie scheinen wirklich keine Ahnung zu haben, wie so etwas abläuft. Wenn Sie den Kredit nicht vertragsmäßig tilgen, mahnt Sie die Bank und erwirkt nach einer Zeit eine Vollstreckung Ihres Vermögens. Lässt sich nicht auf Ihr Vermögen vollstrecken, so müssen Sie (!) einen Antrag auf Insolvenz stellen und übergeben die Souveränität über Ihre Finanzen an einen Richter. Dieser prüft, ob Sie überhaupt die Bedingungen erfüllen – nicht Sie bestimmen das (!) – und erst, wenn Sie 7 Jahre alles getan haben um die Ansprüche zu befriedigen, können Sie nach einer weiteren Prüfung darauf hoffen, dass Ihnen Schulden erlassen werden. Das kann aber auch abgelehnt werden!

    Wenn Sie sich das ins Gedächtnis rufen, bekommen Sie keinen Vergleich damit hin, was Sie politisch wollen. Sie argumentieren regellos.

    Ich habe mir die Tage 90 Minuten Heiner Flassbeck zur Eurokrise angesehen. Warum? Er ist ohne Zweifel sehr unterhaltsam, mit ständiger Ironie (was allerdings nicht die Seriosität hebt), informativ, klug. Er hat ein Sendungsbewusstsein. Aber deswegen hat er nicht automatisch Recht. Interessant war seine Argumentationslinie und wenn daran Interesse besteht, setzte ich mich demnächst damit auseinander. Das ist für mich allemal fordernder als sich mit den immer gleichen Argumenten auseinanderzusetzen, wo nie das Gegenargument adaptiert wird, um daraus ein echtes Debattenduell zu machen.

  • Ralf 21. Juli 2015, 00:37

    @ In Dubio

    Aber ich erwarte von einem intelligenten Menschen, dass ich in einer Diskussion nicht immer beim Punkt Null anfange.

    Na dem hoffe ich dann gerecht zu werden … 😉

    1. Durch einen angenommenen Schuldenschnitt würde Griechenland auf einen Stand sinken, der Deutschland oder Frankreich ähnlich ist. Maßgeblich zu Lasten dieser Länder. Das bedeutet, es könnte sich auch wieder an den Finanzmärkten refinanzieren, sprich verschulden. So sehen das ja auch beide Parteien, die Gläubiger wie Teile Syrizas und weite Teile der griechischen Wählerschaft.

    Das haengt doch sehr davon ab, wie umfangreich dieser Schuldenschnitt ist. Kein Mensch verlangt, dass alle Schulden komplett gestrichen werden und meines Wissen nach ist das normalerweise auch nicht ueblich.

    Zur erneuten Verschuldung: Wer bitte leiht einem Land neues Geld, wenn dieses Land gerade bankrott gegangen ist und mittels eines Schuldenschnitts gerettet werden musste? Die Antwort auf die Frage ist mir allerdings egal, denn selbst wenn sich ein Goenner findet, ist das nicht mein Problem, solange der Steuerzahler nicht wieder fuer die dann moeglicherweise zu erwartenden Kreditausfaelle haftbar gemacht wird.

    2. Griechenlands Problem ist derzeit nicht die Tilgung, die wegen der Streckung bei so 1,5% des BIPs und damit in erschwinglicher Höhe liegt. Allein dies liefert kein zwingendes Argument für einen Schuldenschnitt.

    Nun, Griechenland war offensichtlich bereits mit der Tilgung einer IWF-Tranche von 1,5 Milliarden Euro im Juni ueberfordert. Die Zahlung einer weiteren Tranche an den IWF von einer halben Milliarde zwei Wochen spaeter konnte ebenfalls nicht erfolgen. Heute musste Griechenland ueber 4 Milliarden Euro an die EZB zurueckzahlen. Dem Spiegel entnehme ich, dass in den kommenden drei Jahren 35 Milliarden Euro faellig werden, und dazu kommen weitere 17,8 Milliarden Euro Zinsen (Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/warum-griechenland-ploetzlich-86-milliarden-euro-braucht-a-1043431.html ). Zusammengenommen entspricht das etwa einem Viertel des BIP. Wirklich kein Problem? Waehrenddessen herrscht in Griechenland ein sozialer Notstand. Viele Menschen haben nicht ausreichend zu essen, eine angemessene Behandlung in Krankenhaeusern kann nicht mehr garantiert werden, Medikamente sind knapp, die Arbeitslosigkeit explodiert, die Suizidrate steigt.

    3. Nach den Regeln der Eurozone sowie der EZB ist ein Schuldenschnitt ausgeschlossen, dieser ist nur mit weiteren Rechtsbrüchen zu haben.

    Das stimmt so nicht. Die Experten sind sich in dieser Frage vielmehr nicht einig. Siehe dazu z.B. hier:

    http://www.onvista.de/news/griechischer-schuldenschnitt-auch-ohne-grexit-moeglich-8766711

    Abgesehen davon gibt es alternative Moeglichkeiten, wie eine Umschuldung, die praktisch gesehen wie ein Schuldenschnitt wirkt, das Problem aber auf eine andere, indirektere Art und Weise loest und von den meisten fuer machbar gehalten wird.

    Tsipras und Varoufakis haben immer beides verhandelt: Schuldenschnitt und Restzahlung aus dem Rettungspaket. Auch dies ist an Ihnen vorbeigerauscht.

    Aber weder Tsipras noch Varoufakis wollten ein NEUES RETTUNGSPAKET. Dazu zitiere ich aus dem Spiegel:

    „Die griechische Regierung will nach eigener Aussage keine neuen Darlehen. Die vielen Hilfskredite seien schließlich ein Grund dafür gewesen, dass das Land nun so hoch verschuldet ist. „Ich möchte nicht, dass der Staat weitere Kredite aufnimmt“, sagt Finanzminister Varoufakis. „Wir wollen nicht mehr Geld.“ Demnach ist auch ein drittes Rettungspaket nicht in seinem Sinne.“

    Die Quelle ist hier:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-was-regierung-und-geldgeber-wirklich-wollen-a-1021484.html

    Die zusaetzlichen Kosten verursacht dadurch, dass wir den Griechen neue Kredite AUFZWINGEN, die sie dezidiert NICHT HABEN WOLLEN, duerften bei etwa 50 Milliarden Euro oder hoeher liegen. Wie das im Interesse des deutschen Steuerzahlers sein soll, ist mir schleierhaft.

    Und was die bereits angehaeuften Schulden des Landes angeht, die bekommen wir sowieso nicht zurueck. Zumindest habe ich bisher keinen einzigen Experten getroffen, der das anzweifelt. Weder links, noch rechts. Dass die Kredite weg sind, ist vermutlich das einzige worauf sich sogar Hans-Werner Sinn und Paul Krugman sofort verstaendigen koennen. Auf das Geld, das ohnehin weg ist, dann auch ganz offiziell zu verzichten, kostet uns also keinen Penny. Oder andersrum ausgedrueckt, auf der Rueckzahlung zu beharren, bringt uns keinen Cent mehr. Es dient lediglich symbolischen Zwecken. Und es dient dem weiteren Machterhalt von Frau Merkel. Denn die Bundeskanzlerin ist die einzige, die davon profitiert, dass wir uns selbst beluegen, waehrend das ganze sowohl fuer den deutschen Steuerzahler als auch fuer den griechischen Buerger zu einer immer teureren Lose-Lose-Situation wird.

    Stimmt, das ist nicht kodifiziert. Aber genau den Verlust von Souveränität beklagen Sie doch nun, oder?

    Ja. Ein totaler Verlust der Souveraenitaet, wie im Falle Griechenlands, ist aus meiner Sicht aus Gruenden von Rechtsstaat und Demokratie absolut unertraeglich.

    Die Bevölkerung Griechenlands will aber um jeden Preis im Euro bleiben

    Da koennen Sie sich hoechstens auf Meinungsumfragen berufen, bei denen es fuer die Teilnehmer um ueberhaupt nichts ging. Die Frage, ob Griechenland im Euro bleiben soll, und wenn ja zu welchem Preis, ist dem griechischen Waehler so nie gestellt worden. Dazu kommt, dass beim Referendum ueber dieses Problem viel debattiert worden ist. Die griechische Regierung hat zwar stets abgestritten, dass es beim Referendum um den Verbleib des Landes im Euro geht, aber dass dies moeglicherweise doch der Fall sein koennte, ist von den griechischen Medien, zahlreichen EU-Politikern sowie der griechischen Opposition in die Debatte hineingetragen worden. Ich war zwar persoenlich zu der Zeit nicht in Griechenland, aber man darf wohl davon ausgehen, dass zumindest ein signifikanter Teil der Waehler im Referendum davon ausging, dass ein NEIN moeglicherweise zum Euro-Austritt fuehren koennte. Trotzdem hat Tsipras das Referendum fast mit einer Zweidrittelmehrheit gewonnen. Auf dieser Basis halte ich Behauptungen, dass die Griechen bereit sind JEDEN PREIS zu zahlen, um im Euro zu verbleiben, fuer aeusserst zweifelhaft und nicht belegt. Jene, die zu einem Austritt bereit waeren, wenn die Sparauflagen nicht menschlicher gestaltet werden, haben jetzt allerdings keine demokratische Partei mehr, die sie waehlen koennen. Ihnen bleiben nur noch die Kommunisten oder die Neonazis. Auch das ist aus demokratischer Sicht extrem bedenklich.

    Ich habe es oft geschrieben: Entscheidungen, auch demokratische, ohne Konsequenz gibt es unter Erwachsenen nicht. Sie wollen Kindergarten. Wenn die Griechen im Euro bleiben wollen, dann nur zu den Bedingungen der Gemeinschaft. Andernfalls: Farewell!

    Niemand will einen Kindergarten. Und ich gebe Ihnen ja auch Recht, dass Regeln in einer Gemeinschaft nicht einfach mir nichts, dir nichts gebrochen werden sollten. Darum geht es hier aber auch garnicht. Griechenland ist in der katastrophalen Lage, in der es ist, ja gerade deshalb, weil es die Spar-Regeln so heftig erfuellt hat. Dabei hat sich herausgestellt, dass die vereinbarten Regeln, so wie sie stehen, im Falle dieses gebeutelten Landes, nicht vereinbar sind, mit einem funktionalen Staatswesen. Griechenland faellt auseinander. Die griechische Gesellschaft zerbricht an dem Spardiktat. In der Politik sind Regeln normalerweise gottseidank nicht in Stein gemeisselt. Regeln werden vielmehr flexibel neuen Bedingungen angepasst. Letztlich sind Regeln naemlich kein Selbstzweck, sondern sollen der Gemeinschaft dienen. Tun sie das nicht mehr, gehoeren sie ueberdacht.

    Definieren Sie fair.

    Fuer den Begriff „fair“ gibt es keine einzigartige Definition, die eine ganz bestimmte Loesung des Problems bevorzugt. Der Begriff „fair“ bezeichnet vielmehr ein ganzes Spektrum an moeglichen Wegen, die alle gemeinsam haben, dass keine der beiden Seiten ihr Gesicht verliert und beide Seiten einen Kompromiss erhalten, mit dem sie leben koennen.

    Man haette Griechenland beispielsweise mit einer grosszuegigen Erleichterung bei den Schulden entgegenkommen koennen (Schuldenschnitt, Umschuldung etc.), Geld wohlgemerkt, das wir ohnehin nicht zurueckbekommen werden. Im Gegenzug haette man gewisse Reformen verhandeln koennen und deren erfolgreiche Umsetzung als Voraussetzung fuer oben genannte Erleichterungen bestimmen koennen. Damit haetten beide Seiten einen Erfolg in der Tasche gehabt, den die zuhause haetten verkaufen koennen. Die Griechen haetten dann vermutlich nie den Verhandlungstisch verlassen, es waere nie zu dem Referendum gekommen, die Banken waeren nicht geschlossen worden, die Krise waere niemals so teuer geworden.

    Stattdessen haben die Glaeubiger zu keinem Zeitpunkt wirkliche Verhandlungen gefuehrt, mit dem Ziel eines fairen Kompromisses. Stattdessen sind praktisch von Anfang an Kapitulationsverhandlungen gefuehrt worden, wie man sie normalerweise nur nach einem verlorenen Krieg kennt. Ein angebliches Entgegenkommen der Glaeubiger stellte sich als ein Sammelsurium an dreisten Luegen heraus. Siehe dazu hier:

    http://www.taz.de/!5208233/

    Und zuletzt waren noch nicht einmal mehr Kapitulationsverhandlungen genug. Jetzt wollte man die Griechen schwerstmoeglich demuetigen und vorfuehren. Die Linken sollten bestraft werden. Als Folge regelt Deutschland jetzt praktisch sogar die Ladenoeffnungszeiten in Griechenland. Das Land ist de facto zum Protektorat geworden, die griechischen Waehler vollstaendig entmachtet, die Demokratie fuer alle praktischen Belange abgeschafft worden.

    bei einem Schuldenschnitt will der Schuldner etwas aus subjektiven, manchmal auch objektiven Gründen und schädigt damit seinen Gläubiger. Das ist einseitig. Der Gläubiger hat aus verschiedenen Aspekten (ethisch, rechtlich) nur einen Grund darauf einzugehen, nämlich dass er sonst gar nichts bekäme.

    Letzteres gilt auch hier. Die Kredite, die wir den Griechen hinterherwerfen, werden wir nie mehr wiedersehen.

    Abgesehen davon ist die Situation garnicht so „einseitig“, wie Sie meinen.
    Wenn ein Investor einem Nehmerland einen Kredit gibt, dann ist das ein Geschaeft, von dem sich beide Seiten Vorteile versprechen. Scheitert das Geschaeft tragen in aller Regel beide Seiten Schuld:

    1. Der Schuldner hat sich uebernommen.
    2. Der Investor hat die Kreditfaehigkeit des Nehmers falsch eingeschaetzt.

    Eigentlich logisch, dass beide Parteien dann auch die Verluste gemeinsam tragen.

    Sie verlangen, dass Staaten – in diesem Fall Griechenland – immer besser gestellt werden als die eigenen Regeln dies zulassen. Wie kann ein regelloses Denken akzeptiert werden?

    Sie nennen Vergleiche aus dem Insolvenzrecht, und damit Regeln, die auf Staaten ueberhaupt nicht uebertragbar sind. Privatschuldner bzw. Unternehmen operieren unter dem Schutzschirm des Gesetzes, das gewisse Rechte garantiert. Beim Privatschuldner etwa darf nicht jenseits des Existenzminimums gepfaendet werden. Die Schulden duerfen auch nicht in einer Form von Sippenhaft auf Kinder und Enkelkinder abgeschoben werden.

    Wer garantiert solche Rechte eigentlich, wenn es um einen Staatsschuldner geht? Wer garantiert, dass die betroffene Bevoelkerung nicht so harsch ausgepresst wird, dass es zu einer sozialen Katastrophe kommt? Wer garantiert, dass nicht kuenftige Generationen fuer die Fehler der gegenwaertigen Generation haften muessen? Die Antwort ist NIEMAND. Regeln aus dem Privatinsolvenzrecht kann man nicht einfach Staaten ueberstuelpen, solange offene Punkte wie diese nicht geklaert sind. Die Situationen bleiben nicht wirklich miteinander vergleichbar.

    … und gleichzeitig machen Linke wie Sie in Fällen Griechenland, Italien, Spanien und anderen Investoren Vorwürfe, wenn sie aus Ihrer Sicht nicht angemessene Zinsen verlangen.

    Dass Zinsen die Kreditwuerdigkeit widerspiegeln ist selbstverstaendlich. Hoeheres Risiko muss immer auch mit einer hoeheren Rendite einhergehen. Was kritisiert wird, und was Sie hier moeglicherweise meinen, ist etwas voellig anderes, naemlich dass „die Maerkte“ nicht davor zurueckschrecken, ganze Laender und Gesellschaften zum Freiwild auszurufen. Einer solch ausufernden Spekulation sollte in der Tat ein Riegel vorgeschoben werden.

    Nicht die Bundeskanzlerin hat Griechenland zuletzt einen Kredit angeboten, der Ministerpräsident Tsipras hat beim ESM einen Antrag auf finanzielle Mittel eingereicht und sich zu den bestehenden Regeln verpflichtet.

    Da stellen Sie sich jetzt aber duemmer als Sie sind. Praktisch gesehen hatte Tsipras, nachdem er von der Bundeskanzlerin in den sogenannten „Verhandlungen“ erpresst worden war, ueberhaupt keine Wahl mehr.

    und erst, wenn Sie 7 Jahre alles getan haben um die Ansprüche zu befriedigen, können Sie nach einer weiteren Prüfung darauf hoffen, dass Ihnen Schulden erlassen werden.

    Wie gesagt, eine Privatinsolvenz und eine staatliche Insolvenz sind nicht direkt miteinander vergleichbar. Dennoch gilt selbstverstaendlich, dass man es Schuldnern nicht allzu zu einfach machen darf, ihre Schulden loszuwerden, weil das letztlich ein „Moral Hazard“ waere. In dem Zusammenhang darf man erwaehnen, dass Griechenland bereits mehr als 5 Jahre brutalstes Sparen hinter sich hat, die Einkommen um ein Viertel eingebrochen sind, die Renten um ein Viertel eingebrochen sind und die Zahl derer, die noch Arbeit haben, immer kleiner wird. Das soziale Elend wird dafuer tagtaeglich groesser. Man fragt sich, wieviel weitere Suehne Moralisten wie Sie noch einfordern werden, bis man dem Land eine Perspektive eroeffnet, dass es irgendwann auch mal wieder bergauf geht. Bisher ging es fuer die Menschen nur bergab.

    Ich habe mir die Tage 90 Minuten Heiner Flassbeck zur Eurokrise angesehen. Warum? Er ist ohne Zweifel sehr unterhaltsam, mit ständiger Ironie (was allerdings nicht die Seriosität hebt), informativ, klug. Er hat ein Sendungsbewusstsein. Aber deswegen hat er nicht automatisch Recht.

    Mir scheint, man kann das selbe auch ueber Sie behaupten … 😉

  • In Dubio 31. Juli 2015, 17:47

    Wollen Sie mich mit Worten erschlagen? 😉

    Ich hatte bereits ausgeführt, dass bei einem Schuldenschnitt 20 – 50 Prozent der Schulden draufgehen. Und ja, die jahrhundertelange Erfahrung mit Staatsschulden lehrt, dass bereits nach 2-4 Jahren bankrotte Länder wieder Kredit erhielten. Sie behaupten, dass dies Sie nicht tangiere. Tut es doch. Schließlich sind wir an diesem Stand der Debatte, weil private Gläubiger Athen keinen Kredit mehr einräumen und dies seit Jahren, sieht man mal von den griechischen Banken ab, die unter Staatseinfluss stehen. Niemand garantiert also, dass das Spiel nach einem Schuldenschnitt von vorne beginnt, die von Syriza geführte Regierung schon gar nicht. Hier sind wir wieder an dem Punkt mangelnder Glaubwürdigkeit: Tsipras ist kein Garant, dass Athen die erstbeste Gelegenheit nutzen würde, am Finanzmarkt neue Schulden aufzunehmen, den Schuldenstand wieder nach oben zu treiben, bis man die Partner vor die bekannte Alternative stellt, ein Euroland zu „retten“ oder das Konstrukt der gemeinsamen Währung zu destabilisieren. Deswegen muss eine Wohlverhaltensperiode folgen.

    Griechenland ist derzeit mit jeder Zahlung überfordert, selbst bei einem Schuldenschnitt benötigt man einen veritablen Primärüberschuss, um sicher über die Runden zu kommen. Sie haben es selber aufgelistet, selbst wenn man in den nächsten 3 Jahren rund 50 Milliarden EUR an Tilgung und Zinsen leisten muss, benötigt das Land laut offizieller Kalkulation zwischen 85-100 Milliarden EUR. Syriza hat wegen der von den Post-Kommunisten geschürten Unsicherheit das Land tief zurück in die Rezession gestürzt. Heute ist Athen so weit von einem Primärüberschuss entfernt wie Varoufakis von einer Eliteuniversität.

    Es ist naheliegend, dass in einem Land ohne geregelte Sozialhilfe, ohne rechtstaatliches Sozialsystem und mit hoher Arbeitslosigkeit Armut um sich greift. Tsipras hat wenig getan um diesen Zustand zu ändern und stattdessen 6 Monate mit den einzigen Kreditgebern des Landes um die goldene Ananas gefeilscht. Inzwischen hat sich bis in die Reihen von Syriza herumgesprochen, dass man mit dieser Taktik ausschließlich Zeit vergeudet und Geld verschwendet hat. Allein die Schließung der Banken hat das Land Milliarden an Wohlstand und Steuern gekostet. Die deutsche Pharmaindustrie hat kritisiert, dass seit Monaten vergünstigte Präparate als Exporte in anderen Ländern landen. Griechische Geschäftemacher bringen die Arzneimittel, welche die Pharmaunternehmen wegen der prekären Lage verbilligt abgeben, zurück auf den internationalen Markt. Umgekehrt wurde letzte Woche hervorgehoben, dass das griechische Gesundheitssystem weiterhin auf Originalpräparate setzt während in Deutschland Generika weit verbreitet sind. Auch das kostet den Sozialbereich einen hohen Milliardenbereich. Fangen Sie bitte an, die Fehler im Land zu suchen und nicht permanent an angeblich fehlenden Mitteln. Die Athener Regierung versagt.

    Übrigens explodiert die Arbeitslosigkeit nicht, sie stagniert seit Jahren auf hohem Niveau. Schreiben Sie bitte nicht den Stand von vor Jahren.

    Die EU-Verträge schließen einen Bail-out aus. Auf dieser Basis urteilte zuletzt der EuGH, der Verträge sehr flexibel interpretiert, dass Staaten sehr wohl gegenseitig Kredite geben könnten, so lange die Rückzahlung garantiert sei. Nun mögen manche Rechtsexperten zu der Ansicht gelangen, dass selbst dieses sich flexibel interpretieren ließe. In jedem Fall, das zumindest sollte unstreitig sein, widerspräche ein Teilverzicht auf Rückzahlung dem Anliegen, gegenseitige Haftung auszuschließen.

    Aber weder Tsipras noch Varoufakis wollten ein NEUES RETTUNGSPAKET

    Sehr witzig. Unmittelbar nach dem Referendum beantragte Tsipras ein neues Rettungspaket, dessen Konzept schon vor dem Referendum ausgearbeitet worden war. Und dieser Antrag beläuft sich heute auf 86 Milliarden EUR, obwohl das Land zur Schuldentilgung lediglich 35 Milliarden EUR benötigt. Irgendwie passen diese Zahlen nicht zusammen. Politiker, insbesondere linke und rechte Populisten, reden manchmal viel Stuss.

    Auf das Geld, das ohnehin weg ist, dann auch ganz offiziell zu verzichten, kostet uns also keinen Penny.

    OH DOCH! Der Verzicht geht nur über eine Garantie, nie wieder für dieses Land haften zu müssen (was man ja jetzt tut) und das bedeutet den Austritt Griechenlands aus dem Euro. Tja, das will Athen nicht, wohl aber einige europäische Regierungen.

    Tsipras hatte als Wahlversprechen ausgegeben, die Auflagen zu beenden und gleichzeitig Griechenland im Euro zu halten. Jeder außerhalb Griechenlands wusste, dass dies zwei nicht vereinbare Ziele waren. Alle vielleicht bis auf die Linkspartei. Somit hatte Tsipras seine Wähler von Anfang an belogen. Und diese wollten belogen werden. So wie beim Referendum. Tatsächlich haben die hellenischen Bürger, die ja auch Wähler sind, seit dem 4. Quartal 2014 133 Milliarden, rund 60% des BIP von ihren Konten abgezogen. Das ist ein eindeutiges Misstrauensvotum gegenüber ihrer Regierung, soweit es um das eigene Geld ging wussten die Hellenen, dass Syriza auf einen Grexit zusteuerte. Im letzten Moment zog der Premier die Notbremse.

    Griechenland ist in der katastrophalen Lage, in der es ist, ja gerade deshalb, weil es die Spar-Regeln so heftig erfüllt hat.

    Das ist Ihr großer Irrtum. Wenn die Auflagen des 3. Hilfspakets weitgehend deckungsgleich mit denen des 2. Memorandums sind, kann es nicht weit her sein mit der Erfüllung der Auflagen. Liberalisierung der Arbeitsmärkte, Reduzierung des Beamtenheeres, Rückführung des Mindestlohnes auf das Niveau von vor 1 Jahr, Erhöhung des Renteneintrittsalters, Aufbau einer effizienten Steuerverwaltung etc. Diese Auflagen sind ja nicht erhöht worden, die Geldgeber bestehen nur auf die Umsetzung. Dass ein Katasterwesen die Grundvoraussetzung für Investitionen ist, haben die Postkommunisten immer noch nicht begriffen.

    Die Basis der Europäischen Gemeinschaft sind Verträge, die Institutionen und Rechtsstaatlichkeit. Wer Verträge aufhebt, legt die Axt an den Gemeinschaftsgedanken rechtlich selbständiger Staaten. Was dies bedeutet, können Sie an dem Aufleben von Rechtspopulisten in Nord- und Westeuropa sowie der Re-Nationalisierung der LINKEN in Deutschland beobachten. Auch die Deutschen, die Balten, die Niederländer oder die Österreicher müssen sich darauf verlassen können, dass Verträge eingehalten werden. Sonst behalten wir möglicherweise Griechenland und verlieren Großbritannien. Das wäre ein wirkliches Drama.

    Zwischen Geldgebern und Kreditnehmern gibt es keinen Kompromiss. Der Geldgeber definiert, zu welchen Konditionen er bereit ist, für einen bestimmten Zeitraum auf einen Teil seiner Möglichkeiten zu verzichten. Der Kreditnehmer kann entscheiden, ob er dieses akzeptieren kann oder nach anderen Möglichkeiten der Finanzierung suchen. Hier ist der Begriff „Fairness“ unangebracht. Tsipras wusste von Anfang an, was die Konditionen für den weiteren Kapitalzufluss sind. Oder er liest keine Zeitung.

    Scheitert das Geschäft tragen in aller Regel beide Seiten Schuld: 1. Der Schuldner hat sich übernommen. 2. Der Investor hat die Kreditfähigkeit des Nehmers falsch eingeschätzt

    Das ist Ihr ewiges Mantra. Sie übersehen, dass der Schuldner einen Wissensvorsprung besitzt, er kennt sowohl seine tatsächlichen Verhältnisse als auch seine Absichten, das Kreditgeschäft zu leben. Der Geldgeber ist auf Informationen des Schuldners angewiesen und kann über seine Ernsthaftigkeit, das Darlehen zurückzuzahlen nur spekulieren. Ein solches Ungleichgewicht bei den Informationen würden Sie in keinem anderen Bereich als gleich verteilt akzeptieren.

    Sie nennen Vergleiche aus dem Insolvenzrecht, und damit Regeln, die auf Staaten überhaupt nicht übertragbar sind. Privatschuldner bzw. Unternehmen operieren unter dem Schutzschirm des Gesetzes, das gewisse Rechte garantiert

    Staaten agieren im Rahmen des internationalen Rechts. Sie haben anders als private Schuldner die Möglichkeit, mit den Mitteln der eigenen Rechtsetzung ihre Einnahmen theoretisch bis zur Höhe des BIPs zu erhöhen und die Ausgaben zu drosseln. Sie kennen für sich kein Existenzminium, das geschützt werden müsste. Zudem haben sie als Schuldner eine weit stärkere Rechtsposition als Private. Sie können, ohne weitreichende Sanktionen zu befürchten, den Kapitaldienst versagen, ohne z.B. strafrechtlich belangt zu werden.

    Wer garantiert, dass nicht künftige Generationen für die Fehler der gegenwärtigen Generation haften müssen

    Hier vergaloppieren Sie sich wieder. Die Rentner, welche heute auf einen Teil ihrer Einnahmen verzichten sollen, waren die Profiteure der jahrzehntelangen Staatsverschuldung. Die Staatsbediensteten, welche aufgrund von Fehlverhalten oder Überflüssigkeit entlassen werden sollen, haben von der Praxis der krakenhaften Ausweitung des Staates persönlich profitiert. Entschuldigung, es trifft die Richtigen.

    Sie akzeptieren nicht, dass private Gläubiger den Zinsrahmen selbst festlegen. Sie akzeptieren nicht, dass Staaten im Gegenzug für niedrige Zinsen von ihrem bilateralen Partner Wohlverhalten und Reformanstrengungen erwarten. Tja, Ihnen sei gesagt: nichts auf der Welt ist kostenlos.

  • Ralf 1. August 2015, 18:30

    Tsipras ist kein Garant, dass Athen die erstbeste Gelegenheit nutzen würde, am Finanzmarkt neue Schulden aufzunehmen, den Schuldenstand wieder nach oben zu treiben, bis man die Partner vor die bekannte Alternative stellt, ein Euroland zu „retten“ oder das Konstrukt der gemeinsamen Währung zu destabilisieren.

    Ich verstehe Ihr Problem nicht. Weshalb sollten wir die Griechen „retten“ muessen? Bekommt Hellas heute seinen Schuldenschnitt, ist das Land zunaechst einmal fuer einige Zeit von neuen Krediten abgeschnitten. Niemand investiert in ein Land, das gerade bankrott war und seine Schulden nicht zurueckzahlen konnte. Sie sagen, es sei zu erwarten, dass Griechenland nach 2-4 Jahren wieder Zugang zu neuen Krediten haette. Meinetwegen. Wenn die Spekulanten ihr Geld verbrennen wollen, ist das nicht mein Problem, solange die Staaten klarmachen, dass es keinen Bailout gibt und einen gesetzlichen Rahmen schaffen, in dem solche Zockerei die Einlagen der normalen Kunden und das normale Bankgeschaeft nicht gefaehrden. Und dann gibt es natuerlich noch den anderen moeglichen Fall, dass Griechenland eben nach einem Schuldenschnitt wirklich gestaerkt aus der Situation herauskommt. In dem Fall lohnt sich das Bereitstellen von Krediten fuer private Investoren sogar und es kommt zu einer Win-Win-Situation. Aber weder im einen noch im anderen Fall muss Griechenland auf unsere Kosten „gerettet“ werden. Wird das Land erneut zahlungsunfaehig, macht es eben einen neuen Schuldenschnitt, und zwar nicht zu unseren Lasten. Spaetestens danach wird Hellas absolut auf eigenen Fuessen stehen muessen. Ich bezweifele dass Tsipras es darauf ankommen lassen wuerde.

    Deswegen muss eine Wohlverhaltensperiode folgen.

    Diese „Strafperiode“ ist in den vergangenen Jahren bereits erfolgt. Das Land hat beispiellos gelitten, es herrscht eine soziale Katastrophe, die medizinische Versorgung bricht zusammen, viele Familien haben nicht mehr genug zu essen, Arbeitslosigkeit grassiert, fast eine gesamte Generation junger Menschen hat ihre Zukunft verloren, die Suizidrate steigt.

    Glauben Sie wirklich Griechenland wuerde eine solche Periode gerne ein zweites Mal erleben? Ein Schuldenschnitt ist natuerlich immer in gewisser Weise ein „Moral Hazard“, aber Griechenland hat bereits einen unbeschreiblich hohen Preis fuer seine Verschuldungspolitik in der Vergangenheit bezahlt. Eine Wiederholungsgefahr ist bei dieser Erwartungslage deutlich geringer. Dazu kommt dass Europa in Zukunft wohl staerker politisch zusammenwachsen wird und mehr Wirtschaftspolitik nach Bruessel ausgelagert werden wird. Das bedeutet, dass Griechenland sich im naechsten Jahrzehnt moeglicherweise garnicht mehr beliebig wird verschulden koennen. Auch die Kontrollinstrumente werden besser werden. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass die Eurozone aus den Problemen der Vergangenheit ueberhaupt rein garnichts lernen wird.     

    Syriza hat wegen der von den Post-Kommunisten geschürten Unsicherheit das Land tief zurück in die Rezession gestürzt.

    Die Eskalation der Lage kann man nicht nur Syriza anlasten. Die Situation ist ursaechlich aus dem Ruder gelaufen, weil die Geldgeber aus politischen Gruenden von vorneherein unwillig waren einen Kompromiss zu verhandeln, der die gescheiterte Sparpolitik in Griechenland durch einen neuen Ansatz ersetzt, der dem Land wieder etwas Luft zum Atmen laesst und eine Perspektive auf Besserung eroeffnet. Deutschland war nicht willig Griechenland Erleichterung zu verschaffen, auch wenn das wirtschaftlich offensichtlich notwendig ist, weil dann die „konventionellen Regierungen“ in Spanien, Portugal, Italien etc. unter Druck gekommen waeren und weil Merkel zuhause dann das Scheitern ihrer politischen Strategie fuer Europa haette eingestehen muessen. Also muessen die Griechen weiter leiden, auch wenn es wirtschaftlich keinerlei Sinn macht und alles fuer uns immer teurer wird. Waeren „die Institutionen“ verhandlungsbereit gewesen, ein wirksamer Schuldenschnitt fuer wirkliche Reformen, haette Syriza das Angebot nicht ausgeschlagen. Es haette nie ein Referendum gegeben. Die Banken waeren nie geschlossen worden. Die Situation wuerde heute erheblich rosiger aussehen.

    Es ist naheliegend, dass in einem Land ohne geregelte Sozialhilfe, ohne rechtstaatliches Sozialsystem und mit hoher Arbeitslosigkeit Armut um sich greift. Tsipras hat wenig getan um diesen Zustand zu ändern

    Sie erwarten, dass eine neue Partei ohne praktische Regierungserfahrung innerhalb von fuenf Monaten zahlreiche Jahrhundertreformen umsetzt und das Land rechtlich, sozial und kulturell komplett umkraempelt. Dass das offensichtlich illusioniaer ist, bedarf eigentlich keiner weiteren Erklaerung. Ein Land laesst sich eben nur schrittweise veraendern. Man muss fuer eine neue Politik werben, man muss die Menschen mitnehmen, manchmal muss man auch auf die Menschen warten. Uebrigens produzieren die meisten Reformen nicht nur Gewinner sondern auch Verlierer und auch fuer diese Verlierer muessen Perspektiven gefunden werden, was oft Zeit braucht. Eine soziale Gemeinschaft aus Millionen Menschen ist keine Maschine, die man auf Knopfdruck beliebig umprogrammieren kann.

    Umgekehrt wurde letzte Woche hervorgehoben, dass das griechische Gesundheitssystem weiterhin auf Originalpräparate setzt während in Deutschland Generika weit verbreitet sind. Auch das kostet den Sozialbereich einen hohen Milliardenbereich.

    Niemand stellt in Abrede, dass es Fehlentwicklungen und schaedliche festgefahrene Strukturen gibt in Griechenland, die man in Zukunft wird aufbrechen muessen. Ich bin sicher, dass das auch geschehen wird. Leider sind die vergangenen Monate vom Ueberlebenskampf dieses kleinen Volkes gepraegt gewesen, anstatt sich um noetige Reformen zu kuemmern. Die Geldgeber haben daran, wie oben beschrieben, einen grossen Anteil. Haetten sie dem Land etwas Luft verschafft, waere die politische Aufmerksamkeit moeglicherweise auf Aufgabenfelder konzentriert worden, die Griechenland nach vorne gebracht haetten. Stattdessen hat man wertvolle Zeit in Kapitulationsverhandlungen verschleudert, deren Ziel es war wieder diejenigen konventionellen griechischen Parteien zurueck an die Macht zu bringen, die gerade die Korruption und Verkrustung, die Sie so kritisieren, ueber Griechenland gebracht haben.

    In jedem Fall, das zumindest sollte unstreitig sein, widerspräche ein Teilverzicht auf Rückzahlung dem Anliegen, gegenseitige Haftung auszuschließen

    Sicher widerspricht das dem damaligen Geist der Vertraege. Ob es dem Buchstaben der Vertraege widerspricht, darueber kommen Experten zu unterschiedlichen Einschaetzungen. In jedem Fall war eine Waehrungsunion ohne gemeinsame Haftung, Wirtschaftspolitik und auch Sozialtransfers nie realistisch. Es bleiben also nur die Moeglichkeiten die Waehrungsunion als gescheitertes Projekt wieder aufzuloesen oder die Eurozone als echten Staat voranzutreiben. Ich befuerchte die naiven Annahmen, auf denen unsere derzeitigen Vertraege beruhen, werden so oder so im Orkus der Geschichte verschwinden. Unpraktikable Regelungen hatten in der Historie nie lange Bestand.

    Politiker, insbesondere linke und rechte Populisten, reden manchmal viel Stuss.

    Klar. Aber wir sollten zumindest das hoeren, was wir hoeren wollen. Und wenn mir ein griechischer Politiker erzaehlt, er wolle kein weiteres Rettungspaket, keine weiteren Kredite, dann nehme ich ihn beim Wort.

    OH DOCH! Der Verzicht geht nur über eine Garantie, nie wieder für dieses Land haften zu müssen

    Erstens ist das lediglich Ihre Meinung und kein in Stein gemeisselter Fakt. Und zweitens wuerden wir ohnehin sehr wahrscheinlich nicht erneut fuer das Land haften muessen. Siehe dazu meine Begruendung weiter oben.

    Tsipras hatte als Wahlversprechen ausgegeben, die Auflagen zu beenden und gleichzeitig Griechenland im Euro zu halten. Jeder außerhalb Griechenlands wusste, dass dies zwei nicht vereinbare Ziele waren. Alle vielleicht bis auf die Linkspartei. Somit hatte Tsipras seine Wähler von Anfang an belogen.

    Quatsch! Es war nicht absehbar, wie borniert und starr die Glaeubiger in den „Verhandlungen“ sein wuerden. Sicher erreicht man in der Politik nie alles, was man will. Aber eine menschlichere Loesung fuer Griechenland, ein Stueckchen Perspektive, und das beim Verbleib des Landes in der Eurozone, waren keine unrealistischen Verhandlungsziele. Tsipras hat die Waehler nicht belogen.

    Das ist Ihr großer Irrtum. Wenn die Auflagen des 3. Hilfspakets weitgehend deckungsgleich mit denen des 2. Memorandums sind, kann es nicht weit her sein mit der Erfüllung der Auflagen. Liberalisierung der Arbeitsmärkte, Reduzierung des Beamtenheeres, Rückführung des Mindestlohnes auf das Niveau von vor 1 Jahr, Erhöhung des Renteneintrittsalters, Aufbau einer effizienten Steuerverwaltung etc. Diese Auflagen sind ja nicht erhöht worden, die Geldgeber bestehen nur auf die Umsetzung. Dass ein Katasterwesen die Grundvoraussetzung für Investitionen ist, haben die Postkommunisten immer noch nicht begriffen.

    Ich schrieb, dass Griechenland enorme Sparanstrengungen unternommen hat. Was hat denn das Katasterwesen damit zu tun? Die griechischen Einkommen sind um 40% eingebrochen. Die griechischen Renten sind um 40% eingebrochen. Nehmen Sie diese Zahlen eigentlich zur Kenntnis?

    Die Basis der Europäischen Gemeinschaft sind Verträge, die Institutionen und Rechtsstaatlichkeit. Wer Verträge aufhebt, legt die Axt an den Gemeinschaftsgedanken rechtlich selbständiger Staaten.

    Ist es nicht Teil der Idee des vereinten Europas, die Selbststaendigkeit der Staaten schrittweise zugunsten eines europaeischen Zentralstaats einzuschraenken? Bundesstaaten, mit starker zentraler Regierung koennen politische Stabilitaet haben (z.B. die USA). Wieviele Beispiele dezentraler, laxer Staatenbuende koennen Sie nennen, die die Jahrhunderte ueberdauert haben?

    Sonst behalten wir möglicherweise Griechenland und verlieren Großbritannien. Das wäre ein wirkliches Drama.

    Das waere kein Drama sondern ein Segen. Die Briten wollten die EU noch nie. Grossbritannien ist an einer europaeischen Vereinigung nicht im Mindesten interessiert. Wann haben die Briten jemals das europaeische Projekt vorangetrieben? Wann immer sie im Kontext europaeischer Fragen in den Medien auftauchen, geht es entweder um Sonderspielregeln, die sie fuer sich beanspruchen oder um ein EU-Austrittsreferendum. Meinetwegen koennen die Briten gerne gehen.

    Hier ist der Begriff „Fairness“ unangebracht. Tsipras wusste von Anfang an, was die Konditionen für den weiteren Kapitalzufluss sind. Oder er liest keine Zeitung.

    Normalerweise sollte in der Politik gelten, dass wenn ein politischer Ansatz so klar gescheitert ist wie die Austeritaetsidee in Griechenland, man sich Gedanken macht, wie man Besserung fuer die Zukunft bringen kann. In dieser Situation neue politische Wege auf’s Tapet zu bringen, neue Strategien zu diskutieren, ist nicht revolutionaer sondern absolut erwartbar und vernuenftig. 

    Im uebrigen werden sich die „Konditionen fuer den weiteren Kapitalzufluss“ vermutlich bald ohnehin aendern, schon deshalb weil der IWF sonst aussteigt. Schade uebrigens dass der IWF seine neuen Ansichten erst nach dem griechischen Referendum bekanntgegeben hat. Haette er bereits vorher auf einem Schuldenschnitt bestanden, und damit der griechischen Regierung den Ruecken in den Verhandlungen gestaerkt, waere es vermutlich nie zu einer Eskalation der wirtschaftlichen Lage gekommen; ein fairer Kompromiss waere dann in Reichweite gewesen.

    Sie übersehen, dass der Schuldner einen Wissensvorsprung besitzt, er kennt sowohl seine tatsächlichen Verhältnisse als auch seine Absichten, das Kreditgeschäft zu leben. Der Geldgeber ist auf Informationen des Schuldners angewiesen und kann über seine Ernsthaftigkeit, das Darlehen zurückzuzahlen nur spekulieren. Ein solches Ungleichgewicht bei den Informationen würden Sie in keinem anderen Bereich als gleich verteilt akzeptieren.

    So wie Sie das hier schreiben, liesst es sich, als ob der Schuldner keinerlei Risiko traegt und Kredite nur bei guter Laune zurueckzahlt, waehrend der arme Glaeubiger immer der Dumme ist. Dabei uebersehen Sie, dass ein Bankrott selbstverstaendlich die Kreditwuerdigkeit des Schuldners dramatisch und vor allem langfristig beschaedigt. Ohne neue Kredite aber ist es kaum moeglich zu existieren. Fuer den Schuldner ist es folglich fast ueberlebenswichtig sein Ansehen nicht zu verspielen. Nennen Sie mir mal ein Beispiel, wo ein Schuldner mit viel Geld in der Tasche seine Glaeubiger ueber’s Ohr gehauen haette und nicht anschliessend in eine Krise gestuerzt waere.  

    Und was die Glaeubigerseite angeht, ist eine Investition eben immer ein Risiko. Je hoeher das Risiko, desto hoeher die Rendite. Niemand zwingt den Glaeubiger dem potentiell nicht zurueckzahlenden Schuldner sein hart verdientes Geld hinterherzuwerfen. Wer Angst hat seine Kohle zu verlieren, kann sich die Scheine doch unter die Matratze legen oder auf’s Sparbuch bringen.

    Und war es wirklich unmoeglich fuer die Glaeubiger zu sehen, wie die Verschuldungspolitiker in Athen Anfang der 2000er Jahre hemmungslos mit Geld um sich warfen? Konnte man das unmoeglich wissen und bewerten? Wieviel Mitleid muessen wir eigentlich mit Geldgebern haben, die ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen?

    Staaten agieren im Rahmen des internationalen Rechts. […] Sie kennen für sich kein Existenzminium, das geschützt werden müsste

    Das ist mir bekannt. Der Punkt, den ich aufwarf, war gerade eben, ob Staaten nicht ebenfalls ein Existenzminimum zugesprochen bekommen muessten. Welches Argument fuer ein nationales Existenzminimum, passt nicht genauso gut fuer ein internationales? Weshalb sollten Staaten finanziell so heftig ausgepresst werden duerfen, dass sie ein menschenwuerdiges Ueberleben ihrer Buerger nicht mehr gewaehrleisten koennen?

    Zudem haben sie als Schuldner eine weit stärkere Rechtsposition als Private. Sie können, ohne weitreichende Sanktionen zu befürchten, den Kapitaldienst versagen, ohne z.B. strafrechtlich belangt zu werden.

    Wie oben beschrieben, ist das alles garnicht so einfach und problemlos fuer den Schuldner.              

  • In Dubio 2. August 2015, 15:00

    Sie verfallen immer wieder in die selben Muster. Sie gerieren sich auf der einen Seite mit theoretischen Annahmen („dann würde…“) und garnieren das mit dramatischen mitmenschlichen Appellen. Die Theorie könnte ich Ihnen ja noch abnehmen, aber Sie sind kein Ökonom. Das wiederum wäre verzeihlich, wenn Sie es nicht mit einer totalen Geschichtsvergessenheit paaren würden. Sie argumentieren stets, als wären wir am Punkt Null, ohne jegliche Erfahrung. Sie scheinen den weisen Spruch nicht zu kennen: „Wir können die Gegenwart nur verstehen, wenn wir die Vergangenheit kennen.“ Da, wo Sie sich mit den Fakten auseinandersetzen, sind es die Falschen. Ich werde daher nur sehr begrenzt auf Ihre Replik eingehen und versuchen, es weiterzuführen.

    Wir mussten auch 2010 die Griechen nicht retten, wir müssen es heute nicht. Was hat zu den Rettungspaketen 1, 2 und nun 3 geführt? Es war die Erkenntnis bei den Geldgebern, dass ein Ausscheiden Athens die Statik der Eurozone entscheidend verändern würde. Und die Griechen sind zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Mitgliedschaft in dem exklusiven Währungsclub lukrativer ist als keine zu besitzen. Diese Ansichten muss man nicht teilen, man muss Sie aber bei der Argumentation im Hinterkopf haben. Mein Argument geht also, es spricht nach einem Schuldenschnitt nichts dagegen, dass Athen sich wieder über die Halskrause verschuldet und man wieder zu der Ansicht gelangt, das Land retten zu müssen. Sie dagegen argumentieren nach dem Motto: Einmal ist keinmal!

    Erst wenn Sie diese Position respektieren, können wir an dieser Stelle weitermachen. Bisher sagen Sie lediglich: kein Problem, wird nicht wieder eintreten. Das ist daneben auch ahistorisch. Wir haben eine jahrhundertelange Geschichte mit Staatsschulden, die aufzeigt, dass bankrotte Staaten immer wieder Kredit bekommen haben. Lamentieren Sie hier weder über Rogoff / Reinhard, die hier ein einzigartiges Werk vorgelegt haben, noch über die Vergesslichkeit der Anleger. Sie selber sind so geschichtsvergessen. Die nächste Stufe der Debatte, die ich anstrebe, ist die Frage, warum sollten wir ungeachtet dieser Fakten Griechenland einen Teil seiner Souveränität zurückgeben und unter welchen Bedingungen? Ob wir dieses Level erreichen?

    Griechenland soll ohne Wohlverhaltensperiode einen Schuldenschnitt bekommen? Gläubiger entscheiden, ob sich ein Schuldner wohlverhalten hat, nicht der Bankrotteur! Und in diesem Kreis ist die Meinung einhellig: Athen hat in den Jahren viel getrickst und wenig eingehalten, also sich nicht wohlverhalten.

    Arbeitslosigkeit grassiert, fast eine gesamte Generation junger Menschen hat ihre Zukunft verloren, die Suizidrate steigt

    Ich will das Problem nicht kleinreden, aber in einer Währungsunion erfolgt der Wohlstandsausgleich über den Lohn und die Wanderungsbewegung der Arbeitskräfte. Gut ausgebildete Griechen, die auf dem Peleponnes keine Arbeit finden, bekommen sie in Berlin, München, London. Wenn Sie diese Mobilität nicht wünschen, müssen Sie für den Austritt des Landes aus dem Euro plädieren. Hellas hat darüber hinaus immer noch eine der niedrigsten Selbstmordraten in der EU. Wann haben Sie sich zuletzt um die Suizidquote in Deutschland gesorgt (außer, um für Sozialtransfers zu werben)? Sie sind nicht glaubwürdig an diesem Punkt, wenn es Ihnen nur um einen Ausschnitt des Problems geht.

    Fakt ist: Die Griechen und ihre Parteien haben bis heute eine ganz andere Einstellung zu Staatsschulden wie Nordeuropäer. Das, trotz der langen Schuldenkrise.

    Die Eskalation der Lage kann man nicht nur Syriza anlasten. Die Situation ist ursächlich aus dem Ruder gelaufen, weil die Geldgeber aus politischen Gründen von vorneherein unwillig waren einen Kompromiss zu verhandeln, der die gescheiterte Sparpolitik in Griechenland durch einen neuen Ansatz ersetzt, der dem Land wieder etwas Luft zum Atmen lässt und eine Perspektive auf Besserung eröffnet.

    Und hier sind Sie völlig unhistorisch. Syriza wurde gewählt, sofort (!) die sogenannte Sparpolitik zu beenden. Zu dem Zeitpunkt lief das zweite Sparpaket noch bis zum 28.02.2015. Dieses umfasste eine Restzahlung von 7,2 Milliarden EUR aus dem EFSF. Im zugehörigen Memorandum of Understanding verpflichtete sich Griechenland

    Die Verabschiedung des Haushalts 2013 und der mittelfristigen Finanzplanung zur Schließung einer Fiskallücke von 13,5 Mrd. Euro in den Jahren 2013 und 2014. Griechenland hat nach der Bewertung der Troika eine der umfassendsten Haushaltskonsolidierungen umgesetzt, die ein EU-Land in den letzten 30 Jahren unternommen hat;
    • Verabschiedung eines vereinfachten Regelwerks für die Steuerbuchhaltung;
    • Verbesserung des Überwachungssystems für Staatsbetriebe;
    • Überführung von mindestens 2 000 Staatsbediensteten in das Mobilitätsprogramm;
    • Anhebung des Renteneintrittsalters ab dem 1. Januar 2013 auf 67 Jahre;
    • Abschluss der Zentralisierung aller beim Gesundheitsministerium angesiedelten gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse und Zuständigkeiten (einschließlich Personalkosten);
    • Verabschiedung der Reform des Mindestlohnrahmens. Reduzierung der Lohnnebenkosten, insbesondere Kürzung der maximalen Kündigungsfrist auf vier Monate und Begrenzung der gesetzlichen Frist für die Zahlung einer Abfindung auf zwölf Monate;
    • Abschaffung von Zugangs- und Ausübungsbeschränkungen für regulierte Berufe.

    Die Vereinbarungen im „Memorandum of Understanding“ wurden zusätzlich um Maßnahmen zur Verbesserung der Programmsteuerung ergänzt, die zum Teil ebenfalls als „Prior Actions“ umzusetzen waren. Zu nennen sind hierzu insbesondere:

    • Stärkung des Finanzministeriums gegenüber den Fachministerien, insbesondere mit der Einführung einer effektiven Top-Down-Haushaltsplanung;
    • Dauerhafte Einführung der für drei Jahre verbindlichen Ausgabenobergrenzen im Rahmen der Mittelfristigen Finanzplanung;
    • Einführung von Bestimmungen, ex ante einen gewissen Prozentsatz der variablen Haushaltsmittel pro Fachministerium einzufrieren;
    • Einführung einer Regelung für die Zentralregierung, derzufolge mindestens 30 Prozent von einmaligen Mehreinnahmen zur Schuldentilgung verwendet werden müssen, während bis zu 70 Prozent im Folgejahr von der Regierung automatisch für wachstumsfördernde und sozialpolitische Maßnahmen verwendet werden können, sofern die Haushaltsziele erfüllt sind;
    • Automatische Ausgabenkürzungen bei Verfehlung von Haushaltszielen;
    • Automatische Erhöhung der Primärüberschussziele bei unzureichenden Privatisierungserlösen;
    • Stärkung derFührungsstrukturundUnabhängigkeitdesPrivatisierungsfonds HRADF (HRADF=HellenicRepublicAssetDevelopmentFund),u.a. Überprüfung des vor kurzem geänderten Privatisierungsrechts durch quantitative Leistungsziele, die dann durchgesetzt werden müssen, wenn der Privatisierungsplan fehlschlägt.

    Falls Ihnen das alles bekannt vorkommt: das steht weitgehend so auch im 3. Programm. Nun wollte Tsipras bis Ende Februar wohl das Geld, nicht jedoch weiterhin die Bedingungen erfüllen. Nur war das ein Gesamtvertragswerk, Sie können bei einem Darlehensvertrag auch nicht die Bank auf Zahlung verpflichten und Ihre Obliegenheiten für obsolet erklären. Doch genau das tat die neue Regierung in Athen. Da man sich nicht einigen konnte, wurde Athen Fristverlängerung bis Ende Juni 2015 gewährt.

    Jetzt erklären Sie, worüber es zu verhandeln gab. Dieses Vertragswerk war von 19 Ländern ratifiziert worden, ein Land begehrte Änderungen weitreichender Art. Woraus resultiert da eine Verpflichtung zum Kompromiss?! Bitte werden Sie exakt, statt zu philosophieren oder zu politisieren. Tsipras hätte das Programm einfach einen Monat nach seiner Wahl auslaufen lassen können, wenn er kein weiteres Hilfsprogramm wollte. Er wollte aber die Hilfsgelder und die will er noch. Sie behaupten, das wäre gar nicht nötig, erklären jedoch weder die Diskrepanz in den Aussagen noch den Unterschied von 86 Milliarden neuer Antrag zu 35 Milliarden Zahlungsverpflichtungen innerhalb von 3 Jahren (4,5% des BIP). Worüber wollten wir also weiterführend debattieren? Selbst wenn man die Schulden halbiert hätte, blieben Zahlungsverpflichtungen von 18 Milliarden EUR.

    Und auch dieser Wert ist falsch: ein wesentlicher Teil der jetzt fälligen Rückzahlungen gehen an den IWF und der ist mitnichten bereit noch in der rechtlichen Lage, sich an einem Schuldenschnitt zu beteiligen. Das bedeutet nichts anderes als eine Milchmädchenrechnung von linken Populisten: ohne neue Hilfsgelder ist das Land ob mit oder ohne Hair Cut bankrott.

    Syriza hat die Banken in eine Situation getrieben, wo sie geschlossen werden mussten. Falls Sie es nicht wissen: die griechischen Banken sind die einzigen privaten Gläubiger, die Athen noch in 2015 Bonds gezeichnet haben. Diese haben sie bei der EZB zur Refinanzierung hinterlegt. Die EZB hätte diese nach dem eigenen Regelwerk gar nicht mehr akzeptieren dürfen. Darüber hinaus hielten die Währungshüter die Banken mit ausgeuferten Kurzfristkrediten (ELA) flüssig, damit Griechen ihr Geld abheben und den steten Abfluss ins Ausland finanzieren konnten.

    Tsipras und Varoufakis haben mehrmals in Frankfurt interveniert, diese höchst unsolide und den Europäischen Verträgen wie dem EZB-Statut widersprechende Politik nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern noch auszuweiten. Eine Clique von Rechtsbrechern soll nicht an der Schließung der Banken schuld sein? Auf die Idee muss man erstmal kommen! Nebenbei ist die EZB nicht nur für die Währung zuständig, sondern auch für die Bankenaufsicht. Nach dem letzten Stresstest lagen die griechischen Banken schon so schief, dass sie entweder hätten geschlossen oder rekapitalisiert werden müssen. Stattdessen missbrauchten die Postkommunisten die Banken zur Staatsfinanzierung und Insolvenzverschleppung.

    Sie erwarten, dass eine neue Partei ohne praktische Regierungserfahrung innerhalb von fünf Monaten zahlreiche Jahrhundertreformen umsetzt und das Land rechtlich, sozial und kulturell komplett umkrempelt

    Und so weiter. Es ist ja nicht so, dass Tsipras keine Möglichkeiten gehabt hätte, Regierungs-Expertise ins Boot zu holen. Gibt es die in der Partei nicht in ausreichendem Maße, holt man sie sich von außerhalb. Auf Verwaltungsebene hätte die Möglichkeit bestanden, Deutschland um Hilfe beim Aufbau einer Steuerverwaltung zu bitten. Man hätte EU-Beamte ins Land lassen können. Nebenbei gibt es z.B. beim Regierungspartner Regierungserfahrung. Stattdessen hat sich Tsipras einen Finanzchef frisch von der Uni geholt, jeder DAX-Chef wäre ob solchen Dilettantismus rausgeflogen.

    Was hat die neue Regierung stattdessen gemacht? Das, was alle Vorgänger auch getan haben: erstmal die Transfers erhöht (kostenloser Strom für alle, eine Einladung zum Free Riding und Korruption), Steuererleichterungen versprochen und ansonsten Bestandsschutz für die verkrusteten Strukturen gewährt. Und hier sind wir bei der Eigenverantwortung, eine Stelle, wo Sie immer ganz still werden: Syriza hat im Wahlkampf die Aussetzung der Immobiliensteuer (ähnlich wie in Italien) versprochen, Steuererleichterung also für den Großteil der Haushalte. Völlig überraschend haben die Bürger in Aussicht auf den Wahlsieg der Regierungsamateure ihre Steuerzahlungen eingestellt und dem Staat im ersten Halbjahr 2015 in tiefes Loch im Etat beschert. Ohne Rücksprache mit den Geldgebern hat man eine umfangreiche Steueramnestie in Kraft gesetzt, dies vor allem für sehr wohlhabende Griechen. Oder man hat den Mindestlohn gravierend angehoben. Wir können zweifellos lange über den Sinn dieses Instruments streiten. Unzweifelhaft sollte zwischen uns sein, dass dies mit Sicherheit keine kurzfristige Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder gar zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit ist. Was sollen die Niederländer eigentlich ihren Jungs erzählen, die bis zum 23. Lebensjahr warten müssen, um diese Untergrenze garantiert zu bekommen?

    Eine Regierung ist vor alle dafür da, berechenbar in ihrem Handeln zu sein. Angesichts der Kapriolen von Tsipras & Co. kann man das als ganz sicher verfehlt bezeichnen. Ziel ordentlichen Regierungshandelns muss auch sein, Sicherheit zu vermitteln. Die Aufkündigung von Verträgen ohne Anschlussszenario dient sicher nicht diesem Zweck.

    Ein Land lässt sich eben nur schrittweise verändern.

    Und so weiter. Schön gesagt. Wer bezahlt dazwischen die Party? Einerseits bestehen Sie auf Souveränität, andererseits stellen Sie alles, was dazu gehört, unter einen unbefristeten Zeitvorbehalt. Sorry: ein Bürger, ein Unternehmen oder auch ein Staat, der kurz vor der Insolvenz steht, hat eins vor allem nicht: ZEIT. Da haben Sie wohl etwas verpasst. Fehlt Ihnen hier tatsächlich jede Lebenserfahrung, knapp mit Geld zu sein und den Luxus sich leisten zu können, alles genau überdenken zu können? Reiche Eltern? Noch eins: nur in Krisen verändern sich Menschen, Organisationen und Staaten. Ihr Appell an das überlegte Handeln ohne Druck entbehrt jeder Lebenserfahrung.

    Ich bin sicher, dass das auch geschehen wird.

    Woher – außer Ihrem Glauben – speist sich diese Sicherheit? Sehen Sie irgendwelche Anhaltspunkte?

    Es bleiben also nur die Möglichkeiten die Währungsunion als gescheitertes Projekt wieder aufzulösen oder die Eurozone als echten Staat voranzutreiben.

    Tipp: Fragen Sie doch mal die Bürger – und zwar nicht nur in Griechenland, sondern in Nordeuropa. Übrigens: In den USA funktioniert die Währungsunion auch ohne gemeinsame Haftung. Aktuell bekommen Sie ja wieder Anschauungsmaterial.

    Es war nicht absehbar, wie borniert und starr die Gläubiger in den „Verhandlungen“ sein würden

    Ersetzen Sie „borniert und starr“ durch „rechts- und vertragstreu“, dann passt’s.

    Die griechischen Einkommen sind um 40% eingebrochen. Die griechischen Renten sind um 40% eingebrochen. Nehmen Sie diese Zahlen eigentlich zur Kenntnis?

    Sie beschreiben lediglich Ergebnisse, nicht die Maßnahmen, die angeblich dazu geführt haben. Der Tourismussektor ist elementar für Griechenland, dennoch sind die Preise auf Kreta und dem Peleponnes noch immer höher als in der Türkei oder Bulgarien. Auch im Agrarsektor konkurriert man mit Ländern mit niedrigerem Lohnniveau, weniger Staatsbediensteten und einem besseren Verhältnis von Erwerbsfähigen zu Rentenempfängern. Was haben Sie erwartet?!? Estland und Litauen finanzieren das Loch im Athener Haushalt und haben geringere Löhne und niedrigere Renten. Nehmen Sie diese Fakten eigentlich zur Kenntnis?

    Ist es nicht Teil der Idee des vereinten Europas, die Selbständigkeit der Staaten schrittweise zugunsten eines europäischen Zentralstaats einzuschränken?

    Nein, wie kommen Sie darauf? Das haben zwar immer wieder ein paar Politiker und Intellektuelle vorgedacht, aber genau das ist eine offene Frage. Die Mehrheit der europäischen Bürger wie der Politiker tendiert zu einer Gemeinschaft selbständiger Staaten. Das Bundesverfassungsgericht tut das übrigens auch. Das gilt es zu respektieren, auch wenn man anders denkt.

    Das wäre kein Drama sondern ein Segen. Die Briten wollten die EU noch nie. Großbritannien ist an einer europäischen Vereinigung nicht im Mindesten interessiert.

    Wollten die Griechen je Europa? Hier sind Sie wieder völlig geschichtsvergessen. Großbritannien ist „Pain in the Ass“, dass einzige Land, das vehement der Eurokratie entgegenwirkt mit doppelten Beamtengehälter, ausgedehnten Zuständigkeiten ohne Verantwortlichkeiten und stets an die Europäischen Verträge erinnert. Das ist unbequem, besser ist die Hand aufzuhalten.

    Großbritannien ist seit Beginn seiner Mitgliedschaft Nettozahler, Griechenland bis heute der größte Empfänger. Eine Gemeinschaft funktioniert nur mit starken Zahlern, nicht mit starken Empfängern. Sie bevorzugen offensichtlich ein Europa der Transferempfänger und der Verarmung. Wer soll denn diesen Moloch finanzieren? Bei einem BREXIT würden die Einzahlungen Deutschlands deutlich steigen, bei einem Ausscheiden Griechenlands eher sinken. Großbritannien bietet mit seinen gut vernetzten Diplomaten internationales Gewicht, Griechenland blamiert Europa mit dem Prellen internationaler Organisationen wie dem IWF. Ich weiß, wem ich den Vorzug gebe.

    Und nun zu Ihrer Geschichtsvergessenheit: Magret Thatcher verlangte mit Verweis auf die hohen Agrarsubventionen einen Teil der Zahlungen zurück. Als Verbund hoch entwickelter Industrieländer gab die EWG damals über 50% seiner Gemeinschaftsmittel für die Subventionierung der Agrarindustrie aus. Diese einseitige Förderung kam vor allem den französischen Bauern zu gute. Man kann das als regionale Industrieförderung sehen, doch dafür ist nicht der Staatenbund, sondern der Regionalstaat zuständig. Die EWG dagegen hatte und hat das Ziel der wirtschaftlichen Förderung. Man kann der Ansicht sein, dass ein exzessives Budget für den Minibereich Agrarindustrie nicht dazu gehört.

    Schade übrigens dass der IWF seine neuen Ansichten erst nach dem griechischen Referendum bekanntgegeben hat.

    Das ist ebenfalls falsch. Der IWF tat dies vor dem Referendum angesichts der Nachgiebigkeit der Europäer kund. Weniger Auflagen bedeuten Schuldenschnitt. Das Kleingedruckte lesen Sie natürlich auch nicht: der IWF selbst ist bei einem Schuldenschnitt außen vor, die europäischen Gläubiger, Deutschland vorneweg, hätten auch für die Schulden gegenüber dem Währungsfonds einzustehen.

    So wie Sie das hier schreiben, ließt es sich, als ob der Schuldner keinerlei Risiko trägt und Kredite nur bei guter Laune zurückzahlt, während der arme Gläubiger immer der Dumme ist.

    Soweit Sie irgendwann mal mit der Materie zu tun hatten: das ist tatsächlich so. Griechenland hat übrigens in den letzten 200 Jahren 6 Insolvenzen hingelegt. Offensichtlich hat das Land daraus nichts gelernt.

    Wie viel Mitleid müssen wir eigentlich mit Geldgebern haben, die ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen?

    Können Sie mir bitte sagen, wo diese Sorgfaltspflicht kodifiziert ist? Ich kann Ihnen im Gegenzug sagen, wo die Verpflichtung zur Rückzahlung steht: immer auf dem Schuldschein.

    Weshalb sollten Staaten finanziell so heftig ausgepresst werden dürfen, dass sie ein menschenwürdiges Überleben ihrer Bürger nicht mehr gewährleisten können

    Finanziell ausgepresst?!? Griechenland zahlt niedrigere Zinsen als Deutschland, Argentinien bedient allein aus Prinzip seine Altschulden nicht, obwohl sie dazu vor einem ordentlichen Gericht verurteilt wurden. Die Griechen zahlen weniger Einkommensteuer bezogen auf das BIP als Deutschland oder die USA. Ja, ja – ausgepresst…

    Ende der Woche werde ich einen Kurzurlaub machen. Wie in früheren Jahren habe meine Frau und ich dazu Griechenland, konkret die Insel Kos, ausgemacht. Warum? Weil Griechenland ein wunderbares, gastfreundliches Urlaubsland ist.

  • Ralf 4. August 2015, 01:39

    Da, wo Sie sich mit den Fakten auseinandersetzen, sind es die Falschen.

    Fakten sind per Definition nie falsch. Ansonsten sind es keine Fakten.

    Was hat zu den Rettungspaketen 1, 2 und nun 3 geführt? Es war die Erkenntnis bei den Geldgebern, dass ein Ausscheiden Athens die Statik der Eurozone entscheidend verändern würde.

    Bei den Ueberlegungen, die zu den Rettungspaketen fuehrten, ging es immer auch um die politischen Motive, nach denen man die Eurozone nicht sprengen wollte. Die EU ist fuer viele Politiker (und Buerger) kein rein oekonomisches Projekt, sondern ein politisches Projekt mit dem Langziel einer Vereinigung zum europaeischen Bundesstaat. Der Eintritt in die Gemeinschaft war als unumkehrbar gedacht. Scheidet ein erstes Land aus, ist dieser politische Traum Geschichte. Es wuerden andere Laender folgen; nach jeder Krise waeren es ein paar weniger. Irgendwann waere Deutschland allein mit den Niederlanden und Finnland in einer Union – einer Union, die so keiner mehr braucht. Auch deshalb hat man versucht Griechenland um jeden Preis in der Eurozone zu halten. Das alles auf rein oekonomische Entscheidungen zu reduzieren, greift zu kurz.

    Mein Argument geht also, es spricht nach einem Schuldenschnitt nichts dagegen, dass Athen sich wieder über die Halskrause verschuldet und man wieder zu der Ansicht gelangt, das Land retten zu müssen. Sie dagegen argumentieren nach dem Motto: Einmal ist keinmal!

    Nein, so habe ich nirgendwo argumentiert. Ich argumentiere, dass ich es erstens unwahrscheinlich finde, dass Athen sich schon bald wieder extrem verschulden wuerde, nachdem die letzte Verschuldungsorgie schliesslich eine soziale Katastrophe im Land heraufbeschworen hat. Ich argumentiere weiter, dass ich es fuer unwahrscheinlich halte, dass Investoren einem bankrotten Land, das gerade durch einen Schuldenschnitt gerettet werden musste, zinsguenstige Kredite anbieten wuerden. Schon dadurch wird eine erneute Verschuldung praktisch eingeschraenkt sein. Ich argumentiere drittens, dass die Eurozone in Zukunft sehr wahrscheinlich Mechanismen entwickeln wird, die einer exzessiven Kreditaufnahme eines einzelnen Mitgliedstaates entgegenwirken werden. Griechenland wuerde sich dann moeglicherweise garnicht mehr uebermaessig unilateral verschulden koennen. Und viertens argumentiere ich, dass selbst wenn sich Griechenland wieder verschuldet, mir das eigentlich herzlich egal ist, solange zwei Bedingungen erfuellt sind:

    A) Wir machen klipp und klar, dass es keinen Bailout geben wird. Wer auch immer also Griechenland neues Geld leiht, wird komplett auf seinen Verlusten sitzen bleiben, wenn die Kredite nicht zurueckgezahlt werden.

    B) Das regulaere Bankgeschaeft und die Spareinlangen der Bankkunden werden komplett von den Zockereibetrieben abgekoppelt, so dass letztere im Zweifel Pleite gehen koennen, ohne die Gesamtwirtschaft mit in den Abgrund zu reissen.

    Wer dann in Griechenland investiert und Verluste macht, hat halt Pech gehabt. Da wo die Rendite hoch ist, ist eben auch das Risiko hoch. Griechenland ist aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit ein Risikostaat. Wer trotzdem investiert, muss dann eben auch die volle Verantwortung tragen.

    Wir haben eine jahrhundertelange Geschichte mit Staatsschulden, die aufzeigt, dass bankrotte Staaten immer wieder Kredit bekommen haben.

    Es sollte wie gesagt nicht Ihr Problem sein, wenn Privatleute bzw. Privatunternehmen bereit sind, ihre Einlagen auf’s Spiel zu setzen. Es muss nur klar sein, dass diese Investoren dann eben nicht nur von den potentiellen Gewinnen profitieren, sondern auch moegliche Verluste zu 100% selber tragen.

    Die nächste Stufe der Debatte, die ich anstrebe, ist die Frage, warum sollten wir ungeachtet dieser Fakten Griechenland einen Teil seiner Souveränität zurückgeben und unter welchen Bedingungen?

    Diese Frage stellt sich ueberhaupt nicht. „Wir“ hatten schon von Beginn an keinerlei Recht Griechenland seine Souveraenitaet zu rauben. Es steht uns deshalb offensichtlich auch nicht zu Bedingungen zu diktieren, unter denen wir das Raubgut wieder „zurueckzugeben“ bereit sind.

    Genauso gut koennten Sie mit einem Bankraeuber verhandeln, der sich mit einer Million Euro im Tresorraum verschanzt hat, und der verkuendet eventuell auf 200.000 Euro zu verzichten, wenn ihm dafuer Straffreiheit und ein roter Teppich am Bankausgang zugesagt wird.

    Griechenland soll ohne Wohlverhaltensperiode einen Schuldenschnitt bekommen?

    Wie bereits zuvor gesagt, hat Griechenland bereits Jahre des Elends hinter sich. Das Land hat brutal fuer die Fehler der Vergangenheit bezahlt. Viel brutaler als man es haette einfordern duerfen. Jetzt ist es an der Zeit nach vorne zu blicken und dem Land wieder auf die Beine zu helfen.

    Gläubiger entscheiden, ob sich ein Schuldner wohlverhalten hat, nicht der Bankrotteur!

    Nennen Sie mir bitte, wo diese Aussage im internationalen Recht verankert ist.

    Und in diesem Kreis ist die Meinung einhellig: Athen hat in den Jahren viel getrickst und wenig eingehalten, also sich nicht wohlverhalten.

    Die Eurozone hat ein Interesse nach aussen hin nicht wie ein zerstrittener Huehnerhaufen auszusehen. Das hat politische Gruende und die Deutschen haben dieses Bestreben genutzt um andere Laender „auf Linie zu bringen“. Als es dann irgendwann nicht mehr nur um „verbale Bekundungen“ ging, sondern um praktische Politik mit Folgen, war die Meinungslage garnicht mehr so einhellig. Die Franzosen brachen offen mit den Deutschen und Matteo Renzi wurde in Richtung Wolfgang Schaeuble mit dem Statement „Genug ist genug!“ zitiert.

    Ich will das Problem nicht kleinreden, aber in einer Währungsunion erfolgt der Wohlstandsausgleich über den Lohn und die Wanderungsbewegung der Arbeitskräfte.

    In einer Waehrungsunion erfolgt der Wohlstandsausgleich in der Regel auch ueber erhebliche Sozialtransfers. Ueber die Wanderungsbewegung hatten wir schon einmal in einem frueheren Thread gestritten. Ich habe grundsaetzlich nichts dagegen, dass junge Menschen eine Zukunft dort suchen, wo Arbeitsplaetze und Wohlstand vorhanden sind. Allerdings ist es naiv zu glauben, das koenne eine Loesung fuer millionen Menschen sein, gerade auch bei den Sprachbarrieren in Europa. Dazu kommt, dass Auswanderung immer auch eine Kehrseite hat. Wenn die Bestausgebildetsten das Land verlassen, bleiben diejenigen zurueck, die wenig oder keine Qualifikationen vorweisen koennen, denen es an Selbstvertrauen, Erfahrung oder Geld fehlt, um es anderswo schaffen zu koennen. Wie soll es dann jemals wieder bergauf gehen?

    Hellas hat darüber hinaus immer noch eine der niedrigsten Selbstmordraten in der EU.

    Punkt fuer Sie. Hatte aufgrund von Medienberichten mit anderen Zahlen gerechnet und war erstaunt festzustellen, dass Sie hier tatsaechlich Recht haben.

    Fakt ist: Die Griechen und ihre Parteien haben bis heute eine ganz andere Einstellung zu Staatsschulden wie Nordeuropäer.

    Das ist wohl richtig. Allerdings uebersehen Sie, dass die Eurozone nicht nur aus Nordeuropa besteht. Bereits bei der Gruendung der EWG dominierten klar die Suedeuropaer, Italien und Frankreich, die zusammen fast 112 Millionen Menschen in die Gemeinschaft einbrachten. Westdeutschland, Belgien und die Niederlande kamen auf weniger als 90 Millionen. Heute kommen die Suedeuropaeer in der Eurozone auf etwa 195 Millionen Menschen, fast 58% der Einwohner. Mit welchem Recht sollten sich die europaeischen Buerger der nordeuropaeischen Minderheit unterwerfen, anstatt einen Kompromiss in der Mitte zu suchen, mit dem alle Seiten leben koennen?

    Nun wollte Tsipras bis Ende Februar wohl das Geld, nicht jedoch weiterhin die Bedingungen erfüllen. Nur war das ein Gesamtvertragswerk, Sie können bei einem Darlehensvertrag auch nicht die Bank auf Zahlung verpflichten und Ihre Obliegenheiten für obsolet erklären. Doch genau das tat die neue Regierung in Athen.

    Das Gesamtvertragswerk war nur leider in Griechenland an der Realitaet gescheitert. Angeblich haette durch den Spardrill doch alles besser werden sollen. In Hellas haette es bluehende Landschaften geben sollen. Stattdessen hat das Gesamtvertragswerk ein komplettes Land ruiniert und beispielloses soziales Elend erzeugt. In dieser Situation ist es absolut rational als Regierung in Neuverhandlungen zu treten. Alles andere waere politischer Selbstmord.

    Dieses Vertragswerk war von 19 Ländern ratifiziert worden, ein Land begehrte Änderungen weitreichender Art. Woraus resultiert da eine Verpflichtung zum Kompromiss?!

    Die Verpflichtung zum Kompromiss resultiert aus der Analyse, dass das Vertragswerk nicht nur wirtschaftlich und politisch gescheitert ist, sondern eine Katastrophe epischen Ausmasses ausgeloest hat. Da kann man doch nicht einfach stur „nur aus Prinzip“ weitermachen und die Realitaet ignorieren. Politik, und damit Vertraege und Vereinbarungen, sollen den Menschen dienen und sind kein Selbstzweck. In der Politik geht es darum die Leben der Menschen zu verbessern. Ein Vertragswerk, das dazu keinen Beitrag leistet und im Gegenteil die Menschen schaedigt, gehoert offensichtlich ueberdacht. Das gilt umso mehr, als wir zusammen in einer Zone leben, die doch irgendwann zu einem gemeinsamen Staat zusammenwachsen will. Wir koennen es uns schon politisch nicht leisten unseren Nachbarn ihr Land zu zertruemmern.

    Syriza hat die Banken in eine Situation getrieben, wo sie geschlossen werden mussten.

    Haetten sich die Geldgeber auf faire Verhandlungen – ein merklicher Schuldenschnitt gegen wirkliche Reformen – eingelassen, waeren die Banken nie geschlossen worden.

    Auf Verwaltungsebene hätte die Möglichkeit bestanden, Deutschland um Hilfe beim Aufbau einer Steuerverwaltung zu bitten. Man hätte EU-Beamte ins Land lassen können.

    Nach dem wie sich die Troika in Griechenland aufgefuehrt hat, habe ich groesstes Verstaendnis dafuer, dass man in Athen keine EU-Beamte oder deutsche Steuerfachleute mehr sehen wollte.

    Was sollen die Niederländer eigentlich ihren Jungs erzählen, die bis zum 23. Lebensjahr warten müssen, um diese Untergrenze garantiert zu bekommen?

    Es steht den Niederlaendern doch jederzeit frei die Altergrenze fuer den Mindestlohn zu senken.

    Einerseits bestehen Sie auf Souveränität, andererseits stellen Sie alles, was dazu gehört, unter einen unbefristeten Zeitvorbehalt. Sorry: ein Bürger, ein Unternehmen oder auch ein Staat, der kurz vor der Insolvenz steht, hat eins vor allem nicht: ZEIT.

    Man kann aber eine Gesellschaft nicht einfach von heute auf morgen umprogrammieren. Das funktioniert schliesslich auch in Deutschland nicht. Wie lange hat es etwa bei uns gedauert, bis z.B. die Frauenbewegung Schritt fuer Schritt die Rechte erkaempft hat, die sie heute hat? So etwas geht nicht von heute auf morgen, und wie es scheint noch nicht einmal bei einer so offensichtlichen Einsicht, dass Menschenrechte und das Recht auf Selbstbestimmung nicht Dinge sind, die plausiblerweise an das Vorhandensein eines Y-Chromosoms gekoppelt sein koennen. Dass Griechenland nicht 100 Jahre fuer Reformen Zeit hat, ist mir dabei auch klar. Aber zu erwarten, dass das kleine Land alle seine Probleme in 5 Monaten loest, entbehrt jeglicher plausiblen Grundlage. Das kann und konnte man von Syriza nicht verlangen.

    Übrigens: In den USA funktioniert die Währungsunion auch ohne gemeinsame Haftung.

    In den USA sorgen Sozialtransfers wie Medicare und Social Security, neuerdings Obamacare, eine gemeinsame Einlagensicherung, Programme des Bundes wie z.B. NSF/NIH-finanzierte Forschung etc. fuer einen Ausgleich im Land, was indirekt zu einer gemeinsamen Haftung fuehrt, auch wenn es anders heisst.

    Der Tourismussektor ist elementar für Griechenland, dennoch sind die Preise auf Kreta und dem Peleponnes noch immer höher als in der Türkei oder Bulgarien.

    Dank der von der Troika durchgepeitschten Mehrwertsteuererhoehung, wird der Urlaub in Griechenland jetzt sogar noch teurer. Was genau war Ihr Punkt?

    Auch im Agrarsektor konkurriert man mit Ländern mit niedrigerem Lohnniveau

    Griechenland ist Teil der wohlhabenden Eurozone. Ich habe Verstaendnis dafuer, dass die Menschen in Athen mehr Lohn erwarten als in Entwicklungslaendern wie Bulgarien.

    Eine Gemeinschaft funktioniert nur mit starken Zahlern

    Eine Gemeinschaft funktioniert zunaechst einmal nur mit Mitgliedern, die wirklich an einer Gemeinschaft interessiert sind. Die Briten sind ausschliesslich deshalb in der EU, weil ihnen die Mitgliedschaft politische Einflussmoeglichkeiten und Hebel bietet. Ein wirkliches Zusammenruecken wird in London dezidiert abgelehnt. Aus meiner Sicht sollte sich Grossbritannien endlich entscheiden. Entweder sie wollen ein Teil Europas werden. Dann erwarte ich mehr Partnerschaft und keine Sonderrechte mehr. Oder sie wollen eben kein Teil Europas sein. Auch ok. Aber dann sollen sie sich endlich auf ihre Insel zurueckziehen und aufhoeren den Europaeern Stoecke zwischen die Beine zu werfen.

    Das ist ebenfalls falsch. Der IWF tat dies vor dem Referendum angesichts der Nachgiebigkeit der Europäer kund.

    Der IWF hat vor dem Referendum verkuendet, vorerst nicht ueber einen Schuldenschnitt verhandeln zu wollen. Nach dem Referendum war ein Schuldenschnitt ploetzlich eine essentielle Grundlage fuer neue Verhandlungen, praktisch ein sine qua non.

    Das Kleingedruckte lesen Sie natürlich auch nicht: der IWF selbst ist bei einem Schuldenschnitt außen vor, die europäischen Gläubiger, Deutschland vorneweg, hätten auch für die Schulden gegenüber dem Währungsfonds einzustehen.

    Das ist nicht kleingedruckt, sondern stadtbekannt. Deutschland wollte den IWF ja unbedingt an Bord haben, obwohl es um ein rein innereuropaeisches Problem ging. Nun zahlen wir halt die Zeche.

    Soweit Sie irgendwann mal mit der Materie zu tun hatten: das ist tatsächlich so.

    Wenn Schuldner, wie Sie sagen wirklich keinerlei Risiko tragen und Kredite nur bei guter Laune zurueckzahlen, warum gibt denen eigentlich noch irgendwer Kredite? Wenn wie Sie schreiben, der Glaeubiger bei diesem Geschaeft immer der Dumme ist, was zum Teufel veranlasst diese Glaeubiger weiter ihr Geld in ein offensichtliches schwarzes Loch zu werfen? Wenn man Ihnen Glauben schenkt, dann koennten die Investoren ihr Geld auch gleich im haeuslichen Ofen verbrennen. Ganz korrekt kann das ja nicht sein … Waere doch eher untypisch fuer unsere Gesellschaft, wenn Schuldner immer nur aus Gutherzigkeit und nicht aus einem gewissen Zwang heraus kooperieren wuerden.

    Können Sie mir bitte sagen, wo diese Sorgfaltspflicht kodifiziert ist?

    Es ging um die Frage, ob man mit Glaeubigern, die ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben und deshalb einen Haufen Geld verlieren, Mitleid haben muss. Die Antwort ist offensichtlich nein. Kodifiziert ist das natuerlich nirgends. Es ist auch nirgends kodifiziert, dass es daemlich ist, z.B. seine gesamten Lebensersparnisse ins Kasino zu tragen und beim Roullette auf die 15 zu setzen. Tut das einer trotzdem und verliert sein ganzes Hab und Gut, hab ich mit demjenigen ebenfalls kein Mitleid.

    Finanziell ausgepresst?!?

    Ihnen scheint die soziale Lage in Griechenland entweder nicht bewusst oder egal zu sein.

    Ende der Woche werde ich einen Kurzurlaub machen. Wie in früheren Jahren habe meine Frau und ich dazu Griechenland, konkret die Insel Kos, ausgemacht.

    Ich bin sicher, die Griechen freuen sich auf Sie. 😉

    • Citizens 4. August 2015, 14:56

      “ Fakt ist: Die Griechen und ihre Parteien haben bis heute eine ganz andere Einstellung zu Staatsschulden wie Nordeuropäer.“

      Wenn das so ist, dann ist die Verantwortung der Kreditgeber ja noch größer als Ralf sie darstellt. In Dubios meint: Ein Dax-Vorstand würde gefeuert, würde er handeln wie die griechische Regierung? Ach ja, und was wäre mit dem Kreditsachbearbeiter, seinem Abteilungsleiter und dem Risikovorstand, die in Kenntnis dieses „Fakts“ immer wieder Geld in dieses Schwarze Loch geschaufelt haben?

      In Dubio würde die Schuldknechtschaft wieder einführen. Vielleicht erklärt ihm ja ein Grieche auf Kos, warum Solon sie einst abgeschafft hat.

      • In Dubio 5. August 2015, 13:33

        Ich respektiere beides: Ihre offensichtliche Ansicht, Griechenland solle aus dem Euro ausscheiden und sich über einen Staatsbankrott seiner Schulden entledigen wie die gegenteilige Überzeugung, Athen möge Mitglied der Währungsunion bleiben.

        Was ich nicht respektieren kann: die Konsequenzen der jeweiligen Entscheidung abzulehnen. Leider verstehe ich Ihren Einwand nicht: Griechenland zahlt heute teilweise niedrigere Zinsen als Deutschland, damit ist ein wesentliches Kriterium einer Schuldenknechtschaft nicht erfüllt. Die Gegenleistungen sind an Auflagen geknüpft, welche jede Administration in Athen per einfachen Parlamentsbeschluss wieder aufheben kann.

        Es gibt Argumente, Griechenland mit deutschem Steuergeld zu stützen wie sich an die No-Bail-out-Klausel der Europäischen Verträge zu halten. Keine europäische Regierung hat bei ihrem Antritt jedoch so viele Dilettanten, Ideologen und Theoretiker in Ministerämter gebracht wie Syriza. Und für das Ergebnis ist der CEO verantwortlich: sämtliche Verhandlungspartner gegen sich aufgebracht, keine Allianzen gefunden, gegen den eindeutigen Beschluss der Gesellschafter (Referendum) gehandelt und am Ende den wichtigsten Mitarbeiter zurückziehen müssen. Ein solches Desaster überlebt kein DAX-Vorstand, Anshu Jain musste als Chef der Deutschen Bank wegen geringerer Vergehen seinen Posten räumen.

        • CitizenK 5. August 2015, 18:59

          @ In Dubio

          Na, ob die Libor-Manipulation wirklich als „minderes Vergehen“ einzustufen ist?

          Wie auch immer: Die Deutsche Bank zahlt für die Fehler ihrer Manager eine Menge Geld. Und die deutschen Steuerzahler werden für die Fehler ihrer Manager auch zahlen müssen. Aber statt sie zu feuern, geben sie ihnen die höchsten Zustimmungsraten. Das sind die Konsequenzen, deren Anerkennung Sie immer einfordern. Wenn dann die Rechnung kommt, sind natürlich nur die Griechen schuld.

          Eigentlich überflüssig, zur Vermeidung von Missverständnis aber trotzdem: Ich weiß um die Mängel der staatlichen Verwaltung in Griechenland. Ich weiß auch, dass ein Schuldenschnitt die aktuellen Probleme nicht lösen wird, weil der Schuldendienst gestreckt ist. Aber warum machen Sie nur die Syriza-Regierung verantwortlich und nicht die Vorgänger? Die hätten Jahrzehnte Zeit gehabt, die Mängel zu beseitigen.

          Das Ressentiment gegen alles in Ihren Augen „Linke“ sitzt offenbar so tief, dass die Logik keine Chance hat. Immer wieder traurig.

          • In Dubio 6. August 2015, 07:57

            Sie demonstrieren eindringlich, warum ich in meinen 30ern von einem liberal-sozialen zu einem liberal-konservativen Menschen wurde. In vier Absätze packen Sie Vorurteile und logische Brüche, die sich mit Weltanschauung, nicht mit Intellekt erklären lassen.

            Na, ob die Libor-Manipulation wirklich als „minderes Vergehen“ einzustufen ist?

            Hier zeigen Sie in wenigen Worten gleich zwei Vergehen: mangelndes Rechtsstaatsempfinden und ein fragwürdiges Bewertungssystem. Erstens: Die Finanzaufsichtsbehörde ermittelte zum Zeitpunkt der Hauptversammlung im Frühjahr gegen Anshu Jain wegen des Libor-Skandals. Dies passierte, weil er hierarchisch weit übergeordnet die Verantwortung dafür in der Organisation trug. Auch zum Zeitpunkt der Entlassung liefen noch die Ermittlungen und wurden erst vor wenigen Tagen mit einer völligen Entlastung des Inders eingestellt. Sie vorverurteilen hier und ignorieren das Ergebnis, das ist nicht der Ausweis eines rechtsstaatlich gesinnten Bürgers. Zweitens: eben wegen dieser zeitlichen Einordnung erfolgte die Entlassung von Anshu Jain nicht wegen persönlicher Verfehlungen, sondern dem schlechten Gesamtbild der Deutschen Bank.

            Die Deutsche Bank zahlt für die Fehler ihrer Manager eine Menge Geld. Und die deutschen Steuerzahler werden für die Fehler ihrer Manager auch zahlen müssen.

            Das ist so, ja. Wo ist der Vorwurf? Das Konstrukt der Kapitalgesellschaft wie der demokratischen Leitung ist die, dass die Exekutive eben nicht persönlich haftet. Vertreter besorgen das operative Geschäft und soweit sie nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen, haben sie ein Anrecht auf Entlastung.

            Auch hier wieder: Menschen machen Fehler, das ist Linken ziemlich fremd. Und je größer die Verantwortung, desto größer auch die Auswirkung. Manager sind nicht deswegen Manager, weil sie fehlerlos arbeiten, sondern weil sie entscheidungsfähig sind. Und sie haften mit ihrem Job, wenn die Anzahl der Entscheidungen sich als falsch herausstellt – selbst dann, wenn sie sie nicht persönlich zu verantworten haben. Der Sachbearbeiter am Schreibtisch wird höchst selten für seine Entscheidungen gefeuert. Das heißt nicht, dass er weniger Fehler macht.

            Aber statt sie zu feuern, geben sie ihnen die höchsten Zustimmungsraten. Das sind die Konsequenzen, deren Anerkennung Sie immer einfordern. Wenn dann die Rechnung kommt, sind natürlich nur die Griechen schuld.

            Ähm, Sie wissen schon, dass die Griechen seit Jahrzehnten ihre Führung genauso demokratisch bestimmt haben? Ich kann Angela Merkel für ihre Entscheidungen kritisieren oder loben, soweit ich sie im deutschen Interesse beurteile. Und ich kritisiere die griechische Regierung, so sie aus meiner Sicht krisenverschärfend wirkt.

            Tatsächlich haben die Griechen so lange die Papandreous und Samaras gewählt, so sie Gelder aus Brüssel herbeischafften. Dieser Politikertypus fiel bei den hellenischen Wählern erst in Ungnade, als der stete Strom von fremden Kapital nach Griechenland versiegte. Ich hoffe Sie glauben nicht ernsthaft, Syriza wurde gewählt, weil die Hellenen der Korruption im Land überdrüssig waren, oder?

            Ja, und in diesem Sinne weise ich den Griechen Schuld zu. Wem den sonst? 1 (in Worten: einem) Regierungschef? Oder sogar einer ausländischen Macht, nennen wir sie Deutschland? Nächster Punkt, warum ich mich mit Linken so schwer tue: erst wird Verantwortung verwässert, um sie dann gleichmäßig im Nichts zu verteilen oder Bunching Balls (vorzugsweise „den Politikern“, „den Managern“ oder „den Eliten“) zuzuweisen.

            Ich weiß auch, dass ein Schuldenschnitt die aktuellen Probleme nicht lösen wird, weil der Schuldendienst gestreckt ist.

            Warum reiten Linke dann so darauf herum? Und warum kritisieren beispielsweise Sie Ralf nicht deswegen? Hier könnten Sie zeigen, dass Sie fähig sind, Konsequenzen aus einer erkannten Logik zu ziehen.

            Aber warum machen Sie nur die Syriza-Regierung verantwortlich und nicht die Vorgänger? Die hätten Jahrzehnte Zeit gehabt, die Mängel zu beseitigen.

            Das ist bei mir der Unterschied zu Linken: ich ordne Schuld sachgerecht und rechtsstaatlich zu. Sie werden keine Andeutung finden, wo ich Syriza direkt oder indirekt für die Korruption in Griechenland verantwortlich mache. Ich kritisiere die Regierung in Athen für ihr unsolides Verhandeln, für das Kaprizieren auf die falschen Verhandlungsschwerpunkte wie dafür, dass sie im Grunde nur die Politik ihrer Vorgänger mit Steuererleichterungen und Transfers nach Gutdünken fortsetzt. Im Gegensatz zur Einbildung von Linken hatte man in Berlin tatsächlich Hoffnung, dass mit Tsipras sich etwas ändern könnte, denn die Samaras und Papandreous konnte man im Kanzleramt nicht leiden.

            Um in Verhandlungen Vertrauen zu gewinnen, bedarf es eines soliden und kompromissfähigen Handelns. Seine Partner öffentlich zu beschimpfen und vertrauliche Gespräche heimlich mitzuschneiden, zählen nicht zu Akten der Vertrauensbildung.

            • CitizenK 6. August 2015, 11:28

              „Tatsächlich haben die Griechen so lange die Papandreous und Samaras gewählt, so sie Gelder aus Brüssel herbeischafften.“ Dem kann ich nicht widersprechen. In der Demokratie hat das Volk die Regierung, die es verdient. Aber wieder: Es gibt auch eine Verantwortung derer „in Brüssel“.

              Ja, ich glaube allerdings in der Tat, dass Syriza auch gewählt wurde, weil man die schlimmen Folgen der Korrupution erkannt hat. Better late than never.

              Aber von den „Experten“ in bei den Banken Brüssel erwarte ich halt mehr Expertise als vom einfachen griechischen Wähler. Wer mehr wissen müsste, hat mehr Verantwortung.

              Was ich wirklich nicht verstehe: Sie singen immer das hohe Lied der Verantwortlichkeit der Manager in der Marktwirtschaft. Warum zum Kuckuck soll das nicht für diejenigen gelten, die nicht aufgepasst und das Geld in Griechenland in den Sand gesetzt haben?

              • In Dubio 6. August 2015, 11:53

                Ja, ich glaube allerdings in der Tat, dass Syriza auch gewählt wurde, weil man die schlimmen Folgen der Korruption erkannt hat. Better late than never.

                Beeindruckend. Das ist zum Teil eine Glaubensfrage. Was nicht dazu passt, ist z.B. der illegale Re-Import vergünstigter Medikamente in die EU, die weiterhin schlechte Steuermoral auf den Inseln, die Behandlung von Patienten nur nach Barzahlung, der Kapitalexport der Bankguthaben selbst einfachster Menschen, das Kleben an den relativ hohen Renten statt Forderung nach einem Sozialsystem etc. Das alles lässt mich nicht glauben, dass Einsicht Wahlen entscheiden. Außerdem wurde Syriza lediglich von etwas mehr als 1/3 der Wähler tatsächlich gewählt. Überzeugend ist das Wählervotum nicht, in Deutschland beispielsweise errang die Union deutlich über 40%.

                Aber von den „Experten“ in bei den Banken Brüssel erwarte ich halt mehr Expertise als vom einfachen griechischen Wähler.

                Welche Experten in Brüssel? Das sind weitgehend indirekt gewählte oder bestimmte Kandidaten. Hier per se mehr Expertenwissen zuzuschreiben als Kandidaten in Athen ist weit hergeholt.

                Warum zum Kuckuck soll das nicht für diejenigen gelten, die nicht aufgepasst und das Geld in Griechenland in den Sand gesetzt haben?

                In einer Demokratie wird die Politik durch Wahlen sanktioniert. So wie die Amerikaner beispielsweise 2004 Bush’s Krieg im Irak goutiert haben, so hat der deutsche Souverän (und das sind nicht die gewählten Politiker!) Merkels Europapolitik gutgeheißen.

                Wie sollen Manager oder Politiker überhaupt – etwa persönlich (!) – haften? Wenn Schäden durch falsche Entscheidungen entstehen, so sind diese bei großen Kapitalgesellschaften wie der Politik weit größer als das Vermögen fast jeden Bürgers. Schon von daher kommt eine persönliche Haftung nicht in Frage, denn die Konsequenz wäre ein Null-Fehler-Verhalten. Unter diesen Bedingungen werden Sie niemanden mehr finden, der finale Verantwortung für das Gemeinwesen wie für Wirtschaftsunternehmen übernehmen will. Das kann wohl kaum das Ziel sein.

                Auch die Marktwirtschaft kennt das Instrument der Haftungsbeschränkung, um Risikoneigung zu fördern, welche Voraussetzung für Unternehmertum ist. Oder wollen Sie nur noch Volkswirtschaften voller Beamter? Denken Sie, die Manager der Niederländische Ostindien-Kompanie hätten keine großen Fehler begangen?

    • In Dubio 5. August 2015, 13:20

      Der Eintritt in die Gemeinschaft war als unumkehrbar gedacht. Scheidet ein erstes Land aus, ist dieser politische Traum Geschichte

      Ein Traum? Selbst die Franzosen sahen von de Gaulle beginnend Europa als eine Gemeinschaft der Vaterländer. Und angesichts der Appelle ausgerechnet der Linkspopulisten in Athen an den Nationalstolz der Griechen wird das in Südosteuropa nicht anders gesehen.

      Daraus abgeleitet ist Ihre weitere Argumentation zum Schuldenschnitt nicht stringent. Wenn es 2010 bis heute politische Gründe gab, die Griechen im Euro zu halten, so kann es die in 10 oder 20 Jahren auch geben. Das ist keine Sicherheit, dass das Land nicht wieder auf Kosten seiner Partner lebt und auch nach einem Hair Cut immer wieder gerettet werden muss. Denn all das, was Sie aufzählen, gab und gibt es bereits:

      Ich argumentiere, dass ich es erstens unwahrscheinlich finde, dass Athen sich schon bald wieder extrem verschulden würde, nachdem die letzte Verschuldungsorgie schließlich eine soziale Katastrophe im Land heraufbeschworen hat.

      Die Katastrophe war in Deutschland nach `45 größer. Das Land wurde vollständig entschuldet und steht heute wieder bei rund 90%. In der Wirtschaftsgeschichte reichte das meist längst für einen neuen Bankrott. Nur der Status als führende Wirtschaftsmacht der Welt bewahrt uns vor Folgen, wie sie sonst Gang und Gäbe sind. Nein, das ist kein Argument.

      Ich argumentiere weiter, dass ich es für unwahrscheinlich halte, dass Investoren einem bankrotten Land, das gerade durch einen Schuldenschnitt gerettet werden musste, zinsgünstige Kredite anbieten würden.

      Sorry, Sie sehen etwas Entscheidendes nicht: mit einem Schuldenschnitt würden die Europartner final unterschreiben, dass die Mitglieder des Währungsclubs füreinander einstehen. Diese Signale wurden schon 2011 / 2012 ausgesandt, weshalb die Zinsaufschläge auch für Italien oder Portugal deutlich sanken.

      Ich argumentiere drittens, dass die Eurozone in Zukunft sehr wahrscheinlich Mechanismen entwickeln wird, die einer exzessiven Kreditaufnahme eines einzelnen Mitgliedstaates entgegenwirken werden.

      Auch hier fehlt Ihnen jede Stringenz und Geschichtsbewusstsein. Seit der Magna Charta ist das Budgetrecht die Königsdisziplin des demokratischen Parlamentarismus und Ausweis von Souveränität. Sie beklagen einerseits die Vorschriften, welche Athen heute gemacht werden und fordern genau die Eingrenzung von Souveränitätsrechten ein. Das verstehe ich partout nicht.

      Wir machen klipp und klar, dass es keinen Bailout geben wird.

      Ähm, hallo?! Das steht so in den Maastricht-Verträgen. Das hat weder den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg noch Ihre zitierten Experten beeindruckt. Und die Regierung Papandreou, welche 2010 die Partner zu Hilfe rief, auch nicht. Wenn Vertragsrecht und Rechtsprechung nicht reichen, dies deutlich zu machen, dann muss ich Ihnen sagen, sind wir am Ende der Fahnenstange.

      Das reguläre Bankgeschäft und die Spareinlangen der Bankkunden werden komplett von den Zockereibetrieben abgekoppelt

      Nun werden Sie echt witzig: Ihnen scheinen mehrere Fakten völlig unbekannt.
      1. Staatsanleihen gelten per Rechtsetzung und Geldpolitik als die sicherste Wertanlage. Versicherungen sind per Gesetz gezwungen, einen Großteil ihrer Vermögensanlage von Spareinlagen in Bonds zu begehen und sind damit gehindert, ihren Kunden höhere Verzinsungen anzubieten.
      2. Die Refinanzierung der weltweiten Kreditinstitute erfolgt zum Großteil über Schuldscheine der Staaten. Sie sind per Gesetz für Banken die günstigste Form der Geldschöpfung, da sie vom Gesetzgeber als 100% sicher bewertet werden und Finanzinstitute diese nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen.
      3. Der Steuergesetzgeber akzeptiert, anders als bei anderen Wertpapieren, nur in Ausnahmefällen Wertberichtigungen auf Staatsanleihen.
      4. Die Staaten halten ihre solventen und weniger solventen Bürger an, ihr Vermögen in Bonds anzulegen.

      Keine Partei in Deutschland bis hin zur LINKEN will an diesen Fakten etwas ändern – nur die FDP. Sind Sie plötzlich Anhänger der Liberalen? Sein Geld in Staatsanleihen anzulegen, ist politisch gewünscht und keinesfalls Zockerei. Ihre Behauptung und Forderung ist in Angesicht dessen absoluter Nonsens! Was wollen Sie trennen?!

      Der griechische Staat zwingt seit vielen Monaten seine Banken, eigene Bonds zu zeichnen und damit den Staatshaushalt flüssig zu halten. Gleichzeitig bringt er die Banken damit in eine hochriskante Schieflage und die EZB in ein politisches Dilemma. Das tun keine „Zocker“, das tun die von Ihnen hochgeschätzten Politiker der Neo-Kommunisten!

      „Wir“ hatten schon von Beginn an keinerlei Recht Griechenland seine Souveränität zu rauben

      Die Griechen haben auch kein Recht, uns um „Hilfe“ zu bitten. Und sie haben kein offensichtliches Recht, Hilfsgelder aus dem ESM zu beantragen. Diese Anträge waren souveräne Akte der griechischen Regierungen.

      Genauso gut könnten Sie mit einem Bankräuber verhandeln, der sich mit einer Million Euro im Tresorraum verschanzt hat, und der verkündet eventuell auf 200.000 Euro zu verzichten, wenn ihm dafür Straffreiheit und ein roter Teppich am Bankausgang zugesagt wird

      Scherzkeks. Haben Sie schon mal einen Bankräuber erlebt, der Geld zur Bank mitbringt und dort einlegt? Bitte belehren Sie mich, aber meines Wissens nach zahlen die Europäer summa summarum 320 Mrd. EUR (neue und alte Hilfsgelder).

      Nennen Sie mir bitte, wo diese Aussage im internationalen Recht verankert ist

      Tja, gibt es nicht. Vor allem gibt es kein Recht auf Schuldenerlass. Wer das also begehrt, muss etwas anderes bieten. Z.B. Wohlverhalten? Hm?

      Die Franzosen brachen offen mit den Deutschen und Matteo Renzi wurde in Richtung Wolfgang Schäuble mit dem Statement „Genug ist genug!“ zitiert.

      Die Franzosen haben so hohe Auslandsschulden, vor allem in den USA, dass jedes Prozentelpünktchen den Haushalt in weitere Schieflage bringt. Die Franzosen sind übrigens ein großer Gegner eines Schuldenschnitts. Genauso wie… Die Italiener: Matteo Renzi spart mitnichten. Sein Defizit wächst und wächst, gleichzeitig fällt Italien im Wohlstand immer weiter zurück. Der italienische Premier muss befürchten, in nicht ferner Zukunft selbst betroffen zu sein. Sie verwechseln Eigeninteressen mit politischen Einsichten.

      In einer Währungsunion erfolgt der Wohlstandsausgleich in der Regel auch über erhebliche Sozialtransfers.

      Legen Sie das als Wahlprogramm vor und Ihnen fliegt der Laden um die Ohren. Sie sind doch so für Demokratie, oder?

      Allerdings ist es naiv zu glauben, das könne eine Lösung für Millionen Menschen sein, gerade auch bei den Sprachbarrieren in Europa. Dazu kommt, dass Auswanderung immer auch eine Kehrseite hat. Wenn die Bestausgebildetsten das Land verlassen, bleiben diejenigen zurück, die wenig oder keine Qualifikationen vorweisen können, denen es an Selbstvertrauen, Erfahrung oder Geld fehlt, um es anderswo schaffen zu können.

      Sie können sich heute in der EU niederlassen, ohne ein Wort der Landessprache zu beherrschen. Und Sie können in vielen Unternehmen arbeiten, wenn Sie nur Englisch beherrschen. Ich z.B. habe eine Zeit in Riga gearbeitet. Denken Sie ich könnte ein Wort Lettisch?!

      Ansonsten beschreiben Sie, was es immer gab. Europa ist nicht ausgeblutet, weil viele aus England, Deutschland, Irland, Polen, Italien nach Amerika auswanderten. Okay, was bis heute nachwirkt: Der Unternehmergeist ist ebenfalls ausgewandert, Europäer sind wesentlich risikoscheuer als Amerikaner, obwohl beide die gleichen Wurzeln haben. Die Neuen Bundesländer haben seit 25 Jahren einen steten Aderlass und dennoch haben Länder wie Sachsen oder Thüringen die Bundesländer Saarland, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen in vielen Punkten überholt. Übrigens: auch die Griechen haben seit vielen Jahrzehnten einen kontinuierlichen Braindrain. Kein Grieche, der etwas auf sich hält, lässt seine Kinder in Athen oder auf Kreta studieren.

      Das ist wohl richtig. Allerdings übersehen Sie, dass die Eurozone nicht nur aus Nordeuropa besteht.

      … nur zahlen diese die Party, während es Portugal, Spanien oder Griechenland nicht vermocht haben, ihn Jahrzehnten zu stützenden Mitgliedern der Europäischen Familie zu werden. Es ist ein guter Lebensrat, immer mal die Zahler einer Veranstaltung zu befragen.

      Das Gesamtvertragswerk war nur leider in Griechenland an der Realität gescheitert.

      Wenn man der Ansicht ist, hätte man das Memorandum sowie die Geldleistungen am 28.02.2015 auslaufen lassen können. Das war offensichtlich von keinem der Beteiligten, schon gar nicht von der griechischen Regierung, gewünscht. Leider finden Sie auf diesen Einwand keine Erwiderung.

      In dieser Situation ist es absolut rational als Regierung in Neuverhandlungen zu treten. Alles andere wäre politischer Selbstmord.

      Vor einem Monat hat Tsipras selbst (!) ein härteres Programm beantragt. Soweit ist es mit dem politischen Selbstmord also nicht her.

      Die Verpflichtung zum Kompromiss resultiert aus der Analyse, dass das Vertragswerk nicht nur wirtschaftlich und politisch gescheitert ist, sondern eine Katastrophe epischen Ausmaßes ausgelöst hat.

      Die Analyse wird nicht von allen Beteiligten geteilt. Haben Sie das eigentlich registriert, bevor Sie immer das Gleiche behaupten?

      Menschen schließen Vereinbarungen, um ihre Interessen auszutarieren. Die Nordländer wollen keinen Cent (!) nach Athen geben, Griechenland sowohl im Euro bleiben, nicht bankrottgehen und dafür einen hohen Kapitalbedarf von den europäischen Steuerzahlern gedeckt bekommen. Da liegen die Interessen sehr weit auseinander. Der Kompromiss, so hat ihn die Bundeskanzlerin treffend zusammengefasst: Die Griechen bekommen über 3 Jahre mehr als ein Drittel des Inlands-BIPs vor allem aus Deutschland gestellt – wo die meisten wissen, dass die Griechen diese 86 Millionen EUR als Transfer verstehen – und akzeptieren im Gegenzug harte Reformauflagen. Man trifft sich in der Mitte, was für beide Seiten ein sehr langer Weg ist.

      Hätten sich die Geldgeber auf faire Verhandlungen – ein merklicher Schuldenschnitt gegen wirkliche Reformen – eingelassen, wären die Banken nie geschlossen worden

      Muss ich mich wirklich ständig wiederholen, weil Sie meine Repliken nicht verarbeiten? Die Geldgeber haben sich vertragstreu verhalten, die anderen wollten die Abänderung eines laufenden Vertrages. Was ist daran unfair, auf (kurze) Vertragserfüllung zu pochen?

      Und wie stellen Sie sich eigentlich die Verhandlungen über einen Schuldenschnitt vor? Allein die Londoner Schuldenkonferenz 1948 / 1949 dauerte über ein halbes Jahr und damals waren die Verhältnisse noch einfacher. Nun sitzen supranationale Einheiten am Tisch, die nur unter strikter Einhaltung der Kreditbedingungen die Verträge in ihren Organisationen rechtfertigen können. Weder kann der IWF verzichten noch die EZB, weil sie sich dann der unerlaubten Staatsfinanzierung schuldig gemacht hätte. Für solche Verhandlungen wären also zwischen 6 und 12 Monaten notwendig gewesen. Und nun können Sie ja selber rechnen. Syriza ist im Januar angetreten, die Banken Anfang Juli geschlossen worden.

      Falls Sie es nicht wissen: in den letzten Monaten hat Athen ausschließlich Schulden an den IWF, die EZB und private Gläubiger getilgt, nicht jedoch an den EFSF. Wer hätte hier auf Tilgung verzichten sollen um die Post-Kommunisten nicht weiter in die Bredouille zu bringen? Die erneute Bitte: werden Sie präzise anhand von detaillierten Fakten. Sie philosophieren und politisieren zu viel.

      Nach dem wie sich die Troika in Griechenland aufgeführt hat, habe ich größtes Verständnis dafür, dass man in Athen keine EU-Beamte oder deutsche Steuerfachleute mehr sehen wollte.

      Vielleicht haben Sie eine Idee, woher das Know-how und die fachliche Expertise kommen sollen? Arroganz muss man sich leisten können.

      Man kann aber eine Gesellschaft nicht einfach von heute auf morgen umprogrammieren.

      Hängen Sie das nicht so hoch. Die Rente mit 67 ließ sich binnen Monaten umsetzen, für die Integration der DDR in das deutsche Rechtssystem benötigten wir gerade 9 Monate – inklusive finaler Klärung internationaler Beziehungen mit den Siegermächten. Dagegen ist die Tsipras-Regierung eine wahre Schnecke.

      Dank der von der Troika durchgepeitschten Mehrwertsteuererhöhung, wird der Urlaub in Griechenland jetzt sogar noch teurer. Was genau war Ihr Punkt?

      Moment, Moment junger Mann! Ich musste mich jahrelang von Linken wie Ihnen belehren lassen, dass ein reduzierter Mehrwertsteuersatz lediglich den Profit der Hoteliers erhöht (Mövenpicksteuer). Entweder Sie leisten jetzt in fetten Lettern ganz schnell Abbitte für diese Dauerunterstellung oder Sie revidieren Ihren Einwurf. Denn nur dann lässt sich mit einiger Logik diskutieren. Ich bin gespannt, wofür Sie sich entscheiden.

      Griechenland ist Teil der wohlhabenden Eurozone.

      Nur leider ist Hellas in den wesentlichen Indikatoren Drittweltland: Staatsaufbau, Produktivität, Wirtschaftsleistung, Industrie, Terms of Trade. Der 1. FC Köln wäre auch gerne Champions League Teilnehmer. Die Wahrheit ist: der Club wurde über Jahrzehnte schlecht geführt und verprasste seine Mittel.

      Eine Gemeinschaft funktioniert zunächst einmal nur mit Mitgliedern, die wirklich an einer Gemeinschaft interessiert sind. Die Briten sind ausschließlich deshalb in der EU, weil ihnen die Mitgliedschaft politische Einflussmöglichkeiten und Hebel bietet.

      Falsch. Eine Gemeinschaft benötigt als erstes immer Zahler. Ohne solvente Mitglieder können Sie nicht mal einen Kaninchenzüchterverein gründen. Und wieder sind Sie völlig geschichtsvergessen: Den Euro gibt es nur, weil Francois Mitterand damit die Deutschen und ihre DM einhegen wollte. Und die Griechen haben ihre künftigen Partner bei ihrem Aufnahmeantrag deswegen betrogen, weil sie von der Prosperität der Währungsunion profitieren und ihrer Weichwährung entfliehen wollten. Was ist an diesen Motiven so edel und besser als die Motive der Briten?

      Bereits Anfang Mai 2015 drängte der IWF auf einen Schuldenschnitt:
      http://www.manager-magazin.de/politik/europa/iwf-fordert-offenbar-schuldenschnitt-fuer-griechenland-a-1032163.html
      Müssen wir wirklich um solche Sachen streiten?!

      Das ist nicht kleingedruckt, sondern stadtbekannt. Deutschland wollte den IWF ja unbedingt an Bord haben, obwohl es um ein rein innereuropäisches Problem ging. Nun zahlen wir halt die Zeche.

      Wie darf ich das verstehen? Und wo bleibt Ihre Logik? Der ESM soll die Schulden gegenüber dem IWF übernehmen und dann Griechenland erlassen? Sind Sie jeck? Würden Sie die Schulden eines Freundes gegenüber seiner Bank übernehmen und sie direkt danach ihm erlassen? Wie Athen seinen relativ kleinen Schuldenanteil gegenüber freien Gläubigern, dem IWF und der EZB befriedigt, ist die griechische Sache. Merkel kann über bilaterale Schulden und den Verbindlichkeiten gegenüber dem EFSF verhandeln und ggf. ganz verzichten. Sie kann nicht für die anderen unabhängigen Institutionen in die Bresche springen.

  • CitizenK 27. August 2015, 07:56

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.