Die Tragik des Yanis Varoufakis

Bild von Jörg Rüger (CC-BY-SA 3.0)

Je mehr man sich mit den Positionen von Yanis Varoufakis beschäftigt, desto mehr scheint es sich um eine Tragödie zu handeln, die sich vielleicht nicht in einer klassischen 5-Akt-Struktur vollzieht, aber von Zwängen und mangelnden Handlungsspielräumen geprägt ist wie die Klassiker. Varoufakis – und in extensia die gesamte griechische Regierung – ist eingeklemment zwischen ökonomischen und politischen Zwängen, die er beide ablehnt, und ist chancenlos, seine Vision für die Lösung der Krise auch nur auf das Tablett zu bringen. Sofern nicht ein Wunder passiert, dürfte er das Rücktrittsschreiben, das er nach eigener Aussage ständig in der Brusttasche trägt, bald brauchen. Varoufakis will kein Politiker sein, hat aber ein politisches Spitzenamt inne, und er will die griechische Schuldenwirtschaft nicht weiterführen, wird aber durch Verträge auf der einen und ökonomische Notwendigkeiten auf der anderen Seite dazu gezwungen. Die Erkenntnis dieses Dilemmas dürfte schmerzen, und sie wird nicht durch einen Chor unterstützt.

Varoufakis‘ politische Theorie ist vergleichsweise simpel. Er ist der Experte an der Spitze des Ministeriums und will versuchen, die Welt durch die Kraft seiner Argumente zu überzeugen. Aus Gründen persönlicher Integrität will er keinesfalls „ein Politiker werden“, sprich, polarisieren und den Dialog zugunsten eines verdeckten Monologs einstellen, wie das in jeder deutschen Talkshow wöchentlich zu beobachten ist. Das ist auch sicher ehrenwert, aber völlig naiv. Es funktioniert innerhalb Griechenlands, weil Varoufakis seine Legitimation aus dem Wahlsieg Syrizas, quasi durch Akklamation des Volkes, sieht und Alexis Tsipras ihm den Rücken freihält, unter anderem durch die schmutzige Allianz mit den Rechtspopulisten. Auf EU-Ebene gibt es aber niemand, der ihm den Rücken freihält. Gegen die eingespielten Kontrahenten in der EU, die den politischen Prozess mit seinen ungeschriebenen und geschriebenen Regeln und Formen leben lief er wie gegen eine Wand. Man sehe sich nur Wolfgang Schäuble an: die „Verhandlungen“ Varoufakis‘ mit seinem deutschen Gegenpart waren das Äquivalent eines vollen Laufs gegen eine Wand.

Varoufakis hat zudem entweder völlig unterschätzt, welche innenpolitischen Prozesse bei den anderen EU-Staaten ablaufen, oder sich nie darum gekümmert. Anders ist kaum zu erklären, dass er auf Schützenhilfe aus Italien, Spanien, Portugal und Irland hoffte. Die dortigen Regierungen haben keinerlei Interesse daran, ihren innenpolitischen Gegnern links wie rechts in die Hände zu spielen, indem sie ihre Positionen über das griechische Proxy legitimieren, egal wie hoch auch der Gehalt seiner Argumente ist. Syriza ist die einzige Linkspartei in Europa in der Regierungsverantwortung. Hat niemand in der Partei die Europawahlen beobachtet? Der Kontinent wird von einer großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten regiert, während die Sozialisten eine Sammlung von oppositionellen Splitterparteien sind.

Was aber sind seine ökonomischen Ideen? Hier liegt die wahre Tragik, denn Varoufakis spricht sich explizit gegen Hilfskredite für Griechenland aus. Seine Position, unterstützt vom mittlerweile legendären Stinkefinger, ist die, dass Griechenland 2010 den faktischen Bankrott hätte erklären müssen – eine Position, die durchaus kompatibel mit den deutschen Stammtischen ist. Er sagt klar, dass eine Erhohlung der griechischen Wirtschaft und die Rückzahlung all dieser Kredite illusorisch ist. Hier zeigt sich einmal mehr sein mangelnder politischer Instinkt, denn es gelingt ihm nicht, die Sprengkraft hinter diesen Positionen zu erkennen und entsprechend die Adressaten und Form der Botschaft zu wählen. Beispielhaft dafür ist seine völlig unprofessionelle Reaktion auf den Stinkefinger bei Jauch. Da inzwischen 2015 und nicht mehr 2010 ist, hat diese Fragestellung aber ohnehin nur theoretischen Charakter. Varoufakis sieht in den Krediten die Wurzel allen Übels, weil sie Griechenland am Tropf hielten, von dem es entwöhnt werden muss – was ja offiziell auch die Position der EU und besonders Deutschlands ist.

Nur kommt Varoufakis von dem Tropf nicht weg. Seine gesamte Aufmerksamkeit muss auf die Sicherung weiterer Tranchen aufgebracht werden, weil der griechische Staat stets nur Wochen von der Zahlungsunfähigkeit entfernt ist. Und im Gegensatz zu 2010 gibt es die ganzen Kredite jetzt über die Institutionen statt über die Banken, und die sind ewig. Der Bankrott ist damit keine Option mehr, der einzige Ausweg ist der Schuldenschnitt. Und genau hier ist Varoufakis völlig eingekästelt. Griechenland hat keinerlei Druckmittel, denn der Grexit ist keine Option und wurde von Varoufakis wiederholt und deutlich abgelehnt. Innerhalb der EU hat Syriza keine Freunde und keine Lobby, und das Gewicht Griechenlands ist gering (man vergleiche dies nur mit dem Einfluss, den Luxemburgs konservativer Premier Juncker hatte und hat und der in keinem Verhältnis zur Machtstellung seines Landes steht). Gleichzeitig ist die Regierung neu und war nie an der Macht, was alle Arten von Fehlern produziert und aufwändige Neuorientierung nötig macht. Was Varoufakis braucht sind Zeit und Druckmittel. Beides hat er nicht. Statt nach seinem eigenen Drehbuch wurde er innerhalb von kaum drei Wochen völlig auf das Drehbuch der Institutionen gezwungen.

Es ist auch nicht klar, wie dieses Dilemma aufgelöst werden sollte. Syriza ist völlig deklassiert in ihrem Kampf gegen die europäischen Institutionen. Jede neue Hilfe, jeder hart errungene Überbrückungskredit bleibt eine zeitlich eng befristete Lösung, die eine neue Auseinandersetzung mit dem Thema innerhalb kürzester Zeit nötig macht. Syriza erhält keine Chance, durchzuatmen und Kassensturz zu machen, Verbündete zu suchen und eine vernünftige Strategie zu überlegen. Das ist clevere Politik. Aber wundert das jemand? Schäuble macht das seit 40 Jahren. Varoufakis macht das seit zwei Monaten, und er hasst es und will eigentlich nicht. Syriza wird dabei immer verzweifelter. Die aktuellen Hilfegesuche an Russland und China und das halbe Ausscheren aus der gemeinsamen europäischen Außenpolitik beweisen es.

Welche Lösungen sollen denn aus Russland und China kommen? Griechenland kann natürlich etwas verbrannte Erde in der EU-Außenpolitik mit Russland hinterlassen, aber glaubt jemand ernsthaft, dass sich 27 Staaten, die jeder einzelne mehr politische Fähigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten haben als Syriza, ernsthaft vom Einstimmigkeitsprinzip abhalten lassen würden? Niemals wird Griechenland die Außenpolitik der restlichen EU torpedieren. Und selbst wenn Hilfe aus Russland oder China kommt – strategisch wäre dies besonders für Russland ein gigantischer Gewinn und eine herbe Niederlage für die EU-Diplomatie -, Griechenland ist immer noch im Euro. Es ist auf die Institutionen angewiesen, ob es will oder nicht. Es kettete sich nur an noch mehr mächtige Kreditgeber, nur dieses Mal an solche, die keine Probleme haben, Hellas im Zweifel völlig fallen zu lassen.

Nein, Griechenlands einzige Zukunft ist in der EU und im Euro, und sofern Syriza nicht bald etwas einfällt, womit sie den gordischen Knoten lösen können, werden sie mangels eines Schwerts an dem Druck zerbrechen. Da dies für alle anderen griechischen Regierungen auch gilt, kann die EU auch dem Fall Tsipras‘ gelassen entgegen sehen. Sie kann es sich leisten, Griechenland für das Gesamtprojekt zu opfern. Griechenland kann das nicht. Die Macht, über sein eigenes Schicksal zu entscheiden, ist seit 2011 nicht mehr gegeben. Vermutlich wird auch Syriza das bald einsehen müssen. Varoufakis kann dann Gebrauch von seiner Brusttasche machen.

{ 15 comments… add one }
  • Stefan Sasse 2. April 2015, 07:59

    Zu Varoufakis‘ Positionen vor der Wahl ganz interessant:
    https://www.youtube.com/watch?v=PbxZB6HYY8k

  • In Dubio 2. April 2015, 09:03

    Sehr gut zusammengefasst, Stefan.

    Das Problem von Syriza kann man noch härter umreißen: Auch und gerade demokratische Politik ist vor allem Machtpolitik, das Ringen um Mehrheiten. Deswegen ist Schäuble so professionell und Varoufakis ein so blutiger Amateur, weil reiner Ideologe. Selbst als Syriza kurz vor dem Machterwerb stand, hat sich die Spitze nicht mit der Frage beschäftigt, wie denn Realpolitik auszusehen vermag und wie man potentiell Verbündete gewinnen könnte.

    Dazu kommt: Syriza verkauft sich zwar als was Neues, ist aber die alte PASOK. Vergleicht man die hinter Syriza stehenden Wählerschichten, Stimmanteilen und politische Forderungen mit denen von PASOK von 2009, so zeigen sich keine nennenswerten Unterschiede. Die griechische Politik lebt wie eh und je von Klientelismus und Nepotismus. Syriza will daran nicht das Geringste ändern. Weil die griechische Gesellschaft sich nicht ändern will.

    Ich habe für Unternehmen gearbeitet, die kurz vor der Insolvenz standen oder eine Insolvenz hinter sich hatten. Das Fatalste, was man tun kann, ist, Dinge so zu belassen wie sie waren. Leider fallen Menschen jedoch gerne wieder in die alten Verhaltensmuster zurück und sie vergessen, was zum Scheitern führte. Bei Unternehmen lautet dies beispielsweise, Umsätze und Beschäftigung zu kaufen, großzügig über Kosten hinwegsehen, und das Beschäftigen mit sich selbst statt Kunden und Markt. Von der Anwendung dieser Analyse auf Staat und Gesellschaft ist es nicht weit.

    Die Kernprobleme des Landes will die neue Regierung in Athen eben auch nicht angehen: Steuern werden erlassen statt erhoben, die Schieflagen der sozialen Sicherungssysteme nicht angegangen, der Arbeitsmarkt nicht entformalisiert, die absurden Schieflagen in der Beschäftigungsstruktur (Verhältnis der Beschäftigten in der Privatwirtschaft zu Staatsbediensteten und Rentenempfängern) nicht in den Fokus gerückt.

    Die Theoretiker Tsipras und Varoufakis glauben ernsthaft, mit einem teuren Strohfeuer („Stimulierung der Nachfrage“) eine schwere Lokomotive betreiben zu können. Allerdings darf man nicht vergessen: die Griechen haben sich diese Regierung wie alle vorherigen selbst gewählt.

  • André 2. April 2015, 11:07

    Es scheint sich bei Varoufakis tatsächlich um Naivität zu handeln!

  • CitizenK 2. April 2015, 11:41

    Vom Stammtisch über die sog. Qualitätsmedien bis zu Prof. Sinn unisono: Die Griechen müssen raus aus dem Euro und die Drachme wieder einführen.

    Offenbar keiner macht sich Gedanken, wie das technisch auf die Schnelle gehen soll. Wie lange dauert es, die Scheine zu drucken, das Rechnungswesen und die Computersysteme umzustellen, Verträge, Renten usw. neu zu berechnen – und zu welchem Kurs? Der Vorlauf für den Euro betrug Jahre, die Einführung wurde generalstabsmäßig geplant!

    Kurz: Ein Grexit oder gar ein Greccident würde ein unbeschreibliches Chaos verursachen mit einer humanitären Katastrophe. „Europäische Werte“ ? Verantwortungsethik? – Fehlanzeige.

    In einem US-Blog (NYT?) habe ich gelesen, schon vor Monaten: Dass die Griechen gemogelt haben und eine chaotische Verwaltung haben ist noch lange kein Grund, sie krepieren zu lassen.

  • alt.e7 2. April 2015, 19:19

    „Ich habe für Unternehmen gearbeitet, die kurz vor der Insolvenz standen oder eine Insolvenz hinter sich hatten. Das Fatalste, was man tun kann, ist, Dinge so zu belassen wie sie waren. Leider fallen Menschen jedoch gerne wieder in die alten Verhaltensmuster zurück und sie vergessen, was zum Scheitern führte. – “

    Gilt dies nicht mindestens ebenso für die andere Seite, die sich die Lage des Euro schönredet? Hätte Varoufakis die Insolvenzverschleppung seiner Vorgänger von Anfang an mehr oder weniger weiter mitgemacht, hätte doch im Ministerrat keiner mit ihm ein Problem. Aber die (mehr oder weniger extreme) Linke soll nun plötzlich im ganzen Land einen plötzlichen Mentalitätswechsel initiieren, der vorher nie richtig eingefordert wurde. Selbstbetrug, wohin man schaut…

    • In Dubio 4. April 2015, 09:59

      Nein, das gilt nicht für die andere Seite. In Irland, Spanien und Portugal sind Erfolge zu verzeichnen, man ist dem Ziel der Konsolidierung des Staats- und Finanzwesens deutliche Schritte näher gekommen. Athen dagegen stagniert mit den selben Methoden. Ein insolventes Unternehmen kann auch nicht einfach sagen: der Markt ist schuld, sie wollten keine hohen Preise mehr zahlen. Und meine Produkte wollten sie auch nicht.

      Es ist absolut müßig darüber zu streiten, was vor 5 Jahren getan hätte werden müssen. Das ist verschüttete Milch. Bisher ist nur erkennbar, dass Athen verzweifelt versucht, die Politik, die bis 2010 zu dem Desaster führte, irgendwie wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass Syriza die Kernprobleme des Landes angehen will – denn dann würden sie sich selbst abwählen.

      Mich verwundert (nicht wirklich), dass Linke alles zu akzeptieren bereit sind, wenn ihr Protagonist nur die guten Absichten beteuert. So etwas von leichtgläubig!

      1) Mit Rechten (Populisten) sich einlassen geht gar nicht! (Es sei denn, sie verhelfen einem zur Macht).
      2) Mit Oligarchen gemeinsame Sache machen geht gar nicht! (Es sei denn, es sind russische Fußballliebhaber).
      3) Essensmarken gehen gar nicht, da sie die Würde eines Menschen herabziehen. (Es sei denn, sie werden von einer eindeutig linken Regierung herausgegeben).
      4) Sozialhilfe muss umfangreich sein, darf niemanden ausschließen und sich an die Bedürftigsten wenden. (Es sei denn, Neoliberale schlagen ein Sozialhilfesystem vor, dann ist dieses abzulehnen und auf Gutscheine auszuweichen).
      5) Steuererleichterungen gehen gar nicht! (Es sei denn, ein Land ist abhängig von wohlhabenderen Staaten).
      6) Wir brauchen Vermögensteuern! (Es sei denn, alle Vermögen zahlen diese Steuern ohne Ansehen der Person).
      7) Schwarzgeld geht gar nicht! (Es sei denn, eine linke Regierung ist einfach zu faul, sich um Steuererhebung zu kümmern).
      8) Verschwendung geht gar nicht! (Es sei denn, Linke mit guten Absichten sind unfähig und die Gelder dienen der „Anregung der Massenkaufkraft“).
      9) Politische Erpressung wie im Falle GB geht gar nicht! (Es sei denn, „Neoliberale“ verweigern Zahlungen an bedürftige „Linke“).

      • Helmut Pirkl 5. April 2015, 10:57

        An Griechenland will der IWF mit Unterstützung der Troika ein weiteres Exempel in Europa statuieren, wie ihr das bereits bei Zypern gelungen ist. Auf dem Weg zur NWO ist es seine Aufgabe, den Plutokraten der Wallstreet die Straße freizuschaufeln.

        Dabei wird weltweit nach und nach den Staaten die Souveränität geraubt, und an ihre Stelle treten selbsternannte Kommissare sowie ihre Handlanger bis hin zu Kapos, die für den Vollzug zu sorgen haben. In Europa steht an vorderster Stelle Dhragi, ein ehemaliges Vorstandsmitglied von Goldman Sachs. Seine Aufgabe ist es, mit Hilfe der EZB die Staaten finanziell auszubeuten und zahlungsunfähig zu machen.

        Strategie ist es dabei, die Banken der Staaten mit Milliarden von Euro, die aus dem nichts geschöpft werden und wofür die Staaten zu haften haben, damit sie damit weltweit an den Börsen ihre spekulativen Derivatengeschäfte machen können, vollzupumpen. Zurückzahlen müssen bei Fälligkeit diese Milliarden die dafür haftenden Staaten, wenn ihre Banken dazu nicht mehr in der Lage sind, was meist de Fall ist, wollen sie nicht, dass ihre „systemrelevanten“ Banken bankrott gehen. Griechenland ist zurzeit dafür ein Musterbeispiel.

        Ich bin mir sicher, dass dieses kriminelle Spiel von Varoufakis durchschaut wird. Wenn er das nötige Standvermögen hat, um sich bei Unterstützung von Russland und China durchzusetzen, könnte dies für die ganze Welt, aber insbesondere für Europa zu einem neuen Anfang und zu einer friedlicheren Welt führen.

        Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er nicht vorher in der Badewanne ertrinkt, vom Himmel fällt, in den Abgrund stürzt etc. etc.

        • In Dubio 5. April 2015, 16:32

          Sehr geehrter Herr Pirkl,

          seien Sie vorsichtig mit der Veröffentlichung eigener Mail-Adressen im Internet. Sie sind selbst bei einem so linken Medium wie dem Freitag rausgeflogen, weil Sie (möglicherweise wiederholt) gegen die Netiquette verstoßen haben, nämlich anscheinend verschwörungsideologische Beiträge eingestellt haben. Jedem Menschen steht Selbstkritik gut an, selbst wenn man sehr alt ist – und deswegen automatisch Respekt genießen sollte – wie auch, wenn man sich im Recht wähnt. Wir gewinnen auf dieser Welt nichts, wenn wir der festen Überzeugung sind, allein Herr der Weisheit zu sein.

          Mario Draghi tut genau das, was dezidiert linke Wirtschaftswissenschaftler und Blogger wie z.B. Jens Berger oder die Nachdenkseiten seit Jahren gefordert haben: Die EZB kauft in großem Stil Staatsanleihen auf und begeht damit die eigentlich verbotene Staatsfinanzierung. Deutschland hat das immer befürchtet. Wenn aber ausgerechnet Linke genau eine solche Politik des Quantitive Easing (QE) jahrelang gefordert haben, dann wirkt das Argument nicht besonders überzeugend, das Präsidium der Notenbank sei ein Agent der Wallstreet.

          Staaten wie Private müssen kein gedrucktes Geld der EZB annehmen – selbst wenn dies aus dem Nichts geschaffen wird. Wer es aber tut, muss dafür haften und das Kapital irgendwann gemäß Vertrag zurückbezahlen. Das ist die Grundlage jeden auf Eigentum basierenden Rechtssystems. Wenn Sie das ablehnen, stellen Sie sich außerhalb des Rechtsrahmens, der nicht erst heute geschaffen wurde.

          Die griechischen Banken finanzieren traditionell das kreditfinanzierte Importgeschäft der Griechen. Sie waren praktisch überhaupt nicht von der weltweiten Finanzkrise betroffen. Sie hängen derzeit am Fliegenfänger, weil der griechische Staat als Schuldner Glaubwürdigkeit und Bonität so eingebüßt hat, dass Investoren (sie sind Bestandteil jeden innovativen Systems) die Bonds von Athen nicht mal mehr mit spitzen Fingern anfassen – wohl aber die Banken des Landes, die das Drama damit vergrößern.

          Sein Sie, des Anstandes wegen, bitte vorsichtig mit Begriffen wie kriminell, wo sich Rechtsverstöße nicht mal im Ansatz belegen können.

  • Helmut Pirkl 3. April 2015, 18:21

    Yanis Varoufakis ist ein exzellenter Spieler, der mit einem Pokergesicht sondergleichen nicht nur das Spiel unter Kontrolle hat, sondern auch seine Mitspieler überzeugend blufft. Dabei führt er die EU, angeführt von ihrer Troika, so raffiniert (Rücktrittsschreiben) an der Nase herum, dass es schon eines Drahtseilaktes bedarf, um dies zu widerlegen. Nach der griechischen Tragödie ist er wie Odysseus, der sich während all seiner Abenteuer vor allem durch seinen außergewöhnlichen Verstand und seine listigen Ideen auszeichnet.
    Dabei wird er nicht, wie man es gerne sähe, gegen die Wand laufen, sondern seine Gegner als bellende Hunde, die nicht beißen, vorführen.
    Wer hindert ihn daran, nachdem er mit vollen Koffern und sicheren Zusagen aus Russland und China zurückkommt und danach mit Hilfe des Parlaments die griechische Nationalbank anweist, eigene Euro zu drucken oder per Mausklick an die griechischen Banken zu überweisen. Draghi tut doch auch nichts anderes und das sogar aus eigener Machtvollkommenheit.
    Yanis Varoufakis ist ein exzellenter Spieler, der mit einem Pokergesicht sondergleichen nicht nur das Spiel unter Kontrolle hat, sondern auch seine Mitspieler überzeugend blufft. Daran sollte man ihn messen und nicht political correctness, wie das auch vorstehend mainstreamgerecht der Fall ist, abkanzeln

    • Stefan Sasse 3. April 2015, 18:36

      Er kann keine Euro drucken das kann nur die EZB. Und was für „sichere Zusagen“ soll das Pokergesicht, das seine diebiesche Freude oder Empörung oder Überraschung ja wirklich blendend verbirgt, denn bekommen?

    • In Dubio 4. April 2015, 07:40

      Sorry, das ist totaler Unsinn. Ein Spieler wird an seinem Gewinn gemessen, Varoufakis hat bisher nur Verluste vorzuweisen. Wie Sie das als „exzellent“ bezeichnen können, erschließt sich nicht.

      Seit Antritt von Syriza wird die Nähe zum möglichen Staatsbankrott in Tagen gemessen. Selbst staatliche Institutionen haben kein finanzwirtschaftliches Vertrauen in die Regierung, von den Bürgern ganz abgesehen.

      Trotz monatelanger Verhandlungen und obwohl die Zeit drängt, ist der griechische Finanzminister neuen Zahlungen keinen Schritt näher gekommen, das eigentliche Ziel seiner Mission. Daneben brechen im Vergleich zum Vorjahr die Steuereinnahmen weg – Resort des Finanzministers.

      Inzwischen zieht Athen die Paria-Variante in Erwägung. Anders als jedes andere Schwellenland ist man bereit, die nächste Trance an den IWF zu verweigern. Das Land würde damit auf absehbare Zeit von internationalen Kreditgebern wie dem Finanzmarkt ausgeschlossen. Ein unermesslicher Schaden für das Land.

      Russland und China sind in der Vergangenheit nicht damit aufgefallen, ihre Unterstützung großzügig zu gewähren. Der politische Preis, so man überhaupt Finanzmittel von den Ländern bekäme, wäre sehr hoch und würde das Land anders als normale Kredite langfristig binden. Auf der anderen Seite steht der politische Schaden in der EU, der die Griechen treffen würde. Paria zu sein ist kein angenehmer Status. Moskau schwimmt derzeit nicht gerade in Geld, Putin hat Schwierigkeiten, mit den schwindenden Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft den wegen der Wirtschaftskrise unter Schwindsucht leidenden Haushalt zu konsolidieren. Der Ukraine-Krieg frisst tiefe Löcher und ein weiterer Krisenherd könnte in Russland die Stimmung kippen lassen. Über China ist schon viel geschrieben worden, wie sie afrikanische Staaten ausbeuten. So würden sie wahrscheinlich griechisches Staatseigentum und großzügige Rechte in zentralen Wirtschaftsbereichen wie dem Transportwesen fordern. Was da der Unterschied zu Europas Forderungen nach mehr Privatisierung sein soll, erschließt sich mir nicht.

      Am Ende hat es der „Spieler“ Varoufakis vermocht, binnen kürzester Zeit das Verhältnis zu all seinen Partnern vollständig zu ruinieren, so dass er von seinem Chef aus dem Spiel genommen werden musste. Was daran „exzellent“ sein soll, ist zumindest erklärungsbedürftig.

  • Helmut Pirkl 4. April 2015, 09:07

    Griechenland ist noch ein souveräner Staat mit eigener Nationalbank. Wer könnte diese Bank daran hindern, wenn sie im Auftrag des griechischen Parlaments und seiner Regierung Geld unter das Volk bringt. Das wird uns doch schon seit langem von der Fed vorgeführt, die genauso über die USA die Banken auf der ganzen für ihr Roulett in den großen Spielbanken der Börsen mit ihren Dollarchips einen Staat nach dem anderen in den Ruin treibt. Und wenn ein Staat dabei nicht mitspielt, oder sich gar noch widersetzt, der wird platt gemacht. Da kennen die Betreiber dieser Spielbanken kein Pardon.

    Bevor man dies als Unsinn abtut, sollte man sich erst einmal über die Spielregeln informieren. Dann wird man schnell feststellen, dass von vornherein feststeht, wer die Gewinner und wer die Verlierer sind.

    Griechenland hat nichts mehr zu verlieren. Es ist längst bankrott, wäre es ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen. Aber Griechenland ist ein Staat. Und Staaten können nicht bankrott gehen. Es sei denn man macht sie zu Kolonien. Und genau das ist beabsichtigt. Schaue man sich doch nur Libyen, den Irak etc bis hin zur Ukraine oder in diesem Falle Griechenland an, die zurzeit in Richtung Kolonialstaaten getrieben werden. Bis zur Aufgabe ihrer Souveränität, werden diese Staaten als Außenseiter von denjenigen abgestempelt, die als nächste dran sind.

    Unter Führung von Russland und China haben sich einige Staaten zusammengetan, um dieses System der kontrollierten Ausbeutung abzuschaffen. Das mögen die Plutokraten des Imperiums gar nicht und kämpfen verbissen sogar mit militärischen Mitteln dagegen an.

    Mit Hilfe von Russland, China etc. bietet sich für Griechenland eine Chance sich selber von der Unterdrückung durch diese Finanzmafia z befreien. Das weiß der Spieler Varoufakis ganz genau und pokert mit diesen Pfunden vor dem Forum der ganzen Welt.

    In Griechenland gibt es nichts mehr zu verlieren. Seine angeblichen europäischen Partner sind Vasallen der USA und deren Plutokraten, die bedingungslos den Anordnungen ihrer Kolonialherren in Washington folgen und sich wie die Lemminge freiwillig in den in den Tod stürzen.

    • In Dubio 4. April 2015, 10:13

      Wenn Staaten nicht bankrott gehen können, dann haben sie immer eine Zukunft. Für die meisten insolventen Unternehmen gilt das nicht und sie müssen sich dennoch an Regeln halten.

      Die griechische Notenbank kann keine Euros drucken, denn das ist eine fremde Währung. Genauso wenig kann Mexiko Dollars drucken, das ist nämlich kriminell. Sollte eine linke Regierung in Athen das tatsächlich versuchen, fliegt sie aus allen denkbaren internationalen Institutionen und die Hoffnung auf internationale Hilfe wie Investoren (aus dem In- wie Ausland) ist auf sehr lange Zeit perdu.

      Sie haben die Chance verpasst zu zeigen, welche ordentlichen Gewinne Varoufakis gemacht hat. Stattdessen sondern Sie ein pauschales Pamphlet ab. China und Russland arbeiten nicht zusammen, wo denn? China sieht Russland als Rohstofflieferant, wie entwürdigend für die Russen! Russland hat einzig eine kleine Phalanx von undemokratischen Diktaturen um sich gescharrt, die von Moskau absolut abhängig sind. Das ist ein deutlicher Unterschied zwischen EU und den USA. Und es ist der Grund, warum die Ukrainer mehrheitlich zur EU streben und nicht zur Eurasischen Union des Vladimir Putin.

      Griechenland hat sich durch jahrzehntelange Misswirtschaft, getragen von der gesamtem Gesellschaft, in die Lage eines Drittweltlandes gebracht bzw. waren nie etwas anderes. Die EU war die große Chance, zu den entwickelten Ländern aufzuschließen, zu dessen Kreis das nepotistische Land nie gehörte. In diesem Sinne wäre der Bezug zu Russland tatsächlich passend. Nur wollen das die wenigsten Griechen.

      Wer Moskau zuneigt, gibt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Prosperität auf. Und das bei einem Land, in dem die Demokratie erfunden wurde.

  • Stefan Sasse 4. April 2015, 10:42

    Ich halte das auch für ein völlig unwahrscheinliches wie unsinniges Szenario. Griechenland steht an der Wand. Russland und China bieten vielleicht einen Ausweg, aber es ist der Ausweg, den ein Kredithai einem überschuldeten Privatmann bietet. Wie Stefan Pietsch schreibt wird Hilfe von diesen beiden kaum zu besseren Konditionen zu bekommen sein als von der EU. Diese hat trotz allem noch ein größeres Interesse am Wohlergehen Griechenlands.

  • Lemmy Caution 4. April 2015, 11:27

    Wenn die sich trotz Warnung von der EU China und insbesondere Russland anvertrauen, reissen die mit ihren 36,5% Wählerstimmen Brücken ein.

    Und darum kann es den Typen auch gehen: Darauf zu spekulieren, dass man trotz Desaster aufgrund einer nationalistischen Trotzhaltung sogar noch Wählerstimmen gewinnt und Syriza Gegner aus Mangel an ökonomischen und politischen Hoffnungen auswandern.

    Viele Leute glauben instinktiv, China wäre ein besonders harter Investor und Kreditgeber. Das stimmt etwa für Venezuela aus meiner Rezeption der Ereignisse nicht. Auf der anderen Seite sind solche politischen Kredite in China selbst äusserst unbeliebt, zumindest gabs entsprechende Kommentare von Chinesen auf venezolanischen Oppo-Blogs.
    Ich denke, dass sich auch Russland als eher weitherziger und geduldiger Kreditgeber verhalten wird. Die Frage ist halt, ob Russland angesichts der eigenen Krise dafür Mittel bereitstellen kann und/oder will.

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