Warum der Schlüssel zum Verständnis der Ukraine-Krise in Wilsons 14 Punkten liegt

Ich habe im Geschichtsblog einen ausführlichen Artikel über das geschrieben, was ich die „Erste Liberale Weltordnung“ nenne. Es sollte offensichtlich sein, dass dieser nach dem Zweiten Weltkrieg eine zweite liberale Weltordnung folgte, die den Systemkampf gegen die sozialistische zwischen 1989 und 1991 eindeutig für sich entschied („Ende der Geschichte“, wir erinnern uns). Ich behaupte, dass die aktuelle Politik Putins im Spiegel des Aufstiegs und Falls der ersten liberalen Weltordnung gelesen werden muss und dass wir gerade durch Russland eine ähnliche Herausforderung für die zweite sehen wie die erste damals durch Japan, Deutschland und Italien erlebte. Bislang scheint es, als ob die zweite liberale Weltordnung stärker als die erste ist und dem Autoritarismus die Stirn bietet. Ob die innenpolitischen Spannungen gehalten werden können, bleibt dagegen abzuwarten. Wer nicht versteht, von was ich rede, dem sei dringend anempfohlen, meinen Text zur ersten liberalen Weltordnung zu lesen. Dann dürfte vieles klarer werden.

Geschichtsblog: Aufstieg und Fall der ersten liberalen Weltordnung

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  • Kning 17. Dezember 2014, 11:27

    Ich wäre mir da nicht so sicher, ob wir dem Autoritarismus wirklich wirksam die Stirn bieten. In vielen Ländern erleben wir einen Trend, dass sich antiautoritären Strömungen verstärken.
    Der arabische Frühling hat ausgenommen in Tunesien eher zu einer Destabilisierung einer ganzen Region geführt. Mit dem IS ist ein Netzwerk auf den Plan getreten autoritäre Regierungen durch ein theokratisch-autoritäres Regime zu ersetzen. Russland fordert den Westen heraus und nutzt seine Energiepolitik um einen Riss durch Europa zu treben (siehe Einflussnahmen von GazProm in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Serbien). Die Türkei wandelt sich zunehmend zu einem ein Personen-Führer Staat und unterdrückt Pressefreiheit und kritische Opposition. In Südostasien nehmen antidemokratische und antiliberale Tendenzen zu (siehe Vietnam, Hong Kong, Kambodscha).
    In Europa wächst die Angst vor Überfremdung – von einer liberalen zukunftsgerichteten Einwanderungspolitik ist der Kontinent meilenweit entfernt. In Australien deutet man die Geiselnahme als Signal, sich noch mehr gegenüber Fremden abschotten zu müssen.
    Kurzum Liberalität / Toleranz sind weltweit eher in der Defensive – die zweite Weltordnung ist seit Lehmann / Finanzkrise ihrer Glaubwürdigkeit beraubt. Ich meine die zweite liberale Weltordnung verabschiedet sich ebenso von der Bühne der Geschichte – jedoch langsam, siechend und still und weniger mit dem großen Knall.

    • Stefan Sasse 17. Dezember 2014, 12:20

      Vorsicht, die liberale Weltordnung fußt nicht auf gesellschaftsliberalen Werten! Ich stimme zwar zu, dass da eine Verbindung besteht, möchte aber darauf hinweisen, dass als konstitutives Element die Wirtschafts- und Diplomatieordnung maßgeblich ist.

  • Kning 18. Dezember 2014, 09:45

    Ist unsere Wirtschaftsordnung, denn ohne die Liberalität unserer Gesellschaft vorstellbar? Die Soziale Marktwirtschaft lebt ja im wesentlichen vom kooperativen Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das beinhaltet sowohl weitreichende Mitbestimmungs- und Schutzregelungen und eben auch unserem Verständnis von Eigentum, dessen Gebrauch je ebenfalls der Allgemeinheit dienen solle. Elemente wie Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit und individuellen Freiheitsrechten bieten ja erst den Rahmen, in dem unsere Wirtschaft existieren kann.

    • In Dubio 18. Dezember 2014, 12:22

      Interessant: Sie formulieren die soziale Marktwirtschaft als ein kooperatives Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern – ebnen damit den Interessengegensatz ein – liefern dann aber als Maßnahmen der Kooperation nur erweiterte Rechte für die Arbeitnehmerseite, aus denen Sie scheinbar keine weiteren Konsequenzen und schon gar nicht Verantwortlichkeiten und Selbstbeschränkungen ableiten.

      Aus Rechten folgen für erwachsene Menschen auch immer mindestens in gleichem Maße Pflichten. Das ist übrigens wahre Liberalität.

  • Stefan Sasse 18. Dezember 2014, 14:17

    Das Fundament dieser Weltordnung war eine Offenheit der Märkte, multilaterale Kooperation und eine fiskalische Disziplin, die durch den Goldstandard notfalls deflationär erzwungen wurde. Für keinen dieser Faktoren brauchst du eine liberale Gesellschaft. China hat weitgehend offene Märkte, könnte theoretisch gesehen eine tighte Geldpolitik fahren und mit den USA in der UNO kooperieren – dann wären sie ein Fixpunkt der liberalen Weltordnung.

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