Wie die Progressiven eine Generation verlieren

Die Bedeutung ökonomischer Bildung wird besonders von den Wirtschaftsverbänden beständig betont. Nicht ohne Grund – in den letzten Jahren ist das Bewusstsein für die Bedeutung von ökonomischen Prozessen in der Öffentlichkeit immer mehr in den Vordergrund gerückt worden. Konsequenterweise drängen die Schulreformer in den Kultusministerien mit Nachdruck auf die Implementierung von Wirtschaft in die Bildungspläne. Auf diesem Feld aber haben die Progressiven den Kampf um die Deutungshoheit praktisch bereits verloren – mit schwerwiegenden Folgen für die Zukunft.

Die Reformen der jüngsten Zeit in Baden-Württemberg etwa haben dazu geführt, dass Wirtschaft als ordentliches Kernfach in der Oberstufe wählbar ist und wirtschaftliche Inhalte in den Politik- und Erdkundeunterricht integriert werden. Das nötige Fachwissen dafür – in beiden Studiengängen spielte Wirtschaft bislang kaum eine Rolle, was sich erst mit den jüngsten Prüfungsordnungsreformen geändert hat – haben die Lehrer in der Regel nicht, was sie extrem abhängig von offiziellen Fortbildungen oder, im Fall der neu ausgebildeten Lehrer, von an das normale Programm angehängten „Fortbildungen“ macht, deren Gewicht aber nicht auf den Inhalten, sondern auf der Didaktik liegt. Entsprechend viel Gewicht haben die wenigen inhaltlichen Informationen, die es zu dem Thema gibt. Ich möchte eine exemplarische Episode zu diesem Thema schildern, um die Problematik deutlich zu machen.

Angesetzt war ein Planspiel mit dem Namen „Macro“, das einen Einblick in die VWL geben sollte. Durchgeführt wird dieses Spiel von der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, einem in Tübingen ansässigen neoliberalen Think-Tank, der im Gegensatz zu seiner progressiven Konkurrenz die Zeichen der Zeit erkannt hat und sein Aktivitätenfeld auf den Bildungssektor verschoben hat, etwa durch Anbieten des Planspiels. Für die Schulen ist das attraktiv, denn ohne weitere Zusatzkosten kann eine interessante Abwechslung zum Schulalltag geboten werden, die von außen geplant und durchgeführt wird – für die chronisch klammen Kommunen und Länder ein verführerisches Angebot.

Gespielt wird in zwei Gruppen (Ländern), die gegeneinander antreten. Aufgeteilt sind die Länder in jeweils vier Sektoren (Private Haushalte, Zentralbank, Unternehmen, Staat); die jeweils eigene Ziele haben. Das Erreichen dieser Ziele wird mit Punkten belohnt, die mit dem jeweiligen Sektor des konkurrierenden Landes verglichen werden. Das Land, das in den meisten Sektoren führt, gewinnt die Spielrunde und Punkte für die Schlussabrechnung. In der Version, die uns vorgestellt wurde (und die bereits reichlich komplex war) existierte keinerlei Außenhandel. Jedes Land war eine in sich völlig geschlossene Volkswirtschaft. Bereits hier wird deutlich, dass das System besser für BWL-Simulationen als für VWL geeignet ist – die Länder müssen sich effektiv wie Unternehmen verhalten, um in dem Spiel „gewinnen“ zu können.

Noch wesentlich absurde werden die eigentlichen Ziele und die Mechanismen, mit denen diese erreicht werden. Während noch nachvollziehbar ist, dass die privaten Haushalte ihr Einkommen und die Unternehmen ihren Profit maximieren wollen (Ziele, die einander im Weg stehen), sind die Ziele des Staates (ausgeglichener Haushalt) und der Zentralbank (niedrige Inflation) in ihrer Absolutsetzung völliger Unsinn. Es ist vollkommen legitim, dass die Sektoren sich diese Ziele setzen – das Spiel lässt Alternativen, etwa eine auf Wachstum verpflichtete Zentralbank, überhaupt nicht zu.

Durchgeführt wird das Planspiel von zwei VWL-Absolventen, die den Schülern zuerst eine Einführung in die Begrifflichkeiten geben. Bereits hier wird deutlich, dasss das Planspiel von einer Reihe Prämissen ausgeht, die in ihrer vorgestellten Absolutheit nicht zu halten sind. So etwa ist die Aufgabe der Zentralbank für die Aktionsgemeinschaft ausschließlich die Vermeidung (!) von Inflation. Auf meinen Einwand, dass manche Zentralbanken zusätzlich auch auf Wachstumsförderung festgelegt sind, kam nur die etwas pikierte Erwiderung, dass man hier ja nur von „richtigen“ Zentralbanken rede. Ähnliche Einstellungen fanden sich etwa auch für die Rolle staatlicher Institutionen.

Noch einmal: es ist absolut valide, eine Volkswirtschaft auf diese Ziele festzulegen. Sie aber als volkswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten zu definieren, ist blanker Unsinn. Genau das tut „Macro“ aber. Da die Mechanismen des Spiels nicht offengelegt sind, ist es äußert problematisch nachzuvollziehen, welche Konsequenzen die eigenen Handlungen eigentlich haben. Per Trial&Error (und vor allem den ökonomischen Handlungsanweisungen, die man aus den Leitmedien gewinnen kann) stößt man irgendwann auf die eine „richige“ Strategie, die für sämtliche Volkswirtschaften gilt, ob Nicaragua oder Großbritannien, Myanmar oder die USA.

So zeigte sich bald, dass die Parameter, mit denen die einzelnen Sektoren operieren können, häufig keine Funktion haben. Der Staat etwa kann sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen besteuern und seine eigene Güternachfrage regeln. Ob man Unternehmen oder Privathaushalte besteuert, hat aber keinerlei Auswirkungen auf das Spiel. Die Erklärung, warum dies so sei, war geradezu absurd: besteuere man die Unternehmen und die Haushalte nicht, so würden schlicht die Preise steigen; im umgekehrten Falle würden die Preise entsprechend sinken. Noch absurder war, dass eine Erhung der staatlichen Nachfrage keinerlei Güter in nennenswertem Ausmaß aus dem Markt zieht, aber das Defizit um ein Vielfaches steigert.

Die Privathaushalte dagegen konnten festlegen, wie viel Lohn sie fordern (je höher, desto weniger Menschen werden eingestellt), wie viele Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und wie stark die Bevölkerung zunimmt. Es gab keinen Grund, die Zunahme der Bevölkerung und die Teilnahme am Arbeitsmarkt nicht auf das Maximum zunstellen. Es gab – auf Nachfrage bestätigt – keinerlei negativen Effekte. Abgesehen davon, dass das inhaltlich Quatsch ist, verkompliziert das Vorhandensein von Parametern, die keinen praktischen Effekt haben, das Spiel ohne jeden Nutzen, anstatt sinnvolle Paramter zu geben.

Dies führt dazu, dass Staat und Haushalte gut daran beraten sind, die meiste Zeit einfach gar nichts zu tun. Dies führt zum absurdesten Sektor, den Unternehmen. Nachdem die Strategie von billigen Löhnen und einem staatlichen Ausgleich in der Nachfrage gescheitert war, erklärte man uns, dass die Unternehmen diese Nachfrage über die Investitionen schaffen könnten. Die Investitionen waren dabei neben dem Grad der Beschäftigung (eine andere Zahl als 100% war ebenfalls unsinnig, eine weitere nutzlose Variable), der Menge der produzierten Güter und ihrem Preis eine der Stellschrauben, die den Unternehmen zur Verfügung stand.

Nachdem nun die Privathaushalte keine Nachfrage schaffen konnten (wegen der geringen Löhne, die sie absurderweise aber nicht von verhältnismäßig hohen Sparquoten abhielten) und der Staat es nicht durfte (wegen der Regeln), führte dies allen Ernstes dazu, dass die Menge der produzierten Güter einfach im Gleichschritt mit den Investitionen erhöht und alles eingekauft wurde. Die Unternehmen schufen sich ihre eigene Nachfrage, vollständig. Erklärt wurde das damit, dass die produzierten Maschinen einfach direkt in die Werkhalle gestellt werden, um weitere Maschinen zu produzieren. Alleine die Vorstellung ist vollkommen absurd.
Dies führt zum letzten Sektor von „Macro“, der EZB. Diese muss die Inflation auf die Zielmarke von 0% bringen, was die einzige Möglichkeit für die Spieler dieses Sektors ist, Erfolg zu haben. Akzeptiert wird dabei alles in einem Zielbereich zwischen -1% und 1% Inflation – also dem, was selbst die extrem konservative reale EZB als Stagnation und gigantische Gefahr wertet. Für diese Marke gibt es auch keinen regeltechnischen Grund, denn es handelt sich nur um eine arbiträre Ziellinie. Es wäre problemlos möglich gewesen, wenigstens das reale EZB-Ziel von 2% mit einer Varianz von 1-3% anzugeben. Stattdessen aber entschied man sich, wohl der eindeutigen Botschaft wegen, für die radikale Lösung von 0%. Inflation ist böse. Immer!

Man könnte nun einwenden, dass es ja nur um ein Spiel gehe und dass man das Ganze ja nicht ernst nehmen muss. Spiele sind schließlich immer genau das, Spiele, und versuchen sich allenfalls modellhaft der Realität anzunähern. Diese Argumentation aber verfehlt den Punkt. Es geht schließlich nicht darum, ob eine ökonomische Theorie die Wirklichkeit genau abbildet oder nicht (das tun sie nicht, das wissen die Ökonomen ja auch selbst, und die Veranstalter des Spiels betonten das ebenfalls). Worum es geht ist der vermittelte Eindruck, dass es eine einzige richtige Wirtschaftspolitik gebe, die sich vorrangig in einer Nicht-Aktivität des Staates erschöpft.

Dass es überhaupt verschiedene Theorien gibt, verschiedene wirtschaftliche Ansätze, von denen bisher (und wohl auch zukünftig) keiner als alleine richtiger erkannt werden konnte, wird hier absichtlich unter den Tisch gekehrt. Wirtschaftspolitik zu verstehen und zu beurteilen, mithin das erklärte didaktische Ziel eines solchen Spiels, ist so schlechterdings unmöglich. Welchen Sinn macht denn ein mehrstündiges Planspiel, wenn es überhaupt nicht möglich ist, einmal verschiedene Pfade auszustesten und deren spezifische Vor- und Nachteile zu erkunden? Ein Pfad mit harter Inflationskontrolle ist problemlos möglich und hat durchaus auch seine Vorteile, aber genauso möglich wäre ein wachstumsorientierter Pfad mit mehr Inflation.

All das geschieht aber überhaupt nicht. Stattdessen wird man zu der Erkenntnis gezwungen, dass die neoklassische Wirtschaftslehre das einzig Wahre ist, was von den Veranstaltern in ihren „Informations“-Vorträgen sogar offen bestätigt wird. Selbst wenn das nicht intellektuell in höchstem Maße unredlich wäre, handelte es sich dabei um eine flagrante Verletzung des für den Politikunterricht essenziellen „Beutelsbacher Konsens“, der eine direkte Beeinflussung der Schüler verbietet und stattdessen als Ziel die Mündigmachung des Schülers sieht, der in der Lage sein soll, eigene Urteile zu fällen. Mit Planspielen wie „Macro“ geschieht das genaue Gegenteil, und die Kultusministerien sollten deswegen auch folgerichtig davon absehen, den einfachen Weg zu beschreiten und diese Programme einfach ungeprüft zu übernehmen. Die Schule ist kein Ort für Propaganda, und der Politiklehrer kein Instrument dafür.

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  • techniknörgler 7. August 2013, 12:21

    Auf mich wirkt das Spiel nicht von „neoliberalen Ideologen“ aus- und durchdacht, sondern einfach nur undurchdacht. Das haben es die zwei zuständigen VWLer einfach vermurkst, vielleicht aus unfähigkeit.

    Abgesehen von den festgelegten Zielen des Staates und der EZB und dem Erfolg der Investitionen durch Unternehmer sehe ich dort keine angebotsorientierte Grundannahme als gegeben implementiert.

    „Nachdem die Strategie von billigen Löhnen und einem staatlichen Ausgleich in der Nachfrage gescheitert war, erklärte man uns, dass die Unternehmen diese Nachfrage über die Investitionen schaffen könnten. “

    Die Strategier von billigen Löhnen ist in dem „neoliberalen Planspiel“ gescheitert? Es zeigt, wie sehr sich Herr Sasse wohltuend von anderen linken unterscheidet, für die ein solcher Aspekt ein fundamentaler Widerspruch zu ihrem Klischee vom Neoliberalismus gewesen wäre.

    • Stefan Sasse 7. August 2013, 18:16

      Leider wird dieses spiel seit den sechziger jahren benutzt- das ist keine eigen kreation von denen.

  • Nicolai Hähnle 7. August 2013, 12:28

    Danke für diesen informativen Beitrag. Die eigentliche Frage ist aber noch nicht beantwortet: Wie könnte eine intelligente progressive Strategie in diesem Bereich aussehen?

    Übrigens: Ich kenne das Spiel „Macro“ nicht aus erster Hand, aber aus der Schilderung sehe ich neben der „Alternativlosigkeit“ noch zwei weitere subtile Ideologien beinhaltet:

    1. Es gibt einen einzigen Privatsektor, anstatt den Privatsektor in Klassen (oder wenigsten Quantile) aufzuteilen. Die eigentlich umkämpften wirtschaftspolitischen Fragen sind letztlich immer Verteilungsfragen. Wenn man den Privatsektor in einem einzigen Spieler zusammenfasst, dann kehrt man Verteilungsfragen – und damit den eigentlichen Kern von Wirtschaftspolitik – unter den Tisch.

    2. Alle privaten Haushalte und alle Unternehmen werden zu einem einzigen Spieler aggregiert. Selbst wenn es (im Unterschied zu Punkt 1) keine Verteilungsfragen gäbe, ist dies höchst problematisch. Dahinter verbergen sich nämlich die in der Neoklassik üblichen „representative actors“. Statt viele Menschen und Unternehmen mit verschiedenen Präferenzen zu berücksichtigen tut man so, als könne man den Mittelwert aller Präferenzen bilden und durch einen einzigen Aktor abbilden. Das Verrückte ist, dass neoklassiche Ökonomen selbst gezeigt haben, dass das total irreführend ist und zu falschen Schlussfolgerungen führt. Bestes Beispiel dafür ist das Sonnenschein-Mantel-Debreu-Theorem.

    • Stefan Sasse 7. August 2013, 18:18

      Absolut. Was mich aber am meisten ärgert ist dazu der deckmantel der wissenschaftlichkeit zur legitimation.

  • CitizenK 7. August 2013, 15:22

    Der Ansatz (oder sollte ich sagen: Angriff) der herrschenden Lehre auf die Köpfe von Lehrern und Schülern ist viel umfassender. Simulationen wie diese werden nur von wenigen Schulen eingesetzt werden können. Alle Schulen erhalten aber das „Info-“ Material von Banken und des IW Köln. Diese sind ebenfalls eindeutig auf der neoliberalen Linie, der Arbeitgeber und allgemein „der Wirtschaft“.

    Überlastete und/oder nicht vorgebildete Lehrer greifen – verständlicherweise – auf diese Materialien zurück, kommen die doch vermeintlich aus der „Wissenschaft“ oder der „Praxis“. Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Auf Hochschulebene sieht es ja nicht viel anders aus.

    Schon länger überlege ich, was man dagegen tun könnte. Eigentlich müsste man sich , schon wegen Beutelsbach, an das Ministerium wenden. Dort aber ist man durch andere Baustellen (Kritik der GEW, Untergang des Abendlandes durch die Gemeinschaftsschule) beschäftigt.

    Hat jemand eine Idee?

    • Stefan Sasse 7. August 2013, 18:21

      Eigenes infomaterial.
      Davon abgesehen müssen gar nicht die schüler die dinger spielen – die lehrer wirken ja als kostenlose multiplikatoren! Das ist ja das perfide daran.

  • Kirkd 8. August 2013, 09:19

    Es ist halt in der Bildungspolitik immer das Gleiche. Alle Jahre wieder regieren in fast allen Bundesländern Sozialdemokraten und reden über Gesamtschule, Inklusion und andere strukturelle Themen und versäumen es dabei, sich mit dem handfesten Unterricht zu befassen. Aber wichtige Themen wie wirtschaftliche Bildung aktiv zu besetzen, kommt den Verantwortlichen nicht in den Sinn.

  • Stefan Sasse 8. August 2013, 11:56

    Viel schlimmer ist doch dass die inhaltlich gar nichts dagegen hätten…

  • chriwi 9. August 2013, 07:34

    „Aber wichtige Themen wie wirtschaftliche Bildung aktiv zu besetzen, kommt den Verantwortlichen nicht in den Sinn.“
    Gerade auf volkswirtschaftlicher Ebene muss man ein differenziertes Bild zeigen. Es gibt nicht die eine Wahrheit. Man muss die Modelle und Annahmen darstellen und zwar ohne Wertung. Ich glaube nicht, dass das im Interesse der Wirtschaftsverbände ist.

    • Stefan Sasse 10. August 2013, 19:25

      Natürlich nicht, warum auch? Es ist auch nicht im Interesse der Regierung, dass ihre Entscheidungen kritisch hinterfragt werden, nur wäre es undenkbar, den Unterricht als Propagandaarena zu benutzen – dagegen gkbt es zahlreiche Mechanismen und eine hohe Sensibilität. Nur eben im Bereich der Wirtschaftslehre gar nicht.

  • Arbo 9. August 2013, 07:36

    Das Problem ist ja auch, dass die „Wirtschaftswissenschaft“ eine Geschichte hat, in der verschiedene Ansätze kursieren, die aber heute selbst an den Universitäten kaum gelehrt bzw. vorgestellt werden.

    Wirtschaft als Schulfach finde ich deshalb auch arg übertrieben. Es gibt derartig verschiedene Anwendungsgebiete/ Versatzstücke, die sich in anderen Fächern anbieten (z. B. Geschichte, Mathematik usw.), da braucht es Wirtschaft nicht als eigenständiges Fach. Das gilt erst recht deshalb, weil eigentlich ein intensives Abtauchen in die Theorien/ Ansätze/ DenkerInnen usw. notwendig wäre, was in der Schule eh kaum zu leisten und in dieser spezifischen Form sicher auch nicht sinnvoll ist.

    Allerdings scheint das große Medienkonzerne bzw. ThinkTanks nicht sonderlich zu beeindrucken und sie drängen in den Schulunterricht. Ob es da allerdings hilft, wenn die Gewerkschaften (mit ihrer Stiftung) nur eine Gegendarstellung (praktisch: die Umkehrung der als Weisheit verkauften neoliberalen Parolen) bieten, mag ich zu bezweifeln.

    Lieber wäre mir ausgewogenes Material. Wenn aber selbst die ökonomische (Universitäts-) Lehre bereits ziemlich einseitig ist, woher soll diese Ausgewogenheit kommen?

    • Stefan Sasse 10. August 2013, 19:26

      Genau das Problem sehe ich auch. Aber als erste Schritt in Richtung ausgewogenes Material braucht es erst einmal ein Bewusstsein dafür, dass es sich überhaupt um einen ambivalenten Bereich handelt.

  • Burkhard Schröder 10. August 2013, 14:34

    Die so genannte „Volks“wirtschaftslehre hat nie den Anspruch erhoben, Ökonomie erklären zu können. Sie muss sogar ihre eigenen Wurzeln, die Arbeitswerttheorie Ricardos und Smiths verleugnen, nur damit der Name Marx weggelassen werden kann. Volkswirtschaftslehre ist reine Apologie und Vulgärkonomie – die diversen „Schulen“ widersprechen sich ausserdem gegenseitig. Was soll da herauskommen? Aber in einem Land, dass fromme Märchen und Legenden als Teil des Schulunterrichts erzwingt, kann man bald auch auf Esoterik und Astrologie im Unterricht warten… „Volks“wirtschaft würde also schon passen, zumal eine gewissen Nähe zur Religion zu spüren ist: das höhere Wesen „Markt“ handelt selbsttätig, und es dürfen neben ihm keine anderen Götter verehrt werden.

    • Nicolai Hähnle 10. August 2013, 15:02

      Naja. Bei aller berechtigter Kritik an dem, was da geschieht (ich habe oben ja auch schon entsprechend kommentiert): Ich finde, man sollte trotzdem fachlich bleiben.

      Volkswirtschaftslehre wurde ja so genannt als Kontrast zur Betriebswirtschaftslehre. Die Wortwahl ist aus heutiger Sicht etwas altmodisch, sicher. Trotzdem ist die wissenschaftliche Zielsetzung der VWL sinnvoll und unterstützenswert. Das Problem ist, dass (a) oft nicht wissenschaftlich sauber gearbeitet wird, und vor allem dass (b) Erkenntnisse aus der VWL gar nicht den Weg in die öffentliche Diskussion finden.

      Das ist zwar leicht off-topic, aber ein schönes Beispiel dafür aus den USA hat Paul Krugman diese Woche dokumentiert: http://krugman.blogs.nytimes.com/2013/08/04/is-there-any-point-to-economic-analysis/

      Unter US-Ökonomen hat sich ein nahezu einhelliger Konsens herausgebildet, dass die dortige Massenarbeitslosigkeit nachfragebedingt ist. Aber im US-Kommentariat kommt diese Botschaft nicht an; dort ist man sich einig, dass sie strukturell bedingt ist. Das ist so, als würde man in den Zeitungskommentaren nur von Intelligent Design lesen, als ob es die Evolutionstheorie nicht einmal gäbe.

      Was ich damit sagen will: Akademische Ökonomen bauen verdammt viel Mist (hallo, Prof. Sinn!), aber ein Großteil der intellektuellen Malaise haben andere zu verantworten.

      • Stefan Sasse 10. August 2013, 19:28

        Amen.

      • In Dubio 11. August 2013, 10:53

        Unter US-Ökonomen hat sich ein nahezu einhelliger Konsens herausgebildet, dass die dortige Massenarbeitslosigkeit nachfragebedingt ist.

        Das wäre mir neu. Leute wie Professor Sinn betonen ausdrücklich – und das ist tatsächlich weitgehend unumstritten – dass die Nachfrageseite für die Konjunktursteuerung wesentlich ist. Die Wachstumstheorie dagegen – bitte den Unterschied beachten – ist heute aus sehr guten Gründen angebotslastig. Die meisten Politiker und erst recht die Blogkommentatoren beachten diesen Unterschied nicht, weshalb sie meist Unsinn erzählen. Wenn wir eine mehrjährige Wirtschaftskrise haben, sprechen wir nicht mehr von Konjunkturpolitik, sondern Wachstumspolitik. Und da müssen die (Vulgär-) Keynesianer zurücktreten, denn da haben sie nichts beizutragen.

        Betrachte ich mir die Unwissenheit meiner Generation über wirtschaftliche Zusammenhänge, so sehe ich eine große Notwendigkeit für ein Unterrichtsfach Wirtschaft. Das muss natürlich nicht als Studienfach ausgelegt werden, sondern kann sich auf Grundsätzliches wie das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage im Markt, Grenznutzenbetrachtungen die unterschiedlichen Theorieansätze begrenzen. Wir brauchen keine Meinungsmache in den Schulen.

        • Nicolai Hähnle 11. August 2013, 18:20

          In Dubio, ich berufe mich da primär auf den verlinkten Blogartikel von Paul Krugman. Krugman schreibt wörtlich eher von strukturell vs. zyklisch, was ich als strukturell vs. nachfragebedingt interpretiere. Wenn du zwischen diesen Sichtweisen einen klaren Gegensatz siehst, dann musst du uns den erklären.

        • Nicolai Hähnle 11. August 2013, 21:53

          Wenn wir eine mehrjährige Wirtschaftskrise haben, sprechen wir nicht mehr von Konjunkturpolitik, sondern Wachstumspolitik.

          Ich würde übrigens postulieren, dass diese Unterscheidung unsinnig ist, weil man die Möglichkeit einer Pfadabhängigkeit (Hysterese) der Wirtschaft ernst nehmen muss.

          Im Grunde ist die Sache mit Angebots- und Nachfrageseite doch ganz einfach: Die Angebotsseite und insbesondere die technologische Entwicklung bestimmt, was theoretisch machbar ist; die Nachfrageseite bestimmt, was vom theoretisch machbaren auch wirklich in die Realität umgesetzt wird.

          Man braucht also immer beides. Da das ideologische Pendel in den Jahrzehnten vor dem Ausbruch der Finanzkrise deutlich in eine Richtung ausgeschlagen ist – nämlich in die Hervorhebung der Angebotsseite bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Nachfrageseite – ist es durchaus angemessen, dass heute viele Menschen die Nachfrageseite besonders betonen.

          • In Dubio 11. August 2013, 22:21

            Paul Krugman ist ein sehr exponierter Ökonom. Sich über Hans-Werner Sinn lustig machen, aber den Amerikaner als über jeden Zweifel erhabenen Leumund anführen, hat schon eine gewisse Ironie.

            Im Grunde ist die Sache mit Angebots- und Nachfrageseite doch ganz einfach: Die Angebotsseite und insbesondere die technologische Entwicklung bestimmt, was theoretisch machbar ist; die Nachfrageseite bestimmt, was vom theoretisch machbaren auch wirklich in die Realität umgesetzt wird.

            Das ist im ökonomischen Sinne ziemlich banal gedacht. Der Punkt ist nämlich, dass es heute für Unternehmen höchst sekundär ist, wo seine Kunden sitzen. Entsprechend sind Unternehmen heute organisiert: Sie verkaufen ihre Produkte global oder zumindest in große, überregionale Märkte. Dafür errichten sie in einigen wenigen Ländern Produktionsstätten, die personalintensiv betrieben werden. Dazu kommen wenige Logistikzentren, die nach Verteilungsgesichtspunkten errichtet werden. Die Versorgung der nationalen Märkte erfolgt dann mit wenig Beschäftigten in Vertriebsbüros. Steigt die Nachfrage in einem Land, regt das keineswegs dazu an, neue Produktionsstätten in dem betreffenden Land zu errichten. Höchstens die Vertriebsaktivitäten werden ausgeweitet.

            Konjunkturpolitik ist auf die gleichmäßige Auslastung vorhandener Produktionskapazitäten gerichtet. Sie sorgt nicht für einer Erhöhung des Kapitalstocks. In einer konjunkturellen Krise werden die Kapazitäten nämlich unterausgelastet, den Unternehmen entstehen dadurch Leerkosten, denen sie durch Abbau von Arbeitsplätzen entgegenwirken wollen. Die Konjunkturpolitik soll genau das verhindern, in dem die Nachfrage angeregt wird, den Unternehmen eine höhere Produktion zu ermöglichen.

            Wachstumspolitik zielt dagegen auf die Ausweitung eben des Kapitalstocks. Unternehmen tätigen langfristige Investitionen, wenn sie dauerhaft eine höhere Nachfrage erwarten und diese mit Gewinn bedienen können. Da in polypolistischen Märkten Unternehmen Preisnehmer sind, können sie nicht selbst den Preis beeinflussen. Sie müssen also ihre Kosten unter Kontrolle halten, um einen Grenzgewinn erzielen zu können. Darüber entscheiden aber die Angebotsbedingungen, also Löhne, Arbeitskräfteangebot, Steuern, Kapitalkosten etc. Deswegen und nicht aus ideologischen Motiven, dominiert die Angebotstheorie die Wachstumspolitik. Denn eine dauerhafte Nachfrageausweitung kann die Konjunkturpolitik nicht schaffen. Das geben ihre Instrumente nicht her.

  • Marc 12. August 2013, 14:15

    @In Dubio

    Der Punkt ist nämlich, dass es heute für Unternehmen höchst sekundär ist, wo seine Kunden sitzen.

    Mir ist das aber nicht egal. Ich fände es wesentlich besser, wenn wir unsere Produkte und Leistungen hier blieben und nicht ins Ausland exportiert würden.
    Sie haben es sicherlich noch nicht mitbekommen, aber wir müssen die Schulden, die andere machen, um unsere Leistungen konsumieren zu können, mit unseren Steuergeldern „retten“. Ich halte das für blanken Irrsinn, sie verstehen nicht einmal die Problematik.

    Denn eine dauerhafte Nachfrageausweitung kann die Konjunkturpolitik nicht schaffen. Das geben ihre Instrumente nicht her.

    Quatsch. Sinnvolle Konjukturpolitik kann einen wirtschaftlichen Wachstumsschub erzeugen, der Steuermehreinnahmen, die gleich oder größer als das Konjunkturpaket sind, generiert. Unter gewissen Voraussetzungen ist dies „dauerhaft“ möglich, wobei es ein echtes dauerhaft in der Wirtschaft ohnehin nicht gibt, aber das können sie ja nicht wissen.

    • In Dubio 12. August 2013, 16:10

      Wenn Ihnen das nicht egal ist, werden Sie Unternehmer. Aber schreiben Sie anderen Unternehmern nicht vor, wie sie ihr Geschäft zu betreiben haben.

      Es gibt keine Konjunkturpolitik, die das leistet was Sie behaupten. Und es ist nicht möglich, dass Staaten durch starkes Wachstum ihre Schulden zurückzahlen. In der Theorie ja, in der Empirie nicht. Leider beschäftigen sich Linke ausschließlich mit Theorien, die funktionieren könnten, aber nicht funktionieren und verstehen deshalb die Welt nicht.

      Und wie wollen Sie Politik machen, wenn Sie die Parameter der Wirtschaft nicht kennen?

      • Nicolai Hähnle 12. August 2013, 18:21

        Und es ist nicht möglich, dass Staaten durch starkes Wachstum ihre Schulden zurückzahlen.

        An diesem einen Satz sind gleich drei Dinge schief:

        1. Es gab durchaus Phasen, in denen Staaten durch starkes Wachstum ihre Schulden netto zurückgezahlt haben.

        Von der finanziellen, saldenmechanischen Perspektive hat das deswegen funktioniert, weil der Privatsektor sehr schnell Investitionskredite aufgenommen hat. So konnten die privaten Geldvermögen erhalten bleiben bzw. sogar wachsen, obwohl die Staatsschulden absolut gesunken sind.

        2. Die Staatsschulden-Zahl, auf die alle wie gebannt starren – nämlich die Schuldenquote – ist ein Quotient. In der Vergangenheit ist dieser Quotient gerade dann gesunken, wenn der Nenner gestiegen es – also wenn es starkes Wachstum gab.

        Hier verhält sich die Empirie also exakt umgekehrt zu deiner Behauptung.

        3. Es ist ohnehin absurd, Politik auf den Abbau von Staatsschulden auszurichten. (Da bin ich voll auf der Linie von Abba Lerners Functional Finance.)

        • In Dubio 13. August 2013, 07:40

          1. Es gab durchaus Phasen, in denen Staaten durch starkes Wachstum ihre Schulden netto zurückgezahlt haben.

          Tatsächlich? Leider fehlen Ihnen die Beispiele.

          Die Staatsschulden-Zahl, (..) – ist ein Quotient. In der Vergangenheit ist dieser Quotient gerade dann gesunken, wenn der Nenner gestiegen es – also wenn es starkes Wachstum gab.

          Nur ist das keine Rückzahlung.

          Kenneth Rogoff und Carmen M. Reinhard haben genau dieses anhand Jahrhunderte reichender Zeitreihen in ihrem Buch „Dieses Mal ist alles anders“ untersucht. In kaum einem Fall traf zu, was Sie behaupten:

          Von den 22 Entschuldungen, die in Ländern mit mittlerem Einkommen mit aufstrebenden Märkten festgestellt wurden, fielen 15 mit irgendeiner Form des Zahlungsausfalls oder der Restrukturierung der Auslandsschulden zusammen. Bei sechs der sieben Episoden, die nicht mit einer Schuldenkrise zusammenfielen, wurde der Schuldenabbau in erster Linie durch eine Nettoschuldenrückzahlung erreicht; nur bei einer Episode (Swasiland, 1985) sank die Schuldenquote hauptsächlich deswegen, weil das Land aus seinen Schulden »herauswuchs«! Wachstum war auch der Hauptfaktor, der die sinkenden Schuldenquoten in drei der 15 Zahlungsausfälle beziehungsweise Schuldenrestrukturierungen erklärte, und zwar im Fall von Marokko, Panama und den Philippinen. Insgesamt zeigt diese Untersuchung, dass Länder typischerweise nicht aus ihrer Schuldenlast herauswachsen, was einen weiteren Grund dafür bietet, skeptisch gegenüber übertrieben zuversichtlichen Standard-Tragfähigkeitsberechnungen für schuldenintolerante Länder zu sein.

          Auszug aus: Kenneth, Rogoff. „Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen (German Edition).“ FinanzBuch Verlag GmbH

          Soweit die Empirie, die nicht ganz mit Ihrer Behauptung korreliert.

          3. Es ist ohnehin absurd, Politik auf den Abbau von Staatsschulden auszurichten.

          Dann ist es genauso absurd, Politik auf den Aufbau von Staatsschulden auszurichten. Alles andere ist nämlich schlicht Betrug. Betrug am ehrlichen Bürger.

          • Nicolai Hähnle 13. August 2013, 17:51

            Warum so emotional? Natürlich ist diese Fixierung auf die Staatsschulden in jeglicher Hinsicht bizarr – egal ob rauf oder runter. Es ist auf der Ebene eines Währungsraumes einfach unsinnig, Politik an den Staatsschulden auszurichten. Wenn man sich auf die reale Seite konzentrieren und monetäre Souveränität sinnvoll ausnutzen würde, würde sich der Rest von alleine regeln.

            Was die Rückzahlung von Staatsschulden angeht, gibt es Beispiele wie die USA vor 15 Jahren oder natürlich Norwegen. Das sind aus gutem Grund Ausnahmefälle, aber das ist ohnehin nicht der Kernpunkt meiner Argumentation.

            Näher am Kernpunkt dran ist, dass sich die Berichterstattung aus gutem Grund in diesem Kontext auf die Relation von Staatsschulden und BIP bezieht.

            Du kannst jetzt natürlich maulen, dass das unfair ist, und dass nur die Netto-Rückzahlung der absoluten Schuldenhöhe relevant seien – aber dann stehst du endgültig auf einer unhaltbaren Position.

            Was einfach in die Köpfe hinein muss ist, dass eine Überschussposition der Regierung zwangsläufig eine Defizitposition der „Nicht-Regierung“ ist. Mit anderen Worten: Wenn die Regierung mehr einnimmt als sie ausgibt, dann haben wir alle (im Durchschnitt) hinterher weniger Geld in der Tasche. Und das würgt natürlich die Wirtschaft ab.

          • In Dubio 13. August 2013, 21:51

            Der Punkt ist doch, dass Staaten, die sich permanent verschulden, irgendwann immer dort landen, wo Griechenland heute ist. Erstaunlich heute ist eher, dass die in- und ausländischen Gläubiger der Industriestaaten und Entwicklungsländer bisher selbst Verschuldungsgrade von 90 Prozent und mehr akzeptiert haben.

            Die USA haben über einen Zeitraum von gerade 5 Jahren 20% ihrer Schulden abgebaut. Das ist gerade eine Legislaturperiode und viel zu kurz, um hieraus abzuleiten, dass Staaten ernsthaft eine solide, stabilisierende Finanzpolitik betreiben könnten. Auch Norwegen baut nicht kontinuierlich Schulden ab, im Gegenteil: trotz mehrere Jahre mit deutlichen Haushaltsüberschüssen und rekordhohen Einnahmen aus dem Ölgeschäft hat der skandinavische Staat in der letzten Dekade seine Gesamtverschuldung verachtfacht (OECD-Zahlen). Das also sind Ihre Beispiele?

            Die Relation von Staatsschulden zu BIP war erst in der Nachkriegszeit populär geworden. Doch es verschleiert das grundsätzliche Problem. Denn tatsächlich sind zuvor (und auch danach) Staaten mit relativ geringer Verschuldung insolvent gegangen. Der Indikator ist also nur bedingt aussagefähig.

            Griechenland ist doch ein klassisches Beispiel: Über ein Jahrzehnt erweist sich die Relation als weitgehend stabil und verschleiert doch nur, dass Hellas allein aufgrund von EU-Zuschüssen und Ausweitung der Verschuldung gewachsen ist. Verweigern die Gläubiger die stetige Fütterung des Systems – was in der 800 jährigen, von Rogoff auf gezeichneten Geschichte regelmäßig passiert ist – bricht das Kartenhaus sofort zusammen und die relative Verschuldung steigt rasant.

            Auch griechische Politiker haben stets gesagt: Diesmal ist alles anders. Wohlstand entsteht, auch das lehrt die Geschichte, nicht auf Kredit.

          • Nicolai Hähnle 14. August 2013, 08:48

            Der Punkt ist doch, dass Staaten, die sich permanent verschulden, irgendwann immer dort landen, wo Griechenland heute ist.

            Immer? Erkläre mir bitte Großbritannien: http://en.wikipedia.org/wiki/File:UK_GDP.png

            Hochverschuldet während der Hochzeit als Empire.
            Relativer Schuldenrückgang, während es die Stellung als Weltmacht verliert (natürlich abgesehen von den durch Weltkriege angetriebenen Staatsschulden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts).
            Es gab viele Jahrzehnte, während derer Leute wie du geschrieben hätten, dass Großbritannien sich permanent verschuldet. Ist es in den über 300 Jahren zwischendurch dort gelandet, wo Griechenland heute ist? Nein, nie.

            Man kann diesen Themenkomplex nur dann richtig verstehen, wenn man ihn aus der Perspektive von (a) Saldenmechanik und (b) monetärer Souveränität betrachtet.

            Die USA haben über einen Zeitraum von gerade 5 Jahren 20% ihrer Schulden abgebaut. Das ist gerade eine Legislaturperiode und viel zu kurz, um hieraus abzuleiten, dass Staaten ernsthaft eine solide, stabilisierende Finanzpolitik betreiben könnten.

            Schuldenabbau ist eine destabilisierende Finanzpolitik.

            Dazu ganz interessant diese zweiseitige Publikation Balanced Budgets and Depressions von Frederick Thayer – aus den 1990er Jahren und daher nicht mehr ganz aktuell, aber da sollte man beim Lesen doch ins Stutzen kommen: http://www.scribd.com/doc/159754654/Balanced-Budgets-and-Deficits

          • In Dubio 14. August 2013, 09:42

            Hochverschuldet während der Hochzeit als Empire. Relativer Schuldenrückgang, während es die Stellung als Weltmacht verliert.

            Großbritannien durchlief in der Phase, wo Sie einen relativen Schuldenabbau sehen, verschiedene Umschuldungsprogramme in den Jahren 1749, 1822, 1834 sowie 1888-1889. In dieser Zeit wurden die Anleihen umgewandelt in welche mit niedrigeren Kuponraten. Das ist gleichzusetzen mit einem Teilzahlungsausfall.

            Sie sehen die Ökonomie monokausal, ein System aus Bits und Bytes, aus Soll und Haben, ein geschlossener Kreislauf, ein System, wo eigentlich kein Mehrwert entstehen kann. Wer so denkt, ist Buchhalter, kein Unternehmer. Da wäre doch eher Josef Schumpeter zu empfehlen. So übersehen Sie, dass auch in der Saldenmechanik Nettogeldvermögen entsteht, wenn die Forderungen größer sind als die Verbindlichkeiten. Versuchen Sie (das können Sie als Buchhalter oder als Unternehmer) mal ein Unternehmen zu gründen. Dann werden Sie sehr schnell sehen, dass der Mehrwert eben nicht durch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten zustande kommt.

            Schuldenabbau ist eine destabilisierende Finanzpolitik.

            Wo sehen Sie das empirisch belegt? Es gibt eigentlich nur Beispiele, wo ein Schuldenaufbau destabilisierend wirkte.

          • Nicolai Hähnle 14. August 2013, 12:55

            Wer so denkt, ist Buchhalter, kein Unternehmer.

            Wer die Wirtschaft verstehen will, der sollte weder die Position des Buchhalters noch die Position des Unternehmers einnehmen – die haben von VWL genauso viel bzw. wenig Ahnung wie alle anderen auch – sondern die Position des Ökonomen.

            Im Übrigen ist es aber natürlich wichtig, dass die Aussagen eines Ökonomen mit der Buchhaltung kompatibel sind. Genau darauf zielt die Saldenmechanik ab.

            Zu Großbritannien: Interessant – haben Sie für die Behauptung Quellen? Wichtig: Selbst wenn Ihre Interpretation stimmig sein sollte, müssten Sie immer noch das 20. Jahrhundert erklären…

            Versuchen Sie (das können Sie als Buchhalter oder als Unternehmer) mal ein Unternehmen zu gründen. Dann werden Sie sehr schnell sehen, dass der Mehrwert eben nicht durch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten zustande kommt.

            Ich habe nie geschrieben, dass eine Erhöhung von Verbindlichkeiten direkt einen realen Mehrwert erzeugt. [1] Wir schreiben aneinander vorbei, weil Sie in meine Aussage etwas hinein interpretieren, was dort gar nicht steht.

            Wo sehen Sie [empirisch belegt, dass Schuldenabbau destabilisierend wirkt]?

            Da er offenbar nicht gelesen wurde, kopiere ich einfach noch einmal den Link aus meinem vorigen Kommentar: http://www.scribd.com/doc/159754654/Balanced-Budgets-and-Deficits

            [1] Das Beispiel der Unternehmensgründung ist übrigens schlecht gewählt. Die Unternehmensgründung beginnt per Definition dadurch, dass das Unternehmen seine Verbindlichkeiten erhöht – das kann geschehen, indem das Unternehmen bei seiner Gründung Kredite aufnimmt, aber auch Eigenkapital ist aus Unternehmensperspektive eine Verbindlichkeit. Das ermöglicht dann die Schaffung von (realem, aber eben nicht finanziellem) Mehrwert.

            Die Erhöhung der Verbindlichkeiten allein erzeugt keinen Mehrwert, darin sind wir uns einig. Sie spielt aber eine wesentliche Rolle in dem Prozess, der zur Erzeugung von Mehrwert führt.

          • In Dubio 14. August 2013, 16:15

            Wer die Wirtschaft verstehen will, der sollte weder die Position des Buchhalters noch die Position des Unternehmers einnehmen – die haben von VWL genauso viel bzw. wenig Ahnung wie alle anderen auch – sondern die Position des Ökonomen.

            Um Gottes Willen, nein! Der Markt als Zentrum kapitalistischer Aktivitäten besteht aus Anbietern und Nachfragern. Unternehmer sind dabei die treibenden Kräfte des Marktes. Der Sozialismus kannte auch Nachfrager, es gab aber niemanden, der Entwicklungen initiierte und vorantrieb. Wer also den Markt verstehen will, muss den Unternehmer verstehen. Aus gutem Grund bestand früher ein Großteil des Grundstudiums aus der Mikroökonomie.

            Das Beispiel der Unternehmensgründung ist übrigens schlecht gewählt. Die Unternehmensgründung beginnt per Definition dadurch, dass das Unternehmen seine Verbindlichkeiten erhöht – (..), aber auch Eigenkapital ist aus Unternehmensperspektive eine Verbindlichkeit.

            Das ist falsch. Eigenkapital ist weder dem Charakter nach noch de jure Fremdkapital ähnlich. Das erkennen Sie schon daran, wenn Sie nicht auf eine Kapitalgesellschaft, sondern auf die Personengesellschaft abstellen. Gegenüber wem soll der Eigentümer eine Verbindlichkeit haben? Gegenüber sich selber? Nur auf diesem Wege war es möglich, im 16. bis 19. Jahrhundert revolutionäre Entwicklungen in neuen, großen Märkten voranzutreiben. Eben, in dem sich hunderttausende Menschen als Aktionäre zusammenschließen, um Werte zu schaffen und von den Erträgen zu partizipieren.

            Großbritannien: Quelle, natürlich „Dieses Mal ist alles anders“ von Rogoff und Reinhard, Standard & Poors, Purcell und Kaufman. England hatte danach übrigens weitere Zahlungsausfälle 1340, 1472 und 1594. Die Schulden der Alliierten gegenüber den USA, insbesondere die von Großbritannien, wurden nach dem 2. Weltkrieg durch wechselseitige Vereinbarungen zurückgezahlt. Auch dies stellt technisch als Schuldenerlass einen Zahlungsausfall dar.

            Thayer betrachtet ein Jahrhundert eines Landes, wohl deshalb, weil es ihm an Daten mangelte. Kann man daraus Prinzipielles lesen? Auch in den USA durchlebten zahlreiche Bundesstaaten im 19. Jahrhundert mehrere Zahlungsausfälle, was in Ihrer Denke zu einer Bilanzreduktion führte. Was wiederum indiziert, dass Staatsschuldenkrisen Wirtschaftskrisen auslösen.

          • Nicolai Hähnle 14. August 2013, 16:34

            Um Gottes Willen, nein! Der Markt als Zentrum kapitalistischer Aktivitäten besteht aus Anbietern und Nachfragern. Unternehmer sind dabei die treibenden Kräfte des Marktes. Der Sozialismus kannte auch Nachfrager, es gab aber niemanden, der Entwicklungen initiierte und vorantrieb. Wer also den Markt verstehen will, muss den Unternehmer verstehen.

            Sehen Sie, schon wieder ein Missverständnis.

            Wenn man die Wirtschaft verstehen will (denn darum geht es hier, und nicht eingeengt nur um den Markt), dann muss man die verscheidenen Teilnehmer natürlich zu einem gewissen Grad verstehen. Aber man darf nicht wie ein Unternehmer denken.

            Unternehmer denken aus ihrer einzelwirtschaftlichen Perspektive heraus. In ihrer Alltagserfahrung gibt es keine Fallacy of Composition. Um die Wirtschaft verstehen, muss man das ganze System mit allen seinen Rückkopplungen im Blick haben.

            Bei dem anderen Themenkomplex kommen wir wohl nicht weiter – schon alleine deswegen, weil Sie am Ende wieder mit den Bundesstaaten ankommen, obwohl ich schon vor vielen Kommentaren geschrieben habe, dass monetäre Souveränität eine zentrale Rolle spielt. Deswegen kann man eben die USA als Ganzes nicht ohne Weiteres mit einzelnen Bundesstaaten vergleichen, genau wie man die USA als Ganzes auch nicht ohne Weiteres mit einem Euro-Mitglied vergleichen kann. In beiden Vergleichsfällen müsste man eine Vorsicht walten lassen, die ich bei Ihnen leider nicht erkennen kann.

          • In Dubio 14. August 2013, 19:20

            Also, wenn es in 800 Jahren hunderte Beispiele für Zahlungsausfälle bei Staaten gibt und kaum eins, wo Schuldentilgung über Wirtschaftswachstum gelungen ist, so wollen Sie dennoch unterschieden wissen zwischen monetär selbständig und nicht. Das ist doch eine Nebelkerze, denn Sie glauben nicht ernsthaft, dass die meisten Fälle aus monetärer Unselbständigkeit herrühren. Der letzte, verzweifelte Griff waren jetzt die USA im 19. Jahrhundert, ein einziger Fall, der zwar ebenfalls Schuldenschnitte aufweist, aber es gibt ja noch eine Entschuldigung: monetäre Unselbständigkeit. So kommen wir tatsächlich nicht weiter.

            Alle klassischen Wirtschaftstheorien stellen den Unternehmer ins Zentrum ihrer Betrachtung. Die waren halt nicht so gescheit wie wir. Und wenn Sie alle Rückkopplungen betrachten wollen, so haben Sie etwas vor. Theorien abstrahieren und grenzen ein.

            Sie wollen 16. – 18.jährigen wirklich erzählen, wir müssen in einem kleinen Staat, nennen wir ihn Hellas, die Nachfrage anregen, in dem wir den Menschen Geld in die Hand geben. In diesem kleinen, südlichen Land gibt es viele Beamte (Rückkopplung), die unterstützen diese Politik und dann kommen ganz viele Unternehmer und große Konzerne, die bauen dann Fabriken, stellen viele Menschen ein und das Land blüht und gedeiht.

            Haben Sie nicht gesagt, ich weiß. Steht aber so sinngemäß in Ihrer Einleitung wie auch beim Spiegelfechter und auf den Nachdenkseiten. So beschäftigt man sich mit allem Möglichen, aber Unternehmen und Märkte wird man so nicht begreifen.

            Oder verstehen Sie, warum Nordseekrabben nicht in Deutschland geschält werden?

      • Marc 13. August 2013, 08:55

        Aber schreiben Sie anderen Unternehmern nicht vor, wie sie ihr Geschäft zu betreiben haben.

        Ich bin kein Politiker, aber genau das ist die Aufgabe der Politik: mit Gesetzen den Unternehmen vorzuschreiben, wie sie ihre Geschäfte betreiben sollen! Es gibt zig Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Normen, etc. die einzuhalten sind. Zum Beispiel gibt es Verordnungen zur Arbeitsplatzsicherheit. Ich finde das wirklich toll, denn ich möchte gerne lebend nach Hause kommen. Es gibt Umweltauflagen, auch das begrüße ich, denn ich möchte ohne Schutzkleidung durch unsere Städte laufen können und so weiter und so fort.

        Und es ist nicht möglich, dass Staaten durch starkes Wachstum ihre Schulden zurückzahlen.

        Selbst wenn es empirisch so wäre, wie ihr Excel-Künstler Rogoff behauptet, wäre das noch kein Beweis! Aber ich möchte sie nicht weiter mit Logik verwirren.

        Und wie wollen Sie Politik machen, wenn Sie die Parameter der Wirtschaft nicht kennen?

        Entschuldingung, hier kommt ihr Mandra: Wir müssen sparen, sparen, sparen, dann herrscht Wachstum, Wachstum, Wachstum. Amen!

        • In Dubio 13. August 2013, 09:22

          Sie meinen aber etwas anderes: Sie wollen, ausweislich Ihres vorherigen Kommentars, dass regional produziert wird („Ich fände es wesentlich besser, wenn wir unsere Produkte und Leistungen hier blieben und nicht ins Ausland exportiert würden.“). Das kann Politik nicht erzwingen, nur durch gute Rahmenbedingungen fördern. Und dazu gehört heute eben nicht ein relativ hoher Konsumanteil.

          Selbst wenn es empirisch so wäre, wie ihr Excel-Künstler Rogoff behauptet, wäre das noch kein Beweis!

          Sie haben keinen Respekt vor einem der angesehensten Forscher seiner Zunft. Die Zusammenstellung dieser Daten ist eine herausragende Forschungsarbeit. Doch was soll man bei Ihnen erwarten? Sie übersehen ja sogar, dass die Ökonomie eine empirische Wissenschaft ist, mit Versuch und Irrtum. Und Sie liefern das Standardargument Linker: wenn es bisher immer anders war, spricht das nicht dagegen, dass wir uns ändern können. Hahaha. Was meinen Sie warum das Buch „Diesmal wird alles anders“ heißt?

          Tatsächlich überschulden sich Staaten kontinuierlich, lösen dadurch Finanz- und Wirtschaftskrisen aus und entschulden sich über Inflation und Schuldenschnitte. Bis zum nächsten Mal.

          Hier kommt mein Mantra: wir müssen eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben. Dauerhaft. Nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich. Amen.

          • CitizenK 13. August 2013, 10:01

            @ Marc
            Vielleicht hättest Du dem Zweifelnden (allerdings nicht an seinem Marktwirtschafts-Dogma) das mit dem „Excel-Künstler“ erläutern sollen: Dass „einem der angesehensten Forscher“ ein peinlicher Fehler in der Excel-Tabelle unterlaufen ist, die dann ein völlig unbekannter Student (!) bei seiner Hausarbeit (!) aufgedeckt hat. Und der dann von allen Medien und Politikern (vorzugsweise der von In Dubio präferierten politischen Richtung) lautstark zitierte These („Kein Wachstum bei hoher Staatsverschuldung“) Makulatur werden ließ. Und keiner der angesehenen Forscher hat das auf einem der zahlreichen Foren und Podien gemerkt. Selbst die FAZ hat über diese Blamage berichtet

            Soviel zur „Empirie“ der „angesehensten Forscher“ dieser sogenannten Wissenschaft. Und zur „faktengestützen“ Argumentation hier.

  • Christian 13. August 2013, 11:11

    Mit In Dubio braucht man nicht zu diskutieren, es sei denn man redet gerne gegen Wände. Er ist nicht daran interessiert, seinen Wissensstand zu erweitern, sondern seine Weltsicht zu erhalten. Sonst müsste ja ein Lernprozess eingetreten sein in den letzten Jahren 😉

    „Tatsächlich überschulden sich Staaten kontinuierlich, lösen dadurch Finanz- und Wirtschaftskrisen aus und entschulden sich über Inflation und Schuldenschnitte. Bis zum nächsten Mal.“

    Wie man diese Sichtweise nach der aktuellen Finanzkrise ohne rot zu werden vertreten kann, ist mir unerklärlich. Wie wäre es mit dem Buch „Inside Job“? Da steht sehr genau drin, wie kriminelles Verhalten die Finanzkrise verursacht hat.

    „Hier kommt mein Mantra: wir müssen eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben. Dauerhaft. Nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich. Amen.“
    Ganz bei dir. Einführung einer Job-Garantie wäre ein erster Schritt. Beachtung der Saldenmechanik bei der Gestaltung von Wirtschaftspolitik wäre ein zweiter.

    • CitizenK 13. August 2013, 16:39

      Dass die von ihm verteidigte Rogoff-These durch den EXCEL-Fehler hinfällig geworden ist, scheint ihm nicht weiter erwähnenswert. Ebensowenig wie die Tatsache, dass mit dieser falschen These ganze Politik-Konzepte begründet oder gerechtfertigt wurden. Viel wichtiger für ihn: der Fehler wurde nicht von einem Studenten entdeckt, sondern von einem „Doktoranden“ . Das tut weh.

      Du hast recht. Ich diskutiere auch nicht gern mit einer Wand.

      • In Dubio 13. August 2013, 16:59

        Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass es nicht um die kritisierte Berechnung ging, wohl aber um die gleichen Datensätze? Außerdem wurde die Aussage durch den Berechnungsfehler nicht grundsätzlich falsch, nur weniger stark akzentuiert. Aber aus solchen historischen Daten lässt sich enorm viel lernen – wenn man denn will.

        Sind Sie auch vollständig diskreditiert, wenn Ihnen ein Fehler unterläuft?

        • CitizenK 13. August 2013, 19:45

          Ja. Ich weiß auch, wie leicht sich bei EXCEL-Formeln ein Fehler einschleicht. Wenn das aber solche Aus- und Fernwirkungen entfaltet, kann man das nicht als Bagatelle abtun. Rogoff schämt sich jedenfalls sehr dafür und beruft sich nicht – wie Sie es tun – auf sein Renomee.

          Die Sinnhaftigkeit und die Risiken einer (zu) hohen Staatsverschuldung kann man diskutieren, auch mit Hilfe historischer Datenreihen. Das ist selbstverständlich.

          Aber: Sie kannten den Fehler und haben ihn verschwiegen. Das ist intellektuell unredlich. Ihrer Sache haben Sie damit einen Bärendienst erwiesen.

          • In Dubio 13. August 2013, 21:25

            Dieser Fehler hatte Relevanz für die Berechnung der Relation zwischen Wirtschaftswachstum und Staatsverschuldung, wobei Rogoff 3 Kategorien bildete. Das hat keine Bedeutung für die sonstige Analyse der Datenbank, denn diese wird nicht als fehlerhaft angesehen. Ich zitiere aus einem anderen Buch. Warum hätte ich das Thema ansprechen sollen, zumal es in allen mir bekannten Medien aufgearbeitet wurde?

            Ceterum censeo Carthaginem esse delendam?

            Mein Thema hier ist nicht eine (zu) hohe Staatsverschuldung, woraus lesen Sie das? Ein Seitenthema war, dass Staaten nicht durch hohes Wachstum Schulden zurückzahlen, sondern der Abbau üblicherweise über Inflation und Staatsinsolvenzen geht. Das ergibt sich aus den Aufzeichnungen. Und die, CitizenK, hat bisher niemand kritisiert.

            Warum sollte also die Nichterwähnung einer fehlerhaften Analyse in einem anderen Bereich „meiner Sache“ schaden?

  • In Dubio 13. August 2013, 13:02

    Vier Kommentatoren – Nicolai Hähnle, Marc CitizenK und Christian – und das einzige, was als substanzielles Argument herauskommt, ist:

    Es gab durchaus Phasen, in denen Staaten durch starkes Wachstum ihre Schulden netto zurückgezahlt haben.

    Vier Kommentatoren, und kein Einziger kann Beispiele aufzählen, die ihre These stützen. Stattdessen der Vorwurf: „Er ist nicht daran interessiert, seinen Wissensstand zu erweitern, sondern seine Weltsicht zu erhalten.“ Mir ist schleierhaft, wie man mit so wenig Wissen eine Meinung bilden kann.

    Stattdessen der Vorwurf an den Ökonom Rogoff, einen „peinlichen Excel-Fehler“ sich geleistet zu haben. Der Vorwurf kommt nicht aus der Wissenschaft und das Wort „peinlich“ kann in dem Zusammenhang nur jemand in den Mund nehmen, der nie mit Excel gearbeitet hat. Typisch, ja. Peinlich? Nein. Peinlich wäre vielleicht, nicht den Unterschied zwischen Student und Doktorand zu kennen, denn dazu hätte man lediglich Gedächtnis oder Google benötigt.

    Die Zusammenstellung von Rogoff ist eine Meisterleistung, in dieser Form bisher nicht dagewesen. Stattdessen wird einfach eine Persönlichkeit pauschal diskreditiert. Die meisten Staaten sind übrigens mit weit niedrigeren Verschuldungsquoten kollabiert als das, was heute die USA oder Europa aufweisen. Auch dies kann man übrigens der Zusammenstellung von Rogoff entnehmen – ein tolles Lehrstück in Punkto Wirtschaftsgeschichte. Wenn man denn wissen will.

    Neufundland verlor übrigens 1949 wegen seiner anhaltend hohen Staatsverschuldung seine Unabhängigkeit und musste Kanada beitreten.

    • Christian 14. August 2013, 12:07

      Ok, ein Versuch noch. Japan muss Sie doch nun wirklich zum Verzweifeln bringen, oder nicht?

      Sie haben oben als Antwort auf Nicolai geschrieben:
      „Sie sehen die Ökonomie monokausal, ein System aus Bits und Bytes, aus Soll und Haben, ein geschlossener Kreislauf, ein System, wo eigentlich kein Mehrwert entstehen kann. Wer so denkt, ist Buchhalter, kein Unternehmer. Da wäre doch eher Josef Schumpeter zu empfehlen. So übersehen Sie, dass auch in der Saldenmechanik Nettogeldvermögen entsteht, wenn die Forderungen größer sind als die Verbindlichkeiten. Versuchen Sie (das können Sie als Buchhalter oder als Unternehmer) mal ein Unternehmen zu gründen. Dann werden Sie sehr schnell sehen, dass der Mehrwert eben nicht durch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten zustande kommt.“
      Das ist falsch. Wirtschaft ist überaus dynamisch, aber sie muss nunmal Stock-Flow konsistent sein. Jede Ausgabe wird von anderen als Einnahme gesehen und andersherum. Und am Ende einer Periode werden die jeweiligen Ausgaben und Einnahmen auf die bestehenden Bestände addiert. Nichts geht verloren.

      Buchhaltung alleine begründet keine Wirtschaftstheorie, aber eine Wirtschaftstheorie ohne stichhaltige Buchhaltung ist sinnlos.

      Alles, was Nicolai, Marc und ich von Ihnen verlangen, ist dass Sie akzeptieren dass 1+1=2 ist. Oder meinetwegen auch 2+3-5=0. Und danach können wir uns dann weiter streiten…

    • Christian 14. August 2013, 12:23

      Eine Anmerkung noch. Die Zusammenstellung von Reinhart & Rogoff mag ja stimmen, aber unterscheiden die beiden zwischen monetär souveränen Geldsystemen und solchen die es nicht sind, also z.B. solche mit feste Wechselkursen, Staatsanseihen in Fremdwährung, Golddeckung, etc. ?
      Ich glaube nicht.

      Vielleicht sollten Sie sich die Kritik von Randall Wray durchlesen.
      http://www.levyinstitute.org/pubs/wp_603.pdf

      • In Dubio 14. August 2013, 12:36

        800 Jahre – da sollte sich auch für Sie etwas Passendes finden.

      • In Dubio 14. August 2013, 16:25

        Japan hat gerade mal zwei Dekaden außerordentlich hohe Staatsschulden. Das ist nichts im historischen Maßstab. Außerdem hat das Land einen außerordentlich hohen Anteil an inländischer Verschuldung, wo Zahlungsausfälle anders verlaufen. Der neue Ministerpräsident Abe will es jetzt wissen und treibt die Verschuldung weiter hoch. Entweder es gelingt, was historisch selten gelungen ist (Swasiland) oder Nippon steht da wie der Roulette-Spieler, der alles auf die 0 gesetzt hat. Behalten Sie Ihren Text und schauen Sie ihn sich in 10 Jahren nochmal an.

        Jede Ausgabe wird von anderen als Einnahme gesehen und andersherum.

        Jetzt werden Sie schon allgemeiner. In früheren Texten war von Forderungen und Verbindlichkeiten die Rede. Das ist aber ein gravierender Unterschied.

        • Christian 14. August 2013, 18:26

          Ich wiederhole meinen Punkt: Vergleiche zwischen monetär souveränen Staaten und nicht monetär souveränen Staaten sind möglich, aber man vergleicht halt Äpfel mit Birnen. Wenn Ihnen der Unterschied nicht geläufig ist, sollten Sie sich damit vertraut machen, Nicolai hat das ja oben verlinkt.

          • In Dubio 14. August 2013, 19:04

            Also, in der Geschichte war ein Bruchteil der Staaten monetär nicht souverän. Wenn also unter einigen hundert Äpfeln eine Birne ist, wird das trotzdem das Bild nicht ernsthaft verschieben. Ansonsten sollten Sie sich mit Prozentrechnung vertraut machen.

          • Nicolai Hähnle 14. August 2013, 22:42

            Also, in der Geschichte war ein Bruchteil der Staaten monetär nicht souverän.

            … und anderswo:

            Das ist doch eine Nebelkerze, denn Sie glauben nicht ernsthaft, dass die meisten Fälle [von Staatsbankrotten] aus monetärer Unselbständigkeit herrühren.

            Eben doch! Monetäre Souveränität ist ein eher junges Phänomen – und viele (vielleicht sogar die meisten) Entwicklungsländer sind auch heute nicht monetär souverän, ganz zu schweigen natürlich von den Euromitgliedern.

            Ich habe die Erklärung zwar inzwischen oft genug verlinkt, aber noch einmal ganz kurz zum mitschreiben, weil Links zu verfolgen offenbar nicht Ihre Stärke ist. Ein Staat (bzw. dessen Regierung) ist monetär souverän, wenn er
            1. eine eigene Währung ausgibt,
            2. diese Währung frei auf den Devisenmärkten handeln lässt und den Wechselkurs nicht zu fixieren versucht, und
            3. wenn er sich nur in dieser Währung verschuldet.

            Also: Die USA, Großbritannien, Island und Japan sind monetär souverän. Deutschland und Griechenland sind nicht monetär souverän (der erste Punkt ist nicht erfüllt). Länder mit Wechselkursbindung sind nicht monetär souverän. Früher waren Länder im Goldstandard nicht monetär souverän. (in beiden Fällen ist der zweite Punkt nicht erfüllt). Zimbabwe war auch vor dem Kollaps vor ca. 5 Jahren war nicht monetär souverän, da in US-Dollar verschuldet (analog übrigens Deutschland zu Zeiten vor der Hyperinflation in der Weimarer Republik).

            Wenn Sie die viel zitierten Beispiel von Reinhart und Rogoff nach den Kriterien der monetären Souveränität untersuchen werden Sie feststellen, dass monetär souveräne Staaten praktisch nie Probleme mit Staatsschulden haben. Sie bilden sich das aus ideologischen Gründen oft ein (siehe die USA heutzutage), aber man muss die Einbildung eben sauber von der Realität trennen.

            Der letzte, verzweifelte Griff waren jetzt die USA im 19. Jahrhundert, ein einziger Fall, der zwar ebenfalls Schuldenschnitte aufweist.

            Erstens ist es nicht ein einziger Fall, er ist nur der am besten dokumentierte. Ich bin mir sicher: Würde man in anderen Staaten nach historischen Beispielen eines gezielten Schuldenabbaus suchen, so würde man auch dort feststellen, dass diese Perioden des Schuldenabbaus durch Rezessionen bzw. Depressionen jäh unterbrochen werden.

            Zweitens: Was soll das Verbreiten von Lügen über Schuldenschnitte der USA? Wenn Sie die US-Bundesregierung in einen Topf mit US-Bundesstaaten werfen, dann zeigen Sie damit nur, dass Sie den zentralen Punkt hier nicht verstanden haben. Die Kernaussage ist nämlich genau die: ein Staat oder eine Regierung, die nicht monetär souverän ist, kann in Schuldenprobleme geraten. Ein monetär souveräner Staat hat dieses Problem nicht.

            Sie wollen 16. – 18.jährigen wirklich erzählen, wir müssen in einem kleinen Staat, nennen wir ihn Hellas, die Nachfrage anregen, in dem wir den Menschen Geld in die Hand geben. In diesem kleinen, südlichen Land gibt es viele Beamte (Rückkopplung), die unterstützen diese Politik und dann kommen ganz viele Unternehmer und große Konzerne, die bauen dann Fabriken, stellen viele Menschen ein und das Land blüht und gedeiht.

            Klar – die Geschichte ist in der Tendenz ja auch korrekt. Griechenland würde es besser gehen, es würde in Griechenland auch mehr gearbeitet und produziert werden.

            Der Haken und das einzige Detail, das falsch ist, ist das mit den Fabriken, zumindest was handelbare Güter angeht. Denn in der Geschichte geschieht nichts, um den Außenhandel Griechenlands auszugleichen. Und auch das würde ich den 16- bis 18-Jährigen natürlich erklären.

            Aber dieses Außenhandels-Problem kann Griechenland nicht durch Sparen lösen. Es gibt genau einen Weg, wie Griechenland das Problem auf eigene Faust lösen kann, und das ist ein Euro-Austritt.

            Wenn man den Euro erhalten will, dann müssen auch andere Euroteilnehmer – ganz besonders Deutschland – umdenken.

            Tatsächlich halte ich es schon seit mehreren Jahren für das schlimmste Versagen der griechischen Politik, dass sie der Troika nicht explizit einen Euro-Austritt androht.

          • In Dubio 15. August 2013, 06:53

            Es ist immer wieder schön, wenn man sich selbst zitiert. So erhält man eine bessere Glaubwürdigkeit und es finden sich so wenig Widersprüche. Wer verwendet den Begriff „monetäre Souveränität“? Wenn man das googelt, so kommt an aller erster Stelle – Ihr Blog. Boah!

            Nehmen wir Ihre Definition:
            Ein Staat (bzw. dessen Regierung) ist monetär souverän, wenn er (..) 3. wenn er sich nur in dieser Währung verschuldet.

            und:
            Die USA, Großbritannien, Island und Japan sind monetär souverän.

            Blöd: Island war vor Ausbruch der Finanzkrise zur Hälfte in ausländischen Währungen verschuldet. Nicht souverän.

            Rogoff ziseliert übrigens genau zwischen Auslandsverschuldung und Inlandsverschuldung. Zweitere ist in der Krise weit schwerer zu erkennen, gerade deswegen kam es gerade im Bereich der inländischen Verschuldung oft zu Kollapsen. Das ist ungefähr das, was Sie beschreiben. Warum es bei der inländischen Verschuldung dann noch einer frei handelbaren Währung bedarf, da per definitione der Staat ja ohnehin nur in der einheimischen Währung verschuldet ist, erschließt sich nicht.

            Außerdem liefern Sie mehr oder weniger elegant die Begründung, wie solche Staaten sich schleichend auf Kosten ihrer Gläubiger entschulden können. Doch das ist das Gegenteil von Schuldenabbau. Sei es durch „Herauswachsen aus den Schulden“ oder durch konkretes Zurückzahlen.

            Rogoff hat Recht: Diesmal ist alles anders. Das sagen schon Jugendliche in der Schule.

            Gerade wenn man eine Theorie verfolgt, sucht man nach Beispielen, die diese bestätigen oder falsifizieren. Interessanterweise tun dies jene nicht, die der These vom „Herauswachsen“ anhängen. Dafür müsste es zig Beispiele geben und die Theorie ist schon ziemlich alt. Doch selbst im eigenen Land haben wir damit keine Erfahrung: Nicht nur absolut, sondern sogar relativ wuchsen Deutschlands Schulden seit Beginn der 70er Jahre. Also zufälligerweise seit dem Zeitpunkt, als man nach Begründungen suchte, warum Staatsverschuldung nicht per se schlecht sei. Das gleiche Bild zeigt sich in allen anderen OECD-Staaten. Einen Rückgang über mehrere Dekaden ohne Schuldenschnitte gibt es nicht. Und das in modernen Zeiten.

            Wie Rogoff aufzeichnet, entwickeln sich die Krisen aus der wachsenden Staatsverschuldung schleichend, sie kommen nicht eruptiv, nur am Ende. Und die Begründungen dafür haben sich in Jahrhunderten nicht geändert. Das spricht dagegen, dass Politik und Gesellschaft wirklich lernfähig sind.

            Was wollten Sie beweisen? Dass Staaten aus Schulden durch relatives Wachstum herauswachsen können? Falsch. Oder, dass Staaten, ausschließlich im Inland verschuldet und mit eigener Währungssouveränität nicht pleite gehen können? In einigen Fällen, doch dann nur durch Weginflationieren der Schulden. Die Rechnung zahlt also jemand und es ist nicht der Staat.

          • In Dubio 15. August 2013, 07:00

            Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Mehrheit der Griechen (wie der Spanier und Portugiesen) um jeden Preis im Euro bleiben will. Und selbst die oppositionelle Syriza spielte bei den letzten Wahlen nicht diese Karte.

            Es ist wirklich Pech, dass niemand auf Sie hören will. Theorie und Praxis.

          • Nicolai Hähnle 15. August 2013, 08:58

            Es ist immer wieder schön, wenn man sich selbst zitiert. So erhält man eine bessere Glaubwürdigkeit und es finden sich so wenig Widersprüche. Wer verwendet den Begriff “monetäre Souveränität”?

            Der Begriff kommt aus dem angelsächsischen Raum und wird vor allem von der Modern Monetary Theory genutzt. Ich habe das lediglich gesammelt und in eigenen Worten auf Deutsch aufgeschrieben. Das hätten Sie übrigens auch alles meinem Blog entnehmen können.

            Offenbar gibt es an dem Konzept und seiner Bedeutung auch von Ihrer Seite nichts auszusetzen. Oder warum versuchen Sie es hier mit solchen rhetorischen Tricks? 😛

            Blöd: Island war vor Ausbruch der Finanzkrise zur Hälfte in ausländischen Währungen verschuldet. Nicht souverän.

            Das wird in den Medien leider oft so dargestellt, weil die Regierung und der Privatsektor eines Landes in diesem Genre der Berichterstattung nicht sauber getrennt werden. Die isländische Regierung hat sich nur in ISK verschuldet, die isländischen Banken hatten hohe Verbindlichkeiten in anderen Währungen.

            Die isländischen Banken sind daran zugrunde gegangen, und die isländische Regierung war (natürlich auch auf Druck der Bevölkerung) klug genug, diese Verbindlichkeiten nicht zu übernehmen. So konnte die monetäre Souveränität erhalten bleiben, und dementsprechend gut hat Island die Krise überstanden. [1]

            Außerdem liefern Sie mehr oder weniger elegant die Begründung, wie solche Staaten sich schleichend auf Kosten ihrer Gläubiger entschulden können.

            Die Schulden bleiben erhalten, Verträge werden erfüllt, die Gläubiger werden bezahlt. Alles andere geschieht in Ihrer Phantasie.

            Das gleiche Bild zeigt sich in allen anderen OECD-Staaten. Einen Rückgang über mehrere Dekaden ohne Schuldenschnitte gibt es nicht.

            Auch hier scheint es an Realitätskontakt zu mangeln. Genau dies ist in den meisten OECD-Staaten in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg geschehen: Es gab ohne Schuldenschnitte einen Rückgang der Verschuldung; ja, der relativen Verschuldung. Aber die absolute Verschuldung interessiert nun wirklich niemanden außer ein paar bornierten Ideologen.

            [1] Es wird immer gesagt, Island hätte unter der Krise gelitten. Das ist auch richtig, aber bei der Beurteilung ob Island gut durch die Krise gekommen ist oder nicht muss man die jetzige Situation im Vergleich zu den realistischen Alternativen sehen.

            Island ging es vor der Krise zu einem signifikanten Teil deswegen so gut, weil durch das Bankengeschäft die ISK zu hoch bewertet war, relativ zu den realen Ressourcen, über die Island verfügt. Das konnte nicht langfristig gut gehen. Deswegen ist es geschenkt, dass es Island heute absolut gesehen schlechter geht als vor der Krise. Die Frage ist: Wie sieht die heutige Situation im Vergleich zu allen anderen, realistisch denkbaren Resultaten der Krise aus?

            Durch den Kollaps der Banken ist Island heute schlicht zurück auf dem Niveau, das durch seine realen Ressourcen (Rohstoffe, Menschen, etc.) gerechtfertigt ist.

            Die Alternative wäre gewesen, dass Island den gleichen Fehler wie Irland macht, die Regierung die Bankschulden übernimmt und das Land deswegen – mittels Austeritätspolitik und Massenarbeitslosigkeit – unter das Niveau rutscht, das durch seine realen Ressourcen gerechtfertigt ist. Diesen Fehler hat Island nicht gemacht, und dementsprechend gut geht es dem Land im Vergleich zu den Alternativen.

          • In Dubio 15. August 2013, 09:40

            Ach wissen Sie, ich habe mich mit so vielen Theorien beschäftigt und an den meisten ist etwas dran. Aber Theorien müssen eine Praxistest durchlaufen. Auch die Effizienzlohntheorie ist plausibel und wahrscheinlich in vielen Punkten bewährt.

            Natürlich lag Keynes nicht falsch. Was er nicht vorhersagen konnte, dass seine Theorie in der Anwendung an der Natur von Politik und Gesellschaft scheitert. Und warum soll ich mich explizit mit der Theorie beschäftigen, für die Sie ein Faible entwickelt haben? Sie mögen sich ja nicht mal mit historischen Daten befassen, mit Geschichte. Das ist doch eigentlich für einen Ökonomen hochspannend!

            Island hat vor allem die (ausländischen) Gläubiger enteignet, von daher ist das ein klassisches Verlauf. Und: Island hat einen außerordentlich hohen Exportanteil. Ich meine mich zu erinnern, dass dies mancher Kommentator als hochproblematisch angesehen hat …

            Die Schulden bleiben erhalten, Verträge werden erfüllt, die Gläubiger werden bezahlt.

            … sagten die Fürsten im Jahr 1600, als sie weiter Münzen ausgaben mit reduziertem Gold- und Silbergehalt.

            Es gab ohne Schuldenschnitte einen Rückgang der Verschuldung; ja, der relativen Verschuldung.

            Von 1970 bis 2010 stieg die Verschuldung in der OECD von 40,5% des BIP auf knapp 100%. Direkt nach dem 2. Weltkrieg wurde die öffentliche Schuldenlast, wie bereits zuvor geschrieben, durch technische Schuldenschnitte gekappt – bei den Alliierten wie in Deutschland. Mann, beschäftigen Sie sich ab und zu auch mit Empirie?!

          • Nicolai Hähnle 15. August 2013, 12:05

            Island hat vor allem die (ausländischen) Gläubiger enteignet, von daher ist das ein klassisches Verlauf.

            Die Gläubiger von Banken, die bankrott gegangen sind, haben ihren Einsatz verloren. So etwas passiert nunmal bei einer Insolvenz. Genau so sollte der freie Markt funktionieren: Wer Risiko auf sich nimmt, der kann dabei auch verlieren.

            Mit Staatsschulden hat das aber alles nichts zu tun. Noch einmal: Man darf nicht die Regierung eines Landes und den Privatsektor wild durcheinander werfen.

            Island hat einen außerordentlich hohen Exportanteil. Ich meine mich zu erinnern, dass dies mancher Kommentator als hochproblematisch angesehen hat.

            Man muss unterscheiden zwischen einem hohen Exportanteil (der für eine kleine offene Volkswirtschaft normal ist) und einem hohen Exportüberschuss.

            Ich schrieb (im Kontext einer monetär souveränen Regierung): Die Schulden bleiben erhalten, Verträge werden erfüllt, die Gläubiger werden bezahlt.

            Sie schreiben: … sagten die Fürsten im Jahr 1600, als sie weiter Münzen ausgaben mit reduziertem Gold- und Silbergehalt.

            Noch einmal: Wer mit einem Gold- oder Silberstandard operiert ist nicht monetär souverän. Natürlich kann so jemand Schuldenprobleme bekommen. Es geht genau darum, dass ein monetär souveräner Staat solche Probleme nicht bekommen kann.

            Direkt nach dem 2. Weltkrieg wurde die öffentliche Schuldenlast, wie bereits zuvor geschrieben, durch technische Schuldenschnitte gekappt – bei den Alliierten wie in Deutschland.

            So so. Wo sind denn diese Schuldenschnitte bei den Staaten, die nicht selbst Kriegs-Schlachtfeld waren? Sie werfen mir hier mangelnde Empirie vor, aber vielleicht sollten Sie mal einen Spiegel vors Gesicht halten.

          • Christian 15. August 2013, 12:13

            Feste Wechselkurse sind von Bedeutung, Beispiel Argentinien. Schließlich kann ein Staat nicht so einfach Währungen fremder Länder herstellen, es sei denn er heißt Norwegen und hat Ölquellen 😉
            Wenn man zusagt, seine Währung gegen Fremdwährung zu tauschen, braucht man diese Fremdwährung. Kann man diese nicht besorgen gibt es ein Problem 😉

            Zweiter Punkt: Niemand sagt, dass Staaten mit eigener Währung diese in Unmengen unter das Volk verteilen sollen. Inflation ist auch hier eine Restriktion. Allerdings ist das Inflationsthema auch vielschichtiger als die falsche Gleichung: Mehr Geld = Mehr Inflation.

          • In Dubio 15. August 2013, 14:34

            Sie sollten sich schon über ein Land informieren, wenn Sie es als Vorbild anführen. Island musste 2008 vom IWF gestützt werden, die Arbeitslosigkeit erhöhte sich wie in anderen Krisenländern um mehr als das Dreifache und das Staatsdefizit stieg wie in Portugal oder Spanien in den zweistelligen Bereich. Nach wie vor unterliegt das Land strengen Kapitalverkehrskontrollen. Nach monetärer Souveränität sieht das nicht aus. Ebenso hatte der isländische Staat zum Zeitpunkt der Krise Anleihen in Höhe von 600 Mio. US-$ begangen.

            Auch wenn Sie sich winden: Islands Exportüberschuss ist wie auch der Dänemarks und der Niederlande größer als der Deutschlands.

            Es geht genau darum, dass ein monetär souveräner Staat solche Probleme nicht bekommen kann.

            Das gilt dann ja wohl nicht.

            Wo sind denn diese Schuldenschnitte bei den Staaten, die nicht selbst Kriegs-Schlachtfeld waren?

            Fast sämtliche OECD-Staaten waren Kriegspartei. Und von denen haben wir doch geredet. Meine Behauptung war:

            Nicht nur absolut, sondern sogar relativ wuchsen Deutschlands Schulden seit Beginn der 70er Jahre. Also zufälligerweise seit dem Zeitpunkt, als man nach Begründungen suchte, warum Staatsverschuldung nicht per se schlecht sei. Das gleiche Bild zeigt sich in allen anderen OECD-Staaten.

            Für Sie stimmt das nicht. Die OECD-Zahlen bestätigen meine Behauptung eindrucksvoll: 40% damals, 100% heute.

          • Nicolai Hähnle 15. August 2013, 16:01

            Fast sämtliche OECD-Staaten waren Kriegspartei.

            Aber eben nicht unbedingt Schlachtfeld.

            Interessant ist die Frage doch ohnehin nur in den Ländern, in denen nicht gekämpft wurde, und (das ist vielleicht noch wesentlicher) in denen es politische Kontinuität gab.

            Ganz ehrlich: Wenn man sich daran aufhängt, dass es in Ländern, die zum größten Teil zerstört wurden und in denen es keine politische Kontinuität gab, unter anderem – neben all dem anderen Chaos – auch Währungsreformen und Schuldenschnitte gab, dann sollte man seine Prioritären überdenken.

          • In Dubio 15. August 2013, 17:15

            Wenn man sich daran aufhängt, dass es in Ländern, die zum größten Teil zerstört wurden und in denen es keine politische Kontinuität gab, unter anderem – neben all dem anderen Chaos – auch Währungsreformen und Schuldenschnitte gab, dann sollte man seine Prioritären überdenken.

            Ganz ehrlich: Das ist Unsinn. Sie waren es, der mit dem Schuldenabbau der Nachkriegszeit angefangen und dies als heroische Tat herausgestrichen hat. Mir ging es um die Friedenszeit 1970 – 2010, was die Unfähigkeit von Staaten belegt, die Budgets ausgeglichen zu gestalten. Die passende Theorie wird dann schon mitgeliefert.

  • Marc 13. August 2013, 15:09

    Das kann Politik nicht erzwingen, nur durch gute Rahmenbedingungen fördern. Und dazu gehört heute eben nicht ein relativ hoher Konsumanteil.

    Bitte? Konsumverweigerung ist ein Standortvorteil? Tjoah, gewagte These. Ich verstehe: der Ort des Konsums ist das Böse. Deshalb können die ganzen Produkte nicht dorthin, wo die Guten fleißig produzieren. Daher verschwinden die Produkte ja auch alle in einem riesigen schwarzen Loch.
    Übrigens, können sie mir bitte erklären, was Sinn und Zweck des Produzierens ist, außer die Produkte zu konsumieren?

    Tatsächlich überschulden sich Staaten kontinuierlich, lösen dadurch Finanz- und Wirtschaftskrisen aus und entschulden sich über Inflation und Schuldenschnitte. Bis zum nächsten Mal.

    Ist das nicht ein putziges Weltbildchen 🙂 So schön primitiv, nur ein einziger Sündenbock! Wissen sie, Herr In Dubio, ich als Linker habe die unangenehme Last zu tragen, über Vernunft zu verfügen. Diese sagt mir, eine Phänomen wie die Weltwirtschaftskrise kann nicht eine singuläre Ursache haben. Ich zähle ihnen die Liste der Versager auf: die Wissenschaft, welche die Krise weder kommen sah, noch die Mittel dazu hatte, sie v.a. in Europa schnell und folgenlos zu beheben. Das größte aller Versagen der Wirtschaftswissenschaften ist jedoch, an den falschen Konzepten sturr festzuhalten, obwohl ihr Versagen offensichtlich ist. Als nächstes folgen die sogenannten Wirtschaftsexperten, die aus den Fehlern der Wissenschaft das letzte Krümelchen Vernunft entfernten und ein wirtschaftliches Weltbild zusammen flickten, das eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen darstellt. Die Journalisten, die diesen ideelen Schrott in den schillernsten Farben als die beste aller Welten präsentierten. Die Politiker, die mit der Deregulierung des Finanzmarktes die Grundlage für die Exzesse legten und nach Ausbruch der Krise die Kosten der Allgemeinheit aufbürdeten und völlig sinnlos ganze Volkwirtschaften an die Wand fuhren. Die Bänker, die völlig skrupellos mit dem Geld anderer Leute spekulierten und in der Krise ihren Müll der Allgemeinheit teuer verkauften. Der normale Kunde, der sich von der Gier anstecken ließ und unhinterfragt die gefährlichen Finanzprodukte kaufte.

    Übrigens, wenn sich die Wirtschaftswissenschaften fundierten Theorien wie der Saldenmachanik verweigert und nur über die Empirie zu Erkenntnissen gelangen möchten, sind keinerlei kausale Aussagen möglich. Kausale Zusammenhänge, wie sie zwischen Staatsschulden und Finanzkrise herstellen möchten, können empirisch immer nur als Korrelation ohne jegliche Kausalität erfasst werden. Sie können aufgrund empirischer Forschung niemals sagen, was die Ursache ist und welcher Art die Beziehung zwischen den Faktoren ist. Aufgrund empirischer Belegen kausale Zusammenhänge zu postulieren, wie sie das tun, ist nicht wissenschaftlich und daher kann man ihre Aussagen auch nicht ernst nehmen.

    Okay, belassen wir es dabei, ich möchte sie nicht allzu sehr überfordern. Schließlich ist konservativ an sich bereits ein Handicap.

    @CitizenK

    Exakt 😉

    @Christian

    Saldenmechanik? Oh Gott, ein in sich logisch geschlossenes Gedankengebäude! Damit kann man ja sinnlose Aussagen sofort widerlegen! Das ist das Ende jedes Glaubensgebäudes! Nein, nein, neben den Excel-Göttern Rogoff & Co darf es keine anderen geben!1!!

    • In Dubio 13. August 2013, 17:13

      Es wäre Ihnen dringend zu empfehlen, im Management eines Unternehmens Erfahrungen mit den Investitionsmotiven zu sammeln. Bisher sind Sie ausschließlich auf das Theoretisieren angewiesen mit großer Verachtung für die Mikroökonomie.

      Ich hatte geschrieben:
      Der Punkt ist nämlich, dass es heute für Unternehmen höchst sekundär ist, wo seine Kunden sitzen. Entsprechend sind Unternehmen heute organisiert: Sie verkaufen ihre Produkte global oder zumindest in große, überregionale Märkte. Dafür errichten sie in einigen wenigen Ländern Produktionsstätten, die personalintensiv betrieben werden. Dazu kommen wenige Logistikzentren, die nach Verteilungsgesichtspunkten errichtet werden.

      Wie Sie dazu kommen, es bedürfe keiner Nachfrage, ist mir schleierhaft. Nur ist es in Zeiten von Internet, niedrigen Logistikkosten, Shared Service Centern und Cloud-Strukturen wirklich egal, wo diese auf dem Globus sitzen. Meinen Sie, ein Mittelständler macht sich Gedanken über seinen „Exportanteil“?!

      Wirtschafts- und Finanzkrisen gab es schon vor 500 Jahren. Da gab es keine Politiker im heutigen Sinne, keine Journalisten, keine Wirtschaftswissenschaftler. Was es allerdings gab, waren staatliche Strukturen und private Abnehmer. Wo ist also das System? Das können Sie unmöglich erkennen, wenn Sie einen einzigen Fall betrachten. Und selbst da kann man an Ihrer Darstellung erheblich Viel einwenden.

      Angewandte Wissenschaft will die Wirklichkeit erklären und zwar so, dass diese Erklärung Muster herausbildet. Davon sind Sie unendlich weit entfernt. Für Sie kommt ein Wissenschaftler mit einer neuen Theorie daher und schon ist das fundiert. Lange Expertise dagegen ist für Sie Voodoo.

      • Marc 14. August 2013, 10:27

        Es wäre Ihnen dringend zu empfehlen, im Management eines Unternehmens Erfahrungen mit den Investitionsmotiven zu sammeln. Bisher sind Sie ausschließlich auf das Theoretisieren angewiesen mit großer Verachtung für die Mikroökonomie.

        Ich bin Pratiker. Zugegeben, bis zur Managementebene habe ich es nicht geschafft. In meinem derzeit wichtigsten Projekt stehe ich immerhin in Kontakt mit Geschäftsführern mittelständischer Sondermaschinenbauern. Die Kalkulationsgrundlagen von Invetitionsrechnungen sind mir vertraut, ebenso wie die Lebenszykluskostenrechnung. Daher weiß ich z.B., dass China immer unattrakiver wird, da dort mit einer jährlichen Lohnkostensteigerung von 10% gerechnet wird. Ich weiß noch viel mehr: in Niedriglohnländern wird immer nur teilautomatisiert, es wird gerne auf den leicht verfügbaren und billigen Faktor Mensch zurück gegriffen. In einem Hochlohnland, wie wir es mal waren, ist die nahezu Vollautomatisierung üblich. In anderen Worten: die hohen Löhne trieb die Entwicklung der Automatisierung voran und führte zu besseren Produkten, denn Maschinen arbeiten nunmal präziser als ein Mensch.
        Bei der Bahn in Mainz kann man die Folgen des Paradigmenwechsel sehr schön sehen: niedrige Löhne verhindern Investitionen in moderne Stellwerke, gepaart mit einer dünnen und „billigen“ Personaldecke ist die Qualität des Produktes Bahn im Eimer.

        Nur ist es in Zeiten von Internet, niedrigen Logistikkosten, Shared Service Centern und Cloud-Strukturen wirklich egal, wo diese auf dem Globus sitzen. Meinen Sie, ein Mittelständler macht sich Gedanken über seinen “Exportanteil”?!

        Eine globalisierte Wirtschaft, die ein Produkt dreimal um den Erdball kreisen lässt, bis es zum Konsumenten gelangt, ist weder effektiv noch ressourcenschonend, sie ist also nicht wirtschaftlich. Was dann? Wenn der Weg der Produkte allein aufgrund der Lohnkostendifferenzen [sic!] bestimmt wird, dann ist das Motiv nicht Effizienz, sondern Ausbeutung des Faktors Arbeit.

        Wirtschafts- und Finanzkrisen gab es schon vor 500 Jahren. Da gab es keine Politiker im heutigen Sinne, keine Journalisten, keine Wirtschaftswissenschaftler. Was es allerdings gab, waren staatliche Strukturen und private Abnehmer. Wo ist also das System?

        Diese Frage ist sehr leicht zu beantworten: Wirtschaften heißt, begrenzte Ressourcen zu verteilen. Das war, ist und wird immer krisenanfällig sein. Daher haben wir in unserem modernen Gesellschaft eine ausdifferenzierte Struktur geschaffen, damit die Verteilung der Ressourcen als gerecht angesehen wird und die Verteilung nicht als Krise empfunden wird. Aber wir haben eine Krise, also sind große Teiler unsere Gesellschaft an sich in der Krise.

        Angewandte Wissenschaft will die Wirklichkeit erklären und zwar so, dass diese Erklärung Muster herausbildet. Davon sind Sie unendlich weit entfernt. Für Sie kommt ein Wissenschaftler mit einer neuen Theorie daher und schon ist das fundiert. Lange Expertise dagegen ist für Sie Voodoo.

        Nicht ich sage, dass lange Expertise Voodoo ist, die Krise sagt es!
        [Derzeit sind Krisenprofiteur der Euro-Krise, aber der Zahltag ist nicht mehr weit entfernt.]

        • In Dubio 14. August 2013, 16:39

          Die Geschäftsführer haben Ihnen hoffentlich klar gemacht, dass sie nicht eine neue Produktionsstätte errichten, weil ein Markt boomt. Dann wäre noch die Frage, warum das so keine Auswirkungen auf Ihre Nachfragetheorie hat.

          Die hohen Löhne trieb die Entwicklung der Automatisierung voran und führte zu besseren Produkten, denn Maschinen arbeiten nunmal präziser als ein Mensch.

          Keine Frage. So etwas nennt man kapitalintensive Produktion. Nur, Kapital muss bedient werden und auch Wissen ist Kapital. Wenn ich eine Datenbank entwickle, so ist das Produktion durch den Faktor Kapital, nicht durch Arbeit. Und was machen Sie mit den Menschen, die mit den wachsenden Produktivitätsanforderungen nicht Schritt halten können? Die werden arbeitslos. Gibt es auch eine ökonomische Theorie dazu, die Effizienzlohnthese.

          Wenn der Weg der Produkte allein aufgrund der Lohnkostendifferenzen [sic!] bestimmt wird, dann ist das Motiv nicht Effizienz, sondern Ausbeutung des Faktors Arbeit.

          Quark. Wenn Nordseekrabbenfischer die Krabben nach China zum Schälen schicken, dann nicht zur Ausbeutung von Arbeit. In Deutschland findet sich niemand, der Krabben schält, vor allem nicht zu einem Preis, zu dem man Krabben an der Ladentheke vermarkten könnte. Es gibt zwei Alternativen: In Deutschland kommen keine Krabben auf den Tisch, was für manchen eine Wohlstandseinbuße darstellen würde. Oder die Krabben werden in China geschält, was dort Arbeit schafft und hier Wohlstand ermöglicht. Mit Ausbeutung hat das nichts zu tun.

          Diese Frage ist sehr leicht zu beantworten: Wirtschaften heißt, begrenzte Ressourcen zu verteilen. (..) Daher haben wir in unserem modernen Gesellschaft eine ausdifferenzierte Struktur geschaffen, damit die Verteilung der Ressourcen als gerecht angesehen wird und die Verteilung nicht als Krise empfunden wird.

          Sie fangen gut an und hören schlecht auf. Der Preis signalisiert Knappheiten und sorgt dafür, dass Kapital und Ressourcen dahin wandern, wo sie den größten Nutzen stiften. Wer den Preismechanismus ausschaltet, sorgt logischerweise für Ineffizienzen. Genau das passiert bei Ihrer „gerechten Verteilung“.

    • Nicolai Hähnle 14. August 2013, 15:41

      Übrigens, können sie mir bitte erklären, was Sinn und Zweck des Produzierens ist, außer die Produkte zu konsumieren?

      Das hat Stefan Sasse doch im Artikel bereits erklärt: Es werden Kapitalgüter produziert, damit andere Unternehmen diese installieren und damit mehr Kapitalgüter produzieren können. Auf einem logischen Fundament steht das alles nicht, aber logische Fundamente stören ja auch nur…

  • CitizenK 14. August 2013, 12:47

    Das Beispiel DB AG wird ihn nicht überzeugen. Unternehmer/Leistungsträger Mehdorn wurde von Politikern ausgebremst. Sonst wäre das Streckennetz längst auf ein paar ICE-Linien reduziert, die Mitarbeiter bei Sub-Sub-Unternehmern mit Werkverträgen beschäftigt. Die wären dann so billig, da wären keine automatisierten Stellwerke mehr nötig. Und die Leute würden wieder mehr Autos kaufen.

    • In Dubio 14. August 2013, 16:43

      Das Beispiel Bahn zeigt doch, dass der Staat nicht effizient wirtschaften kann. Warum fragt eigentlich niemand, wie es eine Fehlquote von 50% geben kann und das noch im Sommer. Ich habe für Logistiker gearbeitet, da hatte man im Lager nicht solche Fehlquoten.

      Die Bahn schafft seit ewigen Zeiten keinen nennenswerten Gewinn, vor allem keinen, der dem Unternehmen die eigene Finanzierung von ausreichenden Investitionen ermöglicht. Entscheidend ist nicht die gesellschaftsrechtliche, sondern die Eigentümerstruktur.

  • CitizenK 14. August 2013, 19:58

    Und was zeigt das Beispiel ThyssenKrupp?

  • Marc 15. August 2013, 08:35

    Entscheidend ist nicht die gesellschaftsrechtliche, sondern die Eigentümerstruktur.

    Ja, so ist das in der Wirtschaft. Der Personalmanager der Bahn muss sich immer seinen 5-Jahresplan vom Eigentümer abholen und ihn bis aufs i-Tüpfelchen erfüllen. Er hat keinen Handlungsspielraum und er kann auch nicht auf Misstände aufmerksam machen.
    Der Staat als Eigentümer sagt: gnadenlose Gewinnmaximierung und der Bahn-Personalmanager fährt die Personalpolitik gnadenlos an die Wand. Punkt.
    Bei einem „echten“ Investor sieht die Sache natürlich ganz anders aus: „Hey, du Personal-Mensch. Ich fände es echt so richtig total toll, wenn du gaaanz viele Menschen zu uns holst. Wir haben uns ja hier alle richtig lieb. Ich bezahle auch dafür, ich habe ja das Geld. Du, merke dir nur eine Regel: beachte die Mondphasen! Einstellungen nur bei zunehmendem Mond, Entlassungen bei abnehmenden. Dann wird alles gut!“ Klar, so funktioniert es wieder.

    Wenn ich eine Datenbank entwickle, so ist das Produktion durch den Faktor Kapital, nicht durch Arbeit.

    So so, Geld programmiert also und administriert die Server. Echt, das war wir neu.

    Und was machen Sie mit den Menschen, die mit den wachsenden Produktivitätsanforderungen nicht Schritt halten können? Die werden arbeitslos.

    Daher brauchen wir vermehrt Tätigkeiten, die eben nicht dem Produktivitätdogma unterliegen, und müssen diese ausbauen: Wissenschaft, Bildung, Kinderbetreuung, …

    Sie fangen gut an und hören schlecht auf. Der Preis signalisiert Knappheiten und sorgt dafür, dass Kapital und Ressourcen dahin wandern, wo sie den größten Nutzen stiften.

    Nein, der Preis signalisiert in der Globalisierung im Grunde nur noch, wo die niedrigsten Löhne sind. Das hat mit Nutzen, Ressourcenschonung und Effizienz nichts mehr zu tun.

    P.S: Über ihren Witz, dass im Kapitalismus der Konsumverzicht ein Standortvorteil sein soll, lache ich noch heute: „Hey, wir wollen hier nur produzieren, mehr wollen wir echt nicht! Seid nicht verrückt, bitte kauft unsere Produkte NICHT!1!!“
    Gibt es eigentlich zu diesem Witz eine Studie? Die würde ich gerne mit Genuss lesen! Es muss ein ganz besonderer Experte mit einer langjährigen Erfahung der Excel-Künste sein, mit einer besonderen Qualifikation in der kreativen Vorzeichensetzung.

    • Nicolai Hähnle 15. August 2013, 09:10

      Daher brauchen wir vermehrt Tätigkeiten, die eben nicht dem Produktivitätdogma unterliegen, und müssen diese ausbauen: Wissenschaft, Bildung, Kinderbetreuung, …

      Das ist jetzt zwar leider wieder in gewisser Weise ein Self-Plug, aber da es im deutschsprachigen Raum dazu sonst kaum Quellen gibt, möchte ich auf den Denkansatz der Jobgarantie hinweisen.

      Aus kühler ökonomischer Sicht betrachtet geht es einfach darum, die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts so zu ändern, dass es bei einem festen Lohn unendlich große Nachfrage nach Arbeit gibt.

      Das wäre dann unabhängig von Produktivitätsüberlegungen, aber die Forderung nach maximaler Produktivität ist auch nur im Bereich der profitorientierten Wirtschaft sinnvoll.

      • CitizenK 15. August 2013, 09:47

        @ Nicolai Hähnle

        Dein Konzept der „Jobgarantie“ kannte ich noch nicht. Klingt auf den ersten Blick nicht unvernünftig. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail.
        Lange vor der Hartz-Reform gab es schon Diskussionen um
        – Zumutbarkeitskriterien (Umzug, Familie, Schulen Freundeskreis)
        – Qualifikationen (Umschulungen in andere Berufe nur langfristig möglich, altersabhängig usw.)
        – Krtierien für den Umgang mit ungeeigneten oder unwilligen Arbeitnehmern. Kündigung? Wer entscheidet?

        Auf diese und weitere Fragen müsste das Konzept Antworten geben. Wo finde ich die?

        • Nicolai Hähnle 15. August 2013, 17:26

          Hallo CitizenK,

          es ist nicht mein Konzept 🙂 Es stammt von Bill Mitchell, Randall Wray und anderen. Wie bei allen neuen Ideen wird man damit natürlich auch Erfahrungen sammeln müssen.

          Zu den drei von dir genannten Punkten:

          1. Zumutbarkeitskriterien spielen bei der Jobgarantie keine Rolle. Es geht darum, Nachfrage nach Arbeit zu erzeugen. Die Menschen haben dann die Wahl, ob sie einen entsprechenden Job annehmen oder nicht.

          2. Qualifikationen, klar: Sicherlich wird die Jobgarantie primär in Bereichen eingesetzt werden, in denen relativ wenige Qualifikationen notwendig sind. Es wäre sicherlich sinnvoll, ein die Arbeit begleitendes Training und Schulungen anzubieten – übrigens deutlich sinnvoller, als irgendwelche Hartz IV-Maßnahmen, da wir wissen, dass Schulungen deutlich effektiver sind (und auch besser angenommen werden), wenn sie mit einer realen Tätigkeit verbunden sind.

          3. Richtig, wer auf eine Jobgarantie-Stelle geht und in Wirklichkeit gar nicht arbeiten will, dem wird wie bei jeder anderen Arbeit auch gekündigt.

          Das ist zugegebenermaßen der haarigste Teil an der Jobgarantie, aber die gleichen Probleme hat man in anderer Form auch bei allem anderen, was man macht. Im Zweifelsfall gibt es dann ein paar Fälle vor den Arbeitsgerichten. Aber es wird sicherlich weniger Streitigkeiten geben als im Zusammenhang mit ALG II.

  • In Dubio 15. August 2013, 09:26

    Ja, so ist das in der Wirtschaft. Der Personalmanager der Bahn muss sich immer seinen 5-Jahresplan vom Eigentümer abholen und ihn bis aufs i-Tüpfelchen erfüllen.

    Sie haben wirklich keine Ahnung von Wirtschaft, wenn Sie so einen Quatsch schreiben. Eine 3- und großen Konzernen die 5-Jahresplanungen sind außerordentlich grob. Sie enthalten ab t+2 i.d.R. nur Eckdaten wie hochgerundete Umsatzgrößen, Margen, Kosten, Personalgröße, EBITDA, EBIT. Niemand ist so dumm wie Sie unterstellen und kann Kostenstrukturen aufs Komma in 5 Jahren beziffern.

    Welcher DAX-Konzern hat in den letzten 5 Jahren Massenentlassungen in Deutschland durchgeführt? Die Commerzbank, die ist aber in einer Sondersituation mit außerordentlich schlechter Ertragslage und der Übernahme der maroden Dresdner Bank.

    Ein Business-Plan kalkuliert natürlich auch Manpower, aber auch hier ist niemand so blöd, ohne Personal Wachstum bewältigen zu können. Das Problem der Bahn ist, wiederholt geschrieben, dass sie weder in der Lage ist, ihre Investitionen zu erwirtschaften noch eine angemessene Rendite auf das Kapital abzuliefern. Und das nicht auf 1 oder 5 Jahre betrachtet, sondern dauerhaft.

    So so, Geld programmiert also und administriert die Server. Echt, das war wir neu.

    So, so, und von VWL haben Sie auch keine Ahnung. Nur einfache, handwerkliche Tätigkeiten ohne große geistige Anstrengung werden in der Ökonomie als Arbeit gezählt. Für alles andere brauchen Sie einen entsprechenden (Kapital-) Stock, um sie zu leisten.

    Daher brauchen wir vermehrt Tätigkeiten, die eben nicht dem Produktivitätdogma unterliegen (..).

    Hatten Sie nicht geschrieben, hohe Löhne wirkten als Produktivitätspeitsche? Erst die Leute aus dem Arbeitsprozess schmeißen und sie dann über subventionierte Tätigkeiten beschäftigen. Tststs.

    Der Preis signalisiert in der Globalisierung im Grunde nur noch, wo die niedrigsten Löhne sind.

    Gehen Sie mal auf Jobbörsen (Monster, Stepstone, Experteer) und wenden Sie sich an Headhunter. Sie werden feststellen, dass gerade um die Leute mit hohen Gehaltsvorstellungen außerordentlich gekämpft wird.

  • Christian 15. August 2013, 12:23

    Ich hatte das hier schonmal gepostet, aber schaden kann es ja jetzt auch nicht.
    Die Finanzierungssalden von Deutschland mit Daten von Eurostat in den letzten Jahren. ROW=Rest of World, FIRE=Finance, Insurance, Real Estate
    https://dl.dropboxusercontent.com/u/1496434/sektorsalden-eurostat.pdf
    Zwei Anmerkungen
    – Staatshaushalte ohne Außenhandel zu betrachten ist witzlos. Man kann die Grafik auch für Amerika aufmalen, da liegt der schwarze Balken jeweils auf der anderen Seite. Wenn da der Staat nicht ausgleicht, verlieren die anderen Sektoren netto.
    -Wenn der gelbe Balken auf null gehen würde, wie es die Herren Eichel, Steinbrück, Schäuble und co. gerne hätten, gehen naturgemäß woanders Überschüsse weg. Wessen Überschüsse sollen wir streichen?

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