Warum Skandale an Obama einfach abzuperlen scheinen

Das Göttinger Institut für Demokratieforschung hat sich mit der Frage befasst, warum Obama scheinbar keinen Schaden aus den Skandalen von Benghazi über die IRS hin zu der NSA nimmt und kommt zum Schluss, dass er zu sehr als Projektionsfläche für ein besseres Amerika diene und von seinen Anhängern, die er mit den Skandalen enttäuscht, apologetisch in Schutz genommen wird. Während dieses Phänomen zweifellos vorhanden ist, übersehen die Göttinger wenn sie nach den Ursachen für den ausbleibenden breiten Druck auf Obama fragen dabei meiner Meinung nach den springenden Punkt.

Dieser liegt schlicht in der Frage, wer denn da eigentlich Druck ausüben solle. Und die Antwort auf diese Frage wiederum wird von der Opposition diktiert, den Republicans. Bevor ein Skandal nämlich die eigene Anhängerschaft massiv gegen den Präsidenten aufbringt, muss es sich schon um wahrhaft epische Dimensionen handeln. Eine vergleichende Umfrage zeigt dies in aller Deutlichkeit auf:

In einem Satz zusammengefasst: es ist ok, wenn wir es tun. Tatsächlich müssten die progressiven Kräfte in den USA wahnsinnig sein, auf breiter Front Druck auf Obama auszuüben. Solcher Druck kann grundsätzlich nur dann entstehen, wenn eine Gefahr von Machtwechsel damit verbunden ist, sei es weil die nächste Wahl ansteht, sei es, weil man den Amtsinhaber zum Rücktritt zwingen will. Nur, die Skandale die die Obama-Regierung gerade durchlebt geben seinen Unterstützern nicht den geringsten Grund, abtrünnig zu werden. Ja, sicher sind seine Anhänger enttäuscht über seine Haltung zu Militäreinsätzen, Verhörmethoden, Drohnenschlägen und Überwachung. Aber wen sollen sie denn gegen Obama ins Feld führen, der Druck ausüben könnte?

Die Kritik der Göttinger richtet sich daher auch auf den Ruf als „guter Mensch“, den Obama genießt. Dieser enthebe ihn quasi der Kritik. Die überwältigende negative Meinung gegenüber Bush hat diesen aber auch nicht vor Skandalen beschützt, obwohl der genauso darüber hätte schweben können. Das Problem ist schlicht, dass Obama trotz aller Schwächen immer noch die wenigsten schlechte aller möglichen präsidialen Lösungen ist.

Obama ist der liberalste Präsident, den das Land in Jahrzehnten hatte und wohl in Jahrzehnten haben wird. Alle Punkte, die oben aufgeführt wurden, werden von praktisch allen anderen ernstzunehmenden Machtgruppen – vom Hillary-Clinton-Block innerhalb der Democrats bis hin zu den Rechtsaußen der Tea-Party – weniger als Skandal wahrgenommen, sondern höchstens als solcher instrumentalisiert. Obamas Gegner und Konkurrenten wollen noch mehr Überwachung, noch mehr Drohnen, noch mehr Feindrecht gegenüber mutmaßlichen Terroristen, Guantanamo eher ausbauen denn schließen. Kritisiert und angegriffen wird Obama vor allem von Rechtsaußen, also nicht gerade im Herz des Elektorats. Wo also soll der Druck auf Obama herkommen? Ja, seine Anhänger sind enttäuscht. Enrsthaft drohen, jemand anderem den Vorzug zu geben können sie nicht.

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  • Mattes 17. Juni 2013, 09:27

    Also praktisch das gleiche Phänomen wie bei Angela Merkel. Naja, irgenwie dann doch nicht wirklich. Hier ist es dann doch eher so, das aufgrund fehlender Alternativen die Leute nicht wählen gehen, hingegen in den USA die Leute vor noch schlimmeren Obama weiter unterstützen. Gleich bleibt die fehlende Opositon.
    Wenn ich die Wahl zwischen Pest und Cholera hab, kann ich auch bei der Union bleiben. Die Leute scheinen nämlich nicht vergessen zu haben, dass die SPD und die Grünen in weiten Teilen die jetztige Politik salonfähig gemacht haben.

  • Jan Falk 17. Juni 2013, 09:28

    Obama ist letztlich für Prism usw verantwortlich. Es sind aber nicht seine Programme, sie sind unter Bush entstanden und seitdem in Washington schlicht Konsens gewesen. Alle Präsidentschaftskandidaten der letzten acht Jahre unterstützen sie, zudem fast alle Senatoren. Der politische Druck kam dabei vor allem von rechts. Da wurde über Jahre alle als „weak on terror“ bezeichnet, die nicht ein Maximum an Sicherheit und Militarismus an den Tag legten.

    Schönes Beispiel Guantanamo, wo Obama ja immerhin einen (wenn auch halbherzigen) Versuch unternommen hat, den Status Quo zu ändern. Der Widerstand aus dem Senat war gigantisch. Was wäre also passiert, wenn er versucht hätte, den gerade errichteten Sicherheitsapparat samt Überwachung wieder auseinanderzukloppen? Es wäre wohl ebenso ein politischer Kampf gewesen, der nicht zu gewinnen gewesen wäre.

    Obama hat am Anfang seiner Präsidentschaft eine Entscheidung getroffen: Er macht die Flanke auf dem Feld der National Security dicht, um Reformen im Sozialen und bei Finanzen durchzubekommen. Das ist, was viele Linke nicht verstehen: Ein Reform-Präsident (oder genauso Kanzler bei uns) kann nur eine sehr begrenzte Zahl an Bällen in der Luft halten, an Projekten verfolgen. ACA, Steuern usw. waren Obamas Prioritäten.

    Nun ist er mit seiner harten Linie bei der Terrorbekämpfung politisch auf der falschen Seite gelandet. Ich finde Kritik daran ist völlig legitim. Aber all diejenigen, die bei der Wiederwahl gejubelt haben, sollen nicht so tun, als hätten nicht die terrorfreie Zeit, die Tötung Bin Ladens und Obamas Image als Hardliner im War On Terror erheblich dazu beigetragen, dass er nochmal vier Jahre im Weißen Haus ist. Oder als wäre ACA und DADT druchgekommen, wenn Obama als Priorität die Abwicklung des War on Terror gesetzt hätte.

    Ob das alles so an ihm (und, wichtiger noch, den Demokraten bei den Midterms) abperlt, muss man abwarten. Glaube ich erstmal nicht so wie Du. Es war eine erfolgreiche politische Strategie, aber sie könnte Kosten gehabt haben. Das werden wir in den nächsten Monaten sehen.

  • Ariane 17. Juni 2013, 11:40

    Volle Zustimmung. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass diese Skandale Obama langfristig eher nützen.
    Klar, seine Anhänger sind erfreut, wissen aber, dass alle anderen noch viel schlimmer wären. Wenn sie in Massen den Wahlen fernbleiben, wäre es das gleiche, das würde die Siegchancen für einen schlimmeren Kandidaten erhöhen.
    Gleichzeitig bietet er nach rechts weniger Angriffsfläche, weil es schwerer ist, ihn als Schwächling oder Sicherheitsrisiko hinzustellen und wenn man versucht als Rechtsaußen den Prism-Skandal irgendwie mitzunehmen, kann man sich schlecht hinstellen und noch mehr Überwachung verlangen. Für rechts ist das ganze Thema momentan verbrannt und für Obama ist es momentan eine Win-win-Situation.

  • Jan Falk 17. Juni 2013, 12:50
  • Jan Falk 17. Juni 2013, 18:18

    Wie haben die Skandale Obamas Approval geschadet? Nate Silver ist der Mann für solche Fälle:

    http://fivethirtyeight.blogs.nytimes.com/2013/06/17/is-democratic-criticism-on-n-s-a-hurting-obamas-approval-rating/

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